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Magazin für Stadtkultur Schlachthof / Lagerhaus HASS WUT ZORN
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HASS WUT ZORN
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Als es losging mit Pegida und wöchentlich immer mehr Menschen in Dresden auf die<br />
Straßen gingen, um die Heimat vor den anbrandenden Ausländerhorden zu schützen,<br />
liefen zahlreiche Kamerateams mit. Die Interviews mit den Demonstranten waren<br />
aufschlussreich, nicht im Hinblick auf das, was gesagt wurde – die hierzulande<br />
üblichen Wortblähungen wie ›kriminelle Ausländer‹, ›Abendland‹ und ›Lügenpresse‹ –<br />
interessant war die Art und Weise, in der die angeblich besorgten Bürger sich artikulierten.<br />
Den Interviewten war ihre Aufgewühltheit anzusehen: die Stimme schrill oder am<br />
Zittern, die Augen geweitet.<br />
Die Interviews hatten aufklärerischen Wert und es ist schade, dass es zuletzt kaum<br />
noch Aufnahmen von den Demonstrationen gab; schlicht, weil die besorgten Bürger vor<br />
einigen Monaten dazu übergegangen sind, Journalisten zu attackieren. Insbesondere<br />
der Auftritt einer älteren Dame war sehr klärend: ›Ich bin voller Hass! Voller Hass!‹,<br />
kreischte die Unglückliche ins Mikro und machte klar, worum es bei dem tristen<br />
Marsch eigentlich geht. Es regieren die Affekte und es manifestierte sich hier weder<br />
Wut (die als ›berechtigter Zorn‹ berechtigt wäre) noch Aggression (die, wenn sie sich<br />
gegen ein tatsächlich bedrohliches Objekt richtet, notwendig ist), es artikulierte sich<br />
der blanke Hass. Bevor man sich Gedanken macht, ob bzw. wie man auf den wieder<br />
aufbrandenden Rassismus reagiert, muss man sich klarmachen, womit man es hier zu<br />
tun hat. Wodurch unterscheidet sich Hass von verwandten Affekten?<br />
Von der Verachtung unterscheidet sich der Hass dadurch, dass dem Gehassten eine<br />
immense Wichtigkeit eingeräumt wird. Wer verachtet, schaut herab und wähnt sich<br />
souverän, der Hassende hingegen erlebt sich immer als verletzt. Hass ist immer Abwehr<br />
und die Bedrohung durch das Fremde wird als eine unmittelbar körperliche erlebt. Der<br />
Psychoanalytiker Erich Fromm hat zwischen reaktivem und charakterbedingtem Hass<br />
unterschieden. Beiden Formen gemeinsam sei das Gefühl der Ohnmacht, das ihnen<br />
vorausgeht. Der reaktive Hass meint nach Fromm eine ›Hassreaktion (…) aufgrund<br />
eines Angriffs auf mein Leben, meine Sicherheit, auf meine Ideale oder auf eine andere<br />
Person, die ich liebe oder mit der ich identifiziert bin‹. Man könnte diese Form des<br />
Hasses der besseren Trennschärfe wegen auch schlicht als Aggression fassen.<br />
Der charakterbedingte Hass ist nach Fromm losgelöst von seinem Anlass, er ist, in<br />
Form einer Feindseligkeit, die Teil der Persönlichkeit geworden ist, immer schon da: ›Im<br />
Falle des reaktiven Hasses ist es die Situation, die den Hass erzeugt; im Falle des<br />
charakterbedingten Hasses hingegen wird eine nicht-aktivierte Feindseligkeit durch die<br />
Situation aktualisiert.‹<br />
Der Versuch, die ›Sorgen‹ dieser Leute ernstzunehmen,<br />
führt nicht weit. Die Islamisierung Dresdens beispielsweise<br />
stagniert seit geraumer Zeit bei circa 0,3 Prozent<br />
Muslimen. Vergleicht man beispielsweise die Kosten der<br />
Bankenrettung nach der letzten Finanzkrise mit denen<br />
der sogenannten Flüchtlingskrise, kann man sich über<br />
die Heftigkeit des Protests beziehungsweise über sein<br />
Ausbleiben nur wundern. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft<br />
(IfW) beziffert die Kosten für die ›Integration der<br />
Flüchtlinge‹ auf 45 Milliarden Euro pro Jahr. Und die<br />
Bankenrettung? ›Auf der Kostenseite stehen in Deutschland<br />
rund 220 Milliarden Euro Bruttoschulden durch die<br />
Bad Banks als direkte Folge der Finanzkrise‹, konstatiert<br />
Jens Boysen-Hogrefe vom IfW.<br />
Das Ausbleiben jedes nennenswerten Protestes im<br />
zweiten Fall spricht dafür, dass hier wahnhafte Affekte<br />
am Werke sind. Hass benötigt überhaupt keine reale<br />
Erfahrung, er sucht sich einen Sündenbock. Er verschafft<br />
sich seinen Ausdruck losgelöst von einer Wahrnehmung,<br />
die wirklichkeitsadäquat wäre.<br />
Aurel Kolnai, einer der wenigen Philosophen, der sich<br />
systematisch mit dem Phänomen beschäftigt hat, spricht<br />
von einem ›Weltbild des Hasses‹. Der Hass sei kein<br />
Resultat dieses Weltbildes, die Kausalität läuft genau<br />
andersherum: Für dieses Weltbild ist der Hass strukturbildend.<br />
›Der Geängstigte möchte sich retten und wäre<br />
damit zufrieden (…). Wenn aber der Haß seinen Gegenstand,<br />
statt ihn etwa aus der Berührungszone zu<br />
verbannen, verfolgt und ihm nachspürt, wenn er dessen<br />
›Vernichtung‹ anstrebt und ihn in die Kategorie des<br />
›Bösen‹ einreiht, so deutet das auf ein höher gespanntes<br />
metaphysisches Bewußtsein hin.‹ Und ›höher gespanntes<br />
metaphysisches Bewußtsein‹ ist in unserem Zusammenhang<br />
vor allem ein vornehmer Ausdruck für: ›Die<br />
Wirklichkeit ergibt für uns keinen Unterschied, wir entscheiden<br />
selbst, wer ausgewiesen/bestraft/vernichtet<br />
werden soll.‹<br />
Mit materieller und/oder geistiger Armut kann man<br />
die letzte Welle nicht endgültig erklären. Mit der<br />
angeblichen ›Angst‹ des Mobs vor der Fremdenflut auch<br />
nicht. Das Gerede von ›Angst‹ und ›Besorgnis‹ verdeckt<br />
nur, was die Leute da eigentlich antreibt – Hass und<br />
der Wunsch, endlich jemanden stellvertretend für das<br />
vergeigte Leben, das man führt, zu bestrafen.<br />
Was sich hier artikuliert, ist in Deutschland nicht<br />
unbekannt. Der ›Welt‹-Autor Thomas Schmid hört, leise,<br />
aber deutlich, den Ton, der kurz vor dem Ende der<br />
Weimarer Republik die Diskussion beherrscht hat:<br />
›Patzig, primitiv, weinerlich und das Gespräch durch<br />
putative Härte, die gleichwohl Schwäche signalisiert,<br />
unterbindend.‹ Was kann man tun, wenn reden nicht<br />
mehr hilft, damit dem ersten Akt (Weimar) nicht der<br />
bereits bekannte zweite folgt? Wer brüllend durch die<br />
Straßen zieht und verfolgten Menschen entgegenschreit,<br />
sie sollten dahin zurück wo sie herkommen, wer, wie<br />
zuletzt in Clausnitz, einen Bus mit Flüchtlingen stoppt<br />
und angesichts von vor Angst weinenden Kinder jubelt,<br />
ist für den politischen Diskurs verloren.