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Reformationsjubiläum / Wie Zwingli auf die Leinwand<br />
Soll Zwingli auf der Leinwand sterben? Welche Rolle spielt seine Frau? Und wie nah<br />
bleibt man bei den Fakten? Besuch bei den Machern des Zwingli-Films. Von Christian Schenk<br />
Zwingli kommt ins Kino. Nicht als Dokumentation,<br />
nicht als religionspädagogisches<br />
Lehrstück, sondern als Spielfilm<br />
für ein breites Publikum. So viel ist seit<br />
letzten Sommer bekannt, ebenso, dass<br />
die renommierte Produktionsfirma C-<br />
Films den Streifen fristgerecht zum<br />
500-Jahr-Jubiläum des Zürcher Reformators<br />
Ende 2018 auf die Leinwand<br />
bringen will.<br />
Es ist Mitte Dezember 2015. In einem<br />
schmuck renovierten Altbau im Zürcher<br />
Seefeld lädt Produzentin Anne Walser<br />
zur Arbeitssitzung. An den Wänden<br />
hängen die Filmplakate, die daran erinnern,<br />
dass es das Unternehmen versteht,<br />
viel beachtete Produktionen in die<br />
Schweizer Kinos zu bringen: «Akte<br />
Grüninger», «Nachtzug nach Lissabon»,<br />
«Dr Golie bin ig». Am Tisch sitzen<br />
die Drehbuchautorin Simone<br />
Schmid, der designierte Regisseur Stefan<br />
Haupt (letzthin ausgezeichnet für<br />
«Der Kreis») und Anne Walser.<br />
Todes-Szene<br />
«Wir diskutieren gerade, ob Zwingli im<br />
Film sterben soll», sagt die Produzentin<br />
mit einem Lächeln, lässt die Frage dann<br />
aber – wie fast alle zu Inhalt und Schauplätzen<br />
– offen. Alles ist noch im Entstehen,<br />
kann heute an diesem Tisch noch<br />
geändert werden und ist schlicht zu früh,<br />
um kommuniziert zu werden. Ob der<br />
grauslige Tod des Reformators im<br />
Schlachtgetümmel von Kappel dereinst<br />
ins Bild kommt, gar die Vierteilung seiner<br />
Leiche? Man kann und darf es also<br />
noch nicht wissen.<br />
Nur so viel: Die Fachkompetenz für<br />
die filmische Umsetzung von solch<br />
schauderhaften Szenen liesse sich in dieser<br />
Runde abrufen. Simone Schmid gehört<br />
bei der Schweizer Krimiserie «Der<br />
Bestatter» zum Team der Drehbuchschreiber.<br />
Auf ihrem Laptop flimmert<br />
an diesem Nachmittag aber nicht Stoff<br />
für einen Prime-Time-Krimi, sondern<br />
der Skript-Entwurf über das Leben und<br />
Wirken einer historischen Figur, die vor<br />
einem halben Jahrtausend von Zürich<br />
aus der Reformation zum Durchbruch<br />
verholfen und Kirche und Gesellschaft<br />
weltweit verändert hat.<br />
Zwingli gegen Abzocker<br />
Mit den Ideen und dem Leben dieses<br />
Mannes, seiner Frau Anna, seinen Liebschaften,<br />
seinen Weggefährten und<br />
Kontrahenten hat sich die 36-jährige<br />
Journalistin in den letzten Monaten intensiv<br />
beschäftigt. Sie hat sich durch Geschichtsbücher<br />
und Biografien gewühlt,<br />
Schriften des Reformators gelesen und<br />
immer wieder gestaunt über den Mann<br />
aus dem <strong>16</strong>. Jahrhundert. So ganz anders,<br />
als ihn die Klischees beschreiben,<br />
habe sie diesen Zwingli kennen gelernt:<br />
Da gelten beispielsweise die Reformatoren<br />
gemeinhin als Wegbereiter des Kapitalismus<br />
– und da lese sie in den Quellen,<br />
wie heftig Zwingli den «Abzockern» seiner<br />
Zeit entgegentritt. Zwingli als Revolutionär<br />
und Kapitalistenschreck? Man<br />
wird sehen, wie viel von dieser Facette<br />
auf die Leinwand kommt.<br />
Mann mit Leidenschaft<br />
Und wie ist es mit dem anderen und berüchtigtsten<br />
aller Zwingli-Klischees: der<br />
Sittenstrenge und Spassphobie, die man<br />
dem Reformator bis heute übel nachredet?<br />
Hier darf man von der Filmcrew<br />
einen Kurswechsel erwarten – und nicht<br />
nur, weil ein emotionalerer Zwingli sich<br />
besser vermarkten lässt und dichterische<br />
Freiheiten natürlich auch im Kinometier<br />
erlaubt sind, wie Anne Walser betont.<br />
Das auch. Aber ebenso, weil die<br />
Quellen alles andere als eine spröde Persönlichkeit<br />
vom berühmtesten aller Zürcher<br />
Pfarrer zeichnen. «Zwingli ist leidenschaftlich,<br />
sinnlich, musikalisch. Er<br />
hat die Frauen gern. Sexualität spielt<br />
eine grosse Rolle, und der Mann ist hyper-intelligent,<br />
eigensinnig und oft auch<br />
widersprüchlich», so charakterisiert Simone<br />
Schmid die historische Figur.<br />
Stoff für grosses Kino und eine grosse<br />
Rolle. Wer sie besetzen wird? Kein Kommentar<br />
natürlich auch hier.<br />
Das Projekt Zwingli-Film bleibt zu<br />
diesem Zeitpunkt also ein Geheimnis.<br />
Dass es die Produktion aber tatsächlich<br />
in drei Jahren auf die Leinwand schafft<br />
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