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Art of Destruction — Fabrikzeitung Nr. 277, Dezember ... - Rote Fabrik

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<strong>Art</strong> <strong>of</strong> <strong>Destruction</strong> <strong>—</strong> <strong><strong>Fabrik</strong>zeitung</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>277</strong>, <strong>Dezember</strong> 2011


Kawu<br />

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Kawu<br />

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<strong>Art</strong> <strong>of</strong> <strong>Destruction</strong><br />

11 Die Maschine, die sich selbst<br />

zerstörte <strong>—</strong> Justin H<strong>of</strong>fmann<br />

12 Erasure in <strong>Art</strong> <strong>—</strong> Richard Galpin<br />

12 «Abschichten» <strong>—</strong> Roger Behrens<br />

14 Die Luftwaffe des kleinen<br />

Mannes <strong>—</strong> Mike Davis<br />

15 Entfesselte Kräfte<br />

<strong>—</strong> Thomas Brandstetter<br />

16 Political Correctness<br />

Destroyed <strong>—</strong> Cathérine Hug<br />

Die Maschine, die sich<br />

selbst zerstörte<br />

Es verhalf ihm zum Durchbruch in den USA. Tinguelys Werk «Hommage<br />

to New York» war epochemachend, extravagant und bewusst spek-<br />

takulär. Der Künstler hatte sie noch Jahre danach als seine schönste<br />

Arbeit bezeichnet. 1 Obwohl sie sich am Tag der Präsentation selbst<br />

zerstörte, sind uns ihre Bilder bis heute im Gedächtnis geblieben. Auch<br />

im Internet ist «Hommage to New York» präsent. So kann man dort<br />

einen Dokumentarfilm aus dem Entstehungsjahr 1960 und auf der<br />

MoMA-Website die Audio-Datei eines Vortrags zu dieser Arbeit fin-<br />

den. 2 Das am 17. März 1960 anwesende Publikum war begeistert und<br />

erlesen. Marcel Duchamp, Richard Huelsenbeck gehörten genauso<br />

dazu wie Robert Rauschenberg, John Cage, Mark Rothko oder Barnett<br />

Newman. 3 Aus heutiger Sicht sind es vor allem zwei Aspekte, die<br />

uns an dieser Arbeit besonders interessieren. Erstens ihr Charakter als<br />

Kunst-produzierende-Maschine und zweitens ihr Stellenwert als die<br />

erste große Manifestation der autodestruktiven Kunst. Beide Aspekte<br />

stehen im Mittelpunkt des folgenden Textes.<br />

Eine Maschine als Kunst und Künstler<br />

Jean Tinguelys berühmtes Werk «Hommage to New York» kann nicht<br />

nur als skulpturales Gebilde sondern auch als komplexe Maschine<br />

verstanden werden, die für ein einmaliges Laufen an einem bestimmten<br />

Abend bestimmt war. Sie produzierte am 17. März 1960 ein verblüffendes<br />

Theater der Dinge. 4 Der Zuschauer sah eine Kombination verschiedener<br />

Handlungen, gespielt von den einzelnen Geräten und Ma-<br />

schinenteilen innerhalbs Tinguelys Konstruktion, die allmählich in sich<br />

zusammenfiel. «Hommage to New York» war eine Maschine, deren<br />

Ablauf nach dramaturgischen Überlegungen konzipiert wurde, aber<br />

auch gewisse Freiheiten besaß. Ihr Ziel war die Produktion eines<br />

Happenings. 5<br />

Schon einige Jahre zuvor hatte Jean Tinguely skulpturale<br />

Arbeiten hergestellt, die auf Maschinen mit beweglichen Teilen basierten.<br />

Er setzte sich intensiv mit dem Phänomen der Bewegung und insbe-<br />

sondere dem Bewegungpotenzial der Maschinenwelt auseinander. Seit<br />

1954 stellte er kinetische Kunst her. So war der Schweizer Künstler<br />

unter anderemTeilnehmer der berühmten Ausstellung «Le mouvement»<br />

der Galerie Denise René im Jahr 1955 in Paris. Die Verwendung von<br />

Motoren ermöglichte ihm, gewünschte Abläufe bzw. visuelle Prozesse<br />

zu initiieren. Tinguelys Auseinandersetzung mit Bewegung bekam<br />

beinahe missionarischen Charakter. In Zusammenhang mit einer Aus-<br />

stellung in der Galerie Schmela warf er im März 1959 150000 Flug-<br />

blätter mit dem Titel «Für Statik» über Düsseldorf ab. Die Überschrift ist<br />

irreführend. Das Manifest erklärt, dass das einzig Statische die Bewe-<br />

gung sei. Da sich alles bewege, besteht die alleinige Kontinuität im Leben<br />

in der Diskontinuität und der habe man sich zu stellen. Emphatisch im<br />

Geist des Existenzialismus fordert er:«Hört auf, die Zeit zu malen! Lasst<br />

es sein, Kathedralen und Pyramiden zu bauen, die zerbröckeln wie<br />

Zuckerwerk. Atmet tief, lebt im Jetzt, lebt auf und in der Zeit. Für eine<br />

schöne und absolute Wirklichkeit! 6<br />

Im Kontext des Nouveau Réalisme in Paris, die immer wieder<br />

die Grenzen der Kunst in Frage stellte, baute Tinguely ab 1959 von<br />

Elektromotoren angetriebene Zeichenmaschinen, die die Richtung des<br />

Abstrakten Expressionismus samt Tachismus ironisierten. Er nannte<br />

sie Méta-matics. Diese produzieren auf maschinelle Weise Zeichnungen<br />

oder Gemälde. Tinguely meldete diese Apparate im Juni 1959 <strong>of</strong>fiziell<br />

als Erfindung zum Patent an. Ein Schritt, der sowohl eine ernsthafte,<br />

sein Urheberrecht schützende, als auch eine ironische Seite hatte, da<br />

er damit die Bürokratie zur Auseinandersetzung und Wertung seiner<br />

Kunst zwang. Nicht alle Méta-matics blieben erhalten, einige zerstörte<br />

der Künstler selbst, weil sie nicht in der Weise funktionierten, wie er<br />

es wollte. Bis heute zählen diese außergewöhnlichen Maschinen zu den<br />

bekanntsten und beliebtesten Werken des Künstlers. Ihre Besonderheit,<br />

dass sie Kunst herstell(t)en, aber zugleich selbst skulpturale Kunst-<br />

werke sind, verdeutlicht Tinguelys Einstellung gegenüber der Welt<br />

der Maschinen. Sie sind für ihn keine anonymen, blind funktionierenden<br />

Gebilde sondern hoch entwickelte Objekte von großer Anziehungskraft.<br />

Wenn sich Gegenstände, die wie «tot» wirken, als beweglich<br />

erweisen, versetzt dies Menschen stets in Erstaunen. Mit der scheinbar<br />

selbständigen Bewegung rückt das unbeseelte Ding dem Lebewesen<br />

und letztlich dem Menschen nahe. Gegenstände scheinen ein Eigen-<br />

leben zu führen. Bei Jean Tinguely rücken sie in die Nähe von Künstlern:<br />

«DieseMASCHineN SINd ‚NebeNbei’ SKulpturReN, die, SCHeinbAR<br />

SINNlos, SICH jedoch LOGISCH & LUDISCH BeWEGen Also LEBEN» 7<br />

Im Vergleich zu seinen Zeichenapparaten ist «Hommage to<br />

New York» eine Maschine der Maschinen. Drei Wochen brauchte Jean<br />

Tinguely um sie aus Fundstücken zu konstruieren. Vor allem den<br />

Müllhalden New Jerseys bediente er sich. Von dort kamen die meisten<br />

der ca. 80 Fahrradräder, die er für die skultpurale Anordnung brauchte.<br />

In «Hommage to New York» waren auch mehrere Meta-matics integriert.<br />

Zum Beispiel war eins an dem mit diversen Objekten präparierten<br />

Klavier befestigt. Eine Adressiermaschine wurde von Tinguely zum Per-<br />

kussionsinstrument umgewandelt. Der in New York lebende, schwe-<br />

dische Ingenieur Billy Klüver, der dem Schweizer Künstler bei der Kon-<br />

struktion der Maschine half, hatte in technischen Dingen zuvor schon<br />

Jaspar Johns und Robert Rauschenberg beraten. Letzterer steuerte für<br />

die kinetische Assemblage einen sogenannten «Münzenwerfer» bei,<br />

ein Gerät, aus dem nach einem Zündvorgang ein Dutzend Silbermünzen<br />

geschleudert wurden.<br />

Neben den Ergebnissen der Zeichenmaschinen wurden auch<br />

die Fragmente bzw. Resultate der destruktiven Abläufe als Kunstobjekte<br />

behandelt. 8 Dass eine Maschine Kunst produziert – und selbst<br />

als Objekt ein Kunstwerk darstellt, ist ein Sonderfall. Hier schließt sich<br />

der Kreis Künstler-Maschine-Künstler. Der Künstler produziert mit<br />

«Hommage to New York» beides: er konstruiert sowohl eine Maschine,<br />

die Kunst produziert und somit die Rolle des Künstler einnimmt, als<br />

auch eine Maschine, die an sich schon als skulpturales Kunstwerk be-<br />

trachtet und entsprechend präsentiert wird. Man könnte hier von<br />

einer Kunst ersten Grades – das wäre die Maschine – und einer Kunst<br />

zweiten Grades – das wären die künstlerischen Produkte der Ma-<br />

schine – sprechen. Jean Tinguely war sich bei der Herstellung von<br />

«Hommage to New York» beider Ebenen durchaus bewusst. So sagt<br />

er in einem vor der Präsentation von D. A. Pennebaker gefilmten<br />

Interview: »This machine is a sculpture, it is a picture, it makes a pic-<br />

ture, it makes sound, it is a componist [sic].» 9<br />

Die Intergration des Zufall<br />

Es wurde bereits erwähnt, dass die maschinellen Elemente von<br />

«Hommage to New York» bestimmte Freiheiten genossen bzw. sich<br />

diese nahmen. Der Zufall spielte in der Arbeit keine unwesentliche<br />

Rolle, wobei man zwischen den von Tinguely nicht beabsichtigten Hand-<br />

lungen im Sinne eines fehlerhaften Funktionierens und jenen Vor-<br />

gängen unterscheiden kann, deren Ablauf nicht eindeutig festgelegt<br />

oder relativ <strong>of</strong>fen war. Tinguely gab Parameter vor, aber wie die Maschi-<br />

nenelemente im Detail funktionierten und was genau herauskam,<br />

war weitgehend dem Zufall überlassen. Was während des Ablaufs von<br />

«Hommage to New York» alles nicht so funktionierte, wie vorgesehen,<br />

schildert ausführlich Billy Klüver. Hier einige Auszüge: «Nach drei Minu-<br />

ten ging das erste Méta-matic an. Jean hatte jedoch den Treibriemen<br />

1 Annelie Lütgens, L’Esprit de Tinguely, in: L’Esprit de Tinguely, Kat. Kunstmuseum<br />

Wolfsburg, Wolfsburg 2000, S. 37.<br />

2 http://vimeo.com/8537769; http://moma.org/explore/multimedia/audios/11/467<br />

3 Margot Hahnloser-Ingold, «… und definitiv ist sowieso provisorisch», in: L’Esprit de<br />

Tinguely, S. 127<br />

4 In der Hinsicht vergleichbar mit der filmischen Arbeit «Der Lauf der Dinge» (1987) von<br />

Fischli & Weiss (um im Schweizer Kontext zu bleiben).<br />

5 Allan Kaprow hatte diesen Begriff der Aktionskunst wenige Monate zuvor zum ersten<br />

Mal bei seinen «18 Happenings» (4.10.1959) in der Reuben Gallery in New York verwendet.<br />

verdreht, so dass das Papier nach oben statt nach unten rollte. Die<br />

Wirkung war seltsam. (…) Das Méta-matic <strong>Nr</strong>. 21 lieferte eine drei Fuß<br />

lange Malerei, als sich die Bierdosen über das Papier ergossen, das in<br />

verkehrter Richtung lief. Der Arm, an dem er bis zur Vollendung<br />

gearbeitet hatte, ging nicht. Aber der Ventilator unten an der Konstruktion<br />

kam dennoch zu seiner Aufgabe. Dicker weißer Rauch, der aus der<br />

Badewanne quoll, wurde vom Ventilator in Richtung Publikum geblasen.<br />

Nerzbekleidete Damen in der Cafeteria sahen nichts mehr vor lauter<br />

Rauch. (…) Der Motor des Ventilators fing an, auf die Waschmaschinentrommel<br />

zu hauen, aber die Flaschen fielen nicht herunter. Jean hatte<br />

einen zu schwachen Draht angebracht.» 10<br />

Die Einbeziehung des Zufalls als wesentlichen Faktor der kün-<br />

stlerischen Produktion weist auf den Dadaismus zurück, deren wichtige<br />

Vertreter Duchamp und Huelsenbeck der Präsentation von «Hommage<br />

to New York» beiwohnten. Eine Reihe dadaistischer Künstler hatten im<br />

ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die Kunstwelt provoziert, indem<br />

sie mit Hilfe verschiedener Strategien den Zufall evozierten. Ziel war es,<br />

Rationalitätsprinzipien in Frage zu stellen und mit neuen Ausdrucksmöglichkeiten<br />

zu experimentieren: in der Musik etwa durch die Einbe-<br />

ziehung zufälliger Geräusche, in der Malerei durch die Bildherstellung<br />

im Dunkeln. So malte Hans Richter während seiner Zürich-Dada-Periode<br />

verschiedene Porträts bei ausgeschalteten Licht. Tristan Tzara<br />

zerschnitt einen Zeitungsartikel in einzelne Wörter, mischte sie in einem<br />

Hut, zog die Wörter nacheinander heraus und montierte diese in dieser<br />

Reihenfolge zu einem Gedicht. Die Intergration des Zufalls bedeutet stets<br />

eine freiwillige Abgabe von Kompetenzen. Die Möglichkeit der Deter-<br />

minierung wird bewusst eingeschränkt. Im Fall von «Hommage to New<br />

York» wurden Kompetenzen und Potenziale auf die Maschineteile<br />

übertragen.<br />

Die autodestruktive Kunst - Metzger und Tinguely<br />

Jean Tinguely und der in London lebende Künstler Gustav Metzger<br />

gelten als die Begründer der autodestruktiven Kunst. Während Metzger<br />

1959 die autodestruktive Kunst als erster in einem Manifest beschrieb,<br />

produzierte Tinguely das erste größere Werk dieser Bewegung. Dass<br />

beide Künstler die von ihnen als autodestruktive Kunst bezeichnete<br />

Richtung fast gleichzeitig erfanden, ist erstaunlich (Metzger geht sogar<br />

davon aus, dass seine Ideen von Tinguely aufgegriffen wurden 11 ).<br />

Andererseits wäre es auch plausibel, dass die besonderen gesellschaftlichen<br />

und politischen Umstände um 1960 – Kalter Krieg, drohender<br />

Atomkrieg, ökologische Probleme - beide unabhängig dazu brachte,<br />

über die Selbstzerstörung als künstlerisches Mittel zu reflektieren.<br />

Rückblickend gesehen verfolgten Tinguely und Metzger mit der auto-<br />

destruktiven Kunst deutlich differente Intentionen und Strategien.<br />

Was kennzeichnet nun die autodestruktive Kunst? Im Unter-<br />

schied zu anderen kulturellen Ausdrucksmitteln, die auf zerstörerischen<br />

Handlungen beruhen, steht hier nicht der Künstler als Akteur im<br />

Zentrum des Geschehens, sondern der destruktive Vorgang findet hier<br />

unabhängig von einem Akteur wie von selbst statt. Dieser Prozess<br />

beruht häufig auf chemischen Reaktionen oder verschiedenen physika-<br />

lischen Phänomenen. So kann es sich in der autodestruktiven Kunst<br />

genauso um ein Verrosten und Ätzen wie Verbrennen und Explodieren<br />

handeln. Der Künstler produziert hier «nur» die Disposition bzw. die<br />

Vorrichtung und initiiert den destruktiven Vorgang.<br />

Für die spezifische Ausprägung der künstlerischen Praxis<br />

beider Künstler spielten biografische Aspekte eine wesentliche Rolle,<br />

die je nach Lebenslauf andere Akzente in der bildnerischen Arbeit<br />

setzten. Gustav Metzger wurde im Jahr 1926 als Kind von aus Polen<br />

stammenden Juden in Nürnberg geboren. In einer der berühmt gewor-<br />

denen Transporte zur Rettung jüdischer Kinder hatten ihn seine Eltern<br />

im Januar 1939 als Zwölfjährigen zusammen mit einem Bruder in einem<br />

Zug nach England geschickt, um ihn dort von der zunehmenden Juden-<br />

verfolgung durch die Nationalsozialisten zu schützen. Juden polnischer<br />

Abstammung wurden bereits ab Mitte der 30er Jahre in Massen nach<br />

Polen deportiert. Drei Wochen vor dem Judenprogrom am 10. November<br />

1938 wurde auch Gustav Metzgers Vater abgeholt und musste zwangs-<br />

weise seine Familie verlassen und nach Polen ausreisen. Fast alle<br />

seiner Familienangehörigen kamen in den nächsten Jahren in den KZs<br />

der Nazis um. Die direkte Erfahrung des Holocausts durch die Ermor-<br />

dung vieler seiner Familienmitglieder und Verwandten war entscheidend<br />

für Gustav Metzgers spätere Kunstpraxis und -theorie. Vergleicht<br />

man Aussagen und Texte von Gustav Metzger mit denen des deutschen<br />

Philosophen Theodor W. Adorno, ergeben sich erstaunliche Parallelen.<br />

Für beide bildete der Holocaust den Ausgangspunkt für einen Erkennt-<br />

nisprozess: für eine pessimistische Sicht auf globale Abläufe. Beide<br />

traten nach dem Krieg in der Öffentlichkeit als Kritiker in Erscheinung, die<br />

vor destruktiven Entwicklungen warnten, wobei das Phänomen des<br />

Holocaust eine Entgrenzung erfuhr und als Symptom für andere nega-<br />

tive Prozesse (Konsumterror, ökologische Katastrophe etc.) erkannt<br />

wurde. Berühmt und viel zitiert wurde Adornos Aussage zu einer kultu-<br />

rellen Produktion nach Auschwitz. Im Aufsatz «Kulturkritik und Gesell-<br />

schaft» im gleichnamigen Band schreibt er: «Nach Auschwitz ein Gedicht<br />

zu schreiben, ist barbarisch, und das frisst auch die Erkenntnis an, die<br />

ausspricht, warum es unmöglich ward, heute Gedichte zu schreiben.» 12<br />

Bestimmte Geschehnisse können auch für Gustav Metzger nach<br />

dem Holocaust nicht mehr angemessen visuell repräsentiert werden.<br />

Ein lyrisches, poetisches, vollendetes Kunstwerk im traditionellen<br />

Sinn scheint für ihn und angesichts eines drohenden Dritten Weltkriegs<br />

durch die atomare Aufrüstung nicht mehr möglich zu sein. Die Antwort<br />

auf die Unmöglichkeit eines beständigen Werks sieht er im autodestruk-<br />

tiven Kunstwerk, das sich im Lauf der Zeit selbst zerstört. Aus seiner<br />

Skepsis gegenüber einer individualistischen Kunstproduktion heraus<br />

sieht Metzger die Eigenaktivitäten des Materials als Basis einer zeit-<br />

genössischen Kunstpraxis an.<br />

Das unterschiedliche Verhältnis zum Automobil<br />

Große Zweifel am Fortschritt der technischen Entwicklung entstanden<br />

nach Aussage von Gustav Metzger während einer dreimonatigen Reise<br />

in den Norden Großbritanniens. Besonders das Leben auf den Shet-<br />

land Islands beeindruckten ihn: Auf dieser Insel waren Autos verboten.<br />

Metzger erinnert sich: «Es war eine Ruhe, die ich noch nie erlebt hatte.<br />

Und ich hatte in dieser Zeit ein Tagebuch geführt. (...) In dieser Zeit habe<br />

ich 110 Punkte aufgeschrieben, die für mich wichtig waren, und einer<br />

war, dass die Autos weg mussten. Das war für mich eine <strong>Art</strong> Durchbruch<br />

in eine neue Richtung und zwar ganz extrem: das muss weg. Und ich<br />

habe mich beschäftigt mit der Zerstörung, die durch das Auto entsteht,<br />

die Bedrohung für die Menschen und die Natur.» 13<br />

Die Haltung zum Automobil markiert deutlich die unterschiedlichen<br />

Positionen von Metzger und Tinguely. Während Gustav Metzger<br />

radikal aut<strong>of</strong>eindlich ist und schon in den 60er Jahren künstlerische Ar-<br />

beiten entwickelte, die den Schadst<strong>of</strong>faustoß des Automobils kritisie-<br />

ren, war Tinguely von motorisierten Fahrzeugen fasziniert, obwohl er<br />

selbst 1957 einen schweren Autounfall erlitten hatte. Es hielt ihn nicht<br />

davon ab, Rennautos und Rennfahrer zu bewundern. Das Automobil<br />

verkörperte für ihn in erster Linie schnelle und unbegrenzte Bewegung.<br />

Auch wenn er Formel 1-Rennautos gerade wegen ihrer hoch gezüchteten<br />

Form als Symbol für unsere Konsumgesellschaft begriff, überwog<br />

6 Jean Tinguely, Für Statik, Flugblatt, Düsseldorf, März 1959, in: Pontus Hultén, Jean<br />

Tinguely, Méta, Frankfurt a. M., Berlin, Wien, 1972, S. 88.<br />

7 Jean Tinguely, Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, 1985, S. 67.<br />

8 Ein größeres, besonders ästhetisch reizvolles Element von «Hommage to New York»<br />

mit mehreren Rädern wird in der Skulpturen-Sammlung des MoMA aufbewahrt.<br />

9 Jean Tinguely, in: D. A. Pennebaker, Breaking It Up at the Museum, Film, s/w, 1960, 8 Min.<br />

10 Billy Klüver, The garden party, in: Pontus Hultén, Jean Tinguely. Meta, Frankfurt a.M./<br />

Berlin/Wien 1972, S. 136f<br />

11 Justin H<strong>of</strong>fmann, Destruktionskunst, München 1995, S. 45f.<br />

11<br />

doch die Begeisterung für das Motorrennen. Sie drückte sich nicht zu-<br />

letzt in der Freundschaft mit dem Schweizer Rennfahrer Jo Siffert aus,<br />

die 1964 begann. In seinen Ausstellungs- und Reiseplänen richtet er<br />

sich wenn möglich nach dem Formel 1-Kalender. 14 Jean Tinguely sympathisierte<br />

mit der Idee einer intensiven Lebensweise, die auch den<br />

schnellen Tod nicht scheut. Diese Intensität ist es, die er in seiner Arbeit<br />

«Hommage to New York» ausdrücken wollte: «The intensive life <strong>of</strong> this<br />

machine is the cause <strong>of</strong> the autodestruction. If this machine would live<br />

very long, it would not be a spectacle.» 15 Schon der Titel macht deutlich,<br />

dass er mit einer intensiven Lebensweise die Stadt New York ver-<br />

bindet. Dazu gehört auch ein übermäßiger Konsum und bis dahin nicht<br />

gekannte Müllberge. «New York is a phallic city, he explained, adding<br />

that he could not possibly have conceived <strong>of</strong> a suicidal sculpture any-<br />

where else», berichtet ein Journalist der TIME 16 Diese Begründung lässt<br />

vermuten, dass er einerseits die männliche Zeugungskraft mit New<br />

York assoziiert, andererseits damit die schnelle Vergänglichkeit, die<br />

ein exzessives Leben mit sich bringt. Jedenfalls bezeichnet «phallic city»<br />

einen Ort der Macht, verknüpft mit dem Potenzial zur Zerstörung.<br />

Erstaunlich, dass kaum Stimmen aus dem New Yorker Publikum be-<br />

kannt sind, die sich von Tinguelys Stadt-Homage, bestehend aus<br />

gesam-melten Müll und Schrott, angegriffen fühlten.<br />

Unterschiedliche Methoden der Verbreitung einer Idee<br />

Die Künstler Tinguely und Metzger verbindet eine künstlerische Praxis,<br />

die äquivalent zur Industriegesellschaft geschieht und sich dabei mehr<br />

auf Wissenschaft als auf Handwerk stützt. Um sein Projekt der «Auto-<br />

Destructive <strong>Art</strong>» zu initiieren, veröffentlichte Gustav Metzger verschiedene<br />

Manifeste, die nicht nur über diese Kunstrichtung informierten,<br />

sondern auch eine Bewegung der autodestruktiven Kunst entfachen<br />

sollten. Weiter versuchte der Künstler durch Vorträge an verschiedenen<br />

Instituten für sein Vorhaben zu werben. Die Aktionen, die Metzger in<br />

diesem Zeitraum durchführte, dienten dem gleichen Zweck und waren<br />

gleichsam nur als exemplarische Demonstrationen für das noch zu<br />

realisierende Großprojekt der «Auto-Destructive <strong>Art</strong>» zu verstehen.<br />

Für die Produktion des «Auto-Destructive Monuments», so wie es<br />

Gustav Metzger vorschwebte, fand er in den 1960er Jahren jedoch kein<br />

einziges Mal die nötige finanzielle Unterstützung. Jedoch gelang es<br />

ihm, im Jahr 1966 das «<strong>Destruction</strong> In <strong>Art</strong> Symposium» zu realisieren,<br />

eines der wichtigsten Zusammenkünfte von Künstlern in diesem Jahr-<br />

zehnt. Am ersten Tag dieses Symposiums wurde auch ein Bericht über<br />

«Hommage to New York» vorgetragen. Metzger war sich der Bedeutung<br />

dieses Werks bewusst.<br />

Jean Tinguely präsentierte seine Konzeption von autodes-<br />

truktiver Kunst durch Praxis. «Hommage to New York» war die erste<br />

Manifestation dieser Richtung in Form einer Installation und eines<br />

performativen Akts. Der Begriff der Autodestruktion war mit dieser Ar-<br />

beit in der Kunstwelt etabliert. Die danach folgenden Werke dieser<br />

Richtung, die «Studien für einen Weltuntergang» 1961 im Garten des<br />

Louisiana Museet in Dänemark und 1962 in der Wüste Nevadas<br />

stiessen auf ein breites Medienecho. Im ersten Fall auch weil während<br />

des Ablaufs eine Taube getötet wurde – was die Boulevardpresse<br />

zum Anlass nahm, ihre besonderes Augenmerk auf diesen vermeintlichen<br />

Skandal zu legen. Beide Arbeiten waren in ihrer destruktiven<br />

Gewalt extremer als «Hommage to New York». Auch Explosivst<strong>of</strong>fe<br />

kamen hier zum Einsatz.<br />

Temporäre Kunst im Außenraum<br />

Beide Künstler, Tinguely und Metzger, entwickelten zahlreiche künst-<br />

lerische Projekte, die außerhalb von Museen und Galerien bevorzugt<br />

im öffentlichen Raum stattfinden sollten. «Auto-destructive art is<br />

primarily a form <strong>of</strong> public art for industrial societies», beginnt Gustav<br />

Metzgers erstes Manifest von 1959 mit dem Titel «Auto-Destructive<br />

<strong>Art</strong>». Knapp zwei Jahre später führte er mit der «South Bank Demonstration»<br />

am 23. Juni 1961 die erste Manifestation von Kunst im öffen-<br />

tlichen Raum in Großbritannien durch. Sie bestand aus einer Säuremalaktion<br />

und einer Aktion mit mobil befestigten Glasscheiben an den<br />

South Bank in London. Auch Jean Tinguely produzierte zahlreiche Werke<br />

für den öffentlichen Raum, wie z.B. die monumentale Skulptur bzw.<br />

Maschine «La Vittoria» (1970) auf dem Domplatz in Mailand. Für eine<br />

Reihe weiterer urbaner Plätze errichtete Jean Tinguely kinetische<br />

Arbeiten insbesondere Brunnenanlagen. Schon wenige Monate nach<br />

«Hommage to New York» hatte er als künstlerische Aktion die Parade<br />

«La Procession» veranstaltet. Im Stil eines Festzugs wurden am<br />

19. Mai 1960 Tinguelys fahrbare Maschinenarbeiten durch den Pariser<br />

Stadtraum geleitet. «Hommage to New York» selbst fand im Garten des<br />

Museum <strong>of</strong> Modern <strong>Art</strong> in New York vor geladenen Gästen statt - von<br />

daher ist es kein Public <strong>Art</strong> Project -, jedoch wurde die Arbeit für den<br />

Außenraum und für ein großes Publikum konzipiert. Ursprünglich wollte<br />

Tinguely diese Arbeit sogar in einer großen Versammlungshalle oder<br />

auf einem Parkplatz im Zentrum von New York, also im öffentlichen<br />

Raum, errichten. 17<br />

Apokalyptisches Denken<br />

Apokalyptische Visionen entstehen in Krisenzeiten, in der Erfahrung<br />

politischer und sozialer Repression oder in der Erkenntnis von der<br />

Sinnlosigkeit des Lebens und der Geschichte. Dabei bildet sich die<br />

eschatologische Vorstellung einer Unheilsgeschichte heraus. Voraus-<br />

setzung hierfür ist ein Geschichtsmodell, das von der Möglichkeit eines<br />

Weltendes und eines totalen Wandels ausgeht. Gustav Metzgers Be-<br />

fürchtungen einer globalen Katastrophe stützen sich vor allem auf drei<br />

Beobachtungen: 1. die politische Entwicklung eines Gesellschaftssystems,<br />

das Genozide wie den Holocaust hervorbringen kann, 2. die<br />

globale Bedrohung durch die atomare Aufrüstung und den Kalten Krieg,<br />

und 3. eine Technologieentwicklung, die eine Verseuchung unserer<br />

Umwelt verursacht. Punkt 2 trifft auch auf die autodestruktiven Werke<br />

von Jean Tinguely zu. Er produzierte mehrere Arbeiten, die sich in<br />

imposanten Aktionen selbst zerstörten: die erste war der Metropole<br />

New York gewidmet, die beiden folgenden der ganzen Welt. Die beiden<br />

Hauptvertreter der autodestruktiven Kunst jedenfalls sahen in den<br />

frühen 1960er Jahren die Gefahr eines frühzeitigen Weltendes. Die<br />

Destruktion ist die erste Bestimmung der Apokalypse. Der apokalyptische<br />

Künstler übernimmt dabei die Rolle eines Propheten des Unheils.<br />

Er ist Täter (Zerstörer) und Opfer (der Katastrophe) zugleich. Auto-<br />

destruktive Kunst ist eine endzeitliche Kunst.<br />

von Justin H<strong>of</strong>fmann,<br />

ursprünglich erschienen im Katalog zur Ausstellung<br />

«Under <strong>Destruction</strong>» im Museum Tinguely in Basel 2010<br />

12 Theodor W. Adorno, Kulturkritik und Gesellschaft, <strong>Nr</strong>. 1 (1949), in: ders.,<br />

«Ob nach Auschwitz noch sich leben lasse», S. 204/5.<br />

13 Gustav Metzger, Gespräch mit dem Autor, 3.4. und 4.4.1989, Darmstadt.<br />

14 Denise Chervet, Jo Siffert & Jean Tinguely. Zwei Weltstars aus der Schweizer Provinz,<br />

TV-Film, SF1, 12.3.2007.<br />

15 Jean Tinguely, in: D. A. Pennebaker, Breaking It Up at the Museum, Film, s/w, 1960, 8 Min.<br />

16 TIME, <strong>Art</strong>: Hommage to New York, 28. März, 1960, http://www.time.com/time/magazine/<br />

article/0,9171,826163,00.html<br />

17 Justin H<strong>of</strong>fmann, Destruktionskunst, S. 56.


Erasure in <strong>Art</strong>: From<br />

<strong>Destruction</strong> to Palimpsest<br />

In 1953 Robert Rauschenberg produced a work entitled «Erased de<br />

Kooning Drawing». The work was made using erasers to literally rub out<br />

a drawing that Rauschenberg had persuaded Willem de Kooning to<br />

give him, specifically for the purpose <strong>of</strong> erasing it. The work apparently<br />

took a month and about forty erasers to erase/make. Calvin Tomkins<br />

reacts to the destructive element in the work: «What else, in God’s name,<br />

could you think about his wanting to erase a de Kooning drawing?<br />

The implications were so blatantly Freudian, the act itself so obviously<br />

symbolic (if good natured) patricide.»<br />

Rauschenberg recognised this element <strong>of</strong> eradication when he<br />

later talked <strong>of</strong> trying «to purge myself <strong>of</strong> my teaching». The word «purge»<br />

here indicating a cleaning and purifying process, rather than a violent<br />

destruction. Rauschenberg stresses that the main aim <strong>of</strong> this work was<br />

to find out «whether a drawing could be made out <strong>of</strong> erasing» and the<br />

painter Jasper Johns referred to the Erased de Kooning as «additive sub-<br />

traction». Is it conceivable therefore that any form <strong>of</strong> erasure, however<br />

apparently destructive, can be seen as constructive in some way?<br />

John Latham was one <strong>of</strong> several artists who participated in the<br />

two international gatherings called <strong>Destruction</strong> in <strong>Art</strong> Symposium<br />

(DIAS), held in London in 1966 and New York in 1968. Latham burnt<br />

stacks <strong>of</strong> books that he called «Skoob Towers» (the word Skoob<br />

coming from the reversal <strong>of</strong> the letters in the word books). Contradictions<br />

arise in the surrounding literature: John A. Walker states that<br />

Latham was «critical <strong>of</strong> language as a medium <strong>of</strong> communication and <strong>of</strong><br />

books as reservoirs <strong>of</strong> received knowledge», although Latham himself<br />

states that «It was not in any degree a gesture <strong>of</strong> contempt for books or<br />

literature. What it did intend was to put the proposition into mind that<br />

perhaps the cultural base had been burnt out»<br />

However something emerges from the destruction. Brooks and<br />

Stezaker point out the Nietzschian element <strong>of</strong> Latham’s book burnings:<br />

«An acceleration <strong>of</strong> the innate self-destructive tendencies <strong>of</strong> culture, so<br />

that (quite literally) a new culture might emerge, phoenix-like, from the<br />

ashes <strong>of</strong> the old.» This idea, which can be traced to the nineteenth cen-<br />

tury anarchist Mikhail Bakunin, would suggest that any erasure <strong>of</strong> text,<br />

however violently destructive, carried within it the preparation for<br />

renewal.<br />

In the 1960ies, Ad Reinhardt reduced his paintings to a flat<br />

black canvas, which he described as «the last painting which anyone<br />

can make». The artist Joseph Kosuth wrote <strong>of</strong> Ad Reinhardt’s work:<br />

«Painting itself had to be erased, eclipsed, painted out in order to make<br />

art.» There is, in this, a certain completion, an arrival at some quintessential<br />

essence <strong>of</strong> modernism. However, Reinhardt himself stressed<br />

the negation <strong>of</strong> this act: «The painting, which is a negative thing, is the<br />

statement, and the words I’ve used about it have all been negative<br />

statements to keep the painting free.»<br />

«Reinhardt resisted laying values on the work because the<br />

negation had to be absolute. The black paintings <strong>of</strong>fered a clean slate<br />

for painting and prepared the ground for a new departure. However,<br />

inescapably, the black painting’s lack <strong>of</strong> style becomes a style in itself.<br />

The negation takes its form from an erasure <strong>of</strong> a particular set <strong>of</strong><br />

positive values. In this way acts <strong>of</strong> erasure can be seen as part <strong>of</strong> the<br />

circular/linear development <strong>of</strong> a form, with any consequent new de-<br />

parture taking its form from a rejection <strong>of</strong> the erased subject. The ruling<br />

subject is overturned, but lives on through its inversion.<br />

Writing ‘sous rature’ (under erasure) is a technique that Jacques<br />

Derrida employed in his philosophical writings. By crossing out or<br />

striking through words, but still printing the words in their crossed-out<br />

state, Derrida implied that something was «inaccurate yet necessary to<br />

say». Spivak makes the most comprehensive study <strong>of</strong> erasure in her<br />

«Der destruktive Charakter ist jung und heiter. Denn Zerstören<br />

verjüngt, …» Walter Benjamin, «Der destruktive Charakter»<br />

Prometheus, der Schöpfer der Menschen und Tiere, hat auch das Feuer<br />

gebracht, und damit die Zerstörung. Seine Gestalt erinnert an die<br />

ursprüngliche Dialektik von Produktion und Destruktion, die sich in der<br />

Moderne vollends entfaltet, politisch und ästhetisch.<br />

Als Figur einer explizit modern begriffenen Ästhetik wie ästhe-<br />

tisch begriffenen Moderne gehören die Destruktion und das Destruktive<br />

zu den Prozesskategorien des Werdens, sind positiv und progressiv –<br />

im wörtlichen Sinne des Lateinischen «destruere» als «Abstapeln», oder<br />

besser noch: «Abschichten». Und erst mit der destruktiven Tendenz<br />

der Moderne selbst verschiebt sich die Bedeutung des Destruktiven<br />

ästhetisch (ebenso wie politisch) ins Negative, Negatorische und Ne-<br />

gierende, kurzum: wird die Destruktion zum Synonym mit Zerstörung<br />

und schließlich Vernichtung.<br />

Gleichwohl konfrontiert eine Ästhetik der Destruktion und de-<br />

struktive Ästhetik allerdings die reale Gewalt von Vernichtung, die die<br />

Moderne selbst zeitigt, und gerät damit zum dialektischen Prinzip einer<br />

Negation der Negation: die Strategien der Zerstörung, die in der Kunst<br />

ihren Ausdruck finden, gehören mithin zu den ästhetischen Aufhebungs-<br />

Bewegungen, ja Aufhebungs-Methoden (wobei auch hier buchstäb-<br />

lich übersetzt werden darf, wie Walter Benjamin vorschlägt: «Methode<br />

ist Umweg»).<br />

Und gerade in der Musik, vor allem dann im weiten Feld des<br />

Pop, sind solche Methoden einer Ästhetik der Destruktion und dest-<br />

ruktive Ästhetik virulent. Hier zeigt sich im Übrigen dann auch, hörbar<br />

seit den ersten Rückkopplungspfeifen und Verzerrungsschleifen, die<br />

Kongruenz der Destruktion zur Konstruktion. (Und die poststrukturalistische<br />

Literaturtheorie hat daraus ihr methodisches Programm der<br />

Dekonstruktion formuliert – eben zu der Zeit, wo Jimi Hendrix live at<br />

Berkeley seine Gitarre anzündete, wo er in Woodstock das Star-<br />

Spangled Banner im simulierten Maschinengewitter zertrümmerte, wo<br />

Keith Emerson zu Leonard Bernsteins «America» aus der «West Side<br />

Story» seine Hammond-Orgel mit Messer und Säbel malträtierte und<br />

die Hallspirale knallen ließ, und eben zu der Zeit von My Lai und<br />

Martin Luther King, Militärdiktatur und Kulturrevolution; die Zeit vom<br />

Mai Achtundsechzig.<br />

Abgesehen davon, dass ohnehin seit jeher Musik auch von der<br />

dynamisch-dionysischen Erhabenheit der Klanggewalt lebt (im Rausch<br />

des Glockenschlags oder im bacchantischen Tänzen), ist diese Ästhetik<br />

der Destruktion und destruktive Ästhetik in der Musik schon in den An-<br />

fängen ihrer neuzeitlichen Formensprache angelegt: Jede Oper imp-<br />

liziert Destruktives, arbeitet sich am Tod ab.<br />

Mit der Herausbildung der philosophischen Ästhetik<br />

(Baumgarten, Burke, Shaftesbury, schließlich Kant und Schiller, zweite<br />

Hälfte 18. Jhd.) bekommt die Destruktion ihre begriffliche Form. Mit<br />

dem Kunstwerk wird die Produktionsästhetik – die Ästhetik der Pro-<br />

duktion ebenso wie die Ästhetik des Produktiven – zugleich auch zur<br />

introduction to Derrida’s Of Grammatology. She says «..the authority <strong>of</strong><br />

the text is provisional…we must learn to use and erase our language at<br />

the same time.» Derrida says «At each step I was obliged to proceed<br />

by ellipses, corrections and corrections <strong>of</strong> corrections, letting go <strong>of</strong> each<br />

concept at the very moment that I needed to use it». In this philosophical<br />

context erasure becomes a term and a strategy associated with the<br />

wider project <strong>of</strong> Deconstruction. Often words are not actually printed<br />

with erasing lines, but are still described as being «under erasure» with<br />

the same implication that the term is «inaccurate and yet necessary<br />

to say».<br />

A similar use <strong>of</strong> crossed-out words can be seen in Joseph<br />

Kosuth’s artworks «Zero and Not», 1986, and «Zero and Not», 1989.<br />

In these large installations the walls are lined with wallpaper carry-<br />

ing text from Freud’s writings struck through with strong black lines.<br />

So does Kosuth’s erasure constitute a negative critique <strong>of</strong> Freud’s<br />

theories? Conversely Nancy Princenthal’s reading suggests a certain<br />

grudging affirmation <strong>of</strong> Freud’s theories: «The installation is an ironic<br />

confirmation <strong>of</strong> a fundamental psychoanalytic dictum, or at least a<br />

mocking concession to it: you can repress Freudian theory but that<br />

wont make it go away... Kosuth demonstrates that the harder one tries<br />

to obliterate Freud’s claims, the more forcefully, if deviously, they try<br />

to assert themselves.»<br />

Other ambiguous erasures in art can be found. In the silk-<br />

screen print «Untitled (Skull)» from the portfolio «Reality and Paradoxes»,<br />

1973, Jasper Johns crosses out his own signature. Fred Orton<br />

writes: «He seems to be writing that it’s necessary but inaccurate to<br />

say that this was made by Jasper Johns. He seems to be guaranteeing<br />

the text by signing it and then drawing attention to the problematic<br />

nature <strong>of</strong> authorship and ownership by crossing out the signing, clearly<br />

opening to doubt its power to confer authenticity, but not denying it.»<br />

In an interview Johns discusses his reasons for crossing out part <strong>of</strong> a<br />

different painting «Bent ‘Blue’ (Second State)», 1971. Johns says: «In a<br />

sense it is to say it is <strong>of</strong> no importance, because in Bent ‘Blue’, that area<br />

is constantly changing, so it’s not too important what’s there. But ob-<br />

viously it’s <strong>of</strong> great importance what’s there because that is what’s there.<br />

But it could be anything else - that or the next image.»<br />

This is not the way in which erasure is usually understood. As<br />

Robert C. Morgan says <strong>of</strong> Kosuth’s work: «The covering <strong>of</strong> language<br />

carries with it the suggestion that what is present beneath is significant<br />

in view <strong>of</strong> its absence.» Surely John’s crossing out <strong>of</strong> part <strong>of</strong> his picture<br />

draws our attention to it, creating an area <strong>of</strong> heightened significance?<br />

However Fred Orton reinforces John’s assertion: «As an ‘undecidable’<br />

that crossed out bit <strong>of</strong> the surface is neither insignificant nor significant,<br />

neither less important nor more important, neither inadequate nor<br />

adequate, neither wrong nor right, neither unwanted nor wanted.» This<br />

is erasure as a gesture <strong>of</strong> some uncertainty.<br />

The word palimpsest is defined by the Concise Oxford Dict-<br />

ionary, 1976 as: «writing material or manuscript on which the original<br />

writing has been effaced to make room for a second writing». It should<br />

be noted that there are three stages to this process - the initial writing,<br />

the erasure, and then the rewriting. However, in general usage the term<br />

is most <strong>of</strong>ten applied metaphorically in cases where the new writing is<br />

directly over the top <strong>of</strong> the old text. The new writing creates the erasure<br />

<strong>of</strong> the old. This can be seen in Roland Barthes’s usage <strong>of</strong> the word,<br />

writing here in relation to the paintings <strong>of</strong> Cy Twombly: «The hand has<br />

drawn something like a flower and then has begun “dawdling” over<br />

this line; the flower has been written, then unwritten; but the two mo-<br />

vements remain vaguely superimposed; it is a perverse palimpsest..»<br />

Barthes describes Twombly as a «painter <strong>of</strong> writing» and discusses the<br />

12<br />

application <strong>of</strong> marks onto a dirtied surface in terms <strong>of</strong> graffiti: «...what<br />

constitutes graffiti is in fact neither the inscription nor its message<br />

but the wall, the background, the surface (the desktop); it is because<br />

the background exists fully as an object that has already lived, that such<br />

writing always comes as an enigmatic surplus... that is what disturbs<br />

the order <strong>of</strong> things; or again: it is ins<strong>of</strong>ar as the background is not clean<br />

that it is unsuitable to thought (contrary to the philosopher’s blank<br />

sheet <strong>of</strong> paper)...»<br />

If we interpret erasure as graffiti in these terms, the erasure<br />

could be seen as an attempt to re-clean the background, to move it<br />

towards the blank sheet which is more «suitable for thought». (However,<br />

as already discussed, the thought that it prepares the way for is inevit-<br />

ably polluted by the traces <strong>of</strong> the background that is never successfully<br />

cleaned – if the erasure moves the background, the text, into a state<br />

which is more suitable to thought, this is only thought in relation to<br />

itself). But the erasure itself could also be considered as the rewriting.<br />

The marks <strong>of</strong> erasure are the ‘enigmatic surplus’ to the original text.<br />

In Neville Wakefield’s writing about Ann Hamilton’s «Tropos», 1993, a<br />

performance involving the methodical burning out <strong>of</strong> lines <strong>of</strong> text<br />

from a book, the erasure itself creates a palimpsest: «...as each line is<br />

read it is singed out <strong>of</strong> existence with a small heated implement,<br />

language and text disappearing in a thin arabesque <strong>of</strong> smoke - the de-<br />

licate imprint <strong>of</strong> the erased text, a palimpsest <strong>of</strong> language and the<br />

body.» The palimpsest introduces the idea <strong>of</strong> erasure as part <strong>of</strong> a lay-<br />

ering process. There can be a fluid relationship between these layers.<br />

Texts and erasures are superimposed to bring about other texts or era-<br />

sures. A new erasure creates text; a new text creates erasure.<br />

Barthes’ use <strong>of</strong> the words «perverse palimpsest», quoted<br />

above, highlights the will involved. This is not an accidental covering <strong>of</strong><br />

one line with another, but a conscious ‘un-writing’, or rewriting. This<br />

theme is picked up again by Barthes in a separate essay in relation to<br />

Cy Twombly: «Twombly seems to cover up other marks, as if he wanted<br />

to erase them, without really wanting to, since these marks remain<br />

faintly visible under the layer covering them; this is a subtle dialectic:<br />

the artist pretends to have ‘spoiled’ some piece <strong>of</strong> his canvas and to<br />

have wanted to erase it; but then he spoils this erasure in its turn; and<br />

these two superimposed ‘failures’ produce a kind <strong>of</strong> palimpsest.» This<br />

notion <strong>of</strong> «pretence» is picked up by John P. Leavey in his introduction to<br />

Derrida’s «The Archeology <strong>of</strong> the Frivolous», 1980. He uses the word<br />

«smearing» to encompass both the smearing <strong>of</strong> marks in Twombly’s<br />

painting, and Derrida’s writing «sous rature»: «Like Twombly, Derrida<br />

‘does not grasp at anything.’ His smearing traps without grasping, traps<br />

without catching, in his hollowness, the emptiness <strong>of</strong> its snare. The<br />

stroke <strong>of</strong> ‘pretence’ in writing confirms this. Smearing introduces the<br />

pretended erasure: ‘he wanted... without really wanting,’ ‘the artist pre-<br />

tends,’ ‘in virtue <strong>of</strong> a fancy.’ But smearing also introduces the double pre-<br />

tence: ‘as if he wanted... without really wanting,’ ‘as if... in virtue <strong>of</strong> a<br />

fancy.’» The showing <strong>of</strong> erasure in art creates a play <strong>of</strong> truth and fiction.<br />

by Richard Galpin<br />

This Essay is an edited version <strong>of</strong> a 1998 text by artist Richard<br />

Galpin. His work continues to be informed by processes <strong>of</strong><br />

erasure, more recently through his work with partially erased<br />

photographs <strong>of</strong> urban form. www.richardgalpin.co.uk<br />

«Abschichten» <strong>—</strong> Über<br />

die Ästhetik der Destruktion<br />

Destruktionsästhetik, nämlich – analog – zur Ästhetik der Destruktion<br />

wie auch Ästhetik des Destruktiven. Zur Gestalt der Kunst bleiben die<br />

Beispiele zunächst noch weitgehend arbiträr und peripher: Beethovens<br />

3. Sinfonie, die später so genannte «Eroica», sollte zunächst «Sinfonia<br />

grande, intitolata Bonaparte» heißen, als er noch plante, sie Napoleon<br />

zuzueignen; als Napoleon (ein schlechterdings destruktiver Charakter)<br />

sich selbst 1804 zum Kaiser krönte, zerriss Beethoven die Widmung …<br />

Die Romantik (für die gerade mit dem Fragmentarischen,<br />

Fragmenthaften das Destruktive zum Motiv wird) differenziert die künstlerischen<br />

Möglichkeiten destruktiver Verfahren aus – nach ästhetischen<br />

Mitteln und ästhetischen Zwecken; anders gesagt: mehr und mehr verschieben<br />

sich Ästhetik der Destruktion und destruktive Ästhetik zum<br />

Effekt, und das ist, nach Wagners Definition: Wirkung ohne Ursache.<br />

Auch derart geht Destruktives in die Kunstproduktion ein; bei Wagner<br />

selbst sind es etwa die 18 Ambosse im «Ring», andererseits bei Offenbach<br />

in «Orpheus in der Unterwelt» der in Gestalt einer Fliege durchs<br />

Schlüsselloch summende Jupiter.<br />

Solche effektive Ästhetik der Destruktion oder destruktive<br />

Effekt-Ästhetik setzt sich fort, nicht zuletzt im Schatten imperialer<br />

Gewalt, die im Terror der Zerstörung, im modernen Vernichtungskrieg<br />

kulminiert: in der, mit der und als Avantgarde. Wegweisend, wenn<br />

auch in entgegen gesetzte Richtungen, sind der italienische Futurismus<br />

(Russolo, «L’arte dei rumori», 1913) und der russische Futurismus<br />

(«Pobeda nad solncem» - «Sieg über die Sonne», ebenfalls 1913, die<br />

Musik komponierte Michail Matjuschin). Mit Geräusch und Viertelton-<br />

Skalen konzentriert sich die Ästhetik der Destruktion wie auch destruktive<br />

Ästhetik hierbei musikalisch auf die Freisetzung des Klangs;<br />

aber auch Polyrhythmik und freie Atonalität kommen hinzu, schließlich<br />

Montage, Collage und eine Methode, die durchaus als Abschichtung<br />

bezeichnet werden könnte.<br />

Diedrich Diederichsen verweist hierbei auf Charles Ives’ vierte<br />

Symphonie (komponiert zwischen 1910 und 1916): sie könne gehört<br />

werden als «die – wahrscheinlich nicht ganz freiwillige – Erfindung der<br />

Pop-Musik durch den Meister aus New England. Versteht man Pop-<br />

Musik nämlich vor allem als einen Umgang mit Musik, der sich weniger<br />

um die immanente Organisation von Klängen und Tönen kümmert,<br />

sondern auf fertige, in sich geschlossene Klangobjekte rekurriert, die<br />

unabhängig von ihrer musikalischen Logik durch eine ihres (öffentlichen)<br />

Gebrauchs, ihres 'Bildes', ihrer Funktion geprägt sind, dann war<br />

diese Symphonie, insbesondere ihr zweiter Satz, der erste Schritt in<br />

diese Richtung.» (Diedrich Diederichsen, «Musikzimmer. Avantgarde<br />

und Alltag», Köln 2005, S. 209 f.) Märsche, Hymnen, Jahrmarktrummel,<br />

Straßenlärm sind zu hören, montiert, aber nicht im Sinne der Geräuschcollage,<br />

sondern als mehrschichtige Komposition, eben, eventuell<br />

ähnlich zu Eisensteins Kino: als Montage-Komposition, Montage-Konzert,<br />

Montage-Sinfonie. – «Fertig, aber beweglich», wie Diederichsen<br />

meint. «Auch Wetter, ein anderes Lieblingsthema, wollte er, anders als<br />

der musikalische Impressionist, nicht unbedingt als ein von einem<br />

bestimmten Ort aus agierendes Naturereignis, in das sich das Subjekt<br />

zu versenken hätte, sondern als permanente Überschreitung der musi-<br />

kalischen Kompetenzen durch die Musik begreifen: Es kommt von allen<br />

Seiten, agiert und überrascht den Hörer. Den Rezipienten wird keine<br />

Kontemplation gegönnt. Für Ives ist die Welt um ihn herum schon so mit<br />

Klängen, sei es kulturellen, sei es meteorologischen aufgeladen, dass<br />

eine Musik, die von einer Bühne oder einem zentralen Lautsprecher<br />

herkommt, nicht mehr interessant ist. Die Quellen sind so über die Welt<br />

verstreut und beweglich wie später Transistorradio und Walkman.»<br />

(Ebd., S. 210 f.)<br />

Destruktion ist dabei als Abtragen, eben also ein ästhetisches<br />

Abschichten von bereits vorhandenen Klängen verstehbar; eine Met-<br />

hode, die sich dann im Pop, mit den fünfziger Jahren des letzten Jahr-<br />

hunderts vollends durchsetzen wird: James Brown sind «Please Please<br />

Please» und Little Richard «Tutti Frutti», nein, sie jaulen und toben, –<br />

und aktualisieren damit: den Schrei (nicht nur als popmusikalische<br />

Wiederholung des berühmten Bildes von Munch, sondern auch als<br />

Wiederaufnahme des Paragone, den zuletzt Lessing am Schrei des<br />

Laokoon diskutierte).<br />

Chuck Berrys «Roll over Beethoven» stand damals im pro-<br />

duktiven Kontrast zur totalen Abschichtung, nämlich zur destruktiven<br />

als destruierenden Ästhetik, die John Cage 1952 mit seinem aus drei<br />

Sätzen tacet bestehendes «4’33“» in Woodstock realisierte. Das steht<br />

unter dem Vorzeichen der Freiheit (und wenn auch nur der ästhetischen<br />

Freiheit, so doch darin die gesellschaftliche symbolisierend, wenn nicht<br />

antizipierend), und setzt sich in dieser Idee in der radikalen Musik der<br />

Sechziger fort, bei MC5, The Stooges, Nico & Velvet Underground,<br />

The Doors, The Who, aber auch und vor allem Albert Ayler, Sun Ra, oder<br />

Chico Buarque, Caetano Veloso und Os Mutantes.<br />

Und dann kam Punk. Die Ästhetik der Destruktion schlechthin,<br />

Abschichtung in jeder Hinsicht der künstlerischen Produktion – die<br />

destruktive Methode als Lebensstil (was Punk mit Disco für einige Zeit<br />

gemeinsam hatte). The Clash kolportieren mit dem Cover des Albums<br />

«London Calling» von 1979 – Paul Simonon zerschlägt seine E-Bass-<br />

gitarre – Elvis Presleys erstes Studioalbum von 1956. Dann kamen<br />

Crass, Dead Kennedys, Sonic Youth, aber auch Glenn Branca und Laurie<br />

Anderson. Und Industrial. Hier wiederholt sich allerdings, was auch<br />

schon am Futurismus, zumal am italienischen problematisch war: dass<br />

die Ästhetik der Destruktion in einer Ästhetisierung der Zerstörung<br />

überformt wird – und damit schlussendlich die Ästhetik selbst, als<br />

Methode subversiver Zerstörungskraft, der Vernichtung überlassen wurde.<br />

Methode ist Umweg. Es gibt diesen Umweg auch in der<br />

Ästhetik der Destruktion oder destruktiven Ästhetik: Techno rehabilitierte<br />

diese ästhetische Strategie der Abschichtung als Minimalisierung<br />

und Verdichtung, setzte aber auch eine Abnutzung fort, nach der nur<br />

noch eine dünne Haut den ästhetischen Schein von der destruktiven<br />

Wirklichkeit trennt. Die Methode ist nur als Vernichtung fortzusetzen.<br />

von Roger Behrens<br />

D


Budas Wall-Street-Bombe – vielleicht inspiriert durch den berüchtigten<br />

Pferdekarren, dem Napoleon 1800 beinahe in der Pariser Rue Saint<br />

Nicaise zum Opfer gefallen wäre – war der Kulminationspunkt eines<br />

halben Jahrhunderts anarchistischer Fantasien, Könige und Plutokra-<br />

ten in die Luft zu jagen. Aber sie war wie Charles Babbages mechani-<br />

sche Rechenmaschine auch eine Erfindung, die der zeitgenössischen<br />

Vorstellungskraft weit voraus war. Das wahrhaft radikale Potenzial die-<br />

ser «Höllenmaschine» sollte erst vollkommen deutlich werden, nachdem<br />

die Barbarei strategischer Bombardierungen alltäglich geworden war<br />

und Luftstreitkräfte Aufständische routinemäßig bis in die Labyrinthe<br />

armer Städte verfolgten. Budas Wagen war im Grunde der Prototyp<br />

der Autobombe: der erste neuzeitliche Einsatz eines unauffälligen und<br />

in fast jeder städtischen Umgebung anonymen Fahrzeugs, mit dem<br />

sich große Mengen brisanten Sprengst<strong>of</strong>fs präzise in die Nähe eines<br />

bedeutenden Ziels transportieren lassen.<br />

Ungeachtet einiger behelfsmäßigen Konstruktionen in den<br />

1920er und 1930er Jahren (von denen die meisten versagten) wurde<br />

die Autobombe erst am 12. Januar 1947 zu einer expliziten Waffe städ-<br />

tischer Kriegführung. An diesem Tag steuerten rechtszionistische Gue-<br />

rillas der »Stern Gang« eine Wagenladung Sprengst<strong>of</strong>f in eine britische<br />

Polizeistation im palästinensischen Haifa. Vier Menschen wurden ge-<br />

tötet und 140 verletzt. Die »Stern Gang« sollte bald darauf im Bündnis<br />

mit Paramilitärs der Irgun, von der sie sich 1940 abgespalten hatten,<br />

auch Lastwagen- und Autobomben nutzen, um Palästinenser umzu-<br />

bringen. Eine kreative Grausamkeit, die umgehend von auf arabischer<br />

Seite kämpfenden britischen Deserteuren erwidert wurde. (50 Jahre<br />

später sollten Dschihadisten in afghanischen al-Quaida-Camps<br />

Menachem Begins Bericht über die Irgun, «The Revolt», wie ein klas-<br />

sisches Handbuch für erfolgreichen Terrorismus lesen.)<br />

Danach wurden Fahrzeugbomben zwar nur vereinzelt<br />

eingesetzt, verursachten aber erhebliche Massaker: 1952 in Saigon,<br />

1962 in Oran und Algier, 1963 in Palermo und 1964-66 erneut in<br />

Saigon. Erst im August 1970 jedoch wurden die Pforten zur Hölle<br />

gänzlich geöffnet, als vier Studenten aus Protest gegen die im Rahmen<br />

des Vietnamkriegs stattfindende Zusammenarbeit zwischen Campus<br />

und Militärs die erste Ammoniumnitrat-Diesel-Autobombe (ANFO) vor<br />

dem Army Mathematics Research Center der Universität von Wisconsin<br />

zündeten. Zwei Jahre später, nach dem »Bloody Friday« des 21. Juli<br />

1972, verwüstete die IRA das Geschäftsviertel von Belfast mit einer<br />

ganzen Serie solcher Sprengsätze. Die Bomben der neuen Generation,<br />

für die nur gewöhnliche industriell erzeugte Bestandteile und Kunst-<br />

dünger benötigt werden, waren billig in der Herstellung und erstaunlich<br />

wirkungsvoll. Sie hoben den städtischen Terrorismus von der hand-<br />

werklichen auf die industrielle Entwicklungsstufe und ermöglichten an-<br />

dauernd blitzartige Angriffe auf ganze Stadtzentren, durch die selbst<br />

Wolkenkratzer aus Stahlbeton und Wohnblöcke völlig zerstört werden<br />

können.<br />

Mit anderen Worten: Die Autobombe wurde plötzlich zu einer<br />

semi-strategischen Waffe, deren Wirkung unter gewissen Umständen<br />

mit der von Luftangriffen zur Ausschaltung entscheidender städtischer<br />

Knotenpunkte und Hauptquartiere vergleichbar ist und mit der die<br />

Bevölkerung ganzer Städte terrorisiert werden kann. Tatsächlich konnten<br />

sich die Selbstmordanschläge mit Lastwagenbomben, die 1983 die US-<br />

Botschaft und die Kaserne der US-Marines in Beirut zerstörten, gegen<br />

die gebündelte Feuerkraft der Kampfflieger und Schlachtschiffe der 6.<br />

US-Flotte durchsetzen. Die Reagan-Regierung sah sich zu einem demü-<br />

tigenden Rückzug aus dem Libanon gezwungen. Andere Anschläge<br />

mit Selbstmord-Autobomben spielten eine entscheidende Rolle bei der<br />

Vertreibung der vermeintlich allmächtigen israelischen Armee aus dem<br />

mehrheitlich schiitischen Südlibanon.<br />

Hisbollahs so skrupelloser wie brillanter Autobombeneinsatz<br />

gegen die hochentwickelte Militärtechnologie der Vereinigten Staaten<br />

und Israels während der 1980er im Libanon ermutigte ein Dutzend<br />

andere Gruppen, ihre Rebellionen und »Heiligen Kriege« zurück in die<br />

Metropolen zu tragen. Viele Autobomber dieser neuen Generation<br />

waren Absolventen der Sabotage- und Sprengst<strong>of</strong>fkurse, die Mitte der<br />

1980er Jahre von der CIA und dem pakistanischen Geheimdienst<br />

Inter-Services Intelligence (ISI) organisiert und von den Saudis finan-<br />

ziert worden waren, um Mudschaheddin für Terroraktionen gegen<br />

die damalige russische Besatzung Kabuls auszubilden.<br />

Wieder andere eigneten sich ihre Fähigkeiten in von verschie-<br />

denen Regierungen (insbesondere der indischen und iranischen)<br />

unterstützten Trainingslagern an oder besorgten sich einfach nach den<br />

weit verbreiteten Anleitungen die explosiven Zutaten in den Vereinig-<br />

ten Staaten.<br />

Das Ergebnis war die unumkehrbare Globalisierung des Auto-<br />

bomben-Know-hows. Wie ein hartnäckiger Virus neigen auch Auto-<br />

bomben dazu, sich unendlich zu vermehren – sobald sie in die DNA<br />

einer Wirtsgesellschaft und ihre Widersprüche eingedrungen sind.<br />

Zwischen 1992 und 1999 wurden durch 25 größere Anschläge mit<br />

Fahrzeugbomben in 22 verschiedenen Städten 1.337 Menschen getötet<br />

und fast 12.000 verwundet.<br />

Aus geopolitischer Sicht war es noch wichtiger, dass die IRA<br />

und die Brooklyner Zelle der ägyptischen Islamistengruppe al-Gama’a<br />

al-Islamiyya 1992, 1993 und 1996 in der City von London, beziehungs-<br />

weise 1993 in Manhattan, milliardenschwere Schäden an zwei<br />

führenden Kontrollzentren der Weltwirtschaft verursachten – und eine<br />

Neuorganisation der weltweiten Versicherungswirtschaft erzwangen.<br />

Im neuen Jahrtausend, 90 Jahre nach dem ersten Massaker in<br />

der Wall Street, sind Autobomben fast so weltumspannend vertreten<br />

wie iPods und HIV/AIDS. Sie hinterlassen Krater in den Straßen von<br />

Bogotá bis Mumbai und vertreiben Touristen von einigen der bekan-<br />

ntesten Inseln und Erholungsorte. Autobomber sind oder waren vor<br />

kurzem noch in mindestens 23 Ländern aktiv und weitere 35 Staaten<br />

wurden in den letzten 25 Jahren von zumindest einem tödlichen Auto-<br />

bombenanschlag getr<strong>of</strong>fen. Von der schieren Anzahl aller jemals ein-<br />

gesetzten Autobomben her liegt Westeuropa wahrscheinlich Kopf an<br />

Kopf mit dem Nahen Osten. Mit einem gewissen Abstand folgen Süd-<br />

asien, Südamerika, Nordafrika, das subsaharische Afrika und Nord-<br />

amerika. Ostasien war bisher als einzige Gegend immun gegen<br />

explodierende Toyotas und mit Sprengfallen versehene Datsuns. Von<br />

Selbstmördern gesteuerte Lastwagenbomben, die früher einmal die<br />

exklusive Handschrift der Hisbollah trugen, sind nun konzessioniert für<br />

Sri Lanka, Tschetschenien/Russland, Saudi-Arabien, die Türkei, Ägyp-<br />

ten, Kuwait, Palästina, Indonesien und Afghanistan. Auf dem Diagramm<br />

des städtischen Terrorismus steigt die Kurve für Autobomben jäh,<br />

beinahe exponentiell, an.<br />

Der von US-Truppen besetzte Irak ist natürlich zum globalem<br />

Epizentrum geworden: ein grausames Inferno, in dem Autobomben nur<br />

in den beiden Jahren zwischen Juli 2003 und Juni 2005 mehr als 9.000<br />

meist zivile Opfer forderten. Seither haben die Anschläge mit Autobom-<br />

ben drastisch zugenommen: Im Herbst 2005 waren es 140 je Monat<br />

und in Bagdad allein 13 am Neujahrstag 2006. Während sich Minen am<br />

Straßenrand nach wie vor als wirksamstes Mittel gegen gepanzerte<br />

amerikanische Fahrzeuge erweisen, sind Autobomben die Waffe der<br />

Wahl, wenn es darum geht, schiitische Zivilisten vor Moscheen oder auf<br />

Märkten umzubringen und einen endlosen Kreislauf konfessioneller<br />

Gewalt in Gang zu setzen. Selbst wenn die Autobomben-<strong>Fabrik</strong>en in<br />

Bagdad und Falludscha ihre Produktionsrekorde ohne jeden Zweifel<br />

in der nächsten Zeit halten werden, so nimmt seit Januar 2006 die Zahl<br />

der Autobomben in Afghanistan am schnellsten zu. In einem Land, in<br />

dem die Mudschaheddin solche Selbstmord-Taktiken früher scheuten,<br />

kommt es nun fast täglich zu Angriffen mit Kamikaze-Autobomben<br />

auf NATO-Konvois oder Polizisten, die loyal zur Regierung Präsident<br />

Hamid Karzais stehen.<br />

Belagert von Waffen, die sich nicht vom normalen Verkehr<br />

unterscheiden lassen, ziehen sich die zentralen Regierungs- und<br />

Finanzapparate in «Ringe aus Stahl» und «Grüne Zonen» zurück, die<br />

generelle Herausforderung durch Autobomben bleibt jedoch. Gestoh-<br />

lene Atomwaffen, das Giftgas Sarin und Anthrax mögen die Summe<br />

unserer Ängste verkörpern, so wie bösartige «Kriege im Netz» und<br />

«Swarming» zu abstrakten Symbolen einer postmodernen strategischen<br />

Theorie wurden, aber die brutale Hardware und die täglichen Arbeits-<br />

pferde des städtischen Terrorismus sind die Fahrzeugbomben. Nicht<br />

die apokalyptischeren Bedrohungen durch atomaren oder biologischen<br />

Terrorismus verursachen die wichtigsten Veränderungen in der Form<br />

der Stadt und dem städtischen Lebensstil – es sind die ständigen<br />

Erschütterungen der moralischen und technischen Strukturen der<br />

Stadt durch Autobomben.<br />

Aus diesen Gründen verdient die Autobombe, wie jede er-<br />

folgreiche moderne Technologie, eine angemessene Geschichts-<br />

schreibung, die die entscheidenden technischen und taktischen Inno-<br />

vationen besonders berücksichtigt. Tabelle 1 ist eine Landkarte<br />

dieser Geschichte der Autobombe, auf der einige ihrer entscheidenden<br />

Entwicklungsschritte hin zu tödlicher Vielseitigkeit verzeichnet sind.<br />

Bevor man aber über ihre Genealogie nachdenkt, könnte<br />

es hilfreich sein, die hervorstechenden Merkmale aufzuzählen, die<br />

Budas Wagen zur »Luftwaffe des kleinen Mannes« par excellence<br />

machen.<br />

Erstens sind Fahrzeugbomben erstaunlich starke und<br />

zerstörerische Tarnwaffen. Last- und Lieferwagen können leicht das<br />

explosive Äquivalent der Bombenlast einer B-24, des schweren<br />

Standardbombers der Air Force im Zweiten Weltkrieg, an der Haustür<br />

eines wichtigen Zieles abliefern. Selbst mit einer üblichen Familien-<br />

Großraumlimousine mit einem Ladevolumen von einem Kubikmeter<br />

kann eine 500 Kilogramm schwere Bombe transportiert werden.<br />

Darüber hinaus steigt dank der ständigen Tüfteleien genialer Bomben-<br />

bauer die Zerstörungskraft solcher Waffen immer weiter, und der ganz<br />

große Schrecken steht uns womöglich noch bevor: Sattelschlepperex-<br />

plosionen mit einem Äquivalent von bis zu 60 Tonnen TNT und einem<br />

tödlichen Wirkungskreis von 200 Metern oder schmutzige Bomben, die<br />

in genug Atommüll eingepackt sind, um die Mitte von Manhattan für<br />

Generationen zu verstrahlen. Darüber hinaus bietet die ganze Palette<br />

der Transporttechnik, von Fahrrädern und Rikschas bis zu Containern,<br />

Schiffen und Flugzeugen auf den jeweiligen Bedarf zugeschnittene<br />

Varianten des gleichen Prinzips: Die Angriffe vom 11. September ver-<br />

stand ihr Chefplaner Khalid Sheikh Mohammad als eine vergrößerte<br />

Variante des 1993er-Anschlags mit einer Lieferwagenbombe auf das<br />

World Trade Center durch seinen Neffen Ramzi Yousef.<br />

Zweitens sind Autobomben in jeder Hinsicht «laut». In Ergän-<br />

zung zu ihren konkreten Einsatzaufgaben (Feinde töten, das alltägliche<br />

Leben unterbrechen, untragbare wirtschaftliche Kosten erzeugen usw.)<br />

werben solche Explosionen in der Regel für eine Sache, einen Führer<br />

oder abstrakte Prinzipien – einschließlich des Terrors selbst. Nach einer<br />

treffenden Aussage Régis Debrays sind sie «Manifeste, die mit dem<br />

Blut der Anderen geschrieben sind». Im Unterschied zu anderen Formen<br />

politischer Propaganda – von Wandparolen bis hin zu Mordanschlägen<br />

– können Autobomben kaum geleugnet oder zensiert werden. Die<br />

Gewissheit, auch unter sehr autoritären und isolierten Umständen von<br />

der Welt gehört zu werden, verlockt potenzielle Bombenbauer ganz<br />

besonders.<br />

Drittens sind Autobomben außerordentlich billig. Für schätz-<br />

ungsweise 500 Dollar können mit einem gestohlenen Auto, Kunstdünger<br />

und zweckentfremdeter Elektronik 40 oder 50 Leute niedergemetzelt<br />

werden. Ramzi Yousef, der führende Kopf des Anschlages von 1993, der<br />

einen Schaden von ungefähr einer Milliarde Dollar am World Trade<br />

Center verursachte, prahlte damit, dass seine größten Ausgaben die für<br />

Ferngespräche waren. Der Sprengst<strong>of</strong>f selbst (eine halbe Tonne Harn-<br />

st<strong>of</strong>f) kostete 3.615 Dollar, plus 59 Dollar Tagesmiete für den drei Meter<br />

langen Ryder-Lieferwagen. Timothy McVeigh gab weniger als 5.000<br />

Dollar für Kunstdünger, hochoktaniges Benzin und einen Mietwagen<br />

aus, um 1995 die Front des Alfred P. Murrah Federal Buildings in Okla-<br />

homa City wegzusprengen und 168 Menschen zu töten. Im Vergleich<br />

dazu kostet jede der Cruise Missiles – die zur klassischen Antwort<br />

Amerikas auf terroristische Angriffe in Übersee geworden sind – fast<br />

eine Million Dollar.<br />

Viertens lassen sich Autobombenanschläge leicht organisieren.<br />

Auch wenn es manche immer noch nicht glauben wollen, dass die<br />

beiden keine geheime Unterstützung von irgendeiner Regierung oder<br />

dunklen Mächten erhielten, haben Timothy McVeigh, ein Wachschützer,<br />

und Terry Nichols, ein Farmer, das Verbrechen von Oklahoma City mit<br />

Handbüchern zum Bombenbau und mündlich überliefertem Know-how<br />

einer Waffenschau geplant und ausgeführt. Als Reaktion auf diese<br />

Gräueltat verabschiedete der Kongress 1996 ein Gesetz, durch das das<br />

Justizministerium beauftragt wurde, »genau festzustellen, wie leicht<br />

es für Terroristen und andere ist, Anleitungen für die Herstellung von<br />

Bomben zu finden«. Die Untersuchungsbeamten waren entsetzt, als<br />

«eine oberflächliche Suche in den Beständen der Library <strong>of</strong> Congress<br />

mindestens 50 Publikationen zu genau diesem Thema ergab (zum<br />

Beispiel Advanced Techniques for Making Explosives and Time-delay<br />

Bombs), die alle von jedem Interessenten gelesen und kopiert werden<br />

können». Das geheime Wissen, das vormals in afghanischen Madrasas<br />

oder CIA-gesponserten Ausbildungslagern vermittelt wurde, steht<br />

nun online auf Dschihad-Websites zur Verfügung und ist sogar über<br />

amazon.com erhältlich. Der berüchtigte und inzwischen festgenom-<br />

mene «Irhabi 007» bot auf seiner Website eine Wie-baue-ich-eine-Auto-<br />

bombe-Anleitung als Powerpoint-Präsentation an.<br />

Fünftens sind Autobomben – wie auch die «smartesten»<br />

Luft-Boden-Bomben – von Natur aus nicht wählerisch und «Kollateral-<br />

schäden» faktisch unvermeidbar. Wenn der Zweck eines Anschlages ist,<br />

ein Blutbad unter Zivilisten anzurichten und so viel Panik wie möglich<br />

zu erzeugen, um eine «Strategie der Spannung» durchzusetzen oder<br />

einfach eine Gesellschaft zu demoralisieren, dann sind Autobomben<br />

das ideale Mittel. Genauso wirksam zerstören sie allerdings die mora-<br />

lische Glaubwürdigkeit einer Sache und untergraben die Unterstützung<br />

der breiten Masse – was die IRA in Nordirland und ETA in Spanien<br />

unabhängig voneinander feststellten mussten. Wie wir noch sehen<br />

werden, erwies sich der inhaftierte Nelson Mandela als sehr scharf-<br />

sinnig, als er gegen den Einsatz solcher Waffen durch die Befreiungsbe-<br />

wegung Südafrikas polemisierte. Die Autobombe ist letzten Endes<br />

eine an sich faschistische Waffe, die die Täter garantiert mit dem Blut<br />

Unschuldiger überschwemmt. (Dieser kategorische Imperativ gilt<br />

noch mehr für den Massenterror, dem Zivilbevölkerungen routinemäßig<br />

durch die Luftwaffen und Heere sogenannter Demokratien wie den<br />

Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und Israel ausgesetzt<br />

werden.)<br />

Sechstens sind Autobomben äußerst anonym und hinterlassen<br />

sehr wenig kriminalistisch verwertbare Spuren. Buda sonnte sich<br />

unbehelligt in der heimatlichen Romagna (wo er angeblich die Seiten<br />

wechselte und Spion Mussolinis wurde), während sich William Burns,<br />

John Edgar Hoover und das Bureau <strong>of</strong> Investigation blamierten, weil sie<br />

zehn Jahre lang eine falsche Spur nach der anderen verfolgten. Auch<br />

die meisten Nachfolger Budas sind ihrer Identifizierung und Verhaftung<br />

entronnen. Ihre Anonymität macht Autobomben gerade für diejenigen<br />

interessant, die ihre Urheberschaft zu verbergen wünschen, einschließ-<br />

lich des CIA, des britischen SAS, des sowjetischen KGB, des israe-<br />

lischen Mossad, des syrischen GSD, der «Foreign Work and Analysis<br />

Unit» der libanesischen Armee, der iranischen Pasdaran und des paki-<br />

stanischen ISI. Sie alle haben mit solchen Mitteln unsägliche Blutbäder<br />

verursacht. Ironischerweise ist die klassische «Waffe der Schwache»<br />

zugleich ein beliebtes Terrorinstrument starker Regierungen und der<br />

Supermächte.<br />

Punkt sieben: Die dramatischste Auswirkung der Autobombe<br />

war, dass sich nun marginale Akteure mit ihrer Hilfe politisches Gehör<br />

verschaffen konnten. Fahrzeugbomben verschaffen kleinen, sogar eigens<br />

zu diesem Zweck gebildeten Gruppen ohne jede Anhängerschaft<br />

oder nennenswerte politische Legitimation aussergewöhnlichen Einfluss.<br />

Schlecht ausgerüstete und auf keinen Rückhalt zählende Verschwö-<br />

rungen, die sonst unbemerkt verschimmeln oder ihren Organisatoren<br />

um die Ohren fliegen würden, verfügen nun über ein einfaches und<br />

verlässliches Do-it-yourself-Arsenal, mit dem sie spektakuläre Zerstör-<br />

ungen anrichten können. Autobomben verleihen allerdings auch je-<br />

nen Widerstandsgruppen Orwell’sche «Krallen», die von der Bevöl-<br />

kerung wirklich unterstützt werden, beispielsweise Hisbollah oder IRA.<br />

Wie auch immer – keine andere Waffe erwies sich in der Geschichte<br />

der Kriegführung als ein so wahlloser Gleichmacher im Kampf<br />

zwischen Elefanten und Flöhen.<br />

Autobomben charakterisieren mit anderen Worten zunehmend<br />

das, was Pentagonexperten die «vierte Generation» oder eine «Open-<br />

Source» der Kriegführung nennen. Anti-Terror-Theoretiker wie John Robb<br />

und Martin Shubik behaupten, dass die mit der Globalisierung einher-<br />

gehende technologische «Super-Selbstermächtigung» destruktiver Indi-<br />

viduen eine epochale Revolution des Tötungspotenzials kleiner Grup-<br />

pen und Netzwerke verursacht hat. Diese Revolution nimmt die Form<br />

einer nahtlosen Verschmelzung von Technologien an: Autobombe plus<br />

Handy plus Internet bilden die einzigartige Infrastruktur eines Global-<br />

Network-Terrorismus, der jedwede transnationale Kommandostrukturen<br />

oder verwundbare Entscheidungshierarchien überflüssig macht. Zellen<br />

oder ihre Klone können jetzt ohne jeden persönlichen Kontakt und<br />

ohne Oberbefehlshaber Autobombenanschläge über Kontinente hin-<br />

weg aufeinander abstimmen.<br />

Die Protagonisten der Höllenmaschine müssen nicht länger<br />

darauf warten, dass die gegnerischen Medien von den Explosionen<br />

berichten und ihre Manifeste wiedergeben. Die «Propagandisten der<br />

Tat» sind dank Video und Internet genau zu solchen geworden. Das<br />

World Wide Web macht Autobomber zu angesagten Regisseuren, die<br />

ihre Grausamkeit filmen, schneiden und als Videostream ins Netz<br />

stellen, um dadurch eine maximale Wirkung beim Zielpublikum zu er-<br />

reichen. Debray, der in den 1960ern ein berühmter Theoretiker der<br />

Guerillakriegführung und heute ein Guru der Médiologie ist, führt an,<br />

dass sich «‚Terrorismus‘ und Propaganda immer gemeinsam ent-<br />

wickelt [haben]», von der Guillotine und dem Signalmast in den Tagen<br />

Robespierres zum Dynamit und Telegraphen in den 1880er Jahren<br />

bis zu den Autobomben und ihren Websites in der Welt von Bush und<br />

Bin Laden.<br />

von Mike Davis, aus dem Englischen von Klaus Viehman,<br />

ursprünglich erschienen in Davis, Mike: Eine Geschichte der<br />

Autobombe. Verlag Assoziation A. Berlin 2007.<br />

Die Luftwaffe des kleinen<br />

Mannes <strong>—</strong> Aus: «Eine<br />

Geschichte der Autobombe»<br />

Entfesselte Kräfte <strong>—</strong><br />

Der Sprengst<strong>of</strong>f als Kultur-<br />

technik der Moderne 1<br />

14 15<br />

1. Moderner Prototyp 1920 Manhattan Italienischer Anarchist<br />

2. Lastwagenbombe 1947 Haifa »Stern Gang«<br />

3. Mehrere Autobomben 1948 Jerusalem Palästinenser<br />

4. Autobombe plus<br />

anderer Sprengst<strong>of</strong>f 1964 Saigon Vietcong<br />

5. Einsatz gegen Botschaft 1965 Saigon Vietcong<br />

6. Ammoniumnitrat/Diesel 1970 Madison »New year’s’ Gang«<br />

7. Wirtschaftskrieg 1972 Belfast IRA<br />

8. Mehr als 100 Tote 1981 Damaskus Muslimbruderschaft<br />

9. Kamikaze-LKW-Bombe 1981 Beirut Syrien?<br />

11. Angriff auf Video 1982 Beirut Hisbollah<br />

10. 1 Tonne TNT Äquivalent 1983 Beirut Hisbollah?<br />

12. Geopolitische Wirkung 1983 Beirut Hisbollah<br />

13. Weiblicher Selbstmord- 1985 Libanon SSNP<br />

Autobomber<br />

14. Regulärer mil. Angriff 1985 Sri Lanka Tamil Tigers<br />

15. Technologie-Transfer ab 1985 Pakistan CIA/Pakistan ISI<br />

16. Gegen Tourismus 1980er Korsika FLNC<br />

17. Ganze Stadtviertel 1992 Lima Sendero Luminoso<br />

18. Kulturerbe 1993 Italien Mafia<br />

19. Mehr als 1 Milliarde<br />

US-Dollar Sachschaden 1993 London IRA<br />

20. Gegen Wähler 1995 Johannesburg Weiße Rassisten<br />

21. 5 Tonnen TNT Äquivalent 1996 Dhahran Hisbollah/Iran?<br />

22. Gleichzeitig in zwei Städten 1998 Ostafrika al-Quaida<br />

23. »Mit Flügeln« 2001 Manhattan al-Quaida<br />

24. Fast Atomkrieg auslösend 2001 Neu-Delhi Pakistan ISI?<br />

25. Über 500 tödliche Bomben 2003-06 Irak verschiedene<br />

Tabelle 1 <strong>—</strong> Autobomben: Tödliche Entwicklungsschritte<br />

1 Die Erfindung hochexplosiver Sprengst<strong>of</strong>fe brachte die Selbstverständ-<br />

lichkeiten einer Epoche ins Wanken. Seit ihrer Entdeckung durch<br />

Ascanio Sobrero im Jahre 1847 wurden auf Nitroglycerin basierende Ex-<br />

plosivst<strong>of</strong>fe als höchst prekäre Gegenstände wahrgenommen. Sie<br />

galten als tendenziell instabil, und man wusste, dass nur eine geringe<br />

Einwirkung von nöten war, um die in ihnen gespeicherten Kräfte frei-<br />

zusetzen. Ihre Kraftentladung war ob ihrer Plötzlichkeit und Heftigkeit<br />

gefürchtet. Gerade die Tatsache, dass sie – im Gegensatz zu Schwarz-<br />

pulver – auf Erschütterung reagierten und gelegentlich zur Selbstent-<br />

zündung neigten, bestärkte den Verdacht, dass es sich dabei um flüch-<br />

tige, launische und unbeständige Verbindungen handle. Sie wurden als<br />

chemische Substanzen beschrieben, deren Bestandteile «sozusagen<br />

stets auf dem Sprunge [sind], den ihnen zukommenden gasförmigen<br />

Aggregatzustand wieder anzunehmen». 2 Man mahnte zu äußerster<br />

Vorsicht im Umgang mit ihnen und warnte vor der Gefahr, dass «sich die<br />

entfesselten Elemente gegen ihren Dirigenten [kehren], wenn sie<br />

rücksichtslos behandelt werden». 3<br />

Man erkennt in diesen Formulierungen bereits einige der<br />

Probleme, die von den neuen Substanzen aufgeworfen wurden.<br />

Einerseits zirkulierten sie als Waren und Werkzeuge, d.h. als konkrete<br />

Objekte, die in Bezug auf ihren Zweck genau determiniert waren.<br />

Andererseits jedoch waren sie Initiatoren von Explosionen, d.h. von<br />

plötzlichen, unterdeterminierten Ereignissen, deren Berechenbarkeit<br />

sich dem zeitgenössischen Wissen entzog. Sprengst<strong>of</strong>f und Explosion,<br />

Kraftspeicher und Kraftentladung, Ding und Ereignis gehörten zwar<br />

zusammen, standen gleichzeitig aber in einem irreduziblen Verhältnis<br />

zueinander. Die Explosion konstituierte einen neuen Ereignistyp,<br />

dessen Eigenheiten im Folgenden anhand dreier Bereiche umrissen<br />

werden sollen. Erstens im Feld der praktischen, alltäglichen Anwen-<br />

dung, wo der Sprengst<strong>of</strong>f zu einer Problematisierung des Werkzeugbe-<br />

griffs führten. Zweitens anhand ihrer schwierige Position innerhalb<br />

eines thermodynamischen Weltbildes, wo sie eine Krise des Ursache-<br />

Wirkungsverhältnis mit sich brachten, und drittens in ihren politischen<br />

Implikationen, wo die Explosion neue Techniken der sozialen<br />

Regulierung ins Leben rief.<br />

I.<br />

Der hochexplosive Sprengst<strong>of</strong>f war nur schwer unter die Kategorie des<br />

‚Werkzeugs’ zu subsumieren. Als fundamental unbestimmbares Objekt<br />

entzog er sich mehr noch als andere Techniken der Moderne sowohl<br />

dem Prinzip der Naturnachahmung als auch einer linearen Mittel-Zweck-<br />

Relation. Damit fiel er aus der zeitgenössischen philosophischen Cha-<br />

rakterisierung von Werkzeugen als Organprojektionen heraus. Ernst Kapp<br />

zufolge, der diese Theorie begründet hatte, projiziere der Mensch die<br />

innere Struktur seines Körpers auf die <strong>Art</strong>efakte, die er schaffe: der Ham-<br />

mer stelle die Projektion der Faust dar und das Eisenbahnsystem jene<br />

der Blutzirkulation. 4 Diese Theorie unterstellte ein unproblematisches<br />

Verhältnis zwischen Subjekt, Körper und Außenwelt, indem es alle drei<br />

in einem kontinuierlich fortschreitenden Prozess vereinte, der sich in<br />

Richtung immer komplexerer Techniken entwickelte. Es ist kein Wunder,<br />

dass Sprengst<strong>of</strong>fe in Kapps Buch keinen Platz fanden. Explosionen<br />

waren nämlich Ereignisse, welche jenseits der menschlichen Wahrneh-<br />

mungs- und Erfahrungsmöglichkeiten stattfanden und die Souveräni-<br />

tät des werkzeuggebrauchenden Subjekts zerstörten. Das zeigt sich<br />

deutlich an den Praktiken des alltäglichens Umgangs mit Sprengst<strong>of</strong>fen.<br />

1873 gründete Alfred Nobel in der schweizerischen Stadt<br />

Isleten am Vierwaldstättersee eine Sprengst<strong>of</strong>ffabrik. Es war seine vier-<br />

zehnte Firmengründung, und sie war ebenso erfolgreich wie die an-<br />

deren. Wie in anderen derartigen <strong>Fabrik</strong>en auch wurde bei der Produk-<br />

tion höchste Vorsicht an den Tag gelegt, und strenge Vorschriften<br />

regelten die Verpackungsweise sowie den Transport der Sprengst<strong>of</strong>fe.<br />

Das Dynamit etwa wurde in Patronen aus festem Papier abgefüllt.<br />

Jeweils acht Stück tat man in ein Paket, und die Pakete packte man in<br />

Transportkisten zu je 25 kg, die zunächst mit dem Schraubendampfer<br />

Rütli über den See gebracht wurden. Anschließend lud man sie auf ge-<br />

federte Wagen, wobei man zwischen die Verpackungseinheiten und<br />

auf den Boden der Wagen Stroh und Reisig schob, um eine Berührung<br />

der Kisten untereinander oder mit den Beschlägen des Fahrzeuges zu<br />

verhindern. Nachdem die ganze Ladung noch mit einer Plane zugedeckt<br />

und mit einer schwarzen Fahne als Gefahrentransport deklariert war,<br />

setzte man sich «mit einer wahrhaft unheimlichen Vorsicht», wie ein zeit-<br />

genössischer Beobachter schrieb, in Bewegung. 5 Ziel war das ca. 25 km<br />

entfernte Örtchen Göschenen, wo für den Tunnelvortrieb täglich an die<br />

240 kg Dynamit verbraucht wurden.<br />

Die Vorsicht, die man bei Herstellung, Transport und Verwen-<br />

dung von Dynamit walten ließ, weist darauf hin, für wie groß man die<br />

von ihm ausgehende Gefahr einschätzte. Sprengst<strong>of</strong>fe erforderten eine<br />

permanente Wachsamkeit und Sorge. Damit fehlten ihnen jene Eigen-<br />

schaften, die gewöhnlichen Gebrauchsdingen zukommen: Dienlichkeit<br />

und Verlässlichkeit. 6 Erst so werden Dinge zu Mitteln und Werkzeugen<br />

gemacht. Denn sie definieren sich ja dadurch, dass ihre Traditionen der<br />

Nutzung nicht nur einen festen Platz innerhalb eines lebensweltlichen<br />

Zusammenhanges einnehmen, sondern diesen Zusammenhang aller-<br />

erst stiften. Sie helfen Handlungszwecke zu realisieren ohne selbst<br />

zum Gegenstand der Aufmerksamkeit geworden zu sein. Explosivst<strong>of</strong>fe<br />

unterschieden sich von den gewöhnlichen Werkzeugen, indem sie<br />

sich ständig bemerkbar machten. Sie störten die festgefügte Welt der<br />

eingespielten Routinen und Gewohnheiten da sie sich sträubten, in<br />

ihrer Funktion als Mittel aufzugehen. Sprengst<strong>of</strong>fe erwiesen sich als<br />

störrische Gebenstände, die den Zusammenhang der Arbeitsorgani-<br />

sation unablässig zu demolieren drohten.<br />

II.<br />

Aber auch auf der Ebene des Wissens bedeuten Explosivst<strong>of</strong>fe eine Er-<br />

schütterung für das Gefüge der Welt. Zwar hat die Physik versucht, der<br />

Tunnelbaustelle ihren Platz innerhalb des energetischen Haushalts der<br />

Natur zuzuweisen. In einem kleinen Text etwa hat der Naturwissen-<br />

schaftler und Apotheker Friedrich Mohr beschrieben, wie die Sonnen-<br />

wärme Wasser in Dampf verwandelt, der im Hochgebirge als Schnee<br />

niedergeht, als Alpenstrom ins Tal fließt und dessen Massenbewegung<br />

für eine Maschine genutzt wird, die Luft komprimiert und damit stäh-<br />

lerne Meissel antreibt, die die Bohrlöcher für den Tunnelvortrieb bohren.<br />

So konnte er zu dem Schluss kommen, dass der Tunnel des St. Gott-<br />

hard «durch Sonnenwärme durchgetrieben» werde. 7 Was aber nicht in<br />

dieses universelle Kreislaufschema passte, in dem die natürlichen<br />

Vorgänge durch Prozesse der Energieumwandlung mit den technischen<br />

Apparaten in direktem Austausch standen, war die Sprengung. Zwar<br />

wurde sie in der eben geschilderten Darstellung erwähnt, fiel aber aus<br />

dem Narrativ ineinandergreifender Übertragungsprozesse heraus. Es<br />

wurde lediglich bemerkt, dass im Explosivst<strong>of</strong>f «chemische Bewegung<br />

neben den St<strong>of</strong>fen, welche sie als Wärme und Bewegung entbinden<br />

können, vereinigt liegen», und dass diese durch Entzündung Körper frei-<br />

setzen, die den Fels sprengen. 8 Aber das Ereignis der Explosion war nur<br />

schwer in die thermodynamische Welt der Physik einzugliedern. Das<br />

Missverhältnis zwischen Ursache und Wirkung, zwischen der Energie,<br />

die zugeführt und jener, die freigesetzt wurde, hat dazu geführt, explo-<br />

sionsartige Prozesse unter dem Begriff der Auslösung zu fassen.<br />

Darunter verstand man Vorgänge, bei denen die Ursache in keinem<br />

proportionalen Verhältnis zu ihrem Effekt mehr stehe, wie beispielsweise<br />

das Abfeuern einer Schusswaffe, die Entladung von Nervenreizen<br />

oder eben die Detonation einer Dynamitpatrone. In diesen Fällen böte<br />

das quantitativ messbare Wärmeäquivalent keinen Maßstab mehr für<br />

den Zusammenhang der Ereignisse. 9<br />

Nun haben Physiker, deren Gegenstand sich ja eben durch<br />

das metaphysische Prinzip der ‚Krafterhaltung’ definierte, darauf hinge-<br />

wiesen, dass die Rede von der Auslösung das Problem falsch stelle.<br />

Man denke sich etwa ein Brett auf einer Kante, an dem man auf beiden<br />

Seiten, wie auf einer Waage, Gewichte balanciert. Nehme man nun auf<br />

der einen Seite nur einen Bruchteil des Gewichtes weg, falle das Brett<br />

herunter und erzeuge eine Bewegungsgröße, die wesentlich größer<br />

sei als jene, die zur Störung des Gleichgewichts eingebracht wurde.<br />

Das wäre aber kein Wunder, denn die beiden Wirkungen gehören<br />

völlig verschiedenen Ordnungen an: Die aus dem Fall hervorgehende<br />

Bewegungsgröße hänge nämlich von der Energie der Lage ab, mit<br />

der die Bewegung des Wegnehmens von Gewicht gar nichts zu tun<br />

habe. So stellte dann auch Mohr fest: «[E]s wird Niemand darin eine<br />

Verletzung des Gesetzes [von der Erhaltung der Kraft, Anm. TB]<br />

erkennen, wenn man bedenkt, dass die zur Auslösung nöthige Bewe-<br />

gung zu der entstehenden Bewegung in gar keiner Beziehung steht.» 10<br />

Für die Physik ging es nur um das Verhältnis zwischen der durch die<br />

Lage des Brettes definierten potentiellen Energie und deren Umwand-<br />

lung in kinetische Energie. Durch welche Umstände diese Umwandlung<br />

im Einzelfall tatsächlich bewirkt würde, interessierte sie nicht. Was<br />

aus der Sicht der Physiker ein falsch gestelltes Problem war, eröffnete<br />

jedoch aus der Perspektive der Technik einen äußerst fruchtbaren<br />

Blickwinkel. Denn mit dem Begriff der Auslösung stand nicht mehr der<br />

Energiehaushalt eines geschlossenen Systems zur Disposition, son-<br />

dern die operationalen Verkettungen zwischen heterogenen, einander<br />

äußerlichen Elementen. Es ging nun um Schaltungen und Signale. 11<br />

Bereits Alfred Nobel hatte sich diese neue Logik zu Nutze<br />

gemacht, als er seine die Sprengst<strong>of</strong>ftechnik revolutionierende Methode<br />

zur Detonation von Nitroglycerin entwickelte. Diese wurde nicht durch<br />

die Wärmeentwicklung eines Verbrennungsvorgangs ausgelöst, sondern<br />

durch die Druckwelle einer ersten Sprengladung, die anfänglich aus<br />

Schwarzpulver, später aus Knallquecksilber bestand. Zwischen der so-<br />

gennanten Initialladung und der eigentlichen Sprengladung fand keine<br />

kontinuierliche Übertragung statt, sondern es bestand eine Diskonti-<br />

nuität, die durch einen Verdichtungsstoß vermittelt wurde. Die Zündung<br />

hochexplosiver Sprengst<strong>of</strong>fe wie etwa des Nitroglycerins fügte sich<br />

damit nicht mehr in die Ordnung der Thermodynamik ein.<br />

Die hier festgestellte Inkommensurabilität der verschiedenen<br />

Energieformen richtete die Aufmerksamkeit weg von den Prozessen<br />

der Energieumwandlung und hin zu jenen Operatoren, die ein<br />

bestimmtes Ereignis im Hier und Jetzt überhaupt erst hervorbringen.<br />

Die Welt dieser Operatoren war aber jene des Technischen, das heißt<br />

der Steuerung bzw. Kontrolle – und das war genau jener Bereich, der in<br />

der Thermodynamik, und gerade auch in ihrem bevorzugten Beispiel,<br />

der Carnot-Maschine, ausgeblendet blieb. 12 Der Maschinenbaupr<strong>of</strong>essor<br />

Franz Reuleaux hat eine solche Welt aus Auslösungsmechanismen,<br />

die er «Spannwerke» nannte, beschrieben. Industrie und Verkehr, das<br />

Netzwerk von Eisenbahnen und Ozeandampfern, werden letztlich durch<br />

komplizierte Verkettungen verschiedener Steuerungsmechanismen<br />

organisiert. Selbst der Haushalt ist weniger ein Oikos als vielmehr ein<br />

Kybernetikon: «Da ist das Gaslicht im Hause, auf der Strasse, im öffen-<br />

tlichen Gebäude. Wir verdanken es einem chemischen Spannwerk<br />

vierter Ordnung (Feuer, Retorte, Gasometer, Leitung mit Hähnen, alle<br />

Zwischenwerke vernachlässigend), alles grossartig, systematisch durch<br />

die Stadtanlage verzweigt.» 13 Was Reuleaux hier beschrieb war nicht<br />

mehr das stabile, sich im Gleichgewicht befindliche Universum der<br />

Thermodynamik, sondern eine Welt, die in jedem Augenblick ausein-<br />

anderfallen konnte. Eine geringe Nachlässigkeit, ein Spannwerk, das<br />

sich zu früh löst, oder eine Sperrklinke, die nicht greift, und schon folgt<br />

die Katastrophe: Züge entgleisen, Gasleitungen entzünden sich und<br />

Dynamittransporte fliegen in die Luft.<br />

III.<br />

Die Explosion war damit eng an einen neuen Ereignistyp gekoppelt: den<br />

Unfall. Dieser wurde als direkte Konsequenz der zunehmenden Komp-<br />

lexität technischer Syteme verstanden. Der industrielle Fortschritt habe,<br />

so ein Lexikon aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die Situation eines<br />

«instabilen Gleichgewichts» geschaffen, das bereits durch die geringste<br />

Anstrengung gekippt werden könne. 14<br />

Spektakuläre Unglücksfälle mit Nitroglycerin erregten große<br />

Aufmerksamkeit und schädigten seinen Ruf nachhaltig, weshalb Nobel<br />

umso eifriger an einer Stabilisierung dieser Substanz arbeitete. 1867<br />

brachte er das Dynamit auf den Markt, das zwar eine geringere Explo-<br />

sionskraft hatte, dafür aber auch wesentlich weniger empfindlich ge-<br />

genüber Erschütterungen war. Dennoch passierten auch damit regel-<br />

mäßig Unfälle. Als Konsequenz wurden in den meisten Staaten<br />

strenge Richtlinien für den Transport und die Lagerung von Nitroglycerin<br />

und Dynamit erlassen. In einigen Ländern, etwa in Deutschland, wur-<br />

de der Transport auf der Eisenbahn untersagt, und in England wurde<br />

Herstellung, Einfuhr, Verkauf und Transport gänzlich verboten.<br />

Diese strikte Politik jedoch begann sich im Laufe der Zeit zu<br />

ändern. So hatte der österreichische Ingenieur<strong>of</strong>fizier Isidor Trauzl<br />

gefordert, dass man, anstatt den Transport vollständig zu verbieten, ein<br />

umfassendes Versicherungssystem schaffen solle, welches die dem<br />

Umgang mit Sprengst<strong>of</strong>f inhärenten Risiken abfedern helfen würde. 15<br />

Das 1871 eingeführte Haftpflichtgesetz war ein erster Schritt in diese<br />

Richtung. Da die Entschädigung für einen erlittenen Schaden aber<br />

nur bei erwiesener Schuld des Unternehmers eingeklagt werden kon-<br />

nte, lag die Beweislast auf der Seite des Verletzten beziehungsweise<br />

der Hinterbliebenen. Gerade bei Explosionsunfällen war der Verlauf<br />

eines Unfalls jedoch nur schwer rekonstruierbar, da der Ort des Un-<br />

glücksfalles durch das Ereignis selbst meist «bis zur Unkenntlichkeit»<br />

verändert war. 16 Erst das Unfallversicherungsgesetz von 1884 brach<br />

in Deutschland mit dem aus der römischen Rechtstradition stammen-<br />

den Grundsatz der ‚Culpahaftung’, gemäß der es ohne Schuld kein<br />

Haftung geben könne. Nun sollte die Versicherung «alle beim Betrieb<br />

vorkommenden Unfälle enthalten, ohne Unterschied, ob sie in einem<br />

Verschulden des Unternehmers oder seiner Beauftragten oder in dem<br />

eigenen Verhalten des Verunglückten, oder in zufälligen, niemandem<br />

zur Last zu legenden Umständen ihren Grund haben.» 17<br />

Damit wurde die Frage nach der Schuld durch jene nach dem<br />

Risiko ersetzt. Unfälle waren nicht mehr dem Individuum anzulasten,<br />

sondern wurden als unvermeidbare Konsequenzen der industriellen<br />

Arbeitsorganisation verstanden. Wenn man sämtliche Unglücksfälle<br />

sammelte und statistisch auswertete, konnte man bestimmte Vertei-<br />

lungen ihres Eintretens erkennen: Der Zufall, der etwa zur unzeitigen<br />

Explosion einer Dynamitpatrone geführt hatte, folgte letzlich strengen<br />

Regeln. Durch solche Statistiken konnte man z.B. feststellen, dass<br />

Transportunfälle nur einen ganz geringen Teil der durch den Umgang<br />

mit Sprengst<strong>of</strong>f eingetretenen Unglücksfälle einnahmen. Die Frage<br />

nach der Verlässlichkeit von Explosivst<strong>of</strong>fen war damit nicht mehr allein<br />

ein technisches Problem der Steuerung und Kontrolle, sondern zu-<br />

sätzlich ein soziales Problem, das die Organisation der Gesellschaft als<br />

solcher betraf.<br />

Durch diese politische Dimension war der Unfall einem anderen<br />

Ereignis, das ebenfalls im 19. Jahrhundert erstmals in Erscheinung<br />

trat, verwandt: dem terroristischen Attentat. Im selben Jahr, in dem das<br />

Unfallversicherungsgesetz erlassen wurde, verabschiedete man im<br />

Deutschen Reich auch das ‚Reichsgesetz gegen den verbrecherischen<br />

und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengst<strong>of</strong>fen‘, mit dem stren-<br />

ge Kontroll- und Strafbestimmungen über Herstellung, Verkauf und Ver-<br />

brauch von Sprengst<strong>of</strong>fen angeordnet wurden. Dynamit war seit dem<br />

letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eng mit der Entstehung des moder-<br />

nen Terrorismus verflochten und stand im Ruf, die bevorzugte Waffe<br />

anarchistischer Gewalt zu sein. 18 Obwohl es sich bei tatsächlichen Atten-<br />

taten als weniger zuverlässig als traditionelle Waffen erwiesen hatte,<br />

wurde es aufgrund seiner symbolischen Wirkung von Revolutionären<br />

gerne eingesetzt. Radikale Propagandisten glaubten, dass Explosi-<br />

onen einen größeren psychologischen Eindruck hinterlassen würden<br />

und dadurch einen Aufstand der Massen auslösen könnten.<br />

Die seit dem späten 19. Jahrhundert in verschiedenen Städten<br />

durchgeführten Bombenanschläge erschütterten in der Tat die Öffen-<br />

tlichkeit, und obwohl die meisten ein Werk von Einzeltätern waren, kon-<br />

struierten Presse und Polizei das bedrohliche Bild einer Verschwörung<br />

der ‚Schwarzen Internationale‘. In Deutschland war es ein missglücktes<br />

Dynamitattentat auf die Feier zur Eröffnung des Niederwalddenkmals,<br />

das zum härteren Vorgehen gegen anarchistische, sozialistische und so-<br />

zialdemokratische Strömungen führte und auch den Anlass für das<br />

Sprengst<strong>of</strong>fgesetz lieferte. Dieses Gesetz basierte zur Gänze auf dem<br />

Prinzip des Verdachts: Jede mit Sprengst<strong>of</strong>fen verbundene Handlung,<br />

für die nicht ausdrücklich um eine polizeiliche Genehmigung angesucht<br />

worden war, wurde als Vorbereitung eines terroristischen Aktes be-<br />

trachtet. Einer ganze Reihe von Gewerbetreibenden – Fischer, Bergleute<br />

oder <strong>Fabrik</strong>anten – wurde auf dieser Grundlage der Prozess gemacht.<br />

An dieser Stelle wird evident, wie sehr der Sprengst<strong>of</strong>f in der<br />

Wahrnehmung der Zeitgenossen zu einem politischen Objekt geworden<br />

war, das den Zusammenhalt der Gesellschaft als solcher zu gefährden<br />

drohte. Das in seiner chemischen Zusammensetzung angelegte<br />

Potential des Dynamits, mithilfe dessen große Erdmassen bewegt oder<br />

ganze Gebäude in Schutt und Asche gelegt werden konnten, wurde<br />

als Bedrohung der Zivilisation selbst begriffen. Die unverbrüchliche Ba-<br />

sis der gesellschaftlichen Ordnung, die in Stein gehauenen Normen<br />

und Werte einer Kultur, die auf die Konservierung des Status Quo ein-<br />

geschworen war, drohte durch die ungeheuere Kraft des Dynamits in<br />

Stücke gerissen zu werden – so zumindest die Angst der staatlichen<br />

Behörden. Gegen diese Bedrohung setzte man eine regulierende<br />

Vorsorge, für die jede Dynamitpatrone immer schon eine Waffe und<br />

jedes Individuum ein potentieller Terrorist war.<br />

Die beiden mit dem Sprengst<strong>of</strong>f verbundenen Ereignistypen,<br />

der Unfall und das terroristische Attentat, ähnelten sich in wenigstens<br />

zwei Aspekten: Erstens traten beide stets in Serie auf. Jedes Ereignis<br />

verwies auf ein zukünftiges, ähnliches Ereignis. Genauso wie der Un-<br />

fall versicherungstechnisch nur erfassbar war, wenn bereits wahrschein-<br />

liche zukünftige Unfälle antizipiert werden konnten, so lebte auch der<br />

Terroranschlag davon, dass er stets die Bedrohung durch weitere An-<br />

schlägen evozierte. Zweitens verlangten beide nach präventiven Maß-<br />

nahmen. Der Unfall erforderte ein Regime der Arbeitssicherheit, um die<br />

Möglichkeit seines Eintreten bereits von vornherein zu minimieren,<br />

und der Terrorismus förderte eine Logik des Verdachts, die sich darum<br />

bemühte, gefährliche Individuen zu identifizieren, bevor sie tatsäch-<br />

lich ein Verbrechen begehen konnten. Damit gehörten sie beide einem<br />

Verständnis von Politik an, dass diese nicht durch die Möglichkeiten<br />

demokratischer Partizipation definierte, sondern durch die regulativen<br />

Maßnahmen eines polizeilichen Apparats.<br />

Explosivst<strong>of</strong>fe stellen folglich für eine Archäologie der Moderne<br />

einen besonders lohnenswerten Gegenstand dar. In ihnen materiali-<br />

siert sich auf technischer, wissenschaftlicher und politischer Ebene jene<br />

Verschränktheit von Normalfall und Unfall, welche das Zeitalter der<br />

Kraft so sehr beschäftigte. Der Sprengst<strong>of</strong>f kann damit als Prisma die-<br />

nen, durch das sichtbar wird, wie das prekäre Verhältnis von ‚In-Form-<br />

Bringen’ und ‚Außer-Form-Geraten’ der Kraft die Kultur einer Epoche<br />

bis ins Innerste erschüttert hat. Die Antworten, mit denen man dieses<br />

Problem zu lösen versuchte, bestimmen noch heute unsere Lage.<br />

von Thomas Brandstetter.<br />

ursprünglich erschienen in Thomas Brandstetter und Christ<strong>of</strong><br />

Windgätter (Hg.): Zeichen der Kraft. Wissensformationen<br />

1800-1900. Berlin: Kadmos Verlag, 2008, S. 46-61.<br />

1 Der vorliegende Text ist eine stark gekürzte Version von Thomas Brandstetter:<br />

Entfesselte Kräfte: Der Sprengst<strong>of</strong>f als Kulturtechnik der Moderne, in: Thomas<br />

Brandstetter und Christ<strong>of</strong> Windgätter (Hg.): Zeichen der Kraft. Wissensformationen<br />

1800-1900. Berlin 2008, S. 46-61.<br />

2 Fr. Böckmann: Die explosiven St<strong>of</strong>fe, ihre Geschichte, <strong>Fabrik</strong>ation, Eigenschaften,<br />

Prüfung und praktische Anwendung in der Sprengtechnik. Wien, Pest, Leipzig 1880, S. 7.<br />

3 Carl Beckerhinn: Ueber das Nitroglycerin und die Schiessbaumwolle in chemischer und<br />

chemisch-technischer Beziehung. Wien 1871, S. 27.<br />

4 Ernst Kapp: Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte<br />

der Cultur aus neuen Gesichtspunkten. Braunschweig 1877.<br />

5 H. R. Berlepsch: Die Gotthard-Bahn. Beschreibendes und Geschichtliches.<br />

Gotha 1881, S. 75.<br />

6 Ich beziehe mich mit diesen Begriffen auf Martin Heidegger: Der Ursprung des<br />

Kunstwerks. Stuttgart 1960, S. 26-29.<br />

7 Friedrich Mohr: Allgemeine Theorie der Bewegung und Kraft. Braunschweig 1869, S. 119.<br />

8 Ebd., S. 118f.<br />

9 Julius Robert Mayer: Ueber Auslösung. In: Die Mechanik der Wärme. Sämtliche Schriften.<br />

Heilbronn 1978, S. 411-416. Mayers Text erschien 1876, doch findet sich bereits in Mohrs<br />

1869 erschienener Allgemeinen Theorie der Bewegung und Kraft ein Abschnitt über<br />

Auslösung (Mohr, a.a.O., S. 115-117). Vgl. dazu auch Joseph Vogl und Armin Schäfer:<br />

Feuer und Flamme. Über ein Ereignis des 19. Jahrhunderts. In: Henning Schmidgen,<br />

Peter Geimer und Sven Dierig (Hg.): Kultur im Experiment. Berlin 2004, S. 191-211.<br />

10 Mohr, a.a.O., S. 115.<br />

11 Zu Technologien der Auslösung siehe Peter Berz: 08/15. Ein Standard des 20.<br />

Jahrhunderts. Müchen 2001, S. 197-209. Explosionen wurden tatsächlich auch als<br />

Signalgeber eingesetzt: der sogenannte ‚railway torpedo‘ bestand aus einer<br />

Schießpulverladung, die auf Eisenbahnschienen angebracht werden konnte und durch<br />

einen darüberfahrenden Zug zur Explosion gebracht wurde. Durch den lauten Knall<br />

wurde der Lokomotivführer auch bei schlechter Sichbarkeit, wenn optische Signale zu<br />

versagen drohten, vor einem auf der Strecke befindlichen Hindernis gewarnt.<br />

12 Die Carnot-Maschine war gerade kein technisches Objekt, sondern ein Modell des<br />

Universums, das durch seine Geschlossenheit definiert war. Vgl. Peter G. Tait:<br />

Vorlesungen über einige neuere Fortschritte der Physik. Braunschweig 1877, S. 83.<br />

13 Franz Reuleaux: Cultur und Technik. Wien 1884, S. 29.<br />

14 <strong>Art</strong>ikel «Accidens» in Félix Tourneux: Encyclopédie des chemins de fer et des machines<br />

à vapeur. Paris 1844, S. 3.<br />

15 Isidor Trauzl: Dynamite, ihre ökonomische Bedeutung und ihre Gefährlichkeit. Ein Wort<br />

zur Beachtung für Fachmänner und Laien. Wien 1876, S. 31ff.<br />

16 Zitat aus dem Referentenentwurf eines Votums für den preuß. Handelsminister vom<br />

8.7.1880, in Karl E. Born, Hansjoachim Henning und Florian Tennstedt (Hg.):<br />

Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914. Stuttgart<br />

et.al. 1993, Band I.2., S. 195.<br />

17 Unfallversicherungsgesetz zit. nach Horst Peters: Die Geschichte der sozialen<br />

Versicherung. Bonn, Bad Godesberg 1973, S. 61.<br />

18 Siehe dazu Thomas Brandstetter: Teufels Küche. Imaginationen terroristischer<br />

Laboratorien, Archiv für Mediengeschichte 9 (2009), S. 3-13.


Political Correctness<br />

Destroyed<br />

«Destroy» hat als geflügeltes Wort eine ganze Generation durch<br />

ihre Jugend begleitet, und in meinem Fall trotz der Tatsache, dass ich<br />

natürlich nicht Skateboarden konnte. Teils aus der der Skateboardnaheliegenden-<br />

Snowboardszene entliehen, ferner auch an die Lebens-<br />

einstellung der Grunge-Bewegung anknüpfend, war oder eigentlich ist<br />

sich eine ganze Generation von Jugendlichen in den 1980er und frühen<br />

90er Jahren einig unausgesprochen aber dennoch dezidiert einig ge-<br />

wesen, dass Zerstörung als effizienter kreativer Prozess bzw. Mittel ein-<br />

zusetzen sei, um Neues überhaupt erst nach dem gewaltsamen Ab-<br />

streifen historisch verinnerlichter Altlasten zu ermöglichen. In der Kultur,<br />

vor allem aber in der Jugendkultur war diese Strategie besonders<br />

sichtbar. Paradigmatische Figuren dafür sind für mich die Musikband<br />

Einstürzende Neubauten, der Filmemacher Rainer Werner Fassbinder<br />

(Deutschland im Herbst, 1978), oder Punk- und New-Wave-Bands wie<br />

DAF, Male, Mittagspause, Fehlbarben, Abwärts, die Tödliche Doris oder<br />

Minus Delta t: «Das Konzept von denen [Minus Delta t] war die absolute<br />

Antimusik. Die haben Leute beschmissen mit Fischkadavern, Einge-<br />

weiden von geschlateten Viechern, Mehl, Beton, mit allem, was man sich<br />

vorstellen kann. Der Sound war archaischer Krach. Unvorstellbar. Zur<br />

Mitte des Auftritts war der Ratinger H<strong>of</strong> leer. Da war kein Mensch mehr.<br />

Das haben die geschafft.» 1 Nicht zufällig nenne ich hier deutsche<br />

Kulturschaffende, denn letztendlich war und ist das historische Erbe in<br />

den geografischen Breitengraden bekanntlich besonders schwer. Der<br />

Besuch der Performa 11, dem angesagtesten Performance-Anlass der<br />

letzten 5 Jahre, der im November 2011 zum vierten Mal in New York<br />

stattfand, hat mir einmal mehr vor Augen geführt, dass zum einen<br />

gewisse Themen noch lange nicht abgehakt sein werden, zum anderen<br />

aber auch der sich als global wähnende Kunst- und Kulturzirkus eben<br />

doch seine lokalen Färbungen, Sensibilitäten und Tabus und dies be-<br />

sonders auf Ebene der Rezeption hat. Konkret geht es um eine Perfor-<br />

mance des deutschen Künstlers Jonathan Meese, die in der New Yorker<br />

Kunstszene auf sehr gemischte, kontrovers gestimmte Resonanz<br />

stiess. Ich möchte im Folgenden einige Überlegungen anstellen, warum<br />

das möglicherweise so war, vor allem aber auch, warum solche<br />

Performances mehr denn je nötig sind.<br />

Das 2004 von Rose Lee Goldberg gegründete Performance-<br />

Festival ist das wichtigste Performance-Festival Nordamerikas, und<br />

avancierte in den letzten Jahren zu einer der weltweit wichtigsten Veran-<br />

staltungen ihrer <strong>Art</strong> im Bereich der zeitgenössichen Kunst. Über 50<br />

Kuratoren und ebensoviele Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt<br />

sind daran beteiligt. Das Festival ist logistisch so angelegt, dass die<br />

Metropole New York sich als geographischer Inbegriff der Verschmelzung<br />

von Transdisziplinarität, Trans-, Multi- und Interkulturalität mit<br />

dem von Performance sehr gut eignet. So berühmte wie überraschende<br />

(weil nicht unbedingt mit Performance assoziierte) Namen wie<br />

Elmgreen & Dragset, Lili Reynaud-Dewar, Shirin Neshat, Gerhard Byrne,<br />

Dennis Oppenheim, Spartacus Chetwynd, Rainer Ganahl, Mai-Thu<br />

Perret oder Alison Knowles finden sich hier wieder. Und so bin ich also<br />

auf Jonathan Meese aufmerksam geworden, weil mir seine Performance<br />

wenig vertraut waren und mich interessierte, wie diese tenden-<br />

ziell doch eher auf eine europäische oder zumindest deutsche Ge-<br />

schichte und deren auf eine stark vorbelastetete Ikonografie rekurrie-<br />

rende Kunst „live“ in der vermeintlich welt<strong>of</strong>fensten Stadt rezipiert<br />

werden würde. Ein weitereres, den Filmfestival vergleichbares Merkmal<br />

von Performa ist, dass es zwar eine <strong>Art</strong> Hub, d. h. organisatorisches<br />

Zentrum gibt, die Veranstaltungen ansonsten aber auf unzählige Partner-<br />

institutionen und ihren Lokalitäten verteilt werden.<br />

Jonathan Meeses Beitrag war mit War ‘Saint Just (First Flash)’<br />

angekündigt, und fand in der Bortolami Gallery, einer jüngeren Galerie<br />

1. Meikel Clauss, «Diktator-Kinder», in: Jürgen Teipel, Verschwende Deine Jugend –<br />

Ein Doku-Roman über den deutschen Punk und New Wave,<br />

Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2001, S. 127.<br />

2. Klaus Theweleit, Männerphantasien, Bd. 2, Frankfurt am Main<br />

(Verlag <strong>Rote</strong>r Stern) 1978, S. 461.<br />

3. In Referenz an den legendären Besteller des Psychologen Joachim Maaz:<br />

Der Gefühlsstau – Ein Psychogramm der DDR, Berlin (Argon Verlag) 1990.<br />

4. Jonathan Meese, Totale Neutralität, Kunstraum Innsbruck 2008, unpaginiert.<br />

Impressum<br />

Die Zeitung der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong><br />

<strong>Dezember</strong> 2011<br />

Modes <strong>of</strong> Practice: <strong>Art</strong> <strong>of</strong> <strong>Destruction</strong><br />

Konzept & Design:<br />

Gregor Huber & Ivan Sterzinger<br />

www.glashaus.ch<br />

Redaktion:<br />

Etrit Hasler<br />

Mit Beiträgen von:<br />

Justin H<strong>of</strong>fmann, Richard Galpin, Roger Behrens,<br />

Mike Davis, Thomas Brandstetter und Cathérine Hug<br />

Auflage:<br />

3500<br />

im angesagten und von Jahr zu Jahr merklich <strong>of</strong>fenkundiger gentrifi-<br />

zierten Chelsea statt. Der Perfomancetitel war so mehr oder weniger<br />

das Einzige mit Ausnahme eines kurzen Statements, die vorab Auskunft<br />

über den Inhalt der Performance gaben: «TOTAL ART = TOTAL META-<br />

BOLISM <strong>Art</strong> is total play. All performances and speeches are based on<br />

Metabolism, instinct, breathing, sweating and shouting. All action is<br />

animalism. Babymeese screams, sleeps, plays and fights. Play, Play,<br />

Play… obey, obey, obey…» Das diese Zeilen begleitende Ankündigungsbild<br />

zeigt einen in einem speckigen grauen Mantel undefinierbarer<br />

Herkunft eingeschnürten Meese, der mit Sonnenbrille und inmitten<br />

seiner Bilder militaristisch salutiert. Pickantes Detail ist der rote Gurt,<br />

der umbequem eng und weit über den Hüften bzw. eher um den<br />

Brustkorb geschnürt ist und auch farblich so gar nicht zur restlichen<br />

«Komposition» des Bildes passen will. Die statische stolze Positur des<br />

Künstlers steht in einem scharfen Kontrast mit den dynamisch wilden<br />

Pinselstrichen seiner ihm umgebenden Bilder. Das grotesk anmutende<br />

Selbstporträt lässt die schizophrene Haltung Meeses erhahnen, die<br />

er generell gegenüber dem Kunstsystem hat und im Veranstaltungsprogramm<br />

mit den Begriffen «Kasperletheater» und «Dictatorship <strong>of</strong> <strong>Art</strong>»<br />

beschrieben wird.<br />

Am Abend der eigentlichen Performance finden wir dieses<br />

Szenario in grossen Zügen zwar wieder, einige wesentliche Details<br />

weichen jedoch von der fotografischen Vorlage ab: Meeses Oberköper<br />

ist nun nackt aber derselbe bedrohlich rote Gürtel schnürt sich um<br />

den Brustkorb des Künstlers, und verstärkt somit noch deutlich seine<br />

eher unvorteilhafte Figur. Der im Titel War ‘Saint Just (First Flash)’<br />

angekündigte Kreuzzug ist eine lauthalse Hasstirade auf das anwe-<br />

sende Publikum. Die Mehrheit der ZuschauerInnen, über 500 eng<br />

im Galerieraum eingepferchten und mehrheitlich KunstkennerInnen,<br />

sind über die Haltung Meeses konsterniert. Die Analogieherstellung<br />

zwischen dem dritten Reich und dem Kunstsystem wirkt für viele<br />

schmerzhaft absurd, für eine Mehrheit im Raum jedoch schlichtwegs<br />

inakzeptabel. Der Schockeffekt, den Meese zwar sicherlich ohnehin<br />

anstrebte, sitzt tief und scheint einen besonders wunden Punkt ge-<br />

tr<strong>of</strong>fen zu haben. Am Ausgang der Galerie, wo auch ich selbst mich<br />

irgendwann bald mal zurückziehen musste, stehen eine ganze Reihe<br />

mehrheitlich entnervte junger Frauen. Eine unter ihnen ist so fassungs-<br />

los, dass sie mit uns in ein zwanghaftes Gespräch kommt, um ihren<br />

Mitteilungsdrang freien Lauf zu lassen und meint bzw. befragt uns zum<br />

Geschehen, ob wir es nicht auch unzulässig fänden würde, die an-<br />

wesenden BesucherInnen mit einem cholerischen, an den deutschen<br />

Diktator und Demagogen erinnernden Ton zu beschimpfen. Ich selbst<br />

bin über die Reaktion dieser jungen Frau ziemlich überrascht, weil sie<br />

die selbstkritische, ironisch scharfe Selbstdemontage Meeses nicht<br />

erkennt. Obschon Meese hier, und wie er es im übrigen auch generell in<br />

seiner Kunst macht, auf eine absolut fragwürdige symbolkräftige<br />

Ikonografie zurückgreift, tut er dies ja keineswegs mit einer affirmativen<br />

sondern vielmehr in einer krass agonisierenden Haltung. Im Falle von<br />

War ‘Saint Just (First Flash)’ fiel mir zum Beispiel besonders die<br />

schmerzhaft drastische Demontage des Körpers, und insbesondere des<br />

männlichen Körpers auf. Meeses Performance steht in einem deutlich-<br />

en Bezug zu seiner Kindheit in einem Land, das mit seiner Geschichte<br />

noch lange nicht fertig sein wird, und wo trotz Aufarbeitung sich braune<br />

Spuren der Vergangenheit hartnäckig halten. Kein anderer hat dies<br />

besser beschrieben und analysiert als Klaus Theweleit in seinem zwei-<br />

bändigen, über tausend Seiten umfassenden Meisterwerk Männerphantasien<br />

– Zur Psychoanalyse des Weissen Terrors (1978) geäussert,<br />

und passend zur gespaltenen, frustrierten Geisteshaltung, welche<br />

Meese uns hier provokativ vorspielt, könnte man folgende Passage<br />

<strong><strong>Fabrik</strong>zeitung</strong><br />

Seestrasse 395<br />

Postfach 1073<br />

8038 Zürich<br />

zeitung@rotefabrik.ch<br />

Tel. +41/ 44 485 58 08<br />

Herausgeberin:<br />

IG <strong>Rote</strong> <strong>Fabrik</strong><br />

Seestrasse 395,<br />

8038 Zürich<br />

www.rotefabrik.ch<br />

Druck:<br />

Ropress Genossenschaft<br />

Baslerstrasse 106<br />

8048 Zürich<br />

zitieren: «Alles erobern, alles besitzen, Herr sein, weiter ziehen, weiter<br />

erobern und für den Kaiser schliesslich sterben. Herrlich, dass wäre es<br />

gewesen. [...] Und was bekam man die ganze Zeit wirklich? Man war<br />

gegängelter Schüler, gequälter Kadett, Geschliffener auf dem Kaser-<br />

nenh<strong>of</strong>, dann im Schlamm der Gräben im Krieg; und dann war man<br />

geschlagener Soldat, mehrfach verwundet. Es dauerte ein wenig lange<br />

mit den Festen. Schliesslich Angestellter in Grau, einer, den die Fett-<br />

säcke überhaupt nicht sahen, dem sie zu Weihnachten eine Zigarre<br />

spendieren liessen.» 2 Wenn ich mir die Arbeiten und diese konkrete<br />

Performance von Meese anschaue, ergreift mich plötzlicher Ekel und<br />

ich frage mich, was in diesem Typen vorgeht. Vermutlich so wie es<br />

gerade mir selbst bei der Betrachtung seiner Performance erging, nur,<br />

dass es bei Meese manchmal einen Dauerzustand zu sein scheint.<br />

Mir kommt es so vor, als müsste er den so verhassten Gegenstand<br />

seiner Analyse regelrecht einverleiben, und ihn in einer <strong>Art</strong> konvulsorischen<br />

Haltung zu «verdauen» und wieder auszukotzen. In Analogie zur<br />

Passage aus Theweleits Analyse der Frustration einfacher Soldaten<br />

nach dem Weltkrieg könnte man mit einer „gefühlgestauten“ 3 und nun<br />

an die Oberfläche des Unbewussteins heraufschiessenden Äusserung<br />

Meeses anschliessen: «Wir leben in der Zeit des Massenindividualismus,<br />

nichts wird höher bewertet als Selbstverwirklichung um jeden Preis.<br />

Nur der eigene Popo wird als Massstab betrachtet und befragt, dieser<br />

mickrige Meinungsfanatismus erzeugt stinkende Ohnmacht, überall.» 4<br />

Es erweckt den Anschein, als stiesse die Diskussion, welche Meese<br />

hier anregen möchte, nicht auf besonderen Nährboden in Nordamerika.<br />

Die Thematik des von totalitären Systemen zuerst konstruierten und<br />

dann instrumentalisierten Körpers als Sinnbild einer autoritären Macht-<br />

ausübung, die latent immer noch bruchstückartig in unserer gegenwärtigen<br />

Gesellschaft vorhanden ist, wird an der Performa in New York<br />

von vielen als Affirmation missverstanden. «Political Correctness»<br />

besagt, dass man gewisse Gesten, Wörter, Zeichen oder Symbole gar<br />

nicht erst in den Mund nehmen oder abbilden darf, um Konfliktherde<br />

zu meiden. Und in der Tat: In Immigrationsländern wie den USA oder<br />

Kanada würden ohne den Konsens der Political Correctness der<br />

zwischenmenschliche Umgang kaum möglich sein und das friedliche<br />

Zusammenleben massgeblich erschwert. Nun sind aber mal Konflikte<br />

auf dem virtuellen Niveau des Intellekts auch notwendig, um gewisse<br />

Themen zu verarbeiten. Worüber Meese spricht, sind Fragen nach<br />

dem individuellen Umgang mit der Kollektivschuld, ob es eine solche<br />

gibt, und wenn ja, wieviel nachfolgende Generationen davon zu tragen<br />

haben, um eine, wenn auch noch partielle Wiederholung der Geschichte<br />

zu vermeiden. Was wollte Meese mit War ‘Saint Just (First Flash)’ über<br />

den Schockeffekt hinaus bei den BesucherInnen bewirken? Gleichzeitig<br />

stellt sich die Frage, wie Meeses zwar provokative aber meines Er-<br />

achtens doch deutliche Dekonstruktion Deutscher Nazi-Ikonografie<br />

derart falsch und zwar nicht als ihr affirmatives Gegenteil missverstanden<br />

werden? Aber vielleicht ist es aber auch einfach wie mit dem<br />

Punk: Auch er hat nicht überall auf der Welt gut funktioniert.<br />

von Cathérine Hug<br />

16

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