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Elisabet Ney konstruiert ihr Künstlerimage in ... - Wienand Verlag

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Seite 1-109 14.01.2008 15:03 Uhr Seite 42<br />

Dagmar von Stetten-Jell<strong>in</strong>g<br />

„Ernstes Streben, feste Pr<strong>in</strong>cipien, glühende, oft wehmutsvolle<br />

Begeisterung für das Unvergängliche, das Schöne s<strong>in</strong>d unablässig<br />

e<strong>in</strong>zige, theure Genossen geblieben“ (SIM PK Berl<strong>in</strong>,<br />

Doc. orig. <strong>Elisabet</strong> <strong>Ney</strong> 8, 11. Januar 1887). Dieses Zitat aus<br />

e<strong>in</strong>em Brief an den Viol<strong>in</strong>isten Joseph Joachim (1831–1907)<br />

im Jahre 1887 kann als Motto für <strong>Elisabet</strong> <strong>Ney</strong>s lebenslanges<br />

Streben nicht nur nach dem Schönen, sondern auch nach bürgerlichen<br />

Bildungsidealen verstanden werden (Abb. 1).<br />

K<strong>in</strong>dheit und Jugend <strong>in</strong> Münster<br />

<strong>Elisabet</strong> wurde 1833 <strong>in</strong> Münster <strong>in</strong> e<strong>in</strong> multikulturelles Elternhaus<br />

geboren. Der Vater war als gelernter Ste<strong>in</strong>metz und<br />

junger Mann aus Lothr<strong>in</strong>gen nach Münster gewandert, die<br />

Mutter stammte aus dem westfälischen Geseke. Es wird überliefert,<br />

dass <strong>Ney</strong> bereits als K<strong>in</strong>d mit Ton im Atelier des Vaters<br />

modelliert hat. E<strong>in</strong>e <strong>ihr</strong>er ersten Arbeiten ist das kle<strong>in</strong>e Abbild<br />

e<strong>in</strong>er Bulldogge (vgl. Beitrag E<strong>in</strong>holz, Abb. 5, und Kat. Nr. 21<br />

<strong>in</strong> diesem Band). Sie zog es vor, dem Vater, der als Bildhauer<br />

für religiöse Kunstwerke e<strong>in</strong> gutes E<strong>in</strong>kommen hatte, bei der<br />

Arbeit zuzuschauen, anstatt bei der Mutter weibliche Fähigkeiten<br />

zu erlernen. Ihr Talent war e<strong>in</strong>e Begabung mit Tradi-<br />

42<br />

Die Bildhauer<strong>in</strong> <strong>Elisabet</strong> <strong>Ney</strong> <strong>in</strong> Europa und Amerika<br />

Abb. 1 <strong>Elisabet</strong> <strong>Ney</strong>, Bildnisbüste Joseph Joachim, 1867,<br />

Harry Ransom Humanities Research Center, The University of<br />

Texas at Aust<strong>in</strong>/<strong>Elisabet</strong> <strong>Ney</strong> Museum, Aust<strong>in</strong><br />

tion, da <strong>ihr</strong> Vater aus e<strong>in</strong>er Familie von Ste<strong>in</strong>metzen aus Bambiderstroff<br />

<strong>in</strong> Lothr<strong>in</strong>gen stammte. Bereits der Urgroßvater<br />

und der Großvater von <strong>Elisabet</strong> übten den Beruf des Ste<strong>in</strong>metzen<br />

aus. Früh wurde sie im Atelier <strong>ihr</strong>es Vaters mit dem Handwerk<br />

vertraut. Nach dem Besuch der Mart<strong>in</strong>i-Mädchenschule<br />

<strong>in</strong> Münster hat sie sich autodidaktisch weitergebildet. Antrieb<br />

waren <strong>ihr</strong>e angeborene Neugier und der Drang, sich künstlerisch<br />

zu entwickeln. Nach <strong>ihr</strong>en eigenen Erzählungen äußerte<br />

sie schon als junges Mädchen den Wunsch, <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> bei dem<br />

berühmten Bildhauer Christian Daniel Rauch (1777–1857)<br />

weiterlernen zu dürfen. Doch <strong>ihr</strong>e Eltern wollten von diesem<br />

ungewöhnlichen Wunsch nichts wissen. Durch Vermittlung<br />

des münsterischen Bischofs Johann Georg Müller (1798–<br />

1870) wurde es <strong>ihr</strong> im Jahre 1852 gestattet, <strong>in</strong> München bei<br />

Bekannten zu wohnen. Mit viel Glück wurde sie dort an der<br />

Akademie der Künste <strong>in</strong> die Bildhauerklasse von Professor<br />

Max von Widnmann (1812–1895) aufgenommen.<br />

Die Akademieausbildung <strong>in</strong> München und<br />

die Tätigkeit <strong>in</strong> der Werkstatt Christian Daniel<br />

Rauchs <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

Mit e<strong>in</strong>em ausgezeichneten Zeugnis der Bayerischen Akademie<br />

der Künste bewarb sich <strong>Ney</strong> im Jahre 1854 bei der Berl<strong>in</strong>er<br />

Akademie der Künste um e<strong>in</strong> Stipendium. Ihr künstlerisches<br />

Talent überzeugte die Prüfungskommission, die nach<br />

e<strong>in</strong>gehenden Beratungen die gewünschte Unterstützung gewährte,<br />

da sie „als gänzlich mittellos galt“. Wie erhofft, nahm<br />

der preußische Hofbildhauer Christian Daniel Rauch <strong>Ney</strong> als<br />

Schüler<strong>in</strong> und Gehilf<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Atelier auf (Abb. 2). Durch<br />

Rauchs Vermittlung erhielten <strong>Ney</strong> und <strong>ihr</strong> zukünftiger Mann<br />

Edmund Montgomery (1835–1911) Zugang zum aufgeklärten<br />

Salon Karl August Varnhagens von Ense (1785–1858)<br />

und kamen auf diese Weise mit der liberalen Berl<strong>in</strong>er Bürgerkultur<br />

<strong>in</strong> Berührung. Der junge Schotte Edmund Montgomery<br />

hörte zu dieser Zeit Vorlesungen an der mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Fakultät <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, unter anderem auch bei dem Physiker Hermann<br />

von Helmholtz (1821–1894). Kennengelernt hatten<br />

sich die jungen Leute im Jahre 1852 <strong>in</strong> Heidelberg im Hause<br />

von Professor Christian Kapp (1798–1874). <strong>Ney</strong> weilte dort<br />

auf E<strong>in</strong>ladung <strong>ihr</strong>er Freund<strong>in</strong> Johanna Kapp (1825–1883)<br />

(vgl. Beitrag Eckart <strong>in</strong> diesem Band).<br />

Im Berl<strong>in</strong>er Atelier entstanden Porträtbüsten von Karl August<br />

Varnhagen von Ense (vgl. Kat. Nr. 21 <strong>in</strong> diesem Band)<br />

und Jacob Grimm (1785–1863) (vgl. Kat. Nr. 23 <strong>in</strong> diesem<br />

Band). Letztere hat <strong>Ney</strong> erstmals im Jahre 1858 auf der Akademie-Ausstellung<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> als „Schüler<strong>in</strong> des Herrn Professor<br />

Abb. 2 August Schieferdecker, Christian Daniel Rauch mit Ordensband,<br />

1850er Jahre, Museum Bad Arolsen<br />

Rauch“ gezeigt (Börsch-Supan 1971, S. 10). Nachdem Rauch<br />

im Dezember 1857 gestorben war, arbeitete und wohnte <strong>Ney</strong><br />

weiter im Lagerhaus – ehemals Atelier und Wohnung Rauchs<br />

(Abb. 3). Im Katalog der Akademieausstellung von 1860 ist<br />

„<strong>Elisabet</strong>h <strong>Ney</strong>, wohnhaft im Lagerhaus, Klosterstraße 76“ mit<br />

vier Arbeiten aufgelistet (Stetten-Jell<strong>in</strong>g 2003, S.50).<br />

Erste Arbeiten <strong>in</strong> Frankfurt, Hannover, Berl<strong>in</strong><br />

und Münster<br />

Zwischenzeitlich begann für <strong>Ney</strong> e<strong>in</strong>e rege Reisetätigkeit, die<br />

sie aus eigenem Impuls nach Frankfurt/Ma<strong>in</strong> zum Philosophen<br />

Arthur Schopenhauer (1788–1860) führte. Den Anstoß,<br />

Schopenhauer zu modellieren, erhielt <strong>Ney</strong> von <strong>ihr</strong>em<br />

Freund Montgomery, der nach dem Studium der Werke des<br />

Philosophen fand, „daß er für das Talent und den Charakter<br />

der Frauen ke<strong>in</strong>e Achtung hatte“ (SMU Dallas, Montgomery<br />

an Driesch, 20. November 1904) (vgl. Kat. Nr. 26 <strong>in</strong> diesem<br />

Band). Dennoch fand <strong>Ney</strong> Zugang zu Schopenhauer, und er<br />

erlaubte <strong>ihr</strong>, se<strong>in</strong>e Büste zu modellieren. Es kann gesagt werden,<br />

dass er <strong>ihr</strong>e Kunst sehr schätzen gelernt hat.<br />

Gleich von Frankfurt aus eilte <strong>Ney</strong> nach Hannover, wo sie<br />

den ehrenvollen Auftrag hatte, e<strong>in</strong> Porträt König Georgs V.<br />

(1819–1878) zu modellieren. Sie traf dort <strong>ihr</strong>en Freund, den<br />

Abb. 3 Eduard Gaertner, Ansicht der Klosterstraße, 1830, Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berl<strong>in</strong>/A II 736<br />

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