Gǎidào Sonderausgabe: Solidarische Ökonomie
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Gai Dào<br />
<strong>Sonderausgabe</strong> N°8: <strong>Solidarische</strong> <strong>Ökonomie</strong> Sommer 2015<br />
Editorial<br />
Hallo Menschen,<br />
eigentlich finden viele, dass es toll klingt:<br />
Demokratisierung aller Lebensbereiche; Selbstbestimmung;<br />
endlich mal etwas für die Sache selbst tun<br />
und nicht für deren Vermarktung; der Kontrolleur*in,<br />
dem Ordnungsamtsfutzi oder ähnlichem einfach mal<br />
den Mittelfinger vorhalten; Politiker*innen nach<br />
Hause schicken. Die Aufzählung ist endlos.<br />
Die uns durchfurchende Realität bringt immer wieder<br />
das Anarchische zum Vorschein, bis sie es bei Vielen<br />
unter tausenden Zentnern Erdreich verscharrt. Die<br />
schreien dann vor Angst und Frust nach den Göttern.<br />
Da muss mal jemand durchregieren. Wenn unsereins<br />
nicht, dann sollen die auch nicht… Wenn Sie sich<br />
besser verkauft hätte, dann …, aber so… hat sie halt<br />
Pech gehabt. Heutzutage macht auch jede*r, was<br />
er*sie will… Die Abwesenheit der Götter ruft<br />
verschiedene Reaktionen hervor. Manche stellen sich<br />
der Freiheit und Verantwortung, andere greinen nach<br />
Führung, manche schwingen sich auf und alle<br />
machen Kompromisse.<br />
Während soziale und ökologische Missstände und die<br />
kapitalistische Wirtschaftsweise untrennbar verknüpft<br />
sind, die Menschen darum wissen und die Zahl ideologischer<br />
Verfechter*innen des Kapitalismus sinkt,<br />
herrscht mehrheitlich Ratlosigkeit. Viele verhängen<br />
sich Denkverbote und fokussieren sich auf Privatleben,<br />
Familie und Hobbys, andere suchen nach „der<br />
guten alten Zeit“, wieder andere wiederholen die<br />
immer gleichen Phrasen und beruhigen ihr Gewissen.<br />
Der Erfolg emanzipatorischer Entwicklungswege,<br />
seien sie stetig, seien sie geprägt von Stürmen und<br />
Umbrüchen, steht und fällt mit der Beantwortung der<br />
Fragen des Ökonomischen. Reaktionen von Anarchist*innen<br />
und libertären Kommunist*innen auf<br />
diese Frage sind oft ausweichend. Mitunter wird sich<br />
auf das Bilderverbot berufen. Aus dem repressiven<br />
Kapitalismus und seinen Denkmustern heraus sei<br />
keine emanzipatorische Zukunft denkbar. Die freie<br />
Gesellschaft erwächst wahlweise aus dem Diskurs<br />
einer Massenmobilisierung oder den Ruinen der alten<br />
Ordnung. Die Menschen mögen jedoch nicht auf<br />
diese unsichere Karte setzen. Was im Kinosessel mit<br />
Popcorn zur guten Abendunterhaltung taugt, macht<br />
in der Realität Angst. Sicher sind die stürzenden<br />
Bürotürme aus der Vogelperspektive schön anzusehen,<br />
aber wie sieht es aus, wenn man unten steht,<br />
wenn man in ihren Trümmern nach Essbaren graben<br />
muss. Mit Schrecken haben höhere und untere<br />
Mittelschicht den freien Fall ihrer gesellschaftlichen<br />
Pendants in Südeuropa verfolgt. Es ist unklar, wie<br />
risikofreudig diese Gesellschaft leben will, aber dem<br />
reinen Versprechen nach dem schönen Leben für alle<br />
folgt sie nicht. Auch wenn auf die Frage der<br />
ökonomischen Alternative, der sozialen Sicherheit<br />
nicht mit dem Bilderverbot reagiert wird, kommt<br />
selten viel Greifbares heraus: Irgendwie soll es nach<br />
dem Bedürfnisprinzip zugehen, statt Märkten wird<br />
sich irgendwie abgesprochen, gegenseitige Solidarität<br />
ersetzt den Tausch, das Geld ist abgeschafft, die Produktionsmittel<br />
sind in kollektiver Hand. Noch<br />
unklarer werden die Positionen, wenn es um die<br />
Frage des Transformation der globalisierten Wirtschaft<br />
von unten geht.<br />
Aus dem Bewusstsein der beschriebenen Unschärfe in<br />
unserer Bewegung entstanden im Jahre 2013 Diskussionen<br />
auf einem Föderationstreffen in Mannheim.<br />
Die gastgebende Gruppe hatte damals gerade mit<br />
einem Projekt, einer umfassenden Strategiedebatte,<br />
für einen anarchistischen Weg begonnen. Während<br />
die Anarchistische Gruppe Mannheim mehr in Richtung<br />
praktischer Projektentwicklung denkt, entstand<br />
als theoretischere Herangehensweise die Idee dieser<br />
<strong>Sonderausgabe</strong>. Seitdem rotierte das Karussell unserer<br />
Leben einige Umdrehungen weiter. Wir wissen jetzt<br />
ein Stück mehr und sind tiefer in die Thematik als gedacht<br />
eingestiegen. Das Ergebnis ist leider noch kein<br />
rundes Ding; ein kleiner Schritt voran - aber voran<br />
definitiv. Heraus kam kein Statement, aber auch kein<br />
phänomenologisches Mosaik, sondern ein Diskursbeitrag<br />
mit ordentlich Unterbau. Bei Feedback und