Rüttenscheider Jahrbuch ´88 - Interessengemeinschaft ...
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86 RÜI/enscheider <strong>Jahrbuch</strong> '88<br />
Wandel tertiärer Funktionen am Beispiel der<br />
Huyssenallee und <strong>Rüttenscheider</strong> Straße<br />
Von Barbara Birghan, Essen<br />
Der Wandel tertiärer Funktionen in Essen<br />
nach dem 2. Weltkrieg war das Thema<br />
einer Staatsexamensarbeit im Fach<br />
Geographie, aus der die Autorin eine<br />
knappe Zusammenfassung für das <strong>Rüttenscheider</strong><br />
<strong>Jahrbuch</strong> exklusiv zusammengestellt<br />
hat.<br />
.. Wenn hier nun versucht werden soll,<br />
den Wandel tertiärer Funktionen zu beschreiben,<br />
so muß bedacht werden, daß<br />
diese Erscheinung einerseits großen Einfluß<br />
auf die funktionale Entwicklung<br />
von City und Nebenzentren hat, andererseits<br />
Spiegelbild gesamtwirtschaftlicher<br />
Prozesse ist. Da der Strukturwandel<br />
ganzer Stadtgebiete oft durch die<br />
Analyse wichtiger oder charakteristischer<br />
Straßenzüge deutlich wird, soll<br />
diese Untersuchung am Beispiel einer<br />
Ausfallstraße durchgeführt werden, die<br />
von der Essener City durch den dicht<br />
besiedelten Stadtteil Rüttenscheid bis in<br />
die südlichen Stadtbereiche verläuft.<br />
Das Untersuchungsgebiet umfaßt die<br />
Huyssenallee und die <strong>Rüttenscheider</strong><br />
Straße bis zur Kreuzung Franziska-/<br />
Martinstraße. Eingeschlossen ist dabei<br />
auch der Bereich um den <strong>Rüttenscheider</strong><br />
Stern, d.h. Teile von Zweigert-, Rosaund<br />
Klarastraße. Der weitere Verlauf<br />
der Straße ist für diese Untersuchung<br />
nicht relevant, weil mit zunehmender<br />
Wohnnutzung in diesem Gebiet die tertiären<br />
Funktionen abnehmen und so<br />
keine Werte für den Funk tionswandel<br />
gegeben sind.<br />
Um nun einen Wandel zu zeigen, müssen<br />
zwei Zeitpunkte innerhalb eines bestimmten<br />
Zeitraums (hier: Zeit nach<br />
dem zweiten Weltkrieg) festgelegt werden<br />
können. Im Rahmen der Examensarbeit<br />
war der Schlußstand der Kartierung<br />
der August 1987 und zum Vergleich<br />
wurde das Jahr 1955 ausgewählt.<br />
Letzteres stellt den frühestmöglichen<br />
Vergleichszeitpunkt dar, weil für die ersten<br />
zehn Jahre nach Kriegsende zu wenig<br />
Werte der Nutzung vorliegen (Trümmergrundstücke),<br />
um einen Vergleich zu<br />
ermöglichen.<br />
Der zu untersuchende Bereich wurde<br />
nach dem Hausnummernsystem und<br />
dem Straßen- und Querstraßenverlauf<br />
lokalisiert, danach erfolgte eine geschoßweise<br />
empirische Erhebung aller<br />
Nutzungen der jeweiligen Häuser.<br />
Es wurde in die Kartierung aus darstellungstechnischen<br />
Gründen nur die Nutzung<br />
der Vorderhäuser aufgenommen,<br />
ergänzt wird die Kartierung durch die<br />
Auswertung von Telefonbuch, Straßenund<br />
Branchenverzeichnis.<br />
Für den Zeitpunkt 1955 standen Straßen-<br />
und Branchenverzeichnis, Hausund<br />
Reklameakten im Archiv des Bauordnungsamtes<br />
der Stadt Essen, Anzeigen<br />
in den Jahrbüchern des Bürger- und<br />
Verkehrsvereins Rüttenscheid und Luftaufnahmen<br />
des Stadtplanungsamtes zur<br />
Verfügung. E ine vollständige Rekonstruktion<br />
ist mit diesen Hilfsmitteln jedoch<br />
nicht möglich. Daher sind Häuser,<br />
deren Nutzung zweifelsfrei ermittelt<br />
werden konnte, in der Zeichnung mit<br />
einem Stern (*) gekennzeichnet.<br />
Die registrierte Nutzung wird nun kategorisiert<br />
und generalisiert, damit sie für<br />
die festgelegten Zeitpunkte als Karte<br />
dargestellt werden kann. Für einige der<br />
Nutzungsgruppen der Legende der Karte<br />
sollen hier Beispiele gegeben werden,<br />
um die Generalisierung deutlich zu machen.<br />
So zählen zum<br />
kurzfristigen Bedarf: Bäckerei,<br />
Metzgerei, Lotto/ Tabak<br />
mittelfristigen Bedarf: Buchhandlung,<br />
Kleidung, Schuhe<br />
RÜI/enscheider <strong>Jahrbuch</strong> '88<br />
- langfristigen Bedarf: Autos, Möbel,<br />
Antiquitäten, Teppiche<br />
- Spezial bedarf: Büro-, Praxen- und<br />
Groß k üchenei n rich tungen<br />
- privaten Ausbildungseinrichtungen:<br />
Sport- und Sprachschulen<br />
Serviceleistungen und Dienstleistungen<br />
des Handwerks: Friseur, Reinigung,<br />
Kosmetik<br />
- sonstigen privaten Ausbildungseinrichtungen:<br />
Videothek, Reisebüro,<br />
Ehe- und Beerdigungsinstitut.<br />
Die Zeichnung für beide Zeitpunkte<br />
wurde au f der Grundlage der Kataster<br />
Flurkane und Stadtgrundkarte Essen<br />
erstellt, die Originalzeichnung hat etwa<br />
einen Maßstab I: 1000. Für den vorliegenden<br />
Artikel wurde ein kleiner repräsentativer<br />
Ausschnitt ausgewählt und<br />
aus Platzgründen mehrfach verkleinert.<br />
Nach einer genauen Charakterisierung<br />
des Straßenzuges, die einige, nicht in<br />
der Zeichnung darzustellende Zusatzinformationen<br />
(z. B. Betriebsgröße, Branchenzugehörigkeit,<br />
Speziali sierungsgrad)<br />
bietet, erfolgte anschließend eine<br />
systematische Untersuchung des Funktionswandels,<br />
die im Hinblick auf die<br />
einzelnen Nutzungsgruppen der Legende<br />
durchgeführt wurde.<br />
Nun die Ergebnisse dieser Analyse so<br />
genau wie es diese zusammenfassende<br />
Form erlaubt:<br />
Das allgemeine Wachstum des tertiären<br />
Sektors, verbunden mit einer flächenhaften<br />
Ausdehnung von City und Nebenzentren<br />
ist auch für die Stadt Essen<br />
bzw. den untersuchten Straßenzug<br />
nachzu weisen.<br />
Die quantitative Zunahme war für jede<br />
der untersuchten Nutzungsgruppen festzustellen.<br />
Um den qualitativen Wandel<br />
tertiärer Funktionen in Essen richtig erfassen<br />
zu können, mußte die besondere<br />
wirtschaftliche Entwicklung der Stadt<br />
seit dem zweiten Weltkrieg berücksichtigt<br />
werden.<br />
Durch die Kriegsschäden insgesamt und<br />
die Demontage der eisen- und stahler-<br />
zeugenden, sowie Teilen der verarbeitenden<br />
Industrie (Fa. Krupp) gelangte<br />
die Stadt Essen unmittelbar nach dem<br />
Krieg in eine zusätzliche wirtschaftliche<br />
Krise. Durch Ausbau der Energieversorgung<br />
(Kohle, Strom, Gas und Wasser),<br />
des Handels und durch Neuansiedlung<br />
von Industrie a ls Gegenmaßnahmen,<br />
wurde die wirtschaftliche Struktur der<br />
Stadt diversifiziert und damit wesentlich<br />
verändert. I nsgesamt ergibt sich für alle<br />
untersuchten Nutzungsgruppen ein erkennbarer<br />
quantitativer und qualitativer<br />
Funktionswandel, der jedoch für die<br />
einzelnen Nutzungsgruppen unterschiedlich<br />
gewichtet ist.<br />
Aus den 18 einzeln analysierten Nutzungsgruppen<br />
wurden einige wichtige<br />
Beispiele ausgesucht: Firmenverwaltungen<br />
und -vertretungen, Versicherungsund<br />
Bankwesen, Einzelhandel, Rechtspflege,<br />
Beratung, Ingenieurbüros u.ä.<br />
und die Medizinische Versorgung.<br />
Firmenverwaltungen und -vertretungen<br />
Wissenschaftliche Untersuchungen nennen<br />
als bevorzugten Standort für Industrieverwaltungen<br />
den Kernbereich einer<br />
Stadt mit seinen Standortvorteilen (zentrale<br />
Lage, Repräsentativität, Fühlungsvorteile).<br />
Vor allem Hauptverwaltungen<br />
und Unternehmen aus dem Versorgungsbereich<br />
bevorzugen diese Lage, sie<br />
weichen aber auch auf gut entwickelte<br />
Nebenzentren aus.<br />
Diese These findet sich in der Verteilung<br />
der Firmenverwaltungen und -vertretungen<br />
im Untersuchungsgebiet bestätigt.<br />
Hauptstandorte sind die Huyssenallee<br />
und der <strong>Rüttenscheider</strong> Stern.<br />
Die Huyssenallee zeichnet sich aus als<br />
zentraler Standort (Nähe zur City =<br />
Fühlungsvorteile zu Behörden und Banken,<br />
gute Verkehrsanbindung = Nähe<br />
zum Hbf und A 430) mit repräsentativen<br />
Faktoren (Saalbau und Stadtgarten).<br />
Es spielen hier sowohl die Standortvoraussetzungen<br />
als auch die Planung<br />
der Stadt Essen eine Rolle, die<br />
nach dem Krieg in diesem Gebiet Spitzenorganisationen<br />
der Wirtschaft ansie-<br />
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