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Magazin WERTE 2015 - 2. Ausgabe

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FRAGEN STELLEN, ANTWORTEN SUCHEN<br />

Über den Kreuzgang seitlich der Kirche gelangt man zur Odilienkapelle<br />

mit dem Grab der Heiligen. Das Totendenkmal selbst stammt aus dem<br />

18. Jahrhundert, ein Sarkophag enthält zudem einige Reliquien Odilias.<br />

Nach Nordosten führt der Kreuzgang zu einer Terrasse auf einem Felsvorsprung<br />

mit einer beeindruckenden Aussicht. Ein Ort, um die Seele<br />

baumeln zu lassen, Fragen zu stellen, Antworten zu suchen. Vielleicht<br />

macht gerade die hier zu fühlende Empfindsamkeit für Ungeklärtes<br />

den Mythos des Mont Sainte-Odile aus. „Hier erfahren viele Besucher<br />

einen spirituellen Anstoß, schließen Frieden, finden Ruhe“, weiß Rektor<br />

Koehler.<br />

Die Odilienkapelle beinhaltet das Grab der Heiligen. Das Totendenkmal<br />

stammt aus dem 18. Jahrhundert.<br />

GLAUBE UND KUNST<br />

An den Rändern dieser Esplanade erheben sich zwei weitere Kapellen<br />

aus dem 1<strong>2.</strong> Jahrhundert. In einer davon, der Tränenkapelle, soll Odilia<br />

für den Seelenfrieden ihres Vaters gebetet und um ihn geweint haben.<br />

Hinter Gittern liegt eine kleine Mulde, die ihre Knie und Tränen hinterlassen<br />

haben sollen. Die Engelskapelle gegenüber ist kleiner. Sie befindet<br />

sich an jener Stelle des gewaltigen Felsen, an dem die Römer ihren<br />

Wachtturm errichtet hatten. Innen zeigen Wandmosaiken des Pariser<br />

Künstlers F. Danis Motive aus dem Leben Odilias, das bestimmt war<br />

vom Element Wasser. Eine Quelle zeugt noch heute davon.<br />

ELEMENTE DES LEBENS<br />

Die Quelle zu erwandern, ist für viele Besucher der Höhepunkt. Vom<br />

Hauptportal geht eine Treppe hinunter zu einem Rundweg außerhalb<br />

der Klostermauern. Er führt an mit Mosaiken gestalteten Bildnissen des<br />

Kreuzwegs von Jesus vorbei. Ebenso an einer in einer Felsspalte errichteten<br />

Mariengrotte. Ist man am Klosterfriedhof angelangt, findet sich<br />

ODILIA –<br />

TOCHTER DES LICHTS<br />

Um 660 n. Chr. lässt Adalrich, Herzog<br />

des Elsass, in Erwartung eines Sohnes<br />

und Erben die „Hohenburg“ errichten.<br />

Seine Frau Bereswinde bringt<br />

jedoch ein blindes Mädchen<br />

zur Welt. Da der enttäuschte<br />

Herzog das Kind töten lassen<br />

will, entführt die Mutter<br />

die Kleine und vertraut<br />

sie einer Amme an.<br />

Diese gibt das Kind<br />

ein Jahr später in die<br />

Obhut eines Klosters<br />

nahe Besançon. Als<br />

das Taufwasser das<br />

mittlerweile 12-jährige<br />

Mädchen berührt,<br />

kann es plötzlich sehen,<br />

weshalb man ihr den Namen<br />

Odilia gibt – Tochter<br />

des Lichts. Hugo, Odilias jüngerer Bruder, bereitet indes die<br />

Rückkehr seiner Schwester ins Elsass vor und stirbt daraufhin<br />

durch einen heftigen Schlag des wütenden Adalrich. Voller<br />

Reue will der Herzog nun seine Tochter auf der Hohenburg<br />

empfangen und sie mit einem Prinzen seiner Wahl vermählen.<br />

Odilia weigert sich und muss vor dem Zorn ihres Vaters<br />

fliehen. Der Legende nach öffnet sich unerwartet eine Spalte<br />

in einem Felsen, der ihr Zuflucht bietet. Adalrich sieht darin<br />

einen Fingerzeig Gottes und vermacht seiner Tochter den<br />

Besitz Hohenburg. Odilie gründet 690 die gleichnamige Abtei<br />

auf dem heute nach ihr benannten Berg. Eines Tages begegnet<br />

ihr ein blinder Bettler auf dem Weg. Von Mitleid berührt<br />

klopft sie in ihrer Verzweiflung mit einem Stab an einen<br />

Felsen am Fuße des Klosters. Wasser beginnt zu sprudeln, das<br />

den Bettler genauso geheilt haben soll, wie einst das Taufwasser<br />

sie selbst. 720 stirbt Odilia, elf Tage vor Weihnachten.<br />

1050 spricht die Kirche sie heilig.<br />

rechts ein Pfad Richtung Tal und Quelle. Sie liegt weiter unten an der<br />

Straße nach Saint-Nabor. Der Weg dorthin führt im Schatten mächtiger<br />

Bäume an bemoosten Felsen vorbei. Sonnenstrahlen dringen mühsam<br />

durch die dichten Baumkronen, ihre Lichtspitzen scheinen auf dem<br />

Boden zu tanzen. Ein elementares Erlebnis im wahrsten Wortsinn: Erde,<br />

Sonne und – nach etwa einer halben Stunde Fußweg – das Wasser. Die<br />

Quelle soll im Laufe der Jahrhunderte viele kranke Augen geheilt haben,<br />

sagt die Legende. Versiegt ist sie noch nie.<br />

ALEX MANNSCHATZ<br />

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