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Hinz&Kunzt 273 November 2015

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Das Hamburger<br />

Straßenmagazin<br />

N O <strong>273</strong><br />

11.15<br />

2,20 Euro<br />

Davon 1,10 Euro<br />

für unsere Verkäufer<br />

Die Rampensau<br />

Charly Hübner über seine Kindheit in der DDR, seinen<br />

Ärger über Pegida und seinen Ruhepol: die Elbe


Die neue Ausgabe: Jetzt am Bahnhofskiosk, auf<br />

greenpeace-magazin.de oder telefonisch unter<br />

040 / 808 12 80 - 80. Auch im günstigen Jahresabo<br />

für nur 33,50 Euro mit exklusiven Prämien.<br />

Im Recyclingparadies Deutschland<br />

wachsen die Müllberge<br />

KLIMA: VORDENKER FÜR NACHMACHER – GRÜNE ERFINDUNGEN<br />

LANDWIRTSCHAFT: IMPORTSKLAVEN FÜR EXPORTGEMÜSE<br />

Foto: Jan Kornstaedt


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Inhalt<br />

Titel: Ob fürs Theater oder Fernsehen –<br />

CHARLY HÜBNER ist in jeder Rolle brillant.<br />

TITELBILD: DANIEL CRAMER<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

2,20 Euro haben Sie für diese Ausgabe bezahlt. Die Preiserhöhung war nach vier<br />

Jahren leider wegen steigender Kosten nötig. Dafür haben wir aber auch mehr zu<br />

bieten. Wir hoffen, Sie haben Freude daran. Wir sind begeistert von unserem neuen<br />

Cover mit festerem Papier und dem Schauspieler Charly Hübner vorne drauf. Wir<br />

haben mit ihm über seine Kindheit in der DDR, seine Familie und Pegida gesprochen<br />

(Seite 46). Stolz sind wir auf unsere neue Serie: die Stadt-Expedition (Seite 17).<br />

Die haben sich übrigens unser Geschäftsführer Jens Ade und Vertriebsleiter Christian<br />

Hagen ausgedacht. Die monatlichen Touren passen prima zu uns: Niemand kennt<br />

Hamburgs Straßen besser. Auftakt ist eine Street-Art-Tour, bei der Sie uns sogar treffen<br />

können. Und wir starten mit Gut&Schön (Seite 4/5): mit kleinen, positiven Meldungen.<br />

Mehrere grüne Kolumnen (Seiten 5, 11, 29) sind im Heft verteilt: Das können<br />

Interviews, kleine Geschichten oder auch Erlebnisse sein. Und jeden Monat<br />

stellen wir einen Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Koch und sein Rezept (Seite 56) vor.<br />

Ihr Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Team<br />

Stadtgespräch<br />

04 Gut&schön<br />

Nur gute Nachrichten aus unserer<br />

oft nicht schönen Welt<br />

06 Mitten unter uns<br />

Dieter, Victoria und Aleksander:<br />

Porträts von Menschen, die unter<br />

Hamburgs Brücken leben<br />

12 Zahl des Monats<br />

TTIP und die Pharma-Lobby<br />

14 Die Neue<br />

Begegnung mit der neuen Sozialsenatorin<br />

Melanie Leonhard<br />

Fotoreportage<br />

30 Äthiopierin auf Heimatbesuch<br />

Tiruye Mullat wurde in Berlin am<br />

Herzen operiert – nun sah sie ihr<br />

Dorf wieder<br />

Freunde<br />

42 Unter den Hammer<br />

Versteigerung bei Lauritz.com<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

46 Die Rampensau<br />

Schauspieler Charly Hübner<br />

06<br />

30<br />

22 Olympi-Ja?<br />

Zum Referendum: Interview mit<br />

HWWI-Chef Henning Vöpel –<br />

und andere Stimmen<br />

50 Leid trifft auf Liebe<br />

Schubert-Abend für Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

52 20 Tipps für den <strong>November</strong><br />

FOTOS: MARKUS HUTH, LENA MAJA WÖHLER, MARTIN KATH<br />

26 Es hilft, nicht alleine zu sein<br />

Hinz&Künztler auf der Konferenz<br />

der Straßenkinder in Berlin<br />

38 Sprechende Mauern<br />

Jobcenter setzen auf Callcenter –<br />

zum Nachteil der Hilfesuchenden<br />

Stadtexpedition<br />

17 #1: Die Street-Art-Tour<br />

Unterwegs mit Alex Heimkind<br />

von der OZM-Galerie<br />

56 Köchin des Monats<br />

Beatrice Blank kocht Kürbis<br />

mit Bums<br />

58 Momentaufnahme<br />

Hinz&Künztler Reiner<br />

Rubriken<br />

5, 11, 29 Kolumnen<br />

16, 21 Meldungen<br />

44 Leserbriefe<br />

57 Rätsel, Impressum<br />

26<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk


Gängeviertel<br />

380 Genossen<br />

haben inzwischen 723 Anteile für die Gängeviertelgenossenschaft<br />

gezeichnet. Weitere 438<br />

Interessenten haben Anträge abgegeben, aber<br />

die Anteile in Höhe von insgesamt je 550 Euro<br />

noch nicht bezahlt. Die Genossenschaft<br />

benötigt allerdings gerade jetzt Geld, um das<br />

soziokulturelle Zentrum des Gängeviertels<br />

finanzieren zu können. Die „Fabrik“ eröffnet in<br />

diesem Monat. „Es geht jetzt ans Eingemachte“,<br />

sagt Vorstandsmitglied Claudia Pigors. Anfang<br />

Oktober hatte die Genossenschaft mit der<br />

Stadt den Mietvertrag unterzeichnet. BELA<br />

•<br />

Mehr Infos unter: www.das-gaengeviertel.info


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Gut&Schön<br />

Kolumne<br />

Die gute<br />

Nachricht<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (2), KSM GMBH, WWW.WILLKOMMENSABC.DE, HANS-RUDOLF SCHULZ<br />

die Pfandregale zur Verfügung<br />

„Eine Grenze für faires Wirtschaften<br />

gibt es nicht.“ UJO<br />

gestellt, weil Sammler in die Tonnen<br />

nicht hineingreifen können. BELA<br />

•<br />

Mehr Infos: www.manomama.de<br />

•<br />

„Anfangs sind wir belächelt<br />

worden. Mittlerweile nimmt<br />

man uns ernst“, sagt Sina<br />

Bild des Monats<br />

Trinkwalder stolz. In nur<br />

fünf Jahren hat die 37-jährige<br />

ehemalige Werberin in Augsburg<br />

das erfolgreiche Sozial-<br />

Richard Gere auf der Straße<br />

Hollywoodstar undercover: In seinem neuen Film<br />

unternehmen „Mano mama“<br />

„Time out of Mind“ spielt Richard Gere einen<br />

aufgebaut. Dort verkauft sie<br />

Pullover, Hosen, T-Shirts und<br />

Obdachlosen. Bei den Vorbereitungen auf die Rolle<br />

Kleider, gefertigt aus regionalen<br />

Materialien und zu fairen<br />

haben ihn die Verkäufer von Straßenzeitungen besonders<br />

beeindruckt. „Diese Leute sind echte Helden.<br />

Bedingungen.<br />

Genäht werden die besonderen<br />

Kleidungsstücke<br />

Sie schaffen es, sich selbst aus einem tiefen Loch zu<br />

ziehen, weil sie Hilfe annehmen können“, sagt er. LEU/INSP<br />

•<br />

meist von Frauen, die auf<br />

dem Arbeitsmarkt keine<br />

Chance hatten, etwa weil sie<br />

älter sind oder schlecht ausgebildet.<br />

100 Pfandregale für die City<br />

Erleichterung für Pfandsammler:<br />

An 100 der insgesamt 150 Big-<br />

Belly-Mülleimern in der City wird<br />

die Stadtreinigung Pfandregale anbringen.<br />

50 sind bereits installiert<br />

Willkommens-Abc<br />

als Bilderbuch<br />

26 Buchstaben, 150 wichtige<br />

Wörter für den Alltag:<br />

Das Willkommens-Abc<br />

bietet mit schönen<br />

Illustrationen einen<br />

leichten ersten Zugang<br />

zur deutschen Sprache. Das<br />

ist vor allem für Flücht lings kinder<br />

und ihre Familien wichtig.<br />

Das Bilderbuch kann unter<br />

www.willkommensabc.de kostenlos<br />

als PDF, eBook und App heruntergeladen<br />

werden. 26 Illustratoren<br />

aus der arsEdition haben das Abc<br />

honorarfrei<br />

In anderen deut-<br />

schen Städten verdienen Näherinnen<br />

kaum Mindestlohn,<br />

bei „Manomama“ liegt der<br />

Lohn bei mindestens zehn<br />

Euro brutto die Stunde.<br />

„Meine Ladys“ nennt Sina<br />

Trinkwalder ihre inzwischen<br />

154 Mitarbeiterinnen<br />

gerne (unter ihnen sind auch<br />

einige Männer). Lieber überlegt<br />

sie, welche Aufträge zu<br />

ihnen passen könnten, als<br />

welche zu entlassen. Nun<br />

wird sie gleich doppelt ausgezeichnet:<br />

mit dem Bundesverdienstkreuz<br />

und dem Deutschen<br />

Fairness Preis. Die<br />

worden, so ein Sprecher der<br />

gestaltet.<br />

Umweltbehörde: „50 weitere werden<br />

LEU<br />

•<br />

Unternehmerin sieht das als<br />

derzeit beschafft.“ Der Senat hatte<br />

„Anerkennung“ – und tüftelt<br />

vor einem Jahr 100.000 Euro für<br />

an neuen Projekten, denn:<br />

5


Mitten<br />

unter uns<br />

Regen, Wind und Kälte – für viele Obdachlose<br />

bieten Brücken den einzigen Schutz. Die<br />

Fotografin Lena Maja Wöhler kennt zahlreiche<br />

der Hamburger Brückenbewohner. Bei<br />

ihren Besuchen holt die 28-Jährige manchmal<br />

die Kamera heraus – eine Annäherung.<br />

Bernah: Abendbrot aus der Alster<br />

Zeltlager unter der Kennedybrücke: Ein älterer Mann, von dem nur<br />

der Oberkörper aus einem Zelt schaut, isst einen Joghurt. Wir schauen<br />

uns neugierig an, und ich bleibe stehen. Der Anblick des Zeltes<br />

mit der strukturierten Ordnung eines Zuhauses fasziniert mich,<br />

ebenso wie sein Bewohner. Blumenzwiebeln stehen in einem Topf,<br />

daneben, ordentlich, ein Paar Sandalen. Ich möchte dem Mann nicht<br />

das Gefühl geben, eine Schaulustige zu sein, die einfach ein Foto<br />

von seinem Zuhause macht. Ich frage, ob ich eines machen darf und<br />

zeige auf meine Kamera. Er nickt und legt den Joghurt beiseite.<br />

Anschließend gehe ich zögerlich zu ihm. Ich biete ihm etwas von<br />

meinem Tabak an. Er nimmt das ganze Päckchen und steckt es in seine<br />

Hosentasche. Ich versuche unbeholfen, das Missverständnis aufzuklären.<br />

Sein Deutsch ist gebrochen, und als er versteht, lacht er und<br />

gibt mir den Tabak zurück. Dann steht er auf, nimmt seine Angel und<br />

6


setzt sich ans Ufer. Ich setze mich still neben den Fremden ans Wasser.<br />

Sein Name ist Bernah.<br />

Begeistert schaue ich zu, wie er seelenruhig die Angel auswirft.<br />

Er beginnt in einer Deutsch-Englisch-Polnisch-Sprache mir zu erzählen,<br />

dass er jeden Tag sein Abendbrot hier fängt. Er kommt aus Polen<br />

und ist dieses Jahr 70 geworden. Sein Rücken ist der Körperteil, der<br />

sich am meisten gegen das Zelten sträubt. In Hamburg sucht er Arbeit.<br />

Er ist gelernter Kirchenrestaurator. Doch meistens ist es nur eine<br />

Tagesbeschäftigung auf einer Baustelle, die sich ihm bietet. Erst am<br />

Ende unserer Unterhaltung erfahre ich, dass er einst alles verloren<br />

hat. Seine Frau und seine Kinder sind bei einem Unglück verstorben.<br />

Seitdem hält er es an einem Ort nicht mehr lange aus. Er mag das<br />

Gefühl eines „Zuhauses“ nicht. Zu sehr schmerzt die Vorstellung, es<br />

wieder zu verlieren. Die Frage, ob er sich trotzdem danach sehnt,<br />

stelle ich nur mir selbst und beantworte sie mir mit dem Bild von den<br />

liebevoll positionierten Blumenzwiebeln vor seinem Zelt.<br />

•<br />

7


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

Dieter: Die Freiheit auf der Platte<br />

Ein Ausflug zur Kleinen Alster: Auf einer Mauer, die<br />

von der Sonne aufgewärmt ist, sitzt Dieter. Er ist 63<br />

Jahre alt und hat davon 30 Jahre auf der Platte verbracht.<br />

Viele Bücher könnte er mit seinen Geschichten<br />

füllen, aber dafür erzählt er sie zu ungern. Die<br />

meisten handeln von Enttäuschung und Verlust. Die<br />

Freiheit, die das Leben auf der Platte mit sich bringt,<br />

möchte er nicht missen. Diese Freiheit liebt er.<br />

Sein Tagesablauf ist geregelt: In der Woche<br />

steht er um 8 Uhr auf und geht zu Hinz&<strong>Kunzt</strong>, um<br />

seine Zeitungen für den Tag abzuholen. Sein Verkaufsplatz<br />

ist bei der U-Bahn-Station Rathaus, Ecke<br />

Mönckebergstraße, direkt vor SportScheck. Das ist<br />

ihm wichtig zu sagen, denn er verkauft nur wenige<br />

Zeitungen. Das liegt vielleicht an seiner ruhigen Art.<br />

Er stellt sich nicht gerne in den Vordergrund. Bis ungefähr<br />

18 Uhr steht er an seinem Platz. Dann geht es<br />

zurück nach Hause: in ein grünes Zwei-Personen-<br />

Zelt. Am Wochenende gibt es abends ein paar Bier.<br />

So vergehen die Wochen und Monate. Dieter<br />

sagt: „Es geht so lange, wie es geht“, und damit<br />

meint er das Leben auf der Platte und seine Angst,<br />

dass es irgendwann vielleicht nicht mehr geht. Er<br />

lädt mich zu einem Bier ein und erlaubt mir, ihn zu<br />

fotografieren. „Oh, gucke ich immer so grimmig?“<br />

Nachdenklich fügt er hinzu: „Vielleicht verkaufe ich<br />

deshalb so wenig Zeitungen.“ Dann lacht er. Das erkennt<br />

man daran, dass sein Rauschebart auf und ab<br />

wippt und seine blauen Augen schimmern.<br />

•<br />

Victoria: Leben als Mutprobe<br />

Victoria ist die erste Frau, die ich auf der Platte erlebe.<br />

Sie ist 17 Jahre alt und erzählt mir, dass es ja<br />

ganz logisch ist, dass es nicht viele Frauen auf der<br />

Straße gibt. Das Risiko von Gewalt und Vergewaltigung<br />

bringt viele dazu, bei Freunden oder Bekannten<br />

zu schlafen. So macht Victoria es selber. Zur<br />

Zeit schläft sie bei ihrem Freund Olli unter der<br />

Oberhafenbrücke.<br />

Victoria lebt auf der Straße, weil die neue<br />

Freundin ihres Vaters sie nicht mochte. Immer öfter<br />

gab es Streit. Irgendwann ist sie nicht mehr nach<br />

Hause gegangen. Wenn der Winter kommt, wollen<br />

Olli und sie zusammen in den Süden. „Vielleicht in<br />

Italien Platte machen …“, sagt sie und grinst.<br />

Letzte Woche ist sie von der Brücke in die Elbe<br />

gesprungen, daher der Verband am Fuß. Eine Mutprobe.<br />

Dann gehört man dazu. Olli will ihr zu ihrem<br />

18. Geburtstag ihren ersten eigenen Hund besorgen<br />

– als zusätzlichen Beschützer. „Dann wird noch<br />

mal alles anders.“ So wie sie es sagt, klingt es wie<br />

ein Versprechen. Ich nicke und gebe ihr meines:<br />

dass ich nur ein Foto von ihren Füßen mache.<br />

•<br />

8


Saitan: Romantiker und Casanova<br />

Ein Donnerstag, irgendwann im Sommer: Ich hatte von der Kersten-<br />

Miles-Brücke gehört, einem altbekannten Treffpunkt und Zuhause<br />

von Obdachlosen. Davon wollte ich mir ein Bild machen und fuhr hin.<br />

Ein Mann, der gerade Gitarre spielte, freute sich über meinen Besuch.<br />

Er stellte sich mir als Saitan vor. Den Namen hätten ihm Freunde gegeben,<br />

als Mischung aus seiner Gabe, wie der Satan Gitarre spielen zu<br />

können, und dem Wort „Saiten“.<br />

Saitan erzählte mir, wie er im letzten Winter in einer der Notunterkünfte<br />

Hamburgs Schutz vor der Kälte gesucht hatte. Eines Nachts<br />

klaute man ihm dort sein geliebtes Instrument. Daraufhin ging er so<br />

lange Pfandflaschen suchen, bis er sich eine gebrauchte Gitarre leisten<br />

konnte. Seine alte Gitarre aber sei wie eine schöne Frau an seiner<br />

Seite gewesen. Die Neue und er würden sich noch nicht vertrauen.<br />

Um das zu ändern, hatte er sich etwas einfallen lassen: Jeder, der an<br />

der Kersten-Miles-Brücke vorbeigeht und etwas in die Spendenbox<br />

wirft, bekommt von ihm ein spontan kreiertes Lied vorgespielt. Ich<br />

selbst konnte beobachten, wie er für eine Frau die Melodie von „Pretty<br />

Woman“ anstimmte und sang: „Schöne Frau im bunten Kleid, danke<br />

für deine Spende und genieß den Tag und die Sonnenstrahlen.“<br />

Ja, Saitan ist definitiv ein Romantiker und Casanova. Meinen<br />

Eindruck bestätigte er, als er mir erzählte, dass er in Ungarn sieben<br />

Kinder von vier unterschiedlichen Frauen habe. Er vermisse zwar die<br />

Kinder. Aber die Liebe zu Frauen, die gebe es für ihn nur noch in<br />

Gitarrenform.<br />

•<br />

9


Aleksander: Immer der<br />

Arbeit hinterher<br />

Zwei Betten, Stühle, Radio, ein kleines<br />

Schränkchen und ein gemaltes Bild – das<br />

Zuhause von Aleksander gleicht in seiner<br />

Großzügigkeit einem Loft und doch liegt es<br />

nur unter einer Brücke. Direkt an der Elbe mit<br />

ausreichend frischer Luft. Aleksander kommt<br />

aus Polen und wohnt dort zusammen mit seinem<br />

Freund Wiktor. Die beiden verkaufen direkt<br />

vor Ort Bücher, Schallplatten, DVDs und<br />

VHS-Kassetten. Den Preis bestimmt der<br />

Käufer selbst.<br />

Aleksander erklärt mir, dass es ihm wichtig<br />

sei, nicht zu betteln. Er möchte lieber tauschen.<br />

Er ist still und zurückgezogen, so mag<br />

er es am liebsten. Er erlaubt mir trotzdem,<br />

dass ich ein Foto von ihm mache. Intuitiv gehe<br />

ich ein paar Schritte zurück. Das Bild zeigt die<br />

10<br />

Distanz, die Aleksander gerne zu den Menschen<br />

wahrt.<br />

Immerhin erzählt er mir, dass sein Freund<br />

Wiktor gerade auf der Suche nach einem Job<br />

ist. Aleksander bleibt so lange beim Hab und<br />

Gut. Die beiden wechseln sich immer ab. Bald<br />

wollen sie weiterziehen. Die Brücke bietet<br />

nicht genug Schutz im Winter. „Milego Dnia“<br />

sagt Aleksander, was so viel heißt wie: „Schönen<br />

Tag noch.“<br />


Fünf Fragen an<br />

Maik Stolze<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Wie geht es Ihnen in Ihrem<br />

Minizuhause?<br />

MAIK STOLZE: Gut! Ich hab da ja alles drin. Elektroheizung<br />

und Strom von der Solaranlage auf<br />

dem Dach. Kochen tue ich auf einem Gaskocher<br />

und zum Duschen gehe ich in die Oase<br />

(Anm. der Red.: eine Obdachloseneinrichtung in Köln).<br />

Ist es nicht trotzdem ein bisschen zu eng?<br />

Wieso? Ich hab 1,47 Quadratmeter. Ich kann<br />

in meinem „Homer S <strong>2015</strong>“ schlafen, mich<br />

drehen und auch sitzen. Der Anhänger ist an<br />

der höchsten Stelle immerhin 1,30 Meter hoch.<br />

Wieso leben Sie überhaupt in diesem Wohnwagen?<br />

Ich hatte einen Herzinfarkt. Und danach<br />

konnte ich als Selbstständiger in meinem Job<br />

nicht mehr arbeiten. Vom Amt kam keine Hilfe,<br />

und meine Schulden wurden immer mehr.<br />

Irgendwann war mir klar, dass ich die Wohnung<br />

nicht halten kann. Zum Glück hatte ich<br />

damals einen Fahrradkeller. Da habe ich den<br />

Anhänger zusammengebaut. Ich bin ja gelernter<br />

Schlosser und Allroundhandwerker. Ich<br />

könnte ein ganzes Haus alleine bauen. So ist es<br />

erst mal der „Homer S <strong>2015</strong>“ geworden. Als<br />

der fertig war, bin ich aus der Wohnung raus.<br />

Die Texte zu Bernah und Co. haben wir gekürzt abgedruckt. Wer sich für<br />

die längeren Versionen und weitere Treffen mit Brückenbewohnern interessiert,<br />

kann unter www.hinzundkunzt.de/brueckenbewohner nachlesen.<br />

Lena Maja Wöhler, 28, hat Fotodesign und Fotojournalismus in Hamburg<br />

studiert. Seit 2013 arbeitet sie als freiberufliche Fotografin in den Bereichen<br />

Reportage-, Reise-, People- und Porträt-Fotografie.<br />

Für Hinz&<strong>Kunzt</strong> wird sie ab Dezember eine neue Serie betreuen:<br />

Hamburger Begegnungen. Dafür liefert sie Kurzporträts von Menschen<br />

wie du und ich. Mehr Infos über die Fotografin unter www.lenawoehler.com<br />

Wie haben Sie den Wohnwagen denn aus dem<br />

Fahrradkeller bekommen?<br />

Der wiegt ja nur 35 Kilo. Ich ziehe den mit<br />

dem Fahrrad hinter mir her. Momentan stehe<br />

ich aber auf dem Parkplatz vom Landschaftsverband<br />

Rheinland. Die Leute da sind sehr<br />

nett zu mir. Manchmal bringt mir sogar jemand<br />

Frühstück vorbei. Und in meinen kleinen<br />

Postkasten stecken mir die Kölner Fanpost<br />

rein. (lacht) Ich bin eine Touristenattraktion!<br />

Haben Sie keine Angst vorm Winter?<br />

Ich sehe das gelassen. Mein Homer ist voll isoliert.<br />

Momentan brauche ich nicht mehr. Das<br />

wird aber sicher nicht immer so bleiben. ABI<br />

•<br />

Maik Stolze, 46, lebt seit Juni in seinem Mini-Anhänger<br />

in Sichtweite zur Hohenzollernbrücke in Köln.<br />

FOTO: PICTURE ALLIANCE/DPA/OLIVER BERG<br />

11


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Zahlen des Monats<br />

TTIP: Die Macht der<br />

Pharma-Lobby<br />

40 Millionen<br />

Euro mindestens gibt die Pharma-Industrie jährlich für ihre Lobby-Arbeit in<br />

Brüssel aus, um die Gestaltung des Freihandelsabkommens TTIP nach ihren<br />

Wünschen zu beeinflussen. Bürgerinitiativen und Verbraucherschützern stehen<br />

dagegen nur 2,7 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung. Das zeigt eine Studie<br />

zweier Nichtregierungsorganisationen, deren Autoren das Transparenzregister der<br />

Europäischen Union (EU) ausgewertet haben. Da die Angaben in dem Register<br />

freiwillig erfolgen, dürften die tatsächlichen Ausgaben deutlich höher liegen.<br />

Allein der größte Pharmaverband European Federation of Pharmaceutical<br />

Industries and Associations (EFPIA) steigerte seine Ausgaben zwischen 2011 und<br />

2014 fast um das Zehnfache: von rund 570.000 Euro auf fünf Millionen Euro<br />

jährlich. Laut Studie betreibt der Verband ein immer aggressiveres Lobbying<br />

bei Vertretern der Europäischen Union. Allein zwischen <strong>November</strong> 2014 und<br />

Mitte März <strong>2015</strong> trafen sich EFPIA-Lobbyisten mehr als 50-mal mit Vertretern<br />

der Europäischen Kommission.<br />

Die Pharmaindustrie versuche, die Auflagen bei der Entwicklung von Medikamenten<br />

zu beschränken, damit sie ihre Produkte schneller auf den Markt bringen<br />

und mehr Geld verdienen könne, so die Autoren. Dies sei aber nicht im öffentlichen<br />

Interesse, weil mit kürzeren Tests die Sicherheit auf der Strecke bleibe.<br />

Zudem versuchten die Lobbyisten den öffentlichen Zugang zu den Ergebnissen<br />

klinischer Studien zu beschränken, indem sie diese zu „Geschäftsgeheimnissen“<br />

erklärten. Auch sehe die Pharmaindustrie die Chance, im Rahmen des Freihandelsabkommens<br />

längere Monopole für ihre Medikamente zu erreichen und so<br />

höhere Preise zu erzielen. EU-Länder, die sich gegen längere Schutzfristen für<br />

Arzneimittel aussprechen, könnten von Konzernen auf entgangene Gewinne<br />

verklagt werden, so die Befürchtung der Autoren – vor den umstrittenen Internationalen<br />

Schiedsgerichten, die im Rahmen von TTIP eingeführt werden sollen.<br />

Die EU und die USA verhandeln seit 2012 über das Freihandelsabkommen TTIP.<br />

Befürworter versprechen sich davon wirtschaftliches Wachstum, Kritiker<br />

befürchten den Abbau sozialer und ökologischer Standards. •<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />

Mehr Infos im Internet unter www.huklink.de/powerlobby, www.huklink.de/eu-transparenzregister und www.huklink.de/ttip-kurzinfo<br />

13


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) war vorher eher<br />

Politikerin der ZWEITEN REIHE. Anerkennung hat sie sich im<br />

Untersuchungsausschuss zum Tod der kleinen Ya mur erarbeitet.<br />

Die Neue<br />

Die Historikerin und SPD-Bürgerschaftsabgeordnete<br />

Melanie Leonhard ist die Nachfolgerin von Polit-Profi Detlef Scheele (SPD).<br />

Eine erste Begegnung mit der neuen Sozialsenatorin.<br />

TEXT: BIRGIT MÜLLER; FOTO: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

Das war ein Sprung ins kalte<br />

Wasser: Melanie Leonhard,<br />

bislang stellvertretende<br />

SPD-Landes- und stellvertretende<br />

Fraktionsvorsitzende, wurde<br />

am 1. Oktober als Nachfolgerin von Polit-Urgestein<br />

und Sozialsenator Detlef<br />

Scheele (SPD) vereidigt. Gerissen hat<br />

sich die Frau aus der zweiten Reihe<br />

nicht um den Job. Bis zum Schluss war<br />

unklar, ob die 38-jährige Historikerin<br />

zusagen würde, die größte Hamburger<br />

Behörde zu übernehmen. Zwei Wochen<br />

nach Amtsantritt besucht sie uns in der<br />

Altstädter Twiete. Die Bude ist voll. Sie<br />

wirkt so jung und natürlich, dass unser<br />

Mann am Kaffeetresen fast gefragt hätte:<br />

„Was willst du denn trinken?“<br />

Wie sie die ersten Tage erlebt hat,<br />

wollen wir wissen. Dass sie noch deutlich<br />

in der Findungsphase sei, räumt sie<br />

ein. „Vom Tag eins im Amt erkämpfe<br />

ich mir mein Wissen Tag für Tag.“ Und<br />

was reizt und befähigt die Expertin in<br />

14<br />

Sachen Familienpolitik für den Posten,<br />

mit dem sie oft im Fokus stehen wird?<br />

„Ich weiß, worum es in der Sozialpolitik<br />

geht“, sagt die gebürtige Wilhelmsburgerin<br />

mit Wohnsitz in Harburg. „Ich erlebe<br />

Themen ganz hautnah in meiner<br />

Nachbarschaft, die sich manche Kollegen<br />

erst von Menschen wie mir erzählen<br />

lassen müssen.“<br />

Und sie findet es „spannend, gerade<br />

in Zeiten wie diesen“, die Geschicke der<br />

Stadt mitzugestalten. Bedenken hatte sie


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

trotzdem. „Ich wollte eigentlich kein Politik-Mensch<br />

werden“, sagte sie neulich<br />

in einem Bild-Interview.<br />

Dass sie jetzt doch voll einsteigt,<br />

liegt mit Sicherheit auch daran, dass<br />

Olaf Scholz sie in die Verantwortung<br />

gedrängt hat. Scholz hatte sie sonderbar<br />

vorgestellt: Sie werde die Behörde mit<br />

der „notwendigen Klarheit und Härte<br />

führen“. Klarheit okay, aber Härte?<br />

„Wir überlegen,<br />

was wir besser<br />

machen können.“<br />

Vielleicht, weil er befürchtete, man könne<br />

sie nach Scheele – auch gern „Rambo“<br />

genannt – unterschätzen? „Das ist<br />

eine nicht so nette Hypothek, mit der<br />

ich da losgeschickt worden bin“, sagt sie<br />

unumwunden.<br />

Die Flüchtlinge sind jetzt natürlich<br />

ihr Hauptthema. „Das ist wirklich jeden<br />

Tag neu, jeden Tag schwierig“, sagt sie<br />

erwartungsgemäß. „Und damit verbunden<br />

– und das sage ich nicht nur, weil<br />

ich hier bin, sondern weil es Winter wird<br />

– das Thema Wohnungslosigkeit mit all<br />

seinen Facetten.“ Sie betont, dass ihr die<br />

Obdachlosen wichtig sind. „Ich war<br />

kaum sieben Minuten im Amt, da habe<br />

ich meine erste Rede gehalten – zum<br />

Winternotprogramm.“<br />

„Langfristig“ sieht Melanie Leonhard<br />

auch für die Obdachlosen eine Lösung:<br />

„Die Aufstockung des Wohnungsbauprogramms<br />

darf nicht ausschließlich<br />

Flüchtlinge in den Fokus nehmen“, sagt<br />

sie. „Wir müssen auch eine Zahl festschreiben<br />

für wohnfähige Obdachlose.<br />

Nur so können wir es schaffen, dass<br />

auch in den Unterkünften wieder Platz<br />

geschaffen wird.“<br />

Ein derartiges Programm ist neu,<br />

gerade erst mit der Stadtentwicklungssenatorin<br />

eingetütet. Eine der letzten<br />

Amtshandlungen von Detlef Scheele.<br />

Ebenso wie der Plan, sogenannte Lebensplätze<br />

einzurichten für Obdachlose,<br />

„bei denen wir uns nicht die Perspektive<br />

in die Tasche lügen, dass sie die Unterkunft<br />

wieder verlassen und in eine eigene<br />

Wohnung ziehen“, so Leonhard.<br />

Das Problem ist nur: Auch bei ihr<br />

geht es immer um eine zukünftige Unterbringung.<br />

Warum nicht sofort, indem<br />

man das Winternotprogramm gleich<br />

öffnet? „Nicht möglich“, sagt sie. „Das<br />

schaffen wir nicht.“<br />

Zeitweise hatte Leonhard sogar<br />

„Sorge, dass wir es (das Winternotprogramm;<br />

Anm. der Redaktion) nicht schaffen“.<br />

Sie sei froh, dass es jetzt 890 Plätze<br />

gibt, mehr als je zuvor. Der Grund: Die<br />

Kirchengemeinden stellen 140 Containerplätze,<br />

sonst waren es meist um 100.<br />

Sogar mehr Plätze für Frauen und Obdachlose<br />

mit Hunden kann Leonhard<br />

jetzt bereitstellen.<br />

Aber wo sollen die Obdachlosen<br />

tagsüber hin? Seit Jahren fordert die<br />

Obdachlosenhilfe, dass Menschen nicht<br />

morgens um 9 Uhr raus müssen und<br />

erst abends wiederkommen dürfen. Die<br />

Tagesaufenthaltsstätten (TAS) sind deshalb<br />

komplett überfordert. Der Bezirk<br />

Mitte hat sich schon für eine neue TAS<br />

in der City ausgesprochen.<br />

Auch in der Bürgerschaft wird das<br />

diskutiert. „Wir überlegen, was wir im<br />

nächsten Jahr besser machen können“,<br />

sagt Melanie Leonhard. Womöglich<br />

könne es auch schon in diesem Jahr kleine<br />

Verbesserungen geben. Beispielsweise<br />

eine stundenweise Öffnung am Wochenende.<br />

Für uns ist das zu wenig.<br />

„Es erfordert unsere ganze Anstrengung,<br />

die Obdachlosen nicht aus den<br />

Augen zu verlieren“, sagt sie. Nicht aus<br />

den Augen verlieren? Da kamen wir<br />

schon mit Detlef Scheele nicht auf einen<br />

Nenner. Wir wollen, dass die Menschen<br />

in Not klare Priorität haben und<br />

die Obdachlosen nicht gegen die Flüchtlinge<br />

ausgespielt werden. Weder ein<br />

Flüchtling noch ein Obdachloser sollte<br />

frieren oder draußen schlafen müssen.<br />

Aber auch von Melanie Leonhard<br />

gibt es dazu keine grundsätzliche Aussage.<br />

„Ich nehme Ihre Wünsche und Forderungen<br />

mit“, sagt sie. Im Moment<br />

denkt sie kleinteiliger. Nach dem Winter<br />

will sie sagen können: „Gemessen an<br />

In einem Jahr soll<br />

es gar keine Zelte<br />

mehr geben.<br />

den Bedingungen haben wir es gut hingekriegt.“<br />

Und in einem Jahr solle es<br />

keine Zelte mehr geben. Höchstens<br />

Container und Modulhäuser.<br />

Aber ist es nicht auch ihr Ziel, Obdachlose<br />

dauerhaft unterzubringen?<br />

„Klar ist das wünschenswert“, sagt die<br />

neue Sozialsenatorin. „Die Frage wird<br />

sein, ob wir dafür die nötige Kraft, Klarheit<br />

und Härte haben – um diese Worte<br />

noch einmal aufzugreifen.“ •<br />

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Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

Meldungen (1)<br />

Politik & Soziales<br />

Tendenz steigend: 39.000 Menschen in Deutschland obdachlos<br />

Die Zahl der Obdach- und Wohnungslosen nimmt stark zu. Nach einer Schätzung<br />

der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe lebten vergangenes Jahr<br />

335.000 Menschen ohne Wohnung in Deutschland, etwa 39.000 davon auf der<br />

Straße. Seit 2012 ist das eine Zunahme um 50 Prozent. Die Diakonie schätzt, dass<br />

alleine in Hamburg 9000 Menschen wohnungslos sind. Vorstand Gabi Brasch<br />

befürchtet: „Wenn wir unsere Anstrengungen nicht drastisch erhöhen, müssen wir<br />

für 2018 mit mindestens 14.400 Wohnungslosen in Hamburg rechnen.“ BELA<br />

•<br />

Stadt plant 5600 Wohnungen für Flüchtlinge<br />

Es ist ein ehrgeiziger Plan: 5600 Wohnungen für Flüchtlinge<br />

will die Stadt bis Ende kommenden Jahres bauen lassen.<br />

Trotz der kurzen Planungsphase werde es keine Abstriche bei<br />

den Baustandards geben, so der Senat. Allerdings werden die<br />

Bürger anders als üblich nicht an der Bauplanung beteiligt.<br />

Die Express-Bauten sollen auf Gewerbeflächen in allen sieben<br />

Bezirken entstehen. Nach spätestens 15 Jahren sollen sie auch<br />

anderen Bevölkerungsgruppen offenstehen. Unklar blieb bis<br />

Redaktionsschluss, wer die Wohnungen bauen wird. Auf<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Nachfrage erklärte die Stadtentwicklungsbehörde,<br />

die städtische Saga GWG könne diese Aufgabe nicht<br />

alleine stemmen. Der Senat erklärte auf FDP-Bürgerschaftsanfrage:<br />

„Bekundungen von Investoren werden zurzeit geprüft.“<br />

Den Plänen zufolge soll der städtische Unterkunftsbetreiber<br />

fördern und wohnen Pachtverträge mit den Investoren<br />

abschließen und die Quartiere betreiben. UJO<br />

•<br />

Leere Bürogebäude werden endlich zu Wohnraum<br />

Die Stadt sucht gezielt nach ungenutzten Bürogebäuden, um<br />

darin öffentliche Unterkünfte einzurichten. Geprüft werde,<br />

„ob und wie viele Flüchtlinge im jeweiligen Gebäude untergebracht<br />

werden können“, sagt ein Sprecher der Sozialbehörde.<br />

In ein Bahrenfelder Bürohaus sind sogar bereits Asylbewerber<br />

eingezogen. Verhandlungen über Anmietung oder Kauf weiterer<br />

Gebäude laufen. Fehlende Sanitäranlagen oder mangelnder<br />

Brandschutz sind kein Grund mehr, das Gebäude nicht<br />

zu nutzen: „Zum Teil muss da nachgerüstet werden.“ BELA<br />

•<br />

Fotoausstellung: Was Obdachlosigkeit bedeutet<br />

Wie beengt Obdachlose in Notquartieren schlafen und was<br />

(Über-)Leben auf der Straße bedeutet, zeigen Bilder des<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Fotografen Mauricio Bustamante. Sie sind bis 6.<br />

<strong>November</strong> auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz zu sehen. Das<br />

Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot, dem Hinz&<strong>Kunzt</strong> angehört,<br />

präsentiert die Ausstellung. Geschätzt 2000 Menschen<br />

leben auf Hamburgs Straßen, 890 Betten stellt die Stadt diesen<br />

Winter bereit, um sie vor dem Erfrieren zu schützen. UJO<br />

•<br />

Scharfe Kritik an Notmaßnahmen<br />

Führungskräfte des städtischen Unterkunftsbetreibers<br />

fördern und wohnen<br />

(f&w) haben die aktuellen Notmaßnahmen<br />

für Flüchtlinge scharf kritisiert.<br />

Derzeit würden alle Standards der Unterbringung<br />

über Bord geworfen. Das<br />

störe „den sozialen Frieden in den Unterkünften“<br />

und senke „dramatisch die<br />

Akzeptanz dieser Einrichtungen und<br />

ihrer Nutzer“. Mit den protestierenden<br />

Mitarbeitern sei man im Gespräch, antwortete<br />

f&w auf unsere Nachfrage. BELA<br />

•<br />

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STADT-<br />

EXPEDITION:<br />

#1 Die Street-Art-Tour<br />

Graffiti – für manche ist das nichts als Schmiererei,<br />

für andere ist es Rebellion und sogar Kunst. In unserer<br />

ersten Stadt-Expedition führt uns Galerist Alex Heimkind<br />

zu besonderen Plätzen unserer Stadt.<br />

TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE UND OZM SPACE ART GALLERY<br />

7a. Wäre fast unser Titelbild<br />

geworden: Das Punkmädchen<br />

von mittenimwald<br />

ist im OZM zu sehen.<br />

4b. Die „besitzbare“<br />

Skulptur hat der<br />

Sprayer Heiko Zahlmann<br />

entworfen.<br />

ALEX HEIMKIND<br />

ist Gründer der OZM Art Space Gallery in der<br />

Bartelsstraße 65. „Der Weg von der Straße in<br />

die Galerie ist weit“, sagt Heimkind. Im OZM<br />

will er uns am 25. <strong>November</strong> um 18 Uhr zeigen,<br />

was aus manchen Sprayern werden kann,<br />

„wenn sie sich weiterentwickeln“.<br />

Seit 2010 führt Alex Heimkind die OZM Art Space<br />

Gallery. Sie ist schon deshalb etwas Besonderes, weil<br />

hier nicht nur Bilder verkauft werden, sondern oft<br />

auch hier entstehen. Bei „seinen“ Künstlern ist es<br />

dem 43-Jährigen wichtig, „dass sie eine Begabung haben, anderen<br />

Menschen ihre Grenzen vor Augen zu führen oder sogar<br />

zu verschieben“.<br />

Kunst hat Alex schon als Kind fasziniert. Als er fünf Jahre<br />

alt war, lernte er einen Künstler kennen, der von ihm ein Foto<br />

machte. Später ein Foto, wie er sein eigenes Foto anguckt. Danach<br />

ein Foto, wie er sich das Foto anschaut, auf dem er zu sehen<br />

ist, wie er sich sein Foto anschaut … Über die Jahre entstand<br />

so eine Reihe von Fotos im Foto, die zeigten, wie er sich<br />

quasi bei seiner eigenen Entwicklung zuschaute. Diese Bilder<br />

im Bild sagten ihm mehr als 1000 Worte. „Wenn man jemanden<br />

fragt, ,Was hast du in den vergangenen Jahren gemacht?‘,<br />

scheiterst du ja oft mit Worten an der Komplexität“, sagt er.<br />

Und dann gab’s da noch die Inspiration aus New York:<br />

Hip-Hop, Breakdance und Graffiti. Die schwarzen Kids, „bewaffnet<br />

mit geklauten Dosen, die der Stadt ihre unverwechselbaren<br />

Zeichen“ aufdrückten. Alex tauchte selbst ein in die<br />

Welt der Rebellen, verdiente sein Geld als Fahrradkurier, sang<br />

in Punkbands und wurde als DJ Heimkind bekannt. •<br />

17


Stadt-Expedition<br />

Neue Große Bergstraße in Altona. Seit 2010 stellt<br />

01. das Stamp Festival Wände für spannende Street-<br />

Artisten bereit. Wenn man vom Bahnhof kommt, prangt gegenüber<br />

von Ikea der riesige Frauenkopf (1) von Ata Bozaci<br />

(auch „Toast“). Die Frau, aufgeschlüsselt in supergrafische,<br />

biometrische Muster, gehört zur Serie „fifteen seconds of<br />

fame“ und ist übrigens Atas Freundin Amanda, sagt Alex.<br />

3. Das Bismarck-<br />

Denkmal: Sinnbild für die<br />

Demonstration von<br />

Macht. Gebrochen durch<br />

ein buntes Graffito.<br />

Nur ein paar Meter entfernt, in der Großen<br />

Bergstraße (Rückseite von Tee Kröger) sehen<br />

wir eine Wand, die mittenimwald gestaltet<br />

hat. Er arbeitet mit selbstgebauten<br />

Schablonen (Stencil Art). Einige seiner Figuren<br />

haben eine ungeheure Lebendigkeit<br />

und Intensität – wie Gloria mit den roten<br />

Haaren (2). Und Humor hat er auch: Ausgerechnet Mao lässt<br />

er „Fuck Revolution“ sagen.<br />

Zurück zum Bahnhof Altona. Wir fahren mit der<br />

S-Bahn zu den Landungsbrücken. Hier beginnen<br />

unser Spaziergang und unsere Karte. Wir gehen<br />

die Treppe rechts hoch Richtung Stintfang.<br />

Wir wollen durch den Park zum Bismarck-Denkmal.<br />

Unterhalb von Hamburgs Weinberg bleiben<br />

wir kurz auf der Terrasse stehen, herrlicher<br />

Blick über den Hafen. Besichtigung einiger ungelenker<br />

Schriftzeichen (Tags) an der Steinmauer.<br />

„Normalerweise geht der Einzelne unter in<br />

der Anonymität der Großstadt“, sagt Alex. „Tags<br />

sind dagegen deine eigene, unverwechselbare<br />

Handschrift.“<br />

Im Park kommen wir an Graffiti vorbei, die mit<br />

den Mauern eine Symbiose eingegangen sind.<br />

Durch das Verwittern und Übermalen bleibt nichts,<br />

wie es war. Diese Form von Vergänglichkeit fasziniert<br />

Alex, „weil in unserer digitalen Welt normalerweise alles<br />

unendlich kopierbar und verfügbar ist“.<br />

Martialisch thront das Bismarck-Denkmal (3) über<br />

der Stadt. Wer sich auf den Sims setzt, sieht klein und<br />

verloren aus. „Die Graffiti zeigen, in welcher Zeit wir leben“,<br />

so Alex. Und dass Menschen von heute Macht-<br />

Demonstrationen von damals etwas entgegen setzen.<br />

Wir schlendern die Reeperbahn runter,<br />

rechts in die Talstraße Richtung Karoviertel.<br />

Es lohnt sich, links und rechts die Wände<br />

auf und ab zu gucken und in die Hinterhöfe<br />

zu schauen. Überall hängen kleine<br />

Skulpturen, werden Lüftungsschächte und<br />

Stromkästen zu Figuren umgestaltet. Alex<br />

sucht das Graffito eines berühmten New<br />

Yorker Sprayers, aber es ist übermalt. Dafür sehen wir bei der<br />

Tankstelle auf der Feldstraße einen echten Loomit (4a). Auch<br />

Abstecher von der Marktstraße in die Hinterhöfe lohnen sich.<br />

Ein Witzbold hat ein Buch an eine besonders bunte Wand<br />

gelehnt: Die Aufgaben eines Staatsanwalts. Dabei sind viele<br />

Graffiti-Aktivisten inzwischen anerkannt: Heiko Zahlmann<br />

5a. Stillleben mit Boot an der S-Bahn-Trasse:<br />

Wenn man genauer hinsieht, kann man auch<br />

hier die Smileys von OZ erkennen.<br />

7a. Frecher Spruch auf<br />

dem OZM-Haus: Wasch<br />

dein dreckiges Geld<br />

mit meiner Kunst.<br />

18


1. Ata Bozaci alias Toast bekam vom<br />

Festival Stamp eine Hauswand in Altona gestellt.<br />

Das Bild zeigt seine Freundin Amanda.<br />

5b. OZ ist überall. Noch. Wenn man<br />

mit der S-Bahn über die Elbbrücken<br />

fährt, fügt er sich nahtlos<br />

ins Hamburg-Panorama ein.<br />

4a. An der Tanke am<br />

Neuen Kamp hängt das<br />

Graffito von Loomit.<br />

2. In Altona hat<br />

mittenimwald eine ganze<br />

Wand gestaltet:<br />

Der Hingucker ist Gloria.<br />

6a. Lüftungsschächte,<br />

Laternen und<br />

Stromkästen haben<br />

durch Street-Art oft<br />

ein zweites Leben.


Stadt-Expedition<br />

hat sogar vor der Kirche in der Karolinenstraße eine Skulptur<br />

(4b) geschaffen, vom Bezirk bezahlt und begeh- und besitzbar.<br />

Von oben betrachtet soll man 20357 erkennen – die Postleitzahl<br />

des Viertels.<br />

Wir gehen die Karolinenstraße runter,<br />

nach der S-Bahn-Brücke biegen wir<br />

links auf den Spazierweg entlang der<br />

Trasse ein und gehen zurück Richtung<br />

Schanzenviertel. Wir reden darüber,<br />

was Street-Art eigentlich ausmacht. Früher sei es mehr um Rebellion<br />

gegangen und da rum, den öffentlichen Raum zu erobern,<br />

sagt Alex. Und nach wie vor ist natürlich illegales Sprayen<br />

strafbar. Bestes Beispiel OZ (5a und 5b), der notorische<br />

Sprayer. Wegen seiner Graffiti saß er jahrelang im Knast,<br />

sprayte danach weiter. Zig Ausstellungen mit OZ gab es im<br />

OZM, um die Gerichtskosten zu decken und „ihm seine Freiheit<br />

zu erhalten“. Magische Räume hat er dort gestaltet, einer<br />

ist noch erhalten. Gesprayt hat er, bis er 2014 mit 64 Jahren<br />

von einer S-Bahn erfasst wurde und starb. Künstler oder Krimineller?<br />

„Jetzt, wo er tot ist, wird die Geschichte neu geschrieben“,<br />

sagt Alex. Die Nachfrage nach OZ’ Bildern ist enorm.<br />

Auf dem Kunstmarkt, aber auch so: Auf einem Balkon im<br />

Schanzenviertel steht ein abmontierter Betonklotz mit einem<br />

echten OZ-Smiley.<br />

Das Schanzenviertel ist wie eine Open-<br />

Air-Galerie. Die Wände werden wie<br />

Bilderrahmen genutzt. Wir stehen in der<br />

Rosenhofstraße/Ecke Schulterblatt. Fast<br />

kindlich wirken viele Bilder und Skulpturen<br />

(6a und 6b), auf jeden Fall gefällig.<br />

Dinge, die man sich auch gut zu Hause aufhängen könnte.<br />

Das ist eben auch ein Unterschied zu früher: „Damals ging es<br />

nicht so sehr um die<br />

Verwertbarkeit der Bilder“,<br />

sagt Alex. Problematisch<br />

findet er, dass<br />

7c. Blick ins OZM:<br />

Fünf der Maler, die<br />

hier ausgestellt sind,<br />

haben es schon ins<br />

Museum geschafft.<br />

6b. Rosenhof/Ecke Schulterblatt: Vieles, was man auf<br />

den Wänden sieht, wird auf dem Kunstmarkt<br />

hoch gehandelt. Vermarktung versus Subkultur.<br />

manche Künstler immer wieder dasselbe reproduzieren, weil<br />

es sich gut verkauft. Ein Street-Artist, der hier zu sehen ist, erreiche<br />

Preise von bis zu 25.000 Euro, sagt Alex. So bestimme<br />

paradoxerweise die Nachfrage, was auf den Wänden landet –<br />

und Street-Art ist dann kein Ausdruck von Subkultur mehr.<br />

Wollen Sie Alex Heimkind und uns treffen?<br />

Dann müssen Sie unbedingt am Mittwoch,<br />

den 25. <strong>November</strong> um 18 Uhr ins OZM (7b<br />

und 7c) kommen. Dort stellt uns Alex Bilder<br />

seiner Künstler vor. Eine Ausstellung von Darko<br />

Caramello ist zu sehen und Bilder von mittenimwald<br />

(7a), Darco FBI, Won ABC und<br />

OZ. Viele seiner Leute haben inzwischen ein<br />

Kunststudium absolviert. „Wir zeigen, was sich aus Graffiti<br />

entwickeln kann, wenn jemand an sich arbeitet“, sagt Alex.<br />

„Aber der Weg von der Straße in die Galerie ist weit.“ Deswegen<br />

findet er es auch fast normal, dass Werke von einigen „seiner“<br />

Künstler inzwischen in Museen hängen.<br />

Das ist was für Fans: Abstecher in den<br />

Hamburger Osten – nach Lohbrügge, Otto-<br />

Schumann-Weg. Das Gemälde „Zeichen der<br />

Zeit“ (8) landete im Guinness-Buch der Rekorde.<br />

Sechs Sprayer wurden 1995 von der Saga gebeten,<br />

eine 30 Meter hohe und 11 Meter breite Hochhauswand<br />

zu bemalen. 1000 Sprühdosen verarbeiteten Loomit, Darco,<br />

DAIM, Hesh, Vaine und Ohne.<br />

2002 wurden sie getoppt: Im Immenbusch<br />

am Osdorfer Born gestalteten<br />

die Brüder Haris und<br />

Aimal Jahed eine 42 Meter hohe<br />

und 13 Meter breite Saga-Hauswand<br />

mit 1500 Sprühdosen. •<br />

8. Lohbrügge, Otto-Schumann-Weg:<br />

Dieses Wandbild von 1995 schaffte<br />

es als höchstes Graffito der Welt ins<br />

Guiness Buch der Rekorde.<br />

2002 wurde es in Hamburg getoppt<br />

durch ein Bild in Osdorf.<br />

20<br />

OZM Art Space Gallery: Bartelsstraße<br />

65, geöffnet: donnerstags<br />

und samstags, 13–19 Uhr,<br />

Eintritt frei


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Meldungen (2)<br />

Politik & Soziales<br />

Abzock-Firma wegen Mietwucher verurteilt<br />

Weil die Mieten „in einem deutlichen Missverhältnis zur Leistung<br />

gestanden“ haben, hat das Amtsgericht Altona einen Abzock-Vermieter<br />

dazu verdonnert, fast 53.000 Euro an das Jobcenter<br />

zurückzuzahlen. Die Rauch&Veth GbR hatte in einem<br />

heruntergekommenen Haus in Ottensen Zimmer zu Wucherpreisen<br />

an Hilfeempfänger vermietet. So verlangte die Firma<br />

für 17 Quadratmeter bis zu 350 Euro im Monat plus Nebenkosten.<br />

Als Hinz&<strong>Kunzt</strong> und weitere Medien das öffentlich<br />

machten, zog das Amt vor Gericht – und bekam fünf Jahre<br />

nach Klageerhebung Recht. Für die Mieter, überwiegend ehemals<br />

Obdachlose und Haftentlassene, sei es nicht möglich gewesen,<br />

eine Wohnung zu finden, heißt es in dem Urteil, das<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> vorliegt. „Diese schwierige Lebenssituation nutzte<br />

die Beklagte aus, indem sie ihnen Wohnraum anbot zu weit<br />

übersetzten wucherischen Preisen.“ Der Richterspruch ist das<br />

erste Mietwucher-Urteil eines Hamburger Zivilgerichts seit<br />

Jahren. Ob Rauch&Veth Berufung einlegt, war bei Redaktionsschluss<br />

nicht entschieden. Ermittlungen der Staatsanwalt-<br />

Diskussion: Kann einfache Arbeit gute Arbeit sein?<br />

Ungelernte haben es bei der Jobsuche schwer, sogenannte<br />

einfache Arbeiten gibt es immer weniger – und wenn, dann<br />

sind sie in der Regel schlecht bezahlt. Kann einfache Arbeit<br />

auch gute Arbeit sein? Welche Perspektiven bietet unsere<br />

Gesellschaft Geringqualifizierten? Diesen und weiteren Fragen<br />

gehen Experten am 4.11. um 17 Uhr im Rahmen der Reihe<br />

„Hamburg! Gerechte Stadt!“ nach. Diskutiert wird in der<br />

Immanuelkirche Veddel, Wilhelmsburger Straße 73. UJO<br />

•<br />

Kongress: Wie Kinderarmut bekämpft werden kann<br />

2,8 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland sind<br />

heute von Armut betroffen – mehr als doppelt so viele wie<br />

zehn Jahre zuvor. Wie lässt sich diese Entwicklung stoppen?<br />

Welche Projekte können als Vorbild dienen? Diesen Fragen<br />

geht der Bundeskongress „Kinderarmut bekämpfen! Chancen<br />

und Grenzen der Kinder- und Jugendhilfe“ nach (12.11. ab<br />

13 Uhr, 13.11. ab 9.30 Uhr, Rauhes Haus, Beim Rauhen<br />

Hause 21). Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) ist für<br />

die Podiumsdiskussion (13.11., 13 Uhr) angefragt. UJO<br />

•<br />

Mehr Infos im Internet unter www.dkhw.de<br />

Gottesdienste für Obdachlose<br />

Auch dieses Jahr gedenken wir am<br />

Totensonntag (22.11.) aller verstorbenen<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer. Treffpunkt ist<br />

um 14 Uhr auf dem Öjendorfer Friedschaft<br />

wegen des Verdachts auf Mietwucher dauern an. UJO<br />

•<br />

hof am Feierraum Nord (Bushaltestelle).<br />

Die St.-Petri-Kirche in der City feiert<br />

am selben Tag um 15 Uhr einen Gottesdienst<br />

für einsam Verstorbene. Eine<br />

Woche später (29.11., 10 Uhr) lädt die<br />

Jerusalem-Kirche (Schäferkampsallee<br />

36) zu einem Advents-Gottesdienst<br />

für Hinz&<strong>Kunzt</strong> ein. Eingeladen sind<br />

Verkäufer, Mitarbeiter, Freunde und<br />

Unterstützer. Anschließend gibt es einen<br />

Einblick in die Arbeit des Projekts. UJO<br />

•<br />

Überfall auf Hinz&Künztler Manole: Ermittlungen abgeschlossen<br />

Die Ermittlungen der Bundespolizei gegen drei Mitarbeiter des Bahn-Sicherheitsdienstes<br />

wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung sind abgeschlossen.<br />

Die Staatsanwaltschaft muss nun entscheiden, ob ein Verfahren eröffnet<br />

wird. Zwei Männer und eine Frau werden verdächtigt, in der Nacht vom 23. auf<br />

den 24. Juni ein Zelt von Obdachlosen zerstört und den Zeltbewohner und<br />

Hinz&Künztler Manole und seinen Cousin mit Reizgas angegriffen sowie den<br />

Cousin gegen den Kopf getreten zu haben. BELA/BIM<br />

•<br />

Mehr Infos im Internet unter www.huklink.de/manole


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

Olympi-Ja?<br />

Oder doch lieber nein? Am 29. <strong>November</strong> sollen<br />

die Hamburger abstimmen. Wir fragten Prof. Dr.<br />

Henning Vöpel, Geschäftsführer des Hambur gischen<br />

Weltwirtschaftsinstituts, zu den Chancen und<br />

Risiken des Mega-Sportevents für unsere Stadt.<br />

TEXT: BIRGIT MÜLLER; FOTO: LENA MAJA WÖHLER<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Herr Professor Vöpel, Sie sind ja Befürworter von<br />

Olympia. Wozu braucht die Stadt denn Olympia?<br />

PROF. DR. HENNING VÖPEL: Ich bin ein kritischer Befürworter von<br />

Olympia, weil ich Chancen sehe, dass Hamburg nachhaltig<br />

profitiert. Aber die ergeben sich natürlich nicht zwangsläufig.<br />

Man muss etwas dafür tun. Wenn das geschieht, sehe ich<br />

die Möglichkeit, dass wir die Stadtentwicklung in Hamburg<br />

tatsächlich auf ein höheres Niveau heben können.<br />

Aber?<br />

Wir brauchen eine Legacy, wie das IOC es nennt, etwas,<br />

was als Erbe dieser 16 Tage dauerhaft erhalten bleibt. Dafür<br />

muss man aber auch eine Idee davon haben, wie die Stadt in<br />

der Zukunft aussieht. Ich bezweifle, dass es diese Vision der<br />

Stadt gibt. Ohne ein solches Gesamtkonzept für die Zukunft<br />

der Stadt blieben Olympische Spiele ein teures Einzelevent.<br />

Haben andere Städte es denn geschafft, sich mit einer Art Vision zu<br />

verändern, auch im Sinne der Einwohner?<br />

Ja, Barcelona war 1992 noch ärmlich und zurückgeblieben<br />

in seiner wirtschaftlichen Entwicklung. Es gab mehrere<br />

Gründe für den Aufstieg der Stadt zu einer Weltmetropole,<br />

aber die Olympischen Spiele haben dazu beigetragen, und<br />

dann hat man es sehr geschickt verstanden, durch Programme<br />

und städtebauliche Maßnahmen die Kreativökonomie –<br />

von Schriftstellern, Künstlern bis zu IT-Spezialisten – in die<br />

Stadt zu ziehen. Barcelona gehört jetzt zu den Top 10 in<br />

Europa.<br />

Und München 1972 ist auch ein Beispiel: München war<br />

vorher Provinz und hat den Sprung geschafft zu einer Weltstadt.<br />

Damals wurde beispielsweise die U-Bahn gebaut.<br />

Man hat verstanden, Stück für Stück die Stadt zu<br />

entwickeln.<br />

Wir haben recherchiert, welche positiven sozialen Effekte es in<br />

Olympia-Städten gegeben hat – und nichts gefunden. Selbst in London,<br />

wo man sich ja wirklich bemüht hat, sind nach den Olympischen<br />

Spielen die Mieten gestiegen und es kam zu Verdrängung.<br />

22


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Tatsächlich sind in London in einigen Stadtteilen die Mieten<br />

gestiegen und haben auch Verdrängung ausgelöst. Für die<br />

Stadt insgesamt können wir das aber nicht feststellen. Und in<br />

der Tat wäre es auch eine Überforderung Olympischer Spiele,<br />

zu glauben, sie könnten alle Probleme einer Stadt lösen. Es<br />

ist das Schicksal von ärmeren Menschen, dass sie nicht von einer<br />

wirtschaftlichen Entwicklung profitieren. Um solche Menschen<br />

muss sich die Gesellschaft immer und grundsätzlich<br />

kümmern. Aber zu sagen, es profitieren nicht alle gleichermaßen,<br />

also machen wir Olympia nicht, ist auch nicht klug.<br />

„Wem gehört die Stadt<br />

und wer definiert das<br />

Wohl einer Stadt?“<br />

Die Stadt unternimmt große Anstrengungen in Sachen Wohnungsbau,<br />

trotzdem kommt sie nicht hinterher. Wenn Hamburg durch Olympia<br />

wirklich zur Weltstadt würde, wächst der Druck ja noch mal. Wo sollen<br />

denn die ganzen Menschen wohnen, die dann nach Hamburg strömen?<br />

Die Befürchtung, die in Ihrer Frage zum Ausdruck kommt, ist<br />

ein wenig, dass diejenigen, die jetzt für die Olympischen Spiele<br />

stimmen sollen, später verdrängt werden. Das ist nicht akzeptabel.<br />

Insofern ist die Frage: Wem gehört eigentlich die<br />

Stadt und wer definiert das Wohl einer Stadt? Das sind natürlich<br />

erst einmal die Bewohner der Stadt, und das bedeutet, eine<br />

breite Akzeptanz für Olympische Spiele herzustellen. Fragen<br />

dieser Art muss man mit schlüssigen Konzepten<br />

beantworten.<br />

Auf dem kleinen Grasbrook sollen ja rund 6000 Wohnungen<br />

entstehen, das ist gemessen am Problem nicht viel, aber<br />

immerhin die Entwicklung eines neuen Quartiers. Und wenn<br />

der Sprung über die Elbe gelingt, dann kann man eben auch<br />

noch mal nachverdichten und neue Flächen erschließen.<br />

Wir haben die Schuldenbremse und nur ein bestimmtes<br />

Haushaltsbudget – dann müssen wir wegen Olympia irgendwo sparen.<br />

Da fehlt mir die Fantasie. Wir brauchen eine Menge Geld, um die<br />

laufenden Aufgaben zu wuppen – und ich meine das unabhängig vom<br />

Thema Armut und Flüchtlinge.<br />

Nun, Hamburg muss Geld für Olympische Spiele aufbringen,<br />

das ist richtig. Man darf aber nicht vergessen, dass vom Bund<br />

erhebliche Mittel in die Stadt fließen, mit denen wichtige Investitionen<br />

vorgezogen werden können.<br />

Keine Vision und Milliarden-Kosten. So ganz verstehe ich noch nicht,<br />

warum Sie ein Befürworter sind. Was würden Sie denn Olaf Scholz<br />

empfehlen?<br />

Deshalb ist es ja so wichtig, die Kosten in den Zusammenhang<br />

mit einer positiven Vision von der Zukunft der Stadt zu<br />

stellen. Städte werden in 50 Jahren durch die digitale Transformation<br />

der Gesellschaft völlig anders aussehen als heute.<br />

Sie werden nachhaltiger sein, Inklusion ermöglichen und sie<br />

werden mehr Partizipation und Lebensqualität bringen.<br />

Stichwort: Shared Economy. Wir müssen nicht mehr alles<br />

selbst besitzen, sondern nutzen Ressourcen gemeinsam.<br />

Wohlstand durch Teilen. Diese Vision kann Spaß machen:<br />

Die Stadt entfaltet neue urbane Räume, hat mehr Platz, mehr<br />

Grünflächen, weniger Emissionen, hat insgesamt viel mehr<br />

Lebensqualität, hat mehr Zusammenhalt – und ist vielleicht<br />

am Ende auch gerechter.<br />

Könnte man das nicht auch ohne Olympische Spiele schaffen?<br />

Doch. Eine Vision sollte etwas sein, was man als Leitidee im<br />

Alltag und aus eigener Kraft heraus umsetzen möchte. Ich<br />

glaube aber, dass die Olympischen Spiele ein Anlass sind für<br />

Hamburg, darüber nachzudenken, und dass sie eine ungeheure<br />

produktive Kraft für die Stadt bedeuten können.<br />

Das heißt: Mit den Olympischen Spielen könnten wir die Vision in<br />

40 Jahren erreichen und ohne die Spiele in 50 Jahren?<br />

Oder gar nicht, weil die Stadt ja manchmal zur Selbstzufriedenheit<br />

neigt. Aber die Welt dreht sich weiter. Vielleicht<br />

braucht Hamburg den Anstoß<br />

für mehr Mut zum<br />

Fortschritt und Lust<br />

auf die Zukunft. •<br />

Olympia: Im Finanzreport<br />

rechnet die Stadt<br />

mit Kosten in Höhe von<br />

11,22 Milliarden Euro.<br />

Bürgermeister Olaf Scholz<br />

hat sich festgelegt: Die Hamburger<br />

Steuerzahler sollen höchstens<br />

1,2 Milliarden Euro der Kosten tragen.<br />

Zum Vergleich: Der jährliche Haushalt von<br />

Hamburg beträgt rund 12 Milliarden Euro. Scholz möchte, dass die<br />

Bundes regierung 6,2 Milliarden Euro zuschießt. Die Verhandlungen<br />

darüber laufen noch – Medienberichten zufolge ist der Bund nicht<br />

bereit, so viel Geld zu investieren. Weitere 3,8 Milliarden will die Stadt<br />

durch Einnahmen und Grundstücksverkäufe finanzieren. Der Rechnungshof<br />

warnte den Senat im September vor „erheblichen Risiken“.<br />

23


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

Dirk Ahrens, Landespastor, Diakoniechef<br />

und Herausgeber von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Ich höre viele gut gemeinte Absichtserklärungen des Senats. Wir fordern<br />

deswegen, dass der Senat noch vor dem Referendum im <strong>November</strong> eine<br />

Kosten-Nutzen-Analyse mit einem Armuts-Mainstreaming vorlegt. Darin<br />

soll untersucht werden, wie sich die Spiele auf sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen<br />

auswirken. Zum Beispiel stellt sich die Frage, wie sich ein<br />

solches Großevent, das über Jahre Kräfte binden wird, auf Hartz-IV-Familien,<br />

Alleinerziehende, Rentner mit geringer Rente, Wohnungslose, Menschen<br />

mit Behinderung und Flüchtlinge auswirkt. Wir appellieren an die<br />

Stadt, die Auswirkungen der Olympischen Spiele auf diese Bevölkerungsgruppen<br />

endlich in besonderer Weise in den Blick zu nehmen.<br />

Denn die Stadt ist zurzeit herausgefordert durch extreme Knappheit im<br />

Sozialwohnungsbereich und muss gleichzeitig Tausende von Flüchtlingen<br />

unterbringen. Wenn wir das schaffen wollen, sollten wir uns nicht zusätzlich<br />

Aufgaben aufbürden, die keinen positiven Beitrag zu den anstehenden Unterbringungs-<br />

und Integrationsaufgaben leisten. Ob Olympia da schädlich<br />

oder hilfreich sein wird, darauf brauchen wir dringend verlässliche Antworten,<br />

und zwar vor dem Volksentscheid. •<br />

„Mit der<br />

OlympiaCity<br />

bauen wir einen<br />

neuen Stadtteil<br />

mit 8000<br />

Wohnungen.“<br />

CHRISTOPH HOLSTEIN<br />

Christoph Holstein,<br />

„Die vorgelegten Zahlen<br />

sind einWunschreport.“<br />

NICOLE VRENEGOR<br />

Nicole Vrenegor, aktiv bei NOlympia Hamburg,<br />

bloggt auf www.fairspielen.de<br />

Die vorgelegten Zahlen des Senats sind kein Finanzreport,<br />

sondern ein Wunschreport, der mehr Fragen<br />

aufwirft als Antworten liefert. Vieles auf<br />

der Ausgabenseite fehlt, während die Einnahmenseite<br />

schöngerechnet wird. Hamburg<br />

werde nicht mehr als 1,2 Milliarden Euro<br />

zahlen, so das Bürgermeister-Ehrenwort von<br />

Olaf Scholz. Aber wer bitte schön soll einspringen,<br />

wenn für weniger lukrative Bereiche<br />

Investoren fehlen oder die Kosten wie üblich explodieren?<br />

Und warum sollte der Bund überhaupt<br />

mehr als 6 Milliarden für Hamburgs Stadtentwicklung locker<br />

machen? Das reiche Hamburg will über den Umweg<br />

Olympia seine vernachlässigte Infrastruktur in Schuss bringen<br />

und alle Bundesbürger sollen dafür aufkommen. Wie will man das zum<br />

Beispiel den Menschen im Ruhrgebiet vermitteln, wo aufgrund von Haushaltssperren<br />

reihenweise Schwimmbäder schließen müssen? Wer letztlich<br />

die olympische Zeche bezahlt – das entscheidet sich wohl erst nach dem<br />

Referendum. Vorab möchte der Senat sich von den Wählern und Wählerinnen<br />

einen Blankoscheck holen. •<br />

24<br />

Staatsrat Bereich Sport der<br />

Hamburger Innen behörde<br />

Wer heute mit der Münchner U-Bahn<br />

schnell zum Olympiazentrum kommt<br />

oder sich von der pulsierenden Stimmung<br />

entlang der Mittelmeerküste Barcelonas<br />

faszinieren lässt, ist ein später<br />

Nutznießer der Olympischen Spiele<br />

1972 und 1992. Beide Städte freuen sich<br />

noch heute über die positiven Folgen der<br />

Spiele.<br />

Wir erwarten einen ähnlichen Positiv-Schub<br />

für Hamburg. Wir wollen,<br />

dass die Spiele einen Nutzen für die<br />

Hamburgerinnen und Hamburger haben.<br />

Mit der OlympiaCity bauen wir einen<br />

komplett neuen Stadtteil mit 8000<br />

neuen Wohnungen, ein Drittel davon<br />

Sozialwohnungen. Die gesamte Verkehrs-Infrastruktur<br />

in Hamburg wird<br />

modernisiert. Der erste Olympiasieger<br />

in Hamburg steht bereits fest: Es ist der<br />

Sportverein im Stadtteil, der moderne<br />

Anlagen erhält, der seinen Mitgliedern<br />

mehr bieten kann als zuvor und der für<br />

neue Mitglieder attraktiv wird. Internationale<br />

Unternehmen werden durch die<br />

Spiele auf Hamburg aufmerksam. Das<br />

ist der erste Schritt hin zu neuen Arbeitsplätzen.<br />

Auch das braucht Hamburg:<br />

olympische und paralympische Jobs. •


Stadtgespräch<br />

So machen wir<br />

Einsteiger zu<br />

Aufsteigern.<br />

„Wir brauchen<br />

dringend verlässliche<br />

Antworten vor dem<br />

Volksentscheid.“<br />

DIRK AHRENS<br />

Dr. Jürgen Mantell, Präsident<br />

des Hamburger Sportbundes<br />

Hamburg ist in seinen Berechnungen der Investitionen davon<br />

ausgegangen, was der Hamburger Haushalt tragen<br />

kann, ohne dass zum Beispiel Kultur oder Soziales darunter<br />

leiden müssen. Es wird keine Kürzungen und keine<br />

neuen Schulden geben. Neu gebaut werden auch nur fünf<br />

neue Sportstätten. Und für alle Neubauten wurde die<br />

Nachnutzung gleich mitgedacht. Alle bleiben für den<br />

Sport erhalten. Die schon vorhandenen Sportstätten, die<br />

für die olympischen Wettbewerbe vorgesehen sind, müssen<br />

saniert werden und stehen nach den Spielen dem<br />

Sport zur Verfügung. Außerdem müssen neben den Wettkampfstätten<br />

auch mehr als 100 Trainingsstätten auf<br />

olympischem Niveau vorgehalten werden. Genau hier<br />

trainiert der Breitensport und würde durch die Sanierung<br />

dieser Sportanlagen kräftig profitieren.<br />

Der Sportentwicklung tut die Aufmerksamkeit durch<br />

die Olympia-Bewerbung sehr gut. Sie bekommt mehr Gewicht<br />

im politischen Alltag und damit mehr Möglichkeiten,<br />

etwas für die Sportvereine zu erreichen. •<br />

25<br />

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Die Hinz&Künztler Rico (links) und<br />

Daniel fuhren zur Straßenkinderkonferenz<br />

nach BERLIN. Um sich für die Forderungen<br />

obdachloser Jugendlicher einzusetzen<br />

und auch, „um neue Leute zu treffen und<br />

alte Gesichter wiederzusehen“.


„Es hilft zu wissen,<br />

dass man<br />

nicht alleine ist“<br />

Die ständige Vertretung der Straßenkinder<br />

hat zur Straßenkinderkonferenz nach Berlin geladen.<br />

Zwei Hinz&Künztler haben sich auf den Weg gemacht.<br />

Redakteur Jonas Füllner hat sie begleitet.<br />

FOTOS: MARTIN KATH<br />

Ein wenig nervös klammert<br />

sich Lucas oben auf der<br />

Bühne an sein Manuskript.<br />

Alle Augen und<br />

Kameras sind auf ihn gerichtet. Der<br />

20-Jährige blickt noch einmal ins Publikum,<br />

nickt einem Bekannten zu,<br />

dann fängt er an, begrüßt die Gäste<br />

und eröffnet die Straßenkinderkonferenz<br />

in Berlin-Wuhlheide.<br />

Auf der Bühne zu stehen, das sei<br />

er tatsächlich nicht gewohnt, hatte er<br />

kurz vor seinem großen Auftritt noch<br />

im Interview erklärt. Dass der ehemalige<br />

Obdachlose allerdings ein guter Redner<br />

ist, merkt man schnell. Ein Redner mit Organisationstalent.<br />

Denn zusammen mit etwa 30<br />

anderen jungen Erwachsenen hat er vor zwei<br />

Jahren die ständige Vertretung der Straßenkinder<br />

gegründet, einen politischen Verbund von<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die alle<br />

obdachlos sind oder es mal waren.<br />

Lucas lebt in einer WG. Und wenn er sich<br />

nicht gerade mit Politik beschäftigt, dann organisiert<br />

er sein Leben. Das mit dem Leben falle ihm<br />

deutlich schwerer, räumt Lucas bereitwillig ein.<br />

Dass ihm so etwas Probleme bereitet, mag man<br />

kaum glauben, wenn man ihn so souverän dort oben auf der<br />

Bühne stehen sieht.<br />

Unten im Publikum, zwischen den etwa 150 Straßenkindern<br />

und den fast ebenso zahlreichen Sozialarbeitern und<br />

Helfern, steht auch Manuela Schwesig. Die Familienministerin<br />

ist der Stargast des Kongresses. An sie wendet sich Lucas,<br />

während er von überforderten Mitarbeitern im Jugendamt berichtet,<br />

die Bestrafungssysteme in der Jugendhilfe kritisiert und<br />

sich für „Housing First“ einsetzt. Ein Ansatz aus den USA, bei<br />

dem Obdachlose sofort eine Wohnung erhalten, ohne Umwege<br />

durch andere Einrichtungen, und trotzdem betreut sind.<br />

„Wie viele aber müssen wir noch werden, damit wir wahrgenommen<br />

werden?“, fragt Lucas.<br />

Insgesamt gebe es 7000 bis 8000 jugendliche Obdachlose.<br />

Darüber hinaus würden etwa 30.000 junge Erwachsene<br />

bundesweit auf der Straße leben. Nicht eingerechnet die<br />

wachsende Zahl unbegleiteter, junger Flüchtlinge. „Wir gemeinsam,<br />

die Flüchtlingskinder und Straßenkinder, suchen<br />

nach einem Zuhause, nach Schutz und Geborgenheit“, sagt<br />

Lucas und erntet nicht nur Applaus aus dem Publikum, sondern<br />

auch Zustimmung der Ministerin. Die räumt anschließend<br />

in ihrer Rede ein: „Straßenkinder hatte die Politik nicht<br />

gut auf dem Schirm. Ihr habt euch zu Recht darüber beschwert.“<br />

Deswegen sei es ihr ein Anliegen, mit den Jugendlichen<br />

im Gespräch zu bleiben. Zum Beispiel über die Idee des<br />

Housing First, die Manuela Schwesig als vielversprechend<br />

bezeichnet.<br />

27


Vor zwei Jahren hat<br />

Lucas aus Berlin<br />

zusammen mit anderen<br />

die STÄNDIGE<br />

VERTRETUNG der<br />

Straßenkinder gegründet.<br />

Rubrik<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

„Ich finde es richtig, dass Lucas auch die Probleme der Flüchtlingskinder<br />

angesprochen hat“, sagt Daniel. Der 27-jährige<br />

Hinz&Künztler ist als Gast aus Hamburg angereist. Er ist kein<br />

großer Redenschwinger, ist aber durchaus politisch aktiv: „Am<br />

Hauptbahnhof haben wir Flüchtlinge bei der Weiterreise<br />

nach Schweden unterstützt.“ Durch einen Aushang in den<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Vertriebsräumen erfuhr er von dem Straßenkinderkongress.<br />

„Neue Leute treffen und alte Gesichter wiedersehen“<br />

wären die Gründe gewesen, warum<br />

er mit nach Berlin wollte. Daniel<br />

hat immer wieder Platte gemacht. Auch<br />

jetzt wieder. „Im Pik As musste ich nach<br />

zwei Wochen wieder raus“, sagt der gebürtige<br />

Emdener, der seit einiger Zeit<br />

versucht, in Hamburg Fuß zu fassen. In<br />

Drückerkolonnen zog er von Tür zu Tür<br />

und versuchte den Leuten Abos anzudrehen.<br />

„Anfangs lief es gut“, sagt Daniel.<br />

„Aber dann hat mich der Chef übers<br />

Ohr gehauen.“ Plötzlich gab es kein<br />

Geld mehr. Ein Arbeitsvertrag? Fehlanzeige.<br />

So landete Daniel bei Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Noch am späten Abend beteiligt er sich mit anderen an<br />

den Diskussionsrunden. „Das Jugendamt und ich“, „Gesetzeskonflikte“<br />

und „Wie will ich wohnen?“ lauten die Themen.<br />

Viele neue Anregungen hätte er mitgenommen, sagt Daniel,<br />

der mit seinen 27 Jahren schon ein Veteran unter den Straßenkindern<br />

ist. Nette Gespräche helfen aber auch ihm nicht. Daniel<br />

will schnell wieder weg von der Straße: „Hoffentlich bekomme<br />

ich jetzt im Winter einen Festplatz im Pik As.“<br />

Diese Nacht wird er zumindest ein Dach über dem Kopf<br />

haben. Die große Turnhalle im Freizeit- und Erholungszentrum<br />

Wuhlheide dient als Tagungs- und Übernachtungsort für<br />

„Hoffentlich<br />

bekomme ich<br />

einen Festplatz<br />

im Pik As.“<br />

HINZ&KÜNZTLER DANIEL<br />

28<br />

den Kongress. Und statt ein strammes Programm zu absolvieren,<br />

werden sich die Kids später in offenen Diskussionen austauschen.<br />

Jetzt, am Nachmittag, wirkt alles geordnet. Es gibt<br />

Anmeldelisten, ein Versorgungszelt für das Essen und Kaffee<br />

statt Alkohol. Nicht unbedingt so, wie man sich die Zusammenkunft<br />

zahlreicher junger Obdachloser vorstellen würde.<br />

Bis es plötzlich während Lucas’ Rede draußen laut wird.<br />

Der zweite Hamburger Bus ist angekommen. Fast alles Punker.<br />

Freudig und lautstark werden sie von<br />

den Anwesenden begrüßt. Man kennt<br />

sich. Sei es von der ersten Straßenkonferenz<br />

vor zwei Jahren oder weil man irgendwo<br />

in der Republik bereits gemeinsam<br />

„Platte“ gemacht hat. Mit dabei:<br />

Hinz&Künztler Rico. Der 24-Jährige<br />

wuchs im Heim auf. Regeln waren nie<br />

sein Ding. Mit 14 Jahren fing alles an, erzählt<br />

Rico. Punkrock, Kiffen, Alkohol<br />

und Konzerte. „Und am Wochenende<br />

kam ich – wenn überhaupt – nachts viel<br />

zu spät und besoffen zurück.“ Rico flog<br />

aus dem Heim, landete auf der Straße. Acht Jahre ist das her.<br />

„So lange bin ich vogelfrei“, sagt Rico, grinst und räumt aber<br />

auch ein: „So ’ne Punkerplatte, nee, das ist nix mehr für mich.“<br />

Stattdessen macht Rico auf dem Kiez Platte. Dort kennt<br />

er sich aus, weiß, an welchem Tresen er bei Kälte seinen Kopf<br />

für ein, zwei Stunden ablegen kann. Tagsüber schaut er gelegentlich<br />

beim „Kids“, der Anlaufstelle für Straßenkinder, vorbei.<br />

Er trägt Verantwortung und kümmert sich daher auch<br />

abends um eine Freundin, bei der durch die Diskussionen auf<br />

dem Kongress schlimme Kindheitserinnerungen wieder hochgespült<br />

werden. „Irgendwie halten wir alle zusammen“, sagt<br />

Rico. „Alleine schafft man das nicht.“ •


Alltags-Geschichten<br />

Neulich …<br />

… kam ein Hinz&Künztler ganz aufgeregt ins<br />

Büro gestürmt. Halb fasziniert, halb empört<br />

rief er: „Haste schon gehört? Auf dem Rathausmarkt<br />

…“ Ich wusste sofort, was er meinte.<br />

Dort demonstrierten Flüchtlinge, die – sogar<br />

mit Kindern – in den zu diesem Zeitpunkt<br />

noch unbeheizten Zelten untergebracht waren.<br />

„Ja, die protestieren, weil sie frieren!“<br />

„Und was sollen wir da sagen?“, fragte<br />

Ronny. „Ich hab noch nicht mal ein Zelt.“<br />

„Warum demonstrierst du dann nicht?“,<br />

fragte ich ihn. Ronny lachte, als hätte ich einen<br />

echt guten Witz gemacht. Ich hakte nach:<br />

„Sag doch!“<br />

Sonst ist Ronny nicht um eine Antwort<br />

verlegen, aber auf einmal wirkte er fast schüchtern.<br />

„Wir wissen eben nicht, wie man das<br />

organisiert.“<br />

„Da würden wir euch ja helfen.“<br />

„Echt jetzt?“, fragte Ronny.<br />

Mal sehen, ob etwas draus wird. Bislang ist<br />

es eher so, dass nur wenige Obdachlose mitkommen,<br />

wenn wir für mehr Unterkünfte und<br />

Wohnungen demonstrieren. Da stehen die<br />

Mitarbeiter der Wohnungslosenhilfe oft mutterseelenallein<br />

vor dem Rathaus.<br />

Trotz unseres Frusts: Gerade weil wir wissen,<br />

dass die Obdachlosen das schwächste<br />

Glied in der Kette sind, finden wir es wichtig,<br />

Lobbyarbeit für sie zu machen.<br />

Vor ein paar Tagen haben ein paar Obdachlose<br />

dann doch eine Art Demonstration<br />

gestartet: Unser Sozialarbeiter erzählte, dass<br />

vier Männer, die vor einem Kaufhaus in der<br />

City Platte machen, sich geweigert hätten,<br />

morgens aufzustehen und ihren Platz zu räumen.<br />

Aus Protest und weil es so kalt und nass<br />

war. Erst als die Polizei kam, haben sie ihre Isomatten<br />

zusammengerollt. BIM<br />

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KASIMIR demonstriert auf seine Art.<br />

Lange hatte er seine Platte direkt am Rathaus.<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> bietet obdachlosen Menschen Halt. Eine Art Anker<br />

für diejenigen, deren Leben aus dem Ruder gelaufen ist. Möchten<br />

Sie uns dabei unterstützen und gleichzeitig den Menschen, die<br />

bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> Heimat und Arbeit gefunden haben, helfen? Dann<br />

hinterlassen Sie etwas Bleibendes – berücksichtigen Sie uns<br />

in Ihrem Testament! Als Testamentsspender wird Ihr Name auf<br />

Wunsch auf unserem Gedenk-Anker in der Hafencity graviert. Ein<br />

maritimes Symbol für den Halt, den Sie den sozial Benachteiligten<br />

mit Ihrer Spende geben.


Eine Äthiopierin<br />

auf Heimatbesuch<br />

Nur ein Schaffell auf einer Lehmbank neben den Ochsen – das war<br />

jahrelang der Schlafplatz von Tiruye Mullat aus Äthiopien. Dort wäre<br />

das Mädchen fast gestorben, bloß wegen einer Mandelentzündung.<br />

Weil es in ihrem kleinen Dorf im Hochland keinen Arzt gab.<br />

Die verschleppte Krankheit legte sich auf ihr Herz und schädigte es<br />

für immer. Erst eine Operation am Deutschen Herzzentrum konnte<br />

die damals 15-Jährige retten. Seitdem lebt sie in Berlin. Nach zwei<br />

Jahren in Deutschland besucht die Äthiopierin zum ersten Mal<br />

wieder ihre Heimat.<br />

FOTOS: MARKUS HUTH<br />

TEXT: LISA-MARIE ECKARDT


Fotoreportage<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

„Ich kann mir nicht mehr<br />

vorstellen, so zu leben.“ TIRUYE MULLAT<br />

Dass Tiruye noch am Leben ist, verdankt sie auch den ehrenamtlichen Helfern vom Verein „Hamburger mit Herz“. Gorden<br />

Isler und Anja Werner sammelten über die Spendenplattform betterplace.org 25.000 Euro für die lebensrettende Herz-OP.<br />

Heute ist die Äthiopierin eine aufgeweckte und selbstbewusste junge Frau. Sie wohnt bei der Familie ihres Onkels in Berlin und<br />

geht dort in die Schule. In ihrer Heimat wird sie begrüßt wie eine Prinzessin.<br />

32


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Fotoreportage<br />

„In Deutschland fahre<br />

ich U-Bahn. Hier reiten<br />

wir auf Mulis.“ TIRUYE MULLAT<br />

Im äthiopischen Hochland ticken die Uhren anders. Die Menschen in<br />

dem Dorf Mekerie leben ohne Strom und fließendes Wasser, in Hütten<br />

aus Lehm. Frauen müssen schwere Wasserkrüge auf dem Rücken meist kilometerweit<br />

tragen. Die Bauern bearbeiten die harten Böden noch mit<br />

Holzpflug und Ochsen. Der Bach ist oft ausgetrocknet und schmutzig.<br />

Nur ein einziges Haus hat eine Toilette – ein einfaches Plumpsklo. Überall<br />

ist es extrem staubig. Manchmal liegen riesige Qualmwolken über dem<br />

Dorf. Weil die Frauen das traditionelle Fladenbrot auf ihren Holzöfen<br />

backen. Oder weil jemand seinen Müll verbrennt.<br />

33


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Fotoreportage<br />

„Es ist ein Wunder, dass<br />

Tiruye noch lebt!“ TIRUYES MUTTER WUBALEM<br />

Es ist ein Wiedersehen voller Emotionen. Das Mädchen zückt ein Taschentuch und<br />

wischt ihrer Mutter Wubalem die Tränen weg. In dem Moment beginnt auch noch<br />

die langersehnte Regenzeit. Wubalem hat ihre Tochter zum letzten Mal gesehen, als<br />

sie todkrank war. Nun sieht sie endlich mit eigenen Augen, was sie als orthodoxe<br />

Christin nur als ein Wunder begreifen kann: Tiruye ist gerettet. Nur durch Zufall<br />

hatten die Entwicklungshelfer vom Schicksal des Mädchens erfahren, als sie in das<br />

Dorf kamen, um eine Schule zu bauen.<br />

35


Fotoreportage<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

„Was die Menschen hier am dringendsten<br />

brauchen, das ist Bildung.“ GORDEN ISLER, HAMBURGER MIT HERZ<br />

Tiruyes Bruder Nibret schweißt neue Bänke für die Grundschule zusammen. Wie das genau funktioniert, hat ihm Alfred<br />

Brendler aus Bayern beigebracht. Der Berufsschullehrer engagiert sich seit Jahren hier für den Förderverein der Schule Mekerie,<br />

den auch die „Hamburger mit Herz“ unterstützen. Die Entwicklungshelfer aus Deutschland haben gemeinsam eine Highschool<br />

aufgebaut und setzen sich dafür ein, dass die jungen Äthiopier eine gute Ausbildung bekommen – soweit es geht auch<br />

über die Schulzeit hinaus.<br />

36


Fotoreportage<br />

„Ich möchte einmal Ärztin<br />

werden und anderen<br />

Menschen helfen.“ TIRUYE MULLAT<br />

Im Haus der Mullats schläft die ganze Familie in einem<br />

Raum. Tiruye zeigt ihrem Bruder Bilder aus Deutschland.<br />

Von ihrem Leben in der Stadt, von ihrem Tag am Meer und<br />

von ihrer Schule. Sie will fleißig sein und später einmal Ärztin<br />

werden. Damit sie anderen Menschen das Leben retten kann,<br />

so wie ihr geholfen wurde. Dauerhaft in ihr abgelegenes<br />

Lehmhüttendorf zurückkehren kann Tiruye nicht. Denn sie<br />

muss ihr Leben lang Medikamente nehmen und regelmäßig<br />

unter ärztlicher Beobachtung sein. Wiederkommen, wenn<br />

auch nur zu Besuch, will sie aber auf jeden Fall.<br />

f & w fördern und wohnen AöR<br />

37<br />

Grüner Deich 17 · 20097 Hamburg


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

Sprechende<br />

Mauern<br />

Fünf Hamburger Jobcenter sind neuerdings nur noch über eine<br />

Hotline telefonisch erreichbar. Sozialberater sprechen von „Abschottung“,<br />

die Behörde hingegen ist begeistert. Hinz&<strong>Kunzt</strong> hat mitgehört.<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Seinen Sachbearbeiter<br />

persönlich per Telefon<br />

zu erreichen – das war<br />

einmal. Stattdessen sollen<br />

nun CALLCENTER<br />

Anfragen weiter reichen.<br />

Ob jemand zurückruft?


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Anruf eines älteren Mannes. „Ich habe heute<br />

ein Schreiben bekommen, das mich ein<br />

bisschen aufgeregt hat!“, eröffnet er das Gespräch<br />

mit der Callcenter-Mitarbeiterin.<br />

Auf Nachfragen stellt sich heraus, dass das<br />

Amt den Hilfeempfänger aufgefordert hat,<br />

seine Mietkosten zu senken. Die Wohnung sei zu groß für<br />

zwei. „Wir sind aber drei!“, sagt der Mann. Offenkundig ist<br />

beim Jobcenter das Pflegekind, das er mit seiner Frau großzieht,<br />

vergessen worden. „Ich weiß nicht, was Ihre Kollegen<br />

da machen!“, schimpft der Hilfeempfänger. „Die sollen mal<br />

lesen lernen!“ Nadine Seifert (Name geändert), die Telefonstimme<br />

des Amtes, bleibt ganz cool. „Ich gebe das gerne weiter“,<br />

sagt sie. „Wenn Sie bis Ende kommender Woche nichts<br />

hören, dürfen Sie sich gerne noch mal melden.“<br />

Der Anrufer hat aber noch mehr auf dem Herzen: Seit<br />

diesem Monat ist die Miete gestiegen. Das Amt überweist<br />

aber nicht mehr Geld. Liegt es daran, dass der Mann Widerspruch<br />

gegen einen Bescheid eingelegt hat? Die Callcenter-<br />

Mitarbeiterin schreibt ein sogenanntes Ticket, eine elektronische<br />

Nachricht an den Sachbearbeiter im Jobcenter: „Kunde<br />

bittet um erneute Prüfung und Rückmeldung.“<br />

Fünf der 16 Standorte des Hamburger Jobcenters sind neuerdings<br />

nur noch über eine Hotline telefonisch erreichbar.<br />

Knapp 90.000 Euro monatlich gibt die Hartz-IV-Behörde dafür<br />

aus, dass das Callcenter der Arbeitsagentur diese Aufgabe<br />

übernimmt. Glaubt man Oliver Weiße, dem stellvertretenden<br />

Geschäftsführer des Jobcenters, gibt es bei dieser Veränderung<br />

nur Gewinner: Die sogenannten Kunden freuen sich,<br />

weil sie (fast) immer jemanden erreichen. Und die Sachbearbeiter<br />

können ungestört ihre Akten bearbeiten.<br />

„Manche denken: ,Die Jobcenter wollen sich abschotten.‘<br />

Aber das ist nicht der Fall“, sagt der Geschäftsführer. Auslöser<br />

des Modellversuchs waren laut Weiße Befragungen von<br />

Hartz-IV-Empfängern. Diese hatten ergeben, dass das Hamburger<br />

Jobcenter im Bundesvergleich schlecht abschneidet,<br />

was die telefonische Erreichbarkeit betrifft. „Die Regelung<br />

war, dass die Mitarbeiter zwischen 8 und 9 Uhr erreichbar<br />

sein sollen. Das wurde aber oft nicht gelebt“, sagt Weiße. Wer<br />

dem smarten Geschäftsführer eine Weile zuhört, begreift<br />

schnell: Das „Jobcenter der Zukunft“, wie sich das Modell<br />

nennt, wird bald überall in Hamburg Wirklichkeit sein.<br />

Anruf eines jungen Mannes. Sein Sachbearbeiter hat ihn<br />

schriftlich aufgefordert, kommende Woche um 7.30 Uhr im<br />

Bereits 156-mal sind<br />

Hilfeempfänger an<br />

diesem Tag telefonisch<br />

nicht durchgekommen.<br />

Amt zu erscheinen. Da der Anrufer am Stadtrand wohnt und<br />

der erste Bus um 6.24 Uhr fährt, wird er sich voraussichtlich<br />

um zehn Minuten verspäten. Nadine Seifert schreibt erneut<br />

ein Ticket. „Kunde bittet um Rückruf, sofern das nicht möglich<br />

ist“, schließt sie. Verpasst ein Hilfeempfänger einen Termin<br />

und liefert nicht spätestens am gleichen Tag eine gute Erklärung<br />

dafür, kann das böse Folgen haben: Im schlechtesten<br />

Fall kürzt das Amt die Hilfe.<br />

„3:30“. So steht es auf dem Computerbildschirm der Teamleiterin.<br />

Das bedeutet: Drei Minuten und 30 Sekunden muss<br />

ein Hartz-IV-Empfänger an diesem Donnerstagnachmittag<br />

kurz vor halb drei warten, bis sein Anruf von der Hotline des<br />

Jobcenters entgegengenommen wird.<br />

Wenn er denn so lange wartet: 1084 Anrufversuche hat<br />

der Rechner seit dem Morgen gezählt, 928 Gespräche kamen<br />

zustande. Mit anderen Worten: Bereits 156-mal sind Hilfeempfänger<br />

an diesem Tag telefonisch nicht zu ihrem Jobcenter<br />

durchgekommen, weil sie nicht geduldig genug waren. 75<br />

Prozent Erreichbarkeit ist die Zielmarke des Callcenters. Drei<br />

von vier Anrufern also sollen das Callcenter beim ersten Versuch<br />

erreichen, ohne übermäßiges Warten oder die Ansage:<br />

„Leider verzeichnen wir gerade ein hohes Anrufaufkommen.<br />

Bitte versuchen Sie es deshalb zu einem späteren Zeitpunkt<br />

noch einmal.“<br />

Anruf einer Sozialarbeiterin. Sie telefoniert im Auftrag einer<br />

Asylbewerberin, die neben ihr sitzt. Nadine Seifert lässt sich<br />

die Kundin geben und fragt, ob sie einverstanden ist, dass die<br />

Sozialarbeiterin das Gespräch führt. Datenschutz. Es geht um<br />

ein Schreiben des Jobcenters, auf dem „Aufforderung zur<br />

Mitwirkung“ steht. Das Amt fordert für zwei Töchter der<br />

Asylbewerberin eine Schulbescheinigung. „Jetzt sind aber<br />

Ferien, und das Sekretariat ist zu“, sagt die Sozialarbeiterin.<br />

Zudem habe die ältere Tochter die Schule kürzlich abge-<br />

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ISBN 978-3-9814245-9-1<br />

Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

Sozialarbeiter berichten von<br />

frustrierten Hilfeempfängern<br />

und sinnloser Mehrarbeit.<br />

wenn ein Hilfeempfänger gerade unter der Dusche steht oder<br />

die Sozialarbeiterin ein Beratungsgespräch führt? Die Telefonnummer<br />

der Jobcenter-Mitarbeiter wird nicht übertragen,<br />

und mehr als einmal rufen sie nicht zurück – wenn überhaupt,<br />

so die Klagen von Sozialberatern.<br />

schlossen. Nadine Seifert verspricht, die Informationen weiterzugeben.<br />

„Die Schulbescheinigung ist ja nicht so relevant<br />

zur Leistungsberechnung.“<br />

So einfach geht es oft nicht: Sozialberater berichten von frustrierten<br />

Hilfeempfängern und sinnloser Mehrarbeit. „Existenzielle<br />

Fragen können über die Hotline nicht geklärt werden“,<br />

sagt Christel Ewert von der Stadtteildiakonie Wilhelmsburg.<br />

Und dann erzählt sie von der Mutter eines kleinen Kindes,<br />

die kürzlich zu ihr kam. In heller Aufregung, weil der Strom<br />

abgestellt werden sollte, wegen Energieschulden.<br />

Die Sozialberaterin sieht die Papiere durch und stellt fest:<br />

Das Jobcenter hat der Frau in den vergangenen Monaten 550<br />

Euro zu wenig überwiesen. Christel Ewert ruft beim Callcenter<br />

an – und bekommt die Empfehlung, gemeinsam mit der<br />

Frau persönlich beim Jobcenter vorzusprechen. Gut zwei<br />

Stunden muss sie aufwenden, um vor Ort die Fehler des Amtes<br />

aufzuklären, die meiste Zeit verbringt sie mit Warten.<br />

„Früher hätte ich das mit einem Anruf beim Sachbearbeiter<br />

klären können“, sagt die Stadtteildiakonin. „Das ist Abschottung,<br />

die da stattfindet!“ Zwar verspricht das Jobcenter einen<br />

Rückruf innerhalb von 48 Stunden. Doch was geschieht,<br />

Anruf einer Frau mit verzagter Stimme. Die Hartz-IV-Empfängerin<br />

hat von der Arbeitsagentur einen Vermittlungsvorschlag<br />

zugeschickt bekommen. Sie soll sich bei einer Reinigungsfirma<br />

bewerben. „Das habe ich schon versucht, das ist<br />

nichts für mich“, sagt die Anruferin. Ihre Beraterin beim Jobcenter<br />

wisse das auch. Zudem könne sie nicht Schichtdienst<br />

bei der weit entfernten Firma leisten, da ihr Mann das gemeinsame<br />

Auto für die Fahrt zu seinem Job brauche.<br />

Nadine Seifert verspricht, die Informationen weiterzugeben.<br />

Aus dem Datensatz der Frau kann sie ersehen, dass die<br />

Jobcenter-Beraterin eine Notiz gefertigt hat: „Aus persönlichen<br />

Gründen für Reinigungsjobs nicht geeignet.“ Auf diesen<br />

Vermerk hatte die Jobbörse der Arbeitsagentur, die den Brief<br />

verschickt hat, offenbar keinen Zugriff. Warum eigentlich<br />

nicht? „Datenschutz“, sagt Nadine Seifert. Auch nach diesem<br />

Gespräch muss sie ein Ticket versenden.<br />

80 Prozent aller Anrufe sollen die Callcenter-Mitarbeiter<br />

„fallabschließend bearbeiten“. Nach Darstellung des Jobcenters<br />

schaffen sie das auch. Nadine Seifert hat in der guten halben<br />

Stunde, in der Hinz&<strong>Kunzt</strong> sie bei der Arbeit begleitete,<br />

keine der vier Anfragen wirklich beantworten können. Ein<br />

Zufall? Wie ihre Kollegen in den Ämtern mit den Nachrichten<br />

umgehen, die sie weitergeleitet hat, erfährt sie nicht. Und<br />

das ist auch so gewollt. •<br />

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Bekanntmachung<br />

zum Bürgerschaftsreferendum zur Bewerbung<br />

um Olympische und Paralympische Spiele 2024<br />

Durchführung, Verfahren, Briefabstimmung, Abstimmung<br />

in den Abstimmungsstellen, Stimmberechtigung<br />

und Einsicht in das Abstimmungsverzeichnis<br />

Durchführung<br />

Nach § 25 h ff. des Volksabstimmungsgesetzes wird<br />

am 29. <strong>November</strong> <strong>2015</strong> (Sonntag)<br />

in der Zeit von 8:00 – 18:00 Uhr<br />

das Bürgerschaftsreferendum zur Bewerbung um Olympische<br />

und Paralympische Spiele durchgeführt.<br />

Auf dem Stimmzettel steht eine Vorlage zur Abstimmung.<br />

Die Vorlage zum Bürgerschaftsreferendum zur Bewerbung<br />

um Olympische und Paralympische Spiele lautet:<br />

„Ich bin dafür, dass sich der Deutsche Olympische Sportbund<br />

mit der Freien und Hansestadt Hamburg um die<br />

Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele<br />

im Jahr 2024 bewirbt.“<br />

Verfahren<br />

Die Abstimmenden haben jeweils eine Stimme. Durch<br />

Ankreuzen von „JA“ oder „NEIN“ wird abgestimmt. Jede<br />

stimmberechtigte Person kann also auf dem Stimmzettel<br />

eine Stimme abgeben, das heißt jeweils für oder gegen<br />

die Vorlage stimmen.<br />

Die Teilnahme an dem Bürgerschaftsreferendum ist<br />

durch Briefabstimmung oder durch persönliche<br />

Abstimmung am 29. <strong>November</strong> <strong>2015</strong> möglich. Hierzu<br />

erhalten alle Abstimmungsberechtigten zusammen mit<br />

der Abstimmungsbenachrichtigung ohne Antrag die<br />

Briefabstimmungsunterlagen zugesandt. Zudem ist eine<br />

Liste der insgesamt 200 Abstimmungsstellen beigefügt.<br />

Das Bürgerschaftsreferendum kommt zustande, wenn<br />

mehr Ja als Nein-Stimmen abgegeben werden und<br />

mindestens ein Fünftel der zur Bürgerschaft<br />

Wahlberechtigten zustimmt (259.883 Personen).<br />

Die zuständige Behörde legt für den Versand der<br />

Abstimmungsunterlagen ein vorläufiges elektronisches<br />

Abstimmungsverzeichnis an. Das endgültige Abstimmungsverzeichnis<br />

wird am Abstimmungstag<br />

(29. <strong>November</strong> <strong>2015</strong>) erstellt.<br />

In das Abstimmungsverzeichnis werden von Amts wegen<br />

alle im Melderegister erfassten Personen eingetragen,<br />

die am Abstimmungstag - also am 29. <strong>November</strong> <strong>2015</strong> -<br />

zur Bürgerschaft wahlberechtigt sind.<br />

Abstimmungsberechtigte, die nicht im Abstimmungsverzeichnis<br />

eingetragen sind, werden auf Antrag bei den<br />

unten angegebenen bezirklichen Abstimmungsdienststellen<br />

in das Abstimmungsverzeichnis<br />

aufgenommen. Der Antrag muss die Versicherung<br />

enthalten, dass die Abstimmungsvoraussetzungen<br />

vorliegen.<br />

Briefabstimmung<br />

Alle stimmberechtigten Personen, die in das<br />

Abstimmungsverzeichnis eingetragen sind, erhalten bis<br />

zum 7. <strong>November</strong> <strong>2015</strong> die Abstimmungsunterlagen.<br />

Diese bestehen aus der Abstimmungsbenachrichtigung mit<br />

Hinweisen zum Abstimmungsverfahren, dem amtlichen<br />

weißen Abstimmungsschein mit einer vorgedruckten<br />

eidesstattlichen Versicherung zur Briefabstimmung, dem<br />

amtlichen weißen Stimmzettel, dem amtlichen blauen<br />

Stimmzettelumschlag, dem amtlichen roten Abstimmungsbriefumschlag<br />

sowie einem Informationsheft zum<br />

Bürgerschaftsreferendum und einer Liste der Abstimmungsstellen.<br />

Jede abstimmungsberechtigte Person kann ohne<br />

Antragstellung die Briefabstimmung nutzen und den roten<br />

Abstimmungsbrief innerhalb Deutschlands portofrei an die<br />

Bezirksabstimmungsleitung senden.<br />

Der Abstimmungsbrief muss so rechtzeitig von der<br />

stimmberechtigten Person abgesandt werden, dass er der<br />

Bezirksabstimmungsleitung spätestens bis zum<br />

29. <strong>November</strong> <strong>2015</strong>, 18:00 Uhr, zugeht. Der<br />

Abstimmungsbrief kann auch bei der<br />

Abstimmungsdienststelle abgegeben werden.<br />

Außerdem ist auch die Briefabstimmung vor Ort in einer<br />

der unten angegebenen Abstimmungsdienststellen<br />

möglich. Die Öffnungszeiten sind Montag – Donnerstag<br />

08:00-16:00 Uhr, Freitag 08:00-14:00 Uhr. Abweichende<br />

Öffnungszeiten werden durch Aushang in oder am<br />

Dienstgebäude bekannt gemacht.<br />

Abstimmung in den Abstimmungsstellen<br />

Die Stimmabgabe kann statt durch Briefabstimmung auch<br />

durch persönliche Abstimmung in einer von 200<br />

Abstimmungsstellen erfolgen. Jede abstimmungsberechtigte<br />

Person kann frei entscheiden, welche dieser<br />

Abstimmungsstellen sie aufsuchen möchte. Eine Liste der<br />

Abstimmungsstellen ist der Abstimmungsbenachrichtigung<br />

beigefügt.<br />

Am Abstimmungstag sind die Abstimmungsstellen für die<br />

Stimmabgabe von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet.<br />

Einsicht in das Abstimmungsverzeichnis<br />

Das vorläufige elektronische Abstimmungsverzeichnis für<br />

das Bürgerschaftsreferendum am 29. <strong>November</strong> <strong>2015</strong><br />

kann von Montag, 9. <strong>November</strong> <strong>2015</strong>, bis Donnerstag,<br />

12. <strong>November</strong> <strong>2015</strong>, von 08:00 bis 16:00 Uhr und Freitag,<br />

13. <strong>November</strong> <strong>2015</strong>, von 08:00 bis 14:00 Uhr in den unten<br />

angegebenen bezirklichen Abstimmungsdienststellen<br />

eingesehen werden.<br />

Stimmberechtigung<br />

Stimmberechtigt sind alle Deutschen, die am Tage der<br />

Abstimmung<br />

– das 16. Lebensjahr vollendet haben, also vor dem<br />

30. <strong>November</strong> 1999 geboren sind,<br />

– seit mindestens drei Monaten im Gebiet der Freien und<br />

Hansestadt Hamburg ihre (Haupt-) Wohnung haben<br />

oder sich sonst gewöhnlich aufhalten, also seit dem<br />

29. August <strong>2015</strong>,<br />

– und nicht nach § 7 Absatz 1 des Gesetzes über die<br />

Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft vom Wahlrecht<br />

ausgeschlossen sind.<br />

Abstimmungsberechtigte erhalten spätestens bis zum<br />

7. <strong>November</strong> <strong>2015</strong> ihre Abstimmungsunterlagen.<br />

Stimmberechtigte Personen, die keine amtlichen Abstimmungsunterlagen<br />

erhalten haben, sollten sich durch<br />

Nachfrage bei einer der bezirklichen Abstimmungsdienststellen<br />

vergewissern, ob sie im Abstimmungsverzeichnis<br />

eingetragen sind.<br />

Abstimmungsberechtigte, die nicht im Abstimmungsverzeichnis<br />

eingetragen sind, sind auf Antrag bei den<br />

unten angegebenen Abstimmungsdienststellen in das<br />

Abstimmungsverzeichnis aufzunehmen. Der Antrag muss<br />

die Versicherung enthalten, dass die Abstimmungsvoraussetzungen<br />

vorliegen.<br />

Personen ohne festen Wohnsitz<br />

Stimmberechtigt sind alle wohnungslosen Deutschen,<br />

wenn sie am Tag der Stimmabgabe die o. g.<br />

Voraussetzungen erfüllen. Sie werden nur auf Antrag in<br />

das Abstimmungsverzeichnis eingetragen.<br />

Der Antrag muss persönlich oder schriftlich bis zum<br />

29. <strong>November</strong> <strong>2015</strong> bei einer der unten angegebenen<br />

Abstimmungsdienststellen gestellt werden. Zur<br />

Erleichterung der Antragstellung sind Vordrucke in den<br />

Abstimmungsdienststellen, in den Grundsicherungs- und<br />

Sozialdienststellen der Bezirksämter, in den Tagesaufenthaltsstätten<br />

sowie in den Übernachtungsstätten und<br />

Wohnunterkünften erhältlich.<br />

Widerspruch<br />

Wer das Abstimmungsverzeichnis für unrichtig oder<br />

unvollständig hält, kann während der Einsichtsfrist vom<br />

9. bis zum 13. <strong>November</strong> <strong>2015</strong>, 14:00 Uhr, bei einer der<br />

unten angegebenen Abstimmungsdienststellen Widerspruch<br />

einlegen. Der Widerspruch muss schriftlich oder<br />

durch Erklärung zur Niederschrift eingelegt werden.<br />

Das Abstimmungsverzeichnis wird im automatisierten<br />

Verfahren geführt.<br />

Hamburg, im Oktober <strong>2015</strong><br />

Der Landesabstimmungsleiter<br />

Abstimmungsdienststellen<br />

Öffnungszeiten: Montag - Donnerstag 08:00 - 16:00 Uhr, Freitag 08:00 - 14:00 Uhr<br />

Bezirk Hamburg-Mitte<br />

Abstimmungsdienststelle HH-Mitte<br />

Klosterwall 4, Block B, 20095 Hamburg<br />

Fax: (040) 4 279 08- 164<br />

Briefwahl@hamburg-mitte.hamburg.de<br />

Bezirk Altona<br />

Abstimmungsdienststelle Altona<br />

Platz der Republik 1, 22765 Hamburg<br />

Fax: (040) 427 31- 0838<br />

Briefwahl@altona.hamburg.de<br />

Bezirk Hamburg-Nord<br />

Abstimmungsdienstelle HH-Nord<br />

Kümmellstraße 7, 20249 Hamburg<br />

Fax: (040) 4 279 04- 999<br />

Briefwahl@hamburg-nord.hamburg.de<br />

Bezirk Wandsbek<br />

Abstimmungsdienstelle Wandsbek<br />

Schloßstraße 60, 22041 Hamburg<br />

Fax: (040) 4 279 05- 505<br />

Briefwahl@wandsbek.hamburg.de.<br />

Bezirk Bergedorf<br />

Abstimmungsstelle Bergedorf<br />

Wentorfer Straße 38, 21029 Hamburg<br />

Fax: (040) 4 279 06- 280<br />

Briefwahl@bergedorf.hamburg.de<br />

Bezirk Eimsbüttel<br />

Abstimmungsdienstelle Eimsbüttel<br />

Grindelberg 66, 20144 Hamburg<br />

Fax: (040) 4 279 03- 081<br />

Briefwahl@eimsbuettel.hamburg.de<br />

Bezirk Harburg<br />

Abstimmungsdienststelle Harburg<br />

Harburger Rathausplatz 1, 21073 Hamburg<br />

Fax: (040) 4 279 07- 408<br />

Briefwahl@harburg.hamburg.de


Freunde<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

Ein Leben ohne Kunst<br />

ist für WOLFRAM<br />

SCHNELLE möglich,<br />

aber sinnlos.<br />

Unter den Hammer<br />

Sie haben noch eine antike Vase zu Hause, Silberbesteck oder<br />

etwas anderes Originelles, das Sie zugunsten von Hinz&<strong>Kunzt</strong> versteigern lassen wollen?<br />

Wenn es 100 Euro wert ist, könnten Sie mitmachen bei der Auktion von Lauritz.com.<br />

TEXT: SYBILLE ARENDT<br />

FOTO: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

Ein Büro wie Wolfram Schnelle<br />

hat nicht jeder: Der Raum des<br />

Hamburger Lauritz.com-Geschäftsführers<br />

ist 1500 Quadratmeter<br />

groß und sieht aus wie eine Mischung<br />

aus Museum und Flohmarkt. In dem<br />

Backsteingebäude an der Großen Elbstraße<br />

sind Dutzende von Designer-Möbeln<br />

zu bestaunen, aber auch Gemälde<br />

und Sammlerstücke wie Bernsteinschnitzereien,<br />

Damenhandtaschen und<br />

Porzellan. Die wilde Mischung gefällt<br />

dem 37-Jährigen: Gut gelaunt posiert<br />

Schnelle für die Fotos und erklärt, wie<br />

die Spenden-Auktion für Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

funktioniert.<br />

Das Prinzip ist denkbar einfach: Wer<br />

sich von einem gut erhaltenen Teppich<br />

oder Omas Silberkanne trennen möchte,<br />

macht ein Foto von dem guten Stück<br />

und schickt es per Mail an Lauritz.com.<br />

Die Experten antworten daraufhin mit<br />

einem ersten Schätzpreis. Dieser muss<br />

bei mindestens 100 Euro liegen. Dann<br />

bringt der Kunde den Gegenstand vorbei<br />

und es erfolgt eine Begutachtung vor<br />

Ort. „Nur aufgrund eines Fotos kann<br />

man nicht erkennen, ob etwas echt ist“,<br />

so Schnelle. Und dafür garantiert das<br />

Unternehmen: „Bei uns weiß der Käu-<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />

42


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

„Kunstwerke<br />

liefern Fragen,<br />

Antworten und<br />

Inspiration.“<br />

Freunde<br />

fer, dass ein Eames Chair auch wirklich<br />

ein Eames Chair ist“, versichert der<br />

Kunstfachmann. Kommen die Fachleute<br />

bei der Taxierung zu dem Schluss,<br />

dass der Gegenstand keine Fälschung ist,<br />

wird er fotografiert und online gestellt.<br />

Mit dem Prinzip der Online-Auktionen<br />

ist das dänische Unternehmen seit<br />

1999 erfolgreich. „Durch das Internet<br />

erreichen wir viele Menschen und nehmen<br />

den Auktionen das Elitäre“, sagt er.<br />

1,2 Millionen registrierte Kunden kann<br />

Lauritz.com vorweisen. Das Online-<br />

Unternehmen verdient an der Zuschlagsgebühr<br />

und der Provision.<br />

Auch die Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Auktion<br />

wird nach diesem Prinzip funktionieren.<br />

Aber Lauritz.com wird dabei auf alle<br />

Gebühren verzichten, damit die Erlöse<br />

ganz und gar Hinz&<strong>Kunzt</strong> zugute kommen.<br />

Wolfram Schnelle freut sich darauf,<br />

denn er schätzt die Arbeit von<br />

Straßenmagazinen. Er lebte lange Jahre<br />

in London und kennt daher auch das<br />

Magazin Big Issue. Außerdem gehören<br />

Charity-Versteigerungen zum Prinzip<br />

des Unternehmens. In Hamburg unterstützt<br />

Lauritz.com auf diese Weise zum<br />

Beispiel regelmäßig die „altonale“.<br />

Schnelle kennt den Markt gut. Er<br />

hat Betriebswirtschaft und Kunstgeschichte<br />

studiert und einige Jahre eine<br />

Galerie in London geführt. 2010 ist er<br />

dort ausgestiegen. Die Wirtschaftskrise<br />

schmälerte die Umsätze dramatisch.<br />

Und außerdem brauchte der Kunstliebhaber<br />

einen sicheren Job, denn er wurde<br />

Vater. Schnelle kam mit seiner Familie<br />

nach Deutschland zurück und arbeitete<br />

zunächst in einer anderen Branche. Als<br />

im Mai <strong>2015</strong> die Stelle bei Lauritz.com<br />

frei wurde, griff er zu. „Ich bin froh,<br />

wieder in dem Bereich zu arbeiten, für<br />

den ich brenne.“<br />

Denn ein Leben ohne Kunst kann<br />

sich Wolfram Schnelle nicht vorstellen.<br />

Jedes Wochenende ist er mit seiner Frau<br />

und seinen beiden Kindern im Museum.<br />

„Natürlich nicht mehr vier Stunden,<br />

so wie früher. Aber ich gehe dort<br />

hin wie andere vielleicht in die Kirche:<br />

Kunstwerke liefern Fragen, Antworten<br />

und Inspiration.“ •<br />

So funktioniert’s: Wer ein Möbel- oder<br />

Schmuckstück, Porzellan, einen Teppich,<br />

ein Kunstwerk oder auch Neuware<br />

zugunsten von Hinz&<strong>Kunzt</strong> versteigern<br />

lassen möchte, schickt einfach zwischen dem<br />

1. und 28. <strong>November</strong> eine E-Mail mit<br />

einem Foto des Gegenstandes an<br />

hinzundkunzt@lauritz.com.<br />

Die Experten von Lauritz.com antworten mit<br />

einem Schätzpreis und klären alle Fragen.<br />

Ab dem 6. Dezember startet die Online-<br />

Auktion. Alle Infos unter www.lauritz.com<br />

JA,<br />

ICH WERDE<br />

MITGLIED<br />

IM HINZ&KUNZT-<br />

FREUNDESKREIS.<br />

Damit unterstütze ich die<br />

Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Meine Jahresspende beträgt:<br />

60 Euro (Mindestbeitrag für<br />

Schüler/Studenten/Senioren)<br />

100 Euro<br />

Euro<br />

Datum; Unterschrift<br />

Ich möchte eine Bestätigung<br />

für meine Jahresspende erhalten.<br />

(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />

Meine Adresse:<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Nr.<br />

PLZ, Ort<br />

Telefon<br />

E-Mail<br />

Beruf<br />

Geburtsjahr<br />

Einzugsermächtigung:<br />

Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />

Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />

Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />

Dankeschön<br />

IBAN<br />

Wir danken allen, die im Oktober an uns<br />

gespendet haben, sowie allen Mitgliedern<br />

im Freundeskreis von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

für die Unterstützung unserer Arbeit!<br />

DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />

Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH,<br />

Axel Ruepp Rätselservice, IPHH,<br />

Hamburger Kunsthalle, bildarchiv-hamburg.de,<br />

Kultur-Medien Hamburg GmbH,<br />

Firma Ute Orth, Druckerei SCHARLAU GmbH,<br />

Medienpool Extra GmbH, wk it services<br />

43<br />

NEUE FREUNDE:<br />

Hauke Ahrend, Marijke Bouma,<br />

Sophie Brackrock, Kay Brose,<br />

Ronald Bücker, Fabian Giglmaier,<br />

Theres Gniwotta, Lina Klingebeil,<br />

Philipp Meis, Brian Melican,<br />

Patriotische Gesellschaft von 1765,<br />

Severin Renke, Achim Rode<br />

und Cordula Wallis, Monika Saß,<br />

Karen Schulz, Birgit Steffens,<br />

Walter Steuer, Grit Westphal,<br />

Lena Maja Wöhler<br />

BIC<br />

Bankinstitut<br />

Wir versichern, dass Ihre Angaben nur für interne<br />

Zwecke bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> verwendet werden. Ihre<br />

Mitgliedschaft im Freundeskreis ist jederzeit kündbar.<br />

Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />

Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />

Oder online im Freundeskreis anmelden unter<br />

www.hinzundkunzt.de/so-koennen-sie-helfen/<br />

HK <strong>273</strong>


Buh&Beifall<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

Was unsere Leser meinen<br />

„Bedürftige dürfen nicht in Vergessenheit geraten“<br />

„Plötzlich Millionen vorhanden“<br />

H&K 272, Kommentar: „Wir müssen das<br />

hinkriegen – für alle“<br />

Ihren Kommentar empfinde ich<br />

als ausgleichend und moderat. Seit Jahren<br />

kaufe ich „Hinz&<strong>Kunzt</strong>“ und las<br />

sehr oft, wie sehr sich mancher Obdachlose<br />

eine eigene Wohnung wünscht. Ich<br />

bin wie Sie ein wenig neidisch, dass das<br />

Thema Obdachlosigkeit nicht mit derselben<br />

Power angepackt wurde wie die<br />

jetzige Flüchtlingsproblematik. Es ist<br />

sehr traurig, wie oft soziale Projekte aufgegeben<br />

werden mussten oder der soziale<br />

Wohnungsbau ins Hintertreffen gerät,<br />

weil angeblich kein Geld da ist. Nun<br />

sind aber plötzlich Millionen vorhanden.<br />

Mit Ihnen hoffe ich, dass Obdachlose<br />

und andere Bedürftige über der<br />

ganzen Flüchtlingskatastrophe nicht<br />

gänzlich in Vergessenheit geraten.<br />

ULRIKE LIMPACH<br />

„Ganz neue Eindrücke“<br />

H&K 270, Sommer in Hamburg<br />

Durch die wunderbaren Tipps<br />

habe ich ganz neue Eindrücke gewonnen.<br />

Der Michelgarten war eine wahre<br />

Erholungspause!<br />

ZDENKA FISCHER<br />

Die Griechenland-Unterstützer<br />

H&K 269, Griechisches Tagebuch<br />

Wie bekommt man Kontakt zu<br />

der Griechin in Hamburg, die Medikamente<br />

für die Sozialklinik sammelt? Wie<br />

kann man unterstützen? Über den drängenden<br />

Fragen zur Flüchtlingssituation<br />

vergisst man Griechenland. R. HANSEN<br />

Anm. der Redaktion: Schicken Sie Ihre<br />

Post an den Förder- und Freundeskreis<br />

Elliniko e.V., Vorsitz: Kalliopi Brandstäter<br />

und Hinrich Stechmann, Neue Wöhr 14,<br />

22307 Hamburg, Telefon: 0157-34 33 29<br />

21, E-Mail: vorstand@elliniko-freunde.de<br />

Leserbriefe geben die Meinung des Verfassers<br />

wieder, nicht die der Redaktion. Wir behalten<br />

uns vor, Leserbriefe zu kürzen.<br />

Wir trauern um<br />

Andreas Moeck<br />

28. Mai 1969 – 25. Mai <strong>2015</strong><br />

Andreas verkaufte am S-Bahnhof Holstenstraße.<br />

Seinen 46. Geburtstag hat er nicht mehr erlebt.<br />

Die Verkäufer und das Team von<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Wir trauern um<br />

Detlef Lutz Jeschke<br />

29. Juli 1958 – 3. Juli <strong>2015</strong><br />

Detlef war schwer krank. Bis kurz vor seinem<br />

Tod verkaufte er bei Ikea Moorfl eet.<br />

Die Verkäufer und das Team von<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />

DER ETWAS<br />

ANDERE<br />

STADTRUNDGANG<br />

Wollen Sie Hamburgs City einmal mit anderen Augen sehen?<br />

Abseits der teuren Fassaden zeigt Hinz&<strong>Kunzt</strong> Orte, die in<br />

keinem Reiseführer stehen: Bahnhofs mission statt Rathausmarkt,<br />

Drogenberatungsstelle statt Alsterpavillon, Tages aufent halts stätte<br />

statt Einkaufspassage.<br />

Anmeldung: info@hinzundkunzt.de<br />

oder Telefon: 040/32 10 83 11<br />

Kostenbeitrag: 10/5 Euro,<br />

nächste Termine: 8. + 22.11.<strong>2015</strong>, 15 Uhr<br />

Antifaschistischer Pflegedienst<br />

sucht ex. Pflegekräfte in Teilzeit<br />

(auch Minijob) mit Pkw-FS.<br />

www.solihilfe.de info@solihilfe.de<br />

Tel.: 040 – 38 68 66 -0<br />

Lagerstr. 30-32, 20357 Hamburg


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Große Gefühle: Schuberts Schöne Müllerin zugunsten von Hinz&<strong>Kunzt</strong> (S. 50).<br />

Leckere Sachen: Unser Koch des Monats tischt auf (S. 56).<br />

Neue Heimat: Beim FC St. Pauli kann Hinz&Künztler Reiner entspannen (S. 58).<br />

Wo CHARLY HÜBNER steht,<br />

ist vorn: Mit seiner Präsenz<br />

füllt der Schauspieler die Bühne<br />

auch alleine ganz gut (S. 46).<br />

FOTO: DANIEL CRAMER


Ein Mann wie eine norddeutsche<br />

Schrankwand:<br />

Nicht mal der grauenhafte<br />

Schnauzer kann CHARLY<br />

HÜBNER entstellen.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

„Ich bin ein<br />

total guter<br />

Freihaber“<br />

Wuchtig, kantig, nordisch: So kennt man Charly Hübner in seiner Rolle<br />

als Kommissar Bukow im Rostocker Polizeiruf. Aber der Schauspieler kann<br />

auch leise: ein Gespräch über Hübners Kindheit in Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Ärger über Pegida und seinen Ruhepol – die Elbe.<br />

TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />

FOTOS: DANIEL CRAMER<br />

Gerade so passt er durch<br />

die Tür. Fast müsste er<br />

sich bücken, dieser große,<br />

kräftige Mann in seinen<br />

besten Jahren. Dann<br />

steht er da und vereinnahmt auf einen<br />

Schlag den ganzen Raum. „Hallo, ich<br />

bin Charly“, sagt lapidar einer der begehrtesten<br />

deutschen Schauspieler dieser<br />

Tage und reicht zur Begrüßung die<br />

Hand: Charly Hübner. Den Schnauzbart<br />

trägt er für die Kinoverfilmung von<br />

Timm Thaler, den schweren Mantel<br />

über dem legeren T-Shirt, weil es jetzt<br />

kalt ist in Hamburg. Die Stimmung<br />

beim Gespräch ist das glatte Gegenteil<br />

von frostig, Hübner gibt sich freundlich<br />

und offen. Schnell ist klar: Charly Hübner<br />

ist einer, der gerne erzählt.<br />

Und trotzdem hat es fast ein Jahr<br />

gedauert, bis dieses Gespräch zustande<br />

kam. Denn der 42-Jährige ist viel beschäftigt:<br />

Allein 2014 hat er sechs Filme<br />

gedreht, die alle in diesem Jahr Premiere<br />

feierten. Am Hamburger Schauspielhaus<br />

war er im Frühjahr in Tschechows<br />

„Onkel Wanja“ und Dostojewskis<br />

„Schuld und Sühne“ zu sehen, bald<br />

geht er mit „Schiff der Träume“ auf die<br />

Bühne. Neben Auftritten und Dreharbeiten<br />

bedeutet das viel planen, proben<br />

und dann präsentieren. Der Grund, warum<br />

wir so lange für ein Treffen mit<br />

Hübner anstehen mussten, ist aber ein<br />

anderer: die Familie.<br />

Denn zwischen Drehs und Bühnenproben<br />

macht seine Familie häufig wochenlang<br />

nichts anderes, als Familie zu<br />

sein. Keine Termine, keine Interviews.<br />

„Das würde die Ruhe stören“, sagt Hübner.<br />

„Ich bin ein total guter Freihaber.“<br />

Zusammen mit Kollegin und Ehefrau<br />

Lina Beckmann und deren Sohn lebt er<br />

inzwischen hochzufrieden in den Elbvororten.<br />

Ganz bewusst nehmen die<br />

drei sich so viel Zeit für sich, wie die Jobs<br />

47<br />

von Charly und Lina es erlauben. Auch<br />

weil die Jobs es erlauben.<br />

So wie seine Eltern will er es nicht<br />

machen, bei denen Familie oft nur zwischen<br />

Feierabend und Schlafengehen<br />

stattfand. „Das fand ich als Kind schon<br />

doof“, sagt Hübner. Nicht vorwurfsvoll,<br />

eher ein wenig enttäuscht. „Man verpasst<br />

so viel dadurch.“ Und schon driftet<br />

das Gespräch ab in Richtung Osten,<br />

hin zu seiner Kindheit draußen in der<br />

Natur an den Mecklenburgischen Seen.<br />

Ganz schnell kommt Charly Hübner<br />

ins Schwärmen über die „wildesten<br />

Wälder“ und die „glasklaren Seen“ der<br />

Feldberger Seenlandschaft. Dort, mitten<br />

im Nirgendwo, erlebt er fast beiläufig<br />

das zähe Ende der DDR. Wirkliche Rebellion<br />

ist dem jungen Charly damals<br />

noch fremd, die Unzufriedenheit mit<br />

der Staatsführung begreift er erst spät.<br />

Einen Moment des Aufbegehrens gab es<br />

aber doch: Einmal trugen er und eine


Charly Hübner liebt die Arbeit am Hamburger<br />

SCHAUSPIELHAUS (links). Aber er brilliert<br />

auch an anderen Orten und in unterschiedlichen<br />

Genres. Gerade ist er beim Deutschen Comedypreis<br />

als bester Darsteller geehrt worden.<br />

„Ich glaube<br />

nicht, dass alle<br />

Dresdner Pegida-<br />

Anhänger sind.“<br />

Handvoll anderer zur Einschulung weiße<br />

T-Shirts statt der vorgeschriebenen<br />

blauen FDJ-Hemden. Doch wogegen<br />

sich ihr Protest richtete, weiß Hübner<br />

heute nicht mehr.<br />

Aber der junge Hübner entdeckt<br />

auf geschmuggelten Kassetten erst<br />

Punkmusik, dann Heavy Metal und später<br />

Klassik für sich. Subkultur im besten<br />

Sinne: „Ace of Spades“, das Kult-Album<br />

der Metal-Band Motörhead, hört<br />

er zum ersten Mal in der Schule, als ein<br />

Mitschüler es über die Lautsprecheranlage<br />

laufen lässt. Auch ein bisschen Rebellion.<br />

Eine, die ihn bis heute prägt.<br />

Aus der Ferne beobachtet Charly<br />

Hübner, wie der Unmut in der Bevölkerung<br />

wächst. Wie sich zum Beispiel aus<br />

Dresden Tausende aufmachen in Richtung<br />

BRD. „Gerade Dresden!“, sagt<br />

Hübner und hebt dabei zum ersten Mal<br />

die Stimme. „Das waren Flüchtlinge,<br />

die wollten in den Westen flüchten!“,<br />

sagt er und ärgert sich darüber, dass die<br />

Stadt elbaufwärts seit einem Jahr durch<br />

Pegida für Stimmung gegen Flüchtlinge<br />

steht. „Ich kann mir nicht vorstellen,<br />

dass alle Dresdner Pegida-Anhänger<br />

und -Sympathisanten sind. Ich vermisse<br />

eine medial präsente Gegenhaltung zu<br />

Pegida. Sollte es aber so sein, dass ganz<br />

Dresden die Sorgen und Gewaltbereitschaft<br />

– man denke nur an die reservierten<br />

Galgen für Frau Merkel und Herrn<br />

Gabriel – der Pegida teilt, dann ist eine<br />

Größenordnung an Fremdenhass und<br />

Abschottungsfantasien erreicht, über<br />

die man besorgt sein muss.“ Und er ergänzt:<br />

„Bitte, Dresden, zeige dich!“<br />

Auch Freunde von Charly Hübner<br />

versuchen 1989 das Land zu verlassen.<br />

Aber er bleibt bis 1992. „Ich habe für<br />

48<br />

mich keinen Weg da raus gesehen“, sagt<br />

er. Sein Leben spielt ganz bei seinen Eltern<br />

an den Feldberger Seen. Er beschreibt<br />

es als unspektakulär: „Sozialistisch,<br />

kleinbürgerlich und gesund.“<br />

Unaufgeregt, aber eben: mitten in der<br />

Natur! Sie hat es ihm angetan. „Eine<br />

paradiesische Welt“, sagt Hübner über<br />

seine frühere Heimat, auf die er immer<br />

wieder zu sprechen kommt. „Drei Häuser,<br />

sieben Wälder.“ Seine Beschreibungen<br />

untermalt er mit ausladenden Gesten,<br />

und man fragt sich, warum er<br />

eigentlich nicht dort geblieben ist, so wie<br />

ihn das alles noch fasziniert.<br />

Aber er kommt ja oft zurück. Bis<br />

heute reist Charly Hübner immer wieder<br />

an seine Seen, um dort Ruhe zu tanken.<br />

Und auch in seiner neuen Heimat Hamburg<br />

entflieht er täglich einmal der Hektik<br />

der Großstadt. Auf dem Weg zur Ar-


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

beit macht er stets halt am großen Fluss.<br />

„Wie steht das Wasser? Ist es blau, ist es<br />

grau, ist es rau, ist es weich?“ Jeden Tag<br />

muss Charly Hübner das überprüfen.<br />

„Die Elbe ist mein Ruhepuls“, sagt er.<br />

Als Hübner 2002 nach Hamburg<br />

kommt, ist die Elbmetropole die einzige<br />

Stadt in Deutschland, die ihn interessiert.<br />

„Berlin wurde mir auf einmal zu<br />

hip“, sagt er.<br />

Die sterile Bebauung des Potsdamer<br />

Platzes und das, wofür sie steht – nicht<br />

Hübners Welt. Nicht mehr authentisch<br />

genug. Anders Hamburg: „Das Heiligengeistfeld<br />

ist für mich der Potsdamer<br />

Platz des Nordens“, sagt er. Eine riesige<br />

Freifläche mitten in der Stadt, die auch<br />

von niemandem ernsthaft infrage gestellt<br />

wird. Nicht so wie in Berlin. „Da<br />

finde ich die Hamburger total cool.“<br />

Lässig findet Charly Hübner die<br />

Haltung vieler Hamburger. Ihm gefällt,<br />

was er kaufmännisch nennt: „Diese unterkühlte,<br />

aber trotzdem anteilnehmende<br />

Art.“ Weil da auch Platz sei für Distanz.<br />

„Aber wenn es drauf ankommt,<br />

sind die Hamburger sehr treu.“ Und sie<br />

schnacken viel, so wie Hübner es als<br />

Norddeutscher gewohnt ist, sagt er. Vertraut<br />

war das, als er herkam. „Ein guter<br />

Grund, hier zu leben.“<br />

Kurz lebt Hübner auf St. Pauli, bis<br />

er Ottensen entdeckt. Oder sich „erobert“,<br />

wie er sagt. Der Altonaer Stadtteil<br />

hat es ihm sofort angetan: „Das war<br />

Anfang der 00er-Jahre ein total interessanter<br />

Kiez.“ Vor allem aufgrund seiner<br />

Bevölkerungsstruktur, mit taxifahrenden<br />

Politologen aus Persien, Hamburger<br />

Werftarbeitern und türkischstämmigen<br />

Familien. Und mittendrin Künstler wie<br />

Fatih Akin oder eben Charly Hübner.<br />

Da hat er sich wohlgefühlt. Fast ein bisschen<br />

wehmütig resümiert er heute:<br />

„Durch die Gentrifizierung hat sich das<br />

leider alles ein bisschen verändert.“<br />

Mit der systematischen Aufwertung<br />

der Stadtteile hat er so seine Probleme.<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

49<br />

Als Ikea nach Altona kam, war Hübner<br />

strikt dagegen. Das leer stehende Hochhaus,<br />

das dort vorher stand, hat ihm<br />

besser gefallen. Weil es dort Raum für<br />

Kunst und Subkultur gab, die er so sehr<br />

schätzt.<br />

Auch heute noch, als angesehener<br />

Künstler, lässt er sich gerne von jenseits<br />

des Mainstreams inspirieren. In Hamburg<br />

fällt ihm das aber immer schwerer:<br />

„Die Subkultur verkleinert sich und ist<br />

nicht mehr spürbar“, sagt Hübner. „Ich<br />

bekomme keine Anreize mehr.“ Mehr<br />

und mehr gehe es heute ums Geld, auch<br />

in der Hamburger Kulturszene. Ein<br />

bisschen sei das wie in der DRR: „Damals<br />

ging es darum, eine Ideologie zu<br />

predigen“, sagt Hübner. „Heute ist die<br />

Ideologie eben Geld.“<br />

Inzwischen holt sich Charly Hübner<br />

seine Anreize zum Spielen im Hamburger<br />

Schauspielhaus. Seit der Spielzeit<br />

2013/14 gehört er zum Ensemble von<br />

Karin Beier, die seitdem das Theater als<br />

Intendantin leitet. Das Publikum ans<br />

Haus zu binden, sieht Hübner bei der<br />

Arbeit an der Kirchenallee als die größte<br />

Herausforderung. „Das ist ein langfristiges<br />

Ding“, sagt er.<br />

Ein Theater neu zu erfinden, das<br />

gehe eben nur, wenn man über die<br />

nächste Spielzeit hinausdenke. Und die<br />

übernächste. Und die danach. Charly<br />

Hübner kann sich gut vorstellen, über<br />

lange Jahre dem Schauspielhaus die<br />

Treue zu halten. So wie er von seinen<br />

leidenschaftlichen Auftritten hier<br />

schwärmt, dürfte ihm das nicht sonderlich<br />

schwer fallen. „Spiel einmal auf dieser<br />

Bühne“, sagt Hübner zum Abschluss,<br />

„und du willst nie wieder<br />

woanders spielen!“ •<br />

Charly Hübner am Deutschen Schauspielhaus,<br />

Kirchenallee 39: „Schuld und Sühne“,<br />

Do, 5.11., 19 Uhr, und So, 22.11. , 16 Uhr,<br />

10–37 Euro; „Schiff der Träume“, Premiere:<br />

5.12., 20 Uhr, Karten: ab 10 Euro<br />

<br />

JESPER MUNK<br />

<br />

KAMASI WASHINGTON<br />

<br />

HANDBALL SUPERCUP<br />

<br />

<br />

THE LEGEND OF ZELDA<br />

›SYMPHONY OF THE GODDESSES‹<br />

<br />

<br />

<br />

CÄTHE<br />

<br />

MELODY GARDOT<br />

<br />

BOB DYLAN AND HIS BAND<br />

<br />

DER PATE - LIVE<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

KOVACS<br />

<br />

THE IRISH FOLK FESTIVAL<br />

<br />

EVERLAST<br />

<br />

MICHAEL WOLLNY<br />

<br />

ANE BRUN<br />

<br />

RUDIMENTAL<br />

<br />

YELAWOLF<br />

<br />

CORY HENRY & THE FUNK APOSTLES<br />

<br />

SERDAR SOMUNCU<br />

<br />

GARY CLARK JR.<br />

<br />

BLACK AKA COLIN VEARNCOMBE<br />

<br />

WE ARE SCIENTISTS / ASH<br />

<br />

KWABS<br />

<br />

JULIA ENGELMANN<br />

<br />

MARIO ADORF<br />

TICKETS:<br />

KARSTEN JAHNKE<br />

<br />

GMBH<br />

/<br />

KJ.DE


Leid trifft<br />

auf Liebe<br />

Der Liederzyklus „Die schöne Müllerin“<br />

kommt unterhaltsam daher. Dabei erzählt er<br />

von Einsamkeit und Schmerz. Ein Treffen mit<br />

Stefan Weiller, der für Hinz&<strong>Kunzt</strong> daraus<br />

einen ganz eigenen Abend zaubert.<br />

TEXT: FRANK KEIL<br />

FOTO: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

Vor Ort in der<br />

ST.-PETRI-KIRCHE:<br />

Hier lässt Stefan Weiller<br />

die Lieder Franz Schuberts<br />

auf Berichte von<br />

Obdachlosen treffen.<br />

So eine schöne Müllerin, das hat was! Wie sie da steht,<br />

jung und – eben schön. Kein Wunder, dass der neue<br />

Müllergeselle hin und weg ist und der Angebeteten<br />

hingebungsvolle Liebesgedichte schreibt. Und die<br />

schöne Müllerin? Pfeift drauf! Lässt ihn links liegen. Nimmt<br />

lieber den Jäger, den starken, stattlichen und anerkannten<br />

Mann. Dem verträumten Jüngling bleibt nur der süße<br />

Schmerz des vergeblichen Sehnens. Ach ja …<br />

25 romantische Gedichte umfasst der Müllerinnen- Zy klus,<br />

geschrieben 1821 von Wilhelm Müller und zwei Jahre später<br />

von Franz Schubert vertont – darunter das heute überaus bekannte<br />

Lied „Das Wandern ist des Müllers Lust“. Doch am<br />

Ende, als die schöne Müllerin mit dem Jäger von dannen<br />

zieht, geht unser Held in den Fluss, spricht ein paar letzte<br />

Worte: „Gute Nacht, gute Nacht!/ Bis alles wacht,/Schlaf aus<br />

deine Freude, schlaf aus dein Leid!“<br />

„Für mich bringt sich da niemand um“, widerspricht Stefan<br />

Weiller. Aber etwas anderes schwinge mit: „Als ob da jemand<br />

sozial gestorben ist.“ Weiller, von Beruf Sozialpädagoge und<br />

Journalist, aber vor allem Schubert-Fan und überhaupt ein<br />

Musikliebhaber mit ganzem Herzen, sucht und sammelt<br />

Lebensgeschichten. Gern von Menschen, die, wie man so<br />

sagt, am Rande der Gesellschaft stehen. Obdachlose, Gestrandete,<br />

Verarmte, Vereinsamte. Mit diesem Antrieb schaute<br />

er auch mit der ihm eigenen Ruhe und Umsicht bei<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> vorbei.<br />

Besonders sei die Gesprächssituation: „Den Leuten ist<br />

wichtig, dass kein Band mitläuft, ich schreibe nur mit. Es gibt<br />

keine Fotos, es gibt keinen sichtbaren Beleg, dass die Treffen<br />

stattgefunden haben. Ich stelle auch nicht in Frage, was man<br />

mir erzählt. Ich glaube, dass man sehr aufrichtig mit mir<br />

spricht“, sagt er. Und diese Geschichten kombiniert er mit<br />

klassischen Liedern und gestaltet damit musikalische Abende;<br />

wie jetzt mit den Schubert-Liebesliedern über die schöne<br />

Müllerin einen Abend „von unerfüllter Liebe wohnungsloser<br />

und armer Menschen“, wie der Untertitel heißt.<br />

50


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<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Denn immer wieder fiel ihm beim Zuhören auf, wie gescheiterte<br />

Liebe Menschen aus der Bahn wirft: „Das muss keine<br />

Paarbeziehung sein. Es kann die Liebe zur Familie sein oder<br />

zu seinem Job, die man verliert – und man verliert jeden<br />

Halt.“ Wenn man nicht etwas hat, das<br />

einem eines Tages wieder neue Kraft<br />

gibt, wie vielleicht die Musik.<br />

Damit ist er nah dran an seiner eigenen<br />

Lebensgeschichte und wie hier<br />

die Last der Einsamkeit und die Kraft<br />

der Musik aufeinandertrafen. „Meine<br />

musikalische Sozialisation war etwas<br />

trist und traurig“, erzählt er. „Wir<br />

wohnten auf dem Dorf, mein Zuhause<br />

war ein Operettenhaushalt; es gab –<br />

ich bin 1970 geboren – ja nicht die<br />

Möglichkeiten, Musik kennenzulernen, wie wir das heute haben.<br />

Es gab keine MP3-Dateien, man konnte nicht ins Internet<br />

gehen und sich musikalische Welten erschließen. Es gab<br />

einen alten Musikschrank und dazu Schallplatten für die Umdrehungszahlen<br />

33, 45 und 78.“<br />

Doch zwischen all den Schallplatten mit leichten Operettenweisen<br />

steht eine Platte, die ihn sehr bewegt: „Die Winterreise“,<br />

auch dies ein von Franz Schubert vertonter Liederzyklus,<br />

auch nach Gedichten von Wilhelm Müller. „Die Musik<br />

hatte ein Geheimnis. Ich fragte mich: Was ist da los? Warum<br />

macht diese Musik etwas mit meiner Gefühlswelt? Denn meine<br />

Pubertät hatte keinen Operettenklang.“<br />

„Es gab Zeiten,<br />

wo ich mich<br />

fragte: Was ist<br />

mein Leben?“<br />

Er hatte damals zu Hause nicht die Förderung und Unterstützung,<br />

die er sich wünschte. Er wäre so gerne auf eine weiterführende<br />

Schule gegangen, aber seine Eltern ließen ihn auf<br />

der Dorfhauptschule. „Das war für mich eine tiefgreifende,<br />

höllische Erfahrung“, sagt er. Noch dazu<br />

steckten ihm seine Mitschüler Zettel<br />

zu, auf denen stand: „Du schwule Sau<br />

– wenn wir dich außerhalb der Schule<br />

treffen, dann stechen wir dich ab!“<br />

Ungestillter Bildungshunger und Ausgrenzung:<br />

„Es gab Zeiten, wo ich mich<br />

fragte: Was ist mein Leben?“<br />

Heute lebt er mit seinem Lebensgefährten,<br />

einem evangelischen Pastor,<br />

glücklich in Frankfurt. „Ich habe erfahren,<br />

dass das Leben von Leid und<br />

Brüchen, aber auch von Hoffnung und Stärke durchzogen<br />

ist“, sagt er. Eine Erfahrung, die er für sich immer wieder in<br />

den Schubert-Liedern findet – und die er so gerne mit anderen<br />

Menschen teilt. •<br />

Die schöne Müllerin: St.-Petri-Kirche, Bei der Petrikirche 2,<br />

Mi, 18.11., 19.30 Uhr; mit Gustav Peter Wöhler, Dagmar Manzel,<br />

Sebastian Rudolph, Claus Bantzer, Harvestehuder Kammerchor,<br />

Hedayet Djeddikar, Christina Schmid, Susanna Frank, Theodore<br />

Browne, Monica Rincon und Ralf Kopp.<br />

Eintritt frei, Spenden für Hinz&<strong>Kunzt</strong> erbeten.<br />

Mehr unter: www.die-schoene-muellerin.com/städte/hamburg/<br />

Foto: Stadtarchiv Nürnberg / Signatur E 39 Nr. 1703/21<br />

die deutschen, die zwangsarbeiter<br />

und der krieg<br />

ausstellung<br />

5.11.<strong>2015</strong> – 3.4.2016<br />

ausstellung-zwangsarbeit.org<br />

51<br />

Eine Ausstellung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald<br />

und Mittelbau-Dora im Museum der Arbeit, initiiert und gefördert<br />

von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ).


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

Tipps ( 1)<br />

1. bis 15. <strong>November</strong> <strong>2015</strong><br />

MUSIK<br />

Jazzkantine – Band mit<br />

Tanz-Garantie<br />

Seit 20 Jahren geht die „Jazzkantine“<br />

(Foto links) mit ihrem unverwechselbaren<br />

Sound auf Tournee. Dabei hat die<br />

Band keine musikalischen Berührungsängste:<br />

Als Gäste waren unter anderem<br />

schon Nils Landgren, Smudo, Götz Alsmann<br />

und RZA dabei. Dem Publikum<br />

serviert die Jazzkantine mitunter auch<br />

Heavy Metal oder eine Vertonung vom<br />

„Bi-Ba-Butzemann“. „Bei unseren<br />

Konzerten geht die Post ab“, verspricht<br />

Bandleader Christian Eitner. Bisher hat<br />

die zehnköpfige Band ihr Versprechen<br />

immer gehalten. •<br />

Kulturwerk am See, Am Kulturwerk 1,<br />

Norderstedt, Do, 12.11., 20 Uhr,<br />

32/25 Euro<br />

VORTRAG<br />

Immer der Nase nach:<br />

Die JAZZKANTINE<br />

kann sich auf ihren musikalischen<br />

Instinkt verlassen.<br />

Fluchtpunkt Europa: Buch über<br />

Flüchtlinge und Asylpolitik<br />

Seit mehr als zehn Jahren beschäftigt<br />

sich der Journalist und Filmemacher<br />

Michael Richter mit Asylpolitik und<br />

den Schicksalen von Flüchtlingen.<br />

Für die Körber-Stiftung hat er seine<br />

Recherchen in einem Buch zusammengefasst.<br />

In „Fluchtpunkt Europa.<br />

Unsere humanitäre Verantwortung“<br />

schildert der Hamburger die Situation<br />

in den Herkunftsländern, das Vorgehen<br />

der Schlepper und die absurden Folgen<br />

des Dublin-Abkommens. Dieses regelt<br />

seit 2013 das EU-Asylverfahren und<br />

sieht vor, dass Flüchtlinge in dem Land<br />

das Asylverfahren durchlaufen, in dem<br />

sie erstmals EU-Boden betreten. Jetzt<br />

stellt Michael Richter sein Buch vor. •<br />

KörberForum, Kehrwieder 12,<br />

Do, 12.11., 19 Uhr, Eintritt frei,<br />

Anmeldung erforderlich<br />

unter www.koerberforum.de<br />

AUSSTELLUNG<br />

Skurrile Käfer und Kuscheltiere<br />

Eigentlich wollte die Galerie Schichtwechsel<br />

schon im Sommer ihre Räume<br />

im Oberhafen eröffnen. Doch die<br />

Mühlen der Behörden mahlen langsam.<br />

Friederike Lydia Ahrens und Manuel<br />

Hopp wollten nicht mehr länger warten<br />

und starten ihr Projekt schon mal in einem<br />

Zwischenlager – mit der Ausstellung<br />

„Tierisch gut“. Zu sehen sind<br />

skurrile Insekten, kolorierte Hundezeichnungen,<br />

gedruckte Käfer, Malerei<br />

und Skulpturen. Die Vernissage wird<br />

von der iranischen Sängerin Sora Amini<br />

begleitet – und von Herrn Lessmann.<br />

Er ist als Mitarbeiter der Stadtreinigung<br />

regelmäßig im Karoviertel unterwegs<br />

und ist den Ausstellungsmachern durch<br />

seinen mit Kuscheltieren liebevoll dekorierten<br />

Sammelkarren aufgefallen. •<br />

Galerie Schichtwechsel, Eiffestraße 426,<br />

Vernissage Do, 5.11., 19 Uhr, 6.+7.11.,<br />

16–20 Uhr, 8.11., 16–18 Uhr, Eintritt frei<br />

VORTRAG<br />

Sind Menschen böse? Experten<br />

und Künstler diskutieren<br />

Was ist gut, was böse? Früher war die<br />

Antwort einfach: Der Satan war schuld.<br />

Heute ist das Böse in Gestalt des Teufels<br />

zwar abgeschafft, aber die Natur des<br />

Menschen ist nicht besser geworden.<br />

Über dunkle Seiten diskutieren bei den<br />

„Martins tagen“ drei, die es wissen müssen:<br />

Profiler Axel Petermann hat als<br />

Kriminalbeamter in mehr als 1000<br />

Tötungsdelikten ermittelt und dient der<br />

Serie „Tatort“ als Berater. Der Hamburger<br />

Gefängnis-Seelsorger Christian<br />

Braune schaut täglich in menschliche<br />

Abgründe. Die Hamburger Autorin<br />

Tina Uebel hat das Böse literarisch<br />

erforscht. „Und wenn die Welt voll<br />

Teufel wär“ lautet das Motto des<br />

Abends – nach dem Zitat von Martin<br />

Luther. Schauspielerin Mechthild<br />

Großmann liest Texte über den Teufel,<br />

Bassist Jan Roder spielt Jazz und<br />

Pröpstin Astrid Kleist moderiert. •<br />

Staatsbibliothek, Lichthof, Von-Melle-Park 3,<br />

Fr, 13.11., 19 Uhr, 10 Euro, gesamtes<br />

Programm unter www.martinstage.de<br />

Wir verlosen unter allen, die bis zum<br />

11. <strong>November</strong> <strong>2015</strong> eine Mail an<br />

info@hinzundkunzt.de schicken, drei Mal<br />

zwei Karten. Stichwort: „Martinstage“.<br />

52


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<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

FOTOS: HERZOG PROMOTIONS, PYRAMIDE INTERNATIONAL<br />

KINO<br />

Grusel-Komödie: Peter Kurth<br />

als Windkraftingenieur<br />

Der Autor eurer Lieblings-(hoffentlich!)-<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Filmkolumne trägt den<br />

wohl gewöhnlichsten Nachnamen<br />

Deutschlands: Schmidt. Den kann man<br />

sich nicht wirklich schönreden. In keiner<br />

Schreibweise. Schmidt ist irgendwie<br />

die Kartoffel unter den Namen. Ein<br />

Familienname wie eine Sättigungsbeilage<br />

im Kantinenessen. Wer Schmidt<br />

heißt, der wird schwer gefunden und<br />

gern verwechselt. Das kann aber auch<br />

gut sein: Vor einigen Jahren rief ich auf<br />

Jobsuche einen Personalchef an, der<br />

mich mit „Schmitti, du altes Fliegengesicht“<br />

begrüßte. Nach fünf Minuten<br />

jovialer Konversation dämmerte es ihm,<br />

dass ich nicht „Schmitti, das alte Fliegengesicht“<br />

aus seiner damaligen Parallelklasse<br />

war. Das Eis war gebrochen, ich<br />

bekam die Stelle. Am Ende gibt eben<br />

die eigene Persönlichkeit dem Namen<br />

Geschmack. Und das ist der Stoff, aus<br />

dem der Film „Schmitke“ geboren ist.<br />

Der Windkraftanlagentechniker Julius<br />

Schmitke (Peter Kurth) hat den Esprit<br />

von kalten Pommes. Und die gleiche<br />

Gesichtsfarbe: blass, faltig, fettig. Ständig<br />

plagen ihn Zipperlein, es knirscht<br />

und knarzt im Gebälk seines ältlichen<br />

Körpers. Zusammen mit seinem nervtötenden<br />

Kollegen Thomas wird er auf<br />

eine Mission geschickt. Im Niemandsland<br />

im tschechischen Erzgebirge sollen<br />

sie ein Windrad reparieren, in dem es<br />

ebenfalls knirscht und knarzt. Aber<br />

Thomas verschwindet, merkwürdige<br />

und angsteinflößende Dinge passieren.<br />

Ein Geist soll sein Unwesen treiben, der<br />

Wald zieht Schmitke in seinen Bann …<br />

Wenn Schmitke wortkarg in die nasskalten<br />

tschechischen Wälder fährt, muss<br />

man nicht viel heruminterpretieren,<br />

bis man die Parallelen zu Schmitkes<br />

eigener Persönlichkeit entdeckt. Diese<br />

Grundstimmung des Films hat es mir<br />

angetan. Irgendwie novemberig. Ich<br />

mag das. Nieselregen, Wind von vorn.<br />

Anschauen. Und von besseren Zeiten<br />

träumen. In fünf Monaten ist Frühling.<br />

Da müssen wir jetzt durch. Auch die<br />

mit den schönen Nachnamen. ASCHMI<br />

•<br />

Neu im Kino ab Do, 5.11.<br />

LESUNG<br />

Geschichten über das Leben<br />

im Afghanistan-Krieg<br />

Die Journalistin Ronja von Wurmb-<br />

Seibel lebt unter anderem in Kabul<br />

und berichtet von dort über den Alltag.<br />

„Afghanistan ist mehr als Burka, Taliban<br />

und Krieg“, so die Hamburgerin.<br />

Einige ihrer Erlebnisse hat sie in ihrem<br />

Buch „Ausgerechnet Kabul“ veröffentlicht.<br />

Daraus liest die Autorin einige<br />

Geschichten vor. Anschließend locken<br />

traditionelle Musik und Fingerfood. •<br />

Ida Ehre Schule, Lehmweg 14, Fr, 6.11.,<br />

19 Uhr, Eintritt frei, Spenden erbeten<br />

KINDER<br />

Planet Willi – eine Ausstellung<br />

über das Anderssein<br />

Willi ist nicht so wie andere Kinder.<br />

Er kommt von einem anderen Planeten<br />

und trägt einen blauen Ganzkörperanzug.<br />

Er knutscht fremde Menschen<br />

ab und rennt seinen Eltern davon. Mit<br />

ihrem Buch „Planet Willi“ hat Illustratorin<br />

Birte Müller, selbst Mutter eines<br />

Jungen mit Downsyndrom, einen Weg<br />

gefunden, die Welt eines behinderten<br />

Kindes zu erläutern, ohne pädagogisch,<br />

verniedlichend oder sentimental zu<br />

werden. Viele der fröhlichen Original-<br />

Illustrationen sind in der Ausstellung<br />

„Planet Willi“ zu sehen. •<br />

Altonaer Museum, Kinderbuchhaus, Museumstraße<br />

23, bis 31.12., Di–So, 10–17 Uhr,<br />

7,50/4,50 Euro, bis 17 Jahre Eintritt frei<br />

FILM<br />

Hope: Eine gefährliche Reise<br />

von Afrika nach Europa<br />

Mit Laiendarstellern aus Flüchtlingscamps<br />

(Foto rechts) hat Regisseur Boris<br />

Lojkine seinen beeindruckenden Spielfilm<br />

„Hope“ gedreht. Der Film schildert<br />

die Flucht einer jungen Frau aus<br />

Nigeria Richtung Europa und läuft<br />

beim Festival „Augenblicke Afrika“. •<br />

Studio-Kino, Bernstorffstraße 93–95,<br />

So, 8.11., 20 Uhr, Fr, 13.11., 16 Uhr,<br />

8/6,50 Euro, gesamtes Programm unter<br />

www.augen-blicke-afrika.de<br />

53<br />

MUSIK<br />

Rockkonzert im Wohnzimmer<br />

Ein besonderes Musikerlebnis verspricht<br />

die Reihe „Musik in den Häusern der<br />

Stadt“. Gastgeber in ganz Hamburg<br />

machen ihr Wohnzimmer für einen<br />

Abend zur Bühne. „Durch die ungewöhnliche<br />

Nähe zwischen Künstlern<br />

und Publikum sind das für beide Seiten<br />

einmalige Konzerterfahrungen“, so Festivalleiterin<br />

Maike Schäfer. Da der Platz<br />

begrenzt ist, sind viele Veranstaltungen<br />

schnell ausverkauft. Karten gibt es zum<br />

Beispiel noch für „Deine Cousine“.<br />

Die von der Udo-Lindenberg-Stiftung<br />

ausgezeichnete Sängerin spielt kraftvollen<br />

Pop-Rock. •<br />

Privathaus in Marienthal, Fr, 6.11., 21 Uhr,<br />

20/13 Euro, Karten nur im Vorverkauf,<br />

keine Abendkasse, gesamtes Programm<br />

unter www.kunstsalon-festivals.de<br />

MUSIK<br />

Wildes Holz: Blockflöte<br />

einmal anders<br />

Wer die Blockflöte für ein Kinderinstrument<br />

hält, hat die Band „Wildes<br />

Holz“ noch nicht gehört. Begleitet<br />

von Kon trabass und Gitarre entlockt<br />

Tobias Reisige seinem Instrument ungewöhnliche<br />

Klänge. Das Trio begeistert<br />

das Publikum mit originellen Interpretationen<br />

von „Highway to Hell“<br />

bis zum Barockstück sowie eigenen<br />

Kompositionen – und nicht zuletzt mit<br />

seiner unglaublichen Spielfreude. •<br />

Freizeitzentrum Schnelsen, Wählingsallee 16,<br />

Di, 3.11., 20 Uhr, 12/6 Euro<br />

Auf ihrer Flucht durch<br />

Europa trifft HOPE auf<br />

Léonard und verliebt sich.


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Tipps (2)<br />

16. bis 30. <strong>November</strong> <strong>2015</strong><br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

LESUNG<br />

Schräge Helden in Hallgrímur<br />

Helgasons neuem Roman<br />

Hallgrimur Helgason wird in seiner<br />

Heimat Island für seinen Witz und<br />

seine schrägen Romanhelden verehrt.<br />

Auch in Deutschland gibt es etliche<br />

Fans, die sich auf eine neue verrückte<br />

Geschichte freuen dürfen: Ein junger<br />

Mann kommt während des Kalten<br />

Krieges nach München, um dort Kunst<br />

zu studieren. Er spricht kaum Deutsch<br />

und ist extrem schüchtern. Außerdem<br />

hat er eine Gabe, die nicht sehr appetitlich<br />

ist … Der Autor liest aus seinem<br />

neuen Roman „Seekrank in München“<br />

bei den Nordischen Literaturtagen. •<br />

Literaturhaus, Schwanenwik 38,<br />

Mi, 25.11., 20.30 Uhr, 12/8 Euro, gesamtes<br />

Programm: www.literaturhaus-hamburg.de<br />

LESUNG<br />

Joachim Meyerhoff wird mal<br />

wieder autobiografisch<br />

Schauspieler Joachim Meyerhoff<br />

(Foto Seite 55) war bereits mit seinem<br />

Romandebüt „Alle Toten fliegen hoch.<br />

Amerika“ sehr erfolgreich. Nun hat<br />

der 48-Jährige den dritten Teil seiner<br />

Jugenderinnerungen niedergeschrieben.<br />

Anekdotenreich schildert der Autor<br />

in „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche<br />

Lücke“ von seinem abenteuerlichen<br />

Leben während der Schauspielausbildung<br />

in München. Tagsüber quält er<br />

sich auf der Bühne, abends ertränkt er<br />

seine Sorgen auf dem Sofa seiner Großeltern<br />

in Rotwein. Eine schwierige Zeit,<br />

die Meyerhoff gekonnt beschreibt. •<br />

Deutsches Schauspielhaus, Kirchenallee 39,<br />

Sa, 28.11., 20 Uhr, 15/10 Euro<br />

KINDER<br />

Das friedliche Bild täuscht:<br />

Bei der TALKSHOW im<br />

Theater geht es um<br />

Soldaten im Kampfeinsatz.<br />

„Unter meinem Bett“:<br />

Releasekonzert für Kindersongs<br />

13 Songwriter haben gemeinsam eine<br />

CD mit Kinderliedern veröffentlicht,<br />

darunter PeterLicht, Jan Plewka, Bernd<br />

Begemann und Ingo Pohlmann. Entstanden<br />

ist eine lustige, nachdenkliche,<br />

rockige und ruhige Sammlung von<br />

Songs, an denen auch Erwachsene<br />

Freude haben. Die Mehrzahl der beteiligten<br />

Künstler lassen es sich nicht nehmen,<br />

bei dem Releasekonzert live auf<br />

der Bühne zu stehen. Der Titel „Unter<br />

meinem Bett“ stammt übrigens von<br />

Nils Koppruch. Der 2012 viel zu früh<br />

verstorbene Sänger ist auch mit einer<br />

Demo-Version des Songs vertreten. •<br />

Fabrik, Barnerstraße 36,<br />

So, 29.11., 18 Uhr, 20/14 Euro<br />

54<br />

AUSSTELLUNG<br />

Fotografin Sarah Moons Blick<br />

auf die Modewelt<br />

Sarah Moon ist eine der bekanntesten<br />

Modefotografinnen der Welt. Sie pflegt<br />

ihren ganz eigenen zeitlosen Stil. Ihre<br />

Bilder sind geheimnisvoll statt glamourös,<br />

oft schwarz-weiß und leicht unscharf.<br />

Die Künstlerin versucht, den<br />

Moment festzuhalten, wenn Kleid und<br />

Model verschmelzen. „Wenn ich<br />

fotografiere, dann ist es eine Arbeit in<br />

Zeitlupe und kein Blitzlichtgewitter“,<br />

so die 74-Jährige im Interview. Die<br />

Französin kennt die Modewelt genau:<br />

Als sie in den 1970er-Jahren anfing<br />

zu fotografieren, war sie selbst Model.<br />

Schnell bekam sie Aufträge und wechselte<br />

hinter die Kamera. Häuser wie<br />

Dior, Chanel und Yamamoto schätzen<br />

ihren besonderen weiblichen Blick.<br />

„Wenn eine Frau hinter der Kamera<br />

steht, findet ein anderer Dialog statt.<br />

Und diese Intimität in den Bildern<br />

stelle ich bewusst her.“ Später drehte<br />

Sarah Moon Dokumentar- und<br />

Spielfilme. In Hamburg ist jetzt eine<br />

eindrucksvolle Retrospektive ihres<br />

Gesamtwerks zu sehen. •<br />

Deichtorhallen, Deichtorstraße 1-2, Fr,<br />

27.11.–21.2.2016, Di–So, 11–18 Uhr,<br />

erster Do im Monat bis 21 Uhr, 10/6 Euro,<br />

unter 18 Jahren fei


FOTOS: EIKE ZULEEG, JIM RAKETE<br />

BÜHNE<br />

Satire: Hans Zippert als<br />

eingebildeter Kranker<br />

Hans Zippert liegt der Humor im Blut:<br />

Der Satiriker war fünf Jahre lang<br />

Chefredakteur des Magazins „Titanic“.<br />

Heute schreibt er täglich eine Kolumne<br />

in der „Welt“. Ein Wunder, dass er<br />

es schafft, sich jeden Tag etwas Komisches<br />

einfallen zu lassen. Außerdem<br />

schreibt Zippert noch Bücher und steht<br />

regelmäßig auf Kleinkunstbühnen.<br />

In Hamburg ist er jetzt erstmals mit<br />

seinem Programm „Meine schönsten<br />

Nahtoderfahrungen“ zu sehen. Der Satiriker<br />

beschreibt darin 57 Krankheiten,<br />

die er überlebt hat, und unterhält das<br />

Publikum mit Einzelheiten aus Patientenakten<br />

und Bewirtungsquittungen. •<br />

Polittbüro, Steindamm 45,<br />

Fr, 27.11., 20 Uhr, 15/10 Euro<br />

MUSIK<br />

Tom Liwa: Songs, die unter<br />

die Haut gehen<br />

Tom Liwa und die Flowerpornoes sind<br />

auch nach 25-jähriger Bühnenkarriere<br />

immer noch ein Geheimtipp. Jetzt<br />

stellt die Band nach drei Jahren endlich<br />

wieder ein Album vor. Mal sanfter,<br />

mal wilder Folkrock, über den sich die<br />

magische Stimme von Liwa erhebt.<br />

Dank der poetischen Texte auch ein guter<br />

Seelentröster in dunklen Stunden. •<br />

Knust, Neuer Kamp 30,<br />

Mo, 30.11., 21 Uhr, 15,70 Euro<br />

Verrückte KINDHEIT:<br />

Joachim Meyerhoffs Vater<br />

war Psychiatriedirektor.<br />

BÜHNE<br />

Wie Kriege Soldaten und die<br />

Gesellschaft verändern<br />

Wie geht die Gesellschaft mit traumatisierten<br />

Soldaten um? Warum lassen sich<br />

Menschen mit deutschem Pass radikalisieren<br />

und melden sich freiwillig für<br />

Kriegseinsätze? Fragen wie diese liegen<br />

der Theaterproduktion „Kampfeinsatz“<br />

zugrunde. Das Stück zeigt eindrücklich,<br />

wie Tod, Angst und Gewalt Soldaten<br />

für immer verändern. Auf der Grundlage<br />

von Medienberichten, Interviews<br />

mit Kriegsheimkehrern und Therapeuten<br />

zeichnet die Gruppe „Axensprung“<br />

(Foto Seite 54) die Lebenswege fiktiver<br />

Figuren nach. Während einer auf<br />

der Bühne inszenierten Talkshow<br />

kommen ein traumatisierter ehemaliger<br />

Bundeswehroffizier, ein Radikaler<br />

mit osteuropäischen Wurzeln und ein<br />

friedens bewegter Politiker zu Wort. •<br />

Mahnmal St. Nikolai, Willy-Brandt-Straße 60,<br />

„Kampfeinsatz. Stell dir vor, es ist Krieg<br />

und du gehst hin“, Uraufführung:<br />

Do, 19.11., 19 Uhr, 15/12 Euro, weitere<br />

Termine unter www.kampfeinsatz.info<br />

FILM<br />

Filmerin Nancy Brandt<br />

begleitet fünf junge Politiker<br />

Vier Jahre lang hat die Dokumentarfilmerin<br />

Nancy Brandt Abgeordnete unterschiedlicher<br />

Parteien begleitet. Der<br />

Film „Die Gewählten – Vier Jahre im<br />

Bundestag“ schildert, wie fünf junge<br />

Menschen im Politikbetrieb zurechtkommen.<br />

Eine Physikerin, eine Pianistin,<br />

ein Architekt und zwei Juristen bewältigen<br />

Ausschusssitzungen, Hickhack<br />

um Ämter und eine Flut an Terminen.<br />

Die Regisseurin lässt die Protagonisten<br />

für sich selbst sprechen. •<br />

Lichtmeß Kino, Gaußstraße 21,<br />

Do, 19.11., 20 Uhr, 5/4 Euro<br />

55<br />

MUSIK<br />

Vintage Trouble rocken<br />

den Saal<br />

Die vier Jungs von „Vintage Trouble“<br />

sehen in ihren Anzügen so brav aus,<br />

als würden sie für eine Hochzeitsgesellschaft<br />

spielen. Doch wenn die vier<br />

Kalifornier auf der Bühne erst einmal<br />

loslegen, ist es mit der Gediegenheit<br />

vorbei. Die Band ist berühmt für ihre<br />

entfesselten Live-Auftritte. Sie waren<br />

mit AC/DC auf Tour und begeisterten<br />

Zehntausende beim diesjährigen<br />

Glastonbury-Festival. Sänger Ty Taylor<br />

und seine drei Kollegen brauchen nur<br />

wenige Minuten, um jede Arena in<br />

einen Hexenkessel zu verwandeln.<br />

Ihre Mischung aus Rock, Blues, Rock<br />

’n’ Roll und Funk ist pure Energie. •<br />

Mojo Club, Reeperbahn 1,<br />

Fr, 27.11., 20 Uhr, 24 Euro<br />

BÜHNE<br />

Der Film „Die Gewählten“<br />

führt uns hinter die<br />

KULISSEN der Politik.<br />

Auf den Spuren des Dichters<br />

Miguel de Cervantes<br />

Cervantes’ Roman „Don Quijote“ ist<br />

eines der berühmtesten Bücher der<br />

Welt und dutzendfach für Theaterstücke<br />

und Filme genutzt worden. Regisseur<br />

Johannes Ender hat sich nun mit<br />

dem schillernden Leben des spanischen<br />

Autors befasst. Cervantes war verarmter<br />

Adeliger, Diener, Soldat, Dichter,<br />

Sklave und sogar Gefängnisinsasse. Im<br />

Kerker begann er schließlich auch seinen<br />

fantasievollen Roman zu schreiben,<br />

der ihn schon zu Lebzeiten berühmt<br />

machte. Johannes Enders erforscht in<br />

seinem Stück „Cervantes“ das Leben<br />

eines Mannes, der sozialem Druck mit<br />

Fantasie zu begegnen versuchte. •<br />

Lichthof Theater, Mendelssohnstraße 15 B,<br />

Uraufführung, Do, 19.11., 20.15 Uhr,<br />

18/12 Euro, weitere Termine unter<br />

www.lichthof-theater.de


BEATRICE BLANK<br />

Lange war Bea festes<br />

Redaktionsmitglied. Ihre<br />

wahre Berufung aber liegt<br />

im Kochen. Anfang <strong>2015</strong><br />

hat sie sich mit ihrer<br />

Cateringfirma „mampf“<br />

selbstständig gemacht.<br />

Bei uns wird übrigens auch<br />

regelmäßig gekocht, jeden<br />

Monat, wenn das neue<br />

Magazin erscheint, und<br />

immer von anderen<br />

Hinz&Künztlern. Für bis zu<br />

150 Kollegen! Auf dieser<br />

Seite stellen wir künftig<br />

einen Koch des Monats<br />

vor. Und Bea? Sie kocht<br />

nach und gibt Tipps<br />

zum Verfeinern – für vier<br />

Personen.<br />

Kürbis<br />

mit Bums<br />

2 kg Kürbis<br />

125 ml Tomatenmark<br />

Salz, Pfeffer,<br />

Cayennepfeffer<br />

2 TL gemahlener<br />

Koriander<br />

50 ml Pflanzenöl<br />

50 g Zucker<br />

40 g Ingwer<br />

300 g Naturjoghurt<br />

..<br />

10 Blatter frische Minze,<br />

Knobi nach Belieben<br />

Herbst im Ofen<br />

Gesund und günstig: Kürbis ist zu dieser Jahreszeit Beas<br />

Lieblingsprodukt. Hier ein Rezept aus der afghanischen Küche.<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

SO WIRD ES GEKOCHT:<br />

1. Zunächst wird eine Tomatensoße gebacken: Ofen auf 200 Grad vorheizen.<br />

Tomatenmark, 125 ml Wasser, 1 TL Salz, 1/2 TL gemahlener Pfeffer, 1/4 TL<br />

Cayennepfeffer und Koriander vermengen und alles in eine ofenfeste Form<br />

geben. Wer mag, presst noch Knoblauch dazu (bis zu 12 Zehen). Die Form mit<br />

Alufolie abdecken und im heißen Ofen 30 Minuten backen.<br />

2. Derweil den Kürbis vorbereiten: Hokkaido muss nicht geschält werden, an dere<br />

Sorten wie Butternut schon. Kürbisfleisch in 2 cm große Würfel schneiden. Öl in<br />

einer großen Pfanne oder einem Topf erhitzen. Kürbis darin anbraten.<br />

3. Die fertige Tomatensoße mit 250 ml Wasser, Zucker und geschältem, geriebenem<br />

Ingwer mischen. Zum Kürbis geben. Abgedeckt 20 bis 25 Minuten bei<br />

niedriger Hitze köcheln lassen. Die Soße soll sämig sein. Das geht schneller<br />

ohne Deckel. Der Kürbis kann Biss haben oder weich gekocht sein – je nach<br />

Geschmack.<br />

4. Serviert wird der Kürbis mit einer frischen Soße aus dem Joghurt, etwas Salz<br />

und frischer, gehackter Minze.<br />

5. Dazu passen Couscous oder Reis. Das schmeckt als vegetarisches<br />

Hauptgericht oder als Beilage zu anderen Gerichten.<br />

Weitere Rezepte von Beatrice Blank finden Sie unter www.mampf-hh.de<br />

56


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Rätsel<br />

ILLUSTRATION (BLEISTIFT): BERND MÖLCK-TASSEL<br />

Nähmittel<br />

Fußballclub<br />

von<br />

Mailand<br />

(Kurzwort)<br />

schwer<br />

erhältlich,<br />

selten<br />

Segeltau<br />

vormals,<br />

damals<br />

Bratsche<br />

(ital.)<br />

Anschriftenverzeichnis<br />

kaum<br />

hörbar<br />

6<br />

2<br />

1<br />

1<br />

2<br />

5<br />

4<br />

6<br />

eirund<br />

2<br />

7<br />

4<br />

Altersheilkunde<br />

russischer<br />

Männername<br />

Rabenvogel<br />

Schneidermaterial<br />

3<br />

1<br />

5<br />

9<br />

1<br />

4<br />

Rätsellöser<br />

Halbaffe<br />

9<br />

7<br />

2<br />

6<br />

8<br />

4<br />

2<br />

Tierkreiszeichen<br />

wirtschaftlich<br />

unabhängig<br />

Kletterpflanze<br />

ugs.: Not,<br />

Armut<br />

2<br />

9<br />

6<br />

5<br />

9<br />

3<br />

Staat<br />

der USA<br />

Tintenfisch<br />

sächs.-<br />

böhm.<br />

Höhenzug<br />

Hauptstadt<br />

Lettlands<br />

Verbrennungsmotor<br />

Feldfrucht<br />

US-Autor<br />

(Tom<br />

Sawyer) †<br />

3<br />

8<br />

10<br />

6<br />

5<br />

4<br />

Stadt an<br />

der Donau<br />

(Baden-<br />

Württ.)<br />

dreist,<br />

schneidig,<br />

flott<br />

linker<br />

Nebenfluss<br />

der<br />

Fulda<br />

Stadtteil<br />

von<br />

London<br />

Füllen Sie das Gitter so<br />

aus, dass die Zahlen von<br />

1 bis 9 nur je einmal in jeder<br />

Reihe, in jeder Spalte und<br />

in jedem Neun-Kästchen-Block<br />

vorkommen.<br />

Als Lösung schicken Sie<br />

uns bitte die unterste, farbig<br />

gerahmte Zahlenreihe.<br />

Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

per Fax an 040 30 39 96 38 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />

Einsendeschluss: 27. <strong>November</strong> <strong>2015</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet, kann<br />

zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle oder eines von drei Büchern<br />

„Hamburger Wortschatz-Schnacks“ von Peter Schmachthagen (Zeitungsgruppe<br />

Hamburg GmbH) gewinnen. Das Lösungswort beim Kreuzworträtsel<br />

war: Wetterhahn. Die Sudoku-Zahlenreihe war: 594 721 638.<br />

7<br />

3<br />

1<br />

7<br />

5<br />

Stockwerk<br />

Radiowellenbereich<br />

(Abk.)<br />

kurzes<br />

Sinngedicht<br />

Weinstadt<br />

in<br />

Italien<br />

Sinnesorgan<br />

Grenzbeamter<br />

8<br />

6<br />

Feldertrag<br />

Ziehmutter<br />

Stück<br />

für zwei<br />

Instrumente<br />

9<br />

in der<br />

Nähe von<br />

tiefer<br />

Kummer,<br />

zehrender<br />

Schmerz<br />

8<br />

lange<br />

krank,<br />

hinfällig<br />

10<br />

3<br />

trockenes,<br />

haltbares<br />

Gebäck<br />

griechischer<br />

Buchstabe<br />

AR1115-0215_4<br />

57<br />

Impressum<br />

Redaktion und Verlag<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />

Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />

Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 30 39 96 38<br />

Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />

E-Mail info@hinzundkunzt.de<br />

www.hinzundkunzt.de<br />

Herausgeber<br />

Landespastor Dirk Ahrens,<br />

Diakonisches Werk Hamburg<br />

Externer Beirat<br />

Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />

Mathias Bach (Kaufmann), Rüdiger Knott (ehem. NDR 90,3-Programmchef),<br />

Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />

Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />

Beate Behn (Lawaetz-Service GmbH), Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />

Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />

Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />

Geschäftsführung Dr. Jens Ade<br />

Redaktion Birgit Müller (v.i.S.d.P.),<br />

Annette Woywode (CvD, Stellv.), Frank Keil<br />

Mitarbeit Sybille Arendt, Jonas Füllner,<br />

Ulrich Jonas, Benjamin Laufer, Misha Leuschen, Uta Sternsdorff,<br />

Kerstin Weber, Kim Bösch (Grafik-Praktikantin)<br />

Redaktionsassistenz Sonja Conrad, Dina Fedossova<br />

Online-Redaktion Simone Deckner, Jonas Füllner,<br />

Benjamin Laufer<br />

Artdirektion grafikdeerns.de<br />

Öffentlichkeitsarbeit Isabel Schwartau, Friederike Steiffert<br />

Anzeigenleitung Isabel Schwartau<br />

Anzeigenvertretung Christoph Wahring,<br />

Wahring & Company, Tel. 040 284 09 40, info@wahring.de<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 20 vom 1. Januar <strong>2015</strong><br />

Vertrieb Marcus Chomse, Jonas Göbel, Christian Hagen (Leitung),<br />

Sigi Pachan, Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov, Frank Nawatzki,<br />

Sven Schadofske, Cristina Stanculescu, Marcel Stein,<br />

Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />

Rechnungswesen/Systemadministration Frank Belchhaus<br />

Spendenmarketing Gabriele Koch<br />

Spendenverwaltung Susanne Wehde<br />

Sozialarbeit Ana-Maria Ilisiu, Stephan Karrenbauer, Isabel Kohler<br />

Litho PX2@ Medien GmbH & Co. KG<br />

Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

Druck A. Beig Druckerei und Verlag,<br />

Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />

Verarbeitung Delle und Söhne, Buchbinderei<br />

und Papierverarbeitungsgesellschaft mbH<br />

Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

IBAN: DE56 200505501280167873<br />

BIC: HASPDEHHXXX<br />

Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />

Freistellungsbescheid des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer<br />

17/414/00797, vom 15.11.2013 nach §5 Abs.1 Nr. 9<br />

des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />

§3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />

Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister<br />

beim Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen. Wir bestätigen,<br />

dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong> einsetzen.<br />

Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weitergegeben.<br />

Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf www.hinzundkunzt.de.<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das obdachlosen und<br />

ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />

Das Magazin wird von Journalisten geschrieben, Wohnungslose und<br />

ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter<br />

unterstützen die Verkäufer.<br />

Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />

Gesellschafter<br />

Durchschnittliche monatliche<br />

Druckauflage 3. Quartal <strong>2015</strong>:<br />

73.333 Exemplare


Momentaufnahme<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>273</strong>/ NOVEMBER <strong>2015</strong><br />

St.-Pauli-Fan und<br />

Stadtmensch: Reiner<br />

hat in einer Wohnunterkunft<br />

eine neue<br />

HEIMAT gefunden.<br />

Der erste Schritt<br />

Reiner, 57, verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> in Hammerbrook.<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Manchmal, wenn Reiner abends im<br />

Bett liegt, überkommt ihn die Sehnsucht<br />

nach seinem Sohn. 20 Jahre ist es her,<br />

dass er ihn zuletzt sah. Dass er die<br />

Flucht ergriff, weil seine Frau ihn betrog<br />

und er Trost im Alkohol suchte. Dass er<br />

keinen anderen Ausweg wusste, als zwei<br />

Taschen zu packen und sich in einen<br />

Zug nach Hamburg zu setzen.<br />

Was wird der heute 25-Jährige sagen,<br />

wenn der Vater sich nach so langer<br />

Zeit meldet? Wo lebt er überhaupt? „Ich<br />

würde ihn zu gerne wiedersehen“, sagt<br />

Reiner. „Fünf Jahre lang war er mein<br />

Ein und Alles.“ Warum ist er nicht<br />

längst auf die Suche nach ihm gegangen?<br />

„Am nächsten Tag verdrängst du<br />

das wieder …“<br />

Seine Kindheit sei „ganz normal“<br />

gewesen, sagt Reiner. Der 57-Jährige ist<br />

im Berliner Osten aufgewachsen, als eines<br />

von zehn Kindern. Der Vater betreibt<br />

eine Gaststätte, die Mutter hilft in<br />

der Küche. Reiner macht die Hauptschule<br />

und lernt Facharbeiter für Elektrotechnik.<br />

Ein Jahr hält er nach der<br />

Lehre durch, „die Arbeit hat mir nicht<br />

gefallen“. Er wechselt in ein Furnierwerk,<br />

„drei Schichten, gutes Geld“.<br />

Nach drei Jahren ist auch hier für ihn<br />

Schluss. „Ich hatte keine Lust mehr“,<br />

sagt Reiner lapidar. Ein folgenschwerer<br />

Entschluss: Sein neuer Job wird das<br />

Glücksspiel. Reiner macht für andere<br />

die „Bank“, bekommt dafür 20 Prozent<br />

vom Gewinn. „Das war schnelles Geld.“<br />

Worüber Reiner nicht nachdenkt:<br />

Glücksspiel ist in der DDR verboten.<br />

Als er das erste Mal erwischt wird, muss<br />

er für ein halbes Jahr ins Gefängnis, nach<br />

Bautzen. „24 Mann auf einer Zelle, das<br />

war hart.“<br />

Nach der Entlassung fällt Reiner<br />

„zurück in den alten Trott“. Er wird erneut<br />

erwischt und noch härter bestraft:<br />

mit 18 Monaten Knast und drei Jahren<br />

Verbot, die Stadt Berlin zu betreten.<br />

Reiner wird nach der Haft gezwungen,<br />

in ein Dorf in der Nähe von Leipzig zu<br />

ziehen. „Und das ausgerechnet mir,<br />

einem Stadtmenschen!“<br />

Reiner bekommt eine zweite Chance<br />

mit Arbeit in einer Milchviehanlage.<br />

Mit 29 lernt er seine spätere Frau kennen,<br />

auf einem Faschingsfest. Die beiden<br />

bekommen einen Sohn und ziehen<br />

nach Berlin. Ein gutes Jobangebot und<br />

eine frisch renovierte Wohnung locken.<br />

1995 dann der große Bruch: Reiners<br />

Frau geht mit ihrem Chef fremd.<br />

Eine Zeitlang leben sie noch in der gemeinsamen<br />

Wohnung. Manchmal hört<br />

Reiner die beiden im Zimmer nebenan.<br />

Seine Wut wächst. Eines Tages dann<br />

die Flucht. „Ich hatte Angst, dass ich ihr<br />

etwas antue.“<br />

Reiner schlägt sich in Hamburg mit<br />

Hilfsarbeiterjobs durch. Als die immer<br />

rarer werden, landet er bei Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Hier und in seiner Wohnunterkunft findet<br />

er eine neue Heimat. Seine Leidenschaft<br />

gilt dem FC St. Pauli, „bei den<br />

Spielen kann ich abschalten von allem“.<br />

Wenn da nicht die Sehnsucht wäre nach<br />

dem Sohn, der Familie … Vor Kurzem<br />

hat Reiner seine Lieblingsschwester getroffen.<br />

„Es war der Hammer.“ Er will<br />

sie bald wieder besuchen. „In zwei<br />

Stunden kann man ja nicht alles erzählen.“<br />

Es ist der erste Schritt. •<br />

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