unisono - Schweizer Blasmusikverband
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BDV<br />
Stimmt es, dass Sie auf Vorschlag Philip<br />
Wilby's, Ihres zeitgenössischen Komponistenkollegen<br />
aus Leeds, demnächst geadelt<br />
werden sollen?<br />
Vielleicht als Lord of the Dance (siehe Partita)?<br />
Davon wüsste ich nichts. Aber Philip<br />
Wilby, von dem ich gewisse Bläserwerke<br />
sehr schätze, war in der Jury tätig, die meine<br />
«Passacaglia» am Kompositionswettbewerb<br />
«Brass in Association» an der Universität<br />
Leeds (Yorkshire/GB) mit dem ersten<br />
Preis bedacht hat. Dieser Preis aus dem<br />
Mutterland der Brass Bands freut mich<br />
natürlich sehr. Die «Passacaglia» war letzten<br />
November das Aufgabestück in der 1.<br />
Klasse am <strong>Schweizer</strong>ischen Brass-Band-<br />
Wettbewerb. Da das Stück jetzt durch die<br />
Black Dyke aufgeführt wird, erhalten alle<br />
Interessierten nochmals eine Gelegenheit<br />
herauszufinden, ob die Läufe im schnellen<br />
Teil wirklich unspielbar sind, wie in Montreux<br />
teilweise zu hören war...<br />
Mit dem Sir Oliver wird es demnach noch<br />
nichts?<br />
Also, ich glaube, gemäss der königlichen<br />
Hofordnung zu Buckingham muss man<br />
mindestens vier Takte von «Rule Britannia»<br />
in einem Stück eingeflochten haben, damit<br />
man für den «Sir» in die engere Wahl<br />
kommt. Das fehlt bei der «Passacaglia», ausserdem<br />
ist der Hymnen-Koeffizient zu tief.<br />
Trotzdem, den Titel nähme ich gerne entgegen,<br />
ich weilte schon öfters in Britannien<br />
in den Ferien. Letzten Herbst in Schottland<br />
war sogar das Essen gut.<br />
Vor dem heutigen «Adel» war doch ehedem<br />
der Pflichtstück-«Tadel»... Echt locker,<br />
wie Sie 1999 mit den Thurgauer «Three<br />
Pictures»-Kritikern umgegangen sind!<br />
Das Stück selbst wurde eigentlich nicht getadelt<br />
(jedenfalls nicht öffentlich), aber Kritiker<br />
fanden, es sei für den damaligen<br />
Wettbewerb nicht angebracht gewesen.<br />
Wie auch immer: Viele Aufführungen in<br />
den Kantonen Bern und Thurgau haben<br />
mir auf der musikalischen Ebene recht gegeben:<br />
Das Stück klingt, wie es soll.<br />
Hat nach den «Three Pictures» bei Ihnen<br />
eine kompositorische Entwicklung hienieden<br />
Richtung «Hebriden» stattgefunden?<br />
Hoffentlich, es liegen ja immerhin zwei Jahre<br />
dazwischen! Die Stücke «Three Pictures»<br />
und «Hebridean Rhapsody» lassen sich aber<br />
nur bedingt vergleichen: Das erste ist relativ<br />
abstrakt und beschreibt Bewegungsfiguren,<br />
während das zweite stark von Volksliedern<br />
lebt und eher Geschichten erzählt.<br />
Die Arbeit an der «Hebridean Rhapsody» begann<br />
übrigens vor den kantonalen Musikfesten<br />
1999, die Idee zu einem solchen<br />
Stück existierte seit 1991; der Auftrag für<br />
Fribourg gab mir Gelegenheit, diese Idee<br />
umzusetzen. Es ging darum, die eigene<br />
Klanglichkeit der Volkslieder in einen sinfonischen<br />
Kontext zu stellen, ohne dass die<br />
Lieder zuviel Energie verlieren, aber auch<br />
ohne dass die formale Gestaltung zu sehr<br />
leidet. Das habe ich auch schon in früheren<br />
Stücken realisiert (z.B. «Kein schöner<br />
Land» oder das Tuba-Quartett, letzteres<br />
ebenfalls über ein schottisches Lied).<br />
Maestro Nr. 2/2002<br />
Ordnen Sie Ihrer «Hebridean Rhapsody»<br />
eine Art Schlüsselrolle zu?<br />
In gewisser Hinsicht ja. Ich habe mit dieser<br />
Komposition einen Weg gefunden, Musik<br />
für untere Klassen zu schreiben, die gut<br />
spielbar ist, für mich musikalisch stimmt<br />
und offensichtlich sowohl Musikern als<br />
auch Hörern Freude bereitet. Die Echos<br />
aus Fribourg waren jedenfalls sehr positiv<br />
ausgefallen, auch von Orchestern, die weniger<br />
als 172 Punkte erspielt hatten.<br />
Bei strengem Bewertungsmassstab in einem<br />
sehr selektiven Werk 172 Punkte zu erreichen,<br />
ist nicht nur für die Hitzkirchertaler<br />
ein Erlebnis gewesen: «Der anwesende<br />
Komponist hatte sichtlich Freude an der Interpretation<br />
seines Werkes». Offenbaren<br />
Sie uns bitte Ihre Gefühle während dieser<br />
Fribourger Aufführung 2001!<br />
Mir wird die Qualität und Kraft einer Aufführung<br />
oft schon in den ersten Takten klar.<br />
Bei der Harmonie Hitzkirchertal war das<br />
der Fall: Ich wusste sehr schnell, dass hier<br />
eine phantastische Aufführung im Gange<br />
war. Es macht wirklich Freude, wenn sowohl<br />
die grossen Bögen stimmen, als auch<br />
viele Details bewusst und gekonnt herausgespielt<br />
werden.<br />
Menschlich wie musikalisch ist Oliver<br />
Waespi ein derart hochinteressanter und<br />
dementsprechend ergiebiger Interviewpartner,<br />
dass sich eine zusätzliche Beschäftigung<br />
mit dem jungen Komponisten<br />
geradezu aufdrängt. Deshalb veröffentlichen<br />
wir in der Juli-Ausgabe Nr. 3/2002<br />
des MAESTRO ein Fachgespräch mit<br />
Oliver Waespi.<br />
rm<br />
Worin unterscheidet sich der Berner Jurist<br />
vom Fribourger Juroren?<br />
Gegen die musikalischen Juryentscheide<br />
gibt es keine Beschwerdemöglichkeit. In<br />
Fribourg musste man zudem schon nach<br />
zwei Minuten Noten vergeben, was für Juristen<br />
eine relativ kurze Frist für die Behandlung<br />
eines Dossiers wäre...<br />
Sind Sie ein praktischer Musiker?<br />
Als Instrumentalist übe ich nur sehr spärlich<br />
Musik aktiv aus. Als Komponist bin ich<br />
aber regelmässig den praktischen und<br />
ästhetischen Problemen von Interpretation<br />
und Ausführung ausgesetzt, da ich noch<br />
nie ein Stück fertig komponiert habe, das<br />
nicht aufgeführt wurde. Deshalb betrachte<br />
ich mich schon als praktischen Musiker.<br />
Ausserdem studiere ich im Nebenfach Dirigieren<br />
und könnte mir immer mehr vorstellen,<br />
auch in diesem Bereich aktiv zu werden.<br />
Unglaublich! Wurde wirklich restlos alles<br />
aufgeführt oder wollen Sie uns (etwas) vorführen?<br />
Zugegeben, es gibt da eine Ausnahme:<br />
Vor einigen Jahren schrieb ich ein Stück für<br />
ein Ensemble (das ich hier nicht namentlich<br />
erwähnen will), welches auch bezahlte,<br />
aber das Stück bis heute nicht aufgeführt<br />
hat. Anscheinend gefalle es dem Präsidenten<br />
nicht. Dabei kommen lauter Dur-Dreiklänge<br />
darin vor...<br />
Himmlisch muss das Gefühl sein, wenn<br />
nach der Aufführung von «Skies» tosender<br />
Interpretenapplaus einsetzt. Ebenso freuen<br />
dürfte Sie die gleich mehrmalige Bestimmung<br />
als Aufgabestück Harmonie Höchstklasse.<br />
Ja, «Skies» hat mir schöne Erlebnisse beschert.<br />
Gefreut hat mich beispielsweise<br />
der herzliche Applaus der Mitglieder des<br />
Nationalen Jugendblasorchesters, welches<br />
das Stück 2001 aufgeführt hat. Befriedigung<br />
verschafft mir auch, dass «Skies» nach<br />
den kantonalen Wettbewerben im Jahr<br />
2000 nicht in der Versenkung verschwunden<br />
ist, sondern regelmässig wieder aufgeführt<br />
wird. Es hat sich schon so etwas<br />
wie eine «Interpretationsgeschichte» herausgebildet,<br />
die mit den vielfältigen Auslegungen<br />
anlässlich der Wettbewerbe begonnen<br />
hat und zu der die wunderbar gelungene<br />
Aufführung durch das Blasorchester<br />
des <strong>Schweizer</strong> Armeespiels unter Josef<br />
Gnos im KKL Luzern im Juni 2001 gehört.<br />
Können Sie musikalisch auch ausflippen,<br />
«mal so richtig die Sau rauslassen»?<br />
Meinen Sie damit, ob ich Töne hervorbringen<br />
kann, die ähnlich klingen wie diese<br />
putzigen Tiere? So tönt's etwa zu Beginn,<br />
wenn ich nach einiger Zeit Blasabstinenz<br />
meine Posaune wieder erschallen lasse.<br />
Oder denken Sie mehr an körperliche Musik?<br />
Ich komme da vor allem im Blues auf<br />
meine Kosten, den ich mit Vergnügen selber<br />
singe. Ausserdem interpretiere ich in<br />
der Freizeit mit Freunden im A-cappella-<br />
Gesangssextett «Sixaphone» Arrangements<br />
von Soul- oder Pop-Songs.<br />
Einst hatte es der Tonschöpfer technisch<br />
ganz einfach gehabt. Er musste lediglich<br />
mit dem Federkiel das Tintenfass treffen.<br />
Heute erscheint manches wesentlich komplizierter.<br />
Sie, Oliver Waespi, müssen nun<br />
beim Laserdrucker die Tinte auswechseln...<br />
Und, noch schlimmer, beim CD-Brenner<br />
muss ich den Laser nachfüllen (Gruss an<br />
M. v. B.). Ja, ja, die modernen Zeiten!<br />
Aber das Gute am Computer ist, dass er<br />
die schnellsten Läufe ohne Probleme runterspielt...<br />
Defensive und nie verletzende Schlagfertigkeit,<br />
Situationskomik und trockener Humor,<br />
all dies ordne ich Ihnen ebenfalls zu! Wieso<br />
sind bis dato Oliver Twist und Oliver Hardy<br />
noch immer berühmtere Olivers geblieben?<br />
Nicht zu vergessen Oliver Cromwell, der<br />
an der englischen Revolution beteiligt war,<br />
oder Olivier Messiaen, dessen Musik ich<br />
auch sehr schätze. Die sind tatsächlich alle<br />
berühmter als ich. Das wird sich ja nun<br />
aber ändern: Ich bin überzeugt, dass mich<br />
dieses Interview über Nacht an die Spitze<br />
des Show-Business bringen wird!<br />
Genau das hoffen wir alle, denn Sie wären<br />
nicht der Erste, dem dies passieren<br />
würde! Oliver Waespi, ich danke Ihnen für<br />
Ihre sehr offenen und spontanen Antworten<br />
ganz herzlich. Möge die schöpferische<br />
Ader Ihnen weiterhin erhalten bleiben, auf<br />
dass noch zahlreiche «Ohrizonterweiterungen»<br />
stattfinden werden.<br />
René Messmer<br />
8 UNISONO 8 •2002