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<strong>RA</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>6<br />
Öffentliches Recht<br />
35<br />
Die Treuepflicht als Ratsmitglied folgt aus §§ 32 I 1, 43 II GO NRW.<br />
„[53] Dahinter steht der Gedanke, die Gemeindeverwaltung von allen<br />
Einflüssen freizuhalten, die eine objektive, unparteiische und einwandfreie<br />
Führung der Geschäfte gefährden könnten. Ratsmitglieder<br />
müssen alles unterlassen, was dem Wohl der Gemeinde und der<br />
Einwohnerschaft zuwiderläuft. Sie haben alles in ihrer Macht stehende<br />
zu tun, um Schaden von der Gemeinde abzuhalten und das Wohl der<br />
Einwohnerschaft zu fördern.<br />
[55] Im Verhältnis der kommunalen Organe und Organteile zueinander<br />
gilt zudem der Grundsatz der Organtreue. Er begründet namentlich die<br />
Obliegenheit von Ratsmitgliedern, rechtliche Bedenken gegen eine<br />
(anstehende) Beschlussfassung in der verfahrensrechtlich gebotenen<br />
Form rechtzeitig geltend zu machen.<br />
[57] Soweit § 32 Abs. 1 Satz 1 GO NRW in dieser Lesart das Recht eines<br />
Ratsmitglieds auf freie Meinungsäußerung tangiert, […] ist er - auch als allgemeines<br />
Gesetz i.S.v. Art. 5 Abs. 2 GG - seinerseits im Lichte der Bedeutung<br />
und Tragweite dieses Grundrechts verhältnismäßig auszulegen und<br />
anzuwenden.<br />
[59] Nicht zuletzt diese verfassungsrechtliche Ausstrahlungswirkung<br />
führt dazu, dass die Treuepflicht des § 32 Abs. 1 Satz 1 GO NRW einem<br />
Gemeinderatsmitglied grundsätzlich nicht verbietet, sich auch<br />
außerhalb von Ratssitzungen gegenüber der Gemeindeöffentlichkeit<br />
oder einzelnen Bürgern zu Vorgängen der Gemeindepolitik kritisch<br />
zu äußern. Eine andere Betrachtungsweise würde dem freien<br />
Mandat einen wesentlichen Teil der ihm von § 43 Abs. 1 GO NRW<br />
zugedachten politischen Gestaltungskraft nehmen. Sie wäre mit<br />
der grundlegenden Bedeutung der mit der Mandatsausübung verbundenen<br />
Meinungsäußerungsfreiheit für das demokratische Gemeinwesen<br />
auf kommunaler Ebene nicht vereinbar. Dies schließt das prinzipielle<br />
Recht des Ratsmitglieds ein, Dritte über Vorgänge aus öffentlichen<br />
Ratssitzungen, die nicht der Verschwiegenheitspflicht des § 30 GO<br />
NRW unterliegen, zu informieren sowie eigene Einschätzungen hinsichtlich<br />
der Rechtmäßigkeit dieser Vorgänge kundzutun. Allerdings<br />
gilt dieses letztgenannte Recht nicht uneingeschränkt. Soweit ein<br />
Ratsmitglied derartige Äußerungen tätigt, muss es dies, auch um seiner<br />
Verpflichtung auf das Gesetz und das öffentliche Wohl durch § 43 Abs. 1<br />
GO NRW zu genügen, nach pflichtgemäßer Prüfung insbesondere wahrheitsgemäß<br />
und - soweit geboten - vollständig tun. Zudem darf er die<br />
Gemeindeorgane durch seine Äußerungen nicht diffamieren.<br />
Mit seiner Unterstellung, der Rat werde sich nicht an Recht und Gesetz halten,<br />
hat K den Rat diffamiert und damit die Grenzen seines Äußerungsrechts<br />
überschritten. Folglich liegt ein Treuepflichtverstoß vor, sodass die<br />
Feststellungsklage insoweit unbegründet ist.<br />
II. Beschluss des Rates<br />
Die Feststellungsklage bzgl. des Ratsbeschlusses ist begründet, soweit das<br />
umstrittene Rechtsverhältnis nicht besteht. Das ist der Fall, wenn der Rat<br />
nicht berechtigt war, das Verhalten des K zu missbilligen, zu rügen und sich<br />
§ 32 I 1 GO NRW:<br />
„(1) Inhaber eines Ehrenamts<br />
haben eine besondere Treuepflicht<br />
gegenüber der Gemeinde. […]“<br />
§ 43 II GO NRW:<br />
„(2) Für die Tätigkeit als Ratsmitglied,<br />
[…] gelten die Vorschriften der §§ 30<br />
bis 32 […] entsprechend: […]“<br />
Grundsatz der Organtreue = Rücksichtnahme<br />
auf die anderen<br />
Gemeindeorgane bzw. Organteile<br />
Nochmals Betonung der Geltung<br />
und Ausstrahlungswirkung des<br />
Art. 5 I 1 GG.<br />
Grundsätzliches Recht eines<br />
Ratsmitglieds zu öffentlichen,<br />
auch kritischen Äußerungen zur<br />
Gemeindepolitik.<br />
Grenzen: Äußerung muss wahrheitsgemäß,<br />
vollständig und nicht diffamierend<br />
sein.<br />
In der Originalentscheidung war es<br />
etwas schwieriger, den Verstoß festzustellen.<br />
Das OVG musste dafür die<br />
Äußerung des K gegenüber Herrn X<br />
ganz genau unter die Lupe nehmen.<br />
Obersatz neg. Feststellungsklage