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<strong>RA</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>6<br />
Referendarteil: Zivilrecht<br />
23<br />
von Steuern und Sozialabgaben, Zahlungsrückständen bei Löhnen oder<br />
betriebsnotwendigen Leistungen (ebenda, Rn. 43). Derartige Umstände<br />
lagen vor, so dass die Schuldnerin nach den Feststellungen des Landgerichts<br />
am 05.05.2009, spä<strong>test</strong>ens aber bei der Erteilung des Inkassoauftrags<br />
im September 2009 zahlungsunfähig war:“<br />
Unstreitig waren nach einer Pfändung durch das Finanzamt seit dem 05.05.2009<br />
sämtliche Bankkonten der Schuldnerin gesperrt. Infolgedessen kam es zu verschiedenen<br />
Lastschrift-Rückgaben.<br />
Es bestand ein Mietrückstand. Das Mietverhältnis über die Geschäftsräume<br />
der Schuldnerin ist unstreitig im Juni 2009 gekündigt worden. Barmittel waren<br />
maximal in Höhe von 1.000,- € vorhanden.<br />
Drei Mitarbeiter sowie der frühere Geschäftsführer hatten Versäumnisurteile<br />
über zusammen 14.178,22 € sowie 6.026,59 € für ausstehendes Gehalt erwirkt.<br />
Dem Zeugen L. stellte sich die Schuldnerin als ein nicht mehr tätiges Unternehmen<br />
dar, das weder seine Arbeitnehmer noch Schulden beim Finanzamt<br />
und den Krankenkassen bedienen konnte. Der Zeuge L. hatte damit von<br />
den Umständen Kenntnis, die die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin<br />
begründeten.<br />
Die Beklagte haften als „anderer Teil“ i.S.v. § 133 I 1 InsO im Rahmen der<br />
Vorsatzanfechtung.<br />
Zwar haben die Beklagten mit Ausnahme des Anwaltshonorars in Höhe von<br />
2.839,11 €, das sie durch Verrechnung mit dem Restbestand auf dem Anderkonto<br />
eingezogen haben, nichts erlangt. Nach der Rechtsprechung des BGH<br />
kommt jedoch auch die Vorsatzanfechtung gegen den Angewiesenen in<br />
Betracht, wenn der spätere Insolvenzschuldner ihn mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz<br />
veranlasst, unmittelbar an seinen Gläubiger zu bezahlen.<br />
Die Beklagten haben in kritischer Zeit Vermögensgegenstände der Schuldnerin<br />
erworben, indem sie das Inkasso der Außenstände übernommen und<br />
vereinbart haben, die vereinnahmten Beträge nicht an die Schuldnerin,<br />
sondern an deren Gläubiger auszuzahlen.<br />
Der für die Beklagten handelnde Beklagte zu 1) hatte dabei Kenntnis vom<br />
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des für die Schuldnerin handelnden<br />
Betriebsleiters L.<br />
Der Beklagte zu 1) wusste schon seit der Auftragserteilung, dass der Schuldnerin<br />
keine Konten mehr zur Verfügung standen. Deshalb hatte L. ihn gebeten,<br />
das „Forderungsmanagement“ zu übernehmen. Allein aus diesem Umstand<br />
musste sich dem Beklagten zu 1) aufdrängen, dass sich die Schuldnerin in<br />
einer ernsten Krise befand. Es ist völlig ungewöhnlich, wenn ein Unternehmen<br />
in Deutschland über kein einziges Bankkonto mehr verfügt.<br />
Er wusste zudem, dass bereits zwei ausgeschiedene und ein aktueller Arbeitnehmer<br />
Versäumnisurteile wegen ausstehender Gehälter gegen die Schuldnerin<br />
erwirkt hatten. Er kannte die Klageschriften und die Versäumnisurteile,<br />
nach seinem Vortrag aber nicht die Gründe für die Nichtzahlung der Gehälter.<br />
Darstellung und Subsumtion der<br />
verschiedenen Indizien für eine<br />
Zahlungsunfähigkeit<br />
Von diesen hatte auch der relevante<br />
Mitarbeiter der Schuldnerin<br />
Kenntnis.<br />
Aus der Vorsatzanfechtung haftet<br />
„der andere Teil“. Nach § 143 InsO<br />
ist das, was aus dem Schuldnervermögen<br />
weggegeben wurde,<br />
zurückzugewähren.<br />
Es haftet auch der Angewiesene aus<br />
der Vorsatzanfechtung,<br />
BGH, Urteil vom 29.11.2007, IX ZR<br />
121/06.<br />
Auch der für die Beklagten handelnde<br />
Rechtsanwalt hatte Kenntnis vom<br />
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz.<br />
Die Beklagten können gegen die Haftung nicht einwenden, dass sie als Rechtsanwälte<br />
als uneigennützige Treuhänder für die Schuldnerin gehandelt<br />
haben und an die entsprechende Weisung des Betriebsleiters L. gebunden<br />
waren, die eingezogenen Beträge direkt an Gläubiger auszuzahlen.