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Jahresbericht 2014 der Stiftung Liebenau

Der Jahresbericht der Stiftung Liebenau, der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist und der Stiftung Helios – Leben im Alter. Die drei Stiftungen sind mit insgesamt 6 000 Mitarbeitern an 90 Standorten in Deutschland, Österreich, Italien, Bulgarien und der Schweiz tätig, hauptsächlich in den Aufgabenfeldern Altenhilfe, Hilfe für Menschen mit Behinderung, Gesundheit, Bildung und Hilfen für Kinder und Jugendliche.

Der Jahresbericht der Stiftung Liebenau, der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist und der Stiftung Helios – Leben im Alter. Die drei Stiftungen sind mit insgesamt 6 000 Mitarbeitern an 90 Standorten in Deutschland, Österreich, Italien, Bulgarien und der Schweiz tätig, hauptsächlich in den Aufgabenfeldern Altenhilfe, Hilfe für Menschen mit Behinderung, Gesundheit, Bildung und Hilfen für Kinder und Jugendliche.

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Gesundheit<br />

Emotionen als Schlüssel für ein<br />

besseres Verständnis<br />

Warum macht <strong>der</strong> das denn jetzt? Ist sein Benehmen Ausdruck einer psychischen Störung – o<strong>der</strong> steckt vielleicht doch etwas<br />

an<strong>der</strong>es dahinter? Um das Verhalten von Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung besser zu verstehen, spielen nicht nur die kognitiven<br />

und sozialen Fähigkeiten eine Rolle, son<strong>der</strong>n auch die emotionalen. Das ist die Kernaussage des Schemas <strong>der</strong> emotionalen<br />

Entwicklung – kurz: SEO. Mit diesem Konzept hat die St. Lukas-Klinik <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> Erfolge bei <strong>der</strong> Behandlung von<br />

psychischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten erfahren.<br />

Der Reisekoffer muss immer und überall dabei sein.<br />

Ohne ihren Trolley geht Sonja Martin (Name v. d.<br />

Redaktion geän<strong>der</strong>t) nicht einmal ins Badezimmer.<br />

Das fiel den Fachleuten in <strong>der</strong> Lukas-Klinik bei Sonja<br />

Martins stationären Aufenthalten auf. Die 32-Jährige<br />

hat eine leichte Intelligenzmin<strong>der</strong>ung. Sie kann<br />

schlecht einschlafen, hat nachts Ängste, fürchtet<br />

sich wie ein kleines Mädchen vor „Schattenfiguren“<br />

im dunklen Zimmer und wird ständig von Albträumen<br />

geplagt. Ein klarer Fall einer paranoiden Schizophrenie?<br />

Und was ist mit dem Mittzwanziger, <strong>der</strong> in manchen<br />

Situationen plötzlich wie ein Kleinkind nach<br />

seiner Mama ruft? Der Verhaltensweisen an den Tag<br />

legt, die vielleicht zu seinem sonstigen Auftreten und<br />

seinen geistigen Fähigkeiten gar nicht so recht passen<br />

wollen? Und <strong>der</strong> dadurch in <strong>der</strong> WfbM nicht zurecht<br />

kommt?<br />

Neuland in <strong>der</strong> Diagnostik<br />

Verhaltensprobleme bei Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung<br />

werden oft in Zusammenhang mit bekannten<br />

psychischen Störungen gesehen. „Aber es kann ja nicht<br />

sein, dass alle Schizophrenien haben“, so Dr. Jürgen<br />

Kolb, Chefarzt in <strong>der</strong> St. Lukas-Klinik. Sind einige dieser<br />

Auffälligkeiten also auch auf ganz an<strong>der</strong>e Ursachen<br />

zurückzuführen? Ein solches Erklärungsmodell formulierte<br />

Prof. Dr. Anton Došen, ein nie<strong>der</strong>ländischer<br />

Facharzt für Kin<strong>der</strong>-, Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie,<br />

schon vor Jahren mit seinem „Schaal voor Emotionele<br />

Ontwikkeling“ (SEO). Mit dem auf mehrere<br />

entwicklungspsychologische Theorien aufbauenden<br />

Ansatz betrat Došen seinerzeit Neuland. Die Kernaussage:<br />

Neben <strong>der</strong> sozialen und kognitiven spielt die<br />

emotionale Entwicklung eine ganz entscheidende Rolle<br />

bei <strong>der</strong> „Ich-Werdung“ des Menschen.<br />

Fünf Stufen <strong>der</strong> emotionalen Entwicklung<br />

Došens Schema unterscheidet fünf Entwicklungsebenen<br />

(s. Grafik). Jede Stufe ist einem gewissen (virtuellen)<br />

Lebensalter zugeordnet, in welchem ein Kind<br />

bestimmte emotionale Bedürfnisse hat und damit verbundene<br />

Verhaltensmuster aufweist. „Kennt man den<br />

emotionalen Entwicklungsstand eines jugendlichen o<strong>der</strong><br />

erwachsenen Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung, können<br />

Motivationen und Verhaltensweisen<br />

besser verstanden werden“, so Dr. Kolb. Dementsprechend<br />

kann zuverlässiger diagnostiziert und passgenauer<br />

behandelt werden. Gerade wenn die Kluft<br />

zwischen emotionaler und kognitiver Entwicklung<br />

beson<strong>der</strong>s groß ist, erhöht sich ohne entsprechende<br />

Behandlung das Risiko für das Auftreten von Problemverhalten<br />

– und letztendlich auch von psychischen<br />

Störungen. „Das kann durchaus in einer Psychose<br />

enden“, weiß Dr. Kolb.<br />

St. Lukas-Klinik setzt auf SEO<br />

Um den emotionalen Entwicklungsstand ihrer Patienten<br />

zu bestimmen – wobei Dr. Kolb eher von „Fähigkeitsprofilen“<br />

sprechen will –, übernahm die St. Lukaslinik<br />

vor rund fünf Jahren in modifizierter Form<br />

Došens Konzept. Schon vorher hätten die Fachkräfte<br />

aus ihrer Erfahrung und Intuition heraus häufig das<br />

Richtige getan. Mit dem SEO-Konzept gebe es nun aber<br />

„eine Landkarte zur Orientierung“ und „eine gemeinsame<br />

Sprache“, wie Dr. Kolb erläutert. „Das intuitive<br />

Handeln des Teams wird objektivierbar, und <strong>der</strong> Klient<br />

wird noch bedürfnisgerechter wahrgenommen.“ Hauptinstrument<br />

sind selbst entwickelte Fragebögen für<br />

klinische Interviews (s. Grafik). Sie erfassen anhand<br />

mehrerer Kriterien und über einige Wochen hinweg die<br />

Ist-Situation <strong>der</strong> Patienten.<br />

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