Netzwerk Südbaden - Oktober 2015
Netzwerk Südbaden - Oktoberausgabe 2015
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Titel<br />
Vier Alte. Kein Junger.<br />
sen worden ist. Einig war man sich in Baden-Baden<br />
allerdings, dass Deutschland<br />
endlich den Schritt in Richtung eines<br />
Einwanderungslandes gehen müsse. Nur<br />
so lasse sich das Problem der Migranten<br />
lösen, nur so könne der Staat darüber<br />
bestimmen, wer einreisen darf und wer<br />
nicht – verfolgte Menschen aus Kriegsgebieten<br />
nicht inbegriffen.<br />
2060 werden 150.000 Hundertjährige<br />
in Deutschland leben, 60 Prozent davon<br />
nicht in Heimen, 10 Prozent werden sogar<br />
nicht einmal auf fremde Hilfe oder<br />
Pflege angewiesen sein. Kann man so<br />
was ausrechnen? Man kann, zumindest<br />
ist der Demografie-Experte Dr. Sven-<br />
Olaf Obst vom Bundesministerium für<br />
Familie, Senioren, Frauen und Jugend<br />
zu solchen Zahlen gekommen, wie belastbar<br />
sie letztlich auch sein mögen. Sie<br />
verdeutlichen zunächst einmal eines: die<br />
Menschen werden immer älter und sie leben<br />
länger. Kürzlich war diese Problematik<br />
der Alternden Gesellschaft Thema des<br />
Kommunalforums des Baden-Württembergischen<br />
Sparkassenverbandes, immerhin<br />
versehen mit dem Untertitel „Herausforderung<br />
und Chance“ – ein kühner<br />
Titel, ganz nebenbei. Die Chancen dieser<br />
alternden Gesellschaft sind wohl eher als<br />
marginal zu verbuchen, die Herausforderungen<br />
hingegen gigantisch. Das haben<br />
Demografie-Experten wie der Freiburger<br />
Volkswirtschaftler und Rentenexperte<br />
Professor Dr. Bernd Raffelhüschen oder<br />
der Geschäftsführer des „Denkwerks Zukunft“,<br />
Professor Dr. Meinrad Miegel<br />
ziemlich dramatisch verdeutlicht. Und<br />
dazu kommt die Wirklichkeit dieser<br />
Tage: Menschen, die nach Deutschland<br />
kommen, weil sie vor Krieg fliehen oder<br />
vielleicht nur einfach besser leben wollen<br />
– es sind möglicherweise allein <strong>2015</strong><br />
Raffelhüschen:<br />
Wir sind das Problem,<br />
wir haben es verbockt<br />
insgesamt 1,5 Millionen Frauen, Männer<br />
und Kinder, vielleicht mehr, vielleicht<br />
weniger. „Es gibt keinen Anlass zur Resignation,<br />
aber es wird alles sehr anders<br />
sein in den nächsten Jahren. Man kann<br />
das schönreden, oder die Wirklichkeit<br />
anerkennen“, sagt Professor Miegel. Anders<br />
wird es aus vielen Gründen: die Zuwanderung<br />
wird sicher nicht abnehmen,<br />
aber es müssten netto eigentlich um die<br />
3,5 Millionen Menschen jährlich sein,<br />
um ausgleichen zu können, was durch<br />
die Überalterung der deutschen Gesellschaft<br />
ausgelöst wird – eine Annahme,<br />
die ja auch nicht sehr beruhigt. 800.000<br />
Menschen sind während der Jugoslawienkrise<br />
1993 in die Arbeitsmärkte zugewandert,<br />
dazu später Hunderttausende<br />
aus Osteuropa, eingewandert in ein<br />
Land, das nicht einmal Regeln für die<br />
Einwanderung hat. Im Nachhinein lässt<br />
sich feststellen, dass es keine Katastrophe<br />
gegeben hat, im Gegenteil: die Integration<br />
hat meistens funktioniert, in jeder<br />
Hinsicht. Auch zum Beispiel darin, dass<br />
Migranten nun ihre Kinderzahl auf einen<br />
Level begrenzt haben, der dem deutschen<br />
nicht nachsteht.<br />
Fakt ist eben, dass Deutschland so oder<br />
so ein alterndes Land ist. „Wir sind das<br />
Problem, wir haben es verbockt“ hat Professor<br />
Raffelhüschen den Teilnehmern<br />
des Kommunalforums <strong>2015</strong> im Baden-<br />
Badener Kongresshaus zugerufen. Die<br />
Angesprochenen: viele Bürgermeister aus<br />
Baden-Württemberg, viele Manager der<br />
Sparkassen im Ländle, so zwischen 30<br />
und 60 Jahren alt. Und die haben es verbockt?<br />
Wohl schon, gehören die meisten<br />
doch den Jahrgängen an, deren Reproduktionsrate<br />
dramatisch abgesunken ist.<br />
Nur in den Bombennächten des Zweiten<br />
Weltkriegs seien genauso wenig Kinder<br />
geboren worden wie in den vergangenen<br />
zwei Jahrzehnten, so hat es Raffelhüschen<br />
verdeutlicht. Man sieht es deutlich<br />
an der Alterspyramide, die längst keine<br />
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