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Das Hamburger<br />
Straßenmagazin<br />
N O <strong>274</strong><br />
12 .15<br />
2,20 Euro<br />
Davon 1,10 Euro<br />
für unsere Verkäufer<br />
Ich steh<br />
noch leer!<br />
Hamburg kriegt’s<br />
nicht gebacken:<br />
Hunderte Häuser<br />
ungenutzt –<br />
trotz extremer<br />
Wohnungsnot
<strong>Dezember</strong> <strong>2015</strong><br />
Kurdenstaat und<br />
Altes Land<br />
und andere Themen, die Hamburger bewegen<br />
Di 01.12. | 19.00 Uhr | Gesprächskonzert<br />
Keine Angst vor Béla Bartók »2 x hören« widmet sich einem der bekanntesten Komponisten des<br />
20. Jahrhunderts: Martina Taubenberger und das »vision string quartet« nehmen sich Béla Bartóks<br />
drittes Streichquartett vor. Das höchst konzentrierte Werk mit volksmusikalischen Wurzeln gilt als<br />
eigenwillig und experimentell.<br />
Mi 02.12. | 19.00 Uhr | Diskussion<br />
Auf dem Weg zu einem kurdischen Staat? Es kommt Bewegung in die »kurdische Frage« – nicht<br />
zuletzt auch, weil die Peshmerga im Kampf gegen den IS zum Partner des Westens geworden sind.<br />
Es diskutieren der türkische Politikwissenschaftler Aykan Erdemir und Hemin Hawrami, Mitglied<br />
der Demokra tischen Partei Kurdistans. Nora Müller, Körber-Stiftung, moderiert.<br />
Do 03.12. | 19.00 Uhr | Gespräch<br />
Heimat finden In ihrem Roman »Altes Land« begleitet Dörte Hansen zwei Flüchtlinge aus<br />
Ostpreußen auf der schwierigen Suche nach Heimat und Identität: Die fünfjährige Vera und ihre<br />
Mutter sind 1945 auf einem Bauernhof vor den Toren Hamburgs gestrandet. Gespräch über die<br />
Schwierigkeiten im Zusammenleben, wenn Fremde kommen, um zu bleiben.<br />
Mi 09.12. | 10.00 Uhr | geschlossene Tagung, nur im Video-Livestream<br />
Nach der ersten Hilfe Täglich sehen wir die Bilder von Menschen auf der Flucht. Wie kann die<br />
Integration der Zuwanderer in Schule, Arbeitsmarkt und anderen Bereichen der Gesellschaft in<br />
Deutschland gelingen? In Kooperation mit der Süddeutschen Zeitung.<br />
Video-Livestream unter koerber-stiftung.de/nachdererstenhilfe Twitter #nachersterhilfe<br />
Stand: November <strong>2015</strong>, Änderungen vorbehalten. groothuis.de Fotos: Sabine Kress, Marc Darchinger, Sven Jaax, Süddeutsche Zeitung/Catherina Hess<br />
Eintritt frei, Anmeldung erforderlich: www.koerberforum.de<br />
KörberForum – Kehrwieder 12 | 20457 Hamburg | U Baumwall<br />
Telefon 040 · 80 81 92 - 0 | E-Mail info@koerberforum.de<br />
Veranstalter ist die gemeinnützige Körber-Stiftung.<br />
KörberForum<br />
Kehrwieder 12<br />
Für Menschen, die nicht alles so lassen wollen, wie es ist.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Inhalt<br />
Titel: Bezahlbares Wohnen? Solange das ein<br />
Traum ist, BACKEN wir uns das Haus selbst.<br />
TITELBILD: DMITRIJ LELTSCHUK<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
wir freuen uns, dass Ihnen unser neues Heft mit guten Nachrichten, der Stadtexpedition,<br />
dem Koch des Monats und den neuen Kolumnen gut gefällt. Danke für die vielen<br />
Rückmeldungen und Leserbriefe! Wir wollen mit den etwas lockereren Themen<br />
die Geschichten, über die wir sonst berichten, etwas leichter verdaulich machen. Gerade<br />
weil wir nach den Anschlägen in Paris in noch ernsteren Zeiten leben (Seite 28).<br />
Deshalb haben wir auch Themen in diesem Heft, die sich mit Flucht und Krieg befassen:<br />
Landesbischöfin Kirsten Fehrs hat sich von der Lage der Füchtlinge in Jordanien<br />
selbst ein Bild gemacht. Weil wir immer nach etwas Positivem suchen, haben wir<br />
Cornelia Füllkrug-Weitzel, die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, zu<br />
Flucht ursachen und Lösungsansätzen interviewt (ab Seite 34). Außerdem gibt es ein<br />
Interview mit dem Papst: Geführt haben das Kollegen unseres niederländischen Partnermagazins<br />
Straatnieuws (Seite 22). Jetzt wünschen wir allen Menschen mit und ohne<br />
Dach überm Kopf, allen Flüchtlingen, Zugewanderten, Einheimischen und Gästen<br />
eine friedliche Zeit. Kommen Sie gut ins nächste Jahr! Ihr Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Team<br />
Stadtgespräch<br />
04 Gut&schön<br />
Nur aufmunternde Nachrichten<br />
Stadtexpedition<br />
11 #2: Stille Orte dieser Stadt<br />
Von der Elbe bis zur City Nord<br />
22<br />
06 Alles muss man selbst machen!<br />
Wohnungen? Hinz&Künztler<br />
bauen sich ein Knusperhäuschen<br />
16 Ich steh noch leer!<br />
Die Stadt duldet zu viel Leerstand<br />
18 Investor mit Herz<br />
Konrad Grevenkamp saniert leer<br />
stehende Wohnungen<br />
22 „Ich vermisse die Straße“<br />
Interview mit Papst Franziskus<br />
28 „Unbeugsam human“<br />
Paris und die Folgen<br />
Fotoreportage<br />
38 Dem Himmel ganz nah<br />
Zu Gast bei einem Säulenheiligen<br />
im Kaukasus<br />
Freunde<br />
44 Spenden mit der Flaschenpost<br />
Sammelboxen für Pfandbons<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
48 Neue Türen aufmachen<br />
Opernintendant Georges Delnon<br />
im Porträt<br />
38<br />
FOTOS: FRANK DRIES/INSP, DMITRIJ LELTSCHUK<br />
30 Zahl des Monats<br />
Deutschlands Rüstungsexporte<br />
32 Hamburgs Stiftung für politisch Verfolgte<br />
Geschäftsführerin Martina Bäurle<br />
im Porträt<br />
34 „Die Hoffnung auf Rückkehr stirbt<br />
mit jedem Angriff“<br />
Bischöfin Kirsten Fehrs war bei<br />
den Flüchtlingen in Jordanien<br />
36 „Bei Konfliktlösungen muss man realpolitisch<br />
sein, nicht moralisch“<br />
Interview mit Cornelia Füllkrug-<br />
Weitzel über Fluchtursachen<br />
52 20 Tipps für den <strong>Dezember</strong><br />
56 Koch des Monats<br />
Hinz&Künztler<br />
Jürgen Jobsen kocht eine<br />
feine Kartoffelsuppe<br />
58 Momentaufnahme<br />
Hinz&Künztlerin Anke<br />
Rubriken<br />
5, 9, 21 Kolumnen<br />
10, 20 Meldungen<br />
46 Leserbriefe<br />
57 Rätsel, Impressum<br />
48<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk
Begegnung<br />
Stuart Manlove<br />
Mein erster Gedanke, als ich<br />
sein Fotostudio betrete: „Soll ich<br />
mir die Schuhe ausziehen?“ So<br />
privat ist die Atmosphäre, so<br />
herzlich die Begrüßung. In jeder<br />
Ecke seines Studios gibt es etwas<br />
zu bestaunen. Das Schmuckstück<br />
des 67-Jährigen sind die<br />
etwa 140 Fotos von Prominenten,<br />
die wie eine Tapete das komplette<br />
Arbeitszimmer schmücken.<br />
Vor fast genau 47 Jahren<br />
arbeitete seine Mutter für die<br />
Klassenlotterie. Und der junge<br />
Stuart Manlove fotografierte all<br />
die Prominenten, die damals die<br />
Zahlen zogen: so Roberto<br />
Blanco, Hardy Krüger oder<br />
Inge Meysel. Pro Bild gab es<br />
50 D-Mark. Entwickelt hat er<br />
die Fotos bei seiner Mutter im<br />
Keller. Später in seinem ersten<br />
Studio – das vorher ein Fischladen<br />
gewesen war. LÖWE<br />
•<br />
Mehr Infos unter:<br />
www.stuma-fotografie.de
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Gut&Schön<br />
Die gute Nachricht<br />
Willkommen<br />
in Sögel<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMENTE, JANA CAVOJSKA, PRIVAT<br />
Bild des Monats<br />
Neues vom Flughafen<br />
Unser Pfand-Projekt am Airport läuft bislang prima.<br />
Seit September haben wir rund 70.000 Flaschen gesammelt<br />
und sortiert. Zu den drei Leergutbeauftragten<br />
Uwe (von rechts), Georgi und Jaroslaw ist Klaus<br />
dazugekommen, halbtags. „Ich bin der Halb-Vier“,<br />
sagt er lachend. Seine Kinder seien ganz stolz auf ihn.<br />
„Papa arbeitet jetzt beim Flughafen.“ BIM<br />
•<br />
Die Kofferträger von<br />
Bratislava<br />
Der Bahnhof der slowakischen<br />
Hauptstadt kennt weder Rolltreppen<br />
noch Aufzüge. Und wenn man<br />
nun schweres Gepäck zu schleppen<br />
hat? Dann hilft einer der sechs Kofferträger<br />
in historischen Uniformen<br />
– Verkäufer des Straßenmagazins<br />
„Nota Bene“, die so je einen Halbtagsjob<br />
gefunden haben. Die Idee<br />
stammt von einem ihrer Leser. FK<br />
•<br />
5<br />
Ein Schild zur Erinnerung<br />
Es ist nur ein kleines Schild an einer<br />
Holzbank in Rissen. Aber es bedeutet<br />
Hinz&Künztlerin Karen eine<br />
ganze Menge. Im September vor einem<br />
Jahr ist ihr Freund Jörg gestorben.<br />
Er hatte dort immer Zeitungen<br />
verkauft. Sie dachte, sie würde nie<br />
über seinen Tod hinwegkommen.<br />
„Er war das Beste, was mir je passieren<br />
konnte“, sagt die 43-Jährige.<br />
Monatelang hatte sie um die Plakette<br />
gekämpft, „damit er nicht vergessen<br />
wird“. Bis der Wegewart sie<br />
persönlich anbrachte. BIM<br />
•<br />
Es gab eine Zeit, da hießen<br />
Wanderarbeiter im emsländischen<br />
Sögel „Eimermenschen“:<br />
Man sah sie mit Eimern<br />
in der Hand, aus denen<br />
Messer und Arbeitskleidung<br />
ragten, zum Schlachthof laufen.<br />
Sonst wusste man nichts<br />
über sie. Dicht gedrängt<br />
schliefen die Osteuropäer in<br />
maroden Häusern zu Wuchermieten,<br />
die ihnen Werkvertragsfirmen<br />
vom Lohn<br />
abzogen.<br />
Eines Tages wollte Bürgermeister<br />
Günter Wigbers<br />
(CDU) nicht mehr wegschauen:<br />
Er sprach beim „König<br />
der Schweine“ („Die Zeit“)<br />
Clemens Tönnies vor, zu dessen<br />
Reich der Schlachthof in<br />
Sögel gehört. Und rang ihm<br />
eine Vereinbarung ab. Darin<br />
verpflichten sich Tönnies’<br />
Subunternehmer, ihre Arbeiter<br />
menschenwürdig unterzubringen.<br />
Überprüft wird<br />
das von einem Gemeindemitarbeiter<br />
– bezahlt von den<br />
Firmen, die mit den rund<br />
1000 Werkvertragsbeschäftigten<br />
ihr Geld verdienen.<br />
Der Verhaltenskodex habe<br />
„beinah wie ein Konjunkturprogramm“<br />
gewirkt, so<br />
die Gemeinde: Unterkünfte<br />
wurden saniert, neue Häuser<br />
gebaut.<br />
Und nun kommen mindestens<br />
150 Flüchtlinge hinzu.<br />
Also haben die Sögeler<br />
den nächsten Schritt gemacht<br />
und eine Baugenossenschaft<br />
gegründet. Drei<br />
Mehrfamilienhäuser mit Sozialwohnungen<br />
wollen sie zunächst<br />
bauen. Jeder Bürger<br />
kann mit mindestens 100 Euro<br />
einsteigen. 150 Sögeler<br />
machen bereits mit, im Frühjahr<br />
sollen die ersten Familien<br />
einziehen. UJO<br />
•<br />
Info: www.huklink.de/soegel
Zurzeit ist<br />
Hinz&Künztler<br />
FRANK in einem<br />
Zimmer bei den<br />
Schwestern der<br />
Mutter Teresa im<br />
Haus Bethlehem<br />
untergekommen.
ALLES MUSS<br />
MAN SELBST<br />
MACHEN!<br />
Weil in Hamburg zwar viele Wohnungen leer stehen, sie aber keine<br />
abkriegen, würden sich ein paar Hinz&Künztler am liebsten selbst ans<br />
Häuslebauen machen. Vorerst sind es allerdings nur Knusperhäuschen.<br />
TEXT: SYBILLE ARENDT, FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>274</strong>/ DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
Torstens Traumwohnung steht am Polarkreis. „Am<br />
liebsten würde ich dort in einem Baumhaus wohnen“,<br />
so der Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer. Das liegt<br />
wahrscheinlich an der ausgedehnten Skandinavien-<br />
Wanderung, die der 51-Jährige in diesem Sommer unternommen<br />
hatte. Echtes Holz können wir heute leider nicht<br />
verbauen. Dafür stellen wir aus frisch gebackenem Lebkuchenteig<br />
Knusperhäuschen her, um dabei über Wohnungsnot<br />
ins Gespräch zu kommen.<br />
Möglich wurde die Aktion durch Konditormeister Thomas<br />
Horn, mit dem wir schon öfter gemeinsam gebacken haben.<br />
Ein Freund des Hauses sozusagen. In seiner Lokstedter<br />
Backstube hat er für uns Lebkuchenteigplatten in allen Größen<br />
und jede Menge Zuckerzeug zum Verzieren bereitgestellt.<br />
Der dynamische 51-Jährige drückt allen Spritztüten mit<br />
Eiweißmasse in die Hand und packt auch selbst mit an. „Los,<br />
los, nicht so schüchtern“, ermuntert Horn die Hinz&Künztler.<br />
Torsten beginnt zu kleben und zu erzählen. Acht Jahre lang<br />
„Eigentlich könnte<br />
ich auch ein echtes Haus<br />
bauen – abgesehen<br />
vom Dach.“ RAFAEL, TROCKENBAUER, OBDACHLOS<br />
hat er in Hamburg in leer stehenden Häusern gewohnt. Davon<br />
gab es immer reichlich: Bürohäuser, Gaststätten, Villen<br />
und Einfamilienhäuser. Dabei hat er sich wie ein Gentleman<br />
verhalten. „Ich habe immer einen Zettel hingelegt und gefragt,<br />
ob ich als Wohnungsloser dort eine Weile bleiben darf.“<br />
Manchmal wurde er geduldet, manchmal auch nicht.<br />
„Einmal wurden meine ganzen Sachen aus dem Fenster in<br />
den Vorgarten geworfen. Ein anderes Mal wurden extra die<br />
Sanitäranlagen zerstört, damit ich dort nicht bleiben konnte.“<br />
Vor 15 Monaten hat Torsten endlich ein Zimmer zur Untermiete<br />
gefunden. Darüber ist er sehr froh: „Es ist sehr anstrengend,<br />
immer unterwegs sein zu müssen.“<br />
Rafael verziert sein Häuschen ganz systematisch, eine<br />
Reihe Gummiteile, eine Reihe Spekulatius. „Eigentlich könnte<br />
ich auch ein echtes Haus alleine bauen – abgesehen vom<br />
Dach.“ Der 27-Jährige ist gelernter Trockenbauer und hat<br />
jahrelang auf dem Bau gearbeitet. „Ich hatte ein ganz normales<br />
Leben: Arbeit, Freundin und Wohnung.“<br />
Doch dann gerät der Pole an einen Arbeitgeber, der ihm<br />
seinen Lohn nicht bezahlt. Rafael verliert seine Wohnung und<br />
landet im Frühjahr <strong>2015</strong> auf der Straße. Seitdem zeltet er im<br />
Hamburger Osten. „So finde ich auch keinen Job: keine Wohnung,<br />
keine Arbeit.“ Als wir die Häuschen verzieren, hofft er<br />
noch auf einen Containerplatz im Winternotprogramm. Und<br />
tatsächlich: Er bekommt einen. „Jetzt habe ich wieder eine<br />
Adresse und finde hoffentlich auch einen Job.“<br />
Frank hingegen ist schon seit 23 Jahren wohnungslos. Der<br />
48-Jährige hat Platte gemacht und zwischendurch immer mal<br />
8
Stadtgespräch<br />
bei Freunden und Bekannten übernachtet. Jetzt ist er gerade<br />
im Haus Bethlehem untergekommen und freut sich über ein<br />
Dach über dem Kopf. „Ein Zimmer reicht mir, mit einer Wohnung<br />
komme ich nicht klar.“ Sein Lebkuchenhaus verziert er<br />
liebevoll, aber nicht zu bunt. „Das Haus möchte ich den<br />
Schwestern in Haus Bethlehem schenken, da passt eher etwas<br />
Schlichtes hin.“<br />
Bescheiden sind auch die Wünsche der Hinz&Künztler,<br />
was das Wohnen angeht. Den meisten genügt ein Zimmer, bei<br />
dem sie die Tür schließen können, und ein Briefkasten, in dem<br />
sie Post empfangen können. Es wäre schön, wenn sie sich einfach<br />
welche backen könnten. •<br />
REZEPT KNUSPERHAUS:<br />
Honigkuchenteig: 750 g Weizenmehl, 500 g Honig,<br />
100 ml Wasser, 75 g Butter, 50 g Zucker, 12 g Salz,<br />
8 g Hirschhornsalz, 4 g Pottasche, 2 g Zimt, 24 g Honigkuchengewürz<br />
Alles zusammen langsam zu einem Teig kneten.<br />
24 Stunden ruhen lassen. Den Teig 0,5 cm dick ausrollen<br />
und bei 180 Grad ca. 15 Minuten backen.<br />
Maße für die Bauteile: 1 Bodenplatte 20 x 30 cm, 2 Seitenteile<br />
5 x 20 cm, 2 Giebel 15 cm breit, 18 cm hoch, 2 Dachplatten<br />
15 x 22 cm, Fenster und Türen nach Bedarf ausstechen.<br />
Eiweißspritzglasur: 500 g Puderzucker, 90 g Eiweiß, 5 g Zitronensaft<br />
Alles mit dem Mixer zu einer steifen Masse aufschlagen.<br />
Die Teile mithilfe einer Spritztülle und der Eiweißspritzglasur<br />
zusammensetzen und nach kurzer Trocknungsphase verzieren.<br />
Mit Süßigkeiten oder Keksen bekleben.<br />
Konditor Thomas Horn mit seiner Auszubildenden und dem HINZ&KUNZT-<br />
TEAM (von links): Torsten, Frank, Rafael und Autorin Sybille Arendt.<br />
Neues aus dem Winternotprogramm<br />
Wenn es tagsüber<br />
kalt wird ...<br />
Wir könnten uns freuen. Eigentlich ... Nie zuvor<br />
hat die Stadt so viele Schlafplätze für Obdachlose<br />
im November bereitgestellt. Und<br />
diese Plätze sind absolut in Ordnung, erzählen<br />
uns Bewohner. Meistens teilt man sich zu<br />
viert ein Zimmer. Überfüllte Schlafsäle wie<br />
noch in den Vorjahren? Vorerst abgeschafft.<br />
Auch ein Shuttle-Bus ist nicht mehr nötig. Die<br />
beiden neuen Notunterkünfte in der Münzstraße<br />
am Hauptbahnhof und im Schaarsteinweg<br />
am Michel sind fußläufig aus der<br />
Innenstadt zu erreichen.<br />
Gefreut hat uns, dass die Sozialbehörde zudem<br />
speziell obdachlosen Frauen hilft. Eigene<br />
Wohnbereiche. Eigene Duschen. Und zusätzliche<br />
Plätze. Mehr als 60 Frauen nutzten das<br />
Angebot bislang.<br />
Damit sind wir dann auch schon bei den<br />
Problemen angelangt. Denn Jahr für Jahr<br />
steigt die Zahl der Obdachlosen, die Schutz im<br />
Winternotprogramm suchen. Fünf Monate<br />
bietet die Stadt ihnen nachts ein Dach über<br />
dem Kopf. Zuletzt landeten fast alle im Frühjahr<br />
wieder auf die Straße. Auch das soll sich<br />
ändern. 40 Obdachlosen pro Monat will die<br />
Sozialbehörde in dauerhafte Unterkünfte vermitteln.<br />
Das wäre ein echter Erfolg. Auch dass<br />
laut Sozialbehörde schon bald 100 weitere<br />
Plätze für Obdachlose im Pik As und dem<br />
FrauenZimmer entstehen, freut uns.<br />
Überhaupt kein Verständnis haben wir,<br />
dass die Stadt die Obdachlosen weiterhin jeden<br />
Morgen auf ein Neues vor die Türen<br />
setzt. Auch bei Regen und Eiseskälte. Niemand<br />
würde freiwillig sein Haus verlassen.<br />
Aber Obdachlose, die müssen raus. Seit Jahren<br />
fordern wir die Notunterkünfte rund um<br />
die Uhr zu öffnen. Vergeblich. Beratungstermine<br />
stünden an. Die Betten müssten gemacht<br />
werden. Außerdem gäbe es doch Tagesaufenthaltsstätten,<br />
merkt der Senat an.<br />
Doch deren Öffnungszeiten sind begrenzt<br />
und die Räume oftmals überfüllt. Inzwischen<br />
verspricht die Behörde einen Ausbau des<br />
Angebots.<br />
An den Öffnungszeiten der Notunterkünfte<br />
wird nicht gerüttelt. Diese bleiben tagsüber<br />
verschlossen. Ganz offensichtlich will man die<br />
Obdachlosen auf Trap halten. Im Sozialausschuss<br />
bekannte die Behörde: Die Schließung<br />
der Unterkünfte am Tag sei notwendig, da<br />
„anderenfalls das Bett gar nicht mehr aufgegeben<br />
werden würde. Dieses treffe überwiegend<br />
auf Personen aus Osteuropa zu.“ JOF<br />
•<br />
9
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>274</strong>/ DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
Meldungen (1)<br />
Politik & Soziales<br />
Endlich kommt das Girokonto für alle<br />
Europa sei Dank: Banken dürfen Obdachlosen oder Flüchtlingen künftig nicht<br />
mehr die Eröffnung eines Girokontos verweigern. Eine entsprechende Richtlinie<br />
der Europäischen Union setzt die Bundesregierung nun um. Das Konto für alle<br />
soll spätestens im Juni 2016 kommen. Sozialverbände und auch Hinz&<strong>Kunzt</strong> fordern<br />
seit Langem ein Grundrecht auf eine Bankverbindung. Denn immer wieder<br />
verweigern Geldinstitute Menschen mit wenig Geld die Eröffnung eines Kontos.<br />
Bundesweit haben geschätzt mindestens 700.000 Menschen kein Girokonto. SIM<br />
•<br />
Mehr Infos im Internet: www.huklink.de/basiskonto und www.guthabenkonto.net<br />
Mieterhöhung nur begrenzt möglich Teilerfolg für Berliner Mietenvolksentscheid<br />
Der Bundesgerichtshof stärkt die Mieterrechte.<br />
In Berlin hatte ein Vermieter<br />
die Wohnfläche irrtümlicherweise zu<br />
klein angegeben. Nachträglich verlangte<br />
er eine Mieterhöhung um 30 Prozent.<br />
Diese sei nicht zulässig, entschied das<br />
Gericht. Zwar müssten Mieter für die<br />
„tatsächliche Wohnungsgröße“ zahlen.<br />
Aufgrund der geltenden Kappungsgrenze<br />
dürfen Vermieter die Mieten in bestehenden<br />
Verträgen aber höchstens um<br />
15 Prozent und nur alle drei Jahre anheben.<br />
Vom Urteil profitieren auch Mieter,<br />
deren Wohnung kleiner ist als im<br />
Vertrag angegeben. Bislang konnten die<br />
Angaben um zehn Prozent abweichen.<br />
Jetzt gilt: Weitere Mieterhöhungen dürfen<br />
sich nur noch auf die „tatsächliche<br />
Wohnungsgröße“ beziehen. JOF<br />
•<br />
Berlin stärkt den sozialen Wohnungsbau. Das neue Wohnraumgesetz<br />
schreibt fest, dass 30.000 Sozialwohnungen in den<br />
nächsten zehn Jahren gefördert werden. Zudem unterstützt die<br />
Stadt Geringverdiener: Mieter mit Wohnberechtigungsschein<br />
sollen nicht mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die<br />
Kaltmiete zahlen. Das Gesetz ist ein Kompromiss mit der<br />
Initiative Mietenvolksentscheid, die ein Volksbegehren gestartet<br />
hatte. Sie hatte auch gefordert, Landes-Wohnungsgesellschaften<br />
in Anstalten öffentlichen Rechts umzuwandeln. Das<br />
hätte bedeutet, dass diese keine Gewinne mehr erwirtschaften<br />
dürfen. Dieses Anliegen fand bei der Politik kein Gehör. Ohne<br />
den Kompromiss hätte es einen Volksentscheid gegeben. JOF<br />
•<br />
Immer mehr Menschen sitzen im Dunkeln<br />
Erneut ist die Zahl der Stromsperren in Deutschland gestiegen.<br />
Medienberichten zufolge kappten Energieversorger vergangenes<br />
Jahr 351.802 Privathaushalten zeitweise die Stromzufuhr.<br />
2013 waren es noch 344.798 Sperren gewesen. Die<br />
Bundesnetzagentur wollte die neue Zahl nicht bestätigen, da<br />
ihr Bericht erst nach Redaktionsschluss veröffentlicht wurde.<br />
Grund einer Stromsperre sind in der Regel Energieschulden.<br />
Hilfeempfängern fehlen bis zu 280 Euro im Jahr, weil die steigenden<br />
Energiepreise im Regelsatz nicht berücksichtigt werden,<br />
so der Paritätische Wohlfahrtsverband. Das sei der Regierung<br />
„seit Jahren bekannt“. Das Bundesverfassungsgericht hat<br />
deshalb bereits 2014 eine Neuregelung angemahnt. UJO<br />
•<br />
Auch 2016 geht der weltweit<br />
größte fahrtüchge Museumsfrachter<br />
auf große Fahrt ...<br />
Bestellen Sie bequem online:<br />
www.capsandiego.de<br />
Verschenken Sie zu Weihnachten marimes Flair!<br />
Nähere Infos und die Termine nden Sie auf unserer Internetseite unter der Rubrik „Fahrten“.
2<br />
STADT-<br />
EXPEDITION:<br />
#2 Die Tour der Stille<br />
Wenn Großstadtrummel und Weihnachtstrubel<br />
sich überlagern, kann es einem leicht zu viel werden.<br />
Wer mitten im Stress und Trubel die Stille sucht,<br />
begibt sich mit uns auf die Tour der stillen Stadtoasen.<br />
TEXT: SIMONE DECKNER UND CHRISTIAN HAGEN<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
1<br />
9<br />
4<br />
7<br />
3<br />
5<br />
6<br />
8<br />
1a. Pastorin Irmgard<br />
Nauck leitet<br />
die Kirche der Stille.<br />
Überblick: Auf<br />
dieser Karte<br />
haben wir alle<br />
Orte der „Tour<br />
der Stille“ für<br />
Sie markiert.<br />
Oliver Petersen<br />
Der Meditationslehrer hat das Tibetische<br />
Zentrum in Berne aufgebaut und gibt dort u. a.<br />
Meditationskurse (8.) Zuvor lebte er 16 Jahre<br />
lang als Mönch. Er glaubt daran, dass jeder<br />
Mensch die Fähigkeit hat, in Stille zu sein.<br />
E<br />
s sind hektische Zeiten, in denen wir leben. Informationen<br />
prasseln pausenlos auf uns ein. Alles lechzt<br />
nach unserer Aufmerksamkeit. Durch unsere Smartphones<br />
sind wir ständig erreichbar. Trotzdem bleibt<br />
das Gefühl, immer etwas zu verpassen. „Wir sind alle hoffnungslos<br />
überreizt“, sagt Oliver Petersen, „weil wir nur noch<br />
auf das reagieren, was von außen kommt.“ Er selbst kam zum<br />
Buddhismus, weil er nach der Pubertät „eine innere Unruhe“<br />
spürte. „Und weil ich Vorbilder gefunden habe, die inneren<br />
Frieden gefunden haben.“ Allen voran der Dalai Lama. „Stille<br />
aus buddhistischer Sicht ist nicht äußere Ruhe, sondern innere<br />
Stille“, so der 54-Jährige. „Viele denken beim Stichwort<br />
Meditation an Indien und Menschen in weiten Gewändern,<br />
dabei kann jeder achtsam sein und seinen Geist schulen, wir<br />
müssen es nur erst wieder lernen.“ Es gehe darum, sich auf<br />
den Moment einzulassen. Muße statt Multitasking. Eine einfache<br />
Übung sei etwa, seinen Atem zu beobachten. „Man<br />
kann sich auch an der Alster auf eine Bank setzen und einfach<br />
mal bewusst den Moment auf sich wirken lassen – also ohne<br />
Buch oder Handy in der Hand“, so Petersen. Diese Zeit für<br />
uns selbst sollten wir uns nehmen: „Wir brauchen nicht immer<br />
noch mehr von allem. Entscheidend ist, dass wir erkennen,<br />
was uns wirklich wichtig ist.“ •<br />
11
Stadt-Expedition<br />
Weder Bänke noch Altar noch Orgel: Seit 2009<br />
gibt es diese ungewöhnliche Kirche in Altona.<br />
Ein Begegnungsort für Menschen, die in der<br />
Stille die Kraft in sich selbst suchen. Pastorin<br />
Irmgard Nauck 1a.: „Ich gehe, wie die Mystiker<br />
aller Zeiten, davon aus, dass wir in uns einen<br />
Raum der Stille haben. Ich als Christin sage: einen Raum der<br />
Stille, in dem Gott wohnt. Indem wir die Augen und den<br />
Mund schließen, die Hände in den Schoß legen, können wir<br />
in diesem Raum immer wieder eintauchen und still werden.“<br />
In der evangelischen Kirche 1b., die offen für alle ist, findet<br />
sich ein reiches Programm rund um die stille Kontemplation:<br />
von Meditation am Abend über Handauflegen und Zen-<br />
Meditation im Sitzen bis zu Liedern des Herzens und zum<br />
Tanz „Soul Motion“.<br />
Montag bis Freitag, 12–18 Uhr, Helenenstraße 14A,<br />
viele kostenfreie Angebote, mehr Infos: www.kirche-der-stille.de<br />
Der Elbufer Höhenweg (siehe Karte) ist ein wunderbarer<br />
„Weg der Stille“ , der weite Ausblicke bie-<br />
02.<br />
tet. Der Start ist am Parkplatz Falkensteiner Weg (T), erreichbar<br />
mit Bus 286. Los geht’s am obersten Weg am Hang. 2a.<br />
An diesem Punkt wechseln Sie auf eine Ebene weiter nach<br />
unten und folgen der Treppe aufwärts zum Sven-Simon-Park.<br />
2b. Hier bietet sich ein atemberaubender Panoramablick<br />
über die Elbe, Bänke laden zu einer ausgiebigen Rast ein. Der<br />
Weg führt weiter mit Aussicht über die Wittenberger Heidelandschaft<br />
bis zum Ziel, 2c.dem Wittenberger Leuchtturm.<br />
Zurück geht es über den Strand. Der stille Spaziergang durch<br />
die Natur 2e.dauert ca.1,5–2 Stunden – wenn Sie ohne Eile<br />
unterwegs sind.<br />
Am Wochenende verwandelt sich die City-<br />
Nord (siehe Karte) in ein Geisterquartier. Wir<br />
starten im Manilaweg. Ein surreales Terrain<br />
für Spaziergänge über Rampen und Treppen,<br />
entlang der monströsen Bürogebäude 3a.-<br />
3c., die hier ab den 60er-Jahren als moderne Bürostadt im<br />
Grünen hochgezogen wurden. Dazu gibt es tolle Architektur-<br />
Rundgänge. Auch Sportler haben die Stille hier für sich entdeckt:<br />
Die Disc-Golfer 3d., eine Mischung aus Frisbee und<br />
Golf, treffen sich hier regelmäßig sonntags um 13 Uhr zum<br />
Training. Ziel ist es, die Wurfscheibe mit so wenig Würfen wie<br />
möglich in einen Metallkorb zu befördern. Neugierige und<br />
Zuschauer sind willkommen.<br />
Disc-Golf: Jeden Sonntag, 13 Uhr, Treffpunkt an der Litfaßsäule,<br />
U-Bahn-Station Sengelmannstraße, kostenlos. Infos über<br />
Architekturrundgänge unter www.huklink.de/architekturrundgang<br />
Nach Ladenschluss kann man auch mitten in<br />
der Innenstadt wundersame Orte entdecken:<br />
Dort, wo die Arkaden des Bleichenhofs aufeinander<br />
treffen, an der Ecke Große Bleichen/<br />
Bleichenbrücke befindet sich die sogenannte<br />
Flüsterkuppel. Stellen Sie sich genau in die Mitte unterhalb<br />
der Kuppel auf den Stern am Boden. Und dann: Verraten Sie<br />
im Flüsterton ihren sehnlichsten Wunsch! Sie haben gute<br />
12<br />
1b. Unweit der lauten<br />
Max-Brauer-Allee und<br />
doch ganz friedlich:<br />
die Kirche der Stille.<br />
3a. Wie eine Pyramide<br />
wirkt das Bürogebäude<br />
der Deutschen Post –<br />
erbaut in den 70ern.<br />
3d. Beim Disc-Golfen ist<br />
das Ziel, die runde Scheibe<br />
mit möglichst wenigen Würfen<br />
„einzulochen“.<br />
2c
2b. Auf dem Elbufer<br />
Höhenweg laden Bänke<br />
am Weg zur Rast ein.<br />
2d. Zurück geht es über den Elbstrand.<br />
2a<br />
Parkplatz<br />
Falkensteiner Weg<br />
T<br />
2c. Am Ende der<br />
Tour wartet der<br />
Leuchtturm<br />
Wittenbergen.<br />
2b<br />
2d<br />
Falkensteiner Ufer<br />
Elbufer Höhenweg<br />
Siebenweg<br />
City Nord<br />
T<br />
Überseering<br />
Manilaweg<br />
2e. Blick durch<br />
die kahlen Baumwipfel<br />
auf die Elbe.<br />
3c<br />
3a<br />
3d<br />
3b<br />
3c. Geschwungen ist die<br />
Fassade dieses Bürogebäudes<br />
in der City Nord.<br />
Sein Name: Oval Office.<br />
3b. Der sogenannte<br />
„Silberling“, in der eine<br />
Versicherung ihren<br />
Sitz hat, entstand in<br />
den 90ern.
Stadt-Expedition<br />
Chancen, dass Ihr Herzenswunsch gehört wird, denn die<br />
Kuppel verstärkt Ihre Stimme um ein Vielfaches.<br />
Bleichenhof-Passage, Bleichenbrücke 11, Mo–Fr nach 19 Uhr,<br />
Sa nach 18 Uhr, kostenlos.<br />
Willkommen im Raum der Stille! Kaum ein anderer<br />
Ort ist so hektisch, laut und betriebsam wie der<br />
Hauptbahnhof: rund 480.000 Menschen nutzen<br />
ihn täglich. Nur wenige aber kennen den seit 2002<br />
versteckt in der Unterführung zwischen Mönckebergstraße<br />
und zum Südsteg liegenden „Raum der Stille“.<br />
Die Idee: Menschen in hektischen Zeiten eine Möglichkeit zu<br />
geben, für ein paar Minuten auszuruhen. Durchzuatmen. Die<br />
Augen zu schließen. Vielleicht auch zu beten, Kraft zu tanken.<br />
„Drei Minuten Ruhe geben einem Kraft für Stunden“,<br />
so ein regelmäßiger Gast dieser stillen Oase.<br />
Mo–Fr, 10 bis 19 Uhr, kostenlos, www.huklink.de/raum-stille<br />
Wo bleiben die Menschen in Erinnerung, die<br />
das Leben vergessen hat? Wer obdachlos ist,<br />
stirbt oft einsam und anonym. Doch wir vergessen<br />
unsere Hinz&Künztler nicht: Auf dem Öjendorfer<br />
Friedhof steht unser Gedenkbaum: eine alte, hochgewachsene<br />
Birke. Um ihren Stamm ranken sich Messingtäfelchen mit<br />
den Namen der Verstorbenen.<br />
„Jeder Mensch<br />
hinterlässt Spuren und<br />
soll in Erinnerung bleiben“,<br />
so Sozialarbeiter<br />
Stephan Karrenbauer,<br />
der die Idee für den<br />
Gedenkbaum hatte.<br />
Manshardtstraße 200<br />
(November–März,<br />
8–18 Uhr, vom Trauerraum<br />
Nord ca. 100 Meter<br />
geradeaus, dann links, in<br />
der Kurve steht die Birke.<br />
6. Unser Gedenkbaum auf<br />
dem Öjendorfer Friedhof<br />
erinnert an die verstorbenen<br />
Hinz&Künztler.<br />
5. Stille Oase in der Unterführung des hektischen<br />
Hauptbahnhofs: der Raum der Stille.<br />
Hinter dem Museum für Völkerkunde liegt das<br />
chinesische Teehaus Yu Garden. Von außen:<br />
imposante asiatische Architektur mit Türmchen,<br />
Statuen und Wasserspielen. Von innen:<br />
Veranstaltungs- und Tagungsort und Sitz des<br />
Konfuzius-Instituts der Uni Hamburg. Regelmäßig<br />
kann man hier an Teezeremonien teilnehmen<br />
und sich in das Geheimnis chinesischer Teekunst einführen<br />
lassen. Zudem gibt es kostenlose Kurse zu traditioneller<br />
Kalligrafie und chinesischer Musik.<br />
Yu Garden, Feldbrunnenstraße 67, www.ki-hh.de<br />
Begeben Sie sich auf den Weg der inneren Einkehr<br />
mit einer traditionell tibetisch-buddhistischen<br />
Meditation: „Das ist ein sehr wirksames Mittel, um<br />
positive Emotionen zu stärken und Achtsamkeit, Konzentration,<br />
Mitgefühl und Einsicht zu entwickeln“, so der Meditationslehrer<br />
Oliver Petersen (siehe Seite 11). Das Tibetische Zentrum<br />
steht unter Schirmherrschaft des Dalai Lama und bietet<br />
regelmäßig kostenlose Einführungen in die Meditation an.<br />
Tibetisches Zentrum, Hermann-Balk-Straße 106, www.tibet.de<br />
auf der Reeperbahn befindet sich ein<br />
stilles Örtchen der ganz besonderen Art: Die<br />
Damen- und Herrentoiletten im Arcotel Onyx<br />
9.Mitten<br />
wurden 2013 zum „schönsten stillen Örtchen“<br />
gekürt: mit Wandmalereien und per Hand eingefassten Mosaiksteinchen<br />
– austreten in eleganter Form. Rein kommt aber<br />
jeder. Einfach an der Rezeption nach dem Weg fragen!<br />
Arcotel, Reeperbahn 1, geöffnet 24 Stunden, kostenlos •<br />
9. Ausgezeichnet:<br />
das stille Örtchen im<br />
Arcotel Onyx auf<br />
der Reeperbahn.<br />
7. Im Teehaus Yu Garden<br />
gibt es Kurse zu chinesischen<br />
Teezeremonien,<br />
Kalligrafie und Musik.<br />
14
Die neue Ausgabe: Jetzt am Bahnhofskiosk, auf<br />
greenpeace-magazin.de oder telefonisch unter<br />
040 / 808 12 80 - 80. Auch im günstigen Jahresabo<br />
für nur 33,50 Euro mit exklusiven Prämien.<br />
Illustration: Heiner H. Hoier<br />
/ GELD SPEZIAL Kann und darf Geld wirklich alles? Wir zeigen<br />
neue Wege, seltsame Blüten und unschätzbare Werte / PLUS Klima-Plakat
Rubrik<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>274</strong>/ DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
ICH STEH<br />
NOCH LEER!<br />
Hamburg hat das schärfste Wohnraumschutzgesetz Deutschlands.<br />
Trotzdem duldet die Stadt weiterhin massenhaften Leerstand.<br />
TEXT UND FOTOS: ULRICH JONAS, JONAS FÜLLNER<br />
16
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Die drei Villen befinden<br />
sich in bester Lage unweit<br />
der Alster. Offensichtlich<br />
stehen sie schon<br />
länger leer. Wild wuchert<br />
das Grün in den Gärten. Die Häuser<br />
aber scheinen gut in Schuss, hier könnten<br />
sicher einige Flüchtlingsfamilien und<br />
Obdachlose ein Zuhause auf Zeit finden.<br />
Nachfrage beim zuständigen Bezirk<br />
Nord: Was ist hier los? Die Leerstände<br />
sind dem Amt seit fast zwei Jahren bekannt,<br />
erklärt eine Sprecherin. Angeblich<br />
sollen die Häuser saniert werden. Entsprechende<br />
Bauanträge lägen vor oder<br />
würden „zeitnah erwartet“. Die wiederholte<br />
Nachfrage, wann die Anträge gestellt<br />
wurden und über sie entschieden<br />
wird, beantwortet die Sprecherin nicht.<br />
Theoretisch geht kein Bundesland so<br />
entschlossen gegen Wohnungsleerstand<br />
vor wie Hamburg. Seit der Verschärfung<br />
des entsprechenden Gesetzes im Juni<br />
2013 sind Eigentümer verpflichtet, Leerstände<br />
von mehr als drei Monaten den<br />
Behörden zu melden. Haben sie für länger<br />
andauernden Leerstand keine guten<br />
Gründe, können die Ämter sogar Geldbußen<br />
verhängen. Das Problem ist nur:<br />
Sie machen das fast nie. 687-mal haben<br />
die Behörden in den vergangenen zwei<br />
Jahren wegen Leerstand gegen Privateigentümer<br />
ermittelt, teilte der Senat kürzlich<br />
mit. In gerade mal sieben Fällen seien<br />
Bußgelder verhängt worden.<br />
Selbst die Stadt und ihre Wohnungsgesellschaft<br />
Saga GWG lassen Häuser<br />
verrotten, anstatt sie zu vermieten. In<br />
Neuenfelde stehen seit vielen Jahren<br />
rund 50 Häuser leer, die die Stadt einst<br />
gekauft hatte, um Klagen gegen die Airbus-Erweiterung<br />
zu verhindern. Kürzlich<br />
sind sie in den Besitz von Saga<br />
Hier könnten Menschen wohnen (von oben<br />
nach unten): eines von rund 50 leer stehenden<br />
Häusern in NEUENFELDE; Bürogebäude<br />
An der Alster 17, Wohnungen am Biedermannplatz<br />
13, Häuser Susannenstraße 6,<br />
Fährhausstraße 14, Breite Straße 114–116<br />
und das „Geisterhaus“ am Schulterblatt 68.<br />
GWG übergegangen. 20 Häuser sollen<br />
Neubauten weichen, 29 modernisiert<br />
werden. Nur: Wann geschieht endlich<br />
etwas? „Mit der Sanierung wird begonnen,<br />
wenn das Gesamtkonzept Neuenfelde<br />
mit dem Bezirk Harburg abgestimmt<br />
worden ist“, so Saga GWG auf<br />
Nachfrage. Kürzlich haben Anwohner<br />
vorgeschlagen, in den leer stehenden<br />
Häusern Flüchtlinge unterzubringen,<br />
statt sie abseits des Dorfes in eine neue<br />
Containersiedlung zu pferchen. Eine gute<br />
Idee, die zu einer zentralen Frage<br />
Hochrechnungen<br />
zufolge stehen in<br />
Hamburg 5000<br />
Wohnungen leer.<br />
führt: Warum kümmert sich die Stadt<br />
nicht viel mehr darum, auch kleinere<br />
Leerstände sinnvoll zu nutzen?<br />
Hochrechnungen zufolge stehen in<br />
Hamburg rund 5000 Wohnungen leer.<br />
Allein bei Saga GWG waren es im Juli<br />
1321, so der Senat auf Bürgerschaftsanfrage.<br />
Diese Zahl habe sich „nicht maßgeblich<br />
verändert“, erklärt Saga GWG<br />
auf Nachfrage von Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Das<br />
muss nicht sein, wie selbst der städtische<br />
Vermieter indirekt einräumt: „Ganz aktuell<br />
befinden wir uns in Abstimmung<br />
mit den zuständigen Behörden und werden<br />
diesen eine namhafte Zahl leer stehender<br />
Wohnungen melden, von denen<br />
wir uns vorstellen können, dass sie zwischengenutzt<br />
werden können.“<br />
Im Fall der Denickestraße in Heimfeld<br />
klappte diese Abstimmung offenbar<br />
nicht: Mindestens 70 Wohnungen standen<br />
hier im Sommer leer, Saga GWG<br />
plant kommendes Jahr einen Neubau.<br />
Als die Linksfraktion anregte, dort über<br />
die Wintermonate Flüchtlinge unterzubringen,<br />
entschloss sich das städtische<br />
Unternehmen zur Flucht nach vorn und<br />
17<br />
begann mit Abriss und Entkernung.<br />
Dazu Die Linke: „Das wäre eine gute<br />
Gelegenheit gewesen, einige Hundert<br />
Menschen davor bewahren zu können,<br />
den Winter in schlecht beheizbaren<br />
Zelten oder leer stehenden Baumärkten<br />
zu verbringen.“<br />
Wie sehr das Machbare vom politischen<br />
Willen abhängt, zeigt der geänderte<br />
Umgang der Stadt mit leer stehendem<br />
Gewerberaum. Jahrelang hatte<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> vergeblich gefordert, Bürogebäude<br />
umzubauen und für die Unterbringung<br />
von Obdachlosen zu nutzen.<br />
Zu teuer, nicht möglich, wegen des mangelnden<br />
Brandschutzes zu gefährlich: Es<br />
gab immer eine Ausrede. Nun ist vieles<br />
anders. Kürzlich erst hat die Stadt das<br />
ehemalige Verlagsgebäude der „Gala“<br />
angemietet, um dort Obdachlose im<br />
Winternotprogramm unterzubringen.<br />
Die Kosten des Umbaus habe der Eigentümer<br />
getragen, erklärte die Sozialbehörde<br />
auf Nachfrage. Solche für den<br />
Brandschutz notwendigen Baumaßnahmen<br />
müssen nicht einmal lange auf sich<br />
warten lassen. Das hat der Kirchenkreis<br />
Hamburg-Ost gerade unter Beweis gestellt.<br />
Innerhalb von zwei Wochen wandelte<br />
er ein seit Jahren leer stehendes<br />
Verwaltungsgebäude in eine Notunterkunft<br />
für 200 Flüchtlinge um.<br />
Nach einer Gesetzesänderung beschlagnahmte<br />
die Stadt eine Tennishalle,<br />
um dort Flüchtlinge unterzubringen.<br />
Auch mit privatem Wohnraum könnte<br />
sie das machen. Engagierte Bürger haben<br />
bereits geeignete Immobilien vorgeschlagen,<br />
zum Beispiel das sogenannte<br />
Geisterhaus am Schulterblatt. Seit Jahren<br />
macht der Eigentümer keine Anstalten,<br />
den prachtvollen Eckhaus-Neubau<br />
im Gründerzeit-Look vollständig zu vermieten.<br />
Eine Beschlagnahme wäre in<br />
diesem Fall tatsächlich eine hübsche Alternative.<br />
Denn die Ämter finden – so<br />
haben sie selbst schon eingeräumt – kein<br />
Mittel, den Leerstand zu beenden. •<br />
Leerstand muss nicht sein. Geeignete Häuser<br />
präsentieren wir in unserem Leerstands-<br />
Adventskalender unter www.hinzundkunzt.de
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>274</strong>/ DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
„Ich möchte etwas Vernünftiges<br />
machen“, sagt Konrad Greven-<br />
kamp über seine Motivation,<br />
sanierte Altbauten GÜNSTIG an<br />
Wohngemeinschaften zu vermieten.<br />
Investor mit Herz<br />
Konrad Grevenkamp verwandelt leer stehende Häuser in Mieter-Paradiese.<br />
Wie macht er das? Und warum?<br />
INTERVIEW: ULRICH JONAS/JONAS FÜLLNER<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Herr Grevenkamp, Sie kaufen<br />
alte, meist leer stehende Häuser, sanieren<br />
und vermieten sie an Wohngemeinschaften.<br />
Machen Sie das aus Nächstenliebe oder weil<br />
sie damit Geld verdienen wollen?<br />
KONRAD GREVENKAMP: Beides trifft zu. Ich<br />
möchte etwas Vernünftiges machen,<br />
aber es muss sich auch rechnen.<br />
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?<br />
Ich hatte schon immer ein Faible für<br />
Wohngemeinschaften, habe selbst Jahrzehnte<br />
in solchen gelebt. Vor zehn Jahren<br />
hatte ich Geld angespart und wollte<br />
das in Immobilien anlegen. Schon damals<br />
fand ich bestimmte Gegenden in<br />
Hamburg viel zu teuer. Deshalb habe<br />
18<br />
ich in Wilhelmsburg gesucht. Eines Tages<br />
entdeckte ich eine schöne Stadtvilla,<br />
die längere Zeit leer stand und bei der<br />
klar war, dass sie saniert werden muss.<br />
Warum stand diese Immobilie leer?<br />
Die Firma, die das Haus zuletzt als Büro<br />
genutzt hatte, war pleitegegangen. Der
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
vorherige Eigentümer hatte das Haus<br />
bei einer Zwangsversteigerung erworben,<br />
wusste aber nicht recht, was er damit<br />
machen sollte. Das war mein Glück,<br />
denn so ist er mit seinen Preisvorstellungen<br />
deutlich runtergegangen.<br />
Und was geschah, nachdem Sie das<br />
Haus gekauft hatten?<br />
Mein Konzept ist immer, dass ich mir<br />
Mieter suche, bevor ich saniere. So kann<br />
ich mit den künftigen Bewohnern absprechen,<br />
wie das Haus gestaltet werden<br />
soll. Heute leben dort 20 Menschen in<br />
drei Wohngemeinschaften zusammen.<br />
Bei Ihrem aktuellen Projekt, einem Mehrfamilienhaus<br />
mit 1200 Quadratmeter Wohnfläche,<br />
stecken Sie 1,7 Millionen Euro in die Sanierung.<br />
Wieso rechnet sich das trotzdem für Sie?<br />
Zum einen, weil die Immobilie attraktiv<br />
ist. Für die werde ich immer Mieter finden.<br />
Zum anderen, weil wir auf Fördermittel<br />
zurückgreifen. Wir schaffen<br />
Wohnraum für 40 Menschen mit geringem<br />
Einkommen, mit Mieten von sieben<br />
Euro den Quadratmeter. 287.000 Euro<br />
bekommen wir deshalb als Zuschuss in<br />
einem Zeitraum von zehn Jahren. Und<br />
hoffentlich auch ein zinsgünstiges Darlehen<br />
für die energetische Modernisierung.<br />
Was haben Sie für dieses Haus bezahlt?<br />
Das fällt unter Geschäftsgeheimnisse. Ich<br />
kann Ihnen aber sagen, dass ich vor zehn<br />
Jahren nur die Hälfte bezahlt hätte.<br />
Stadtgespräch<br />
Was zahlen Ihre Mieter?<br />
260 bis 300 Euro pro WG-Zimmer, je<br />
nach Größe, inklusive Betriebskosten<br />
und Heizung. Das ist nicht viel. Andere<br />
Investoren ziehen Apartments für Studenten<br />
hoch und verlangen das Doppelte.<br />
Und meine Miete steigt immer nur in<br />
dem Maße, wie die Verbraucherpreise<br />
steigen. Damit fahren die Mieter in diesen<br />
Zeiten sehr gut. Man muss sehen:<br />
Meine Häuser sind meist Altbauten. Sie<br />
haben Charme, aber es ist halt nicht alles<br />
neu. Das Haus zum Beispiel, das wir<br />
derzeit sanieren, ist etwas abgesackt.<br />
Das bedeutet: Die Fußböden werden<br />
etwas schräg bleiben.<br />
In Hamburg stehen eine Menge Wohnhäuser<br />
und Büros leer. Verdienen die Eigentümer auf<br />
diese Weise Geld?<br />
Mit Leerstand kann man fast nie Geld<br />
verdienen, weil das totes Kapital ist. Außer<br />
man setzt darauf, dass man die Immobilie<br />
in ein paar Jahren besser verwerten<br />
kann. Dann lässt man die Fenster<br />
offenstehen, damit das Haus immer<br />
mehr vergammelt und irgendwann in<br />
einem Zustand ist, in dem man es abreißen<br />
darf und auf dem Grundstück<br />
mit einem Neubau mehr Quadratmeter<br />
realisieren kann – also auch mehr<br />
Mieteinnahmen.<br />
Sie selbst planen derzeit ebenfalls einen<br />
Neubau, auf dem Gelände des ehemaligen<br />
Rialto-Kinos ...<br />
Ja. Eine Sanierung machte keinen Sinn.<br />
Wir müssen das Gebäude leider abreißen<br />
und neu bauen. Auch hier werden<br />
Menschen in Gemeinschaften zusammenleben,<br />
ein Teil wird sicher geförderter<br />
Wohnraum. Wir sind derzeit auf der<br />
Suche nach einer Wohngruppe. Ob die<br />
das Haus später mieten oder kaufen,<br />
wird sich zeigen. Ich bin offen für alles.<br />
<br />
<br />
Träume<br />
<br />
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<br />
<br />
Inzwischen haben Sie mehrere leer stehende<br />
Gründerzeithäuser saniert und vermietet.<br />
Warum folgen andere Investoren<br />
nicht Ihrem Vorbild?<br />
Sicherlich haben andere höhere Renditeerwartungen.<br />
Und ich kann die Prozesse<br />
sehr schlank halten, weil ich ein eigenes<br />
Bauunternehmen habe.<br />
Es gibt viele sozial engagierte Menschen<br />
mit Vermögen, die gerne sinnvoll investieren<br />
möchten. Können die Ihrem Beispiel folgen?<br />
Man kann das nicht ohne Erfahrung<br />
machen. Aber ich berate gerne andere<br />
oder mache etwas mit ihnen gemeinsam,<br />
wenn es passt. •<br />
Konrad Grevenkamp, 60, ist gelernter<br />
Diplom-Psychologe. Nach dem Studium<br />
baute er mit Freunden einen alten Bauernhof<br />
zu einer Bildungs- und Tagungsstätte um.<br />
Später arbeitete er als Geschäftsführer der<br />
„taz Hamburg“ und des „Bergedorfer Impuls“,<br />
eine Einrichtung, die psychisch kranke<br />
Menschen in den Arbeitsmarkt integriert.<br />
Seine Firma „impuls 21 Baugesellschaft“<br />
beschäftigt zehn Mitarbeiter.<br />
19
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>274</strong>/ DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
Meldungen (2)<br />
Politik & Soziales<br />
Weiterhin kein echtes Sozialticket in Hamburg<br />
Hilfeempfänger in Hamburg werden auch künftig Probleme haben, ihre Fahrt mit<br />
Bus und Bahn zu bezahlen. Im Hartz-IV-Regelsatz sind 25 Euro monatlich für Mobilität<br />
vorgesehen. Eine HVV-Monatskarte für zwei Zonen kostet aber 64,20 Euro,<br />
und die Stadt schießt monatlich nur 20 Euro hinzu. Ein „echtes Sozialticket“,<br />
also eine Monatskarte für 25 Euro, fordert die Linksfraktion, scheiterte damit aber<br />
in der Bürgerschaft. Stattdessen steigt der Zuschuss der Stadt künftig analog zu den<br />
CC-Monatskarten-Preisen – 2016 also um 37 Cent (1,7 Prozent). UJO<br />
•<br />
Fachtagung „Stadt des Ankommens“<br />
Obwohl Anwohner per Klage einen Baustopp erreichten,<br />
bekommt Klein Borstel eine Flüchtlingsunterkunft. Denn der<br />
Bezirk umgeht die Klage mit einem neuen Bebauungsplan. Die<br />
Kläger waren nicht per se gegen eine Unterkunft. Sie kritisieren<br />
das Verhältnis von rund 700 Flüchtlingen zu den 800 unmittelbaren<br />
Nachbarn. Mit ihrer Haltung stehen sie offenbar<br />
auf verlorenem Posten. Nur wenige Tage nach dem Baustopp<br />
demonstrieren 800 Jugendliche und Erwachsene für die<br />
Unterkunft. Spätestens im Herbst 2016 soll jetzt der Bau<br />
beginnen. Aber nicht nur in Klein Borstel, auch in anderen<br />
Stadtteilen rumort es. Wie also lässt sich das Zusammenleben<br />
in Hamburg gestalten? Dieser Frage gehen Stadtteil- und<br />
Flüchtlings aktivisten bei einer Fachtagung am 11. <strong>Dezember</strong><br />
von 14.30 bis 19.30 Uhr an der Hochschule für Angewandte<br />
Wissenschaften in der Alexanderstraße 1 nach. JOF<br />
•<br />
Mehr Infos im Internet: www.huklink.de/stadtdesankommens<br />
Personalrat hält Asylverfahren für rechtswidrig<br />
Mit einem Brandbrief wendet sich der Personalrat des Bundesamtes<br />
für Migration an Behördenleiter Frank-Jürgen Weise.<br />
Die Mitarbeiter warnen darin vor einer Abkehr von rechtsstaatlichen<br />
Prinzipien in den beschleunigten Asylverfahren.<br />
Menschen aus Syrien und Eritrea würde der Flüchtlingsstatus<br />
ohne Identitätsüberprüfung zugesprochen. Die Entscheidungen<br />
über die Verfahren würden zudem von nicht ausreichend<br />
qualifiziertem Personal durchgeführt. So erfolge die Prüfung<br />
des Asylgesuchs inzwischen durch Dolmetscher. JOF<br />
•<br />
Hartz-IV-Sanktionen werden nicht gelockert<br />
Junge Hilfeempfänger werden weiter extra hart bestraft, wenn<br />
sie nicht mit dem Jobcenter zusammenarbeiten. Das geht aus<br />
einem Referentenentwurf des Arbeitsministeriums hervor.<br />
Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte angekündigt,<br />
die Sanktionen entschärfen zu wollen. Bei unter 25-Jährigen<br />
dürfen Jobcenter schon beim ersten Regelverstoß die staatliche<br />
Hilfe für drei Monate komplett kappen. Rund jede zweite<br />
Sanktion wird von Sozialgerichten einkassiert. UJO<br />
•<br />
Friedhof: Namen statt Nummern<br />
Ein neu gestaltetes Gräberfeld auf dem<br />
Öjendorfer Friedhof erinnert künftig an<br />
Verstorbene ohne Angehörige. Gab es<br />
bislang nur Kreuze mit Nummern, sind<br />
nun die Namen sowie das Geburts- und<br />
Todesdatum der Verstorbenen zu sehen.<br />
Auf dem Öjendorfer Friedhof erinnert<br />
bereits der Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Gedenkbaum<br />
an verstorbene Verkäufer. „Jeder<br />
Mensch hinterlässt Spuren und soll in<br />
Erinnerung bleiben“, so H&K-Sozialarbeiter<br />
Stephan Karrenbauer. SIM<br />
•<br />
Dr. Wilhelm Mecklenburg &<br />
Ralf Wassermann<br />
Rechtsanwälte in Bürogemeinschaft<br />
Wir wünschen den Lesern von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
ein frohes Weihnachtsfest!<br />
Hätschenkamp 7 · 25421 Pinneberg<br />
www.wmecklenburg.de · www.rechtsanwalt-wassermann.de<br />
Telefon: 04101 / 78 03 25 oder 78 03 27
Grußwort des Bundespräsidenten<br />
Was Joachim Gauck<br />
Menschen<br />
in Not wünscht<br />
„Die Welt scheint aus den Fugen geraten. Die<br />
Krisen in der Welt erschrecken uns alle, und<br />
auch wir spüren ihre Auswirkungen. Deutschland<br />
ist ein Ort der Zuflucht geworden“,<br />
schreibt Bundespräsident Joachim Gauck in<br />
seinem Weihnachts-Gruß für die Straßenmagazine.<br />
„Ein Land, in dem viele Menschen<br />
Schutz vor Unterdrückung und Krieg in ihrer<br />
Heimat suchen. Und in diesen Tagen erinnert<br />
uns die biblische Weihnachtsgeschichte besonders<br />
daran, wie Mitmenschlichkeit möglich<br />
wird: indem wir unser Herz öffnen. Wir wollen<br />
dies auch weiterhin für alle tun, die in Not<br />
sind. Und so dürfen wir in diesen bewegten<br />
Zeiten nicht vergessen, dass auch in unseren<br />
Städten und Dörfern Leben aus den Fugen geraten<br />
(…).<br />
Wer ohne Obdach ist, der hat oftmals<br />
Schicksalsschläge erlitten, die ihn aus der Bahn<br />
geworfen haben. Doch meistens hat dieser<br />
Mensch noch viel mehr als nur seine Wohnung<br />
verloren – manche finden sich in der Welt einfach<br />
nicht mehr zurecht. Sie begegnen staatlichen<br />
Institutionen mit Distanz und Skepsis.<br />
Täglich eine Straßenzeitung zu verkaufen,<br />
kann der erste Schritt auf dem Weg aus der<br />
Obdachlosigkeit sein. Denn so kehren wieder<br />
Regelmäßigkeit und auch manches Erfolgserlebnis<br />
in den Alltag zurück. Der Einzelne beginnt,<br />
sein Leben wieder in die Hand zu<br />
nehmen.<br />
Ohne diesen Willen und dieses „Wollen“<br />
des Betroffenen geht es nicht. Und doch ist es<br />
zugleich eine gesellschaftliche Verpflichtung,<br />
die Schwächsten zu unterstützen. Ich danke<br />
den vielen Ehrenamtlichen in unserem Land,<br />
die sich für Menschen einsetzen, die in Armut<br />
und ohne Wohnung leben. Ohne die sozial Engagierten<br />
wäre ein so breites Hilfeangebot<br />
nicht denkbar – die Suppenküchen, die Nachtcafés<br />
und Notunterkünfte. (…)<br />
Auch mit dem Kauf einer Straßenzeitung<br />
unterstützen Sie, liebe Leserinnen und Leser,<br />
die zahlreichen Projekte, die sich um in Not geratene<br />
Menschen kümmern. Jeder Kauf einer<br />
Straßenzeitung ist ein Stück gelebter Solidarität.<br />
Selbst wenn wir uns einmal nicht zum<br />
Kauf entscheiden können – ein freundlicher<br />
Blick oder ein aufmunterndes Wort für jenen,<br />
der die Zeitung an der Straßenecke oder in der<br />
U-Bahn verkauft, machen dessen Alltag ein<br />
wenig heller.“ BIM<br />
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Seit dem 13. März 2013 ist Papst<br />
Franziskus das OBERHAUPT<br />
von rund 1,2 Milliarden Katholiken.<br />
Der 78-jährige Argentinier liebt direkte<br />
Begegnungen mit Menschen – womit<br />
er seine Sicherheitsleute regelmäßig<br />
zur Verzweiflung treiben soll.
Stadtgespräch<br />
„Ich vermisse<br />
die Straße“<br />
Er gilt als Fürsprecher der Armen:<br />
Papst Franziskus. Umso schöner<br />
ist es, dass das niederländische<br />
Straßenmagazin „Straatnieuws“ ein<br />
Interview mit ihm führen konnte.<br />
Ein Gespräch über Franziskus’ Kindheit,<br />
sein Leben als Papst, den Reich-<br />
tum der Kirche und die Pflicht, soziale<br />
Missstände anzuprangern.<br />
TEXT: STIJN FENS, JAN-WILLEM WITS<br />
FOTOS: FRANK DRIES, STRAATNIEUWS / INSP<br />
Es ist noch früh, als wir vor dem Dienstboteneingang<br />
des Vatikans links vom<br />
Petersdom eintreffen. Die Schweizergarde<br />
war über unsere Ankunft in Kenntnis<br />
gesetzt worden und lässt uns durch. Wir steuern<br />
auf das Domus Sanctae Marthae zu, in<br />
dem Papst Franziskus wohnt. Das Haus der<br />
heiligen Martha ist aller Wahrscheinlichkeit<br />
nach das außergewöhnlichste Drei-Sterne-<br />
Hotel der Welt. Das große weiße Gebäude, in<br />
dem Kardinäle und Bischöfe residieren, während<br />
sie im Vatikan ihren Dienst leisten oder<br />
ihn besuchen, ist auch die offizielle Residenz<br />
der Kardinäle während des Konklaves.<br />
Hier werden wir ebenfalls erwartet. Wie<br />
in jedem anderen Hotel stehen hinter der Rezeption<br />
zwei Damen, die uns auf eine Nebentür<br />
verweisen. Der Versammlungsraum ist<br />
schon vorbereitet. Dieser Raum, der dem<br />
Papst unter der Woche als Konferenzraum<br />
dient, ist ziemlich groß und mit Schreibtisch,<br />
Sofa, Tischen und Stühlen ausgestattet. Dann<br />
beginnt das Warten. Marc, der Straatnieuws-<br />
Verkäufer, hat von uns allen die meiste Geduld.<br />
Er wartet ruhig auf seinem Stuhl darauf,<br />
was als Nächstes kommt.<br />
Und ehe wir uns versehen, betritt er den<br />
Raum: Papst Franziskus, das geistliche Oberhaupt<br />
von 1,2 Milliarden Katholiken. Er trägt<br />
einen großen weißen Briefumschlag. „Bitte<br />
setzen Sie sich, Freunde“, sagt er mit einem<br />
leichten Handwink. „Wie schön, dass Sie hier<br />
sind.“ Aus der Nähe vermittelt er den Eindruck<br />
eines ruhigen, freundlichen Mannes,<br />
der sowohl energisch als auch präzise ist.<br />
Nachdem er sich niedergelassen hat, entschuldigt<br />
er sich dafür, dass er Italienisch statt<br />
Niederländisch spricht. Wir nehmen seine<br />
Entschuldigung sofort an.<br />
Straatnieuws: Interviews beginnen immer mit<br />
einer Frage zu der Straße, in der der Interviewte<br />
aufgewachsen ist. Heiliger Vater, welche<br />
Erinnerungen weckt Ihre Straße in Ihnen?<br />
Welche Bilder kommen Ihnen in den Sinn, wenn<br />
Sie sich an die Straßen Ihrer Kindheit erinnern?<br />
PAPST FRANZISKUS: Von meinem ersten Lebensjahr<br />
bis zu meinem Eintritt ins Seminar habe<br />
23
Stadtgespräch<br />
ich immer in derselben Straße gelebt. Es war eine einfache<br />
Gegend in Buenos Aires, mit ein- und zweistöckigen Häusern.<br />
Es gab einen kleinen Platz, auf dem wir Fußball spielten. Ich<br />
erinnere mich daran, wie ich mich früher aus dem Haus<br />
schlich, um nach der Schule mit den Jungs Fußball zu<br />
spielen.<br />
Mein Vater arbeitete in einer Fabrik, die nur ein paar<br />
Hundert Meter weit weg war. Er war Buchhalter. Und meine<br />
Großeltern lebten nur 50 Meter entfernt. Wir lebten alle nur<br />
ein paar Schritte voneinander weg. Ich erinnere mich auch an<br />
die Namen der Menschen, denen ich als Priester das Sakrament<br />
erteilte, weil ich sie liebte. Für so viele, die nach mir verlangten<br />
und die ich besuchte, stellte es den letzten Trost dar.<br />
Diese Erinnerungen fallen mir zuerst ein.<br />
Waren Sie gut im Fußball?<br />
Nein. Wenn man in Buenos Aires so Fußball spielt wie ich,<br />
wird man als „pata dura“ bezeichnet. Das bedeutet, man hat<br />
zwei linke Füße! Ich hab trotzdem gespielt, oft als Torwart.<br />
Wie haben Sie angefangen, sich persönlich für die Armen zu engagieren?<br />
Es gibt so vieles, woran ich mich erinnere, bespielsweise an eine<br />
Frau, die dreimal die Woche bei uns zu Hause gearbeitet<br />
hat, um meiner Mutter zum Beispiel mit der Wäsche zu helfen.<br />
Sie hatte zwei Kinder. Die Familie stammte aus Italien<br />
und hatte den Krieg überlebt. Die Leute waren sehr arm,<br />
aber sie waren sehr gute Menschen. Ich habe diese Frau nie<br />
vergessen. Ihre Armut hat mich bewegt.<br />
Wir waren auch nicht reich, normalerweise reichte es bis<br />
zum Monatsende, aber nicht viel weiter. Wir hatten kein Auto,<br />
fuhren nicht in den Urlaub oder dergleichen. Aber diese Frau<br />
benötigte oft ganz grundlegende Dinge. Sie hatte nicht genug,<br />
daher gab meine Mutter ihr etwas. Irgendwann ging sie<br />
zurück nach Italien und kehrte später wieder nach Argentinien<br />
zurück. Ich traf sie wieder, als ich Erzbischof von Buenos<br />
Aires und sie bereits 90 Jahre alt war. Ich stand ihr bis zu<br />
ihrem Tod im Alter von 93 Jahren bei.<br />
Eines Tages gab sie mir eine Medaille des Heiligsten Herz<br />
Jesu, die ich immer noch jeden Tag bei mir trage. Diese<br />
Medaille, die auch ein Andenken ist, ist mir sehr wichtig.<br />
Möchten Sie sie sehen?<br />
(Etwas mühsam zieht Papst Franziskus die Medaille hervor, die nach<br />
jahrelangem Tragen komplett verblasst ist.)<br />
Auf diese Weise denke ich jeden Tag an sie und daran, wie<br />
sehr sie unter ihrer Armut gelitten hat. Und ich denke an all<br />
die anderen, die leiden. Ich trage die Medaille und verwende<br />
sie, wenn ich bete …<br />
Welche Botschaft hat die Kirche für Obdachlose?<br />
Was bedeutet christlicher Zusammenhalt konkret für Sie?<br />
Ich denke da an zwei Dinge. Jesus kam ohne ein Zuhause auf<br />
die Welt und wählte die Armut. Die Kirche versucht, uns alle<br />
zu vereinen, und sagt, jeder habe das Recht auf ein Dach<br />
über dem Kopf. Populäre Bewegungen arbeiten auf die drei<br />
spanischen Ts hin: trabajo (Arbei), techo (Dach) und tierra<br />
(Land). Die Kirche lehrt, dass jeder Mensch ein Recht auf<br />
diese drei Ts hat.<br />
Sie haben oft erhöhte Aufmerksamkeit für Arme und Flüchtlinge gefordert.<br />
Befürchten Sie nicht, dass dies zu einer Art Informationsüberflutung<br />
in den Medien und generell in unserer Gesellschaft führen könnte?<br />
Wenn wir uns mit einem Thema befassen müssen, das nicht<br />
angenehm ist und über das zu sprechen nicht leicht fällt, unterliegen<br />
wir alle der Versuchung zu sagen: „Ach, lass uns<br />
nicht mehr darüber sprechen, es ist einfach zu schwierig.“<br />
Ich verstehe, dass die Möglichkeit der Informationsüberflu-<br />
24
tung besteht, aber davor habe ich keine Angst. Ich muss weiterhin<br />
über die Wahrheit sprechen und darüber, wie die Realität<br />
aussieht.<br />
Ist das Ihre Pflicht?<br />
Ja, das ist meine Pflicht. Ich spüre sie in mir. Es ist kein Gebot,<br />
aber als Menschen sollten wir alle so handeln.<br />
Befürchten Sie nicht, dass Ihre Unterstützung für Obdachlose und<br />
andere Gruppen, die von Armut betroffen sind, politisch ausgenutzt<br />
werden könnte? Wie kann die Kirche sich äußern, um Einfluss<br />
auszuüben und gleichzeitig dem politischen Schaukampf fernbleiben?<br />
An dieser Stelle gibt es Wege, die zu Fehlverhalten führen. Ich<br />
möchte auf zwei Versuchungen hinweisen. Die Kirche muss<br />
die Wahrheit sagen und zugleich Zeugnis ablegen: das Zeugnis<br />
der Armut. Wenn man als Gläubiger über Armut oder<br />
Obdachlose redet, selbst aber ein Leben im Luxus führt, ist<br />
das nicht genug. Das ist die erste Versuchung.<br />
Die zweite Versuchung besteht darin, Vereinbarungen<br />
mit Regierungen zu treffen. Sicherlich können Vereinbarungen<br />
getroffen werden, aber diese müssen klar und durchschaubar<br />
sein. Wir verwalten zum Beispiel dieses Gebäude,<br />
aber alle Konten werden genau überprüft, um Korruption zu<br />
verhindern. Denn die Versuchung der Korruption ist im<br />
öffentlichen Leben allgegenwärtig. Sowohl in der Politik als<br />
auch in der Religion.<br />
Ich erinnere mich an Folgendes: Als Argentinien unter<br />
der Militärherrschaft in den Falklandkrieg mit Großbritannien<br />
eintrat, spendeten die Menschen an wohltätige Organisationen.<br />
Mit großem Bedauern sah ich, dass viele, auch Katholiken,<br />
die für die Verteilung dieser Spenden an Bedürftige<br />
zuständig waren, diese stattdessen mit nach Hause nahmen.<br />
Die Gefahr der Korruption besteht immer. Einmal stellte ich<br />
einem argentinischen Minister eine Frage. Er war ein ehrlicher<br />
Mann, der von seinem Amt zurücktrat, weil er einigen<br />
Punkten nicht zustimmte, die nicht transparent genug waren.<br />
Ich fragte ihn also: „Wenn Sie Hilfe in Form von Mahlzeiten,<br />
Kleidung oder Spenden an die Armen und Bedürftigen schicken,<br />
wie viel von dem Geld und den Gütern kommt bei<br />
denen an, die sie benötigen?“ Er sagte: „35 Prozent.“ Was<br />
bedeutet, dass 65 Prozent verloren gehen. Das ist Korruption:<br />
ein bisschen für mich und noch ein bisschen für mich.<br />
Glauben Sie, dass Sie bisher unter Ihrem Pontifikat eine Veränderung<br />
der Mentalität erreichen konnten, zum Beispiel in der Politik?<br />
Ich bin mir nicht sicher, wie ich antworten soll. Ich weiß es<br />
nicht. Ich weiß, dass einige gesagt haben, ich sei ein Kommunist.<br />
Aber diese Kategorie ist ein bisschen veraltet (er lacht).<br />
Vielleicht drücken wir das heutzutage mit anderen Worten aus.<br />
Marxist, Sozialist …<br />
Diese Worte hat man auch verwendet …<br />
Obdachlose haben finanzielle Probleme, aber sie entwickeln ihre eigene<br />
Form von Freiheit. Der Papst hat keine materiellen Bedürfnisse, aber<br />
manche halten ihn für einen Gefangenen des Vatikans. Haben Sie sich<br />
schon einmal gewünscht, Sie könnten mit den Obdachlosen tauschen?<br />
Ich erinnere mich an Mark Twains Buch „Der Prinz und der<br />
Bettelknabe“. Jeden Tag Essen, Kleidung, ein Bett zum Schlafen,<br />
ein Schreibtisch, an dem man arbeiten kann, Freunde<br />
sind auch da – nichts fehlt. Aber Mark Twains Prinz lebt in<br />
einem goldenen Käfig.<br />
Fühlen Sie sich hier im Vatikan frei?<br />
Zwei Tage, nachdem ich zum Papst gewählt wurde, wollte ich<br />
das päpstliche Appartement im Apostolischen Palast bezie-<br />
25
Straatnieuws-Verkäufer Marc war zusammen mit zwei Redakteuren des UTRECHTER MAGAZINS<br />
zum Gespräch mit dem Papst angereist. Hier zeigt Marc dem Heiligen Vater einige Ausgaben.<br />
hen. Es ist kein luxuriöses Appartement. Aber es ist geräumig<br />
und groß … Nachdem ich mir das Appartement angeschaut<br />
hatte, erschien es mir ein bisschen wie ein umgekehrter<br />
Trichter; obwohl es so groß war, gab es nur eine kleine Tür.<br />
Das bedeutet Isolation. Ich dachte: Hier kann ich, einfach<br />
aus Gründen der psychischen Gesundheit, nicht wohnen. Das<br />
täte mir nicht gut.<br />
Anfangs erschien es ein bisschen komisch, aber ich bat<br />
darum, hier zu bleiben, im Domus Sanctae Marthae. Und das<br />
tut mir gut, denn hier fühle ich mich frei.<br />
Ich esse im Speisesaal, wo alle Gäste essen. Und wenn<br />
ich früh dran bin, speise ich mit dem Personal. Ich treffe<br />
Menschen und begrüße sie; dadurch fühlt sich der goldene<br />
Käfig ein bisschen weniger wie ein Käfig an. Aber ich vermisse<br />
die Straße.<br />
Heiliger Vater, Straatnieuws-Verkäufer Marc würde Sie gerne auf<br />
eine Pizza mit uns einladen. Was meinen Sie?<br />
Das würde ich gerne tun, aber es würde nicht funktionieren.<br />
Denn sobald ich hier weggehe, würden die Menschen zu mir<br />
kommen. Als ich in die Stadt ging, um meine Brillengläser<br />
austauschen zu lassen, war es sieben Uhr abends. Kaum jemand<br />
war auf der Straße. Man fuhr mich zum Optiker, und<br />
kaum stieg ich aus dem Auto, rief eine Frau, die mich sah:<br />
„Da ist der Papst!“ Und dann war ich drinnen, und all diese<br />
Menschen standen draußen …<br />
Vermissen Sie den Kontakt mit Menschen?<br />
Ich vermisse ihn nicht, weil die Menschen hierherkommen.<br />
Jeden Mittwoch bin ich für die Generalaudienz auf dem Petersplatz,<br />
und manchmal gehe ich zu einer der Ortsgemeinden<br />
– ich halte Kontakt zu den Menschen. Gestern (am 26.<br />
Oktober, Anm. der Redaktion) kamen zum Beispiel mehr als 5000<br />
Sinti und Roma zur Vatikanischen Audienzhalle.<br />
26<br />
Offensichtlich genießen Sie Ihre<br />
Termine auf dem Petersplatz während<br />
der Generalaudienz.<br />
Ja, das stimmt.<br />
Ihr Namenspatron, der heilige Franziskus,<br />
begab sich in radikale Armut und verkaufte<br />
sogar sein Evangeliar. Fühlen Sie sich als<br />
Papst und Bischof von Rom unter Druck<br />
gesetzt, die Schätze der Kirche zu verkaufen?<br />
Das ist eine einfache Frage. Das sind<br />
nicht die Schätze der Kirche, sondern<br />
vielmehr die Schätze der<br />
Menschheit. Wenn ich beispielsweise<br />
morgen Michelangelos Pietà versteigern<br />
wollte, könnte ich das nicht, weil<br />
sie nicht das Eigentum der Kirche ist.<br />
Sie befindet sich in einer Kirche, gehört<br />
aber der gesamten Menschheit.<br />
Das trifft auf alle Schätze der Kirche<br />
zu. Aber wir haben damit angefangen,<br />
die Geschenke und anderen<br />
Dinge, die mir gegeben werden, zu verkaufen. Und die Verkaufserlöse<br />
gehen an Monsignor Krajewski, meinen Almosenier<br />
(Erzbischof Konrad Krajewski, der für die Verteilung von Geldern<br />
an die Armen zuständig ist, Anm. der Redaktion). Und dann gibt es<br />
noch die Lotterie. Wir haben Autos über eine Lotterie verkauft<br />
beziehungsweise weggegeben, und der Erlös ging an die<br />
Armen. Was verkauft werden kann, wird verkauft.<br />
Ihnen ist bewusst, dass der Reichtum der Kirche diese<br />
Erwartungs haltung hervorrufen könnte?<br />
Ja. Wenn wir einen Katalog aller Besitztümer der Kirche erstellen<br />
würden, könnte man denken, dass die Kirche sehr<br />
reich ist. Aber mit dem Konkordat mit Italien 1929 zur Römischen<br />
Frage, bot die italienische Regierung der Kirche damals<br />
einen großen römischen Park an. Der damalige Papst, Pius<br />
XI., sagte: „Nein, ich will nur einen halben Quadratkilometer,<br />
um die Unabhängigkeit der Kirche zu wahren.“ Dieses<br />
Prinzip ist immer noch zutreffend.<br />
Ja, die Kirche besitzt ein großes Grundvermögen, aber<br />
das wird verwendet, um die Strukturen der Kirche aufrechtzuerhalten<br />
und die vielen Arbeiten in hilfsbedürftigen Ländern<br />
zu finanzieren: Krankenhäuser, Schulen.<br />
Gestern habe ich zum Beispiel veranlasst, dass 50.000 Euro<br />
in den Kongo gehen, um drei Schulen in armen Dörfern<br />
zu errichten. Bildung ist so wichtig für Kinder. Ich ging zur<br />
Verwaltung, stellte den Antrag, und das Geld wurde<br />
geschickt.<br />
Haben Sie vielleicht eine besondere Botschaft für die Obdachlosen<br />
unseres Landes?<br />
Ich kenne mich nicht gut mit der Situation der Obdachlosen<br />
in Holland aus. Ich möchte sagen, dass Holland ein Industriestaat<br />
ist, der eine Vielzahl von Möglichkeiten bietet. Ich bitte<br />
die Obdachlosen darum, weiter für die drei Ts zu kämpfen.
Stadtgespräch<br />
Abschließend hat auch Straatnieuws-Verkäufer Marc noch<br />
ein paar Fragen: Heiliger Vater, haben Sie schon als kleiner Junge<br />
davon geträumt, Papst zu sein?<br />
Nein. Aber ich werde Ihnen ein Geheimnis erzählen. Als ich<br />
klein war, gab es nicht viele Läden, die Waren verkauft haben.<br />
Wir hatten einen Markt, wo es einen Metzger, einen Gemüsehändler<br />
et cetera gab. Ich ging mit meiner Mutter und meiner<br />
Großmutter einkaufen. Einmal, als ich noch recht klein war,<br />
vielleicht vier, fragte mich jemand: „Was möchtest du werden,<br />
wenn du einmal groß bist?“ Und ich antwortete: „Metzger!“<br />
Vor dem 13. März 2013 waren Sie vielen völlig unbekannt.<br />
Dann wurden Sie von einem Tag auf den anderen weltberühmt.<br />
Wie war diese Erfahrung für Sie?<br />
Es geschah unerwartet. Aber ich habe meinen inneren Frieden<br />
nicht verloren. Und das ist eine Gnade Gottes. Ich denke nicht<br />
wirklich darüber nach, dass ich berühmt bin. Ich sage mir: Jetzt<br />
hast du eine wichtige Stellung, aber in zehn Jahren wird dich<br />
keiner mehr kennen (er lacht). Wissen Sie, es gibt zwei Arten von<br />
Ruhm: den Ruhm der „ganz Großen“, derjenigen, die wirklich<br />
große Taten vollbracht haben, wie zum Beispiel Madame<br />
Curie, und den Ruhm der Eitlen. Aber diese zweite Art von<br />
Ruhm ist wie eine Seifenblase.<br />
UNSERE<br />
GESCHENK-<br />
TIPPS<br />
Sie sagen sich also: „Ich bin jetzt hier und muss mein Bestes geben“<br />
und „Ich werde weitermachen, solange ich kann“?<br />
Ja.<br />
Heiliger Vater, können Sie sich eine Welt ohne Armut vorstellen?<br />
Ich möchte eine Welt ohne Armut. Dafür müssen wir kämpfen.<br />
Aber ich bin gläubig, und ich weiß, dass die Sünde immer in<br />
uns steckt. Und es gibt immer menschliche Habgier, fehlenden<br />
Zusammenhalt und Egoismus, die Armut verursachen. Daher<br />
fällt es mir schwer, mir eine Welt ohne Armut vorzustellen.<br />
Man denke nur an die Kinder, die als Sklaven oder für<br />
sexuellen Missbrauch ausgebeutet werden, oder an eine weitere<br />
Form der Ausbeutung, den Organhandel. Das Töten von<br />
Kindern, um deren Organe zu entfernen. Kinder zu töten,<br />
um deren Organe zu erhalten, ist Habgier.<br />
Daher weiß ich nicht, ob wir jemals in einer Welt ohne<br />
Armut leben werden, denn es gibt immer Sünde, und das führt<br />
zu Egoismus. Aber wir müssen immer kämpfen … immer.<br />
Wir danken dem Papst für das Interview. Er dankt uns auch<br />
und teilt uns mit, dass er unser Gespräch sehr genossen hat.<br />
Dann greift er nach dem weißen Umschlag, der schon die ganze<br />
Zeit auf dem Sofa neben ihm gelegen hat, und holt für jeden<br />
von uns einen Rosenkranz heraus. Fotos werden gemacht, und<br />
dann verabschiedet sich Papst Franziskus von uns. So ruhig<br />
und entspannt, wie er bei seiner Ankunft war, verlässt er nun<br />
den Raum. Bereit für seinen nächsten Termin. •<br />
Staatnieuws hat das Interview für das Internationale Netzwerk<br />
der Straßenzeitungen (INSP) geführt. Aus dem Pool an Beiträgen<br />
des INSP News Service dürfen sich die Mitglieder des Netzwerks<br />
honorarfrei bedienen – auch Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Infos unter: www.INSP.ngo<br />
Benefizkonzert für Hinz&<strong>Kunzt</strong>:<br />
Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys<br />
Best-of-Programm von Ulrich Tukur und Band am<br />
Dienstag, 26. Januar 2016 im St. Pauli Theater.<br />
Moderation: Judith Rakers. Preise: 19,90 – 79,90 Euro.<br />
Als Besonderheit bietet das St. Pauli Theater die<br />
Kartenkategorie „Meet & Greet“ an: Treffen Sie<br />
nach der Vorstellung die Künstler in der Theaterbar!<br />
Preis: 159,90 Euro. Kartenvorverkauf unter<br />
www.st-pauli-theater.de/karten.php oder über das<br />
Kartentelefon 040/47 11 06 66, sowie an allen<br />
bekannten Vorverkaufsstellen.<br />
Palazzo goes Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Palazzo, die Dinner-Show, schenkt Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
den Reinerlös der Vorstellung am Mittwoch, 17. Februar 2016.<br />
Ein 4-Gänge-Menü von Cornelia Poletto bietet Kulinarik auf<br />
höchstem Niveau. Genauso wie die Show mit internationalen<br />
Spitzenkünstlern und Artisten und Musikern.<br />
Preise: 59–129 Euro. Karten erhalten Sie bei der<br />
Palazzo-Tickethotline 018 06/38 88 83<br />
oder unter www.palazzo.org.<br />
27
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>274</strong>/ DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
„Wir bleiben<br />
unbeugsam human“<br />
Gebäude in den Farben<br />
FRANKREICHS<br />
erstrahlen zu lassen, wird<br />
auf Dauer nicht reichen.<br />
Nach den Terroranschlägen von Paris wollen wir noch einmal innehalten und<br />
Politiker und Kirchenvertreter zu Wort kommen lassen. Ihre Meinungen<br />
zeigen, dass wir in Zukunft noch mehr um Zusammenhalt ringen müsssen.<br />
TEXT: SIMONE DECKNER UND BIRGIT MÜLLER<br />
FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK<br />
Wir sind alle betroffen nach den Terroranschlägen<br />
von Paris – und doch ist jeder<br />
anders betroffen. Schon bei der<br />
Trauer-Kundgebung am 18. November<br />
auf dem Domplatz war zu spüren: Es<br />
gibt auch unter denen, die ihre Solidarität<br />
bekunden, Konflikte – und wir müssen<br />
in Zukunft noch mehr um Zusammenhalt<br />
ringen.<br />
Mustafa Yoldas, Vorsitzender der<br />
Schura und Vertreter von 46 Moscheegemeinden,<br />
erteilte in seiner Rede dem<br />
IS aus muslimischer Sicht eine deutliche<br />
Absage, hatte auch die Opfer jenseits<br />
von Europa im Blick und legte ein Bekenntnis<br />
zur offenen Gesellschaft ab.<br />
„Die überwältigende Mehrheit der<br />
Hamburger Muslime, ja, der deutschen<br />
Muslime, zieht es 100-mal mehr vor, in<br />
dieser bunten Gesellschaft mit Christen,<br />
Juden, Buddhisten, Hindus, Jeziden und<br />
Atheisten zusammenzuleben, als unter<br />
„Der IS ist eine<br />
anti-islamische,<br />
kriminelle Vereinigung.“<br />
MUSTAFA YOLDAS<br />
28<br />
dem höllischen Joch des anti-islamischen<br />
IS“, sagte Yoldas. „Wir dürfen<br />
nicht vergessen, dass die meisten Opfer<br />
des IS-Terrors Muslime sind. Davon<br />
zeugen auch die Tausende von syrischen<br />
Flüchtlinge, die zu uns kommen, weil sie<br />
– aufgerieben zwischen dem Terror des<br />
syrischen Regimes und des IS – fast alles<br />
verloren haben.“<br />
Der IS sei eine „zutiefst anti-islamische,<br />
kriminelle Bewegung. Der Islam<br />
erzieht den Menschen zu Frieden und<br />
Gerechtigkeit. Die Ideologie des IS ist<br />
das absolute Gegenteil davon. Der IS<br />
steht für Gewalt, Krieg, Hass und Blutvergießen.<br />
Der IS vergewaltigt die Leh-
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
HAMBURG<br />
MUSEUM<br />
„Es ist ein Krieg<br />
ohne Grenze,<br />
ein Krieg ohne<br />
Gnade.“ SERGE LAVROFF<br />
ren des Islam.“ Im Vorfeld hatte es allerdings<br />
gerade um Mustafa Yoldas<br />
Auseinandersetzungen gegeben.<br />
Die Jüdische Gemeinde und die<br />
Kurdische Gemeinde hatten ihre Teilnahme<br />
zurückgezogen, weil er sprechen<br />
würde. Hintergrund ist ein Aufruf zu<br />
der Demonstration „Aufstand gegen<br />
den Völkermord in Palästina“, den Yoldas<br />
auf Facebook geteilt hat.<br />
Yoldas äußere sich auch im Alltag<br />
antisemitisch, zitierte die Hamburger<br />
Morgenpost den Vorsitzenden der Kurdischen<br />
Gemeinde Ali Ertan Toprak.<br />
Laut „Mopo“ habe Yoldas geantwortet:<br />
„Wer sind diese Leute, dass sie mich kritisieren?<br />
Ich muss mir keine Referenzen<br />
von einem PKK-Sympathisanten oder<br />
einem Unterstützer des Besatzungsregimes<br />
in Palästina holen.“<br />
Eine mögliche Konfliktlinie verläuft<br />
auch zwischen Frankreich und Deutschland.<br />
Als einen „Krieg ohne Grenze, ein<br />
Krieg ohne Gnade“ bezeichnete der<br />
französische Generalkonsul in Hamburg,<br />
Serge Lavroff, die Anschläge. Daraus<br />
spricht die Haltung der Franzosen.<br />
Sie setzen auf einen militärischen<br />
Kampf gegen den IS.<br />
Die meisten Hamburger Politiker<br />
und Kirchenvertreter bauen trotz der<br />
Anschläge eher auf Diplomatie. Auch<br />
wenn Bürgermeister Olaf Scholz sagt:<br />
„Wir werden Demokratie, Freiheit und<br />
unsere Art zu leben verteidigen und stehen<br />
fest an der Seite unserer französischen<br />
Freunde.“<br />
Landespastor, Diakoniechef und<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Herausgeber Dirk Ahrens<br />
hatte kurz nach den Anschlägen schon<br />
appelliert: „Die Terroristen können die<br />
freiheitlich rechtsstaatlichen Gesellschaften<br />
des Westens militärisch nicht<br />
Trotz aller Konflikte im Vorfeld: Ihre<br />
SOLIDARITÄT bekundeten unterschiedliche religiöse<br />
und politische Gruppen auf dem Domplatz.<br />
„Wir hoffen, dass<br />
die Solidarität<br />
nicht untergraben<br />
wird.“ KIRSTEN FEHRS<br />
besiegen. Aber sie können uns dazu<br />
bringen, uns selbst zu besiegen. Das<br />
darf und wird ihnen nicht gelingen. Wir<br />
bleiben unbeugsam human, rechtsstaatlich<br />
und liberal!“<br />
Wichtig ist jetzt, dass wir keinen Generalverdacht<br />
gegen Flüchtlinge hegen.<br />
Darauf wies Landesbischöfin Kirsten<br />
Fehrs hin. „Wir hoffen, dass die notwendige<br />
Solidarität in unseren Gesellschaften,<br />
die gegenwärtig besonders<br />
den Flüchtlingen gilt, nicht untergraben<br />
wird. Wir verstehen die Flüchtlinge,<br />
die genau vor diesem Terror zu uns<br />
nach Europa geflohen sind und empfinden<br />
mit ihnen. Wir sind gemeinsam<br />
betroffen.“ •<br />
Abbildung: „Siegfried“, Gemälde von Jochen Hein, <strong>2015</strong> © Jochen Hein<br />
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3,5 Milliarden Euro<br />
sind Panzer, U-Boote, Handgranaten und Gewehre wert, deren Export<br />
die Bundesregierung im ersten Halbjahr <strong>2015</strong> genehmigt hat. Zum<br />
Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 waren es knapp vier Milliarden Euro.<br />
Das geht aus einem Bericht von Bundeswirtschaftsminister Sigmar<br />
Gabriel hervor. Damit steht die Wirklichkeit in Widerspruch zu<br />
Ankündigungen des SPD-Politikers: Gabriel hatte erklärt, es sei eine<br />
Schande, dass Deutschland zu den größten Waffenexporteuren der Welt<br />
gehört, und strengere Richtlinien angekündigt.<br />
In der Kritik stehen vor allem Rüstungsexporte in Krisengebiete.<br />
So wurde kürzlich bekannt, dass die deutsche Industrie allein im Juni<br />
Waffen im Wert von 11,5 Millionen Euro nach Katar lieferte – zwei<br />
Monate nach Beginn der Bombenangriffe auf den Jemen, an denen<br />
Katar beteiligt ist. In dem Krieg starben UN-Angaben zufolge bislang<br />
mindestens 5000 Menschen. Dazu der Linken-Politiker Jan van Aken:<br />
„Deutschland macht sich mitschuldig an den vielen Toten.“ •<br />
TEXT: ULRICH JONAS<br />
ILLUSTRATION: KÄTHE SCHÖNLE<br />
Mehr Infos im Internet unter www.waffenexporte.org<br />
31
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>274</strong>/ DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
„Die Welt<br />
kommt zu mir“<br />
Sie hat in Frankreich, Chile und<br />
Spanien studiert, bereiste Indien und<br />
Simbabwe: MARTINA BÄURLE<br />
ist Geschäftsführerin der Stiftung.<br />
Seit 29 Jahren holt die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte<br />
Menschen in die Hansestadt, die in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten.<br />
Martina Bäurle sorgt dafür, dass die Gäste zur Ruhe kommen.<br />
TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />
FOTO: ANDREAS LAIBLE<br />
Ich kann auch den Ole fragen, ob er Zeit hat“, hatte<br />
Martina Bäurle einige Tage vor unserem Treffen am<br />
Telefon gesagt. Vorschicken wollte sie keinen Geringeren<br />
als Ole von Beust, ehemaliger Bürgermeister der<br />
Hansestadt und Vorstand der Hamburger Stiftung für politisch<br />
Verfolgte. So richtig wollte die Geschäftsführerin der<br />
Stiftung zunächst nicht ins Rampenlicht.<br />
Dabei leitet die 53-Jährige seit 24 Jahren die Organisation, die<br />
in jedem Jahr drei bis fünf Menschen aus autoritären Regimen<br />
für je zwölf Monate nach Hamburg holt und damit nicht<br />
selten deren Leben rettet. Und eigentlich ist Martina Bäurle<br />
darauf auch zu Recht mächtig stolz: „Ich bin total begeistert“,<br />
sagt sie über ihre Arbeit in der Stiftung. „Es ist wie Beruf<br />
und Berufung! Die Welt kommt zu mir!“<br />
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Stadtgespräch<br />
Sie selbst holt die Gäste vom Flughafen<br />
ab und betreut sie während ihrer Zeit in<br />
Hamburg. „Ich versuche, Vertrauen<br />
und eine Beziehung aufzubauen“, sagt<br />
sie. Manchen Stipendiaten bringt sie<br />
Fahrradfahren bei, mit anderen geht sie<br />
ins Schwimmbad. Gerade bereitet sie<br />
ein Adventsfest vor, zu dem sie zu sich<br />
nach Hause einlädt. „Es geht nicht nur<br />
darum, in Hamburg zu sein“, erklärt sie,<br />
„sondern darum, sich im Alltag frei von<br />
Angst bewegen zu können.“ Am schönsten<br />
sei es zu sehen, wie die Stiftungsgäste<br />
aufblühen und lächeln.<br />
Denn Lächeln fällt ihren Gästen anfangs<br />
häufig schwer. Oft haben sie sich<br />
jahrelang für Freiheit und Demokratie<br />
eingesetzt und wurden dafür verfolgt.<br />
So erging es auch der Tunesierin Sihem<br />
Bensedrine, die die Stiftung 2004 „in<br />
letzter Minute vor den Schergen des<br />
Diktators Ben Ali retten konnte“, wie<br />
Bäurle es formuliert. Schon in den 70er-<br />
Jahren hatte Bensedrine die tunesische<br />
Liga für Menschenrechte mitgegründet,<br />
die zum „Quartett für nationalen Dialog“<br />
gehört. In diesem Jahr ist das Quartett<br />
mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet<br />
worden. „Das ist ein toller<br />
Erfolg!“, freut sich Bäurle über die Anerkennung<br />
für das Engagement ihrer<br />
Stipendiatin. Und sie schiebt hinterher:<br />
„Wenn wir nicht gewesen wären, gäbe<br />
es sie nicht mehr.“<br />
Nicht immer läuft es so gut für ihre<br />
Gäste. Erst im August ist die Friedensaktivistin<br />
Leyla Yunus in Aserbaidschan zu<br />
acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt<br />
worden. Offiziell wegen Steuerhinterziehung,<br />
doch Bäurle vermutet politische<br />
Gründe. „Eigentlich schützt die<br />
Einladung nach Hamburg vor weiterer<br />
Verfolgung.“ Doch Leyla Yunus konnte<br />
sie nicht beschützen. „Das geht mir sehr<br />
nahe“, sagt Bäurle. Sie versucht nun, öffentlich<br />
auf das Schicksal ihrer früheren<br />
Stipendiatin hinzuweisen – damit sie<br />
nicht in Vergessenheit gerät. „Das wäre<br />
mein Tod“, habe Yunus ihr neulich am<br />
Telefon gesagt.<br />
Das sind dann Telefonate, die Martina<br />
Bäurle mit nach Hause nimmt. Dort<br />
ist sie zum Glück nicht alleine mit ihren<br />
Gedanken. „Mein Mann ist Kriegsreporter<br />
gewesen, der versteht das und<br />
fängt mich auf.“ Wichtig sei auch, für<br />
Ausgleich zu sorgen. Am liebsten sind<br />
ihr lange Spaziergänge in der Natur, auf<br />
denen sie Vögel beobachten kann. Häufig<br />
zieht sie auch ihre Bahnen im<br />
Schwimmbad: „Dabei kann man auch<br />
mal Sorgen vergessen.“<br />
Gerade steckt sie in den Vorbereitungen<br />
für eine große Benefiz-Veranstaltung.<br />
Die Schauspielerin Suzanne<br />
von Borsody wird aus Elke Heidenreichs<br />
Weihnachtsgeschichte „Erika:<br />
oder Der verborgene Sinn des Lebens“<br />
lesen – umrahmt von Klassik bis Jazz.<br />
Ole von Beust wird die Begrüßungsrede<br />
halten. Ein ganz ordentliches Aufgebot.<br />
Bäurle sitzt nervös in ihrem Büro<br />
und hofft, dass auch genügend Hamburger<br />
kommen werden – ganz sicher<br />
„Mein Mann<br />
ist Kriegsreporter<br />
gewesen und<br />
fängt mich auf.“<br />
ist sie sich da nicht. Dabei geht es nicht<br />
nur darum, dass ein leerer Veranstaltungssaal<br />
kein gutes Bild abgäbe. Es<br />
geht um viel mehr: „Wenn wir 450 Karten<br />
verkaufen, können wir ein Stipendium<br />
finanzieren“, sagt sie. Auf die Einnahmen<br />
ist sie angewiesen.<br />
„Die Stiftung ist nicht abgesichert“,<br />
erklärt sie.Trotz prominenter Vorstände<br />
wie Bürgermeister Olaf Scholz und seinem<br />
Amtsvorgänger Klaus von Dohnanyi:<br />
„Wir brauchen immer engagierte<br />
Bürger, die unsere Arbeit unterstützen.“<br />
Gibt es davon zu wenige, muss Martina<br />
Bäurle noch mehr Absagen schreiben,<br />
die sie jährlich mit den Einladungen<br />
in die Hansestadt verschicken muss:<br />
„Da quäle ich mich immer sehr.“ •<br />
Benefizlesung mit Suzanne von Borsody:<br />
Mi, 9.12., 19.30 Uhr, Atrium der Hanse-<br />
Merkur, Siegfried-Wedells-Platz 1. Eintritt:<br />
25 Euro. Infos: www.hamburger-stiftung.de<br />
33
„Die Hoffnung auf Rückkehr<br />
stirbt mit jedem Angriff“<br />
Hamburgs Landesbischöfin Kirsten Fehrs wollte sich selbst ein Bild über die<br />
Flüchtlingslage machen und besuchte Jordanien und das Flüchtlingslager Zaatari<br />
TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />
FOTOS JORDANIEN: MANU BRABO, RAAD ADAYLEH/ PICTURE ALLIANCE<br />
FOTO KIRSTEN FEHRS: MARCELO HERNANDEZ<br />
J<br />
etzt gibt es also auch Selfies<br />
von syrischen Flüchtlingen mit<br />
der Hamburger Bischöfin<br />
Kirsten Fehrs. Aufgenommen<br />
während einer Reise, die sie vor<br />
einigen Wochen nach Jordanien machte.<br />
Sie wollte sich ein eigenes Bild verschaffen<br />
von der Situation der etwa 690.000<br />
syrischen Flüchtlinge in dem Sieben-<br />
Millionen-Einwohner-Land.<br />
Aber die Selfies, weder ihre noch die<br />
der Kanzlerin, seien nicht die Ursache,<br />
warum sich so viele auf den Weg nach<br />
Europa machen, davon ist sie überzeugt.<br />
Der wichtigste Grund ist ihrer Meinung<br />
nach ein anderer: „Die Situation in Jordanien<br />
hat sich dramatisch verändert,<br />
seit das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten<br />
Nationen (UNHCR) und das Welternährungsprogramm<br />
der UN (WFP)<br />
die Lebensmittelrationen kürzen oder<br />
sogar streichen mussten.“ Schulen funktionieren<br />
nur noch im Notmodus, die<br />
Wasserversorgung ist nicht mehr gewährleistet.<br />
Das alles, weil die zugesagten<br />
Gelder von einigen Ländern (noch)<br />
34<br />
nicht bezahlt wurden. „Aber nicht nur<br />
Länder, die sich schon länger vom Solidargedanken<br />
verabschiedet haben und<br />
sich abschotten“, haben nicht gezahlt.<br />
Auch Deutschland lasse sich Zeit mit<br />
der Zahlung.* Dazu kommen die Bombardierungen<br />
durch die syrische Armee<br />
und nun der russischen Luftwaffe.<br />
„Die Hoffnung, bald wieder nach<br />
Syrien zurückzukehren, stirbt mit jedem<br />
Angriff“, so Fehrs. „Diese Kombination<br />
führt dazu, dass sich viele Flüchtlinge<br />
sagen: Wir müssen das Leben unserer
Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs<br />
fuhr Ende Oktober mit dem SPD-Bundestags-<br />
abgeordneten Niels Annen und mit Staatsrat<br />
Jan Pörksen (SPD) nach Jordanien.<br />
Gemeinsam besuchten sie auch ZAATARI,<br />
eines der größten Flüchtlingslager der Welt.<br />
Kinder schützen. Und: Etwas Besseres<br />
als den Tod finden wir überall.“ Natürlich<br />
seien die meisten Flüchtlinge, die sie<br />
kennenlernte, von Deutschland begeistert.<br />
„Weil wir ein Land sind, das in der<br />
Not nicht weggeguckt hat und Empathie<br />
gezeigt hat“, so Fehrs.<br />
Jordanische Bürgermeister, Einheimische<br />
und Flüchtlinge hätten sich stellvertretend<br />
bei ihr für die Anteilnahme<br />
der Deutschen bedankt. Immer wieder<br />
hörte sie von ihren Gesprächspartnern:<br />
„Wir sitzen nicht auf gepackten Koffern.<br />
Am liebsten würden die meisten<br />
von uns hier bleiben, in unserem Kulturkreis,<br />
dort, wo wir unsere Sprache<br />
sprechen können.“<br />
Aber das Bleiben werde durch die<br />
immer schlechter werdenden Lebensbedingungen<br />
deutlich erschwert. „Dass<br />
unsere internationale Hilfe versagt, hat<br />
„Dass unsere internationale<br />
Hilfe versagt, hat unmittelbare<br />
Auswirkungen.“ BISCHÖFIN KIRSTEN FEHRS<br />
unmittelbare Auswirkungen“, sagt Kirsten<br />
Fehrs. „Und sich vor Ort anzugucken,<br />
wie leicht es wäre, bestimmte stabilisierende<br />
Projekte zu halten, das hat<br />
mich gerade in Zaatari gepackt.“<br />
Zaatari ist mit derzeit 79.000 Bewohnern<br />
eines der größten Flüchtlingslager<br />
der Welt. „Das Camp wirkt erst<br />
mal sehr bedrückend. Aber verglichen<br />
damit, was wir am Tag darauf in den<br />
Städten gesehen haben, hatte das noch<br />
eine gute Struktur.“ Was ihr besonders<br />
eingeleuchtet habe: Der UNHCR habe<br />
zusammen mit den Flüchtlingen die<br />
Stadt aufgebaut, Selbstorganisation und<br />
Eigeninitiative gefördert. Einige Flüchtlinge<br />
hätten sich kleine Gärtchen zur<br />
Selbstversorgung angelegt. Sogar eine<br />
Einkaufsstraße gebe es, „scherzhaft<br />
Champs-Élysées genannt“, wo syrische<br />
Flüchtlinge Kleidung, Schuhe und Lebensmittel<br />
verkaufen, man sogar Kaffee<br />
trinken oder Döner essen kann.<br />
Bezahlt wird mit einer Chipkarte,<br />
auf der alles gespeichert ist: Name,<br />
Krankenkarte und das Guthaben für<br />
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Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>274</strong>/ DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
Gebrauchsgüter. „Es ist eine Form von<br />
trotziger Hoffnung, dass man miteinander<br />
einkaufen geht“, sagt Kirsten Fehrs.<br />
„Das ist dann fast ein normales Stadtleben<br />
und befriedet die Menschen. Aber<br />
in dem Maße, in dem auf den Chipkarten<br />
nichts mehr zur Verfügung steht,<br />
klappt das dann eben nicht mehr. Da<br />
werden die Leute unruhig.“ Zumal es oft<br />
„weniger als das Elementare“ und viel<br />
zu wenig zu essen und zu trinken gebe.<br />
Das Schlimme sei: „Ganz Jordanien<br />
wird instabil, weil die UN-Gelder nicht<br />
mehr kommen“, warnt die Bischöfin.<br />
Aber eine weitere Destabilisierung könne<br />
man sich im eigenen Interesse nicht<br />
leisten. „Jordanien ist in dem fragilen<br />
Staatengefüge im Nahen Osten einer<br />
der stabileren Staaten und der einzige<br />
Staat, der noch einigermaßen demokratisch<br />
die Flüchtlingsarbeit getragen<br />
hat.“<br />
Ihr Appell: in Jordanien und in anderen<br />
Nachbarstaaten helfen und den<br />
UNHCR und das WFP mit dem nötigen<br />
Geld ausstatten. „Der Flüchtlingsstrom<br />
wird nicht abreißen, wenn wir das<br />
nicht im Blick haben.“ Außerdem müssten<br />
die Fluchtwege gesichert werden.<br />
„Das ist ein Gebot der Humanität.“<br />
Und auch hier bei uns dürfe man<br />
nicht nachlassen, die Flüchtlinge würdig<br />
unterzubringen und zu integrieren. Das<br />
werde ein hartes Stück Arbeit. Die werde<br />
auch mit von den Kirchen geleistet. In<br />
der Zeit bis Redaktionsschluss öffneten<br />
mehrere Kirchen für Flüchtlinge und<br />
auch das marode Bürohaus der Kirche<br />
beim Mahnmal St. Nikolai, das lange<br />
leer stand, wird Notunterkunft. „Patentlösungen<br />
für die Zukunft“ hat Kirsten<br />
Fehrs allerdings nicht. „Aber ich biete<br />
mich gerne an, mit darüber nachzudenken,<br />
wie wir unsere Stadtgesellschaft der<br />
Zukunft gestalten wollen.“ •<br />
* Laut UNHCR Deutschland hat die Bundesregierung<br />
bislang 57 Millionen Euro überwiesen.<br />
„Wir sind aber zuversichtlich, dass<br />
wir das Finanzierungsniveau des letzten<br />
Jahres (104 Mio. Euro) nicht nur erreichen,<br />
sondern sogar übertreffen werden“, so ein<br />
Sprecher. Die Zahlungen sind jedoch<br />
freiwillig. Mehr Infos unter www.unhcr.de<br />
„Bei Konfliktlösung<br />
muss man realpolitisch sein,<br />
nicht moralisch“<br />
Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe und<br />
von Brot für die Welt, über Fluchtursachen, Wirtschaftsflüchtlinge, Waffenexporte<br />
und Ansätze für den Frieden.<br />
INTERVIEW: BIRGIT MÜLLER.<br />
FOTO: MARTIN KATH<br />
Cornelia Füllkrug-Weitzel in ihrem Bürohaus<br />
in Berlin, wo die DIAKONIE Katastrophenhilfe<br />
und Brot für die Welt unter einem Dach sitzen.<br />
36<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Warum kommen gerade jetzt so<br />
viele Flüchtlinge zu uns?<br />
CORNELIA FÜLLKRUG-WEITZEL: Viele Fluchtursachen<br />
sind hausgemacht. Sie beruhen<br />
auf einer Kette von Handlungen und<br />
Unterlassungen. Eine der wichtigsten<br />
Unterlassungen: Seit mindestens drei<br />
Jahren ist klar, dass die Nachbarländer<br />
Syriens und des Iraks mit der Aufnahme<br />
von Flüchtlingen hoffnungslos überfordert<br />
sind. Trotzdem fühlen sich die Geberländer<br />
nicht aufgefordert, den UNH-<br />
CR oder das WFP stärker mit Mitteln<br />
auszustatten. Die Menschen können<br />
schlicht nicht in Jordanien, im Libanon<br />
oder der Türkei bleiben, wenn sie nichts<br />
mehr zu essen haben. Da hat man Warnungen<br />
nicht hören wollen oder fühlte<br />
sich nicht zuständig. Das Zweite, was sicherlich<br />
mit dazu beigetragen hat, war<br />
die Panik verschiedener Regierungen,<br />
die Grenzen wieder zu schließen. Das<br />
hat noch einmal magnetisch gewirkt,<br />
weil jeder noch unter den Letzten sein<br />
wollte, die wegrennen können.<br />
Wie helfen Sie vor Ort? Beispielsweise in<br />
Jordanien?<br />
Die wenigsten Flüchtlinge leben in Lagern,<br />
wir unterstützen die Menschen in<br />
den Dörfern und in den Städten, weil<br />
sie noch weniger haben. Wir arbeiten<br />
immer mit kirchlichen Partnern vor<br />
Ort, die Sozialarbeit machen. Wir geben<br />
beispielsweise Winterkleidung,<br />
Schulbücher oder Hefte bis hin zu Mietkostenzuschüssen.<br />
Weltweit sind wir mit<br />
der Diakonie Katastrophenhilfe durch-
Der UNHCR und das WFP haben zu wenig Geld und mussten schon ihre Leistungen kürzen.<br />
Noch schlechter als den Menschen hier in Zaatari geht es den Flüchtlingen in den Städten.<br />
schnittlich in 150 Programmen tätig.<br />
Wir haben grundsätzlich den Ansatz,<br />
nicht dahin zu gehen, wo alle anderen<br />
sind. Im Libanon gibt es beispielsweise<br />
keine Lager, die Menschen leben überall:<br />
bei Familien, auf Feldern, in Erdhöhlen<br />
oder in provisorischen Zelten.<br />
Wir sind auch auf der Westbalkan-<br />
Fluchtroute. Wo die Flüchtlinge keinen<br />
Wasserzugang haben, helfen wir mit<br />
Duschen und Toiletten. Manchen geben<br />
wir direkt Geld in die Hand, damit<br />
sie sich selbst kaufen können, was sie<br />
brauchen.<br />
Gibt es denn irgendetwas, mit dem man die<br />
Menschen in Syrien direkt unterstützen kann?<br />
In Syrien gibt es eine Zugangsproblematik.<br />
Wir können keine humanitäre<br />
Hilfe leisten, weil weder der IS noch<br />
die US-Amerikaner, noch Assad oder<br />
die Russen das humanitäre Völkerrecht<br />
respektieren. Das gebietet nämlich eigentlich,<br />
die Zivilbevölkerung unangetastet<br />
zu lassen und der humanitären<br />
Hilfe Zugang zu gewähren.<br />
Was müsste man tun?<br />
Man muss sinnvoll diesen Konflikt beenden.<br />
Dazu muss es Gespräche mit allen<br />
Konfliktparteien geben. Vermutlich<br />
sogar mit dem IS. Wenn man sagt: „Du<br />
bist ein Schwein, mit dir red ich nicht!“,<br />
kriegt man das Problem nicht gelöst.<br />
Mit Gewalt ist in den letzten zehn oder<br />
20 Jahren kein einziger Konflikt gelöst<br />
worden. Aber es gibt eine Statistik, dass<br />
40 Prozent aller Konflikte, die schon<br />
Gewaltstatus erreicht hatten, mit Gesprächen<br />
gelöst werden konnten. Die<br />
Antwort heißt Politik. Bei Konfliktlösung<br />
muss man realpolitisch sein und<br />
nicht moralisch. Alles andere ist naiv.<br />
Könnte man die Waffenexporte<br />
besser kontrollieren?<br />
Natürlich. Aber trotz aller Versprechen<br />
der Bundesregierung werden Waffen in<br />
Konfliktländer oder in Länder mit krassen<br />
Menschenrechtsverletzungen geliefert.<br />
Und solange es keine Endverbleibskontrolle<br />
gibt und keine internationalen<br />
Waffenregister, solange wir Kleinwaffen<br />
in schamlosester Weise und in großem<br />
Stil exportieren, solange heizen wir den<br />
Konflikt noch an.<br />
Viele Flüchtlinge aus Afrika kommen ja,<br />
weil sie kein Auskommen mehr haben.<br />
Da muss man unterscheiden zwischen<br />
Flüchtlingen und Arbeitsmigranten.<br />
Durch unfaire Handelsbeziehungen werden<br />
Marktöffnungen erzwungen. Dadurch<br />
können gerade die afrikanischen<br />
Länder nicht mehr ihre kleinbäuerlichen<br />
Strukturen schützen – und sind gegen die<br />
EU oder andere Marktführer machtlos.<br />
Das, was die Entwicklungshilfe<br />
vorher mühsam aufgebaut hat, beispielsweise<br />
an Milchverwertungsmöglichkeiten<br />
oder Geflügelzucht, das geht<br />
dann mal eben den Bach runter, weil<br />
das nicht gegen die EU-Konkurrenz<br />
ankommt.<br />
Dann haben die Leute keine Perspektive<br />
mehr. Sie fliehen vor den Folgen<br />
unseres unfairen Wirtschaftsgebarens.<br />
37<br />
Was tun?<br />
Man müsste nationale Umsetzungspläne<br />
für die UN-Leitlinien schärfer formulieren<br />
und entwickeln, wo wir unserer<br />
Wirtschaft bestimmte Bedingungen<br />
auferlegen: Sie müsste sich in der ganzen<br />
Produktions- und Lieferkette an<br />
Menschenrechts-, Umwelt- und Arbeitsstandards<br />
halten. Dann haben wir vielleicht<br />
eine Chance. Wirtschaftsbeziehungen<br />
könnten dann dazu beitragen,<br />
dass in Afrika die Menschen von ihrer<br />
Arbeit leben könnten. Die Debatte um<br />
die Flüchtlinge muss man dazu nutzen,<br />
zu sagen: Diese Menschen kommen<br />
nicht, weil sie Schmarotzer sind, sondern<br />
weil wir sie in die Armut drücken.<br />
Viele haben Angst, dass die große Zahl von<br />
Flüchtlingen unsere Gesellschaft gefährdet.<br />
Wie sehen Sie das?<br />
Viele Flüchtlinge zu beherbergen ist ein<br />
großer Risikofaktor in einer instabilen<br />
Gesellschaft. Für Jordanien ist es beispielsweise<br />
relativ gefährlich, noch eine<br />
zweite große Bevölkerungsgruppe im<br />
Land zu haben. Aber dass bei uns die<br />
Demokratie gefährdet wird oder unsere<br />
Wohlfahrt, das wird ja bisher nur herbeigeredet.<br />
Wenn da nur ein Funken<br />
wahr sein sollte, dass es destabilisierend<br />
auf das arme Deutschland wirkt, wie<br />
soll es dann auf Jordanien, auf den<br />
Libanon und die Türkei wirken?<br />
Wir haben also kein Problem?<br />
Ich hoffe, dass die Einwanderungspolitik<br />
nicht auf Abwehr setzt. Dass es eine<br />
europäische Registrierung und Verteilung<br />
gibt. Und ich hoffe, dass das unfaire<br />
Dublin-System (gemeint ist: Flüchtlinge<br />
müssen da leben, wo sie zuerst ankommen; also<br />
meist an den EU-Außengrenzen; Anmerkung<br />
der Red.), das Deutschland den anderen<br />
EU-Partnern aufgezwungen hat, durch<br />
eine sinnvolle Verteilung ersetzt wird.<br />
Wenn das nicht passiert, dann haben<br />
wir ein echtes Problem. Noch haben<br />
wir keins. •<br />
Mehr Infos unter www.diakonie-katastrophenhilfe.de<br />
und www.brot-fuer-die-welt.de
Dem Himmel<br />
so nah<br />
Der georgische Mönch Maxime Kavtaradze lebt auf einer 40 Meter<br />
hohen Felsnadel im Kaukasus. Dort oben durfte Fotograf<br />
Dmitrij Leltschuk den wohl einzigen Säulenheiligen Europas zwei<br />
Wochen lang besuchen. In Hamburg hat er Autorin Annette Woywode<br />
die Lebensgeschichte des Mönchs erzählt.
In der kleinen MÖNCHSKLAUSE von<br />
Maxime Kavtaradze fehlt jeglicher Komfort.<br />
Nach oben kommt man nur über eine<br />
wackelige Eisenstiege. Per Flaschenzug<br />
wird das Nötigste hinaufbefördert.
Ein Eremit, der<br />
mit den Menschen<br />
spricht und ihnen<br />
Trost spendet.
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Fotoreportage<br />
Als Dmitrij Leltschuk den Mönch zum ersten<br />
Mal sah, war er richtig erschrocken. Über<br />
dessen wirres Haar, seine große, hagere Gestalt<br />
und die riesigen Pranken. „Aber wenn er dich<br />
UMARMT, weißt du nicht, wo du bist!“,<br />
schwärmt der Fotograf. Zu Ostern speiste<br />
Maxime Kavtaradze mit zwei seiner Anhänger<br />
und zwei Profikletterern, die ihm beim Bau eines<br />
Flaschenzuges geholfen hatten. Mit dem werden<br />
sogar Dachziegel auf den Felsen gezogen.<br />
Wüsste man es nicht<br />
besser, man könnte<br />
glauben, Sisyphos<br />
sei aus der Unterwelt<br />
heraufgestiegen,<br />
um seine Strafe mit dem verflixten<br />
Felsblock fortan auf Erden abzuleisten.<br />
Aber Maxime Kavtaradze hat nichts<br />
mit der griechischen Mythologie am<br />
Hut. Er ist ein Mönch – allerdings kein<br />
gewöhnlicher. Denn der 64-Jährige lebt<br />
allein an den Ausläufern des Kaukasus,<br />
in einer selbst errichteten Klause hoch<br />
oben auf einem 40 Meter hohen, frei in<br />
der Landschaft stehenden Felsen. Wie<br />
ein Eremit, der aber mit den Menschen<br />
spricht, ihnen Trost spendet, zuhört, mit<br />
ihnen betet und der eine gewaltige Anhängerschaft<br />
in Georgien hat.<br />
Das war nicht immer so, denn in<br />
jungen Jahren war Maxime Kavtaradze<br />
ein kettenrauchender, alkoholkranker<br />
und hoch verschuldeter Kleinkimineller,<br />
der mit 17 am Kartentisch beim Schummeln<br />
erwischt und aus seinem Heimatdorf<br />
Katsiki gejagt wurde. Geschnappt<br />
wurde er schließlich in Moskau beim<br />
Stehlen einer Ikone. Im Gefängnis bekam<br />
er Tuberkulose, was zu Sowjetzeiten<br />
einem Todesurteil gleichkam. Doch er<br />
überlebte die Krankheit. Dieses Wunder,<br />
wie Maxime es nennt, brachte ihn dazu,<br />
sich an das Lebensmotto seiner streng<br />
gläubigen Familie zu erinnern: Wenn du<br />
dir etwas ausleihst, etwas annimmst oder<br />
geschenkt bekommst, musst du etwas zurückgeben.<br />
Gott und den Menschen.<br />
Um den Menschen seine Schulden<br />
zurückzahlen zu können, begann er<br />
nach seiner Haftentlassung 1991, in einer<br />
Manganfabrik in der Nähe seines<br />
Heimatdorfes zu arbeiten. Für sich<br />
selbst behielt er nichts. Er schlief in einer<br />
Höhle, die er am Sockel einer gigantischen<br />
Felssäule fand. Ansonsten betete<br />
er. Sicher wäre er verhungert, hätten die<br />
Dorfbewohner nicht doch Mitleid mit<br />
dem einstigen Dieb und Betrüger gehabt.<br />
Sie brachten ihm zu essen – und<br />
er hörte sich ihre Sorgen an.<br />
41<br />
Trotzdem wäre Maxime Kavtaradze<br />
beinahe in seiner Höhle gestorben:<br />
Denn zum Schlafen legte er sich in einen<br />
alten Kühlschrank, der wie ein Sarg<br />
auf dem Boden lag. In einer besonders<br />
kalten Nacht entzündete er neben dem<br />
Kühlschrank ein Lagerfeuer, um das<br />
kalte Bett zu erwärmen. Dadurch traten<br />
Ammoniakdämpfe aus dem alten Gerät<br />
aus, die den Mann vergifteten. Als ihn<br />
Dorfbewohner fanden, war er schon fast<br />
tot. Doch er überlebte wieder, und so<br />
war für Maxime Kavtaradze erneut ein<br />
Wunder geschehen, für das er sich bei<br />
Gott bedanken wollte – mit einer Kapelle<br />
und einer Eremitenklause oben<br />
auf dem Gipfel „seiner“ Felssäule.<br />
Es war eine gewaltige Herausforderung,<br />
das Baumaterial in die Höhe zu befördern.<br />
Doch mit seinem unbedingten<br />
Willen, viel Zeit, Muskelkraft und der<br />
Hilfe der Dorfbewohner schaffte er das<br />
Unmögliche. 20 Jahre lang – von 1991<br />
bis 2011 – lebte der wohl einzige Säulenheilige<br />
Europas zunächst an, später auf
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ISBN 978-3-9814245-9-1<br />
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Kurz vor Ostern kam Fotograf<br />
Dmitrij Leltschuk auf dem<br />
Felsen an. Da war gerade<br />
Fastenzeit und der Mönch<br />
schon so geschwächt, dass er<br />
oft im Bett ruhen musste.<br />
Kraft für Gespräche mit seinen<br />
Anhängern auf der Veranda<br />
der HIMMELSKLAUSE blieb<br />
aber trotzdem. Das Holzhaus<br />
stand ursprünglich in der nahe<br />
gelegenen Stadt, wo Maxime<br />
Kavtaradze es abbaute und in<br />
40 Metern Höhe neu errichtete.<br />
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seinem Felsen. Nur selten stieg er über eine<br />
wackelige Eisenstiege hinunter, meist,<br />
um in einem nahe gelegenen georgisch<br />
orthodoxen Kloster zu beten. Und doch<br />
blieb er den Menschen immer zugewandt,<br />
die ihm großen Respekt zollen.<br />
Maxime Kavtaradze ist inzwischen so<br />
bekannt und beliebt bei den Georgiern,<br />
dass es sogar Kühlschrankmagneten mit<br />
dem Bild seiner Steinsäule gibt.<br />
Warum er eines Tages trotzdem<br />
ganz und gar von seinem Berg herabstieg,<br />
ist unklar. Gerüchte kursieren im<br />
Dorf, der Bischof habe Maxime verboten,<br />
als nicht geweihter Priester dort<br />
oben weiterzuleben – aus Neid auf die<br />
Beliebtheit des Eremiten.<br />
Maxime Kavtaradze selbst sagt dazu<br />
nichts. Er begann damals stattdessen,<br />
auf einem 500 Meter entfernten, zweiten<br />
frei stehenden Felsen ein neues Haus<br />
zu errichten. Das Baumaterial fand er in<br />
der nächstgelegenen Stadt, wo ein 100<br />
Jahre altes, unbewohntes Holzhaus<br />
stand. Gemeinsam mit einigen seiner<br />
Anhänger baute er es samt Steinsockel<br />
Stück für Stück ab. Profikletterer halfen,<br />
einen Seilzug am Felsen anzubringen,<br />
mit dem die Einzelteile in die Höhe gehievt<br />
und oben neu zusammengesetzt<br />
werden konnten.<br />
In diesem Haus lebt der Mönch nun<br />
seit vier Jahren. Einem Haus, wiederum<br />
ohne fließend Wasser und jeglichen<br />
Komfort, in dem er betet und Gläubige<br />
empfängt. Immer in Sichtweite zur Kapelle<br />
auf seinem ersten Felsen. Kurz sah<br />
es so aus, als könne Maxime Kavtaradze<br />
auch dort nicht bleiben. Doch wieder<br />
halfen ihm seine Anhänger, darunter sein<br />
gesamtes Heimatdorf. Sie setzten sich<br />
beim Patriarchen für ihren Mönch ein.<br />
Der weihte ihn zum Priester und verfügte:<br />
Der alte Säulenheilige darf auf seinen<br />
ersten Felsen zurückkehren.<br />
Und Maxime? Der hätte klaglos<br />
auch eine dritte Klause gebaut. Schon<br />
war er auf der Suche nach einem neuen,<br />
geeigneten Felsen, von denen es<br />
an den Ausläufern des Kaukasus noch<br />
einige gibt.<br />
Die Strafe des Sisyphos, sie endet<br />
eben nie. Aber Maxime Kavtaradze ist<br />
nicht diese Figur aus der griechischen<br />
Mythologie. Er hat sich seine Buße<br />
selbst auferlegt. •<br />
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43
Haben sich die SAMMEL-<br />
BOX ausgedacht: Designer<br />
Michael Leßmöllmann<br />
(links) und Lorenz Schott.<br />
Spenden mit<br />
der Flaschenpost<br />
Wer Hinz&<strong>Kunzt</strong> finanziell unterstützen möchte, kann das<br />
nun auch im Supermarkt um die Ecke tun: mithilfe unserer neuen,<br />
unverwechselbaren Sammelboxen für Pfandbons.<br />
TEXT: SIMONE DECKNER<br />
FOTO: LENA MAJA WÖHLER<br />
Die meisten Sammelboxen für<br />
Pfandbons sehen aus wie Briefkästen.“<br />
Michael Leßmöllmann<br />
lacht. Der Produktdesigner und<br />
sein Kompagnon Lorenz Schott wissen,<br />
wovon sie sprechen. In den vergangenen<br />
Wochen sind sie zu Experten für Sammelboxen<br />
geworden. Und haben etwas<br />
Neues entwickelt: Ihre Box ist eine<br />
Mehrwegflasche, die in einem Holzbrett<br />
„schwebt“. „Da ist direkt klar, um was es<br />
geht“, erklärt Lorenz Schott. Gewissermaßen<br />
eine moderne Flaschenpost, in<br />
der Gutes steckt.<br />
„Spielerisch“ seien sie an die Aufgabe<br />
herangegangen, so die Macher von Vakant<br />
Design. Allerdings: Gutes Aussehen<br />
alleine reicht nicht. So eine Box<br />
muss für die Supermarktmitarbeiter einfach<br />
zu handhaben sein. Und diebstahlsicher.<br />
Die Lösung: ein verschließbarer<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />
44
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Freunde<br />
„Pfandsammler<br />
begegnen einem<br />
ja überall.“<br />
MICHAEL LESSMÖLLMANN<br />
JA,<br />
ICH WERDE<br />
MITGLIED<br />
IM HINZ&KUNZT-<br />
FREUNDESKREIS.<br />
Damit unterstütze ich die<br />
Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
Meine Jahresspende beträgt:<br />
Flaschenboden. „Beim ersten Versuch<br />
haben wir uns auf YouTube angeguckt,<br />
wie man einen Flaschenboden ausschneidet“,<br />
sagt Michael Leßmöllmann,<br />
„haben dann aber schnell gemerkt, dass<br />
wir da einen Fachmann brauchen.“<br />
Denn: Mit Glas kennen sich die<br />
Produktdesigner nicht ganz so gut aus<br />
wie mit Holz. Beide haben vor ihrem<br />
Studium Tischler gelernt. Die handwerkliche<br />
Ausbildung kommt ihnen<br />
heute zugute: In ihrem Büro in Bahrenfeld<br />
haben sie sich eine kleine Werkstatt<br />
eingerichtet. „Wenn wir am Rechner<br />
sitzen und irgendwas in 3-D entwerfen<br />
und nicht weiterkommen, sagen wir oft:<br />
‚So, das war’s jetzt: Wir gehen in die<br />
Werkstatt!‘“, sagt Lorenz Schott.<br />
Hier basteln sie auch immer wieder<br />
an einem ihrer spannendsten Projekte:<br />
einem Möbelstück, in dem man Indoor-<br />
Gemüse anbauen kann. Ganz ohne Erde.<br />
Gerade waren sie damit auf einer<br />
Designmesse in China, zuvor gab es für<br />
ihr Stück einen Preis für umweltbewusstes<br />
Design. Dabei haben die beiden<br />
nicht mal einen grünen Daumen, geben<br />
sie lachend zu.<br />
Näher waren sie da den Pfandsammlern.<br />
„Sie begegnen einem ja überall“, so<br />
Michael Leßmöllmann. „Ich habe erst<br />
vor ein paar Tagen einen netten älteren<br />
Herrn gesehen, der in seinem guten Sakko<br />
in der Mülltonne wühlte.“<br />
Dabei hat es sich doch herumgesprochen:<br />
Pfand gehört daneben. Oder<br />
in den Leer gutautomaten im Supermarkt.<br />
Und für den Pfandbon gibt es ja<br />
jetzt unsere schicke Flaschenpost. •<br />
Mehr Infos: Sammelboxen gibt es schon in<br />
den denn‘s Biomärkten, Rentzelstraße 36–<br />
48 und Schanzenstraße 119. Weitere Standorte<br />
unter www.huklink.de/flaschenpost<br />
60 Euro (Mindestbeitrag für<br />
Schüler/Studenten/Senioren)<br />
100 Euro<br />
Euro<br />
Datum; Unterschrift<br />
Ich möchte eine Bestätigung<br />
für meine Jahresspende erhalten.<br />
(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />
Meine Adresse:<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Nr.<br />
PLZ, Ort<br />
Telefon<br />
E-Mail<br />
Beruf<br />
Geburtsjahr<br />
Wir danken allen, die im November an uns<br />
gespendet haben, sowie allen Mitgliedern<br />
im Freundeskreis von Hinz&<strong>Kunzt</strong> für die<br />
Unterstützung unserer Arbeit!<br />
DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />
IPHH, wk it services,<br />
Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH,<br />
Hamburger Tafel,<br />
Axel Ruepp Rätselservice,<br />
Hamburger Kunsthalle,<br />
bildarchiv-hamburg.de,<br />
Kultur-Medien Hamburg GmbH,<br />
Firma Ute Orth,<br />
Medienpool Extra GmbH<br />
Dank an die Kollegen vom DPV023 von Holger<br />
Mohr für ihre Spende in den Ruhestand.<br />
Dankeschön<br />
45<br />
Außerdem danken wir allen Mitwirkenden und<br />
Organisatoren des Luther-Musicals „Der mit<br />
dem Papst tanzt“ sowie der Kirchengemeinde<br />
Eidelstedt für drei großartige Benefizaufführungen<br />
am 30. und 31.10.<strong>2015</strong>.<br />
Ein besonderer Dank an Jonas Goebel und<br />
Stephan Merkle, die Autoren des Musicals.<br />
NEUE FREUNDE:<br />
Gisela Augustin, Christian Cornehl,<br />
Ortwin Dankers, Sabine Fänger,<br />
Judith Friedrich, Andrea Hirschmann,<br />
Astrid Kirsch-Bartens, Gisela Krechlok,<br />
Jens und Ute Lattmann,<br />
Brian Melican, Kirsten Meyer,<br />
Kevin Nordhaus-Keding, Stella Prott,<br />
Monika Saß, Katja Siedschlag,<br />
Grit Westphal und Robin Wüstenberg<br />
Einzugsermächtigung:<br />
Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />
Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />
Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />
IBAN<br />
BIC<br />
Bankinstitut<br />
Wir versichern, dass Ihre Angaben nur für interne<br />
Zwecke bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> verwendet werden. Ihre<br />
Mitgliedschaft im Freundeskreis ist jederzeit kündbar.<br />
Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />
Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />
Oder online im Freundeskreis anmelden unter<br />
www.hinzundkunzt.de/so-koennen-sie-helfen/<br />
HK <strong>274</strong>
Buh&Beifall<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>274</strong>/ DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
Was unsere Leser meinen<br />
„Ich finde die Preiserhöhung gar nicht abschreckend“<br />
„Dass Kosten steigen, ist klar“<br />
H&K 273, Neue Ausgabe, neuer Preis<br />
Dass Kosten steigen, ist klar. Allerdings<br />
könnte ich gut und gerne auf einen<br />
„Hardumschlag“ verzichten! Das<br />
kostet doch sicher auch mehr, als wenn<br />
alle Seiten gleich stark sind, oder? Es ist<br />
eine Obdachlosenzeitung, da brauche<br />
ich kein Glanzpapier!<br />
ULRIKE KÜSTER<br />
Auch bevor der Wind der Erneuerung<br />
wehte, habe ich H&K stets mit<br />
Gewinn gelesen – nun sehe ich, auch ein<br />
gutes Heft kann NOCH besser werden<br />
– Kompliment! BARBARA SCHAEFER<br />
Mir gefällt das neue Heft sehr gut,<br />
und ich finde die Preiserhöhung gar<br />
nicht abschreckend.<br />
IRIS CARIUS<br />
Wir kaufen immer, wenn wir in<br />
Hamburg sind, das aktuelle Magazin<br />
und wir finden, in der neuen Aufmachung<br />
ist es besser geworden! PIA RAUCH<br />
Nicht überzeugend<br />
H&K 273, Olympi-Ja?<br />
Die Argumentation von HWWI-<br />
Chef Henning Vöpel kann nicht ganz<br />
überzeugen. Man muss, wenn man auf<br />
der ökonomischen Ebene diskutiert,<br />
über die Opportunitätskosten reden und<br />
da sind die veranschlagten 1,2 Milliarden<br />
Euro äußerst viel, wenn man bedenkt,<br />
wie viel Gutes Hamburg mit<br />
jenem Geld in der Bildung oder auch<br />
bei Projekten gegen Obdachlosigkeit<br />
erreichen könnte.<br />
RASMUS PH. HELT<br />
Die Street-Art-Tour<br />
H&K 273, Stadt-Expedition<br />
Der Artikel ist mit viel Liebe gemacht<br />
und bringt mir die Street Art<br />
(oder Sprayerei) richtig nahe. Allerdings<br />
vermisse ich die Erklärung OZM, das<br />
macht mich richtig kribbelig. OZ ist mir<br />
klar . . .<br />
ANNA-MARIA SIEGERT<br />
Anmerkung der Redaktion: Da können wir<br />
helfen. OZM heißt „one zero more“. Auf<br />
Deutsch: eine Null mehr.<br />
Leserbriefe geben die Meinung des Verfassers<br />
wieder, nicht die der Redaktion. Wir behalten<br />
uns vor, Leserbriefe zu kürzen.<br />
Wir trauern um<br />
Zenon Martyniak<br />
6. April 1953 – 25. Oktober <strong>2015</strong><br />
Zenon war seit 1997 bei uns. Seinen<br />
Stammplatz hatte er bei Edeka in Ammersbek.<br />
Die Verkäufer und das Team von<br />
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Klare Kante: Der neue Opernintendant Georges Delnon mischt sich ein (S. 48).<br />
Heiße Sache: Unser Koch des Monats tischt ein feines Süppchen auf (S. 56).<br />
Gute Nachricht: Hinz&Künztlerin Anke hat endlich einen Platz im Container (S. 58).<br />
Angst macht einsam: Holocaust-<br />
Überlebende „ROSE“ (Angela<br />
W. Röders) kann die Vergangenheit<br />
nicht verdrängen. Für ihre Nöte<br />
findet sie kein Verständnis (S. 46).<br />
FOTO: MARIANNE HAUTTMANN
Schaut immer wieder auf<br />
der ARBEITSBÜHNE<br />
zu, wie ein Stück entsteht.<br />
Sonst findet man Opern-<br />
direktor Georges Delnon<br />
gern im Parkett, erste<br />
Reihe, Platz drei.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Neue Türen<br />
aufmachen<br />
Opernintendant Georges Delnon will Fukushima auf die Bühne bringen, die Oper in<br />
die Stadt tragen und Flüchtlinge und Obdachlose in seine Aufführungen einladen.<br />
TEXT: HANS-JUERGEN FINK<br />
FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK<br />
Das Chefbüro im Verwaltungstrakt<br />
der Hamburgischen<br />
Staatsoper ist<br />
spartanisch eingerichtet.<br />
Ein einfacher Schreibtisch<br />
– Platte, vier Beine. Bücherregal.<br />
Eine winzige Musikanlage und ein Monitor,<br />
mit dem man sich in das Geschehen<br />
auf der Bühne einklinken kann.<br />
Drei Bürosessel. Keine Aktenschränke,<br />
keine Papierstapel. „Ich versuche, alles<br />
gleich zu bearbeiten. Fünf Minuten, am<br />
liebsten am Handy.“ Der Raum ist so<br />
uneitel wie der, der darin arbeitet: Georges<br />
Delnon, Jahrgang 1958, Hamburgs<br />
neuer Opern- und Orchesterintendant.<br />
Einen Farbtupfer gibt es doch: Frau<br />
Gonzalez, dunkelblond, blaue Augen,<br />
steht rechts neben der Arbeitsplatte. Eine<br />
lebenspralle, etwa 1,50 Meter hohe<br />
Frauenskulptur mit aufgemaltem roten<br />
Kostüm, weißer Bluse mit blauen Blumen.<br />
Sie stand schon in seinem Baseler<br />
Intendantenbüro und durfte mit nach<br />
Hamburg. Weil sie ihm hilft, sagt er, die<br />
Dinge vor seiner Nase aus größerer Distanz<br />
zu betrachten.<br />
Oben im achten Stock residiert Delnon,<br />
Schweizer wie Rolf Liebermann,<br />
der während seiner beiden Hamburger<br />
Intendanzen die Oper zu vielen Momenten<br />
von Weltgeltung führte. Auf die<br />
Frage, ob man ihn hier oben am häufigsten<br />
findet, schüttelt Delnon amüsiert<br />
den Kopf und verrät seinen Traum: Am<br />
liebsten hätte er es wie Peter Gelb, der<br />
legendäre General Manager der Metropolitan<br />
Opera in New York. „Immer bei<br />
den Proben, ein Brett im Zuschauerraum,<br />
in der Nähe des Regiepults – da<br />
könnte ich auch alles erledigen. Und ich<br />
wäre dicht an dem, was sich hier tut.“<br />
Die furiose Eröffnung im September<br />
ist gestemmt, ein Dreiklang aus Anne<br />
Sofie von Otters und Christoph<br />
Marthalers melancholischem Liederabend<br />
„Isoldes Abendbrot“, Berlioz’<br />
großer Oper „Les Troyens“ und in der<br />
opera stabile der Uraufführung von<br />
„Weine nicht, singe“ von Dea Loher<br />
(Text) und Michael Wertmüller (Musik),<br />
inszeniert von Jette Steckel. Der chamäleonhafte<br />
Lichtvorhang vor der Opernfassade,<br />
ein Projekt der Künstlerin Rosalie,<br />
ist wieder abmontiert. Gerade<br />
probt man „Le nozze di Figaro“, Musik:<br />
Mozart, Regie: Stefan Herheim.<br />
Seit knapp drei Jahren ist Delnon<br />
oft hier gewesen, um seine erste Spielzeit<br />
zu planen. Hat fast alles gesehen,<br />
49<br />
was auf dem Spielplan stand. Ist trotzdem<br />
noch ein bisschen der Neue. Auf<br />
dem Weg hinunter zur Hinterbühne für<br />
die Fotoaufnahmen erzählt er, dass man<br />
in Basel ständig die Mitarbeiter treffe.<br />
Und in Hamburg auf den Gängen –<br />
niemanden. „Wo doch Hunderte hier<br />
arbeiten.“ Für den Opernchef mit seiner<br />
Kommunikationslust anfangs befremdlich,<br />
diese Ruhe und Arbeit hinter<br />
geschlossenen Türen.<br />
Ankommen in Hamburg. Eine<br />
Wohnung hat er. In der Neustadt, „da<br />
bin ich in neun Minuten zu Fuß an der<br />
Oper – zu Fuß gehen ist immer noch die<br />
sicherste Fortbewegungsart, oder?“. In<br />
seinem Refugium nimmt er sich Zeit<br />
zum Lesen. Versucht, Arbeit und Freizeit<br />
wenigstens in seinem Energiehaushalt<br />
zu trennen.<br />
Alles weitere Private hält er am<br />
liebsten privat. Nur das noch: Ja, er<br />
kocht sehr gern. Kennt auch die korrekte<br />
Antwort auf die Fangfrage der Hamburger<br />
Fußball-Fans: „Ich habe viele<br />
Sympathien für den HSV und eine<br />
Dauerkarte bei St. Pauli.“ Sport, selbst<br />
gemacht? „Schach!“<br />
Ankommen in der Hamburger Kultur.<br />
Der runde Tisch der Kulturleute zu
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>274</strong>/ DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
Kunst ist das, was das Leben interessanter als Kunst macht – das ist das Motto<br />
des neuen Hamburger Opernintendanten Georges Delnon. Für seine<br />
Muse FRAU GONZALEZ (links) gilt das allemal. Die Skulptur begleitete<br />
ihn von Basel nach Hamburg und steht auch hier wieder in seinem Büro.<br />
Olympia 2024 hat ihm geholfen, sich<br />
rasch zu vernetzen. „Ich höre gut zu,<br />
was Joachim Lux, Dirk Luckow oder<br />
Amelie Deuflhard (Das sind die Intendanten<br />
des Thalia Theaters, der<br />
Deichtorhallen und von Kampnagel;<br />
Anm. der Red.) erzählen über Hamburg<br />
und sein Publikum, das ist für mich sehr<br />
wertvoll.“ Dann die Suche nach einem<br />
neuen Platz für eine Institution wie die<br />
Staatsoper. Mit Respekt vor ihren Traditionen<br />
– er betont den Plural. „Es gibt<br />
eine konservative Tradition, und es gibt<br />
eine progressive Tradition. Hinter die<br />
darf man nicht zurückfallen. Wir sind ja<br />
eigentlich die Zeit danach.“ Experimentierfreude<br />
und aufregend Neues, die<br />
Oper soll Nachdenken anstoßen.<br />
Sein Weg, der ihn hierher führte?<br />
Die Mutter war Opern- und Konzertsängerin,<br />
der Sohn, 1958 geboren in<br />
Zürich und aufgewachsen in Bern, ist<br />
überall von Musik und Musikern umgeben.<br />
Seine erste Oper? „Wahrscheinlich<br />
Verdis ‚Otello‘.“ Klingt nicht eben nach<br />
Erweckung. Dann eine normale musikalische<br />
Reise: Beatles, Rolling Stones,<br />
Pink Floyd. Bis ihn der Jazz infiziert. Er<br />
will nicht bloß reproduzieren, sondern<br />
selber machen. Endlose Jam-Sessions,<br />
„eine sehr experimentelle Zeit“. Er<br />
„Wir brauchen<br />
Werke zu<br />
den Themen<br />
von heute.“<br />
spielt Klavier, Gitarre, Saxofon. Keith<br />
Jarrett und Chick Corea sind seine Götter,<br />
„natürlich wollte ich Jazzpianist werden“.<br />
Er hört vom Mitternachtskonzert,<br />
das Keith Jarrett im Oktober 1982 in<br />
der Hamburger Staatsoper gab. „Ob<br />
man so was wohl noch mal …?“<br />
50<br />
Aber schon mit 18, 19 ändert sich sein<br />
Ziel. Musik bleibt gesetzt und Jazz die<br />
Leidenschaft Nummer 1. Delnon studiert<br />
Komposition in Bern und Fribourg<br />
– „nicht um Komponist zu werden, ich<br />
wollte Musik einfach besser verstehen“.<br />
Arbeiten will er lieber als Regisseur. Will<br />
wissen, wie man Werke auf die Bühne<br />
bringt, wie man Menschen organisiert,<br />
eine Botschaft aus einem Stück destilliert.<br />
Wie man mit dem Publikum in den<br />
Dialog tritt. 1996 wird er Intendant in<br />
Koblenz, dann in Mainz, schließlich in<br />
Basel.<br />
Und nun Hamburg. Mit dem Amerikaner<br />
Kent Nagano als Generalmusikdirektor.<br />
„Sicher, wir haben unterschiedliche<br />
Temperamente und Charaktere.<br />
Aber wir sind uns einig, welche<br />
Rolle Qualität, Innovation und Tradition<br />
spielen. Kent ist ein internationaler<br />
Star, der uns große Aufmerksamkeit<br />
bringt. Und das zählt viel.“<br />
Delnon sorgt für alles andere. Für<br />
die Aufwertung der opera stabile zur
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
ständigen zweiten Spielstätte, an der es<br />
spannende Experimente geben soll. Er<br />
ist bekennender Freund des oft geschmähten<br />
Regietheaters: „Diese jungen<br />
Regisseure, die wissen oft sehr viel mehr<br />
über das Stück als viele Regisseure der<br />
alten Schule, sie setzen sich enorm mit<br />
der Historie, Herkunft und Tradition,<br />
mit der Psychologie und der politischen<br />
Dimension auseinander. Das hat nicht<br />
nachgelassen – das ist ein Klischee, dem<br />
ich entschieden widerspreche.“<br />
Im ersten Saisonbuch steht als Motto<br />
der Satz von Heiner Müller: „Das<br />
Fremde ist eigentlich das Schöne“, er<br />
unterstreicht das: „Ich glaube schon,<br />
dass man immer da neue Türen aufmachen<br />
kann, wo man sie nicht unbedingt<br />
vermutet hat.“<br />
Georges Delnon tut das leise und,<br />
wie man mit Blick auf seinen Werdegang<br />
vermuten darf, beharrlich. Zum<br />
Beispiel neue Werke in Auftrag geben.<br />
So wie Ende Januar 2016 die Fukushima-Oper<br />
„Stilles Meer“ des Japaners<br />
Toshio Hosokawa. Der nächste Kompositionsauftrag<br />
ist bereits vergeben. Einen<br />
pro Spielzeit für die große Bühne, zwei<br />
für die opera stabile, ein ambitioniertes<br />
Ziel. Damit könnte er an Liebermann<br />
herankommen, unter dem in Hamburg<br />
22 Opern uraufgeführt wurden.<br />
„Wir brauchen Werke, die jetzt geschrieben<br />
werden, zu Themen von heute.<br />
Das ist ein Auftrag wie der, das tradierte<br />
kulturelle Erbe zu pflegen.“<br />
„Stilles Meer“ hat Delnon vor drei Jahren<br />
in Tokio mit Hosokawa verabredet,<br />
er ist gespannt auf den japanischen<br />
Blick auf die Atomdebatte. „Wir wollen<br />
etwas über Menschen erzählen.“ In diesem<br />
Fall über eine Familie, die in Fukushima<br />
lebt und dort nicht weg will, trotz<br />
der Katastrophe. „Ich glaube nicht, dass<br />
man Schauspiel und Oper so trennen<br />
kann: Die einen machen inhaltliche politische<br />
Arbeit, die anderen sind zuständig<br />
für Kulinarik und schöne Musik.<br />
Wenn man die Genesis vieler älterer<br />
Opern anschaut, waren die Komponisten<br />
oft sehr gesellschaftlich denkende<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
51<br />
Menschen, die damit in ihrer Zeit viel<br />
verändert haben.“<br />
Herzensprojekte? Das sind alle, die<br />
er anpackt, „sonst werden sie nichts“.<br />
Die Oper in die Stadt tragen zum Beispiel.<br />
Oder „Refugees welcome“. Das ist<br />
der Plan, Paten zu finden für Flüchtlinge.<br />
Paten, die mit ihnen in die Oper<br />
kommen, ins Ballett und in Konzerte.<br />
„Begegnungskultur“ wünscht sich Delnon.<br />
Keine Aktion, die wie ein PR-Gag<br />
durch die Stadt geblasen würde. Ein leiser<br />
Anfang. Angestoßen durch das<br />
Flüchtlingsdrama, aber nicht beschränkt<br />
auf Flüchtlinge. „Die Aktion<br />
steht offen für andere, die sich einen<br />
Opernbesuch nicht leisten können.“<br />
Wenn also jemand mit „seinem“<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer anfragt? „Werden<br />
wir nicht Nein sagen.“ Der Pate bezahlt<br />
einen reduzierten Preis, seine Begleitung<br />
zahlt nichts. Im Anschluss an<br />
die acht dafür ausgewählten Vorstellungen<br />
und Konzerte besteht die Möglichkeit<br />
zum besseren Kennenlernen (Anmeldung<br />
bei christoph.boehmke@<br />
staatsoper-hamburg.de).<br />
Man könnte solche Aktionen vorab<br />
totdiskutieren. Man kann sie aber auch<br />
starten und schauen, was daraus wächst.<br />
Georges Delnon steht eindeutig für den<br />
zweiten Weg. Er denkt langfristig. Ist immer<br />
gut für Überraschungen. Und erst<br />
zufrieden, wenn seine lang gehegten<br />
Pläne aufgehen.<br />
Er sitzt so oft wie möglich in der<br />
Vorstellung – Parkett, Reihe 1, Platz 3<br />
rechts. Das war auch Liebermanns<br />
Stammplatz, um sein Publikum besser<br />
kennenzulernen. Wenn er dann spürt,<br />
dass ein kühnes Konzept greift, wenn in<br />
besonderen Momenten das pure Glück<br />
geradezu körperlich den Rücken herunterläuft,<br />
wenn aus der Vielzahl von Individualitäten<br />
im Publikum ein Kollektiv<br />
wird und an den Lippen des Sängers<br />
hängt, „dann“, sagt er, „bin ich stolz,<br />
Chef eines solchen Hauses zu sein“. •<br />
Das Programm der Staatsoper findet sich<br />
unter www.staatsoper-hamburg.de<br />
<br />
EL VY<br />
<br />
<br />
<br />
THE KILKENNYS<br />
<br />
REFUSED<br />
<br />
SIDO<br />
<br />
CHRISTMAS SOUL<br />
BARBARA DENNERLEIN<br />
<br />
<br />
<br />
TOWER OF POWER<br />
<br />
LISSIE<br />
<br />
<br />
MAX GIESINGER & BAND<br />
<br />
ONE OK ROCK<br />
<br />
JOSÉ GONZÁLEZ<br />
<br />
TORFROCK<br />
<br />
<br />
WLADIMIR KAMINER<br />
<br />
<br />
BAABA MAAL<br />
<br />
MAX RAABE & PALAST ORCHESTER<br />
<br />
<br />
KLAUS HOFFMANN<br />
<br />
<br />
WLADIMIR KAMINER<br />
<br />
<br />
ANDREAS BOURANI<br />
<br />
HENRY ROLLINS<br />
<br />
DER KLEINE PRINZ<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
STAATLICHES RUSSISCHES BALLETT<br />
MOSKAU - SCHWANENSEE<br />
<br />
CELTIC WOMAN<br />
<br />
TICKETS:<br />
KARSTEN JAHNKE<br />
<br />
GMBH<br />
<br />
KJ.DE
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>274</strong>/ DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
Tipps ( 1)<br />
1. bis 15. <strong>Dezember</strong> <strong>2015</strong><br />
MUSIK<br />
Weihnachtsklassiker a-cappella<br />
Die vier Jungs von „Maybebop“ sind<br />
nicht nur hervorragende Sänger, sondern<br />
auch begnadete Entertainer. Dafür<br />
wurden sie mit mehreren A-cappella-<br />
Preisen ausgezeichnet. Die virtuosen<br />
Sänger mischen Eigenkompositionen<br />
mit originellen Arrangements von<br />
Weihnachtsklassikern – von George<br />
Michael bis Chris Rea. Und mit ihrem<br />
Charme animieren die vier Künstler<br />
auch das Publikum zum Singen.<br />
„Schenken – Achtung Weihnachtslieder!“<br />
heißt ihr aktuelles Programm. •<br />
Laeiszhalle, Johannes-Brahms-Platz,<br />
Sa, 12.12., 20 Uhr, 41,40/19,50 Euro<br />
VORTRAG<br />
Heimat finden!<br />
Lesung mit Dörte Hansen<br />
Mit ihrem Debütroman „Altes Land“<br />
hat es Dörte Hansen auf Anhieb in die<br />
Bestsellerliste geschafft. Die Geschichte<br />
spielt in einer Elbkate, wo sich über Generationen<br />
hinweg Flüchtlingsschicksale<br />
kreuzten: Die ostpreußische Adlige<br />
Hildegard von Kamcke strandet hier<br />
nach ihrer Flucht im Zweiten Weltkrieg,<br />
Tochter Vera verkriecht sich auf dem<br />
Hof vor den Nachbarn. Veras Nichte<br />
Anne flieht später vor der hektischen<br />
Großstadt aufs Land. Nach der Lesung<br />
diskutiert die Autorin mit Gabriele<br />
Woidelko von der Körber-Stiftung. •<br />
Körber Forum, Kehrwieder 12, „Heimat<br />
finden“. Eine Veranstaltung der Reihe<br />
„Erinnerung schafft Zukunft“, Do, 3.12.,<br />
19 Uhr, Eintritt frei, Anmeldung erforderlich<br />
unter www.koerberforum.de<br />
AUSSTELLUNG<br />
Auch Rasierpinsel haben<br />
eine Geschichte: NO NAME<br />
DESIGN klärt auf.<br />
Liebeserklärung ans<br />
Alltagsdesign<br />
Der Schweizer Produktgestalter Franco<br />
Clivio sammelt Gebrauchsgegenstände.<br />
Seine rund 1000 Rasierpinsel, Untersetzer,<br />
Taschenmesser, Bälle und Schuhspanner<br />
umfassende Kollektion ist jetzt<br />
in der Ausstellung „No Name Design“<br />
zu sehen. Die Schau würdigt die vielen<br />
unbekannten Designer, die mit ihren<br />
raffinierten und funktionalen Dingen<br />
unseren Alltag prägen. Fotograf Hans<br />
Hansen hat die Objekte in 30 Vitrinen<br />
liebevoll geordnet. Er erzählt auch die<br />
Geschichte ihrer Entstehung. •<br />
Museum für Kunst und Gewerbe,<br />
Steintorplatz, Fr, 11.12.–3.4.2016,<br />
Di–So, 10–18 Uhr, Do bis 21 Uhr,<br />
Heiligabend und Silvester geschlossen,<br />
1.+2. Weihnachtsfeiertag 12–18 Uhr,<br />
10/7 Euro, bis 17 Jahre frei<br />
LESUNG<br />
Regina Scheer macht<br />
deutsche Geschichte lebendig<br />
Machandel ist ein fiktives Dorf in<br />
Mecklenburg-Vorpommern und bildet<br />
den Rahmen für Regina Scheers gleichnamigen<br />
Roman. Im Mittelpunkt steht<br />
Clara. Die junge Berlinerin reist 1985<br />
mit ihrem Bruder Jan nach Machandel.<br />
Jan will aus der DDR ausreisen und<br />
vorher noch einmal den Ort seiner<br />
Kindheit besuchen. Bei dieser Reise<br />
entdeckt Clara ein altes Sommerhaus.<br />
Sie mietet es, arbeitet dort an ihrer Dissertation,<br />
taucht ein in die eigene Familiengeschichte.<br />
Währenddessen bilden<br />
sich in Ostdeutschland erste Oppositionsgruppen.<br />
Zwischen Engagement in<br />
den Bürgerbewegungen und der Auseinandersetzung<br />
mit der eigenen Vergangenheit<br />
erlebt Clara den Untergang<br />
der DDR. Der Roman hat noch mehr<br />
interessante Charaktere zu bieten. Zum<br />
Beispiel Natalja, die im Zweiten Weltkrieg<br />
als sogenannte Ostarbeiterin in<br />
den kleinen Ort kam und blieb. Oder<br />
Hans, der damals aus dem KZ Sachsenhausen<br />
nach Machandel fliehen<br />
konnte und schließlich Parteifunktionär<br />
in Berlin wurde. Regina Scheer liest als<br />
Gast der Reihe „Literatur und Geschichte“<br />
aus ihrem beeindruckenden<br />
Wenderoman. Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Redakteur<br />
Frank Keil moderiert den Abend. •<br />
Galerie Morgenland, Sillemstraße 79,<br />
Mi, 2.12., 19.30 Uhr, 3 Euro<br />
52
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
FOTOS: HANS HANSEN, SVEN SINDT; COLLAGEN: GRAFIKDEERNS<br />
MUSIK<br />
Rock statt Rente: Eveline Hall<br />
stellt Debütalbum vor<br />
Eveline Hall war Solotänzerin an der<br />
Hamburger Staatsoper und Showgirl in<br />
Las Vegas. Seit ein paar Jahren macht<br />
die nun 70-Jährige auch als Model<br />
Karriere. Jetzt startet die eindrucksvolle<br />
Künstlerin als Musikerin durch: Im<br />
Sommer veröffentlichte Eveline Hall<br />
ihr erstes Album. „Just a Name“ enthält<br />
eigene Stücke, aber auch einige Coverversionen.<br />
Leise Töne sind ihre Sache<br />
nicht: Mit kraftvoller Stimme singt sie<br />
überwiegend Rock-Songs, düstere<br />
Balladen und groovende Tanznummern.<br />
An den Ruhestand denkt Eveline Hall<br />
noch lange nicht: „Ich agiere wie eine<br />
30-Jährige. Außer meiner Krankenkasse<br />
interessiert mein Alter niemanden.“ •<br />
Stage Club, Stresemannstraße 163,<br />
Mo, 7.12., 20 Uhr, 23,70 Euro<br />
KINDER<br />
Nachts im Museum<br />
Wenn die Museumsbesucher weg sind,<br />
geht die Taschenlampenführung los.<br />
Kinder ab acht Jahren können mit der<br />
Ethnologin Claudia Chávez im Dunkeln<br />
auf Entdeckung gehen. Bitte eine<br />
eigene Taschenlampe mitbringen! •<br />
Museum für Völkerkunde, Rothen baumchaussee<br />
64, Fr, 4.12., 20.30 Uhr,<br />
10/7/4 Euro (8–17 Jahre)<br />
AUSSTELLUNG<br />
Der Handel auf den Meeren<br />
und wie ihn Künstler sehen<br />
16 Künstler haben sich für die Ausstellung<br />
„Streamlines“ mit Seehandel,<br />
Warenströmen, Hafen und Flucht auseinanderzusetzen<br />
– darunter documenta-<br />
Teilnehmer wie Ulrike Ottinger<br />
und Alfredo Jaar. Entstanden sind<br />
spannende Videoarbeiten, Skulpturen<br />
und Multimedia-Installationen. •<br />
Deichtorhallen, Deichtorstraße 1, 4.12.–<br />
13.3.2016, Di–So, 11–18 Uhr, erster<br />
Donnerstag im Monat bis 21 Uhr, Heiligabend<br />
und Silvester geschlossen, 1.+2.<br />
Weihnachtsfeiertag 11–18 Uhr, Neujahr<br />
13–18 Uhr, 10/6 Euro, bis 17 Jahre frei<br />
KINO<br />
Wasser auf Chiles Mühlen<br />
Es gibt Filme, die bewegen sich so langsam,<br />
dass man das Gefühl hat, man<br />
schwebe in einer Blase aus Langeweile<br />
rückwärts durch die Zeit. Gedehnte<br />
Kamerafahrten über schöne Landschaften,<br />
dazu Musik, als hätte man<br />
versehentlich eine Single auf Langspielplattentempo<br />
abgespielt. Auch wenn<br />
diesen Vergleich möglicherweise nur<br />
noch die Hälfte der Leser verstehen<br />
mag – ich denke, das Bild ist klar:<br />
Anspruchsvoller Doku-Kram von<br />
ambitionierten Filmemachern. Ohne<br />
kommerzielle Hintergedanken. Für ein<br />
paar Tausend Zuschauer. Mit klarer<br />
Botschaft. Solchen Filmen gehen die<br />
meisten Menschen aus dem Weg. Ich<br />
auch. Nur in der Vorweihnachtszeit<br />
nicht. Denn der tut Entschleunigung<br />
mal ganz gut. Und dazu geht es in<br />
ein Programmkino meiner Wahl.<br />
Und los geht’s mit dem Film „Der Perlmuttknopf“,<br />
einem poetischen Filmessay<br />
über die Ozeane als Spiegel der<br />
Weltgeschichte, gar der gesamten<br />
Geschichte des Universums. Das ist<br />
zunächst harter Tobak, am Ende jedoch<br />
alles andere als schwere Kost. Denn der<br />
chilenische Regisseur Patricio Guzmán<br />
beschreibt die Geheimnisse des Wassers<br />
derart bildverliebt und leicht verschroben,<br />
dass man sich nicht sattsehen mag.<br />
Und dabei erfährt der Zuschauer fast<br />
nebenbei die unterschiedlichen Philosophien<br />
über das Wasser als Lebenslieferant<br />
und Speichermedium der<br />
Geschichte. So findet man an der Küste<br />
Chiles, dem größten Archipel der Erde,<br />
zahlreiche Perlmuttknöpfe aus den<br />
letzten Jahrhunderten – englische Seeleute<br />
trugen diese an ihren Hemden.<br />
Ureinwohner von Patagonien, politische<br />
Gefangene – Guzmán haucht ihren<br />
längst verschollenen Geheimnissen<br />
und damit auch der brutalen Historie<br />
Chiles neues Leben ein. Dafür gab es<br />
auf der Berlinale <strong>2015</strong> den Silbernen<br />
Bären für das beste Drehbuch. Schön.<br />
Langsam. Und so tief wie der Meeresgrund<br />
zwischen den Kontinenten.<br />
Etwas Spannendes kann ich schließlich<br />
immer noch zwischen den Feiertagen<br />
schauen. ASCHMI<br />
•<br />
Neu im Kino ab Do, 10.12.<br />
BÜHNE<br />
„Raumstation Sehnsucht“ von<br />
Comic-Zeichner Ralf König<br />
Comic-Zeichner Ralf König schickt mit<br />
„Raumstation Sehnsucht“ endlich<br />
wieder das legendäre schwule Paar<br />
Konrad & Paul los. Paul schreibt einen<br />
Zukunftsroman, in dem alle Männer<br />
Erektionsprobleme haben, also wird<br />
Testosteron auf dem Mars abgebaut. Als<br />
Paul seine schwangere Schwester besucht,<br />
gibt’s auch noch Familienstress. •<br />
Schmidt Theater, Spielbudenplatz 24,<br />
Mo, 7.12., 20 Uhr, 18,50/27,30 Euro<br />
FILM<br />
Bei ihrer Musik haben die<br />
Jungs von MAYBEBOP<br />
einen besseren Geschmack<br />
als bei ihren Hosen.<br />
Respekt beim inklusiven<br />
Kurzfilmfestival „Klappe auf“<br />
Dokumentar-, Animations- und Spielfilmen,<br />
sowie Musikvideos – alles<br />
läuft beim inklusiven Kurzfilmfestival<br />
„Klappe auf“. Zu sehen sind die Geschichten<br />
eines ehemaligen Hooligans,<br />
einer Entwicklungshelferin in Afghanistan<br />
sowie ein Trickfilm über die<br />
Pubertät und ein Mockumentary über<br />
den Irakkrieg. Ausgerichtet wurde das<br />
Festival von behinderten und nichtbehinderten<br />
Menschen gemeinsam. •<br />
Klappe auf, 4.–6.12., Programm unter<br />
www.klappe-auf.com<br />
53
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>274</strong>/ DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
Tipps ( 2)<br />
(2)<br />
VORTRAG<br />
Thomas Kraupe erzählt die Geschichte<br />
des Weihnachtsst erns<br />
16. bis 31. <strong>Dezember</strong> <strong>2015</strong><br />
Da das Planetarium noch bis Ende<br />
2016 umgebaut wird, ist Direktor<br />
Thomas W. Kraupe quasi heimatlos.<br />
Astronomiefans müssen dennoch nicht<br />
auf Vorträge verzichten, denn der<br />
Wissenschaftler geht einfach an anderen<br />
Orten auf kosmische Spurensuche.<br />
„Das Sternenrätsel von Bethlehem“<br />
ergründet Kraupe in St. Jacobi. Gab<br />
es zur Zeit der Geburt Christi wirklich<br />
eine Himmelserscheinung, der die<br />
Weisen aus dem Morgenland folgten?<br />
Der Physiker nimmt sein Publikum mit<br />
auf eine ungewöhnliche Reise in die<br />
Vergangenheit. •<br />
Hauptkirche St. Jacobi, Jakobikirchhof 22,<br />
Fr, 18.12., 17 Uhr, Eintritt frei,<br />
Spenden erbeten<br />
LESUNG<br />
Lobgesang auf Udo Jürgens<br />
Viele Menschen trauerten, als im<br />
<strong>Dezember</strong> letzten Jahres Udo Jürgens<br />
starb. Autor Andreas Maier nahm seine<br />
eigenen Gefühle zum Anlass, um ein<br />
Jahr lang alle zwei Wochen regelmäßig<br />
die Kolumne „Mein Jahr ohne Udo<br />
Jürgens“ zu schreiben. Seine Auseinandersetzung<br />
mit dem Musiker erscheint<br />
nun als Buch. Andreas Maier liest<br />
ausgewählte Stellen und spricht mit<br />
Literaturhaus-Chef Rainer Moritz<br />
über den Künstler. Außerdem spielen<br />
die beiden Jürgens-Fans bekannte und<br />
weniger bekannte Songs. •<br />
Literaturhaus, Schwanenwik 38,<br />
„Der große Udo-Jürgens-Abend“,<br />
Mi, 16.12., 19.30 Uhr, 10/6 Euro<br />
BÜHNE<br />
Angela W. Röders<br />
spielt die Holocaust-<br />
Überlebende<br />
„ROSE“: Für die der<br />
Schrecken nicht endet.<br />
Stand-up Comedy mit Jens Ohle<br />
Jens Ohle liebt den Kontakt zum Publikum.<br />
Kein Abend, ohne dass der<br />
Artistik- und Comedykünstler mit dem<br />
Publikum plaudert oder Gäste auf<br />
die Bühne bittet. In seinem aktuellen<br />
Programm „Junge Frau zum Mitreisen<br />
gesucht“ sucht er logischerweise eine<br />
Assistentin. Aber auch die Männer im<br />
Publikum verwickelt er in witzige<br />
Aktionen. Dem Publikum gefällt Ohles<br />
freche Art, aber auch seine Artistik mit<br />
Leiter, Einrad und Motorsäge kommt<br />
stets gut an. •<br />
Ella Kulturhaus, Käkenflur 30,<br />
Do, 17.12., 20 Uhr, 5 Euro<br />
54<br />
BÜHNE<br />
„Dinner vor One“ – Geheimnisse<br />
um Miss Sophie und James<br />
Warum ist der Silvester-Klassiker<br />
„Dinner for one“ eigentlich so ein<br />
Erfolg? Wie sind die vier abwesenden<br />
Herren im Sketch eigentlich ums<br />
Leben gekommen? Und wer tötete<br />
den Tiger? Kuriose Fragen wie diese<br />
beschäftigen Michael Friederici schon<br />
lange. Als Gastgeber der „Schwarzen<br />
Hafen-Nächte“ in der Speicherstadt<br />
lädt er in jedem Jahr kurz vor der unvermeidlichen<br />
Fernsehausstrahlung am<br />
Silvesterabend Gäste aus Kultur und<br />
Wissenschaft ein, um unterhaltsam den<br />
„Dinner-for-One“-Kult zu erforschen<br />
– so ähnlich wie die Donaldisten sich<br />
in Entenhausen umsehen. In diesem<br />
Jahr geht er mit Unterstützung des<br />
Schauspielers Wilfried Dziallas einer<br />
besonders kniffeligen Frage nach:<br />
Wie haben sich Miss Sophie und ihr<br />
Butler James eigentlich kennengelernt?<br />
Selbstverständlich sind die beiden<br />
„Forscher“ dem Anlass entsprechend<br />
gekleidet – und freuen sich über ein<br />
ebenso festlich gestyltes Publikum. •<br />
Speicherstadt-Kaffeerösterei,<br />
Kehrwieder 5, „Miss Sophie oder:<br />
Wer hat den Tiger umgebracht?“,<br />
Di, 29.12., 20 Uhr, 7 Euro<br />
FOTOS: MARIANNE HAUTTMANN, DOMINIK BECKMANN, PRESSEFOTO; COLLAGEN: GRAFIKDEERNS
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
BÜHNE<br />
Bewegende Erinnerungen<br />
im Theaterstück „Rose“<br />
Rose ist einzige Überlebende in ihrer<br />
Familie. Sie hat den Krieg überlebt,<br />
das Warschauer Ghetto, den Tod ihres<br />
ersten Kindes und die Flucht nach<br />
Palästina und in die USA. Sie heiratet<br />
einen Matrosen; hofft, Ruhe finden zu<br />
können. Doch nun beginnt ihr Kampf<br />
mit einer Welt, in der selbst ihre Familie<br />
kein Verständnis für die Erfahrungen<br />
hat, die Rose bedrücken. Angela W. Röders<br />
glänzt in dem bewegenden Solo-<br />
Stück „Rose“ von Martin Sherman.<br />
•<br />
Monsun Theater, Friedensallee 20,<br />
16.–19.12., 20 Uhr, 15,90/13,40 Euro<br />
MUSIK<br />
Das barockt: Pop mit Laing<br />
Bekannt wurden „Laing“ 2012 durch<br />
eine Elektro-Version des alten Trude-<br />
Herr-Schlagers „Morgens bin ich immer<br />
müde“. Seitdem hat das Berliner<br />
Frauen-Quartett um Nicola Rost durch<br />
ihren frischen Pop viele Fans gewonnen.<br />
Die Musikerinnen überzeugen durch<br />
Witz, Schnoddrigkeit und Poesie.<br />
Das Motto ihrer Weihnachtsbühnenfeier:<br />
Barock. Die Damen werden mit<br />
weißen Lockenperücken und langen<br />
Kleidern erscheinen. Wenn sich auch<br />
das Publikum aufbrezelt – umso besser.<br />
Nach dem Konzert hängen „Laing“<br />
noch ein Dj-Set dran. •<br />
Knust, Neuer Kamp 30, So, 20.12.,<br />
20 Uhr, 22 Euro<br />
LAING: Elektroklänge<br />
plus<br />
Barockperücken.<br />
MUSIK<br />
Konzertabend zwischen<br />
Kästner und Karibik<br />
Die Puerto Ricanerin Judith Tellado<br />
kam vor acht Jahren der Liebe wegen<br />
nach Hamburg. Seitdem hat sie sich<br />
der Musik und der Malerei verschrieben<br />
und schon mehrere Alben veröffentlicht.<br />
Auf Deutsch, Englisch,<br />
Spanisch oder Portugiesisch besingt die<br />
Künstlerin das Großstadt-Leben vor<br />
ihrer Haustür in St. Pauli. Musikalisch<br />
bewegt sich die Sängerin zwischen<br />
Jazz, Salsa, Blues, Country und Soul.<br />
Als zweite Band steht „Vertiko“<br />
auf der Bühne. Das Jazz-Trio hat<br />
Erich-Kästner-Gedichte vertont. •<br />
Nochtspeicher, Bernhard-Nocht-Straße 69,<br />
Mi, 16.12., 20 Uhr, 17 Euro<br />
BÜHNE<br />
Kämpfen gegen das Vergessen<br />
Der ehemalige Antarktisforscher Werner<br />
lebt allein. Seine Ehe ist gescheitert,<br />
er ist geistig und körperlich verfallen.<br />
Tochter Ina pflegt ihn, stößt dabei aber<br />
an ihre Grenzen. Ina hat eigene Probleme:<br />
Sie nimmt an dem Onlineprojekt<br />
„Daytrack“ teil, das alle ihre Aktivitäten<br />
sammelt, kommentiert und optimiert.<br />
Ihr Onlinefreund Jens ist durch den<br />
Dokumentationswahn des Programms<br />
zu einer rein sinnlichen Lebenserfahrung<br />
bereits nicht mehr fähig.<br />
„Antarktis“ ist ein Drama über<br />
Demenz, die Angst vor der Auflösung<br />
des eigenen Ich und die Archivierung<br />
von Erinnerungen. Das Stück ist eine<br />
Eigenproduktion in der Reihe „Wortgefechte“<br />
des Sprechwerks.<br />
„Wir wollen uns<br />
mit gesellschaftspolitisch<br />
relevanten Standpunkten<br />
beschäftigen<br />
und dialogstarke<br />
Stücke auf die Bühne<br />
bringen“, so Konstanze<br />
Ullmer, die Leiterin<br />
des engagierten<br />
Theaters. •<br />
Sprechwerk, Klaus-Groth-<br />
Straße 23,<br />
Fr, 18.12., 20 Uhr,<br />
19/12,50 Euro<br />
55<br />
BÜHNE<br />
Neo-Soul made in Germany<br />
mit Rhonda<br />
Freunde richtig guten Retro-Souls sind<br />
bei „Rhonda“ richtig. Das norddeutsche<br />
Quintett erweckt Amy Winehouse,<br />
Booker T. & The M.G.’s und den<br />
Motown-Sound der 60er- und 70er-<br />
Jahre gekonnt zum Leben. Im Mittelpunkt<br />
steht die facettenreiche Stimme<br />
von Sängerin Milo Milone, die perfekt<br />
zu den mal fröhlichen, mal melancholischen<br />
Songs der Band passt. •<br />
Mojo Club, Reeperbahn 1,<br />
Sa, 19.12., 20 Uhr, 20,50 Euro<br />
MUSIK<br />
„Vielen Dank für die<br />
Blumen“: Im Literaturhaus<br />
wird UDO JÜRGENS<br />
heftig gefeiert.<br />
Schubert in der Mittagspause<br />
Die 1823 erfundene „Arpeggione“<br />
wurde seinerzeit auch „Bogen-Gitarre“,<br />
„Guitarre-Violoncell“ oder „Guitarre<br />
d’amour“ genannt. Wahrscheinlich wäre<br />
die ungewöhnliche Mischung aus Cello<br />
und Gitarre längst vergessen, hätte nicht<br />
Franz Schubert eine Sonate für sie komponiert.<br />
Die Arpeggione hat nicht überlebt,<br />
aber Cellisten freuen sich bis heute,<br />
dass Schuberts Stück ihr Repertoire<br />
bereichert. Johannes Krebs (Violoncello)<br />
und Franck-Thomas Link spielen das<br />
Stück bei den kostenlosen Lunch<br />
konzerten des Kammerkunstvereins. •<br />
Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1,<br />
Do, 17.12., 12.30 Uhr, Eintritt frei
JÜRGEN JOBSEN<br />
Kochen hat Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />
Vertriebsmitarbeiter<br />
Jürgen Jobsen schon früh<br />
zu Hause gelernt. Einer<br />
seiner ersten Versuche:<br />
„Kartoffelsalat wie bei<br />
meiner Mutter!“ Heute mag<br />
er es lieber mediterran mit<br />
viel Gemüse: „Paprika und<br />
Buschbohnen sind toll.“<br />
Seine Spezialität sind<br />
Pilze, selbst gesammelt:<br />
„Ich bin gern in der Natur.“<br />
Bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> wird<br />
übrigens regelmäßig<br />
gekocht, jeden Monat,<br />
wenn das neue Heft<br />
erscheint, und immer von<br />
anderen Hinz&Künztlern.<br />
Vichyssoise<br />
a la Jürgen<br />
50 g Butter<br />
2 Stangen Lauch<br />
650 g Kartoffeln<br />
1 getrocknete Chilischote<br />
2 Zehen Knoblauch<br />
300 ml Sahne<br />
750 ml<br />
..<br />
kraftige Fleischbrühe<br />
Saft von einer<br />
halben Zitrone<br />
Salz, Pfeffer<br />
Ein Klassiker<br />
heizt ein<br />
Jürgen liebt das feine französische Kartoffel-Lauch-Süppchen<br />
heiß aus dem Topf und feurig gewürzt.<br />
TEXT: JONAS FÜLLNER; FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
SO WIRD ES FÜR VIER PERSONEN GEKOCHT:<br />
1. Kartoffeln schälen und würfeln. Lauch putzen und in halbe Ringe schneiden.<br />
Im Original wird nur das Weiße des Lauchs verwendet, damit die Suppe schön<br />
weiß bleibt. Jürgen verwendet die ganze Stange, denn ihm ist die Farbe nicht so<br />
wichtig, und im Grün steckt viel Geschmack.<br />
2. Butter in einem Topf zerlassen. Lauchringe darin weich dünsten, aber nicht<br />
braun werden lassen. Knoblauch und Chili fein hacken und eine Minute mitdünsten.<br />
3. Mit der Brühe ablöschen und Kartoffelwürfel hinzugeben. Kurz aufkochen und<br />
dann bei geringer Hitze 30 Minuten köcheln lassen.<br />
4. Mit einem Pürierstab durchmixen. Im Original wird die Suppe sogar passiert,<br />
Jürgen mag es, wenn sie nicht zu fein ist.<br />
5. Sahne hinzugeben. Mit Zitronensaft, Salz und Pfeffer abschmecken und noch<br />
einmal kurz aufkochen. Zum Servieren mit Röllchen vom Lauch bestreuen.<br />
Getestet von MAMPF: www.mampf-hh.de<br />
56
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Rätsel<br />
ILLUSTRATION (BLEISTIFT): BERND MÖLCK-TASSEL<br />
Rache,<br />
Revanche<br />
englischer<br />
Graf<br />
Redekünstler<br />
Schreibweise<br />
durchsichtiges<br />
Gewebe<br />
Inbesitznahme<br />
österreichisch:<br />
Februar<br />
Tierpfote,<br />
Pranke<br />
Fenstervorhang<br />
griechische<br />
Vorsilbe:<br />
neu...<br />
ostasiatischer<br />
Zierbaum<br />
amerik.<br />
Wort der<br />
Zustimmung<br />
gewissermaßen,<br />
sozusagen<br />
Ritter<br />
der<br />
Artusrunde<br />
Gymnasialklasse<br />
(veraltet)<br />
Spion<br />
5<br />
8<br />
1<br />
englisch:<br />
Verabredung<br />
lateinisch:<br />
Wasser<br />
7<br />
1<br />
2<br />
2<br />
2<br />
4<br />
2<br />
7<br />
Kapitän Empfangsbüro<br />
im<br />
bei „Moby<br />
Hotelfoyer<br />
Dick“<br />
3<br />
1<br />
7<br />
6<br />
4<br />
4<br />
5<br />
8<br />
2<br />
7<br />
4<br />
1<br />
Untier,<br />
Unmensch<br />
eine der<br />
Chariten<br />
Sitzpolster<br />
2<br />
3<br />
1<br />
kurbeln<br />
5<br />
3<br />
7<br />
6<br />
4<br />
Hülsenfrucht<br />
Elternteil<br />
(Statistik)<br />
besond.<br />
Ereignis<br />
(engl.)<br />
sehr<br />
leichte<br />
Holzart<br />
dünne<br />
Schicht,<br />
die etwas<br />
überzieht<br />
Hochsprunggerät<br />
Viehhüter<br />
6<br />
4<br />
3<br />
9<br />
einfarbig<br />
lateinisch:<br />
ich<br />
Füllen Sie das Gitter so<br />
aus, dass die Zahlen von<br />
1 bis 9 nur je einmal in jeder<br />
Reihe, in jeder Spalte und<br />
in jedem Neun-Kästchen-Block<br />
vorkommen.<br />
Als Lösung schicken Sie<br />
uns bitte die unterste, farbig<br />
gerahmte Zahlenreihe.<br />
Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
per Fax an 040 30 39 96 38 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />
Einsendeschluss: 29. <strong>Dezember</strong> <strong>2015</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet, kann<br />
zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle oder eines von drei Büchern<br />
„Kommt der Mindestlohn überall an?“ von Stefan Körzell/Claudia Falk<br />
(VSA Verlag) gewinnen. Das Lösungswort beim Kreuzworträtsel war:<br />
Windmuehle. Die Sudoku-Zahlenreihe war: 968 357 241<br />
9<br />
9<br />
6<br />
7<br />
auf dem<br />
Wege<br />
über<br />
(latein.)<br />
Altweltechse<br />
8<br />
5<br />
4<br />
Krankentransportgerät<br />
Aufsehen,<br />
Knall,<br />
Skandal<br />
englisch:<br />
Osten<br />
Cocktail<br />
aus Cassis<br />
und<br />
Weißwein<br />
9<br />
8<br />
Ort auf<br />
der Insel<br />
Ameland<br />
Inschrift<br />
am<br />
Kreuze<br />
Jesu<br />
Hauptstadt<br />
von<br />
Niederbayern<br />
6<br />
10<br />
10<br />
linker<br />
Nebenfluss<br />
der Donau<br />
(Bayern)<br />
asiatischer<br />
Grunzochse<br />
AR1115-0215_5<br />
57<br />
Impressum<br />
Redaktion und Verlag<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />
Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />
Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 30 39 96 38<br />
Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />
E-Mail info@hinzundkunzt.de<br />
www.hinzundkunzt.de<br />
Herausgeber<br />
Landespastor Dirk Ahrens,<br />
Diakonisches Werk Hamburg<br />
Externer Beirat<br />
Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />
Mathias Bach (Kaufmann), Rüdiger Knott (ehem. NDR 90,3-Programmchef),<br />
Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />
Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />
Beate Behn (Lawaetz-Service GmbH), Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />
Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />
Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />
Geschäftsführung Dr. Jens Ade<br />
Redaktion Birgit Müller (v.i.S.d.P.),<br />
Frank Keil (CvD, Stellv.), Annette Woywode<br />
Mitarbeit Sybille Arendt, Jonas Füllner,<br />
Ulrich Jonas, Misha Leuschen, Uta Sternsdorff, Kerstin Weber,<br />
Kim Bösch (Grafik-Mitarbeiterin)<br />
Redaktionsassistenz Sonja Conrad,<br />
Dina Fedossova<br />
Online-Redaktion Simone Deckner, Jonas Füllner<br />
Artdirektion grafikdeerns.de<br />
Öffentlichkeitsarbeit Isabel Schwartau, Friederike Steiffert<br />
Anzeigenleitung Isabel Schwartau<br />
Anzeigenvertretung Christoph Wahring,<br />
Wahring & Company, Tel. 040 284 09 40, info@wahring.de<br />
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 20 vom 1. Januar <strong>2015</strong><br />
Vertrieb Marcus Chomse, Jonas Göbel, Christian Hagen (Leitung),<br />
Sigi Pachan, Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov, Frank Nawatzki,<br />
Sven Schadofske, Cristina Stanculescu, Marcel Stein,<br />
Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />
Rechnungswesen/Systemadministration Frank Belchhaus<br />
Spendenmarketing Gabriele Koch<br />
Spendenverwaltung Susanne Wehde<br />
Sozialarbeit Ana-Maria Ilisiu, Stephan Karrenbauer, Isabel Kohler<br />
Litho PX2@ Medien GmbH & Co. KG<br />
Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />
Druck A. Beig Druckerei und Verlag GmbH & Co.KG<br />
Umschlag-Druck Neef+Stumme premium printing GmbH & Co. KG<br />
Verarbeitung Delle und Söhne, Buchbinderei<br />
und Papierverarbeitungsgesellschaft mbH<br />
Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
IBAN: DE56 200505501280167873<br />
BIC: HASPDEHHXXX<br />
Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />
Freistellungsbescheid des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer<br />
17/414/00797, vom 15.11.2013 nach §5 Abs.1 Nr. 9<br />
des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />
§3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />
Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister<br />
beim Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen. Wir bestätigen,<br />
dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong> einsetzen.<br />
Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weitergegeben.<br />
Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf www.hinzundkunzt.de.<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das obdachlosen und<br />
ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />
Das Magazin wird von Journalisten geschrieben, Wohnungslose und<br />
ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter<br />
unterstützen die Verkäufer.<br />
Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />
Gesellschafter<br />
Durchschnittliche monatliche<br />
Druckauflage 4. Quartal <strong>2015</strong>:<br />
93.000 Exemplare
Momentaufnahme<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>274</strong>/ DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
Anke muss den<br />
Winter nicht mehr<br />
fürchten. Sie hat<br />
einen Platz im<br />
CONTAINER<br />
ergattert.<br />
Die Kämpferin<br />
Anke, 46, verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> in der Innenstadt.<br />
TEXT: ULRICH JONAS<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Das Winternotprogramm ist Ankes Rettung.<br />
Seit Kurzem hat sie endlich wieder<br />
ein Dach über dem Kopf. Ein kleines<br />
zwar, aber immerhin. Die 46-Jährige<br />
und ihr Freund haben einen der begehrten<br />
Container ergattert, die Kirchengemeinden<br />
im Winter auf ihr Gelände<br />
stellen, um Obdachlose vor dem Erfrieren<br />
zu schützen. Anke ist glücklich. Sie<br />
sagt: „Endlich können wir mal ungestört<br />
schlafen. Und duschen!“<br />
Die Wochen zuvor hat Anke mit ihrem<br />
Freund in einem Park im Zelt geschlafen.<br />
Kalt war es da und nass. So et-<br />
was ist schon für gesunde Menschen<br />
schlimm, für die Hinz&Künztlerin aber<br />
war es die Hölle. Denn Anke ist krank.<br />
Vor einem Jahr musste sie sich eine<br />
Spenderniere einsetzen lassen. „Ich hatte<br />
eine Schrumpfniere, eines Tages sagte<br />
der Arzt: ,So geht es nicht weiter!‘“<br />
Die Operation verlief gut, ihr Körper<br />
hat das fremde Organ angenommen.<br />
Doch Anke muss aufpassen. Im<br />
Oktober bekommt sie eine Nierenbeckenentzündung,<br />
vermutlich Folge des<br />
Lebens auf der Straße. Die Mobile Hilfe<br />
für Obdachlose gibt ihr ein Antibiotikum<br />
und starke Schmerzmittel. „Ohne<br />
die würde ich die Decke hochgehen“,<br />
sagt Anke. Doch auf Dauer ist das keine<br />
Lösung. „Ich muss ins Warme“, weiß<br />
die Hinz&Künztlerin – und kann nun<br />
erst mal durchatmen.<br />
„Ich bin eine Kämpferin. Ich bin<br />
schon so oft wieder aufgestanden“, sagt<br />
Anke. Die gebürtige Mainzerin verliert<br />
früh ihre Eltern. Die Mutter stirbt, als<br />
sie drei ist. Der Vater will sich nicht<br />
kümmern. Anke wächst bei den Großeltern<br />
auf. Es ist eine gute Zeit, trotz allem:<br />
„Ich war Omas Liebling.“ Als sie<br />
16 ist, stirbt die Großmutter, ein Jahr<br />
später auch der Großvater. Anke landet<br />
das erste Mal auf der Straße. „Dann habe<br />
ich mir aber bald einen Arschtritt gegeben“,<br />
erzählt sie.<br />
Anke bringt es bis zur Goldschmiedemeisterin.<br />
Sie eröffnet ein kleines Geschäft<br />
– und steht bald vor einem Schuldenberg.<br />
„Ich war zu gutmütig“, sagt<br />
Anke rückblickend. Immer wieder habe<br />
sie für Freundinnen und Bekannte<br />
Schmuckstücke gefertigt, sich dafür aber<br />
viel zu schlecht bezahlen lassen.<br />
„Und dann war da noch der liebe<br />
Alkohol“, sagt Anke. 21 ist sie da. Es<br />
fängt harmlos an, „abends mal ein Bierchen<br />
vorm Partymachen“. Bald merkt<br />
sie, dass sie das Bier schon morgens<br />
braucht. In ihren schlechtesten Zeiten<br />
trinkt sie drei Flaschen Korn pro Tag.<br />
Vieles geht in der Folge schief. Anke<br />
bekommt ein Kind, doch die Beziehung<br />
zum Vater zerbricht schnell und die<br />
Tochter lebt heute in einer Pflegefamilie.<br />
Immer wieder verliert Anke ihre<br />
Wohnung. Und nachdem sie einen<br />
Mann krankenhausreif schlägt, muss sie<br />
dreieinhalb Jahre ins Gefängnis.<br />
Eine Bauchspeicheldrüsenentzündung<br />
bringt die Wende. Sechs Wochen<br />
liegt sie im Krankenhaus, „mit Entgiftung“.<br />
Um Schnaps macht sie seitdem<br />
einen Bogen. Und auf die zwei bis drei<br />
Dosen Bier, die sie täglich trinkt, will sie<br />
bald verzichten: „Das kriege ich noch<br />
hin. So kann es nicht weitergehen.“ •<br />
A. Beig<br />
Druckerei und Verlag<br />
GmbH & Co. KG<br />
Damm 9-19, 25421 Pinneberg<br />
Tel. 0 41 01/5 35-0<br />
Wir sorgen für den nötigen Druck!<br />
In unserer modernen und leistungsstarken Druckerei in Pinneberg<br />
produzieren wir neben unseren eigenen Publikationen auch zahlreiche<br />
Fremdaufträge. Wir stellen jährlich so ca. 90 Mio. Zeitungen her<br />
und verarbeiten über 350 Mio. Beilagen.<br />
www.a-beig.de
KUNZT-<br />
KOLLEKTION<br />
BESTELLEN SIE DIESE UND WEITERE PRODUKTE BEI: Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH,<br />
www.hinzundkunzt.de/shop, shop@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
Tel. 32 10 83 11. Preise zzgl. Versandkostenpauschale von 2,50 Euro bis 4 Euro,<br />
Ausland auf Anfrage. Versand ab 100 Euro Warenwert kostenlos.<br />
4.<br />
1.<br />
1. Bio-Schwarztee-Mischung<br />
Aromatisiert mit Kakao und Vanillegeschmack.<br />
Zutaten: Schwarzer Tee*, Kakaoschalen*, Zimt*,<br />
Orangenschalen*, *aus kontrolliert biologischem<br />
Anbau (k. b. A.). 100 g, Nachfülldose,<br />
Preis: 7,50 Euro<br />
Bio-Rotbuschtee<br />
Mit Kakao-Orange aromatisiert. Zutaten:<br />
Rotbuschtee*, Kakaoschalen*, Zimt*,<br />
Orangenschalen*, *k. b. A., 75 g,<br />
Nachfülldose, Preis: 7,50 Euro<br />
Beide Sorten: In Kooperation mit dem<br />
Chocoladenmuseum Chocoversum.<br />
Hersteller: Dethlefsen&Balk<br />
1.<br />
2. 3.<br />
5.<br />
2.<br />
3.<br />
2. Weihnachtspostkarten „Danya“<br />
5 Klappkarten mit Umschlag,<br />
Innenseiten blanko, Preis: 6 Euro<br />
3. „Gegens Abstempeln“<br />
10 selbstklebende 62-Cent-Briefmarken<br />
mit Porträts von Hinz&Künztlern im A5-Heftchen.<br />
Konzeption: Agentur Lukas Lindemann Rosinski,<br />
Preis: 11 Euro<br />
4. „Hamburg Hommage“ Klappkarten<br />
5 verschiedene Motive mit Umschlag,<br />
DIN A6, Fotograf Mauricio Bustamante<br />
Preis: 8 Euro<br />
5. „Hamburg Hommage“ Print<br />
Format 40 x 40 x 2,5 cm, fotokaschiert auf<br />
MDF-Platte, mit Bienenwachs versiegelt, einzeln<br />
angefertigter Rahmen aus Palettenholz<br />
5 verschiedene Motive:<br />
1. #118 / 2. #058 / 3. #153 / 4. #095 / 5. #117<br />
Preis: 99 Euro<br />
6. „Hamburg zeigt Herz“-Becher<br />
Porzellanbecher mit Silikondeckel, in<br />
Deutschland gefertigt. Idee und Design von einer<br />
Auszubildendengruppe der Firma OTTO.<br />
Preis: 8,50 Euro<br />
7. „Ein mittelschönes Leben“<br />
Eine Geschichte für Kinder über Obdachlosigkeit<br />
von<br />
Kirsten Boie, illustriert von Jutta Bauer.<br />
Preis: 4,80 Euro<br />
4. 5.<br />
7.<br />
6.
Eine der wichtigsten<br />
Wärmequellen für Hamburg<br />
Am Guten soll man festhalten. So halten wir es auch mit unserem<br />
Einsatz für Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Seit April 2000 unterstützt E.ON Hanse das<br />
Hamburger Straßenmagazin. Und daran wird sich nichts ändern.<br />
Auch als HanseWerk werden wir unser Engagement fortsetzen. Mehr<br />
menschliche Wärme – eine der wichtigsten Energien für den Norden.<br />
Energielösungen für den Norden