notabene_1-16
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Leserbrief / Qualität fördern statt Kirche<br />
verstecken<br />
Foto: «Tages-Anzeiger»<br />
«<strong>notabene</strong>» 10/15: Leserbrief «Ab in den<br />
Papierkorb?»<br />
Jost Ohler fragt in seinem Leserbrief, ob<br />
wir uns auch schon überlegt hätten, dass<br />
das Corporate Design auch «negativen<br />
Wiedererkennungswert» haben könne.<br />
Natürlich kann es das. Aber ist es das<br />
Problem des CD, wenn die Qualität der<br />
Angebote nicht stimmt? Sollen wir aus<br />
Angst, die Angebote würden nicht zu<br />
überzeugen vermögen, tunlichst vermeiden,<br />
Kirchliches mit Kirche zu etikettieren?<br />
Geht die Forderung nicht seit Jahren<br />
grad in die umgekehrte Richtung,<br />
nämlich möglichst überall Kirche drauf<br />
zu schreiben, wo auch Kirche drin ist?<br />
Wie wichtig das ist, hat gerade die Abstimmung<br />
2014 eindrücklich belegt. Der<br />
Weg wäre also wohl eher, an der Qualität<br />
der «minderen Angebote» zu arbeiten,<br />
als deren kirchliche Urheberschaft zu<br />
verstecken.<br />
Weiter bedauert Herr Ohler, dass das<br />
CD nicht kommuniziere, «dass unsere<br />
Kirchgemeinden sich ständig neu in die<br />
Aktualität unserer Gesellschaft hinein erfinden».<br />
Ja, das kann ein CD tatsächlich<br />
nicht, und das ist auch nicht seine Aufgabe.<br />
Dafür gibt es zahlreiche andere<br />
Möglichkeiten und Instrumente, die eine<br />
Kirchgemeinde nutzen kann, wenn sie<br />
denn nur will. Und schliesslich: Die Einheitlichkeit<br />
des CD bedeutet nicht eine<br />
Vereinheitlichung der Gemeinden. Es<br />
steht darum auch nicht im Widerspruch<br />
zur Vielfalt von deren Aktivitäten, wie<br />
Herr Ohler glaubt, sondern ist gerade<br />
jene Plattform, welche die Vielfalt erst<br />
sichtbar macht – denn ohne Bezugspunkt<br />
wäre sie nicht Vielfalt, sondern Chaos.<br />
Und es sind ihrerseits dann die verschiedenen<br />
Identitäten der Kirchgemeinden –<br />
Jost Ohler fordert sie zu Recht ein –, die<br />
in ihrer Summe die Vielfalt der Landeskirche<br />
bilden.<br />
Nicolas Mori, Leiter Kommunikation<br />
Liebe Reformierte<br />
«Selber denken. Die Reformierten.»<br />
Der Slogan der umstrittenen Imagekampagne<br />
aus dem Jahr 2000 hat<br />
mir immer gefallen. Weil er auf der<br />
Suche nach dem viel bemühten reformierten<br />
Profil hilfreich ist. Reformation<br />
hat mit Reflexivität zu tun,<br />
mit dem Wort und dem mündigen<br />
Individuum. Mir scheint, die Zürcher<br />
Kirche ist dabei, das aus dem Blick<br />
zu verlieren.<br />
Wohl auch, weil sie in den Strukturdebatten<br />
von KirchGemeindePlus<br />
und einer einzigen städtischen<br />
Kirchgemeinde gefangen ist. Diese<br />
werden in den nächsten Jahren viele<br />
Kräfte binden, auf Kosten der Inhalte.<br />
Als Journalist spüre ich wenig<br />
Lust, die Diskussion über Gemeindegrössen<br />
oder die optimale Verwaltung<br />
von Liegenschaften zu begleiten.<br />
Wenn schon, interessiert mich an<br />
diesem Prozess, wie sich die Reformierten<br />
als Minderheit zurechtfin-<br />
Campus Kappel / «Ist Gott tot?» Grosse<br />
Fragen für künftige Theologen<br />
Lässt sich auf theologische Diskussionen ein:<br />
Zürcher Popmusiker Dabu Bucher.<br />
sch. Zum vierten Mal laden die reformierten<br />
Kirchen und theologischen<br />
Fakultäten der Deutschschweiz zur<br />
Theologiewoche vom 18. bis 22. Juli im<br />
Kloster Kappel. Die Veranstalter werfen<br />
dabei grosse und provokativen Fragen<br />
auf, denen sie zusammen mit theologisch<br />
interessierten Jugendlichen auf den<br />
Grund gehen wollen. Ist Gott tot? Wie<br />
viel Fremdes vertragen wir? Wie perfekt<br />
muss ich sein? Als Zugpferde und intellektuelle<br />
Sparringpartner dienen auch<br />
diesmal namhafte Persönlichkeiten aus<br />
Kultur, Gesellschaft, Theologie und Naturwissenschaft.<br />
Mit dabei sind die<br />
Theologin Ella de Groot, der Islamwissenschaftler<br />
Serdar Kurnaz, der Schweizer<br />
Popmusiker Dabu Bucher (Dabu<br />
Fantastic) oder der Plastische Chirurg<br />
Urs Hug. Mit dem Campus sollen Jugendliche<br />
zwischen <strong>16</strong> und 22 Jahren aus<br />
der ganzen Schweiz für ein Theologie-<br />
Studium motiviert werden. Interessierte<br />
müssen sich für die Teilnahme an der<br />
Theologiewoche bewerben.<br />
Teilnahmebedingungen und Anmeldung:<br />
www.campuskappel.ch<br />
dabufantastic.ch<br />
«Die Kirche wird nicht<br />
an Strukturreformen<br />
gesunden.»<br />
den, wie sie ihre Rolle und Botschaft<br />
im säkular-pluralen Umfeld<br />
definieren. Die Einwanderungsgesellschaft<br />
und ihre kulturell-religiösen<br />
Spannungen werden uns zusehends<br />
beschäftigen. Der ideale Ort<br />
der Auseinandersetzung wäre eine<br />
Stadtakademie. Es ist leider symptomatisch,<br />
wie leicht man sich von<br />
diesem Projekt verabschiedet hat.<br />
Die Erinnerung an den zugkräftigen<br />
Brand «Boldern» ist offensichtlich<br />
verblasst.<br />
Ein Think-Tank, der an gesellschaftlichen<br />
Brennpunkten in die Tiefe<br />
denkt, entspräche doch dem reformierten<br />
Proprium. Die reformierte<br />
Kirche wird nicht an Strukturreformen<br />
gesunden, schon weil für sie<br />
die Institution nicht heilswirksam<br />
ist. Auch nicht an «Fresh expressions»,<br />
die sie der evangelikalen<br />
Event-Ästhetik entlehnt. Reformierte<br />
werden ihrer Berufung gerecht,<br />
wenn sie «selber denken».<br />
Michael Meier ist Theologe und beim<br />
«Tages-Anzeiger» für kirchliche und<br />
religiöse Themen zuständig.<br />
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