fisch und gemüse aus der eigenen dachfarm - Hotel & Gastro Union
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S C I E N C E & F U T U R E<br />
FISCH UND GEMÜSE AUS<br />
DER EIGENEN DACHFARM<br />
Seit Jahren erobern sogenannte «Urban Farmers» Metropolen wie Los Angeles,<br />
Tokio <strong>und</strong> Berlin. Sie kultivieren mitten in <strong>der</strong> Stadt Tomaten <strong>und</strong> züchten<br />
Speise<strong>fisch</strong>. In <strong>der</strong> deutschen Hauptstadt planen «Urban Farmers» gegenwärtig<br />
den grössten «Öko-Schrebergarten» – auf dem Dach einer Malzfabrik.<br />
Die Luft ist mit Abgasen getränkt,<br />
<strong>der</strong> Lärmpegel unerträglich. Eine sechsspurige<br />
Autobahn schlängelt sich durch<br />
die zubetonierte Landschaft <strong>und</strong> trifft<br />
auf eine vierspurige Stadtstrasse. Hier,<br />
mitten im Industriequartier des Berliner<br />
Südkreuzes, soll spätestens in einem<br />
Jahr Bio<strong>gemüse</strong> angebaut <strong>und</strong> Öko-Fischzucht<br />
betrieben werden. «Wir wollen hier<br />
auf unserem Areal die grösste Dachfarm<br />
<strong>der</strong> welt eröffnen», sagt <strong>der</strong> stellvertretende<br />
Geschäftsführer <strong>der</strong> Berliner Malzfa-<br />
Text: Jörg Ruppelt, SDA, Fotos: zVg<br />
brik, Nicolas Leschke. Künstler <strong>und</strong> Kreative<br />
nutzen das Industriedenkmal seit<br />
Jahren als Treffpunkt <strong>und</strong> Wohnobjekt.<br />
Ab Frühling 2013 sollen hier nun auch<br />
tonnenweise Salat, Kohlrabi <strong>und</strong> Tomaten<br />
gedeihen – unter einem schützenden<br />
Glasdach, versteht sich. Insgesamt 7000<br />
Quadratmeter Dachfläche stehen für den<br />
Bio-Anbau bereit, so viel wie ein Fussballfeld.<br />
In dem Gebäude darunter, in 22 ehemaligen<br />
Malzkesseln, sollen sich Schwärme<br />
von Talapia-Barschen tummeln.<br />
– 64 –<br />
Nicolas Leschke <strong>und</strong> seine<br />
Fre<strong>und</strong>e sind Teil einer wachsenden<br />
Bewegung: die <strong>der</strong> Stadtbauern, international<br />
auch Urban Farmers genannt.<br />
Weltweit erobern sie ungenutzte Betonflächen<br />
<strong>und</strong> Stadtwiesen <strong>und</strong> züchten darauf<br />
Grünzeug.<br />
Der Wunsch nach heimischen Produkten<br />
kollidiert immer öfter mit einem<br />
an<strong>der</strong>en: dem Wunsch, urban leben zu<br />
wollen. Nach Berechnungen <strong>der</strong> Vereinten<br />
Nationen werden 2050 zwei von drei
S C II EE N C E & F U T U R E<br />
Erdenbürgern in einer Stadt leben. Zeit<br />
zum Umdenken. «Es ist unsinnig, Gemüse<br />
weiterhin nur auf dem Land anzubauen<br />
<strong>und</strong> es endlose Strecken bis zum Verbraucher<br />
in die Stadt zu karren», sagt<br />
Christian Echternach. Der Urban Farmer<br />
gehört zu Efficient City Farming<br />
ECF, einem Unternehmen, das Stadtfarmen<br />
realisiert. Derzeit entwickeln er<br />
<strong>und</strong> seine Fre<strong>und</strong>e einen ECF-Container.<br />
Dieser ist Nachfolger <strong>der</strong> so genannten<br />
Rostlaube. Die «Rostlaube» besteht<br />
<strong>aus</strong> einem <strong>aus</strong>rangierten Container mit<br />
integriertem Fischtank <strong>und</strong> einem aufgesetzten<br />
Gewächsh<strong>aus</strong>. Im geschlossenen<br />
<strong>und</strong> ressourcensparenden Aquaponic-<br />
Wasserkreislaufsystem wird gleichzeitig<br />
Gemüse- <strong>und</strong> Kräuteranbau sowie Fischaufzucht<br />
betrieben. Die «Rostlaube» ist<br />
eine Entwicklung <strong>der</strong> UrbanFarmers AG<br />
mit Sitz in Zürich. In dem 20"-Cargo-<br />
Container können mittels Aquaponic pro<br />
Jahr 200 Kilogramm Gemüse <strong>und</strong> 60 Ki-<br />
logramm Fisch produziert werden, was<br />
eine dreiköpfige Familie komplett mit<br />
genügend Fisch <strong>und</strong> Gemüse versorgen<br />
könnte.<br />
Neben dieser «Rostlaube» beschäftigtsichdasvonRomanG<strong>aus</strong><strong>und</strong>Andreas<br />
Graber gegründete Unternehmen mit <strong>der</strong><br />
Projektierung von grösseren Dachfarmen.<br />
Zurzeit sind zehn Projekte in ganz Europa<br />
imProzess <strong>der</strong> Evaluation.Die erste urbane<br />
Dachfarm in <strong>der</strong> Schweiz könnte<br />
schon bald in Basel entstehen. UrbanFarmers<br />
liefert fertige Farmen inklusive Betriebskonzept<br />
<strong>und</strong> Support. Nach den<br />
Worten des Schweizers Roman G<strong>aus</strong> <strong>und</strong><br />
des deutschen UrbanFarmers Christian<br />
Echternach spreche man auch <strong>Hotel</strong>iers<br />
<strong>und</strong> <strong>Gastro</strong>nomen an, die womöglich<br />
über wenig Platz verfügen, aber dennoch<br />
auf ganzjährig nachhaltige Landwirtschaft<br />
mit hoher Ressourceneffizenz<br />
<strong>und</strong> Umweltverträglichkeit setzen.<br />
– 65 –<br />
Was ist<br />
Aquaponic?<br />
Aquaponic ist die Kombination<br />
von Hydroponic, dem Anbau von<br />
Gemüse ohne festen Nährboden,<br />
mit <strong>der</strong> Fischzucht, genannt<br />
Aquakultur. Die Pflanzen beziehen<br />
die benötigten Nährstoffe für<br />
ihr Wachstum <strong>aus</strong> dem Wasser<br />
<strong>der</strong> Fischzucht. Das von den<br />
Pflanzen «gereinigte» Wasser<br />
wird anschliessend wie<strong>der</strong> in<br />
das Fischbecken zurückgeführt.<br />
Dieses symbiotische Kreislaufsystem<br />
ist äusserst effizient <strong>und</strong><br />
spart gegenüber herkömmlichen<br />
Produktionsmethoden sehr viel<br />
natürliche Ressourcen. Eine<br />
nachhaltige Lebensmittelproduktion<br />
ohne Pestizide, Fungizide<br />
o<strong>der</strong> Antibiotika wird damit auch<br />
in Metropolen des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
möglich. Die Dachfarm<br />
wird als Gewächsh<strong>aus</strong> ganzjährig<br />
betrieben. Durch massiv verkürzte<br />
Transportwege trägt die Urban-<br />
Farm zur CO 2 -Reduktion bei.<br />
In <strong>der</strong> Berliner Malzfabrik freut man<br />
sich jedenfalls auf die eigene Öko-Dachfarm.<br />
«So wird in Bälde das Kilo Fisch mit<br />
nur 200 Litern Wasser hergestellt werden –<br />
üblich sind 1000 Liter», sagt die Nachhaltigkeitsbeauftragte<br />
des Projekts, Karoline<br />
von Böckel.<br />
Im Frühjahr 2013 soll die erste eigene<br />
Gemüseernte im h<strong>aus</strong><strong>eigenen</strong> Laden<br />
<strong>der</strong> Malzfabrik landen. Geplant ist auch,<br />
die Kantine mit Grünem <strong>und</strong> Fisch <strong>aus</strong><br />
<strong>der</strong> Dachfarm zu versorgen. «Von unserem<br />
Projekt hält uns niemand mehr<br />
ab. 2012 ist in Deutschland das Wissenschaftsjahr<br />
<strong>der</strong> Nachhaltigkeit, da gibt<br />
es genug För<strong>der</strong>programme für Vorreiter<br />
wie uns», sagt <strong>der</strong> stellvertretende<br />
Malzfabrik-Geschäftführer Nicolas<br />
Leschke. So könnten <strong>aus</strong> Berlin <strong>und</strong><br />
vielleicht auch <strong>aus</strong> Basel <strong>und</strong> Zürich<br />
bald drei innovative Bio-Anbau-Städte<br />
werden. X