„Heinrich Hertz“ llmenau zu DDR-Zeiten - unesco-projekt-schulen ...
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36<br />
forum 3/4–2003<br />
UNESCO Assoziierte<br />
Schulen werden aktiv<br />
1972 trat die <strong>DDR</strong> der UNESCO bei. Kurz danach wurde die erste UNESCO Assoziierte<br />
Schule benannt. Das Schulnetz wuchs bis <strong>zu</strong>r Wende auf 12 Schulen an. Neun dieser Schulen<br />
blieben weiterhin Mitglied im UNESCO-Schul<strong>projekt</strong>.<br />
Friedenserziehung und Kontakte <strong>zu</strong> den sozialistischen Nachbarländern, insbesondere<br />
Polen, waren die Schwerpunkte.
forum 3/4–2003 UNESCO Assoziierte Schulen werden aktiv 37<br />
UNESCO-SCHULPROJEKT IN DER <strong>DDR</strong><br />
Engagiert für internationale Verständigung<br />
Die Beteiligung von Schulen der <strong>DDR</strong>1 am weltweiten Projekt der Assoziierten<br />
Schulen war mehr als ein Episode. Es war<br />
der Versuch, sich in den Prozess der internationalen<br />
Verständigung ein<strong>zu</strong>bringen, über<br />
Ländergrenzen hinweg Kontakte auf<strong>zu</strong>bauen<br />
und Gemeinsames <strong>zu</strong> suchen.<br />
Wenngleich die staatliche Regulierung hinsichtlich<br />
der Projektbeteiligung groß war,<br />
konnte für die Assoziierten Schulen jedoch<br />
ein Tor aufgestoßen werden, das bis dahin fest<br />
verschlossen schien. Bestanden Auslandskontakte<br />
von <strong>DDR</strong>-Schulen vorwiegend mit Bildungseinrichtungen<br />
in den ehemals sozialistisch-orientierten<br />
Ländern bzw. mit einigen<br />
Entwicklungsländern, gelang im Kontext des<br />
Assoziierten Schul<strong>projekt</strong>s nun auch eine<br />
Beteiligung an weltweiten Schulaktivitäten.<br />
Über die Jahre entwickelten sich die zwölf<br />
Assoziierten Schulen <strong>zu</strong> Modell<strong>schulen</strong>, die<br />
sich besonders intensiv dem Gedanken der<br />
Friedenserziehung bzw. der internationalen<br />
Erziehung verpflichtet fühlten und somit <strong>zu</strong>m<br />
Beispiel für andere Schulen wurden.<br />
So ist der Rückblick auf die Schul- und<br />
Schüleraktivitäten im Rahmen der Projektbeteiligung<br />
aus Anlass von 50 Jahren UNESCO-<br />
Projekt der Assoziierten Schulen (ASPnet)<br />
<strong>zu</strong>gleich auch eine Möglichkeit, das oft recht<br />
undifferenziert gezeichnete Bild der <strong>DDR</strong>-<br />
Schule bzw. ihres Erziehungsauftrages –<br />
<strong>zu</strong>mindest ein Stück weit – nuancenreicher<br />
ab<strong>zu</strong>bilden.<br />
Der Anfang<br />
Zur Zeit der zwei bestehenden und auf<br />
allen Gebieten miteinander konkurrierenden<br />
Gesellschaftssysteme war die gegenseitige Verständigung<br />
und friedliche Zusammenarbeit<br />
zwischen den Staaten und Völkern unterschiedlichster<br />
gesellschaftlicher Ordnungen<br />
ein dringendes Gebot <strong>zu</strong>m Wohle der Menschen.<br />
In diesem Kontext gab die von der 18.<br />
Generalkonferenz der UNESCO im Jahre<br />
1974 angenommene „Empfehlung <strong>zu</strong>r Erziehung<br />
für internationale Verständigung,<br />
Zusammenarbeit und Frieden sowie Erziehung<br />
bezüglich der Menschenrechte und<br />
1 Die vorliegende Darstellung der Aktivitäten der<br />
UNESCO Assoziierten Schulen bezieht sich auf die<br />
Zeit seit des Beitritts der <strong>DDR</strong> <strong>zu</strong>r UNESCO im Jahr<br />
1972 bis <strong>zu</strong>r Wende.<br />
grundlegenden Freiheiten“ einen geeigneten<br />
Rahmen für die Verwirklichung einer humanistischen<br />
Bildung und Erziehung der Heranwachsenden<br />
innerhalb und außerhalb der<br />
Schule und <strong>zu</strong>gleich eine nützliche Orientierung<br />
für die friedensfördernde Tätigkeit von<br />
Schülern und Lehrern.<br />
In der <strong>DDR</strong> war zwar die Erziehung der<br />
Kinder und Jugendlichen für den Frieden von<br />
jeher ein erklärtes Erziehungsziel, welches seinen<br />
vielfältigen Ausdruck in Lehrplänen,<br />
Schulbüchern und verschiedensten Aktivitäten<br />
im Rahmen der Bildungseinrichtungen<br />
fand.<br />
„Friedenserziehung“ war jedoch sehr oft<br />
nur symbolisch und nur wenig diskursiv; inflationär<br />
behandelt wurde sie schnell <strong>zu</strong>m Lippenbekenntnis.<br />
Gleichwohl bildete diese<br />
staatlich legitimierte Bildungs- und Erziehungsabsicht<br />
die Grundlage für das Mitwirken<br />
von <strong>DDR</strong>-Schulen am weltweiten Projekt der<br />
Assoziierten Schulen im Sinne der im<br />
Abschnitt III der UNESCO-Empfehlung von<br />
1974 formulierten Grundsätze. 2<br />
Wenngleich sich die am UNESCO-Schulnetz<br />
beteiligten Schulen im Vergleich <strong>zu</strong> anderen<br />
Schulen durch eine inhaltsreichere Erziehung<br />
auf diesem Gebiet auszeichneten, verstanden<br />
sie sich dabei nicht als „besondere“<br />
Schulen, sondern als Schulen, die spezifische<br />
Formen und Methoden einer altersgerechten<br />
und weitgehend interessengeleiteten relevanten<br />
erzieherischen Arbeit entwickelten, die sie<br />
auch an andere Schulen weiter<strong>zu</strong>geben versuchten.<br />
Damit kreierten diese Schulen ein<br />
eigenes Profil, welches sich sowohl in der Wirkung<br />
nach innen als auch nach außen von<br />
anderen Schulen abhob, sich jedoch immer im<br />
staatlich vorgegebenen Rahmen bewegte.<br />
So setzte sich beispielsweise die Erweiterte<br />
Oberschule (EOS) Karl Liebknecht in Frankfurt/Oder<br />
– an der deutsch-polnischen Grenze<br />
gelegen – nicht nur aktiv mit Person und Wirken<br />
ihres Namensgebers auseinander, sondern<br />
pflegte auch sehr enge Beziehungen <strong>zu</strong>m polnischen<br />
Nachbarn. Getragen von der Verantwortung,<br />
aus der Geschichte <strong>zu</strong> lernen, bau-<br />
2 In diesem Sinne ist es sicherlich erwähnenswert, dass<br />
mit der damaligen Erweiterten Oberschule (EOS) Karl<br />
Liebknecht in Frankfurt/Oder bereits 1973 eine erste<br />
<strong>DDR</strong>-Bildungseinrichtung ‚Assoziierte’ Schule wurde,<br />
der im Jahre 1976 die EOS Käthe Kollwitz in Zwickau<br />
folgte.
38<br />
UNESCO Assoziierte Schulen werden aktiv forum 3/4–2003<br />
General-Anzeiger, Bonn, 20.03.1990<br />
ten Lehrer und Schüler intensive Kontakte <strong>zu</strong><br />
polnischen Bildungseinrichtungen auf, nutzten<br />
diese, um bei gemeinsamen Aktivitäten<br />
das Nachbarland authentisch kennen <strong>zu</strong> lernen<br />
und so Völkerverständigung praktisch <strong>zu</strong><br />
leben. Dadurch, und in den jährlich wechselseitig<br />
durchgeführten „UNESCO-Sprachlagern“<br />
sowie der Tätigkeit von Abiturienten der<br />
Liebknecht-EOS als Dolmetscher für jugendliche<br />
polnische Besucher in den Sommerferien,<br />
fand der Grundgedanke des Projekts der<br />
Assoziierten Schulen an dieser Schule seinen<br />
Ausdruck.<br />
In ähnlicher Weise die spezifischen Bedingungen<br />
der eigenen Schule berücksichtigend,<br />
beteiligte sich auch die EOS Käthe Kollwitz in<br />
Zwickau mit vielfältigen Aktivitäten am<br />
UNESCO-Projekt der Assoziierten Schulen.<br />
Fächerübergreifender Unterricht in den naturund<br />
geisteswissenschaftlichen sowie musischen<br />
Fächern, um die ethische und moralische<br />
Verantwortung des Menschen <strong>zu</strong>r Erhaltung<br />
von Umwelt und Frieden heraus<strong>zu</strong>arbeiten,<br />
gehörte an dieser Schule ebenso <strong>zu</strong> den<br />
Arbeitsschwerpunkten wie die vielen Besuche<br />
und Beteiligungen an relevanten<br />
Veranstaltungen von Lehrern<br />
und Schülern im Ausland,<br />
die zahlreichen Auftritte des<br />
weithin bekannten gemischten<br />
Chores in verschiedenen Ländern,<br />
die Arbeit des<br />
„UNESCO-Schulclubs“, die<br />
Schülerarbeitsgruppe<br />
„UNESCO-Kontakte“ mit ihrer<br />
umfangreichen Auslandskorrespondenz,<br />
und nicht <strong>zu</strong>letzt<br />
die alternierende Ausrichtung<br />
von UNESCO-Sprachlagern.<br />
Erweiterung und Vertiefung<br />
Mitwirkung<br />
Die positiven Wirkungen<br />
auf Bildung und Erziehung,<br />
die von der Beteiligung dieser<br />
Schulen am UNESCO-Schulnetz<br />
ausgingen, sowie die Bemühungen<br />
<strong>zu</strong>r Umset<strong>zu</strong>ng der<br />
UNESCO-Empfehlung von<br />
1974 führten in der Folgezeit<br />
da<strong>zu</strong>, dass bis 1986 fünf weitere<br />
Schulen – nun auch Allgemeinbildende<br />
Polytechnische<br />
Ober<strong>schulen</strong> (POS) – ihre Teilnahme<br />
am internationalen<br />
Schul<strong>projekt</strong> beantragten und<br />
von der UNESCO als Assoziierte<br />
Schulen bestätigt wurden.<br />
Der besonderen Bedeutung der Ausbildung<br />
von neuen Lehrern für eine Erziehung der<br />
Heranwachsenden im Sinne von internationaler<br />
Verständigung, Zusammenarbeit, Frieden<br />
und Menschenrechten Rechnung tragend,<br />
wurde 1983 auch eine Pädagogische Hochschule<br />
(PH Erfurt/ Mühlhausen) offizielles<br />
Mitglied im Netzwerk.<br />
Die Zunahme der am Projekt teilnehmenden<br />
Bildungseinrichtungen wie auch die Intention,<br />
den Teilnehmerkreis in den Folgejahren<br />
<strong>zu</strong> erweitern, machte – so wie in den anderen<br />
Ländern schon üblich – die Berufung eines<br />
„Nationalen Koordinators“ erforderlich.<br />
Dieser nahm am 2. Regionaltreffen der<br />
Koordinatoren 1984 in Dänemark teil und<br />
wertete die Ergebnisse dieser Beratung in<br />
einem mehrtägigen Treffen mit den nationalen<br />
Teilnehmer<strong>schulen</strong> aus. Der daraufhin in Gang<br />
gekommene rege Erfahrungsaustausch der<br />
beteiligten Schulen untereinander führte dann<br />
auch <strong>zu</strong> einer deutlichen qualitativen Intensivierung<br />
der inhaltlichen Arbeit in den mitwirkenden<br />
Schulen. Wurde auch in den neu hin
forum 3/4–2003 UNESCO Assoziierte Schulen werden aktiv 39<br />
<strong>zu</strong>gekommenen Schulen der Schwerpunkt<br />
bisher vor allem in der Namenspflege (z.B.<br />
Anne Frank, Jawaharlal Nehru, Marschall<br />
Konjew, Friedrich Engels) und der Erschließung<br />
der damit verbundenen erzieherischen<br />
Möglichkeiten gesehen, so konnten die Aktivitäten<br />
dieser Schulen nun mit der Beteiligung<br />
an internationalen UNESCO-Projekten,<br />
Begegnungen und Kampagnen deutlich erweitert<br />
werden.<br />
Hierfür einige Beispiele:<br />
• Verstärkt fanden UNESCO-Materialien<br />
Eingang in den Unterricht. Der „UNESCO-<br />
Kurier“, „International Understanding at<br />
School“ u.a. wurden sowohl in englischer<br />
als auch französischer, spanischer und russischer<br />
Sprache genutzt.<br />
• Schüler von Projekt<strong>schulen</strong> beteiligten sich<br />
an Workshops, Camps und anderen Aktivitäten,<br />
die im Rahmen des Projekts der<br />
Assoziierten Schulen auf internationaler<br />
Ebene gestaltet wurden (z.B. Internationales<br />
Sommercamp in Paimio, Finnland1985;<br />
Schülertreffen Assoziierter Schulen am Sitz<br />
der UNESCO Paris, 1986).<br />
• Im „Internationalen Jahr der Jugend“ wurde<br />
die von der UNESCO gestaltete Fotoausstellung<br />
auf diesem Gebiet in den Schulen<br />
… Den Unterricht und die außerunterrichtliche<br />
Tätigkeit in allen Klassenstufen<br />
sehen wir jedoch als wichtigstes Feld der<br />
Erziehung für Frieden und Völkerverständigung<br />
an. ...<br />
Im Rahmen des Deutschunterrichts spielt<br />
dabei der Literaturunterricht an unserer<br />
Schule eine hervorragende Rolle. Unter optimaler<br />
Ausnut<strong>zu</strong>ng der erzieherischen Potenzen<br />
des Lehrplanstoffes versuchen alle im<br />
Fach unterrichtenden Lehrer ständig, unsere<br />
Schüler <strong>zu</strong> Leistungen <strong>zu</strong> inspirieren, die<br />
diesen Forderungen entsprechen.<br />
So z.B. entstanden in den letzten Jahren<br />
von den Schülern der 4. bis 10. Klassen über<br />
200 Gedichte und 9 Erzählungen mit den<br />
Themen Erhaltung des Friedens, Völkerverständigung,<br />
Solidarität und Abrüstung.<br />
Die besten Arbeiten schickten wir schon<br />
viermal an unsere Partnerschule in der<br />
˘CSSR; <strong>zu</strong>r gleichen Zeit erhielten wir Arbei-<br />
genutzt, um über Entwicklungsmöglichkeiten<br />
von Jugendlichen in der Welt <strong>zu</strong> sprechen.<br />
• Aus Anlass des „Internationalen Jahres des<br />
Friedens“ (1986) wurde eine Publikation <strong>zu</strong><br />
den ASP-Aktivitäten in deutscher und englischer<br />
Sprache erstellt, in der sich alle Teilnehmer<strong>schulen</strong><br />
mit ihren spezifischen Zielen,<br />
Projekten und Erfahrungen im Rahmen<br />
ihrer Beteiligung am internationalen Schul<strong>projekt</strong><br />
vorstellten.<br />
• Ebenfalls im Internationalen Jahr des Friedens<br />
sowie aus Anlass des 40. Jahrestages<br />
der UNESCO wurde 1986 auf Initiative der<br />
Anne-Frank-Schule, Tessin ein Mal- und<br />
Zeichenwettbewerb <strong>zu</strong>m Thema Frieden<br />
gestartet, an dem sich die Assoziierten<br />
Schulen und ihre Partner im Ausland aktiv<br />
beteiligten.<br />
• Assoziierte Schulen der Küstenregion beteiligten<br />
sich von Anfang an (1989) am internationalen<br />
Baltic-Sea-Projekt. Damit wurde<br />
mit dem Tätigkeitsfeld dieser Schulen auch<br />
die grenzüberschreitende Umweltproblematik<br />
einbezogen.<br />
• Für das „Internationale Jahr der Alphabetisierung“<br />
(1990) hatte die EOS Käthe Kollwitz<br />
Zwickau alle anderen Assoziierten<br />
Erziehung im Frieden – für den Frieden an der<br />
Clara-Zetkin-Oberschule, Barby<br />
ten unserer tschechischen Freunde; an beiden<br />
Einrichtungen wurden diese ausgestellt,<br />
den Schülern und Eltern somit <strong>zu</strong>r Kenntnis<br />
gegeben, und es entspannt sich jedesmal<br />
eine rege Diskussion darüber.<br />
Auch im Fach Kunsterziehung und im<br />
Fakultativen Kurs „Bildende Kunst“ wird<br />
ähnlich gearbeitet. Jährlich durchgeführte<br />
schulinterne Zeichenwettbewerbe <strong>zu</strong> Themen<br />
wie „Wir Kinder brauchen den Frieden“,<br />
„Nie wieder Krieg“, Solidarität – Herzenssache“<br />
und „Kinder der Erde, wir reichen<br />
Euch die Hände“ sind sowohl die<br />
Grundlage für ständig laufende Ausstellungen<br />
an unserer Schule als auch für den in<br />
2jährigem Abstand durchgeführten Zeichenwettbewerb<br />
mit unserer Partnerschule in<br />
Pardbice.“<br />
Ausschnitt aus einem Papier der Schule, das das Schulprofil,<br />
darunter die UNESCO-Aktivitäten der Schule<br />
vorstellt, Oktober 1988
40<br />
UNESCO Assoziierte Schulen werden aktiv forum 3/4–2003<br />
„Frieden“ – Gedicht in sorbischer Sprache. Es ist einer Fotodokumentation<br />
entnommen, die vermutlich aus Anlass eines sorbisch-polnischen<br />
Schüleraustausches <strong>zu</strong>sammengestellt wurde,<br />
Sorbische Oberschule „Marsāl Konjew“, Ralbitz, ca. 1985<br />
Schulen der <strong>DDR</strong> aufgerufen, sich an einem<br />
Wettbewerb <strong>zu</strong>r künstlerischen Gestaltung<br />
des Themas „Alphabetisierung“ <strong>zu</strong> beteiligen.<br />
Im Zuge der internationalen Entspannung<br />
und auf Grund der Beispielwirkung bisheriger,<br />
am Projekt mitwirkender Schulen kamen bis<br />
1990 noch fünf weitere Schulen <strong>zu</strong>m nationalen<br />
Netzwerk und bereicherten durch ihre<br />
eigenständigen Beiträge die ohnehin schon<br />
breite Palette der anderen Teilnehmer. Damit<br />
wirkten Ende der 80er- Jahre insgesamt zwölf<br />
Bildungseinrichtungen der <strong>DDR</strong> (zwei Erweiterte<br />
Ober<strong>schulen</strong>, neun Allgemeinbildende<br />
Polytechnische Ober<strong>schulen</strong> und eine Pädagogische<br />
Hochschule) im UNESCO-Schulnetz<br />
mit.<br />
Es ist hier nicht der Raum, um die Vielfalt<br />
der von den beteiligten Schulen praktizierten<br />
Mitwirkungsaktivitäten dar<strong>zu</strong>stellen. Sie bezogen<br />
sich auf Tätigkeitsfelder, die in der Regel<br />
auch von Assoziierten Schulen in anderen<br />
Ländern als Grundlage ihrer Projektbeteiligung<br />
bearbeitet wurden und reichten von<br />
Interkulturellem Lernen, Traditionspflege und<br />
Weltkulturerbe über Frieden, internationale<br />
Verständigung und Menschenrechte bis <strong>zu</strong>r<br />
Umwelt und globalen Entwicklung.<br />
Ähnliches kann auch für die<br />
Formen und Methoden der Mitwirkung<br />
gesagt werden. Dennoch<br />
wäre hier hervor<strong>zu</strong>heben, dass<br />
sich die Schulen nicht nur auf ein<br />
bestimmtes Projekt konzentrierten,<br />
oder die Hauptarbeit von nur<br />
einigen Klassen geleistet wurde,<br />
sondern dass in der Regel immer<br />
versucht wurde, ein breites Aktivitätsspektrum<br />
<strong>zu</strong> entwickeln und<br />
die Mitwirkung am Projekt möglichst<br />
<strong>zu</strong>m Anliegen der gesamten<br />
Schülerschaft der Schule werden<br />
<strong>zu</strong> lassen. Angestrebt wurde dabei<br />
auch, die Schüler erleben <strong>zu</strong> lassen,<br />
dass sich Gleichaltrige in<br />
anderen Ländern auf ihre Weise<br />
mit ähnlichen Problemen beschäftigen.<br />
Zur besseren Verdeutlichung<br />
der Arbeitsweise der UNESCO-<br />
Projekt<strong>schulen</strong> sollen an dieser<br />
Stelle Aktivitäten zweier Schulen<br />
exemplarisch dargestellt werden.<br />
Die Anne-Frank-Oberschule<br />
in Tessin nahm das Internationale<br />
Friedensjahr und den 40.<br />
Jahrestag der UNESCO <strong>zu</strong>m<br />
Anlass, die Schüler aller Assoziierten<br />
Schulen der <strong>DDR</strong> und deren Partnereinrichtungen<br />
im Ausland auf<strong>zu</strong>rufen, unter dem<br />
Thema „Wir Kinder wollen in Frieden leben,<br />
lernen und spielen“ ihren Gedanken, Wünschen<br />
und Hoffnungen für eine friedliche Welt<br />
durch Zeichnungen und andere Darstellungen<br />
einen sichtbaren Ausdruck <strong>zu</strong> verleihen.<br />
Zur Auseinanderset<strong>zu</strong>ng mit globalen Fragestellungen<br />
anregend, rief die Kollwitz EOS<br />
Zwickau die Assoziierten Schulen auf, sich im<br />
internationalen Alphabetisierungsjahr mit<br />
künstlerischen Arbeiten <strong>zu</strong>m Thema „Alphabetisierung“<br />
auseinander <strong>zu</strong> setzen. Die Salvator-Allende-Oberschule<br />
in Berlin-Köpenick,<br />
ebenfalls eine Projektschule, stellte diesen<br />
Aufruf den anderen Schulen des Stadtbezirkes<br />
vor und regte deren Mitwirkung an.<br />
Schüler sprachen mit ihren Lehrern und<br />
anderen Personen über die sie <strong>zu</strong>r Thematik<br />
der internationalen Verständigung, des Friedens<br />
und der globalen Probleme bewegenden<br />
Fragen. Im Ergebnis dieser Auseinanderset<strong>zu</strong>ng<br />
mit dem Thema im und außerhalb des Unterrichts<br />
wurden die von den Schülern gefertigten<br />
Zeichnungen, Collagen und Poster gesichtet,<br />
<strong>zu</strong> einer Ausstellungen <strong>zu</strong>sammengestellt und<br />
in den Teilnehmer<strong>schulen</strong> präsentiert.<br />
Diese Beispiele sollen verdeutlichen, wie<br />
versucht wurde, entsprechend der UNESCO-
forum 3/4–2003 UNESCO Assoziierte Schulen werden aktiv 41<br />
Empfehlung nationale Aktionen <strong>zu</strong> internationalen<br />
Fragestellungen <strong>zu</strong> starten, den Gemeinschaftsgedanken<br />
der Assoziierten Schulen<br />
<strong>zu</strong> fördern, als auch über emotionale Empfindungen<br />
und rationale Erkenntnisse <strong>zu</strong> persönlichen<br />
Einstellungen und Taten im Sinne von<br />
Verständigung, Toleranz und Freundschaft<br />
zwischen den Nationen <strong>zu</strong> kommen.<br />
Koordination und Evaluation<br />
der Ergebnisse<br />
Die zwölf UNESCO-Projekt<strong>schulen</strong> wurden<br />
in ihrer Arbeit unterstützt durch den<br />
Nationalen Koordinator, das Ministerium für<br />
Volksbildung und die Nationale UNESCO-<br />
Kommission der <strong>DDR</strong>.<br />
Neben den Besuchen des Koordinators in<br />
den beteiligten Schulen kamen jährlich deren<br />
Vertreter <strong>zu</strong> einem nationalen Treffen <strong>zu</strong>sammen,<br />
auf dem sie über ihre vielfältigen Ergebnisse<br />
berichteten und verallgemeinerbare<br />
Erfahrungen austauschten. Zugleich wurden<br />
die Schulen auf diesem Wege durch die zwei<br />
vorgenannten Institutionen regelmäßig über<br />
„1976 erhielt die EOS „Käthe Kollwitz“<br />
den ehrenvollen Auftrag, am „Projekt der<br />
Assoziierten Schulen der UNESCO“ mit<strong>zu</strong>arbeiten.<br />
Die Bereitschaft bei Lehrern und<br />
Schülern war sofort vorhanden, sich spezifisches<br />
Wissen für diese Aufgaben an<strong>zu</strong>eignen<br />
und die <strong>DDR</strong> würdig <strong>zu</strong> repräsentieren. Im<br />
UNESCO-Klub der Schule, dem <strong>zu</strong>r Zeit 23<br />
Schülerinnen und Schüler angehören, werden<br />
Zeitschriften ausgewertet und Briefe<br />
beantwortet, die von Schulen unserer sozialistischen<br />
Nachbarländer kommen oder von<br />
UNESCO-Klubs an Schulen solcher Staaten<br />
wie <strong>zu</strong>m Beispiel Frankreich, Schweden,<br />
Finnland, Österreich, die an der friedlichen<br />
Zusammenarbeit der Völker über Ländergrenzen<br />
hinweg interessiert sind und die Bildungsarbeit<br />
in unserem sozialistischen Staat<br />
kennenlernen wollen. 1985 und 1987 weilten<br />
japanische Studiendelegationen <strong>zu</strong> einem<br />
Informationsbesuch an unserer Schule, um<br />
das Bildungssystem in unserer Republik <strong>zu</strong><br />
studieren und in den Spezialklassen für<br />
Musikerziehung die gezielte Förderung<br />
<strong>zu</strong>künftiger Musiklehrer kennen<strong>zu</strong>lernen.<br />
aktuelle Entwicklungen in der UNESCO,<br />
wichtige Konferenzen und Resolutionen<br />
informiert. Darüber hinaus wurden auf<br />
diesen Treffen die Aufgaben und Vorhaben<br />
für den jeweils nächsten Zeitabschnitt besprochen.<br />
Über die nationale Ebene hinaus haben<br />
<strong>DDR</strong>-Beteiligte am UNESCO-Schul<strong>projekt</strong> in<br />
zahlreichen internationalen Veranstaltungen,<br />
auswertenden Beratungen, Erfahrungsseminaren<br />
und der Planung <strong>zu</strong>r Arbeit der Assoziierten<br />
Schulen mitgewirkt und verbreitungswürdige<br />
Erfahrungen aus den eigenen Einrichtungen<br />
vorgestellt.<br />
Einige ausgewählte Veranstaltungen seien<br />
an dieser Stelle genannt:<br />
• Kongress <strong>zu</strong>m 30. Jahrestag des Projekts der<br />
Assoziierten Schulen 1983 in Sofia/Bulgarien;<br />
• 2. Regionalseminar der nationalen Koordinatoren<br />
für ASPRO 1984 in Rungstedgaard/<br />
Dänemark;<br />
• Workshop von Vertretern Assoziierter<br />
Schulen <strong>zu</strong>m Thema „Erziehung für Frie-<br />
UNESCO-Arbeit an der Erweiterten Oberschule<br />
„Käthe Kollwitz“, Zwickau<br />
Viele persönliche Begegnungen zwischen<br />
Lehrern und Schülern gibt es in den jährlich<br />
stattfindenden UNESCO-Lagern, die wechselseitig<br />
in der VR Polen und in der <strong>DDR</strong><br />
stattfinden. ...<br />
Feste freundschaftliche Kontakte bestehen<br />
<strong>zu</strong> unseren Partner<strong>schulen</strong> in Nylragyhaza<br />
(VR Ungarn) und Tonaszow bzw. Lodz<br />
(VR Polen). Schulchöre und Sportdelegationen<br />
wetteifern miteinander. Internate stehen<br />
gegenseitig für Klassenfahrten und für den<br />
Urlaub von Lehrerfamilien <strong>zu</strong>r Verfügung.<br />
Schuljubiläen und Festlichkeiten sind Anlaß,<br />
Pädagogen der Partner<strong>schulen</strong> ein<strong>zu</strong>laden.<br />
Wandzeitungen im Schulhaus berichten<br />
von Reisen und von besonderen Aktivitäten.<br />
1985 weilten kleine Delegationen in einem<br />
polnischen Pfadfinderlager an der Ostseeküste<br />
und in Finnland <strong>zu</strong> einem Jugendtreffen.<br />
1986 durfte ein Schüler in Paris an den<br />
Feierlichkeiten <strong>zu</strong>m 40. Jahrestag der Gründung<br />
der UNESCO teilnehmen. …“<br />
Quelle: Festschrift anlässlich des 75-jährigen Jubiläums<br />
der Einweihung der Schule am 16. April, 1912
42<br />
UNESCO Assoziierte Schulen werden aktiv forum 3/4–2003<br />
den, Abrüstung, Völkerverständigung, Solidarität,<br />
Zusammenarbeit ...“ 1985 in<br />
Prag/ČSSR;<br />
• Treffen von Lehrern/Koordinatoren aus<br />
Anlass des Schülertreffens 1986 in Paris/<br />
Frankreich;<br />
• Nationale Seminare Assoziierter Schulen<br />
1987 in Warschau und Krakow/Polen;<br />
• Jahrestagung der UNESCO-Modell<strong>schulen</strong><br />
der BRD 1989 in Lüneburg/BRD;<br />
• Konferenz der Länderkoordinatoren des<br />
Modellschul<strong>projekt</strong>s der BRD 1990 in der<br />
Deutschen UNESCO-Kommission in<br />
Bonn/BRD;<br />
• 3. Regionalseminar der nationalen ASPRO-<br />
Koordinatoren im Februar 1990 in<br />
Berlin/<strong>DDR</strong>.<br />
Ein Höhepunkt für die assoziierten Schulen<br />
der <strong>DDR</strong> war das auf Bitte der UNESCO 1990<br />
in Berlin ausgerichtete „3. Regionale Treffen<br />
der Nationalen Koordinatoren Europas“. Mit<br />
der Teilnahme von Vertretern aus 24 Ländern<br />
und dem UNESCO-Sekretariat war es möglich,<br />
in intensiven Beratungen die in der<br />
Region geleistete Arbeit ein<strong>zu</strong>schätzen, Erfahrungen<br />
über die jeweiligen Aktivitäten und<br />
dabei auftretenden Probleme aus<strong>zu</strong>tauschen<br />
und weitere Vorhaben für die Zukunft <strong>zu</strong><br />
erörtern.<br />
Dies war aber auch für die Assoziierten<br />
Schulen der <strong>DDR</strong> nicht nur eine weitere Möglichkeit,<br />
ihre Projekte, Ergebnisse und Erfahrungen<br />
den Vertretern anderer Länder <strong>zu</strong> präsentieren,<br />
sondern <strong>zu</strong>gleich ein wesentlicher<br />
Gewinn für die Schulen selbst. Die an der<br />
Tagung teilnehmenden Schulvertreter konnten<br />
die Berichte der Nationalen Koordinatoren<br />
aus erster Hand <strong>zu</strong>r Kenntnis nehmen, Neues<br />
erfahren über die unterschiedlichen Realisierungsformen<br />
des Projekts in den einzelnen<br />
Ländern und <strong>zu</strong>gleich auch neue Kontakte<br />
anbahnen. Ein Gewinn auch deshalb, weil sie<br />
auf diese Weise noch tiefer in die Philosophie<br />
des Schul<strong>projekt</strong>es eindringen konnten (das<br />
betraf insbesondere die neu hin<strong>zu</strong>gekommenen<br />
Schulen) und hautnah die offene und<br />
freundschaftliche Atmosphäre der Begegnung<br />
der Vertreter der verschiedenen Länder Europas<br />
miterlebten.<br />
Noch etwas sollte im Zusammenhang mit<br />
diesem Regionaltreffen nicht unerwähnt bleiben.<br />
Bekanntlich fand dieses Treffen im<br />
Februar 1990 in Berlin statt, also im Jahr der<br />
politischen Wende in der <strong>DDR</strong>. Die ausländischen<br />
Teilnehmer zollten den Veranstaltern<br />
Lob und Anerkennung ob der sachlichen<br />
Atmosphäre und der gediegenen Arbeitsbedingungen,<br />
in der die Aussprache, Beratungen<br />
in den Arbeitsgruppen und die Exkursionen<br />
trotz der gesellschaftlichen Umbruchphase<br />
verliefen.<br />
Resümee<br />
Obwohl sich die Beteiligung von Schulen<br />
am UNESCO-Schul<strong>projekt</strong> positiv auf deren<br />
Bildungs- und Erziehungsarbeit auswirkte und<br />
sich für die Schüler erweiterte Lernfelder<br />
eröffneten, verlief dieser Prozess nicht so reibungslos,<br />
wie man nach der Lektüre des hier<br />
dargestellten breiten Aktivitätenspektrums<br />
meinen könnte.<br />
Ab den 80er-Jahren verließen die Assoziierten<br />
Schulen der <strong>DDR</strong> durch ihre vermehrten<br />
Kontakte auch <strong>zu</strong> westlichen Staaten und<br />
durch ihre Öffnung gegenüber den internationalen<br />
UNESCO-Aktivitäten den gewohnten<br />
Weg der staatlich erwünschten Friedenserziehung.<br />
Dies konnte jedoch nur in kleinen<br />
Schritten erfolgen, da es seitens bestimmter<br />
staatlicher Instanzen generelle Vorbehalte<br />
gegenüber einer solchen Entwicklung gab.<br />
Bei jeder Erweiterung des Projekts, bei jedem<br />
Kontakt und jeder Reise ins westliche Ausland<br />
musste deshalb <strong>zu</strong>m Teil hartnäckiger<br />
Widerstand überwunden werden.<br />
Es war die engagierte, erfolgreiche und oft<br />
auch <strong>zu</strong>sätzliche Arbeit der Schüler und Lehrer<br />
der Assoziierten Schulen und deren internationale<br />
Anerkennung, die schließlich dafür<br />
sorgten, dass diese kleinen Schritte möglich<br />
wurden.<br />
Nur so gelang es, dass die einzelnen Einrichtungen<br />
während ihrer Mitwirkung am Projekt<br />
der Assoziierten Schulen im Rahmen<br />
ihrer oft sehr originellen Aktivitäten, im Sinne<br />
der Projektidee vielfältige Erfahrungen sammeln<br />
konnten, die dann auch auf nationalen<br />
und internationalen Veranstaltungen sowie in<br />
Berichten, Studien und entsprechenden Publikationen<br />
vorgestellt und in den internationalen<br />
Erfahrungsaustausch <strong>zu</strong>r Erziehung im<br />
Sinne der internationalen Verständigung, des<br />
Friedens und der Menschenrechte eingebracht<br />
wurden.<br />
Die Mehrzahl der beteiligten Schulen hat<br />
sich im Verlauf ihrer Projektmitwirkung mit<br />
den Zielstellungen dieses Projekts immer<br />
mehr identifiziert. Dies zeigt sich u.a. darin,<br />
dass von den ehemals 12 Assoziierten Schulen<br />
der <strong>DDR</strong> immerhin auch heute noch 9 von<br />
ihnen aktiv im Netzwerk mitarbeiten.<br />
Klaus Jaritz<br />
Nationaler Koordinator<br />
in der <strong>DDR</strong> (1973-1990)
forum 3/4–2003 UNESCO Assoziierte Schulen werden aktiv 43<br />
Die Arbeit der <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-schule<br />
<strong>„Heinrich</strong> <strong>Hertz“</strong> <strong>llmenau</strong> <strong>zu</strong> <strong>DDR</strong>-<strong>Zeiten</strong><br />
Kontakte <strong>zu</strong>r südafrikanischen Befreiungsbewegung<br />
1982 wurde unsere Schule in einem neuen<br />
Wohngebiet der damaligen Kreisstadt Ilmenau<br />
eingeweiht. Sie trug den Namen 7. Polytechnische<br />
Oberschule Ilmenau. Nach der<br />
Verleihung des Ehrennamens „Nelson Mandela“<br />
entwickelten sich bei uns feste Traditionen,<br />
in deren Mittelpunkt die Erziehung<br />
unserer Schüler im Sinne von Freundschaft,<br />
Frieden und Solidarität stand. Diese Zusammenhänge,<br />
insbesondere die Solidarität mit<br />
dem Kampf der südafrikanischen Patrioten<br />
unter Führung des ANC und der anderen um<br />
ihre Freiheit und Unabhängigkeit kämpfenden<br />
Völker ordneten wir fest in unsere Bildungs-<br />
und Erziehungsarbeit ein. Zur festen<br />
Tradition wurden Jahrestage anlässlich der<br />
Namensverleihung „Nelson Mandela“ im<br />
Mai eines jeden Jahres. Es gab sehr lange<br />
herzliche Beziehungen <strong>zu</strong> den Vertretern des<br />
ANC, die in der <strong>DDR</strong> studierten und arbeiteten.<br />
Die Mitglieder des ANC waren oft Gäste<br />
an unserer Schule.<br />
Am 3. Februar 1987 wurde von uns der<br />
Antrag <strong>zu</strong>r Teilnahme am Projekt der Assoziierten<br />
Schulen gestellt. Seit diesem Jahr<br />
arbeiten wir im Verbund der UNESCO-<br />
Schulen mit. Zu dieser Zeit gab es in Thüringen<br />
zwei <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong>, die Pädagogische<br />
Hochschule Erfurt und die Nelson-<br />
Mandela-Schule in Ilmenau.<br />
Auf der 3. Schulkonferenz vom 31.01.1991<br />
beschloss unsere Lehranstalt, künftig weiter<br />
im UNESCO-Verband mit<strong>zu</strong>arbeiten. Eltern<br />
und Schüler waren mehrheitlich der Auffassung,<br />
dass die internationale Arbeit <strong>zu</strong>r Völkerverständigung<br />
mehr denn je für ein <strong>zu</strong>friedenes,<br />
offenes und herzliches Füreinander<br />
im Umgang mit Menschen jeglicher Hautfarbe<br />
wichtig ist. Als Regelschule <strong>„Heinrich</strong><br />
<strong>Hertz“</strong> Ilmenau arbeiten wir im Netzwerk<br />
der Thüringer <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> mit.<br />
Quelle: Ausschnitt aus einem Bericht der Schule an die<br />
Regionalkoordination der <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> in<br />
Thüringen anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des<br />
UNESCO-Schul<strong>projekt</strong>s, 2003<br />
Schüler und Schülerinnen der Nelson-Mandela-Oberschule, Frühjahr 1983<br />
Anlässlich des Jahrestags der Namensverleihung<br />
„Nelson Mandela“ sind Mitglieder der südafrikanischen<br />
Befreiungsbewegung ANC Gast in der<br />
Schule
44<br />
UNESCO Assoziierte Schulen werden aktiv forum 3/4–2003<br />
KARL-LIEBKNECHT-GYMNASIUM, FRANKFURT (ODER)<br />
Von der ersten UNESCO Assoziierten Schule der <strong>DDR</strong><br />
<strong>zu</strong>r <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-schule im vereinten Deutschland<br />
Die bis heute intensiven Kontakte des Karl-Liebknecht-Gymnasiums <strong>zu</strong> Polen reichen in die Zeit der<br />
<strong>DDR</strong> <strong>zu</strong>rück – „Buziaki“-Tänzerinnen aus Polen<br />
Seit 1973 ist das Karl-Liebknecht-Gymnasium<br />
in Frankfurt (Oder) Mitglied im Schulnetz<br />
der UNESCO. Damit war sie die erste<br />
UNESCO Assoziierte Schule der <strong>DDR</strong>. Elf<br />
weitere Schulen kamen im Laufe der Jahre<br />
da<strong>zu</strong>. Die Autorin war von Anfang an Schulkoordinatorin<br />
und ist es bis heute geblieben.<br />
Sie kann damit im Jahr des 50-jährigen<br />
Bestehens des ASPnet auf dreißig Jahre<br />
Schulgeschichte aus der Perspektive zweier<br />
politischer Systeme <strong>zu</strong>rückblicken.<br />
Vorurteilslose Begegnung mit<br />
polnischen Nachbarn<br />
Seit 1972 gehörte die <strong>DDR</strong> als Mitglied <strong>zu</strong>r<br />
UNESCO. Schon ein Jahr später wurde der<br />
„Erweiterten Oberschule Karl Liebknecht“ für<br />
ihr Engagement über Ländergrenzen hinweg,<br />
für die Ausrichtung deutsch-polnischer<br />
Sprach-Camps seit 1963 der Titel „UNESCO<br />
Assoziierte Schule“ <strong>zu</strong>erkannt. Damit war<br />
unsere Schule die erste dieser Art in der ehemaligen<br />
<strong>DDR</strong>. Eine zweite Besonderheit unserer<br />
Schule war der im Jahre 1958 eingeführte<br />
Polnisch Unterricht, <strong>zu</strong> dem unsere Schule<br />
durch die geographische Lage an der deutschpolnischen<br />
Grenze prädestiniert war.<br />
Seit 1973 haben sich der UNESCO-Club<br />
und das Kollegium unserer Schule bemüht, im<br />
Sinne der UNESCO <strong>zu</strong> arbeiten. Bei der<br />
Zusammenstellung einer kleinen Ausstellung<br />
bemerkten die Schüler des jetzigen UNESCO-<br />
Teams bald, dass es mehr Höhepunkte gegeben<br />
hat als man mit solch einer Präsentation<br />
erfassen kann. Da waren die Sprach-Camps in<br />
den Sommerferien, die bei polnischen und<br />
deutschen Schülern gleichermaßen beliebt<br />
waren. Obwohl hier vorrangig die deutsche<br />
Sprache gelehrt wurde, vermittelten die polnischen<br />
den deutschen Schülern Kenntnisse<br />
über Land, Leute und waren Gesprächspartner<br />
für die Anwendung der polnischen Sprache.<br />
An Herzlichkeit fehlte es dabei nicht. Mit<br />
viel Freude und Spaß nahmen die Jugendlichen<br />
an den Exkursionsprogrammen und Projekten<br />
am Nachmittag teil. Bis 1992 hatten wir<br />
es auf 18 Sprach-Camps in Deutschland und<br />
Polen gebracht, die letzten davon fanden ausschließlich<br />
in Frankfurt (Oder) statt.<br />
Das war nicht die einzige Verbindung nach<br />
Polen. Seit 1982 hat unsere Schule einen Partnerschaftsvertrag<br />
mit dem I. Lyzeum „Tadeusz<br />
Kosciuszko“, Starachowice, ebenfalls Mitglied<br />
im Schulnetz der UNESCO. Im Rahmen des<br />
Umweltschutzes, der Kultur, der Politik gibt es<br />
gemeinsame Projekte. Der jährliche Schüleraustausch<br />
unter dem Motto: „Die Vergangenheit<br />
soll uns nicht trennen“ wird dafür<br />
genutzt, landeskundliche und politische
forum 3/4–2003 UNESCO Assoziierte Schulen werden aktiv 45<br />
Kenntnisse in Gesprächen aus<strong>zu</strong>tauschen, <strong>zu</strong><br />
problematisieren und Vorurteile auf beiden<br />
Seiten aus<strong>zu</strong>räumen. Diese Gelegenheit bietet<br />
sich auch in der Zusammenarbeit mit dem<br />
Lyzeum in unserer polnischen Nachbarstadt<br />
Slubice.<br />
Erste Kontakte nach Westeuropa<br />
als Bereicherung<br />
Als sich in der <strong>DDR</strong> neben den Kontakten<br />
mit den polnischen Schulen noch weitere<br />
Möglichkeiten internationaler Zusammenarbeit<br />
eröffneten, beschlossen 1986 einige Kollegen<br />
aus dem Sprachenbereich einen Club <strong>zu</strong><br />
gründen, der interessierte Schüler in den Sektionen<br />
Polnisch, Englisch, Russisch, Französisch<br />
<strong>zu</strong>sammenfasste. Dank ihrer erfolgreichen<br />
Clubarbeit hatten einige Jugendliche<br />
schon 1986 die Möglichkeit, im Internationalen<br />
Jahr des Friedens eine Schule in Stockholm<br />
<strong>zu</strong> besuchen und an einer UNESCO-<br />
Konferenz in Uppsala teil<strong>zu</strong>nehmen, durchaus<br />
ein Privileg <strong>zu</strong> <strong>DDR</strong>-<strong>Zeiten</strong>. Durch den Vergleich<br />
von Schule und Jugendkultur in anderen<br />
Ländern entwickelte sich eine andere<br />
Sichtweise auf das eigene Land aus einem<br />
anderen, bisher noch ungewohnten Blickwin-<br />
Einladung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen<br />
eines der deutsch-polnischen Sprach-Camps<br />
durch die Polnische UNESCO-Kommission<br />
Begegnungen mit Menschen vieler Kulturen gehören <strong>zu</strong>m Schulleben des Karl-Liebknecht-Gymnasiums
46<br />
UNESCO Assoziierte Schulen werden aktiv forum 3/4–2003<br />
kel. Unserem Wunsch nach Kommunikation<br />
und neuen Kontakten kam unsere jährliche<br />
„Peace session“ entgegen, <strong>zu</strong> der wir uns ein<br />
Stück Internationalität in die Schule holten.<br />
So verbrachten afrikanische Studenten aus<br />
einem internationalen Schulungszentrum den<br />
Nachmittag mit uns. Natürlich nutzten wir die<br />
Zeit, „live“ etwas über ihr Leben auf dem fernen<br />
Kontinent <strong>zu</strong> erfahren.<br />
Das UNESCO-Netz Frankfurt (Oder) –<br />
eingebunden in ein internationales und<br />
lokales Netzwerk<br />
Nach 1989 reichte das, was wir in den vergangenen<br />
Jahren an Begegnungen unter dem<br />
Motto: „Der UNESCO-Club lädt ein“ als ein<br />
<strong>zu</strong>sätzliches Freizeit- und Bildungsangebot<br />
organisiert hatten, nicht mehr aus. Jetzt<br />
konnte jeder seine Reiseziele nach Wunsch<br />
bestimmen und das „westliche Ausland“ war<br />
nicht länger „exotisch“.<br />
Die Schulkonferenz unserer Schule<br />
beschloss im Jahre 1991, die Arbeit im<br />
UNESCO-Projekt fort<strong>zu</strong>setzen. Verbindungen<br />
<strong>zu</strong> Schulen in Nottingham und Stockholm,<br />
später auch Trollhättan und Wissembourg<br />
wurden möglich. Wir gewannen auch neue<br />
MOZ, 19. September 2000<br />
lokale Partner für unsere Arbeit: die „Regionale<br />
Stelle für Ausländerfragen“ und den<br />
Verein „Puerto Alegre“, wodurch unsere<br />
Arbeit vielschichtiger und interessanter<br />
wurde.<br />
Eine neue Herausforderung bedeutete<br />
1992 die Einrichtung von bilingualen Klassen<br />
an unserer Schule. In diesem Zusammenhang<br />
lernten wir die Kooperation mit dem<br />
Verein „Frankfurter Brücke“, der seine Arbeit<br />
der Begegnung zwischen Polen und Deutschen<br />
widmete, <strong>zu</strong> schätzen. Während einer<br />
Zusammenkunft in diesem Rahmen erfuhr<br />
ich auch von den Bemühungen anderer<br />
Schulen in Frankfurt (Oder) um eine gute<br />
Nachbarschaft <strong>zu</strong> Polen. Das Engagement<br />
überzeugte und so entstand der Gedanke,<br />
dass diese Einrichtungen ihre Erfahrungen in<br />
das UNESCO-Projekt einbringen könnten<br />
und gleichzeitig viel Anregung von dort<br />
bekommen würden. Den Antrag auf Aufnahme<br />
stellten sie, nachdem sie sich als<br />
„UNESCO interessierte Schulen“ dann „mitarbeitende<br />
Schulen“ bewährt hatten und<br />
schickten ihn nach Paris. Inzwischen haben<br />
wir ein in Deutschland einmaliges UNESCO-<br />
Netz Frankfurt (Oder) mit vier anerkannten<br />
<strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong>.
forum 3/4–2003 UNESCO Assoziierte Schulen werden aktiv 47<br />
Erfahrungen als <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-schule<br />
Für uns war nach der Wende neu, dass eine<br />
verstärkte Zusammenarbeit – Vernet<strong>zu</strong>ng –<br />
mit den <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> in ganz<br />
Deutschland möglich wurde. Wir freuten uns<br />
über die geknüpften Kontakte, andere Sichtweisen,<br />
danken für Gespräche, Lehrgänge,<br />
Seminare sowohl Begegnungen in Berlin,<br />
Köln, Bremen, Rhauderfehn, Heppenheim.<br />
Unser eigener Gesichtskreis wurde erweitert<br />
und es entwickelte sich recht schnell ein<br />
Zusammengehörigkeitsgefühl. Die jährlichen<br />
Treffen wurden <strong>zu</strong> einer Plattform des Gedankenaustausches.<br />
1986 haben wir als Motto für die Aufnahmeurkunden<br />
unserer UNESCO-Club-Mitglieder<br />
den Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung<br />
der Menschenrechte gewählt: „Education<br />
shall be directed to the full development of the<br />
human personality and to the strengthening of<br />
respect for human rights and fundamental<br />
freedoms. It shall promote understanding tolerance<br />
and friendship among all nations, racial<br />
or religious groups, and shall further the activities<br />
of the United Nations for the maintenance<br />
of peace.“ 1<br />
Elke Dietrich<br />
Karl-Liebknecht-Gymnasium<br />
Frankfurt (Oder)<br />
1 Die Ausbildung soll die volle Entfaltung der menschlichen<br />
Persönlichkeit und die Stärkung der Achtung der<br />
Menschenrechte und Grundfreiheiten <strong>zu</strong>m Ziele<br />
haben. Sie soll Verständnis, Duldsamkeit und Freundschaft<br />
zwischen allen Nationen und allen rassischen<br />
oder religiösen Gruppen fördern und die Tätigkeit der<br />
Vereinten Nationen <strong>zu</strong>r Aufrechterhaltung des Friedens<br />
begünstigen. (Art. 26 (2), Allgemeine Erklärung<br />
der Menschenrechte der Vereinten Nationen)<br />
aus einem Faltblatt,<br />
in dem sich das Karl-<br />
Liebknecht-Gymnasium<br />
als <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>schule<br />
vorstellt
48<br />
forum 3/4–2003<br />
Mit vereinten Kräften –<br />
<strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong><br />
Im Zuge der Vereinigung der beiden deutschen Nationalkommissionen entstand auch ein<br />
gemeinsames Schulnetz unter der neu gewählten Bezeichnung „<strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong>“. Die<br />
Aufbruchstimmung nach der Wende wurde genutzt, um die Struktur und Inhalte des Netzwerkes<br />
<strong>zu</strong> schärfen. Das Jubiläum des 40-jährigen Bestehens des Schul<strong>projekt</strong>s, das die Deutschen<br />
mit Kolleg/innen aus aller Welt feierten, war Anlass für eine Bestandsaufnahme.<br />
In den folgenden Jahren verstärkte sich der Zusammenhalt im Netzwerk durch eine Vielzahl<br />
von gemeinsamen Aktionen wie die Unterstüt<strong>zu</strong>ng bosnischer Schulen und Internationale<br />
Projekttage, aber auch durch den Aufbau von Kommunikationsstrukturen. Da<strong>zu</strong> gehören<br />
die regelmäßig erscheinende Zeitschrift „Forum“ und die Nut<strong>zu</strong>ng des Internets.<br />
Durch die Übernahme der Koordination von zwei internationalen regionalen Netzwerken,<br />
dem Ostsee- und Donau<strong>projekt</strong> intensivierte sich auch die internationale Ausrichtung der<br />
<strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong>.
40 Jahre UNESCO-Schul<strong>projekt</strong> (ASPnet)<br />
40jähriges<br />
Jubiläum<br />
1993<br />
Impressionen
50<br />
Mit vereinten Kräften – <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> forum 3/4–2003<br />
40 Jahre – und noch so viel vor!<br />
Runde Geburtstage provozieren den Blick<br />
<strong>zu</strong>rück genauso wie den in die Zukunft. Das<br />
war 1993 <strong>zu</strong>m Vierzigsten nicht anders. Die<br />
<strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> befanden sich<br />
Anfang der 90er-Jahre in einer bedeutsamen<br />
Rekonstruktionsphase: Inhaltliches Konzept<br />
und organisatorische Strukturen wurden auf<br />
ein interkulturelles Netzwerk <strong>zu</strong>geschnitten.<br />
Der folgende Text ist die gekürzte Version<br />
eines Aufsatzes, der 1993 <strong>zu</strong>m 40. Geburtstag<br />
des Associated Schools Project in<br />
„<strong>unesco</strong> heute“ erschienen ist. Er spiegelt<br />
damit die damaligen Grundüberlegungen<br />
und Perspektiven und bietet den <strong>unesco</strong><strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong><br />
heute ein gutes Evaluationsinstrument.<br />
Zweite Maiwoche 1993: Aus diversen Zeitschriftenmagazinen<br />
lächelt uns auf einer doppelseitigen<br />
Hochglanzanzeige der niedersächsische<br />
Lehrer Augustus Kofi Essel aus Ghana<br />
entgegen. In seinem gelben Ostfriesennerz<br />
trotzt er dem kalten norddeutschen Regen.<br />
Für die rot-grüne Regierungskoalition in Niedersachsen<br />
ist diese Szene ein Ausdruck<br />
weitblickender Politik, ein Beispiel für Toleranz.<br />
Denn Essel, den es vor acht Jahren als<br />
Asylbewerber ins Ostfriesische verschlagen<br />
hat, unterrichtet Mathematik und Physik an<br />
der Hauptschule in Rhauderfehn. Interkulturelles<br />
Lernen nicht über andere Kulturen, sondern<br />
mit den Menschen aus der Fremde. In<br />
der Tat ein Bundesland mit Weitblick, das solche<br />
Lehrer (und hoffentlich auch Lehrerinnen)<br />
einstellt.<br />
Augustus Kofi Essel unterrichtet an einer<br />
<strong>unesco</strong>-project-schule. Selten gewinnt die<br />
Arbeit einer UNESCO-Schule so große Aufmerksamkeit<br />
in den Medien. Mit der unspektakulären<br />
Kleinarbeit im Klassenzimmer<br />
gegen Intoleranz und Unwissenheit sind<br />
heut<strong>zu</strong>tage keine großen Schlagzeilen <strong>zu</strong><br />
machen.<br />
Nach 40 Jahren ein neuer Anfang<br />
1953 von der UNESCO als »Programme of<br />
co-ordinated experimental activities in schools<br />
of Memberstates« ins Leben gerufen, kann die<br />
Deutsche UNESCO-Kommission auf eine<br />
wechselvolle Geschichte ihres praxisorientierten<br />
Zöglings <strong>zu</strong>rückblicken; galt es doch, auf<br />
die jeweiligen Anforderungen des pädagogischen<br />
Zeitgeistes immer wieder angemessene<br />
Antworten aus globaler Sicht <strong>zu</strong> finden. Im<br />
Unterschied <strong>zu</strong>r internationalen Bezeichnung<br />
wurde mit »Modellschulprogramm« ein<br />
anspruchsvoller Name gewählt, der eine programmatische<br />
Absicht <strong>zu</strong>m Ausdruck bringt.<br />
Aus der (lebensprägenden) Kindheitsphase<br />
des Modellschulprogramms ist nur soviel<br />
bekannt, dass <strong>zu</strong>nächst etwa ein halbes Dutzend<br />
Gymnasien einen eher elitären Zirkel<br />
bildeten, der den landeskundlichen Unterricht<br />
über europäische Nachbarn (»Frankreich«,<br />
»Polen«) <strong>zu</strong> beleben suchte. Im Jugendalter<br />
entfalteten die Modell<strong>schulen</strong> dann eine erste<br />
Blüte und weiteten ihren Blick über Europa<br />
hinaus nach Asien (»Orient-Okzident-Programm«):<br />
Politische, v.a. entwicklungspolitische<br />
Bildung stand im Zentrum der für »Leiter<br />
und Lehrer«(!) veranstalteten Tagungen.<br />
Dennoch: Von der bildungsreformerischen<br />
Aufbruchsstimmung Mitte der sechziger Jahre<br />
ließ sich der 18-jährige Jüngling nicht anstecken:<br />
»Modellschule – das ist doch ein toter<br />
Hund!« hieß es 1971 bei einer Besprechung<br />
im Auswärtigen Amt. Erst im dritten Lebensjahrzehnt-<br />
offensichtlich ermuntert durch die<br />
»74er Empfehlung der UNESCO <strong>zu</strong>r internationalen<br />
Erziehung« – schickten sich die<br />
Modell<strong>schulen</strong> an, erwachsen <strong>zu</strong> werden: Projektunterricht,<br />
der lokale und globale Konflikte<br />
gleichermaßen in den Blick nimmt, lautete<br />
das inhaltliche Schlüsselwort. Jahresthemen<br />
(»Kinder unserer Welt«, »Ausländer in<br />
unserer Stadt«) und Jahrestagungen (regelmäßig<br />
seit 1975) markierten neue gemeinsame<br />
Strukturen. Zum 30. Geburtstag 1983 versammelten<br />
sich 33 Schulen – bis auf das Saarland<br />
und Rheinland-Pfalz waren damit alle Länder<br />
der damaligen Bundesrepublik vertreten.<br />
Den Anfechtungen der Midlife-Crisis im<br />
vierten Lebensjahrzehnt suchten die<br />
UNESCO-Modell<strong>schulen</strong> mit bis dahin ungekannter<br />
Aktivität <strong>zu</strong> begegnen. Heute verwenden<br />
83 Schulen in den 16 Bundesländern den<br />
Titel »<strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-schule«; von der<br />
Grund- bis <strong>zu</strong>r berufsbildenden Schule, vom<br />
traditionellen Gymnasium bis <strong>zu</strong>m progressiven<br />
Schulversuch, von der Staatlichen Regelschule<br />
bis <strong>zu</strong>r Privatschule sind fast alle denkbaren<br />
Schultypen aus dem variantenreichen<br />
bundesrepublikanischen Bildungssystem vertreten.<br />
Das Projekt wird auf Beschluss der<br />
Kultusministerkonferenz bundesweit von<br />
einem hauptamtlichen Koordinator und in<br />
den meisten Ländern von einem/r Regionalkoordinator/in<br />
(meist ehrenamtlich) betreut.<br />
In jedem Bildungsministerium ist ein/e<br />
Ansprechpartner/in für UNESCO-Fragen<br />
<strong>zu</strong>ständig (für diesen Kreis wurde 1992 erstmals<br />
eine separate Konferenz durchgeführt).
forum 3/4–2003 Mit vereinten Kräften – <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> 51<br />
UPS-Rundschreiben 4/90, in dem die Namensänderung<br />
<strong>zu</strong> <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> bekanntgegeben<br />
wird.<br />
Die 27. Jahrestagung 1992 platzte mit etwa<br />
160 Teilnehmer/innen aus allen Nähten, in<br />
sechs Bundesländern gehören regelmäßige<br />
regionale Tagungen oder Lehrerfortbildungskurse<br />
<strong>zu</strong>m Standard, Schüler/innenseminare<br />
oder -camps finden immer häufiger als überregionale<br />
Treffen <strong>zu</strong> einem Thema (»Menschenrechte«,<br />
»Lebensraum Donau«) statt. Sorgte<br />
<strong>zu</strong>nächst nur ein regelmäßiger Rundbrief für<br />
den Kommunikationsfluss, hat sich seit 1991<br />
eine Vierteljahreszeitschrift (FORUM der<br />
<strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong>) etabliert. Mit dem<br />
UNESCO-Bleistift wurde ein gemeinsamer<br />
Symbolträger kreiert, aus dessen Verkaufserlös<br />
entwicklungspolitische Projekte finanziert<br />
werden. Aber: Erstmals mussten Bewerbungen<br />
von Schulen abgelehnt werden, weil das Projekt<br />
regional ausgewogen und überschaubar<br />
bleiben soll.<br />
Das Jahr 1990 bescherte <strong>zu</strong>dem eine unerwartete<br />
Vernunftehe mit zwölf »Assoziierten<br />
UNESCO-Schulen« der UNESCO-Kommission<br />
der ehemaligen <strong>DDR</strong> – bis dahin weitgehend<br />
unbekannte Mitstreiterinnen. Deren<br />
(1973 begonnene) Arbeit war vorwiegend<br />
geprägt durch internationale Freundschaften<br />
<strong>zu</strong> Schulen im – vorrangig sozialistischen –<br />
Ausland sowie durch Traditionspflege und<br />
Aktivitäten in Verbindung mit dem Ehrennamen<br />
der Schule (z.B. »Anne Frank«, »Salvador<br />
Allende«); <strong>zu</strong>m Erfahrungsaustausch wurden<br />
von 1984 bis 1989 insgesamt fünf Jahrestagungen<br />
durchgeführt.<br />
Statt der Doppelnamenmode <strong>zu</strong> folgen<br />
(»assoziierte Modell<strong>schulen</strong>«), wählte das<br />
junge, unverhofft vereinte Paar sich einen<br />
neuen Namen. Ein Glücksfall war diese Möglichkeit<br />
der Umbenennung; denn dass jede<br />
einzelne UNESCO-Schule modellhafte Konzepte<br />
entwickeln und praktizieren würde, entsprach<br />
nur der Wunschvorstellung schulferner<br />
sog. Bildungsexpert/innen auf manchen<br />
UNESCO-Tagungen, nicht aber den Möglichkeiten<br />
und Realitäten an diesen Schulen<br />
selbst. UNESCO-Schulen beteiligen sich am<br />
Schul<strong>projekt</strong> der UNESCO und nennen sich<br />
deshalb »<strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-schule«. So, und<br />
nicht anders!<br />
Nicht nur die durch die Namensänderung<br />
verursachte Begriffsverwirrung stellte die<br />
Frage nach einer eindeutigeren Identität<br />
schärfer; die zahlenmäßige Ausweitung verlief<br />
weitgehend ohne präzise programmatische<br />
wie organisatorische Grundlage, da<strong>zu</strong> in den<br />
einzelnen Bundesländern und Schulen sehr<br />
heterogen. Innerhalb und außerhalb des Projekts<br />
immer lauter gestellte Fragen nach dem<br />
gemeinsamen inhaltlichen Programm und<br />
nach der Verbindlichkeit organisatorischer<br />
Strukturen erforderten klare Antworten.<br />
Anders formuliert: Was ist eigentlich eine<br />
<strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-schule? In den „Grundsätzen<br />
für die Mitarbeit im Schul<strong>projekt</strong> der Deutschen<br />
UNESCO-Kommission“ haben sie ihr<br />
Selbstverständnis festgehalten (vgl. Anhang).<br />
»Netzwerk« ist das Zauberwort<br />
UNESCO-Schulen sind in der bundesrepublikanischen<br />
Schullandschaft keine Exoten,<br />
weder »Modell<strong>schulen</strong> <strong>zu</strong>r internationalen<br />
Erziehung« noch »Elite<strong>schulen</strong> <strong>zu</strong>r Vorbereitung<br />
des diplomatischen Nachwuchses« (Auskunft<br />
eines Kultusministeriums); sie sind<br />
»normale« Schulen, wie es sie <strong>zu</strong> Tausenden<br />
in dieser Republik gibt. Unterricht und übriges<br />
Schulleben an Zielen wie Umwelt und Entwicklung,<br />
Menschenrechte und Toleranz <strong>zu</strong><br />
orientieren oder Schüler/innenaustausch auch<br />
mit der »Dritten Welt« <strong>zu</strong> praktizieren ist<br />
heute glücklicherweise keinem Zirkel von<br />
Auserwählten vorbehalten.<br />
Die UNESCO-Schulen verpflichten sich<br />
allerdings freiwillig und öffentlich da<strong>zu</strong>, der<br />
»internationalen Erziehung« einen hervorragenden<br />
Stellenwert in ihrer Schule ein<strong>zu</strong>räumen.<br />
Das Besondere dieser Schulen, die neue
52<br />
Mit vereinten Kräften – <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> forum 3/4–2003<br />
kommunale<br />
und<br />
regionale<br />
Öffentlichkeit<br />
Betriebe<br />
Regionalkoordinatorin<br />
Deutsche UNESCO-Komm.<br />
Das Schulnetz der <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong><br />
Schlüsselvokabel im Lexikon der Sozialwissenschaften<br />
heißt »Netzwerk«: Schulen mit<br />
gleichen Interessen verknüpfen sich und überwinden<br />
damit gewachsene schulische und<br />
regionale Grenzen. Meinungen, Ideen und<br />
Erfahrungen werden mit Gleichgesinnten ausgetauscht,<br />
Projekte gemeinsam durchgeführt,<br />
um die Effektivität der pädagogischen Arbeit<br />
und die persönliche Zufriedenheit <strong>zu</strong> erhöhen<br />
– keine neuen Einsichten, im zersplitterten<br />
schulischen Raum aber noch weithin ohne<br />
Praxis.<br />
Engagement bis an die Grenze des<br />
Zumutbaren<br />
Die schulische UNESCO-Arbeit lebt auf<br />
allen Ebenen vom überdurchschnittlichen<br />
Einsatz einzelner Lehrer/innen, die ihre<br />
Arbeitskraft oftmals bis an die Grenze des<br />
andere Schulen<br />
andere<br />
UNSESCO-Projekt-Schulen<br />
UNESCO-Projekt-Schule<br />
Eltern<br />
UNESCO-AG<br />
Unesco-Beauftragte/r<br />
SchülerInnen<br />
UNESCO Paris<br />
Schulleitung<br />
Bundeskoordinatorin<br />
andere<br />
Institutionen,<br />
z. B. NGUs<br />
Vereine u. a.<br />
Kollegium<br />
Kultusministerium/Land<br />
KMK<br />
ASP – international<br />
Zumutbaren belasten und dafür nur selten<br />
persönliche Anerkennung oder gesellschaftliche<br />
Beachtung erfahren. Im Gegenteil: Manch<br />
bürokratische Hürde oder öffentliche Häme<br />
hat vielen Lehrer/innen die Lust verleidet,<br />
etwas Neues an<strong>zu</strong>packen.<br />
Wenn interkulturelles Lernen heute Eingang<br />
in ministerielle Erlasse und curriculare<br />
Vorgaben gefunden hat, weckt das bei vielen<br />
Kolleg/innen das bestätigende Gefühl, für ein<br />
richtiges Ziel Pionierarbeit geleistet <strong>zu</strong> haben<br />
– aber ebenso sehr die sicher nicht unberechtigte<br />
Erwartung einer angemessenen Vergütung<br />
für ein jahrelanges, »ehrenamtliches«<br />
Engagement. Freistellung für UNESCO-Tätigkeit<br />
(bei Lehrer/innen »Entlastungsstunden«)<br />
ist erst in Einzelfällen bekannt. Insofern<br />
engen die in den vergangenen Monaten<br />
getroffenen Sparmaßnahmen der Kultusminis-
forum 3/4–2003 Mit vereinten Kräften – <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> 53<br />
terien und Schulbehörden auch den Spielraum<br />
für <strong>zu</strong>sätzliche Arbeit bei Lehrer/innen<br />
ein. Größere Klassen und höhere Unterrichtsverpflichtungen,<br />
Mittelkür<strong>zu</strong>ngen bei Austauschprogrammen<br />
und reduzierte Fortbildungsveranstaltungen<br />
vermindern die Bereitschaft,<br />
sich über das tariflich verlangte Maß<br />
hinaus <strong>zu</strong> engagieren. Auch Lehrer/innen<br />
werden sich in <strong>Zeiten</strong> knapper öffentlicher<br />
Mittel wirklich solidarischen Sparmaßnahmen<br />
nicht verweigern; aber eine Gesellschaft, die<br />
der Schule täglich neue Probleme <strong>zu</strong>r schnellen<br />
Lösung <strong>zu</strong>weist, muss wissen, dass dies<br />
nicht <strong>zu</strong>m Nulltarif und unter un<strong>zu</strong>mutbaren<br />
Bedingungen <strong>zu</strong> machen ist.<br />
UNESCO-Aktivisten sehen sich in dieser<br />
Situation auf einem schmalen Grat: Sie engagieren<br />
sich aus Überzeugung für eine gesellschaftliche<br />
Zukunftsaufgabe – und wollen<br />
damit un<strong>zu</strong>reichende politische Rahmenbedingungen<br />
nicht vertuschen. Manche<br />
Kolleg/innen oder Kollegien (das soll hier<br />
nicht verschwiegen werden) haben sich ob der<br />
mangelnden Anerkennung oder Unterstüt<strong>zu</strong>ng<br />
enttäuscht <strong>zu</strong>rückgezogen und beschränken<br />
sich auf den allemal unkomplizierteren<br />
Dienst nach Vorschrift. Dass dieses Phänomen<br />
an <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> nicht unbekannt<br />
ist, aber eher selten auftritt, gehört <strong>zu</strong><br />
den positiven Aspekten des Netzwerkes: Die<br />
gemeinsame Arbeit verschiedener Menschen<br />
in unterschiedlichen Bereichen löst ermutigende<br />
Impulse aus und setzt verstärkende<br />
Kräfte frei; ein nachhaltiger Effekt, der allerdings<br />
– insbesondere durch Schulverwaltungen<br />
– kaum <strong>zu</strong> messen ist und sich in Grundsätzen<br />
nur schwerlich formulieren lässt.<br />
Die Deutsche UNESCO-Kommission ist der<br />
entscheidende Be<strong>zu</strong>gspunkt<br />
Zwischen Baum und Borke schielen<br />
UNESCO-Schulen auf der einen Seite immer<br />
wieder auf finanzielle Unterstüt<strong>zu</strong>ng durch<br />
staatliche Behörden, andererseits möchten sie<br />
den Freiraum von Nichtregierungsorganisationen<br />
in Anspruch nehmen. Wenn auch in den<br />
einzelnen Ländern in unterschiedlicher Ausprägung,<br />
sehen die am Projekt beteiligten<br />
Schulen doch einen unschätzbaren Vorteil<br />
darin, mit der UNESCO einen Be<strong>zu</strong>gspunkt<br />
außerhalb der hierarchischen Strukturen <strong>zu</strong><br />
haben.<br />
Daraus resultiert auch eine hohe Erwartungshaltung<br />
gegenüber Impulsen aus der<br />
Deutschen UNESCO-Kommission. Schulen,<br />
die sich der UN-Sonderorganisation verpflichtet<br />
fühlen, wollen – mindestens auf nationaler<br />
Ebene – einbezogen werden in programmati-<br />
sche Entwicklungen und Entscheidungen und<br />
nicht nur als selbstverständliches Anhängsel<br />
oder Auftragsempfänger angesehen werden.<br />
Darüber hinaus erwarten sie für die Arbeit an<br />
der Basis kompetente pädagogische Impulse.<br />
Wenn Wolfgang Reuther (von 1991 bis 1997 in<br />
unterschiedlichen Funktionen bei der Deutschen<br />
UNESCO-Kommission tätig) – wohl <strong>zu</strong><br />
recht – beklagt, dass »langweilige Schulbücher<br />
den Menschenrechtsunterricht vermiesen«<br />
(UH I/1993, S. 17), sehe ich darin auch eine<br />
Aufforderung an die Deutsche UNESCO-<br />
Kommission, diese Lücke gemeinsam <strong>zu</strong><br />
schließen. Insofern haben die UNESCO-<br />
Schulen ein starkes Interesse daran, Verknüpfungen<br />
auch mit den Mitgliedern und Fachausschüssen<br />
der Deutschen UNESCO-Kommission<br />
her<strong>zu</strong>stellen.<br />
Die vielschichtige Ausdehnung, die das<br />
Schul<strong>projekt</strong> der UNESCO in den letzten Jahren<br />
erfahren hat und die gestiegene öffentliche<br />
Aufmerksamkeit sind auch Beleg für einen<br />
wachsenden Bedarf in den Schulen der Bundesrepublik<br />
an inhaltlich orientierten Netzwerken.<br />
Die daraus erwachsenen Anforderungen<br />
sind angesichts des schmalen <strong>zu</strong>r Verfügung<br />
stehenden Budgets von der Deutschen<br />
UNESCO-Kommission allein nicht <strong>zu</strong> bewältigen<br />
und werden <strong>zu</strong> einem großen Teil von<br />
den Ländern getragen. Inhaltlich, organisatorisch<br />
und personell ist das Schul<strong>projekt</strong> in<br />
Abstimmung mit allen beteiligten<br />
Partner/innen aber ein Programm der Deutsche<br />
UNESCO-Kommission; im bundesrepublikanischen<br />
Kulturföderalismus ein Unikat.<br />
Wer die Messlatte hoch legt, muss gut<br />
springen können<br />
Die internationale Dimension des Netzwerkes<br />
– das Associated Schools Project der<br />
UNESCO – blieb bisher unerwähnt, weil es<br />
für die Wirklichkeit an UNESCO-Schulen<br />
noch eine untergeordnete Rolle spielt. Derzeit<br />
werden 2.800 Schulen in 118 Ländern als Teilnehmerinnen<br />
des Projekts genannt, doch verbindende<br />
und verbindliche Netzwerkstrukturen<br />
bis an die Basis sind auch nach 40 Jahren<br />
nicht erkennbar. Die in der Pariser Zentrale<br />
<strong>zu</strong>r Verfügung stehenden personellen und<br />
finanziellen Managementressourcen reichen<br />
nicht, um ein weltweites Netzwerk lebendig<br />
<strong>zu</strong> halten, verlässliche Verbindungen <strong>zu</strong> schaffen,<br />
Begegnungen über die Expert/innenebene<br />
hinaus <strong>zu</strong> ermöglichen. Dennoch muss es um<br />
mehr gehen, als nur möglichst viele Schulen<br />
in möglichst vielen Ländern mit dem Titel<br />
einer UNESCO-Schule aus<strong>zu</strong>zeichnen. Mit<br />
dem (zweifellos) guten Namen werden inner
54<br />
halb und außerhalb des Schul<strong>projekt</strong>s verständlicherweise<br />
hohe Erwartungen bei Schüler/innen<br />
und Lehrer/innen geweckt, die<br />
einem internationalen Netzwerk angehören.<br />
Das 1953 von der UNESCO kreierte Schul<strong>projekt</strong><br />
ist trotz mancher Un<strong>zu</strong>länglichkeiten<br />
in der praktischen Umset<strong>zu</strong>ng im Prinzip ein<br />
ausgezeichnetes Instrument für den interkulturellen<br />
Dialog zwischen jungen Menschen,<br />
weil gemeinsame Ziele in vorhandenen Strukturen<br />
realisiert werden können. Es darf einer<br />
international verantwortungsvoll agierenden<br />
Organisation aber nicht genügen, gute Ideen<br />
<strong>zu</strong> produzieren und die Realisierung anderen<br />
<strong>zu</strong> überlassen.<br />
Was fehlt?<br />
Mit vereinten Kräften – <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> forum 3/4–2003<br />
• Eine kritische und selbstkritische Bestandsaufnahme<br />
der bisher erreichten Wirkungen;<br />
• ein gemeinsames Handlungskonzept mit<br />
einem Mindestmaß an inhaltlicher wie<br />
organisatorischer Verbindlichkeit;<br />
• angemessene, an den Aufgaben orientierte<br />
materielle und personelle Ressourcen;<br />
• Konferenzen mit Workshopcharakter, an<br />
denen die Basis beteiligt wird;<br />
• direkte Kontakte und thematisch orientierte<br />
Begegnungen zwischen den UNESCO-<br />
Schulen.<br />
Wann, wenn nicht jetzt?<br />
Die Schlüsselfragen unserer Zeit sind <strong>zu</strong><br />
Überlebensfragen der Menschheit geworden.<br />
Zivilcourage und aktives Handeln für Eine<br />
Welt stehen heute auf der Tagesordnung. Zwischen<br />
biedermännischer Politik und brandstiftendem<br />
Hass haben UNESCO-Schulen<br />
weder einfache Antworten noch Patentrezepte.<br />
Sie wollen – ohne die Reichweite<br />
schulpädagogischer Wirkungen <strong>zu</strong> überschätzen<br />
– in und mit der Schule Erfahrungsräume<br />
schaffen und Handlungskonzepte ermöglichen,<br />
die <strong>zu</strong> einem toleranten Miteinander<br />
beitragen.<br />
Unesco-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> stricken da<strong>zu</strong> individuell<br />
gefärbte, lokal strukturierte Fäden und<br />
knüpfen sie <strong>zu</strong> einem grenzüberwindenden<br />
Netzwerk der Toleranz unter dem identitätsstiftenden<br />
Dach der UNESCO. Dass der ghanaische<br />
Lehrer im ostfriesischen Rhauderfehn<br />
in diesem Netz einen beispielhaften Knoten<br />
bildet, stimmt hoffnungsvoll. Doch erst wenn<br />
dieser Knoten seine bemerkenswerte Außergewöhnlichkeit<br />
verloren hat, wenn sich keine<br />
Regierung mehr damit brüsten muss, Schule<br />
mit den Menschen anderer Kulturen <strong>zu</strong> gestal-<br />
Programm des 40-jährigen Jubiläums des weltweiten<br />
UNESCO-Schulnetzes (ASPnet), Soest 1993. Aus<br />
diesem Anlass hat die Deutsche UNESCO-Kommission<br />
Repräsentant/innen des ASPnet aus der ganzen<br />
Welt eingeladen.<br />
ten, erst dann sind wir einen Schritt vorangekommen.<br />
Das UNESCO-Schul<strong>projekt</strong> hat sich viel<br />
vorgenommen!<br />
Uwe Buckendahl<br />
Bundeskoordinator<br />
(1991–1994)