Rüttenscheider Jahrbuch ´88 - Interessengemeinschaft ...
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Justizgebäude - 75 Jahre in RüUenscheid<br />
Von Dr. Klaus Wygold, Präsident des Amtsgerichts Essen<br />
75 jahre alt wurde am 17. 5. 1988 das<br />
Gerichtsgebäude in Essen-Rüttenscheid<br />
an der Zweigertstraße, in dem das<br />
Landgericht und das Amtsgericht untergebracht<br />
sind.<br />
Zur feierlichen Einweihung im Jahre<br />
1913 hat der damalige Landgerichtspräsident,<br />
Geheimer Oberjustizrat Dr.<br />
Büscher , eine Festschrift herausgegeben,<br />
von der mir ein leicht lädiertes<br />
Exemplar zur Verfügung steht. Außerdem<br />
konnte ich beim Landgericht die<br />
Akte XVll-26 des ,Königlichen Land<br />
Gerichts zu Essen betreffend: Einweihungsfeier<br />
für den Justizneubau,<br />
Abt. 2: Festordnungskommission; angefangen<br />
den 13ten April 1913" einsehen,<br />
die aus nur 28, z. T. aber sehr interessanten<br />
Seiten besteht. Dadurch habe<br />
ich die Möglichkeit, über die Zeit vor<br />
und während der Errichtung des neuen<br />
Gerichtsgebäudes zu berichten.<br />
Wesentlicher Anlaß für den Neubau war<br />
der enorme Anstieg der Einwohner im<br />
Gerichtsbezirk . Diese hatten sich 1913<br />
im Vergleich zu 1899 verdoppelt, im<br />
Vergleich zu 1879 sogar vervierfacht.<br />
Die vorhandenen Gebäude reichten daher<br />
nicht mehr aus.<br />
Zuständigkeiten<br />
Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts<br />
unterlag das Gerichtswesen in der<br />
Stadt Essen einem ständigen Wandel.<br />
Darüber hinaus war es auch für Eingeweihte<br />
sehr unübersichtlich.<br />
Es gab im heutigen Stadtgebiet:<br />
I. ein Stadtgericht (Gericht des Essener<br />
Magistrats),<br />
2. ein fürstliches Landgericht, auch<br />
"hohes weltliches Gericht' genannt<br />
Rütlenscheider <strong>Jahrbuch</strong> '88<br />
und zuständig für das Gebiet des<br />
Stiftes Essen mit Ausnahme der<br />
Stadt,<br />
3. ein Landgericht Rellinghausen, zuständig<br />
für den Bereich des dortigen<br />
Damenstiftes für Töchter des niederen<br />
Adels. Auch in dem Vergleich<br />
vom 30. 7. 1661, durch den Fürstäbtissin<br />
Anna Salome, Gräfin von<br />
Salm-Reifferscheid die Gerichtsbarkeit<br />
zurückerwarb, war vereinbart,<br />
daß in Rellinghausen ein besonderes<br />
Gericht bestehen blieb.<br />
4. ein Offizialatsgericht. Ihm unterstanden<br />
die Geistlichen des Hochstifts<br />
Essen und die geistlichen Korporationen;<br />
gegen seine Entscheidungen<br />
gab es die "Appellation" an<br />
die Nuntiatur zu Köln und die Revision<br />
nach Rom,<br />
5. ein Patrimonialgericht Byfang, seit<br />
1661 oder schon früher zuständig für<br />
die zum Fürstentum Essen gehörige<br />
"Unterherrschaft" Byfang und<br />
6. das ordentliche Appellationsgericht<br />
"Fürstliche Regierungskanzlei" , das<br />
allerdings auf einigen Rechtsgebieten,<br />
z.B. in Vormundschaftssachen,<br />
auch als erste Instanz tätig wurde.<br />
Im August 1802 nahm Preußen von<br />
Stadt und Stift Essen Besitz. Die preußische<br />
Gerichtsverfassung wurde 1803<br />
und bis 1804 auch die preußische Gesetzgebung<br />
allgemein eingeführt. Die<br />
Gerichtsbarkeit des Magistrats wurde<br />
aufgehoben, und dem Offizialatsgericht<br />
verblieben lediglich die Entscheidungen<br />
in kirchlichen Angelegenheiten. Es wurde<br />
ein Stadtgericht mit einem Richter<br />
und einem Gerichtsschreiber errichtet.<br />
Rütlenscheider <strong>Jahrbuch</strong> '88<br />
Dieses Gericht erhielt die Gerichtsbarkeit<br />
über das ganze Weichbild der Stadt.<br />
An die Stelle der bereits vorhandenen<br />
zwei Landgerichte traten das Landgericht<br />
Essen (für den nördlichen Teil des<br />
ehemaligen Fürstentums) und das Landgericht<br />
Steele-Rellinghausen (für den<br />
südlichen Teil). Das Patrimonialgericht<br />
Byfang blieb zunächst bestehen. Die<br />
übergeordneten Instanzen dieser Gerichte<br />
waren die Regierung in Münster<br />
und das Geheime Obertribunal in Berlin.<br />
In Kriminalsachen war für den ganzen<br />
Bezirk bis zum 2. 10. 1804 das Kriminalgericht<br />
Altena, danach das Kriminalgericht<br />
Wesel zuständig.<br />
In der sog. französisch-bergischen Zeit<br />
wurde durch kaiserliches Dekret vom<br />
17. 12. 1811 die bisherige Gerichtsverfassung<br />
geändert. An die Stelle der drei<br />
Essener Gerichte trat ein Friedensgericht<br />
für den Umfang des Kantons Essen<br />
(Stadt und Stift Essen mit Ausnahme<br />
des Bezirks Byfang, der 1809 dem<br />
Kanton Werden und ab 1.2. 1812 auch<br />
dessen Friedensgericht zugeschlagen<br />
wurde). Außerdem erhielt Essen ein<br />
sog. "Tribunal", dem die Friedensgerichte<br />
Essen, Werden, Duisburg, Dinslaken,<br />
Dorsten und Recklinghausen unterstellt<br />
waren.<br />
Durch Patent vom 9.9. 1814 wurde verordnet,<br />
daß die preußische Gerichtsverfassung<br />
mit dem I. I. 1815 in vollem<br />
Umfang wieder in Kraft treten solle.<br />
Damit wurde das Tribunal aufgehoben.<br />
Essen erhielt ein Land- und Stadtgericht<br />
mit drei Mitgliedern. Zum I. 7. 1822<br />
wurde das Land- und Stadtgericht Werden<br />
aufgelöst und mit dem Land- und<br />
Stadtgericht Essen vereinigt. In Werden<br />
verb lieb aber eine Gerichtskommission<br />
mit einem Richter.<br />
Erst am I. 4. 1849 trat wieder eine Änderung<br />
der Gerichtsorganisation ein<br />
(VO. v. 2. I. 1849). Essen erhielt ein<br />
Kreisgericht mit einem Direktor und<br />
acht Richtern. Dieses trat an die Stelle<br />
des Land- und Stadtgerichts.<br />
Durch Gesetz vom 4. 3. 1878 wurde Essen<br />
zum Sitz eines Landgerichts be-<br />
Das älteste GerichtsgebtJude in Essen. Von<br />
etwa 1700 bis 1802 Sitz des Essener Landgerichts<br />
und der Kanzlei; von 1802 bis 1812<br />
Sitz des Stadtgerichts und der beiden Landgerichte;<br />
von 1812 bis 1815 Sitz des Friedensgerichts<br />
und Gefängnis.<br />
stimmt, das zuständig war für den<br />
Stadt- und Landkreis Essen (bisheriger<br />
Bezirk des Kreisgerichts Essen) und die<br />
Kreise Bochum-Stadt und Bochum<br />
Land (mit Ausnahme der Stadt Willen,<br />
aber mit Hattingen und Gelsenkirchen<br />
Stadt und -Land).<br />
Durch königliche Verordnung vom<br />
26. 7. 1878 wurden dem Landgericht,<br />
das mit einem Präsidenten, vier Direktoren<br />
und 16 Landrichtern besetzt war,<br />
die Amtsgerichte Bochum, Borbeck, Essen,<br />
Gelsenkirchen, Hattingen, Steele,<br />
Wattenscheid und Werden zugeteilt. Die<br />
Das Abteigebäude in Essen, von 1812 bis<br />
1815 Sitz des Tribunals, von 1815 bis 1849<br />
Land- und Stadtgericht, von 1849 bis 1863<br />
Kreisgericht.<br />
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