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Belecke - Warsteiner Weg der Montangeschichte

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

1<br />

Überblick<br />

Warstein gehört zu den Städten im Sauerland, die<br />

sich durch eine alte erfolgreiche Montanindustrie<br />

maßgeblich entwickelt haben. Hinweise des Eisenhüttenwesens<br />

reichen in Warstein zurück bis<br />

in die jüngere Eisenzeit (um 600 v.Chr.). Diese<br />

Geschichte hat <strong>der</strong> Stadtmarketingverband mit<br />

Hilfe vieler Wissensträger und Dokumente in den<br />

Jahren 2007 und 2008 zusammengetragen und<br />

auf diesem »Wan<strong>der</strong>weg <strong>der</strong> <strong>Montangeschichte</strong>«<br />

mit 18 Stationen und 33 Tafeldarstellungen dokumentiert.<br />

Darüber hinaus besteht eine Daten-<br />

DVD, auf <strong>der</strong> die Original-Dokumente, Texte, Grafiken<br />

und Fotos aufzurufen sind, die während <strong>der</strong><br />

Nachforschungen gesammelt wurden.<br />

Die Eisenerzgrube »David« in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Bilsteinhöhle (1945)<br />

Der <strong>Weg</strong> <strong>der</strong> <strong>Montangeschichte</strong> ist<br />

auch ein <strong>Weg</strong> durch die Geschichte<br />

<strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong> Montanindustrie, die<br />

sich über viele Jahrhun<strong>der</strong>te zurückverfolgen<br />

lässt. Zu allen Zeiten<br />

prägte die Eisenverarbeitung das<br />

Erscheinungsbild dieser Stadt, aber<br />

auch ihrer Bevölkerung, die sich<br />

immer wie<strong>der</strong> den Entwicklungen<br />

angepasst hat.<br />

Der Begriff Eisenverarbeitung<br />

steht in Warstein für Gründung und<br />

Ausbau, Arbeit und Existenz, Innovation<br />

und Qualität. Er steht aber<br />

auch für die Erkenntnis, stärkeren<br />

Kräften globaler Entwicklungen<br />

nachgeben zu müssen, wenn die<br />

Zeit dafür gekommen ist. Die Eisen-<br />

industrie in Warstein musste in den<br />

90-er Jahren des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

den Standortvorteilen <strong>der</strong><br />

großen Industrieregionen an Rhein<br />

und Ruhr nachgeben.<br />

Ihr Standort befindet sich am<br />

Flusslauf <strong>der</strong> Wäster, die den metallverarbeitenden<br />

Betrieben über Jahrhun<strong>der</strong>te<br />

hinweg als ständig verfügbare<br />

Energiequelle diente.<br />

Der Stadtmarketingverband lädt<br />

Sie herzlich ein, auf dem <strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong> ein bedeutendes<br />

Segment <strong>Warsteiner</strong> Histrorie zu<br />

erleben und auf unterschiedliche<br />

Weise reale Eindrücke einer langen<br />

Eisen- und Industrietradition zu gewinnen.<br />

Foto: Sauerlän<strong>der</strong> Heimatbund<br />

E.-Siepmann-Str.<br />

Hirschb. Str.<br />

A.-Kolping-Str.<br />

Eichenweg<br />

Rütherplatz<br />

H.-Kamp-Str.<br />

Dahlborn<br />

Karl-Pieper-Str.<br />

Bernhard-<br />

Wiemeyer-<br />

Str.<br />

Heinrich-Gudemann-Ring<br />

Ring<br />

Romecke<br />

Karl-Stoer-Str.<br />

Hamacher<br />

Hamecke<br />

Im Bodmen<br />

Külbe<br />

Bahnhofstr.<br />

P.-Gerhard-Str.<br />

Lanfer<br />

Schumannstr.<br />

Haspeler Ring<br />

Brucknerweg<br />

Theodor-<br />

Heuss-Str. Heinrich-<br />

Lübke-Str.<br />

B55<br />

Josef-<br />

Menke-Str.<br />

Weberstr.<br />

Schubertstr.<br />

Wagnerstr.<br />

Sappenberg<br />

Haspeler Ring.<br />

Schorenweg<br />

Haydnstr.<br />

Haspeler Ring<br />

Danziger Str.<br />

St.-Poler-Str.<br />

Str.<br />

Kant-Str.<br />

E.-Wiechert-<br />

Eichendorff-Str.<br />

Lessingstr.<br />

Allensteiner<br />

Str.<br />

Mozartstr.<br />

Tannenweg<br />

Ulmenweg<br />

Waldenburger<br />

Str.<br />

Stettiner Str.<br />

Karl-Wagenfeld-Str.<br />

RüthenerLandstr.<br />

Böttcherstr.<br />

Brahmsweg Dammweg Humboldt<br />

Kahlenbergsweg<br />

Gerichtsweg<br />

Wester<br />

Zum Puddelhammer<br />

Wäster<br />

Romeckeweg<br />

Hinter’m<br />

Wall Westwall<br />

Lortzin g s tr.<br />

Beethovenstr.<br />

Berkendahlweg<br />

Kiefernweg<br />

Akazien- weg<br />

Dahlborn<br />

Viktoriastr.<br />

Kattenborn<br />

Grimmestr.<br />

Kallerweg<br />

Puddelhammer<br />

Salzmannstr.<br />

H.-Risse-Str.<br />

Schillerstr.<br />

Blumenpfad<br />

Birkenweg<br />

Rebenpfad<br />

Heckenweg<br />

Friedrichstr.<br />

Bilsteinstr.<br />

V.-Droste-<br />

Hülshoff-<br />

Str.<br />

C.-Koch-Str.<br />

Kampstr.<br />

A.-Wibbelt-<br />

Str.<br />

E.-Moritz-<br />

Arndt-Str.<br />

Augusta- str.<br />

B516<br />

STARTPUNKT BELECKE<br />

Am Propsteiberg<br />

Wilkestr.<br />

Unter’m<br />

Friedhof<br />

str.<br />

Ewaldstr.<br />

Dammweg<br />

Kampstr.<br />

Schorenweg<br />

Am Mühlenbruch<br />

Zur Alten<br />

Nord-<br />

ring<br />

Alte Rathausstr.<br />

Am Kohlmarkt<br />

Mönchlandstr.<br />

Wilhelm-<br />

Rüllweg<br />

Dreilinden-<br />

Rabenknapp Vor <strong>der</strong> Unso hle<br />

Stockmecke<br />

Eisenhammer<br />

<strong>Belecke</strong>r Landstr.<br />

Von-Möller-Str..<br />

Siegfriedstr.<br />

Teichstr.<br />

Kesterweg<br />

Ottilienstr.<br />

Talstr.<br />

Bergenthalstr.<br />

Hirschfeldstr.<br />

Unter’m Hagen<br />

Kirche<br />

Ben<strong>der</strong>weg<br />

Südring<br />

Zum Zehnthof<br />

Über’m<br />

Stadtgraben<br />

Butenaf<br />

Schulstr.<br />

Dieplohstr.<br />

str.<br />

str.<br />

Zur<br />

Sauerlandhalle<br />

weg<br />

Kofflerstr. Herrenbergs-<br />

Gewerbegebiet<br />

Wiebusch<br />

<strong>Belecke</strong><br />

S t a d t w a l d<br />

B e l e c k e<br />

Reckhammer<br />

STARTPUNKT WARSTEIN<br />

Schwarzer <strong>Weg</strong><br />

Domring<br />

Mesche<strong>der</strong> Landstr.<br />

Hochstr.<br />

Feldstr.<br />

Feldstr.<br />

Josefinenstr.<br />

Am<br />

Zehnthof<br />

Im Sack<br />

Auf‘m Bruch<br />

Nicolaiweg<br />

Altes Braugässchen<br />

Walkemühle<br />

Möhne<br />

S u t t r o p e r<br />

W a l d<br />

Hauptstr.<br />

Rosengasse<br />

Stillenberg<br />

Wästerstr.<br />

Josefsweg<br />

Am<br />

Gesellenhaus<br />

Hospitalstr.<br />

Blumenwinkel<br />

P.-Fechter-Str.<br />

LWL-Klinik<br />

Suttrop<br />

Hammerweg<br />

Im<br />

Sonneneck<br />

Am Salzbörnchen<br />

Unter’m Müschede<br />

Gerbergasse<br />

Am<br />

Piusberg<br />

An <strong>der</strong><br />

Beine<br />

Unter’m<br />

Piusberg<br />

Röntgenweg<br />

Lindenstr.<br />

Wäster Naturschutzgebiet<br />

B55<br />

Piusberg<br />

Nordhang<br />

Am Hakenberg<br />

Kreisstraße<br />

Oberhagen<br />

Rangewiese<br />

Müsche<strong>der</strong>weg<br />

Ostring<br />

Auf dem Kampe<br />

Im Borm<br />

Rangetriftweg<br />

Warstein<br />

zur Sauerland-<br />

Waldroute<br />

Der <strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

ist durch ein<br />

blaues M auf<br />

weißem Grund<br />

markiert.<br />

Rangestr.<br />

Königserlen<br />

F.-Hegemann-Str.<br />

Über’m<br />

Krankenhaus<br />

Am<br />

Josefswäldchen<br />

Alte<br />

Zur Treise<br />

Kreisstr.<br />

Suttroper<br />

<strong>Weg</strong><br />

Steinbruch<br />

Hahnewall<br />

Am<br />

Oberhagen<br />

Flurstr.<br />

Stadtmarketingverband<br />

Warstein e.V. © 2008


<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

1<br />

Erzbergbau in <strong>der</strong><br />

Grube David<br />

Vermutlich ab <strong>der</strong> Mitte des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts bis<br />

zur Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts wurde in <strong>Warsteiner</strong><br />

Gruben Erz gewonnen und verhüttet. Der<br />

technische Fortschritt führte jedoch gegen 1880<br />

in Warstein zur Stilllegung <strong>der</strong> Hochöfen und zu<br />

einer zeitweiligen Einstellung des Erzbergbaus.<br />

Als 1883 dann die Fertigstellung <strong>der</strong> Eisenbahn<br />

einen Transport ins Ruhrgebiet ermöglichte, wurden<br />

einige <strong>Warsteiner</strong> Erzgruben weiterbetrieben.<br />

Eine dieser Gruben, die Grube David, för<strong>der</strong>te<br />

noch bis 1949. Am Ort dieser Tafel befand sich<br />

die Verladestation <strong>der</strong> Erze, die per Seilbahn vom<br />

Bilsteintal hierher beför<strong>der</strong>t und dann auf die<br />

<strong>Warsteiner</strong> Industriebahn umgeladen wurden.<br />

Die Suttroper Eisenhütte, später<br />

»St. Wilhelmshütte«, errichtet 1739,<br />

führte den <strong>Warsteiner</strong> Erzbergbau zu<br />

einem plötzlichen Aufschwung.<br />

Nach <strong>der</strong> Ausweitung <strong>der</strong> Hüttenkapazität<br />

auf zwei Hochöfen mit<br />

einem geschätzten Bedarf von<br />

30000 Tonnen Erz jährlich konnten<br />

die älteren Gruben den Bedarf nicht<br />

mehr decken und so setzte eine intensive<br />

und erfolgreiche Erzsuche<br />

ein. Die geför<strong>der</strong>te Gesamterzmenge<br />

betrug z.B. 1851 ca. 13000 Tonnen.<br />

Die steigende För<strong>der</strong>ung machte<br />

in den bedeuten<strong>der</strong>en Gruben<br />

den Übergang zum Stollen- und<br />

Schachtbau notwendig. Der technische<br />

Fortschritt bei <strong>der</strong> Verhüttung<br />

des Eisens führte gegen 1880 in<br />

Warstein zum Ende <strong>der</strong> Roheisenerzeugung.<br />

Als 1883 dann die Eisenbahn<br />

einen Transport ins Ruhrgebiet<br />

ermöglichte, wurden die <strong>Warsteiner</strong><br />

Erzgruben weiterbetrieben.<br />

Eine <strong>der</strong> großen Gruben, die Grube<br />

David, stellen wir hier dar. Das Ende<br />

des Bergbaubetriebs drohte auch<br />

<strong>der</strong> Grube David, als ihr Besitzer, die<br />

Gewerkschaft »Sauerland«, 1931 in<br />

Konkurs ging. Die Grube kam dann<br />

in den Besitz <strong>der</strong> Gewerkschaft<br />

»Christiansglück«, einer Tochter <strong>der</strong><br />

Deutsch-Nie<strong>der</strong>ländischen Schiff-<br />

fahrtsgesellschaft. Mit einer Belegschaft<br />

bis zu 40 Mann und einer<br />

Jahresför<strong>der</strong>ung zwischen 15 000<br />

und 20 000 Tonnen erreichte die<br />

Grube unter dem neuen Eigentümer<br />

die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Der<br />

Transport zum Bahnhof – zunächst<br />

noch per Fuhrwerk – wurde 1938<br />

verbessert durch die Errichtung einer<br />

1,5 km langen Transportseilbahn-Verbindung,<br />

mit <strong>der</strong> die Erze<br />

direkt zur Bahnverladung hierher<br />

gelangten. Nach einer nur viermonatigen<br />

Pause zum Ende des Zwei-<br />

Erz-Analyse <strong>der</strong> Grube David<br />

Weißerz 26-30% Fe (Eisen)<br />

3-4% Mn (Mangan)<br />

1-2% P (Phosphor)<br />

18-23% SiO 2 (Quarz)<br />

6-8% CaCO 3 (Kalkspat)<br />

Roterz 35-40% Fe (Eisen)<br />

0,2% Mn (Mangan)<br />

0,5% P (Phosphor)<br />

23-40% SiO 2 (Quarz)<br />

Braunerz 35% Fe (Eisen)<br />

1,5% Mn (Mangan)<br />

1,2% P (Phosphor)<br />

20-25% SiO 2 (Quarz)<br />

Der Mn-Gehalt nahm mit <strong>der</strong> Tiefe<br />

zu und erreichte Werte über 4%.<br />

Eine 1,5 km lange Transportseilbahn brachte die Erze an diesen Standort<br />

Industriebahnhof Hillenberg mit <strong>der</strong> Seilbahn-Verladestation<br />

Bilsteinhöhle/<br />

Wildpark<br />

P L A T T E<br />

Auf <strong>der</strong> Platte<br />

ten Weltkriegs wurden die För<strong>der</strong>ung<br />

bzw. <strong>der</strong> Abbau <strong>der</strong> Halden noch<br />

weitergeführt; doch <strong>der</strong> folgende<br />

Strukturwandel im Hüttenwesen mit<br />

Bahnverladung<br />

am Hillenberg<br />

Streckenverlauf <strong>der</strong> Drahtseilbahn von <strong>der</strong> Grube<br />

David zum Hillenberg<br />

Finkenstr.<br />

Schwalbenstr.<br />

kammer<br />

Wolfs<br />

seiner Umstellung auf<br />

Auslandserze führte<br />

1949 zur endgültigen<br />

Stilllegung <strong>der</strong> letzten<br />

<strong>Warsteiner</strong> Eisenerzgrube.<br />

Pläne, die noch<br />

vorhandenen Vorräte<br />

(gesichert: 100 000<br />

Tonnen, vermutet: 1<br />

Million Tonnen) durch<br />

eine Vertiefung des<br />

Schachtes auf 110 Meter<br />

und eine Aufwälti-<br />

gung des Feldes in Richtung Nordost<br />

(Platte, Grube Kunigunde) zu erschließen,<br />

kamen nicht mehr zur<br />

Durchführung.<br />

Stadtmarketingverband<br />

Warstein e.V. © 2008<br />

Foto: Ernst Fisch Foto: Ernst Fisch


<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

2<br />

Die Geschichte des Eisens<br />

Die Geschichte des Eisens ist die Geschichte unserer<br />

Kultur. Die Entwicklungsstufen und Zeitepochen<br />

<strong>der</strong> Menschheit bezeichnen wir nach<br />

den Materialien, aus welchen Menschen ihre<br />

Werkzeuge herstellten. Nach <strong>der</strong> Ur-, Stein- und<br />

Bronzezeit folgte die Eisenzeit – in unserer Ge-<br />

Geschmiedetes Eisen, aufgesägt und<br />

poliert (mittelalterlicher Fund aus<br />

dem Bilsteintal)<br />

Die <strong>Warsteiner</strong><br />

Eisenindustrie<br />

An <strong>der</strong> Wäster als einer natürlichen<br />

Kraftquelle reihen sich die interessanten<br />

Industriestandorte <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

mit Mühlen, Hütten und<br />

Hämmern auf wie die Perlen einer<br />

Kette. Wohl ihren bedeutendsten<br />

Aufschwung erlebte die <strong>Warsteiner</strong><br />

Eisenverhüttung ab 1630 durch die<br />

ständige Verbesserung <strong>der</strong> Verhüttungsbedingungen<br />

und durch eine<br />

steigende Nachfrage. Ab 1800 etwa<br />

blühte die Eisenindustrie weiter auf<br />

durch den weltweiten technischen<br />

Fortschritt. Man begann, neue Gruben<br />

»abzuteufen«, längst stillgelegte<br />

wie<strong>der</strong> zu eröffnen.<br />

Doch bereits um 1850 folgte ein<br />

Abschwung durch ungünstige Begleiterscheinungen<br />

<strong>der</strong> Weltwirtschaft,<br />

welche auch für die <strong>Warsteiner</strong><br />

Montanindustrie nicht folgenlos<br />

waren. Hinzu kamen ungünstige<br />

Standortbedingungen im Vergleich<br />

zu großen Industrien an Rhein und<br />

Ruhr – so auch <strong>der</strong> fehlende Eisenbahnanschluss.<br />

Als dieser 1883 gebaut<br />

wurde, fuhren Grubentätigkeit<br />

und Eisenverhüttung zwar wie<strong>der</strong><br />

an, aber man begann bereits, das<br />

Erz zur Weiterverarbeitung in rheinisch-westfälischeHochofenstandorte<br />

zu verbringen.<br />

Für die <strong>Warsteiner</strong> Eisenverhüttung<br />

konnte das also keinen nachhaltigen<br />

Aufschwung bringen. Hinzu<br />

kam, dass die Verhüttung mit<br />

Koks im Ruhrgebiet <strong>der</strong> Holzkohleverhüttung<br />

in Warstein wirtschaftlich<br />

weit überlegen war. Die Verteuerung<br />

<strong>der</strong> Holzkohle durch Einführung<br />

einer Forstkultur, um den<br />

»Raubbau« des Holzes zu beenden,<br />

brachte die Verhüttung in Warstein<br />

dann zum Erliegen.<br />

Das Ende von Grubentätigkeit und<br />

Verhüttung for<strong>der</strong>te jedoch einen<br />

neuen Aufschwung heraus: die Verarbeitung<br />

von Roheisen in Warstein im<br />

Zusammenhang mit Industrialisierung<br />

und technischem Fortschritt in<br />

<strong>der</strong> ganzen Welt. <strong>Warsteiner</strong> Achsen<br />

waren beispielsweise damals weltweit<br />

bekannt und geschätzt.<br />

Die Bedeutung<br />

des Eisens<br />

Die Bedeutung des Eisens seit 2000<br />

Jahren ist einzigartig. Ohne Eisen<br />

wären im 18., 19. und 20. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

kein Handel und kein Gewerbe<br />

denkbar gewesen, und die Macht eines<br />

Landes sowie seine wirtschaftliche<br />

Blüte waren immer abhängig<br />

von seiner Eisenverarbeitung.<br />

Hier wird die Bedeutung unserer<br />

Stadt auch für Entwicklungen weit<br />

außerhalb ihrer Grenzen über Jahrhun<strong>der</strong>te<br />

hinweg deutlich. Eine<br />

Stadt lebte und expandierte durch<br />

gend ab 600 v.Chr. Der älteste Metallgegenstand<br />

des Sauerlandes stammt aus dem Fundgut <strong>der</strong><br />

<strong>Warsteiner</strong> Bilsteinhöhle: ein kleiner Kupferdolch<br />

<strong>der</strong> Glockenbecherkultur (ca. 2300 v.Chr.). Die<br />

Herkunft des verwendeten Kupfers ist noch nicht<br />

geklärt.<br />

Kupferdolch, 2300 v.Chr.<br />

ihre natürlichen Vorkommen an<br />

Holz, Kalk, Wasser und Erz!<br />

Auch mussten die Menschen immer<br />

wie<strong>der</strong> den Wechsel von Aufschwung<br />

und Rezession erleben –<br />

1995 stellte im mittleren Wästertal<br />

<strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong> Eisenhammer (in<br />

Nachfolge) als letzte Fabrik <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong><br />

Montanindustrie seinen Betrieb<br />

ein. Allerdings wurden im Laufe<br />

<strong>der</strong> Jahrzehnte viele Metall verarbeitende<br />

Betriebe in Warstein aufgebaut,<br />

von denen einige heute<br />

Weltrang haben. Damit konnte die<br />

Anzahl <strong>der</strong> Beschäftigten im Metallund<br />

Elektrogewerbe etwa konstant<br />

weiterentwickelt werden.<br />

Erstes Metall<br />

im Sauerland<br />

Die Epochen ur- und frühgeschichtlicher<br />

Entwicklung <strong>der</strong> menschlichen<br />

Kultur werden gemeinhin nach den<br />

von den Menschen genutzten Materialien<br />

bezeichnet: Auf die Steinzeit<br />

folgte die Bronzezeit, darauf – in unserer<br />

Gegend – um 600v.Chr. die Eisenzeit.<br />

Der älteste Metallgegenstand<br />

des Sauerlandes stammt aus<br />

dem Fundgut <strong>der</strong> Bilsteinhöhle: Ein<br />

kleiner Kupferdolch <strong>der</strong> Glockenbecherkultur<br />

(ca. 2300 v.Chr.). Die Herkunft<br />

des verwendeten Kupfers ist<br />

noch nicht geklärt.<br />

Obwohl entsprechende Erze vorhanden<br />

sind, konnte – im Gegensatz<br />

zum Siegerland, wo eisenzeitliche<br />

Eisengewinnung in Rennöfen mehrfach<br />

belegt ist – vorgeschichtlicher<br />

Kupfer- o<strong>der</strong> Eisenbergbau im <strong>Warsteiner</strong><br />

Raum bisher nicht nachgewiesen<br />

werden. Die zahlreichen Funde<br />

<strong>der</strong> Eisenzeit aus <strong>der</strong> Bilsteinhöhle<br />

o<strong>der</strong> dem Hohlen Stein und verschiedene<br />

eisenzeitliche Befestigungsanlagen<br />

zeigen ein Anwachsen<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung. Möglicherweise war<br />

es das Eisenerz, das die Menschen<br />

vor über 2000 Jahren verstärkt auch<br />

ins eher unwirtliche Bergland lockte.<br />

Stadtmarketingverband<br />

Warstein e.V. © 2008


<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

2<br />

Der Hüttenplatz<br />

Eine <strong>der</strong> vermutlich ältesten <strong>Warsteiner</strong> Blashütten,<br />

in <strong>der</strong> Flusseisen erschmolzen wurde, befand<br />

sich in städtischem Besitz auf dem alten Hüttenplatz.<br />

Konjunktur hatte die Hütte beson<strong>der</strong>s durch<br />

die verschiedenen Kleinkriege <strong>der</strong> näheren und<br />

weiteren Umgebung. Heute schmunzeln wir darüber,<br />

dass im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t hier Kanonenkugeln<br />

Zeitgenössische Darstellung <strong>der</strong> Fabrikanlagen am <strong>Warsteiner</strong> Hüttenplatz<br />

In <strong>der</strong> Nähe dieser Tafel führt <strong>der</strong> <strong>Weg</strong> vorbei am<br />

»Hüttenplatz« bzw. »Hüttenpfad«. Bereits in einer<br />

alten Flurkarte von 1630 eingetragen, bezeugen<br />

diese Namen den frühen Standort einer Eisenhütte<br />

südöstlich <strong>der</strong> Stadt. Die Existenz dieser<br />

Hütte bestätigt auch ein Eintrag in <strong>der</strong> »Ordnung<br />

<strong>der</strong> Soester Waage« von 1582: »Item das <strong>Warsteiner</strong><br />

Eisen- und Gusswerk das soll man zur Waage<br />

kommen lassen und wiegen (Dat Wairsche isern<br />

und gegotten werck).« Schon für 1535 ist diese<br />

Gusseisenproduktion, zum Beispiel für Kanonenkugeln,<br />

urkundlich nachgewiesen.<br />

Bei dieser <strong>der</strong> Stadt Warstein gehörenden<br />

Schmelzhütte handelte es sich um einen Blaso<strong>der</strong><br />

Fluss-Ofen, in dem dank damals fortschrittlicher<br />

wassergetriebener Blasebälge Temperaturen<br />

bis 1500°C erreicht wurden, sodass während<br />

<strong>der</strong> Betriebszeiten regelmäßig flüssiges Roheisen<br />

abgestochen werden konnte. Dieses Roheisen<br />

musste allerdings im Gegensatz zu den Produktionen<br />

<strong>der</strong> mittelalterlichen Rennfeuer und<br />

Stücköfen erst aufwändig gefrischt und geschmiedet<br />

werden, ehe es weiterverarbeitet werden<br />

konnte.<br />

Während <strong>der</strong> unregelmäßigen Betriebszeiten<br />

(sog. »Huttenreise«) von etwa 60 Tagen pro Jahr<br />

erschmolz ein (fahren<strong>der</strong>) Hüttenmeister mit vier<br />

bis fünf Helfern Eisen für seinen jeweiligen Auftraggeber<br />

(Stadt/Gewerke/Graf). Der Abstich nach<br />

ca. acht Stunden erbrachte eine »Gösse« = Gusseisen-Masse<br />

von rund 800 kg.<br />

In dieser Zeit noch südöstlich weit vor <strong>der</strong> damaligen<br />

Stadt gelegen, wurde <strong>der</strong> Hüttenplatz nach<br />

1802 Bestandteil <strong>der</strong> Neustadt, als sich diese nach<br />

dem letzten vernichtenden Stadtbrand am Stadtberg<br />

im Tal neu gründete. Der Entwicklung <strong>der</strong><br />

Eisenverhüttung im Osten <strong>der</strong> Stadt, unterhalb<br />

des Oberhagens ganz in <strong>der</strong> Nähe ertragreicher<br />

Gruben, konnte die Schmelzhütte am Hüttenplatz<br />

in späterer Zeit nicht standhalten. Darüber hinaus<br />

stand auch die Stadtentwicklung im frühen 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t einer Aufrechterhaltung o<strong>der</strong> gar<br />

Erweiterung des Verhüttungsstandortes entgegen.<br />

Ein neues Werk<br />

In den alten Werksanlagen dieser Schmelzhütte<br />

am Hüttenplatz entstand 1891 die Fabrikation<br />

von Kleineisenteilen durch die Fa. Hüsing & Co.,<br />

später Peters & Co. Aus zugeliefertem Roheisen<br />

produzierte man vorwiegend Kleineisenteile für<br />

den leichten Ackerbau. Bereits 1895 traten die<br />

Gebrü<strong>der</strong> Emil und Hugo Siepmann als Teilhaber<br />

in diese Fabrik ein und bauten Schritt für Schritt<br />

die bestehenden Anlagen zu einer Gesenkschmiede<br />

um. 1910 wurden sie Besitzer <strong>der</strong> Gesenkschmiede<br />

und brachten das Werk in kurzer Zeit zu<br />

hoher Blüte. Aus Stahlblech wurden zunächst<br />

Spaten und Schaufeln gepresst, und man begann<br />

mit dem Schmieden von Heu- und Düngergabeln<br />

sowie von Gitterspitzen für den Zaunbau. Zu die-<br />

gegossen wurden, mit denen angeblich die Stadt<br />

Münster beschossen wurde und hoffen, dass man<br />

sich in Münster nicht mehr daran erinnert. Ab<br />

1891 dienten die Produkte, die an diesem Platz<br />

hergestellt wurden, allerdings dem friedlichen<br />

Einsatz auf dem Feld: Aus zugeliefertem Roheisen<br />

produzierte man Geräte für den Ackerbau.<br />

1891: Die Belegschaft <strong>der</strong> Firma Hüsing & Co.<br />

Das Siepmann-Werk am Hüttenplatz (um 1892)<br />

Emil Siepmann (vorne Mitte) mit <strong>der</strong> ersten Belegschaft<br />

<strong>der</strong> Firma Peters & Co., Warstein 1895<br />

ser Zeit kauften die Gebrü<strong>der</strong> Siepmann in <strong>Belecke</strong><br />

ein ausbaufähiges Grundstück zum Aufbau neuer<br />

Produktionshallen, und bereits 1916 entstand<br />

dort eine große Schmiede für Aufträge aus Fahrzeugbau<br />

und Rüstungsindustrie. Das Stammwerk<br />

<strong>der</strong> Gebrü<strong>der</strong> Siepmann am Hüttenplatz wurde in<br />

<strong>der</strong> schwierigen Zeit <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise im<br />

Jahr 1930 aufgegeben, um die Produktion im<br />

neuen Werk in <strong>Belecke</strong> wirtschaftlich zu konzentrieren.<br />

Stadtmarketingverband<br />

Warstein e.V. © 2008


<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

3<br />

Die <strong>Warsteiner</strong><br />

Industriebahn<br />

Der Transport von <strong>Warsteiner</strong> Eisenerz<br />

ins Ruhrgebiet wurde erleichtert<br />

durch den mutigen<br />

Entschluss <strong>der</strong> Stadt Warstein,<br />

zu diesem Zweck eine eigene<br />

Industriebahnstrecke zu errichten.<br />

Hier wurden von 1928 bis<br />

1949 jährlich zwischen 15 000<br />

und 20000 Tonnen Eisenerz beför<strong>der</strong>t.<br />

Durch die Industriebahn<br />

konnten viele Arbeitsplätze<br />

in <strong>der</strong> Stadt gehalten werden.<br />

Nach Schließung <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong><br />

Hütten hätten sonst<br />

auch die Erzbergwerke komplett<br />

schließen müssen, was durch<br />

die Bahn um 20 Jahre verzögert<br />

wurde. Hinzu kam dann <strong>der</strong><br />

Transport des <strong>Warsteiner</strong> Kalksteins,<br />

<strong>der</strong> zum großen Teil<br />

durch die Industriebahn auch<br />

heute noch abgefahren wird.<br />

Zum Transport von Kalkstein errichtete die Stadt<br />

Warstein im Jahr 1928 eine eigene Industriebahnstrecke.<br />

Diese führte vom Bahnhof <strong>der</strong> Warstein-Lippstadter<br />

Eisenbahn (WLE) durch den<br />

Risse-Steinbruch bis zum Hillenberg-Bahnhof. Die<br />

technische Ausführung war auf das System <strong>der</strong><br />

vorhandenen Fernbahnstrecken abgestimmt. So<br />

konnten vom Bahnhof Hillenberg, wo auch das<br />

Erz <strong>der</strong> Grube David bis 1938 mit Pferdegespannen<br />

angeliefert und umgeladen wurde, die Güterwagen<br />

ins nah gelegene Ruhrgebiet transportiert<br />

werden.<br />

Ab 1938 wurde das Erz <strong>der</strong> Grube David über<br />

eine Seilbahn direkt in eine Beladestation am Hillenberg<br />

transportiert, und so wurden jährlich<br />

15000 bis 20000 Tonnen Erz per Industriebahn<br />

beför<strong>der</strong>t. Die alte Gleisstrecke zum Hillenberg<br />

wurde nach Schließung <strong>der</strong> Grube David und <strong>der</strong><br />

nahe liegenden Steinbrüche stillgelegt und wird<br />

heute als Spazierweg entlang <strong>der</strong> Wäster genutzt.<br />

Blick von <strong>der</strong> Bundesstraße 55 auf den Lagerplatz des Sägewerkes Fisch mit einer Lokomotive <strong>der</strong> Industriebahn<br />

zum Hillenberg<br />

Industriegleis entlang <strong>der</strong> Wäster auf <strong>der</strong> Höhe des Sägewerkes Fisch<br />

Mit <strong>der</strong> zunehmenden Kalkverladung wurden<br />

im Jahr 1972 die städtischen Gleise <strong>der</strong> Industriebahn<br />

mit einem Anschluss an das Kalkstein-<br />

Gewinnungsgebiet „Hohe Lieth“ ausgebaut und in<br />

jüngster Zeit um eine Verlängerung bis zur Braue-<br />

rei für umfangreiche Biertransporte erweitert. Der<br />

mutige Entschluss <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong> Ratsherren, aus<br />

eigenen Mitteln eine erste Industriebahnstrecke<br />

zu errichten, sorgte in Warstein für den Erhalt von<br />

Arbeitsplätzen.<br />

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Foto: Ernst Fisch Foto: Ernst Fisch


<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

3<br />

Die Bedeutung <strong>der</strong> Eisenbahn<br />

Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts verlor die heimische<br />

Industrie zusehends an Wettbewerbsfähigkeit,<br />

weil es den Betrieben an einer Eisenbahnanbindung<br />

fehlte. Nach einem Rückgang von Arbeitsplätzen<br />

wegen <strong>der</strong> Verlegung verschiedener Werke<br />

nach Soest, Beckum und Lippstadt bildete sich<br />

in Warstein 1878 ein Komitee, das sich den Bau<br />

Bahnhof Warstein, Blick auf Hüttengelände und Stadtberg<br />

Nach den Planungs- und Vorarbeiten<br />

erfolgte am 22. November 1881 die<br />

Gründung <strong>der</strong> »Warstein-Lippstadter-Eisenbahngesellschaft<br />

WLE«. Das<br />

Grundkapital betrug 1500000 Mark.<br />

Kurze Zeit darauf wurde mit dem Bau<br />

begonnen. Nach nur 19 Monaten<br />

erfolgte am 1. November 1883 die<br />

Inbetriebnahme. Als Trasse diente<br />

<strong>der</strong> frühere Sommerweg <strong>der</strong> in den<br />

1820er Jahren erbauten Koblenz-<br />

Mindener-Heerstraße. Hierbei handelte<br />

es sich um den neben <strong>der</strong> harten<br />

Fahrbahn liegenden unbefestigten<br />

<strong>Weg</strong>streifen für den Marsch <strong>der</strong><br />

Kavallerie und pferdebespannten Artillerie.<br />

Ein solcher Sommerweg hatte<br />

keine Bedeutung mehr, nachdem<br />

man im Krieg von 1866 den Vorteil<br />

<strong>der</strong> Eisenbahnbeför<strong>der</strong>ung für Truppentransporte<br />

erkannt hatte.<br />

Luftaufnahme des Bahnhofsgeländes (1959)<br />

Folgende Betriebsmittel standen<br />

<strong>der</strong> Eisenbahn zur Verfügung: 4<br />

leichte Lokomotiven, 4 Personenwagen,<br />

1 Gepäck- und Postwagen sowie<br />

32 Güterwagen. Der Betrieb hatte<br />

54 Mitarbeiter: 6 arbeiteten in<br />

<strong>der</strong> Verwaltung, 12 in <strong>der</strong> Unterhaltung<br />

und 36 im Außendienst. Als<br />

sich zeigte, dass das noch junge Unternehmen<br />

wirtschaftlich erfolgreich<br />

war, wurden <strong>der</strong> Geschäftsführung<br />

weitere Projekte angetragen.<br />

Nach <strong>der</strong> Übernahme des halben<br />

Aktienkapitals durch den Provinziallandtag<br />

wurde <strong>der</strong> Unternehmensname<br />

geän<strong>der</strong>t. Die Eisenbahngesellschaft<br />

hieß fortan Westfälische<br />

Landeseisenbahn-Gesellschaft. Die<br />

Abkürzung WLE konnte bleiben.<br />

Neue Strecken von Lippstadt nach<br />

Beckum, von Soest nach Brilon und<br />

einer Eisenbahn mit Anschluss an eine <strong>der</strong><br />

großen Durchgangsstrecken zum Ziel setzte.<br />

Diese »Secundärbahn« sollte Warstein mit Lippstadt<br />

verbinden. Dem Komitee gehörten <strong>der</strong> Geheime<br />

Kommerzienrat Wilhelm Bergenthal, Fabrikant<br />

Ewald Bergenthal, Direktor Friedrich Uhlendorf<br />

und Sparkassenrendant Franz Hegemann an.<br />

von Neubeckum nach Warendorf<br />

wurden zwischen 1898 und 1901 in<br />

Betrieb genommen.<br />

Das Amt des Vorsitzenden des<br />

Vorstandes <strong>der</strong> Gesellschaft wurde<br />

von dem Geheimen Kommerzienrat<br />

Wilhelm Bergenthal von 1883 bis<br />

1892 nebenamtlich bekleidet. Zu<br />

Recht wird Bergenthal als Eisenbahnpionier<br />

bezeichnet. Er verstarb<br />

am 28. April 1893 im Alter von 88<br />

Jahren. Bestimmend für sein Leben<br />

waren die Worte, die er über zwei<br />

Portale am Haus Kupferhammer einmeißeln<br />

ließ: »Nichts ohne Mühe«<br />

und »Segen ist <strong>der</strong> Mühe Preis«.<br />

Ursprünglich sollte <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong><br />

Bahnhof unterhalb des Steinbruchs<br />

Risse entstehen. Aufgrund<br />

<strong>der</strong> beengten Platzverhältnisse<br />

wurde er aber schließlich auf dem<br />

Gelände nördlich <strong>der</strong> Wilhelmshütte<br />

gebaut. Reisende aus dem Stadtgebiet<br />

hatten somit einen längeren<br />

<strong>Weg</strong> zur Bahn. Für den Güterverkehr<br />

war die Lage jedoch günstig. Einerseits<br />

konnte man sich auf dem<br />

offenen Wiesengelände ungehin<strong>der</strong>t<br />

ausbreiten, an<strong>der</strong>erseits lag <strong>der</strong><br />

Bahnhof nunmehr in unmittelbarer<br />

Nähe <strong>der</strong> Industriewerke, in<br />

Suttrop.<br />

Bahnhof Warstein, Blick auf den Stillenberg und die LWL-Klinik<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

4<br />

<strong>Warsteiner</strong> Eisenindustrie<br />

um 1600<br />

Ab etwa 1300 siedelten sich<br />

entlang <strong>der</strong> Wäster viele Betriebe<br />

<strong>der</strong> Eisenerschmelzung und -<br />

verarbeitung an. Ausschlaggebend<br />

war die nutzbare Wasserkraft<br />

für Blasebälge und Hämmer.<br />

So war die Montanindustrie<br />

hier um 1600 bereits gut entwickelt.<br />

Die Momentaufnahme,<br />

die mit Hilfe <strong>der</strong> historischen<br />

Karte möglich ist, verdeutlicht<br />

diese Situation.<br />

Von dieser Position aus blickt man durch den<br />

Steinbruch hinüber zur Alten Kirche auf einen Taleinschnitt,<br />

<strong>der</strong> bis etwa 1800 ganz eng ausgebildet<br />

war. Die heute hier hindurch führende Bundesstraße<br />

55, die erst 1823-1825 als »Koblenz-<br />

Mindener Chaussee« gebaut wurde, gab es noch<br />

nicht. Nur die Wäster bahnte sich ihren <strong>Weg</strong> durch<br />

diese Bergenge.<br />

Die historische Darstellung von Renier Roidkin<br />

aus dem Jahr 1730 zeigt mit Blick auf die Alte<br />

Kirche und den Hohen Stein diesen Taleinschnitt<br />

und die erste Bebauung auf dem Platz <strong>der</strong> Wilhelmshütte.<br />

Die Alte Kirche wurde zu Recht mit<br />

einem schlanken Kirchturm gezeichnet, <strong>der</strong> dem<br />

<strong>der</strong> Kallenhardter Kirche in <strong>der</strong> Konstruktion ähnlich<br />

war. Erst nach dem großen Stadtbrand 1802<br />

erhielt die Alte Kirche dann den heutigen Turm<br />

mit so genannter »Welscher Haube«.<br />

In Warstein wurde die Wester im Lauf <strong>der</strong><br />

Geschichte umbenannt in »Wäster«. Ab etwa<br />

1300 siedelten sich entlang ihrer Ufer viele Betriebe<br />

<strong>der</strong> Eisenerschmelzung und -verarbeitung<br />

an. Ausschlaggebend war die nutzbare Wasserkraft<br />

für Blasebälge und Hämmer. So war die Montanindustrie<br />

hier um 1600 bereits gut entwickelt.<br />

Die Momentaufnahme, die mit Hilfe <strong>der</strong> historischen<br />

Karte möglich ist, verdeutlicht diese Situation.<br />

Die historische Karte von 1630 aus dem Archiv<br />

<strong>der</strong> Familie von Fürstenberg gibt vielfachen Aufschluss<br />

über die <strong>Warsteiner</strong> Montanindustrie.<br />

Industrieplätze, Mühlen, Wohnbebauung, Flüsse,<br />

Bergbau, Gemarkungen und Verkehrswege sind<br />

eingezeichnet. Die Karte ist, wie damals üblich,<br />

geostet.<br />

So erkennt man südlich <strong>der</strong> Wästerklamm den<br />

<strong>Warsteiner</strong> »Hüttenplatz«, nördlich davon das<br />

Warstein um 1730, Radierung von Renier Roidkin (Ausschnitt)<br />

Suttroper Hüttengelände und den alten Eisenhammer<br />

(späterer Kupferhammer). Diese »ruinöse<br />

Nagelschmiede« wurde 1659 von Jacob und<br />

Maria Forkenbeck erworben. Sie errichteten hier<br />

einen Messinghammer für Brau- und Brennkessel.<br />

Nördlich unter <strong>der</strong> Alten Kirche gab es noch mit<br />

dem alten Kupferhammer einen Vorläufer gleichen<br />

Namens. Ferner sind auch die großen Fundorte für<br />

Erze vermerkt, z.B. am Bilstein die Grube David<br />

(Rothland) und im Oberhagen die Grube Rom. Der<br />

Verkehr wurde damals von <strong>Belecke</strong> »Unterm Stillenberg«<br />

bis zum alten Eisenhammer geführt.<br />

Dann ging <strong>der</strong> <strong>Weg</strong> an Lattrichs Mühle vorbei, vor<br />

dem Bergrücken hinauf um die Alte Kirche herum<br />

bis zum »Kohlmarkt« und wie<strong>der</strong> hinunter auf den<br />

Mesche<strong>der</strong> <strong>Weg</strong>.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

4<br />

Erz, Wasser, Kohle und Kalk<br />

Es zeigte sich im Lauf <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te, welch<br />

treffliche Bedingungen für eine Eisenverhüttung<br />

in Warstein zusammen kommen: endlose<br />

Wäl<strong>der</strong>, Kalksteingebirge, Erzvorkommen und<br />

zu Tal eilende Gewässer. Durch Quellzuflüsse<br />

aus dem Karst mit konstanter Temperatur zwischen<br />

8 und 15 Grad friert diese Wasserkraft<br />

auch im kalten Winter nicht ein. Also: Holzkohle,<br />

Kalk als unverzichtbarer Verhüttungszuschlag<br />

und Wasserkraft ermöglichten die<br />

Verhüttung aus Erz zu Eisen.<br />

Kalkstein<br />

Unsere Kalksteinvorkommen<br />

machten es sehr leicht, die<br />

nötigen Zuschlagstoffe für<br />

die Eisenschmelzen zu gewinnen.<br />

Im Bild rechts ist<br />

eine <strong>der</strong> hochreinen Kalka<strong>der</strong>n,<br />

fast reines Calcit, abgebildet.<br />

Der <strong>Warsteiner</strong> Kalk<br />

ist für den Einsatz in <strong>der</strong><br />

Stahlindustrie und <strong>der</strong> chemischen<br />

Industrie bestens<br />

geeignet.<br />

Eisenerze<br />

Warstein ist umgeben von zahlreichen kleineren Erzvorkommen.<br />

Sogar im Stadtgebiet finden sich zwei Gruben<br />

(Rom und Hirschfeld). Die Erze wurden z.T. im Tagebau<br />

(Siebenstern und Christoph), einige auch im Tiefbau (bis 80<br />

m) gewonnen (Suttbruch, David, Rom). Die Abbaumenge<br />

richtete sich zunächst ganz nach dem Bedarf <strong>der</strong> Schmelzhütte.<br />

Dazu wurde auch vorsorglich aufgehaldet. Die verschiedenen<br />

anfallenden Erztypen (Weiß-, Braun-, Roteisenerze)<br />

wurden vom Hüttenmeister im abgestimmten Verhältnis<br />

zueinan<strong>der</strong> gemischt und dann eingeschmolzen.<br />

Trotz <strong>der</strong> reichlich vorhandenen eigenen Vorräte wurde auch<br />

hochprozentiger Eisenstein aus Olsberg beigemischt. Der<br />

Eisengehalt <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong> Erze schwankte sehr stark<br />

zwischen 25 und 60 Prozent. Auch nach Verlöschen <strong>der</strong><br />

heimischen Hochöfen konnte die Erzför<strong>der</strong>ung dank des<br />

Bahnanschlusses 1883 weitergeführt werden. Obwohl von<br />

min<strong>der</strong>em Eisengehalt, war <strong>Warsteiner</strong> Erz wegen seiner<br />

Mangan- und Kalkbestandteile im Ruhrgebiet gefragt.<br />

Braun-Eisenstein<br />

Rot-Eisenstein<br />

Roh-Luppe<br />

Wasserkraft<br />

Ab Walkemühle friert die Wäster im<br />

Winter nicht zu. Beson<strong>der</strong>s durch<br />

den Zufluss <strong>der</strong> Range, die reichlich<br />

Wasser von ca 15 °C aus dem Kalkmassiv<br />

führt, wird die Wäster zu einer<br />

ganzjährigen Kraftquelle. Damit<br />

Trockenzeiten überbrückt werden<br />

konnten, und um die Leistung <strong>der</strong><br />

Wasserrä<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Turbinen zu erhöhen,<br />

wurde <strong>der</strong> Fluss in Teichen<br />

aufgespeichert. Es gab viel Streit um<br />

die Höhe <strong>der</strong> Anstauung, da im Frühjahr<br />

natürlich zunächst die oben liegenden<br />

Teiche sich füllten, an<strong>der</strong>erseits<br />

durfte <strong>der</strong> untere Teich nicht zu<br />

hoch angestaut werden, weil dann<br />

<strong>der</strong> oberhalb liegende Betrieb kein<br />

Gefälle mehr nutzen konnte.<br />

Holzkohle<br />

Der Holzkohlenbedarf zur Eisenverhüttung<br />

war ungeheuer groß. Zur Herstellung<br />

von 1 Tonne Eisen mussten 5 Tonnen<br />

Holzkohle verbrannt werden. Die mit<br />

Holzkohle zu erzielenden Temperaturen<br />

waren im Stückofenbetrieb mit 1000 bis<br />

1 200 °C nur ausreichend, um Eisen zu<br />

weichen kleinen Körnchen zu erschmelzen.<br />

Da Holzkohle in <strong>der</strong> schlechten Zeit<br />

nach dem 30jährigen Krieg in großen<br />

Mengen außer Landes verkauft wurde,<br />

wurde die Ausbeutung <strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> 1679<br />

vom Kölner Kurfürsten verboten.<br />

Mit Wasserkraft angetriebene<br />

Blasebälge im Schmiedebetrieb<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

5<br />

Bergbau und Erzgewinnung<br />

in <strong>der</strong> Grube Rom<br />

Die Eisenerzvorkommen des Oberhagens waren für viele Jahrhun<strong>der</strong>te die<br />

Rohstoffgrundlage für die Eisenindustrie im unteren Wästertal. Wahrscheinlich<br />

reicht <strong>der</strong> Abbau im Oberhagen weit ins Mittelalter zurück. Dafür<br />

sprechen die zahlreichen Spuren im Wald: Nicht allein die bekannten mächtigen<br />

Pingen und Einstürze (die zu den bedeutendsten Bodendenkmälern<br />

des Bergbaus im Sauerland zählen) – auf einem breiten Streifen, <strong>der</strong> das<br />

»Ausbeißen« <strong>der</strong> Lagerstätte markiert, finden sich Schachtpingen, Schurflöcher<br />

und Reste verstürzter Stollen. Aktenkundig wurde <strong>der</strong> Bergbau im<br />

Oberhagen schließlich als »Grube Rom«. Diese Grube lieferte hochwertiges<br />

Erz (bis zu 60 Prozent Eisengehalt). Um 1850 waren die Vorräte ausgebeutet,<br />

die Grube musste geschlossen werden.<br />

Große Pinge <strong>der</strong> aufgelassenen Eisenerzgrube »Rom« im Oberhagen<br />

Schon auf <strong>der</strong> Karte von ca. 1630 ist<br />

für den Bereich Oberhagen ein „Stollen“<br />

eingetragen. Dieser dürfte mit<br />

einem Bergwerk identisch sein, das<br />

im Lagerbuch von 1617 erwähnt wird<br />

(»auss dem Bergwerkh«). Vieles deutet<br />

jedoch darauf hin, dass <strong>der</strong> Bergbau<br />

im Oberhagen schon viel älter<br />

ist. Die zahlreichen kleinen und<br />

größeren Pingen lassen wohl auf<br />

mittelalterlichen Bergbau schließen.<br />

Die Ausbeutung führte schließlich<br />

zum Einsturz größerer Bereiche, die<br />

sich heute als zwei große, etliche<br />

Zehnermeter tiefe, eingezäunte Pingen<br />

präsentieren.<br />

1816 beschreibt Bergmeister Buff<br />

die Grube: »In dem Kalkgebirge zu<br />

Warstein, welches die Grauwakke begrenzt,<br />

setzt bei Suttrop ein stehen-<br />

WICHTIGER HINWEIS: Etwa 100 m von hier ist die Grube mit einem<br />

Sicherheitszaun abgesperrt. Das Naturschutzgebiet Oberhagen ist ein<br />

Wald, <strong>der</strong> nicht forstwirtschaftlich genutzt wird. Bäume können umstürzen,<br />

Äste auf den <strong>Weg</strong> fallen. Das Betreten des Oberhagens erfolgt<br />

auf eigene Gefahr! Bei starkem Wind, kräftigem Regen und bei Schneefall<br />

sollten Sie die <strong>Weg</strong>e nicht begehen! Unser <strong>Weg</strong>vorschlag führt auf<br />

dem breiten asphaltierten <strong>Weg</strong> hinunter zu den befestigten Straßen.<br />

den Stock [ein Eisenerz-Lager] in den<br />

8. Stunde auf, welche in oberer Teufe<br />

4 und mehrere Lachter [über 8 Meter]<br />

mächtig wird. Er führt Rotheisenstein<br />

mit Eisenglanz, Eisenkiesel<br />

und Kalkspath. Die Grube ist durch<br />

einen Stollen aufgeschlossen, über<br />

welchem aber alles abgebauet ist.<br />

Durch eine wasserreiche Kalkschlatte<br />

wurde es möglich, in <strong>der</strong> Grube eine<br />

Kunst zu bauen, und ist mittelst dieser,<br />

welche auf den Stollen aushebt,<br />

unter die Stollensohle 15 Lachter abgeteuft.<br />

Da <strong>der</strong> Raum, in welchem<br />

sich <strong>der</strong> Eisenstein findet, sich nach<br />

allen Richtungen zusammenzieht, so<br />

ist jetzt das Eisensteinmittel, welches<br />

abgebaut wird, nur noch 4<br />

Lachter lang und 4-5 Fuß mächtig<br />

und die Grube dadurch ihrem Ende<br />

nahe.«<br />

Grundwasser ist beim Bergbau zu<br />

allen Zeiten ein Problem gewesen, so<br />

auch in <strong>der</strong> Grube Rom. Es gelang jedoch,<br />

dieses Problem ausgerechnet<br />

mit dem stark zufließenden Grubenwasser<br />

selbst in den Griff zu bekommen.<br />

Mit dem seitlich zufließenden<br />

Grubenwasser wurde ein Wasserrad<br />

angetrieben, das Pumpen zur Wasserhaltung<br />

tiefer liegen<strong>der</strong> Grubenbereiche<br />

in Bewegung setzte. Dadurch<br />

wurde <strong>der</strong> Abbau 30 Meter unter<br />

dem Niveau des Wasserrades<br />

möglich. Die Grube Rom reichte an<br />

ihren tiefsten Stellen sogar deutlich<br />

unter das Niveau von Wäster und<br />

Bullerteich hinab.<br />

Darstellungen <strong>der</strong> Grube »Rom« und<br />

des Hüttengeländes »angefertigt und<br />

nachgetragen durch den kgl. Markschei<strong>der</strong><br />

A. Gipperich im August<br />

1858, vervollständigt durch Denselben<br />

im November 1859«:<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

5<br />

Berufe in <strong>der</strong> Montanindustrie<br />

Erzfunde in Warstein, die sowohl im Tagebau wie<br />

auch im Bergbau abgebaut wurden und zunächst<br />

in den Schmiedebetrieben, dann in Hüttenbetrieben<br />

verarbeitet wurden, brachten eine große<br />

Zahl spezifischer Berufe mit sich. So entstanden<br />

die nachfolgend beschriebenen Berufe.<br />

• Bergsteiger – Das waren die hoch<br />

ausgebildeten Männer des Bergbaus,<br />

welche die Aufsicht führten<br />

und die Arbeit vorgaben. Oft waren<br />

sie auch Betriebsführer einer<br />

Grube.<br />

• Bergknaben o<strong>der</strong> »Knappen« – so<br />

nannte man die Facharbeiter im<br />

Bergbau. Knappe ist eine alte Be-<br />

zeichnung für jemanden, <strong>der</strong> die<br />

Lehre als Bergmann erfolgreich<br />

abgeschlossen hat (wie <strong>der</strong> Geselle<br />

im Handwerk). Die Bergknappen<br />

bildeten den bergmännischen<br />

Stand.<br />

• Bergmann, Bergfrau – Bezeichnungen<br />

für die Hilfskräfte im<br />

Bergbau.<br />

Modelliersaal <strong>der</strong> Wilhelmshütte Handformerei <strong>der</strong> Wilhelmshütte<br />

»Betrieb-Bureau« <strong>der</strong> Wilhelmshütte Hammerschmiede (Eisenhammer)<br />

Arbeit am Puddelofen<br />

Olsberger Hütte: Montage von Öfen<br />

und Grills<br />

In <strong>der</strong> Eisenherstellung und -verarbeitung<br />

entwickelten sich folgende<br />

Berufe:<br />

• Von Alters her gab es den handwerklichen<br />

Schmied, <strong>der</strong> landwirtschaftliche<br />

Werkzeuge und beson<strong>der</strong>s<br />

in Warstein und Suttrop auch<br />

Nägel sowie in Sichtigvor Ketten<br />

schmiedete.<br />

• Nach dem Aufbau <strong>der</strong> industriellen<br />

Eisenverarbeitung gab es Hütten-<br />

und Bergarbeiter. Das Hochofenpersonal<br />

bestand aus:<br />

– Hüttenmeister/Eisenschmelzer<br />

– Hüttensteller und zwei Aufgeber<br />

(»Massenbläser« genannt)<br />

– Schmelzer und Beschicker<br />

(»Kleinschmelzer« genannt)<br />

– Sandformer, Tonformer, Kernmacher,<br />

Gießer und Platzburschen.<br />

Speziell im Ofenbau gab es Zieseleure,<br />

die die filigranen Muster und Bil<strong>der</strong><br />

in die Gußformen <strong>der</strong> Ofenplatten<br />

einarbeiteten und Lithografen,<br />

Ofenschlosserei <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong> Eisenwerke,<br />

ca. 1950<br />

Eisengießer beim Guss von Bremstrommeln<br />

in <strong>der</strong> Hütte (1955)<br />

die die Reinzeichnungen <strong>der</strong> Produkte<br />

in <strong>der</strong> Prospekterstellung anfertigten.<br />

Im Eisenhammer waren es Frischund<br />

Hammerarbeiter. Das Hammerpersonal<br />

bestand aus zwei Hammerschmieden<br />

(auch Reck- und Hammerschmied,<br />

kurz »Recker« genannt)<br />

mit ihren Knechten.<br />

Angeglie<strong>der</strong>t an die Hüttenbetriebe<br />

gab es dann noch Balgmacher,<br />

Steinwäscher, Erzputzer, Zimmerleute,<br />

Schreiner, Köhler und Fuhrleute,<br />

die Waren bis Ostpreußen lieferten.<br />

Daneben waren unzählige<br />

Heimarbeiter in einer heimgewerblichen<br />

Fertigwarenproduktion neben<br />

ihrer Landwirtschaft beschäftigt.<br />

Beson<strong>der</strong>s intensiv war die Nagelmacherei.<br />

Ferner gab es im Ort Hufschmiede,<br />

Nagelschmiede, Drahtzieher<br />

und eine Menge Tagelöhner ohne<br />

Beruf, die alle in einer Verbindung<br />

zur Eisenindustrie standen.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

6<br />

Die Treisequelle<br />

Als Reichsfreiherr von Hoesch Anfang des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts in Warstein<br />

eine Eisenhütte errichten wollte, waren bereits mehrere am<br />

Wasserlauf <strong>der</strong> Wäster gelegene Flächen und die Wasserrechte kurz<br />

zuvor an an<strong>der</strong>e Betriebe (Mühlen und Eisenbetriebe) vergeben<br />

worden. Von Hoesch konnte jedoch auf ein Gelände auf Suttroper<br />

Gebiet ausweichen. Dort unter dem Oberhagen gab es eine für<br />

seine Pläne exzellente, ganzjährig verfügbare Wasserquelle, die<br />

Treise. Ihrer Existenz und Kapazität und den hydrologischen<br />

Beson<strong>der</strong>heiten im <strong>Warsteiner</strong> Kalksattel konnte unsere Heimat die<br />

Ansiedlung <strong>der</strong> St. Wilhelmshütte verdanken, die für unsere<br />

Gemeinden in 300 Jahren viel positives Wachstum und technologische,<br />

weltweit anerkannte Entwicklung brachte.<br />

Bei <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> St. Wilhelmshütte durch Baron<br />

von Hoesch gab es we<strong>der</strong> freie Wasserrechte<br />

an <strong>der</strong> Wäster, noch einen an <strong>der</strong> Wäster gelegenen<br />

freien Platz für die Hütte.<br />

Daher entschied man sich, diese Eisenhütte<br />

auf einem Gelände auf Suttroper Gebiet gleich unterhalb<br />

<strong>der</strong> Treisequelle zu gründen. Die Treise<br />

entspringt am Fuß des Oberhagens. Hydrologisch<br />

bemerkenswert ist, dass diese Quelle immerhin<br />

noch rund 20 Meter oberhalb des Wasserlaufs <strong>der</strong><br />

Wäster und <strong>der</strong> dort auf gleicher Höhe liegenden<br />

an<strong>der</strong>en sehr ergiebigen Quellen entspringt. Diese<br />

Beson<strong>der</strong>heit des <strong>Warsteiner</strong> Kalkmassivs,<br />

Grundwasser kommunizierend auch in größere<br />

Höhen zu führen, verdanken wir die für den Hüttenbetrieb<br />

günstige Lage dieser großen Quelle.<br />

Sie führt ganzjährig temperiertes Karst-Grundwasser,<br />

welches nicht einfriert. Somit war diese<br />

ergiebige Quelle als Wasserkraft für einen<br />

Eisenbetrieb mit seinen Werkstätten und Schmie-<br />

den sehr gut geeignet. Ihre Wassermenge war<br />

wesentlich geringer als die <strong>der</strong> Wäster, doch<br />

konnte man sie hoch anstauen und damit mehr<br />

Kraft aus dem Gefälle gewinnen, als dies an dem<br />

relativ flachen Gefälle <strong>der</strong> Wäster möglich gewesen<br />

wäre.<br />

Damit das Wasser auch in Trockenzeiten<br />

gleichmäßig genutzt werden konnte, wurde ein<br />

Speicherteich von ca. 10 x 35 Meter Ausdehnung<br />

angelegt und ferner das Grubenabwasser <strong>der</strong> Grube<br />

Rom mit eingeleitet. Da im Wasserlauf vor <strong>der</strong><br />

Wilhelmshütte kein an<strong>der</strong>er Betrieb lag, dem man<br />

das Gefälle des Wassers durch Anstauen nehmen<br />

konnte, wurde die Treise relativ hoch angestaut,<br />

um die volle Kraft des Gefälles auszunutzen.<br />

Zunächst geschah die Kraftgewinnung durch<br />

einfache Wasserrä<strong>der</strong>, die allmählich von oberschlächtigen<br />

Wasserrä<strong>der</strong>n mit besseren Wirkungsgraden<br />

ersetzt wurden. Schließlich kam um<br />

1850 die Turbinentechnik auf. Von dem aufge-<br />

stauten Teich führte ein Rohr mit 80 cm Durchmesser<br />

und rund 4 Metern Gefälle auf eine Turbine,<br />

die über ein Kegelradgetriebe eine Transmissionswelle<br />

in <strong>der</strong> mechanischen Werkstatt antrieb.<br />

Hier wurden einerseits direkt über Transmissionsriemen<br />

Maschinen mechanisch angetrieben,<br />

wie an<strong>der</strong>erseits auch ein ca. 30kW großer<br />

Elektro-Generator.<br />

Später, nach Schließung <strong>der</strong> Hütte, wurde diese<br />

Wasserkraft <strong>der</strong> Treise im Emaillierwerk und in<br />

<strong>der</strong> Schleiferei für mechanische Bearbeitungen<br />

genutzt. Die Treise, auch Treßbecke genannt, wird<br />

erwähnt in einer Urkunde vom 13. Februar 1583<br />

aus Anlass des Verkaufs einer Mühle durch Henningius<br />

Schüngel zu Beringhausen an Joachim<br />

Lürwald zu Suttrop. Gebietsstreitigkeiten<br />

zwischen <strong>Warsteiner</strong>n und Suttropern gab es<br />

damals zahlreich. In einem weiteren Kaufbrief<br />

von 1598 wird durch <strong>Warsteiner</strong> Richter und<br />

Schöffen bestätigt, »dass das Spring, welches die<br />

<strong>Warsteiner</strong> die Wesche nennen, die Treiße heiße<br />

und im Suttroper Mark liege«. Die erste urkundliche<br />

Erwähnung <strong>der</strong> »Treyse« stammt aus dem<br />

Jahr 1483.<br />

Speicherteich <strong>der</strong> Wilhelmshütte<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

7<br />

Das Hüttengelände (1)<br />

Treisekapelle Kohlenschuppen Hochofenhalle Hoher Stein Stadtberg<br />

Die <strong>Warsteiner</strong> Gruben- und Hüttenwerke im Jahr 1885<br />

Nachdem in Warstein über mehrere Jahrhun<strong>der</strong>te<br />

die Gewinnung und Verarbeitung von Eisen in<br />

handwerklichem Rahmen erfolgte, trat mit<br />

Reichsfreiherr Gerhardus von Hoesch ab 1739 ein<br />

kapitalkräftiger und von <strong>der</strong> Obrigkeit protegierter<br />

Investor auf den Plan, <strong>der</strong> unsere natürlichen<br />

Ressourcen nutzte und eine für damalige Zeit<br />

hochmo<strong>der</strong>ne Hüttenanlage errichtete. Nachfol-<br />

Meilensteine<br />

1739 | Konzession durch Kurfürst und Erzbischof<br />

Clemens August an den Reichsfreiherrn Gerhardus<br />

von Hoesch zur Errichtung einer Eisenhütte.<br />

1744 | Errichtung eines Hammerwerkes an <strong>der</strong><br />

Wäster und einer Eisenschneidmühle. Dann gibt<br />

es einige Nachfolgeprobleme. Die einzige Tochter<br />

Hoeschs heiratet einen Reichsgrafen von Hallberg,<br />

<strong>der</strong> jedoch für die Betriebsführung nicht talentiert<br />

ist. Daher setzt von Hoesch seine Enkel<br />

als Erben ein. Diese verkaufen 1835 das Werk an<br />

Johann Kremer aus Dortmund, <strong>der</strong> ein Konsortium<br />

mit verschiedenen Mitbesitzern bildet, Fa.<br />

Kremer, Koch und Clerck. Die Gewerken wechseln<br />

sehr häufig.<br />

1836 | Eine Momentaufnahme in Zahlen: Die<br />

Hütte beschäftigt 178 Arbeiter, im Einzelnen: 22<br />

Bergleute, 40 Köhler, 8 Hammerschmiede, 12 Zimmerleute,<br />

6 Schreiner, 8 Schmiede, 12 Hochofenarbeiter,<br />

12 Tagelöhner, 6 weiteres Hochofenpersonal,<br />

16 Sandformer, 6 Lehmformer, 10 Fuhrleute,<br />

20 Steinklopfer. Effektiv sind im Gelände des<br />

Hüttenwerks und in <strong>der</strong> Gießerei nur etwa 50 Leute<br />

tätig. Produziert werden 1836: 277 Tonnen<br />

Gusswaren, 479 Tonnen Roh- und 200 Tonnen<br />

Stabeisen, zusammen knapp 1000 Tonnen Eisen.<br />

1840 | In diesem Jahr sind es fünf Gewerken:<br />

Hammacher, Luyken sen., Koch, Wilhelm und Karl<br />

Clerk; Hammacher besitzt ein Drittel <strong>der</strong> Firma.<br />

Die Familien Hammacher und Luycen eignen sich<br />

im Laufe <strong>der</strong> Zeit alle Anteile an und bilden eine<br />

neue Firma mit Namen: »Gewerkschaft <strong>der</strong> Sankt<br />

Wilhelmshütte«. Im Laufe <strong>der</strong> Zeit wächst die Zahl<br />

<strong>der</strong> Teilhaber weiter an, Hammacher ist jedoch die<br />

Seele <strong>der</strong> Firma.<br />

1844 | 650 Tonnen Gusswaren werden produziert<br />

Blick über das Hüttengelände Richtung Süden<br />

gend werden wir einige Meilensteine dieser Hüttengeschichte<br />

darstellen. Am Ende dieser Ära, als<br />

Hütte und Folgebetriebe geschlossen wurden,<br />

hatten Warstein und Suttrop eine 300jährige Industriegeschichte<br />

mit großen Erfolgen erlebt, die<br />

selbstverständlich auch mit ihren Hochs und Tiefs<br />

auf die hiesige Bevölkerung und <strong>der</strong>en Anwachsen<br />

einen ausschlaggebenden Einfluss hatte.<br />

zum Preis von 6,15 Taler je 100 kg, in Summe also<br />

40000 Taler.<br />

1850 | Das Hammerwerk wird in ein Werk für<br />

Achsenproduktion umgewandelt<br />

1857 | Die Hütte hat zwei Hochöfen, die Mitarbeiterzahl<br />

wuchs in den letzten zwanzig Jahren<br />

um 50% an und beträgt nun zusammen 258.<br />

1865 | Die St. Wilhelmshütte beschäftigt 210<br />

Mitarbeiter. Zum Vergleich: 30 Jahre zuvor waren<br />

im Gelände <strong>der</strong> Hütte nur 50 Leute tätig. Der Ausstoß<br />

an Gusswaren beträgt nun 809 Tonnen.<br />

1870-71 | Durch den Krieg mit Frankreich hat<br />

das Werk Hochkonjunktur und produziert insgesamt<br />

1 539 Tonnen Eisen, davon 1 272 Tonnen<br />

Roheisen und 266 Tonnen Gusswaren.<br />

1873 | Die Gewerkschaft wird aufgelöst und eine<br />

Aktiengesellschaft gegründet: »Aktiengesellschaft<br />

<strong>Warsteiner</strong> Gruben- und Hütten-Verein«. Die Familien<br />

Hammacher und Luycen, miteinan<strong>der</strong><br />

verwandt, übertragen ihre Anteile auf zwei bis<br />

drei schon beteiligte Kaufmänner und einen Grubenbesitzer<br />

zum Preis von 850 000 Thaler. Vom<br />

Aufsichtsrat wird beschlossen, eine Zweignie<strong>der</strong>lassung<br />

in Holzheim zu errichten. Die Zahl <strong>der</strong><br />

Arbeiter allein auf <strong>der</strong> St. Wilhelmshütte ist weiter<br />

auf 250 angewachsen – in den letzten zwanzig<br />

Jahren also wie<strong>der</strong>um um rund 20 Prozent.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

7<br />

Das Hüttengelände (2)<br />

1880 | Ein Krisenjahr: Die Aktiengesellschaft<br />

<strong>Warsteiner</strong> Gruben- und Hütten-Verein hat ein<br />

Grundkapital von 3 750 000 Mark. Die Bilanzen<br />

sind fortschreitend negativ.<br />

1881 | Stilllegung des Hochofens.<br />

1882 | Das Grundkapital wird auf 750 000 Mark<br />

abgewertet.<br />

1884 | Nur zehn Jahre nach dem Höchststand <strong>der</strong><br />

Arbeiterschaft ist die Belegschaft halbiert. Es sind<br />

nur noch 130 Arbeiter auf <strong>der</strong> St. Wilhelmshütte.<br />

Produziert werden nur noch Gusswaren, 439 Tonnen,<br />

verarbeitet in 3 000 Öfen je Monat (bei 30<br />

Modellen) mit je 150 kg Durchschnittsgewicht.<br />

Die Betriebsfähigkeit <strong>der</strong> Eisengießerei ist bis<br />

dahin lange Zeit mangelhaft und lückenhaft gewesen.<br />

1885 | Die Firma geht in die Pleite, Gründung einer<br />

neuen Aktiengesellschaft: »<strong>Warsteiner</strong> Gruben-<br />

und Hütten-Werke«, mit 187 Arbeitern – <strong>der</strong><br />

Ausstoß an Gusswaren steigt auf 828 Tonnen.<br />

Blick von <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong> Hauptstraße<br />

Durch Ausgabe neuer Aktien können die Gießereianlagen<br />

<strong>der</strong> Oldenburgischen Eisenhüttengesellschaft<br />

in Augustfehn übernommen werden.<br />

Die Mitarbeiterzahl steigt schnell wie<strong>der</strong> auf 241<br />

nur auf <strong>der</strong> St. Wilhelmshütte. In dieser Zusammensetzung<br />

befindet sich das Unternehmen dann<br />

einige Jahrzehnte in ruhigem Fahrwasser.<br />

1925 | Es kommt zur Fusion mit den Herzoglichen<br />

Eisen- und Emaillierwerken AG in Primkenau.<br />

Zu dieser AG gehörten die Dorotheen- und Christianshütte<br />

in Lauterbach bei Primkenau und die<br />

Henriettenhütte.<br />

1945 | Durch den Zweiten Weltkrieg gehen die<br />

Ostwerke in Primkenau verloren.<br />

1948 | Die Firma wird umgewandelt in »<strong>Warsteiner</strong><br />

Eisenwerke AG«.<br />

1967 | Endgültige Stilllegung <strong>der</strong> Fabrikation. –<br />

Das gezeigte Auf- und Ab war gelegentlich Chance<br />

und dann wie<strong>der</strong> Problem für die Bewohner beson<strong>der</strong>s<br />

Suttrops, weil dort die meisten Mitarbei-<br />

1911 vernichtete ein Brand das Lagergebäude<br />

ter wohnten. Verheerend war jedoch die plötzliche<br />

Stilllegung 1967. Auf an<strong>der</strong>en Tafeln stellen<br />

wir dar, welche Folgeaktivitäten jedoch teilweise<br />

die Arbeiterschaft wie<strong>der</strong> auffingen.<br />

Kupolöfen zur Herstellung von Gusseisen<br />

Olsberger Hütte 1972<br />

Olsberger Hütte 1979: Der letzte in Warstein gebaute<br />

Ofen<br />

Luftaufnahme des Hüttengeländes(1959) 1980: Abbruch <strong>der</strong> Hüttengebäude<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

8<br />

<strong>Warsteiner</strong> Öfen und Achsen<br />

Bevor das Bier Warsteins Namen verbreitete, tat<br />

dies bis ca. 1970 die bedeutende <strong>Warsteiner</strong> Eisenindustrie<br />

mit u.a. deutschlandweit beliebten<br />

verzierten Gussöfen sowie weltweit geschätzten<br />

<strong>Warsteiner</strong> Fahrzeugachsen. Diese Eisenindustrie<br />

war <strong>der</strong> Motor für Ansiedlungen und das Wachstum<br />

<strong>der</strong> Stadt sowie <strong>der</strong> umliegenden Orte. Hier<br />

am Platz des alten Hüttengeländes war <strong>der</strong> Sitz<br />

des Unternehmens, das wegen wirtschaftlicher<br />

und gesellschaftsrechtlicher Verän<strong>der</strong>ungen oft<br />

seinen Namen modifizierte – in Warstein nennen<br />

wir es seit jeher »die Hütte«.<br />

Hier am Platz lag seit 1739 die St.-<br />

Wilhelms-Hütte, eines <strong>der</strong> ältesten<br />

Sauerlän<strong>der</strong> Industrieunternehmen.<br />

Die Hütte stellte sich bereits ab<br />

1850, als <strong>der</strong> erste »Fensterrahmen-<br />

Herdguss« erwähnt wird, sehr erfolgreich<br />

auf Eisenguss ein und<br />

nahm einen Aufschwung durch die<br />

Produktion von Maschinenbauteilen,<br />

von Abflussrohren und <strong>der</strong> weit<br />

über die Grenzen hinaus bekannten<br />

<strong>Warsteiner</strong> Gussöfen sowie mit einer<br />

Palette an umsatzstarken Industrieöfen.<br />

Ständige Anpassungen machten<br />

es möglich, dass die Produktion<br />

sogar die für die Region katastrophale<br />

Liquidation von 1967 überdauerte<br />

und <strong>der</strong> Betriebsteil als<br />

Zweigwerk <strong>der</strong> Olsberger Hütte noch<br />

bis 1978 weitergeführt werden<br />

konnte. Das Foto oben rechts zeigt<br />

die 1967 vorgenommene Teilung des<br />

Ofenplatte mit Märchenmotiv<br />

Imposanter Stubenofen (1908)<br />

Blick auf Hüttengelände, Kreisstraße und »Hüttenhäuser« (ca. 1955)<br />

<strong>Warsteiner</strong> Öfen <strong>Warsteiner</strong> Achsen<br />

Betriebes in Olsberger Hütte und<br />

<strong>Warsteiner</strong> Achsen. Zu den <strong>Warsteiner</strong><br />

Achsen gehörte auch noch <strong>der</strong><br />

Betrieb »Eisenhammer«.<br />

Teil <strong>der</strong> Belegschaft <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong> Achsenfabrik im Jahr 1906<br />

Lkw-Anhänger mit <strong>Warsteiner</strong><br />

Achsen (1961)<br />

Ab 1844 wurden in Warstein die ersten<br />

Achsen für eisenbereifte Fahrzeuge<br />

gefertigt: handgeschmiedete<br />

Last- und Fuhrwerksachsen. Auch<br />

für diese neuen Produkte war die<br />

technologische Entwicklung <strong>der</strong><br />

Gießereien durch das Aufkommen<br />

von Puddlingsöfen (Auffrischen<br />

über Steinkohle) verantwortlich. Die<br />

Eisenhütte richtete ca. 1850 eine<br />

Dreherei, Schleiferei, Schreinerei<br />

und Schmiede ein. So entstand in<br />

Warstein <strong>der</strong> Achsenbau, <strong>der</strong> zum<br />

weltweiten Ruhm <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong><br />

Wagen- und Bahnachsen führte. Beson<strong>der</strong>s<br />

nach Afrika und Nahost<br />

wurden große Mengen von Kegelrollenlager-Achsen<br />

und Achsaggregaten<br />

für LKW-Anhänger exportiert.<br />

1995 wurde <strong>der</strong> Betrieb eingestellt<br />

und die Gebäude abgerissen.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

8<br />

»Baron« von Hoesch<br />

und die Hütte<br />

1739 beginnt die industrielle Eisenerzeugung<br />

in Warstein-Suttrop: Am 20.<br />

August erteilt Kurfürst Clemens-August<br />

dem Geheimen Rat Mathias Gerhardus<br />

von Hoesch die Konzession, unweit von<br />

Suttrop Eisenschmelzhütten und Eisenhämmer<br />

und davon abhängige Eisenfabriken<br />

auf eigene Kosten zu errichten.<br />

Ferner wird ihm erlaubt, innerhalb zweier<br />

deutscher Meilen nach Eisenerz zu<br />

graben. »Baron« von Hoesch trug<br />

führend dazu bei, neue Technologien<br />

einzuführen und hier am Ort eine solide,<br />

300jährige Industriegeschichte zu<br />

schreiben, die für die Besiedlung<br />

Suttrops große Bedeutung hatte.<br />

Blick über das Hüttengelände zum Stillenberg (etwa 1910)<br />

50<br />

210<br />

600<br />

630<br />

900<br />

600<br />

Die Belegschaftsentwicklung <strong>der</strong><br />

Hütte (teilweise hochgerechnet,<br />

weil nur über Arbeiter berichtet<br />

wird) zeigt die Bedeutung des Unternehmens<br />

für die Umgebung auf.<br />

1750 1836 1872 1926 1943 1967<br />

Verwaltungsmitarbeiter <strong>der</strong> »Hütte« im Jahr 1885 mit Gusseisen-Produkten<br />

Der Grün<strong>der</strong> und sein Werk<br />

Mathias Gerhardus von Hoesch wurde 1698<br />

als zweitältester Sohn des Heinrich Hoesch<br />

in Eschweiler geboren. Dem Vater Heinrich,<br />

Reide- und Kupfermeister, gehörte in jener<br />

Zeit <strong>der</strong> »Junkershammer«. Von Hoesch studierte<br />

Jura und trat 1725 in die Dienste des<br />

preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. und<br />

dann 1733 in die Dienste des Kurfürsten<br />

Clemens August von Köln. Der aus bürgerlichen<br />

Verhältnissen stammende Hoesch benutzte<br />

seine Verbindung nach Frankreich als<br />

Sprungbrett für seine Karriere, die mit dem<br />

preußischen Residentenposten in Düsseldorf<br />

ihren Ausgang genommen hatte. Er war<br />

bis zu seinem 80. Lebensjahr als Diplomat<br />

tätig. Reichsfreiherr von Hoesch starb 1784<br />

im Alter von 86 Jahren.<br />

In Warstein und Suttrop nennen wir ihn<br />

kurz »Baron« von Hoesch. Stellen wir es<br />

einmal richtig: Als die Hütte gegründet<br />

wurde (1739) war er »Wirklich Geheimer<br />

Täglich zogen früher die<br />

Suttroper Arbeiter über die Alte<br />

Kreisstraße zur Hütte und<br />

kehrten abends müde zurück,<br />

um sich zu Hause ihrer kleinen<br />

Landwirtschaft zu widmen.<br />

An ihrem Arbeitsweg errichtete<br />

Siegfried Meier diese<br />

Skulptur, zusammengesetzt<br />

aus gusseisernen Rohren, hergestellt<br />

in <strong>der</strong> „Hütte“. Sichtbar<br />

tragen sie die Krone als<br />

Marken- und Gütezeichen.<br />

Rat«. Zum »Reichsfreiherrn« wurde er 1744<br />

ernannt. Die Hüttenleute nannten ihn kurz<br />

und respektvoll »Baron« von Hoesch.<br />

Es war sein Verdienst, hier in Warstein-<br />

Suttrop die Chance erkannt zu haben, eine<br />

solide Industrie aufzubauen. Die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Eisenhütte für Warstein und Umgebung<br />

ist kaum zu messen, da sie nicht nur Aspekte<br />

<strong>der</strong> Wirtschafts- und Industriegeschichte<br />

<strong>der</strong> Stadt wi<strong>der</strong>spiegelt, son<strong>der</strong>n auch<br />

ein bedeutendes Stück Sozialgeschichte<br />

schrieb. Nicht wenige Familien lebten von<br />

<strong>der</strong> Hütte; in ganzen Traditionslinien waren<br />

Väter, Söhne und Enkel in diesem Unternehmen<br />

beschäftigt.<br />

Um so schlimmer war die plötzliche Liquidation<br />

des Unternehmens 1967, von <strong>der</strong><br />

ca. 600 Mitarbeiter quasi »über Nacht« betroffen<br />

waren. Ein Teil fand Arbeit in den<br />

Folgebetrieben <strong>der</strong> Olsberger Hütte und <strong>der</strong><br />

Firma <strong>Warsteiner</strong> Achsen.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

9<br />

Der Betrieb Kupferhammer<br />

Obwohl in dem nebenan liegenden Industriebetrieb<br />

schon seit über 200 Jahren kein Kupfer<br />

mehr bearbeitet wird, hat sich sein Name »Kupferhammer«<br />

im Volksmund bis in die Gegenwart<br />

beharrlich gehalten. Erst in den letzten Jahrzehnten<br />

wird im allgemeinen Sprachgebrauch die<br />

Firmenbezeichnung Jungeblodt mehr und mehr<br />

benutzt. Schon vor mehr als 400 Jahren gab es<br />

an dieser Stelle eine Nagelschmiede. Sie wurde<br />

im 30-jährigen Krieg zerstört. 1659 erwarben die<br />

Hollän<strong>der</strong> Jacob und Maria Forkenbeck den verfallenen<br />

Betrieb. Sie gründeten einen Messinghammer<br />

zur Herstellung von Brau- und Brennkesseln.<br />

Erst die Nachbesitzer Retberg und Zahn<br />

wandelten den Messinghammer in einen Kupferhammer<br />

um. Nach seiner Heirat mit Clara Catharina<br />

Zahn erweiterte Johann Theodor Möller den<br />

<strong>Warsteiner</strong> Kupferhammer, gründete zwei weitere<br />

Betriebe im Sauerland und sicherte durch den<br />

Erwerb von Bergwerken die notwendige Rohstoffbasis<br />

für seine Betriebe. Der Kupferhammer<br />

blieb bis 1849 im Besitz <strong>der</strong> Familie Möller.<br />

1848 erwarben <strong>der</strong> 1805 in Warstein<br />

geborene Wilhelm Bergenthal und<br />

dessen Schwiegervater Ferdinand<br />

Gabriel den gesamten Möllerschen<br />

Besitz. Ihr gemeinsamer Unterneh-<br />

Belegschaft des Kupferhammers<br />

mergeist hatte bereits 1834 zum<br />

Bau des Puddelhammers und in <strong>der</strong><br />

Zeit von 1835 bis 1840 zur Errichtung<br />

des Reckhammers geführt. Der<br />

Kupferhammer wurde zu einem Ei-<br />

Luftaufnahme des Kupferhammers (1959), im Hintergrund <strong>der</strong> Bahnhof und<br />

die Gebäude <strong>der</strong> Hütte<br />

sen verarbeitenden Betrieb umgestellt.<br />

Die hier hergestellten hochwertigen<br />

Schmiedestücke, insbeson<strong>der</strong>e<br />

die ganz geschmiedeten Fuhrwerksachsen<br />

und Kutschenfe<strong>der</strong>n,<br />

waren bald über die Landesgrenzen<br />

hinaus bekannt. Weitere Betriebsgründungen<br />

in Lenhausen, Soest,<br />

Dortmund und Westhausen machten<br />

Wilhelm Bergenthal zu einem <strong>der</strong><br />

Pioniere <strong>der</strong> Eisenindustrie. Seine<br />

wirtschaftlichen Erfolge wurden mit<br />

<strong>der</strong> Ernennung zum Geheimen Kommerzienrat<br />

gewürdigt. Wilhelm Bergenthal<br />

starb 1893. Sein Sohn Constantin<br />

und dann sein Neffe Wilhelm<br />

übernahmen das Erbe in Warstein.<br />

Nach dem Tod Wilhelm Bergenthals<br />

erfolgte die Fusionierung mit<br />

<strong>der</strong> Firma Dittmann-Neuhaus zur<br />

neuen Firma Dittmann-Neuhaus &<br />

Gabriel-Bergenthal, die später als<br />

Dittmann-Neuhaus AG weitergeführt<br />

wurde. Neben <strong>der</strong> Achsenfertigung<br />

wurden u.a. hochwertige Schmiede-<br />

Der frühere Kupferhammer – heute<br />

Sitz <strong>der</strong> Firma Jungeblodt<br />

stücke für den Automobilbau und<br />

die Deutsche Bundesbahn gefertigt.<br />

1967 erwarb Hoesch die Mehrheit<br />

<strong>der</strong> Firmenanteile, verlagerte den<br />

Schmiedebereich nach Herbede und<br />

verkaufte den <strong>Warsteiner</strong> Betrieb an<br />

die Firma Heinrich Jungeblodt<br />

GmbH & Co KG. Als Hersteller von<br />

Verbindungselementen und Spezialschrauben<br />

ist die Firma heute einer<br />

<strong>der</strong> führenden Anbieter in Europa.<br />

Derzeit werden hier 235 Mitarbeiter<br />

beschäftigt.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

9<br />

Das Haus Kupferhammer<br />

Das vor uns liegende schlossartige Gebäude ist<br />

das Haus Kupferhammer, ehemaliges Wohnhaus<br />

<strong>der</strong> Fabrikantenfamilien Möller und Bergenthal.<br />

Johann Theodor Möller hatte durch Heirat 1730<br />

den angrenzenden Kupferhammer und mit ihm<br />

das Wohnhaus erworben. Nicht zuletzt wegen seiner<br />

großen Kin<strong>der</strong>zahl erweiterte er das Gebäude<br />

um die beiden Seitenflügel. Der aufwendige Baustil<br />

einschließlich <strong>der</strong> Gräfte lassen deutlich das<br />

Standesbewusstsein Möllers erkennen. Der großbürgerliche<br />

Lebensstil zeigt sich jedoch beson<strong>der</strong>s<br />

im Umbau und in <strong>der</strong> Erweiterung des Hauses<br />

nach dem Kauf 1848 durch Wilhelm Bergenthal.<br />

Neben dem Wirtschaftsgebäude entstanden<br />

Turm, Remise und eine gediegene<br />

Park- und Gartenlandschaft.<br />

Die Wohnkultur <strong>der</strong> Familie Bergenthal<br />

kann im Rahmen eines Museumsbesuches<br />

eindrucksvoll im Innern<br />

des Hauses Kupferhammer erlebt<br />

werden. Typisches Mobiliar aus<br />

<strong>der</strong> Bie<strong>der</strong>meierzeit, repräsentative<br />

Möbel im florentinischen Renaissancestil,<br />

das überraschend kleine<br />

Arbeitszimmer des Großindustriellen<br />

Wilhelm Bergenthal sowie die für die<br />

Zeit des Historismus typische Einrichtung<br />

und Gestaltung des Festsaales<br />

sind wertvolle Zeitzeugnisse<br />

des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Im Festsaal<br />

finden seit mehr als 40 Jahren die<br />

weit über Warstein hinaus bekannten<br />

»Kupferhammerkonzerte« statt.<br />

Wilhelm Bergenthal verstarb wie<br />

auch sein Sohn und Erbe Constantin<br />

Wilhelm Bergenthal 1893. Das Vermögen<br />

ging an Constantins Sohn<br />

August Wilhelm (✝1943) über. Um<br />

1950 übergab dessen Witwe Ottilie<br />

Bergenthal durch Verkauf bzw.<br />

Schenkung das gesamte, in <strong>der</strong> Gemarkung<br />

Warstein liegende Grundvermögen<br />

<strong>der</strong> Allgemeinheit. Nach<br />

ihrem Willen und in ihrem Auftrag<br />

wurde die Bergenthal-Siedlung systematisch<br />

geplant und verwirklicht.<br />

Dafür standen in den Flurbereichen<br />

»Im Lemmecketeich« und »Am<br />

Schoren« ca. 150 000 qm Land zur<br />

Verfügung, das bis dahin landwirtschaftlich<br />

genutzt wurde. Die Fläche<br />

wurde aufgeteilt in 173 Bauplätze,<br />

die mit wenigen Ausnahmen bebaut<br />

sind.<br />

Damals hatte die Stadt zwar viel<br />

Wald, aber keinerlei Grundbesitz innerhalb<br />

<strong>der</strong> Ortslage. Die Bergenthalsche<br />

Landhergabe ist in <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong><br />

Geschichte eine einmalige<br />

soziale Tat. Wohin mit den Flüchtlingen<br />

und vielen Fremden, die <strong>der</strong><br />

Krieg nach Warstein brachte? Die<br />

Bergenthal-Siedlung ist für viele von<br />

ihnen eine neue Heimat geworden.<br />

Johann Theodor Möller<br />

(1705-1763)<br />

Die Kupferhammerkonzerte för<strong>der</strong>n heute Warsteins Ruf<br />

Wilhelm Bergenthal<br />

(1805-1893)<br />

Haus Kupferhammer – heute Stadtmuseum Warstein<br />

Die Baugrundstücke für das Gymnasium,<br />

für das Amtsgericht und<br />

viele kleinere Parzellen gingen in<br />

städtisches Eigentum über. Auch erwarb<br />

die Stadt Warstein die sog.<br />

Wästerwiesen nördlich des ehemaligen<br />

Reckhammers als zukünftiges<br />

Industriegelände.<br />

Ottilie Bergenthal<br />

(1888-1951)<br />

Schließlich übertrug Ottilie Bergenthal<br />

durch Schenkung das Haus<br />

Kupferhammer mit dem gesamten<br />

Inventar und allen Nebengebäuden<br />

sowie den Park westlich <strong>der</strong> B55<br />

(Foto unten) und die Gartenflächen<br />

unter Nutzungsauflagen an die<br />

Stadt Warstein.<br />

Der »Bergenthalpark« an <strong>der</strong> B55<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

10<br />

Grube Martinus<br />

und Treisekapelle<br />

Im Gelände <strong>der</strong> LWL-Klinik Warstein liegen für<br />

jeden offen zugänglich die hier beschriebenen<br />

Objekte. Das ehemalige Tagebaugelände <strong>der</strong><br />

Eisenerzgrube Martinus diente später <strong>der</strong> Klinik<br />

als Freilichtbühne und Festplatz. Man erreicht es<br />

Grube Martinus<br />

Zu den zahlreichen Eisengruben des 18. und 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts rund um Warstein gehörte auch die<br />

Grube »Martinus« am Stillenberg. In einer Grubenbeschreibung<br />

aus dem Jahr 1890 heißt es:<br />

»Die Grube Martinus, 1,5 km nördlich von Warstein<br />

gelegen, baut auf einem Eisenerzlager, welches in<br />

ostwestlicher Richtung streicht und mit 45° nach<br />

Süden einfällt. Die Mächtigkeit desselben beträgt<br />

30 m bei einer bauwürdigen Länge von 60 m; das<br />

Nie<strong>der</strong>setzen des Lagers ist bis zu einer Teufe von<br />

16 m bekannt. Der Betrieb <strong>der</strong> Gruben Südbruch,<br />

David und Martinus erfolgt zur Zeit mittelst Tagebaues,<br />

da sämtliche Eisenerzlager nur von einer<br />

wenige Meter starken Humusdecke überlagert werden.<br />

Die vorerwähnten Stollen und Schächte haben<br />

nur den Zweck <strong>der</strong> Wasserlösung und Untersuchung<br />

des Verhaltens <strong>der</strong> Mittel nach <strong>der</strong> Teufe.«<br />

Mit dem Schacht und den Stollen – aus dem<br />

Grubenriss (unten) sind zwei Sohlen in etwa 8 und<br />

18 m bekannt – wurde also das aus dem Berg<br />

fließende Wasser abgefangen, <strong>der</strong> Tagebau unterfahren<br />

und das so gesammelte Wasser hangabwärts<br />

abgeleitet. Dadurch wollte man den Tagebau<br />

wasserfrei halten. Um die Wende zum 20. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

wurde die Grube Martinus stillgelegt. Nach<br />

<strong>der</strong> Errichtung <strong>der</strong> psychiatrischen Klinik diente<br />

das ehemalige Tagebaugelände als Freilichtbühne<br />

und Festplatz – eine frühe »kulturelle Nachnutzung«<br />

eines ehemaligen Bergbaustandorts.<br />

Treisekapelle<br />

Die heute auf dem Gelände <strong>der</strong> LWL-Klinik stehende<br />

so genannte Treisekapelle geht auf eine<br />

Kapelle zurück, die ursprünglich in <strong>der</strong> Umgebung<br />

<strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong> Eisenhütte gestanden hat. Bis<br />

heute ist das genaue Datum ihrer Errichtung<br />

nicht zu ermitteln gewesen. Der erste<br />

Hinweis findet sich in einer <strong>Warsteiner</strong><br />

Kämmereirechnung von 1753. Damals<br />

ist auf <strong>der</strong> städtischen Sägemühle Bauholz<br />

für die „Capellen auff <strong>der</strong> Treisen“<br />

geschnitten worden. Ob damit <strong>der</strong> Zeitpunkt<br />

<strong>der</strong> Errichtung erfasst ist, o<strong>der</strong> ob<br />

es sich um eine Renovierung <strong>der</strong> Kapelle<br />

handelt, ist unklar.<br />

Als Kapellenpatron wird <strong>der</strong> Heilige<br />

Aloisius angegeben, was eher unwahrscheinlich<br />

ist. Aloisius von Gonzaga war<br />

erst 1726 heilig gesprochen worden – zu<br />

einer Zeit also, zu <strong>der</strong> die Kapelle möglicherweise<br />

bereits bestand. Wahrscheinlicher<br />

ist eine Verwechslung mit dem heiligen<br />

Eligius (in <strong>der</strong> mittelnie<strong>der</strong>deutschen<br />

Sprache kurz „Loy“ genannt), dem<br />

Patron <strong>der</strong> Schmiede und Bergleute – was<br />

für eine Kapelle nahe an Hüttengrundstücken<br />

direkt am alten Bergwerk im<br />

Oberhagen wohl passend erscheint.<br />

So war die Treisekapelle ursprünglich<br />

wohl ein Bethaus für Berg- und Hüttenarbeiter,<br />

in dem vor <strong>der</strong> Einfahrt in den<br />

Stollen um Schutz und Beistand bei <strong>der</strong><br />

fußläufig oberhalb <strong>der</strong> Elisabethkirche im Wald.<br />

Die Treisekapelle befindet sich gleich im Eingangsbereich<br />

<strong>der</strong> Klinik auf <strong>der</strong> linken Seite. Ein<br />

Besuch des schönen Klinikparks mit alten, seltenen<br />

Bäumen ist empfehlenswert.<br />

Treisekapelle: einziges Gebäude auf dem heutigen<br />

Klinikgelände (um 1900)<br />

gefährlichen Arbeit unter Tage gebetet wurde. Es<br />

wird zudem berichtet, dass das Glöcklein im Turm<br />

jeweils beim Anblasen eines Hochofens <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong><br />

Hütte geläutet wurde.<br />

Kommerzienrat Wilhelm Bergenthal erwarb aus<br />

privater Hand die Treisekapelle, die ursprünglich<br />

auf Suttroper Gemeindeland errichtet wurde, dann<br />

jedoch im Rahmen von Betriebserweiterungen<br />

vom erweiterten Hüttengelände umschlossen<br />

wurde. Im Zuge einer Flurbereinigung tauschte<br />

Wilhelm Bergenthal jun. (Neffe und Erbe des<br />

Kommerzienrats) das Grundstück im Jahr 1900<br />

mit einem Stückchen Land, das im Besitz <strong>der</strong> Hütte<br />

war. An diesem jetzigen Standort <strong>der</strong> Treisekapelle<br />

ließ Bergenthal die Kapelle in etwas verän<strong>der</strong>ter<br />

Bauweise noch in <strong>der</strong> Nacht des Abbaus<br />

wie<strong>der</strong> errichten, noch vor dem Bau <strong>der</strong> späteren<br />

»Provinzial-Heilanstalt«. Sie stand dort viele Jahre<br />

auf einer Enklave innerhalb des Grundstücks<br />

des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und<br />

ging 1949 in den Besitz des LWL über, auf dessen<br />

Kosten sie dann renoviert wurde.<br />

Die Kapelle ist heute eine Gedenkstätte für die<br />

1576 Frauen und Männer, die <strong>der</strong> »Euthanasie«,<br />

<strong>der</strong> Tötung aus »rassenhygienischen Gründen« in<br />

<strong>der</strong> Zeit des Nationalsozialismus zum Opfer fielen.<br />

Die Gedenkstätte steht jedem Besucher offen.<br />

Jährlich ist sie am Volkstrauertag Ort einer zentralen<br />

Gedenkstunde <strong>der</strong> Stadt Warstein. Besucher<br />

können den Schlüssel in <strong>der</strong> Informationszentrale<br />

im Sockelgeschoss im Gebäude 12 abholen.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

10<br />

Sehenswertes auf dem Gelände<br />

des Landschaftsverbandes<br />

Das Gelände <strong>der</strong> LWL-Klinik hat einige Verbindungen<br />

zur <strong>Warsteiner</strong> <strong>Montangeschichte</strong>: Ein Teil<br />

des Geländes wurde von Wilhelm Bergenthal jun.<br />

erworben und die Treisekapelle, die auf dieser Enklave<br />

aufgestellt wurde, ist für die Bergleute <strong>der</strong><br />

Grube Rom ein wichtiges Bethaus gewesen. Wir<br />

stellen hier für die Besucher des Montangeschichtsweges<br />

drei beson<strong>der</strong>e Sehenswürdigkeiten<br />

in dem schönen öffentlich zugänglichen Park<br />

<strong>der</strong> LWL-Klinik dar.<br />

Klinikpark<br />

Zu je<strong>der</strong> Jahreszeit vermittelt ein<br />

Spaziergang malerische Eindrücke<br />

von <strong>der</strong> über 100-jährigen Parklandschaft.<br />

In östlicher Richtung<br />

geht man am neuen Pflegezentrum<br />

vorbei zu den Mammutbäumen, die<br />

den Blick in das bezaubernde<br />

Dorpketal freigeben. Nachdem man<br />

Psychiatrie-Museum<br />

Anlässlich des 100-jährigen Bestehens<br />

<strong>der</strong> LWL-Klinik Warstein im<br />

Jahr 2005 wurde im Gebäude 26 ein<br />

Dokumentationszentrum <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

übergeben. Ziel ist es, Zeugnisse<br />

unserer Vergangenheit zu bewahren,<br />

zu ordnen, aufzuarbeiten<br />

und zu präsentieren. Als ein Ange-<br />

Sonnensystemlehrpfad<br />

Hier im Park <strong>der</strong> LWL-Klinik wurde<br />

auf 1 740 Metern Länge die Anordnung<br />

<strong>der</strong> Planeten unseres Sonnensystems<br />

nachgebildet. Dabei wurden<br />

die Abstände untereinan<strong>der</strong>, die<br />

Größenverhältnisse zueinan<strong>der</strong>, sowie<br />

allerhand Wissenswertes über<br />

die Planeten dargestellt. Wir laden<br />

Sie ein, einen Blick auf unser Sonnensystem,<br />

einen kleinen Aus-<br />

das Sozialzentrum im Haus 28 passiert<br />

hat, führt ein kleiner Fußweg<br />

wie<strong>der</strong> ins Zentrum des weiträumigen<br />

Parkgeländes. Ein neu geschaffener<br />

Baumlehrpfad stellt den<br />

Besuchern 25 beson<strong>der</strong>s interessante<br />

Baumarten im Klinikpark<br />

ausführlich vor.<br />

bot an die Öffentlichkeit, aber auch<br />

an Schulen, Fachschulen und Auszubildende<br />

soll die Geschichte dieser<br />

Klinik dem Besucher nahegebracht<br />

werden, als Teil <strong>der</strong> Geschichte des<br />

20. Jahrhun<strong>der</strong>ts – auch mit ihren<br />

Schattenseiten. Das Museum ist für<br />

je<strong>der</strong>mann zugänglich.<br />

schnitt unseres Kosmos, zu werfen.<br />

Der Rundgang beginnt auf dem<br />

Parkplatz direkt neben <strong>der</strong> Pforte.<br />

Eine kleine Holzbrücke führt dann<br />

über die Dorpke in das weiträumige<br />

Gelände mit Blick auf das Verwaltungsgebäude.<br />

Die Gebäude <strong>der</strong> Klinik<br />

wurden in von 1903 bis 1905<br />

vorwiegend im Jugendstil erbaut<br />

und stehen unter Denkmalschutz.<br />

Klinikpark: Allee mit Winter-Linden<br />

Bettensaal im Psychiatriemuseum<br />

Beginn des Sonnensystemlehrpfades<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

11<br />

Der Eisenhammer<br />

1739 beginnt in Warstein-Suttrop unterhalb des<br />

Oberhagens die industrielle Eisenerzeugung mit<br />

<strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> Wilhelmshütte. Die Konzession<br />

des Kurfürsten Clemens-August beinhaltete auch<br />

die Errichtung <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Verhüttung abhängigen<br />

Eisenfabriken auf eigene Kosten. Bereits<br />

nach dem ersten Hochofenanstich im Werk Wilhelmshütte<br />

wurde 1741 <strong>der</strong> erste Hammer in einiger<br />

Entfernung zum Hüttengelände, auf dem<br />

später danach benannten Gelände »Am Eisenhammer«,<br />

in Betrieb genommen.<br />

Eisenhammer, Ostseite<br />

Die Wahl fiel auf diesen Standort an<br />

<strong>der</strong> Wäster,<br />

• weil die Wassermenge <strong>der</strong> Treise<br />

am Hüttengelände für einen Hammerbetrieb<br />

nicht ausreichend war<br />

• weil weitere Plätze am Wasserlauf<br />

<strong>der</strong> Wäster in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Hütte<br />

wasserrechtlich belegt waren<br />

• weil im Bereich des Geländes »Eisenhammer«<br />

genügend Grund und<br />

Wasserkraft für Bau und Betrieb<br />

eines Eisenhammers vorhanden<br />

war.<br />

Der Hammerschmied an diesem wasserbetriebenen<br />

Eisenhammer verarbeitete<br />

die »Luppen« (Roheisenstücke)<br />

<strong>der</strong> Wilhelmshütte zu Flacho<strong>der</strong><br />

Vierkanteisen und zu Grobblechen.<br />

Durch spätere Schweißung<br />

wurden die Produkte teils zu Stabeisen<br />

verbunden und zu weiterver-<br />

arbeitenden Handwerksschmieden<br />

geliefert. Das Stabeisen hatte bereits<br />

die Qualität für die Weiterverarbeitung<br />

zu Wagenreifen.<br />

Für den Transport stand ein eigener<br />

Fuhrpark zur Verfügung. 1758<br />

wurde <strong>der</strong> zweite inzwischen wasserradbetriebene<br />

Hammer in Betrieb<br />

genommen, weil während des Siebenjährigen<br />

Krieges am ersten Hammer<br />

erhebliche Schäden angerichtet<br />

worden waren. 1784 folgte <strong>der</strong> dritte<br />

Hammer. Neue Technologien <strong>der</strong><br />

Wasserkraftnutzung machten 1800<br />

eine Aufstauung des Wästerwassers<br />

erfor<strong>der</strong>lich – leistungsstärkere Wasserrä<strong>der</strong><br />

mit oberschlächtiger Wasserführung<br />

steigerten die Leistungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Eisenhämmer.<br />

Die Qualität des Eisens war inzwischen<br />

durch hochwertigere Erze<br />

Eisenhammer, Westseite<br />

aus <strong>der</strong> Grube Rom soweit gestiegen,<br />

dass bereits 1830 die ersten<br />

Wagenachsen geschmiedet werden<br />

konnten, was sich schon bald als<br />

weitsichtige Produktionsplanung<br />

herausstellen sollte. Um 1860 konnte<br />

so <strong>der</strong> Eisenhammer die Fertigung<br />

von Achsen forcieren, um Konkurrenzen<br />

in an<strong>der</strong>en Produktionsbereichen<br />

aus dem Ruhrgebiet kompensieren<br />

zu können. An <strong>der</strong> Ruhr war<br />

inzwischen die Holzkohle durch die<br />

wesentlich ergiebigere Steinkohle<br />

abgelöst worden.<br />

Um 1870 hielt <strong>der</strong> Dampfdruck<br />

als Energiequelle Einzug in das Werk<br />

– die Kraft wurde genutzt für den<br />

Einsatz von Drehmaschinen. 1898<br />

gelang mit <strong>der</strong> Lufthammertechnik<br />

eine bahnbrechende Innovation: Im<br />

Werk Eisenhammer war das Freiformschmieden<br />

möglich, und innerhalb<br />

weniger Jahre entwickelte sich<br />

<strong>der</strong> Eisenhammer zur »Größten Achsenfabrik<br />

Deutschlands«. <strong>Warsteiner</strong><br />

Achsen wurden in alle Teile <strong>der</strong> Erde<br />

geliefert.<br />

Während des Zweiten Weltkrieges<br />

stellte <strong>der</strong> Eisenhammer bis zu<br />

90 Prozent Rüstungsgüter her, neben<br />

Lastachsen auch Granatwaffen<br />

und Geschütze. Nach dem Krieg<br />

gründete <strong>der</strong> Eisenhammer neben<br />

<strong>der</strong> Achsenfertigung neue Fabrikationszweige.<br />

Nach einem Konkurs<br />

(1967) erfolgte ein neuer Aufschwung<br />

unter <strong>der</strong> Firmierung <strong>Warsteiner</strong><br />

Achsenfabrik – Achsen wurden<br />

in großer Menge vorwiegend für<br />

Nahost produziert.<br />

1988 zog die Achsenfabrik mit<br />

<strong>der</strong> Produktion nach Büren, nur die<br />

Schmiede blieb im Werk Eisenhammer.<br />

1995 wurden die Gebäude verkauft<br />

und noch im gleichen Jahr abgerissen.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

12<br />

Reckhammer<br />

Der Geheime Kommerzienrat<br />

Wilhelm Bergenthal (Grün<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Firma Gabriel & Bergenthal)<br />

schuf in den Jahren 1834 bis<br />

1838 im Wästertal auf einer<br />

unbebauten Wiesenparzelle<br />

einen Stahlraffinier-Hammerbau,<br />

später im Sprachgebrauch<br />

als »Reckhammer« bezeichnet.<br />

Betrieben wurde hier ein Achsen-<br />

Geschläge, eine Achsen-Dreherei<br />

und eine Achsenbüchsen-<br />

Gießerei.<br />

Im Werk Reckhammer war die Vor-Fabrikation angesiedelt<br />

für die Achsen-Geschläge auf dem Puddelhammer<br />

(nördliches Nachbarwerk) und für die<br />

Achsen-Herstellung auf dem Kupferhammer<br />

(Hauptwerk 1 Kilometer südlich). Alle drei Betriebe<br />

gehörten in dieser Zeit <strong>der</strong> Werksgründung<br />

Reckhammer (Mai 1959)<br />

Reckhammer mit Rückhaltebecken<br />

zur Firma Gabriel & Bergenthal und arbeiteten<br />

fabrikationsspezialisiert miteinan<strong>der</strong> und einan<strong>der</strong><br />

zu. In den Jahren vor 1914 kam die Fabrikation<br />

im Reckhammer zum Erliegen – mit dem Tod<br />

von Wilhelm Bergenthal (1893) waren die Eigentumsverhältnisse<br />

neu geregelt worden. Der Reckhammer<br />

wurde durch den Enkel Wilhelm Bergenthals<br />

jun. bis 1914 landwirtschaftlich genutzt und<br />

zeitweise auch für landwirtschaftliche Nutzungszwecke<br />

verpachtet.<br />

Ab 1914 lief die Fabrikation im Werk Reckhammer<br />

wie<strong>der</strong> an, und zwar zur Deckung des vorrangigen<br />

Bedarfs an Rüstungsgütern während <strong>der</strong><br />

Zeit des Ersten Weltkrieges. Dazu wurde in diesem<br />

Werk eine so genannte »Spezial-Bearbeitungs-<br />

Werkstätte« errichtet, welche vorrangig <strong>der</strong> Rüs-<br />

tungsindustrie zuarbeitete. Bereits 1915 wurde<br />

<strong>der</strong> Reckhammer an die neu gegründete GmbH<br />

»Reckhammer, Gesenkschmie<strong>der</strong>ei« abgetreten.<br />

Zum Geschäftsführer wurde Hubert Brockerhoff<br />

bestellt, <strong>der</strong> bis dahin langjährige Erfahrungen als<br />

Betriebsführer in <strong>der</strong> Gesenkschmiede <strong>der</strong> Firma<br />

Peters & Co, am Hüttenplatz, gesammelt hatte.<br />

1917 fusionierte diese GmbH »Reckhammer,<br />

Gesenkschmie<strong>der</strong>ei« zur neuen Gesellschaft »Dittmann-Neuhaus<br />

& Gabriel-Bergenthal«. Die alten<br />

Gebäude des Reckhammers wurden im Zuge dieser<br />

Fusion abgerissen; es entstand an gleicher<br />

Stelle eine neue Fabrik als Hammerwerk für den<br />

Kupferhammer, <strong>der</strong> sich erfolgreich auf die Fertigung<br />

von leichten Fahrzeugachsen spezialisiert<br />

hatte. Der Reckhammer war – wie <strong>der</strong> nördlich gelegene<br />

Puddelhammer – mit kurzen Unterbrechungen<br />

stets ein Dependance-Betrieb des Kupferhammers.<br />

Die Auslagerung dieser Betriebsstätten lag einerseits<br />

in <strong>der</strong> mangelnden Möglichkeit <strong>der</strong> Betriebserweiterung<br />

am Kupferhammer begründet.<br />

Die Standortfolge <strong>der</strong> drei Betriebe hintereinan<strong>der</strong><br />

gab an<strong>der</strong>erseits auch die Möglichkeit, das<br />

Gefälle <strong>der</strong> Wäster für den dreifachen Stau des<br />

Wassers als Primär-Energie für den Betrieb <strong>der</strong><br />

Hämmer zu nutzen.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

13<br />

<strong>Warsteiner</strong> Bodenschätze<br />

Die Stadt Warstein verdankt ihre Entwicklung den<br />

Vorkommen nutzbarer Metallerze in ihrer Umgebung.<br />

Es soll noch einmal in Erinnerung gerufen werden,<br />

dass die Wiege <strong>der</strong> westfälischen Industrialisierung<br />

noch vor dem Ruhrgebiet hier im Sauer- und Siegerland<br />

gestanden hat, was auf unseren natürlichen Ressourcen<br />

– Erzvorkommen, Wasserkraft, Holzkohle und<br />

Kalk – beruhte. Vor allem das Eisenerz erlangte wirtschaftliche<br />

Bedeutung, wurde in zahlreichen Bergwerken<br />

abgebaut und in den Hütten- und Hammerwerken<br />

verarbeitet. Flurnamen belegen, dass im Mittelalter<br />

auch Kupfer und Blei abgebaut worden sind.<br />

In <strong>der</strong> Neuzeit wurde noch bis 1949 Eisenerz abgebaut.<br />

Heute wird allein <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong> Massenkalk in<br />

großen Tagebauflächen gewonnen – <strong>der</strong> untertägige<br />

Abbau <strong>der</strong> immer noch reichlich vorhandenen Eisenerze<br />

ist dagegen nicht mehr wirtschaftlich.<br />

Flurnamen aus alten Akten und Urkunden verweisen<br />

auf eine Kupferkuhle (Anno 1429: »Koperkuhlen«) und<br />

auf eine Bleikuhle im Dahlborn (Anno 1737: »auf dem<br />

Dahlborn bei <strong>der</strong> Bleikuhlen«). Damit sind die urkundlichen<br />

Hinweise auf den Abbau von Kupfer sogar älter<br />

als die schriftlichen Hinweise auf den Eisenerz-Abbau,<br />

für den sich erst 1489 <strong>der</strong> Verweis auf die »Winterkuhle«<br />

findet, die in <strong>der</strong> Umgebung <strong>der</strong> späteren Grube<br />

David gelegen hat.<br />

Im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t wurde im <strong>Warsteiner</strong> Raum sehr<br />

viel »gemutet«, also nach nutzbaren Erzvorkommen<br />

gesucht, wie aus den Akten <strong>der</strong> Bergämter hervorgeht.<br />

Wer ein Mineralvorkommen gefunden hatte und nun<br />

wirtschaftlich nutzen und abbauen wollte, musste das<br />

Vorkommen dem zuständigen Bergamt anzeigen. Ein<br />

»Berggeschworener«, also ein Beamter <strong>der</strong> Bergbehörden,<br />

besichtigte das freigelegte Erz-Vorkommen.<br />

Wenn das Vorkommen bestätigt werden konnte, wurde<br />

ein »Feld« abgegrenzt und verliehen. In diesem Bereich<br />

durfte nun das gefundene Mineral abgebaut werden.<br />

Die Mutungskarte – abgebildet ist eine stark vereinfachte<br />

Fassung – für den <strong>Warsteiner</strong> Raum zeigt ein<br />

schwer zu entwirrendes Netz <strong>der</strong> verschiedensten Fel<strong>der</strong>.<br />

Blei, Kupfer, Eisen, Schwefel, Mangan, Alaun,<br />

Zink, Pyrit, Dachschiefer – für all diese Rohstoffe sind<br />

im <strong>Warsteiner</strong> Raum einmal Bergwerksfel<strong>der</strong> verliehen<br />

worden. Mittlerweile sind diese Fel<strong>der</strong> fast alle erloschen.<br />

Bilsteinhöhle/<br />

Wildpark<br />

An vielen Stellen wurden Fel<strong>der</strong> auf „Marmor“ verliehen. Darunter<br />

wurden Gesteinsarten verstanden, die geschnitten, geschliffen und poliert<br />

werden konnten. Auch heute noch wird <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong> Kalkstein in<br />

einigen Steinbruchbetrieben auf <strong>der</strong> Grundlage dieser alten Rechte als<br />

»Marmor« abgebaut. Tatsächlich wurden aus <strong>Warsteiner</strong> Gestein in <strong>der</strong><br />

Vergangenheit auch geschnittene und geschliffene Platten hergestellt.<br />

Rund um Warstein lassen sich unzählige Spuren des alten Bergbaus<br />

finden: Pingen, kleinere Tagebauten, Halden, verstürzte Schächte und<br />

Stollen. Eine zeitliche Einordnung dieser Spuren ist meist schwierig. Immer<br />

wie<strong>der</strong> setzte man bei <strong>der</strong> Suche nach ergiebigen Vorkommen an altbekannten<br />

Stellen an. Der neue Bergbau verwischte dabei die Spuren des<br />

älteren Bergbaus.<br />

Arbeitspause im Stollen <strong>der</strong> Grube »Christiansglück« (1949)<br />

P L A T T E<br />

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Foto: Sauerlän<strong>der</strong> Heimatbund


<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

13<br />

Bergbau im Stillenberg<br />

Der Stillenberg ist in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

eine bedeutende<br />

Lagerstätte im <strong>Warsteiner</strong> Raum<br />

gewesen. Hier wurden Grubenfel<strong>der</strong><br />

verliehen, für die Gewinnung<br />

ganz unterschiedlicher<br />

mineralischer Rohstoffe: Eisen,<br />

Kupfer, Blei, Pyrit, Marmor,<br />

Mangan. Entsprechend vielfältig<br />

sind die sichtbaren Bergbauspuren<br />

im Stillenberg. Dabei fällt<br />

es heute schwer, die verschiedenen<br />

Pingen, Tagebauten,<br />

Schurfgräben und verstürzten<br />

Stollenmundlöcher mit den in<br />

den Akten genannten Abbau-<br />

Orten zu identifizieren.<br />

Lageskizze <strong>der</strong> im Gelände ermittelten Alt-Bergbau-Spuren<br />

Ausschnitt aus dem »Verleihungs-Riß« <strong>der</strong> Grube Johanne 1 von 1863<br />

Oberhalb des Klinik-Geländes lassen<br />

sich zahlreiche Bergbauspuren<br />

ausmachen. Ein großer verstürzter<br />

Stollenbereich liegt unterhalb <strong>der</strong><br />

Kapelle auf dem Stillenbergskopf.<br />

Weiter westlich finden sich zahlreiche<br />

Pingen unklaren Alters. Ein<br />

Bergwerks-Verzeichnis von ca.<br />

1817 nennt eine Grube »Stielenberg«.<br />

Diese wird niedriger besteuert,<br />

als an<strong>der</strong>e Bergwerke (z. B.<br />

Oberhagen und Südbruch). Das<br />

Bergwerk im Stillenberg wurde damals<br />

von <strong>der</strong> Suttroper Hütte betrieben.<br />

In <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

war es <strong>der</strong> Briloner Unternehmer<br />

Peter Ulrich, <strong>der</strong> zahlreiche<br />

Schürf-Versuche durchführen ließ.<br />

1854 wurden die verschiedenen<br />

Schürfe und Gruben zum Grubenfeld<br />

»Wrangel« zusammengefasst.<br />

Gegen die Verleihung <strong>der</strong> Bergwerksfel<strong>der</strong><br />

legte Wilhelm Hammacher,<br />

Gewerke <strong>der</strong> Suttroper Eisenhütte,<br />

jeweils Protest ein. Er bezog<br />

sich dabei auf das Bergbau-Privileg<br />

von 1739, das dem Grün<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Eisenhütte den Bergbau auf Eisen<br />

im weiten Umkreis vorbehielt.<br />

Am Westabhang des Stillenberges<br />

ist 2006 ein großes, bis dahin<br />

unbekanntes, Altbergbau-Feld gefunden<br />

worden. Auf einer Fläche<br />

von ca. 3 Hektar ließen sich fast 20<br />

Pingen ermitteln, die auf ehemalige<br />

Schächte hinweisen. Halden und<br />

Plateaus vervollständigen das Bild.<br />

Die Kleinräumigkeit, die vermutete<br />

große Zahl an Schächten, deutet auf<br />

möglicherweise bereits mittelalterlichen<br />

Bergbau hin.<br />

Auch dieser alte Bergbau hatte<br />

Nachfolger im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

1863 mutete <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong> Anton<br />

Ditz auf Kupfererz und Marmor – offensichtlich<br />

in den Stollen des älteren<br />

Bergbaus. Dieses Bergwerksfeld<br />

erhielt den Namen »Johanne 1«.<br />

1865 wurde Johann Fri<strong>der</strong>itzi als<br />

»För<strong>der</strong>ungs-Aufseher für die Grube<br />

Johanne I« vereidigt. Ob in diesem<br />

Kleinst-Bergwerk nennenswerter Abbau<br />

stattgefunden hat, konnte noch<br />

nicht ermittelt werden.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

14<br />

Der Puddelhammer<br />

Im Jahr 1834 errichtete <strong>der</strong> 1805 in Warstein geborene<br />

Wilhelm Bergenthal mit seinem Schwiegervater<br />

Ferdinand Gabriel am unteren Lauf <strong>der</strong><br />

Wäster einen Stahl-Raffinierhammer, wandelte<br />

diesen aber schon ein Jahr später in einen Puddelhammer<br />

um. Hier wurden die Fortschritte auf<br />

dem Gebiet <strong>der</strong> Stahlerzeugung in die Tat umgesetzt.<br />

1840 erweiterte man die Firma um einen<br />

Das Puddelverfahren dient zur Herstellung<br />

von Stahl aus Roheisen. Im<br />

Puddelverfahren erzeugtes schmiedbares<br />

Eisen heißt auch Schmiedeeisen.<br />

Wenn dieses Material härtbar<br />

ist, heißt es auch Schmiedestahl.<br />

Erfunden hat das Puddelverfahren<br />

1784 <strong>der</strong> Englän<strong>der</strong> Henry Cort. Er<br />

hatte bemerkt, dass <strong>der</strong> in heißem<br />

Roheisen enthaltene Kohlenstoff<br />

verbrennt, wenn Luft darüber<br />

streift. Beim Puddeln wird das Roheisen<br />

in großen Pfannen eines Puddelofens<br />

geschmolzen und dann mit<br />

langen Stangen durch eine seitliche<br />

Öffnungs-Klappe durchgerührt<br />

(puddled). Unter Zugabe von Reduktionsmitteln,<br />

insbeson<strong>der</strong>e Kohle,<br />

und mittels häufigem Umrühren<br />

wird so Stahl hergestellt. Dieses Verfahren<br />

wurde ab ca. 1870 durch<br />

Heiße Luft: Das Puddelverfahren<br />

Bessemer- und Thomas-Windfrischverfahren<br />

abgelöst. Durch das Puddeln<br />

wird die Schlackeschicht durchbrochen<br />

und das Eisen immer wie<strong>der</strong><br />

sauerstoffhaltigen Verbrennungsgasen<br />

ausgesetzt und somit gefrischt,<br />

um die Verunreinigungen<br />

auszutreiben und den Kohlenstoff<br />

zu verbrennen.<br />

Die Weiterverarbeitung <strong>der</strong> Luppe<br />

ermöglicht die Erzeugung von<br />

preiswertem Massenstahl. Diese Arbeit<br />

war extrem schwer und auch<br />

nicht ungefährlich. Ein Puddelvorgang<br />

dauerte etwa 24 Stunden, bis<br />

aus dem rohen Eisen schmiedbarer<br />

Stahl geworden war. Die Qualität des<br />

Stahls hing im wesentlichen vom<br />

Geschick und <strong>der</strong> Kraft des Puddlers<br />

ab. Es bildeten sich Klumpen aus<br />

Stahl, die <strong>der</strong> Puddler mit einer Zan-<br />

In <strong>der</strong> Feuerkammer (A) wird<br />

Kohle o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>er<br />

Brennstoff verbrannt. Dadurch<br />

schmilzt das Roheisen,<br />

welches in dem muldenförmigen<br />

Herd (B) liegt. Die<br />

über das Eisen streichende<br />

heiße Luft (C) lässt die Beimengungen<br />

wie Kohlenstoff<br />

oxidieren, bevor sie über den<br />

Schornstein (D) entweicht.<br />

Das Eisen kommt während<br />

des Vorgangs nur mit Heißluft<br />

in Berührung, nicht mit<br />

<strong>der</strong> Kohle und wird dadurch<br />

nicht erneut verunreinigt.<br />

flußaufwärts liegenden Reckhammer; nach dem<br />

Kauf des Möllerschen Kupferhammers errichtete<br />

Bergenthal 1850/51 in unmittelbarer Nachbarschaft<br />

ein zweites Puddelwerk, das später zum<br />

Hauptsitz <strong>der</strong> Firma wurde. Durch die verbesserte<br />

Stahlproduktion wurde in <strong>der</strong> Folge ein neuer<br />

industrieller Aufschwung ermöglicht: <strong>der</strong> Bau von<br />

Fahrzeugachsen, die Weltgeltung erlangten.<br />

Plan des Puddelhammers vom März 1858<br />

ge aus dem Ofen holte. Dadurch<br />

konnte ein bruchfester, elastischer<br />

Stahl in größeren Mengen hergestellt<br />

werden.<br />

Bis dahin gab es nur zwei Eisenwerkstoffe,<br />

die in größeren Mengen<br />

verfügbar waren. Zum einen Gusseisen,<br />

welches aber wegen des hohen<br />

Kohlenstoffgehaltes sehr spröde<br />

war. Zum an<strong>der</strong>en Schmiedeeisen,<br />

aus dem Rennfeuerverfahren gewonnen,<br />

wo durch das Ausschmieden<br />

des enthaltenen Kohlenstoffs<br />

und <strong>der</strong> Schlacketeile im rotglühenden<br />

Zustand diese größtenteils entzogen<br />

und das Eisen dadurch elastischer<br />

wurde. Dieses Verfahren war<br />

aber vor allem wegen des hohen<br />

Arbeitsaufwandes sehr teuer. Aber<br />

auch das Puddel-Verfahren ist sehr<br />

arbeitsintensiv. Außerdem verbraucht<br />

<strong>der</strong> Ofen ständig Brennstoff.<br />

Dadurch ist auch dieses Verfahren<br />

Puddelhalle<br />

teuer. Zudem können in einem Puddelofen<br />

nur Mengen von höchstens<br />

300 kg Eisen in einem Arbeitsgang<br />

verarbeitet werden. Die Herstellung<br />

von größeren Mengen Stahl ist auf<br />

diese Weise nicht möglich.<br />

Anfänglich wurde das Puddeln<br />

noch mit Wasserkraft durchgeführt.<br />

Aber schon 20 Jahre nach Eröffnung<br />

des Werkes kam 1858 die erste<br />

Dampfmaschine mit Transmissionsantrieb<br />

zur Erleichterung <strong>der</strong> Arbeitsgänge<br />

hinzu.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

14<br />

Holzkohle aus dem<br />

<strong>Warsteiner</strong> Wald<br />

Zur Verhüttung des <strong>Warsteiner</strong> Eisenerzes brauchte<br />

man sehr hohe Temperaturen, die nur über die<br />

Verwendung von Holzkohle erzielbar waren. Der<br />

um 1800 ca. 3800 Hektar große <strong>Warsteiner</strong> Wald<br />

mit seinen ausgedehnten Buchenbeständen bot<br />

hierfür hervorragende Bedingungen. Das Holz wur-<br />

Traditionspflege: Kohlenmeiler<br />

Die wirtschaftliche Bedeutung <strong>der</strong> Holzkohlegewinnung<br />

wird beson<strong>der</strong>s dadurch deutlich, dass<br />

jährlich ein Magistratsbeschluss festlegte, wo<br />

Holzkohle gemacht werden durfte und wieviel<br />

dafür zu bezahlen war. Heimische Abnehmer waren<br />

zunächst die vielen Nagel-Schmiedebetriebe.<br />

1634 kam dann <strong>der</strong> erste Messinghammer dazu,<br />

aus dem sich 1730 <strong>der</strong> Kupferhammer entwickelte.<br />

Zu <strong>der</strong> alten Blashütte am Hüttenplatz kam<br />

1739 als Großabnehmer für Holzkohle die St. Wilhelmshütte<br />

hinzu, die dann jedoch 1881 geschlossen<br />

werden musste. Einer <strong>der</strong> Gründe dafür<br />

war <strong>der</strong> Mangel an Holzkohle, insbeson<strong>der</strong>e aber<br />

die technologische Überlegenheit <strong>der</strong> Steinkohlehütten.<br />

Bedenkt man, dass zur Gewinnung von<br />

einer Tonne Roheisen 50 Festmeter Holz notwendig<br />

sind, so wird deutlich, dass zur Blütezeit <strong>der</strong><br />

Eisenhütten, Schmieden und Hämmern sehr viel<br />

Holz im <strong>Warsteiner</strong> Wald eingeschlagen wurde.<br />

Schon im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t stellte man fest:<br />

»... dass <strong>der</strong> selbige Wald durch die Schmiede und<br />

große hütten mit sambt den großen hecken<br />

schädlich verwüstet und verhaven worden ...«<br />

Und weiterhin beklagte man: »... weiterhumb die<br />

Berge so abgekohlet und das holtz zum Brande<br />

abgefahren seye, dass das Jenige zu Unterhaltung<br />

vieler hütten und hämmer nicht zureichig ist ...«.<br />

Auf großer Fläche war keine Waldbestockung<br />

mehr zu finden, <strong>der</strong> Wald von damals ähnelte eher<br />

einer Parklandschaft von heute, viele Flächen, wie<br />

Der <strong>Warsteiner</strong> Wald heute<br />

etwa <strong>der</strong> Kahlenberg, waren gänzlich mit Heide<br />

bewachsen.<br />

Die vierfache Belastung des Waldes durch<br />

Holzkohlegewinnung, Brennholz- und Bauholznutzung<br />

sowie Waldweide mit Streunutzung hatte<br />

verheerende Folgen. Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

waren viele Flächen kahl gehauen und vergrast.<br />

Abgeholzte Waldfläche mit typischer Heidebildung<br />

de überwiegend im Wald verkohlt und mit Ochseno<strong>der</strong><br />

Eselskarren nach Warstein transportiert. Meiler-<br />

o<strong>der</strong> Kohlplätze findet man im <strong>Warsteiner</strong><br />

Wald noch an vielen Stellen In Warstein fand die<br />

Holzkohle reißenden Absatz. Sie wurde auch in<br />

das benachbarte Siegerland weiterverkauft.<br />

Holz konnte nicht mehr ausreichend geerntet werden,<br />

um die örtliche Bevölkerung zu versorgen,<br />

viele Eisenbetriebe konnten nur noch zeitweise<br />

produzieren. Um noch ein wenig Brennholz für<br />

den heimischen Ofen zu machen, wurden den stehenden<br />

Buchen die untersten Äste abgeschnitten<br />

(Schneitelung).<br />

Der Holzmangel blieb für die heimische Eisenindustrie<br />

nicht ohne Folgen. Hinzu kam, dass<br />

Steinkohle inzwischen höhere Schmelztemperaturen<br />

möglich machte, unsere hiesige Industrie<br />

jedoch durch die noch fehlende Möglichkeit des<br />

Eisenbahntransportes <strong>der</strong> Kohle (erst ab 1883)<br />

keine Chance gegen die aufkommende Konkurrenz<br />

im Ruhrgebiet hatte. Leergehauene Wäl<strong>der</strong> und<br />

fehlende wirtschaftliche Transportverbindungen<br />

trugen mit zum Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong> Hüttenbetriebe<br />

bei.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

15<br />

Die »Linnhoff’sche Draht-<br />

und Stiftefabrik«<br />

Die Linnhoff’sche Draht- und Stiftefabrik (so <strong>der</strong><br />

Sprachgebrauch in <strong>der</strong> Bevölkerung) hatte zu<br />

allen Zeiten ihres Bestehens eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung<br />

für die Entwicklung <strong>der</strong> Wirtschaft und<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung in <strong>Belecke</strong>. Durch Ansiedlung<br />

Mitarbeiter des Drahtzuges (um 1900)<br />

Gründung und<br />

Entwicklung<br />

Für eine Liegenschaft an <strong>der</strong> <strong>Belecke</strong>r Landstraße,<br />

grenznah zwischen Warstein und <strong>Belecke</strong>, erhielt<br />

<strong>der</strong> Unternehmer Theodor Linnhoff 1829 die Konzession<br />

zum Betrieb einer Drahtwalze im Westertal.<br />

Schon fünf Jahre nach <strong>der</strong> Inbetriebnahme<br />

gründete er auf einem nahegelegenen Grundstück<br />

in <strong>Belecke</strong> bereits ein zweites Werk als Stabeisenhammer.<br />

Nach den Anfängen als Betrieb mit<br />

Drahtwalze und Stabeisenhammer entwickelten<br />

sich beide Werke bereits um 1860 erfolgreich<br />

durch den Kauf neuer Maschinen zu einer Drahtzugfabrik<br />

(Fabrik Warstein) und einer Stiftefabrik<br />

(Fabrik <strong>Belecke</strong>).<br />

Während in <strong>der</strong> Drahtzugfabrik aus Eisen <strong>der</strong><br />

<strong>Warsteiner</strong> Hütten Draht im Feinzug bearbeitet<br />

wurde, erfolgte in <strong>der</strong> Stiftefabrik die Weiterverarbeitung<br />

des gezogenen Drahtes ausschließlich<br />

zu Nägeln.<br />

Der schon erfolgreiche Betrieb bei<strong>der</strong> Werke<br />

erlebte einen weiteren deutlichen Aufschwung<br />

durch den Anschluss an die Landeseisenbahnstrecke<br />

zwischen Lippstadt und Warstein, die<br />

1883 eröffnet wurde. Schon bald darauf lieferten<br />

beide Werke den überwiegenden Teil ihrer Produktion<br />

nach China und Japan – für damalige<br />

Weltmarktverhältnisse ein beachtenswerter Unternehmenserfolg.<br />

Durch Zusammenlegung verschiedener Werke,<br />

auch <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong> Anton und Theodor Linnhoff, erfolgten<br />

in den kommenden Jahren Umbenennungen:<br />

1874 in »Westfälische Union«, 1898 in<br />

»Phoenix – Westfälische Union« und schließlich<br />

1925 in »Vereinigte Stahlwerke« – mit <strong>der</strong> letzteren<br />

ging dann auch die überraschende Schließung<br />

bei<strong>der</strong> Werke einher.<br />

von Arbeitern, nicht nur allein aus <strong>der</strong> Region,<br />

verän<strong>der</strong>te sich <strong>der</strong> bäuerliche Charakter <strong>Belecke</strong>s<br />

– mit <strong>der</strong> Arbeiterschaft entwickelte sich im Zuge<br />

<strong>der</strong> Industrialisierung in <strong>Belecke</strong> neben den<br />

Ackerbauern eine neue soziale Schicht.<br />

Bedeutung für<br />

<strong>Belecke</strong><br />

In <strong>der</strong> Nähe des Betriebes sorgten 1875 bis 1880<br />

die Generaldirektoren Kamp und Beukenberg für<br />

Grundstücke, auf denen sich Arbeiter <strong>der</strong> Werke in<br />

Betriebsnähe ansiedeln konnten (heute Heinrich-<br />

Kamp-Straße und Beukenbergstraße).<br />

Aus kleinen Anfängen heraus war die Zahl <strong>der</strong><br />

Arbeiter in <strong>der</strong> Blütezeit <strong>der</strong> Fabrik um das Jahr<br />

1900 auf mehr als 330 angewachsen. Ein Großteil<br />

<strong>der</strong> Familien in <strong>Belecke</strong> lebte in dieser Zeit vom<br />

wirtschaftlichen Erfolg <strong>der</strong> beiden zueinan<strong>der</strong><br />

gehörenden Werke. 1925 kam mit <strong>der</strong> sich weltweit<br />

verschlechternden Wirtschaft ein für <strong>Belecke</strong><br />

tragischer Schlag: Beide Werke wurden von den<br />

»Vereinigten Stahlwerken« übernommen – und<br />

aus vollem Betrieb heraus von einem Tag auf den<br />

an<strong>der</strong>en geschlossen!<br />

Begründet wurde die Schließung mit <strong>der</strong> angeblich<br />

ungünstigen verkehrstechnischen Lage<br />

und vor allem mit stockendem Absatz in China<br />

und Japan. Mehr als 300 Menschen in <strong>Belecke</strong><br />

(damals etwa 1700 Einwohner) standen ohne Perspektive<br />

auf <strong>der</strong> Straße. Verstärkt durch furchtbare<br />

Unwetter und Hochwasser im Jahr zuvor<br />

(1924) war die Schließung <strong>der</strong> »Linnhoff’schen<br />

Draht-und Stiftefabrik« für die <strong>Belecke</strong>r Bevölkerung<br />

<strong>der</strong> Beginn einer schweren Zeit von Hunger<br />

und Not für viele Jahre.<br />

Neue Anfänge<br />

Aus den Werkshallen im Westertal gingen 1949<br />

die Esser-Werke hervor, die sich von Beginn an<br />

auf die Herstellung von hochverschleißfesten För<strong>der</strong>rohren<br />

spezialisiert haben. Wie<strong>der</strong> gehen vom<br />

Westertal aus Spezialprodukte in fast alle Län<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Welt.<br />

Aus <strong>der</strong> Werksfeuerwehr bei<strong>der</strong> Fabriken ging<br />

nach <strong>der</strong> Werksschließung im Jahr 1925 die Freiwillige<br />

Feuerwehr <strong>der</strong> Stadt <strong>Belecke</strong> hervor.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

16<br />

Das Westerwerk <strong>der</strong><br />

Firma Siepmann<br />

Hier auf dem Industriegelände befanden sich<br />

nacheinan<strong>der</strong> zunächst seit 1829 die Linnhoff’sche<br />

Stiftefabrik, dann ab 1939 das Siepmann<br />

Westerwerk. 1939 kauften die Siepmann-Werke<br />

die ehemaligen Werksanlagen <strong>der</strong> »Phoenix –<br />

Gesenkhammergruppe 1905-1932, gemalte Darstellung<br />

Die Linnhoff’sche Draht-und Stiftefabrik<br />

hatte zu allen Zeiten ihres Bestehens<br />

eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung<br />

für die Entwicklung <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

und <strong>der</strong> Bevölkerung in <strong>Belecke</strong>.<br />

Dies wurde bereits auf unserer Tafel<br />

15 hinter dem Esser-Werk ausführlich<br />

beschrieben.<br />

Nach <strong>der</strong> Schließung <strong>der</strong> Stiftefabrik<br />

diente <strong>der</strong> Industriekomplex<br />

vorübergehend als Unterkunft für<br />

Notstandsarbeiter und für den Arbeitsdienst,<br />

bis er 1939 von <strong>der</strong> expandierenden<br />

Firma Siepmann erworben<br />

wurde. Im hier gezeigten<br />

Gelände befand sich das ehemalige<br />

»Westerwerk« <strong>der</strong> Firma Siepmann,<br />

die hier den Gesenkbau, eine<br />

Schweißerei und die große Lehrwerkstatt<br />

einrichteten.<br />

Westfälischen Union« in <strong>Belecke</strong>. Sie richteten<br />

hier eine mo<strong>der</strong>ne Lehrwerkstätte ein, in <strong>der</strong> bis<br />

in die 80-er Jahre des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts ständig<br />

mehr als 100 Lehrlinge in Metallberufen eine<br />

gute Ausbildung absolvieren konnten.<br />

Der Komplex <strong>der</strong> früheren Stiftefabrik vor dem Umbau.<br />

Das Siepmann-Westerwerk nach dem Umbau. Im Hintergrund die neu entstandene Arbeitersiedlung. Der Sellerberg ist<br />

zum Aufnahmezeitpunkt praktisch noch unbebaut.<br />

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Fotos: Archiv Siepmann


<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

16<br />

Bergbau in <strong>Belecke</strong><br />

Auch am Südabhang <strong>der</strong> Haar wurde in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

Bergbau auf verschiedene Rohstoffe<br />

betrieben: So findet sich in Allagen Westendorf<br />

ein »Eisenbrink«, in Drewer wurde sogar in bescheidenem<br />

Maße Steinkohle gewonnen. Wirkliche<br />

Bedeutung scheint aber vor allem <strong>der</strong> Blei-<br />

Bergbau im Bereich zwischen <strong>Belecke</strong> und Rüthen<br />

gehabt zu haben. Jedoch liegt die Hochphase<br />

dieser bergbaulichen Aktivitäten vor dem Dreißigjährigen<br />

Krieg, sodass es nur sehr wenige urkundliche<br />

Hinweise gibt. Spätere Bemühungen in<br />

diesen Fel<strong>der</strong>n waren nur von kurzer Dauer und<br />

nicht von nachhaltigem Erfolg gekrönt.<br />

Der <strong>Belecke</strong>r Sattel zwischen <strong>der</strong><br />

Kaiser-Heinrich-Quelle und den<br />

Steinbrüchen bei Drewer bietet verschiedene<br />

geologische Beson<strong>der</strong>heiten:<br />

die einzige Salz-Quelle des Sauerlandes,<br />

Mineralien und Vererzungen.<br />

Möglicherweise sind diese Erze<br />

ganz in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> frühmittelalterlichen<br />

Burg »Baduliki« schon<br />

sehr früh aufgefallen.<br />

Der erste sichere Hinweis auf<br />

Bergbau in <strong>Belecke</strong> stammt aber<br />

erst aus einem Bericht, den <strong>der</strong><br />

Bergmeister Caspar Engelhard im<br />

<strong>Belecke</strong>r Flurkarte (aus <strong>der</strong> Chronik zur 1000-Jahrfeier 1938)<br />

In <strong>der</strong> Gemarkungskarte von 1630 sind Hütten, Mühlen und Gruben verzeichnet.<br />

Jedoch fehlen jegliche Hinweise auf Blei-Bergbau in <strong>Belecke</strong>.<br />

17. Jahrhun<strong>der</strong>t, vermutlich nach<br />

dem Dreißigjährigen Krieg, verfasste,<br />

in dem er den Zustand <strong>der</strong><br />

Bergwerke im Erzstift Köln beschreibt:<br />

„Waß sonsten die berckwercke<br />

bey Meschede, Beelicke und<br />

statt Rüden belangt, dieselben lieggen<br />

alle stille.“<br />

Die <strong>Belecke</strong>r Bleierzvorkommen<br />

rund um Külbensteine und Kaiser-<br />

Heinrich-Brunnen bilden gewissermaßen<br />

die »Verlängerung« <strong>der</strong> Rüthener<br />

Vorkommen. Für Rüthen ist<br />

aus dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t ein Bergwerk<br />

belegt, in dem nach Kupfer,<br />

Blei und Silber gegraben wurde. Der<br />

Kölner Erzbischof belieferte dieses<br />

Bergwerk mit Holz, das über Lörmecke<br />

und Glenne geflößt wurde.<br />

Dieses Bergwerk befand sich »Im<br />

Kumpf«, <strong>der</strong> heutigen Gemarkung<br />

»Rote Kumpen«. Mehrfach werden<br />

in Registern Einnahmen aus diesem<br />

Bergwerk erwähnt. Nach <strong>der</strong> Stilllegung,<br />

auf die sich die obige Nachricht<br />

von Bergmeister Engelhard bezieht,<br />

muss noch einmal ein Versuch<br />

unternommen worden sein, den<br />

Bergbau bei Rüthen zu beleben;<br />

1681 berichtet Bergmeister Chris-<br />

toph Frantze über ein neues Bleibergwerk<br />

bei Rüthen mit gedoppeltem<br />

Pumpwerk – zusetzendes Grubenwasser<br />

scheint also ein großes<br />

Problem gewesen sein. Später wird<br />

von diesem Bergwerk nichts mehr<br />

berichtet.<br />

Im Jahr 1834 bittet die Arnsberger<br />

Regierung den <strong>Warsteiner</strong> Bürgermeister,<br />

Nachforschungen anzustellen<br />

ȟber alte Bergwerke, welche<br />

in längst vergangenen Zeiten in<br />

<strong>der</strong> Gegend <strong>der</strong> Sendhöfe [Sennhöfe]<br />

und dem ehemaligen Siedhause<br />

[gemeint ist wohl das Badehaus]<br />

nach dem Walde zu auf Silber, Blei<br />

und Antimon betrieben worden sein<br />

sollen«.<br />

In <strong>Belecke</strong> gab es im Jahr 1835<br />

noch einmal ein leises »Berggeschrei«,<br />

als <strong>der</strong> Seiler Philipp Föhring<br />

an die Regierung in Arnsberg<br />

berichtete, man habe »bei <strong>der</strong> Badeanstalt«<br />

(also im Bereich Külbe)<br />

Blei-Erz entdeckt. Nach mehrtägigen<br />

Arbeiten wurde das Grubenwasser<br />

aber zum Problem. Der Bitte um<br />

Beihilfen zum Weiterbetrieb wurde<br />

nicht entsprochen. 1836 wird diese<br />

neue Grube als nicht mehr in Betrieb<br />

angegeben.<br />

Auch im Bereich <strong>der</strong> Lanfer gab<br />

es einen Stollen, in dem nach Blei<br />

gesucht wurde.<br />

Noch heute lassen sich verschiedene<br />

Hinweise auf alten Bergbau<br />

rund um die Külbensteine finden<br />

(die dort aber vom späteren Hartsteinabbau<br />

gestört sind).<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

17<br />

Siepmann und <strong>Belecke</strong><br />

Mit Schaufeln, Spaten, Forken und Ziergitterspitzen<br />

fing alles an, als Emil und Hugo Siepmann<br />

im Jahr 1891 die Fabrik in Betrieb nahmen,<br />

die ihr Schwager Peters aus dem Konkurs<br />

<strong>der</strong> Firma Hüsing in Warstein gekauft hatte. Die<br />

Brü<strong>der</strong> Siepmann entwickelten die Firma Peters<br />

& Cie. zu einer erfolgreichen Gesenkschmiede,<br />

die schon 1911 durch Kauf von ihrem Schwager<br />

Peters in ihr Eigentum überging und erst 1938<br />

Anfänge: ursprünglicher Standort <strong>der</strong> Siepmann-Werke war <strong>der</strong> Hüttenplatz in Warstein (Foto von 1888)<br />

Das Möhnewerk in <strong>Belecke</strong> nach dem ersten Erweiterungsbau<br />

1916<br />

Eine entscheidende Bedeutung für die Entwicklung<br />

<strong>Belecke</strong>s in jeglicher Hinsicht sollte die<br />

Gründung <strong>der</strong> Siepmann-Werke hier im Jahr 1911<br />

erlangen. Das Werk wurde 1891 in Warstein von<br />

einem Schwager <strong>der</strong> späteren Inhaber Emil und<br />

Hugo Siepmann, Louis Peters aus Hagen, an <strong>der</strong><br />

Stelle des in Konkurs gegangenen Betriebes Hüsing<br />

gegründet. Die Firma nannte sich anfangs<br />

Peters und Cie. und begann mit etwa 20 Mann die<br />

Produktion. 1891 übernahm Emil Siepmann als<br />

Betriebsleiter die Aufgabe, Schaufeln, Spaten,<br />

Heu- und Düngergabeln aus Stahl zu schmieden<br />

o<strong>der</strong> aus Stahlblech zu pressen. Außerdem<br />

schmiedete man, wie schon vorher, im Gesenk<br />

Gitterspitzen und -verzierungen. Der Betrieb war<br />

veraltet und musste in je<strong>der</strong> Hinsicht verbessert<br />

werden.<br />

Ab 1892 standen die beiden Brü<strong>der</strong> Emil und<br />

Hugo Siepmann als Leiter an <strong>der</strong> Spitze des Unternehmens.<br />

In wenigen Jahren bewiesen sie, was<br />

Unternehmergesinnung zustande bringen kann.<br />

1895 wurden sie zu Teilhabern mit dem Ziel, den<br />

Betrieb ganz zu ihrem eigenen zu machen. Das alte<br />

Fertigungsprogramm wurde bald aufgegeben.<br />

Die Brü<strong>der</strong> erkannten, dass ihre Zukunft im Gesenkschmieden<br />

liege. Und so stellten sie den Betrieb<br />

ganz um. Es kam ihnen darauf an, ein Werk<br />

aufzubauen, das eine bedeutende Zukunft vor<br />

sich hatte.<br />

Nachdem Teilhaber Drees 1895 ausgeschieden<br />

war, konnten sie auch den zweiten Teilhaber Peters,<br />

dessen Namen das Werk trug, 1910 abfinden.<br />

Der Name <strong>der</strong> Firma, die sich durch Qualitätslieferungen<br />

von Einzelteilen für das Fahrrad, das Automobil,<br />

die Eisenbahn, überhaupt für den Fahrzeugbau,<br />

bereits einen Ruf erworben hatte, blieb<br />

in Siepmann-Werke umbenannt wurde. Der Bau<br />

eines Zweigwerkes in <strong>Belecke</strong> wurde 1910 in<br />

Angriff genommen, 1911 konnte dieses Werk<br />

die Fertigung aufnehmen. Das Jahr 1911 ist damit<br />

eine entscheidende Etappe des Landstädtchens<br />

<strong>Belecke</strong> auf dem <strong>Weg</strong> zur Industrialisierung,<br />

zu einer in <strong>der</strong> Folgezeit fast vollständigen<br />

Verän<strong>der</strong>ung seines dörflich-ländlichen<br />

Charakters.<br />

Möhnewerk 1912<br />

zunächst bestehen und wurde 1938 in Siepmann-<br />

Werke umbenannt. Das Unternehmen wuchs zusehends.<br />

Die Platzverhältnisse in Warstein ließen<br />

jedoch keine genügende Ausweitung zu.<br />

Hier fehlte es auch an einem Eisenbahnanschluss<br />

für das Werk. So mussten sich die Gebrü<strong>der</strong><br />

Siepmann nach neuen Möglichkeiten umsehen.<br />

Versuche, sich in Warstein an an<strong>der</strong>er Stelle<br />

auszudehnen, schlugen fehl. Nach verschiedenen<br />

Fühlungnahmen entschieden sich die Gebrü<strong>der</strong><br />

Siepmann 1909 für einen Geländekauf in <strong>Belecke</strong>,<br />

nahe beim Güterbahnhof. Der Bau eines Zweigwerkes<br />

wurde 1910 in Angriff genommen, und<br />

1911 konnte es die Fertigung aufnehmen. Das<br />

Jahr 1911 ist damit eine entscheidende Etappe<br />

des Landstädtchens <strong>Belecke</strong> auf dem <strong>Weg</strong>e zur Industrialisierung,<br />

zu einer in <strong>der</strong> Folgezeit fast<br />

vollständigen Verän<strong>der</strong>ung seines dörflich-ländlichen<br />

Charakters!<br />

Blick in die alte Schmiede II im Möhnewerk<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

17<br />

Folge-Industrien<br />

Die Aufnahme einer eigenen Fertigung von Stahl-<br />

Armaturen für die Industrie im Jahr 1946 durch<br />

die Firma Siepmann – heute Stahl-Armaturen Persta<br />

GmbH – kennzeichnet die Entwicklung zahlreicher<br />

Industrie-Folgebetriebe. Die Übernahme<br />

einer Produktionshalle <strong>der</strong> Firma Siepmann war<br />

ab 1945 <strong>der</strong> Start für eine erfolgreiche Ansiedlung<br />

<strong>der</strong> Elektroindustrie in <strong>Belecke</strong>, die Weltruf<br />

genießt. Insgesamt bietet das rechts abgebildete<br />

Gelände mit den Firmen Siepmann, Persta, Infineon<br />

und AEG und den darin praktisch ständig<br />

beschäftigten Handwerksbetrieben rund 3 000<br />

Menschen einen krisenfesten Arbeitsplatz.<br />

Das Siepmann-Möhnewerk nach Erweiterung 1951.<br />

Im Hintergrund <strong>der</strong> noch unbebaute Sellerberg.<br />

Die Siepmann-Werke haben durch<br />

eine wechselvolle Geschichte mit<br />

Einschränkungen durch die Weltwirtschaftskrise<br />

und Expansionen<br />

durch Kriegsbedarf stets große Auswirkungen<br />

auf die Entwicklung <strong>der</strong><br />

<strong>Belecke</strong>r Bevölkerung gehabt. Der<br />

steile Aufstieg, <strong>der</strong> auch große Bevölkerungsteile<br />

nach <strong>Belecke</strong> holte,<br />

begann 1933. Zug um Zug wurde <strong>der</strong><br />

Betrieb erweitert und mo<strong>der</strong>nisiert.<br />

Es entstand in <strong>Belecke</strong> die mo<strong>der</strong>nste<br />

Gesenkschmiedeanlage Europas.<br />

Eine letzte Neuanlage war im Entstehen<br />

begriffen, als <strong>der</strong> Krieg 1945<br />

mit seinem Ausgang alles zum Stillstand<br />

und den gesamten Betrieb bis<br />

dicht an den Rand des Abgrundes<br />

brachte.<br />

Von 2 600 qm im Jahr 1910,<br />

6500 qm im Jahr 1918 und 11 600<br />

qm 1938 war die bebaute Fläche des<br />

Werkes bis 1944 auf<br />

26 000 qm angewachsen.<br />

Nach <strong>der</strong> Besetzung<br />

<strong>Belecke</strong>s am 8.<br />

April 1945 kam <strong>der</strong><br />

Betrieb vorübergehend<br />

völlig zum Erliegen.<br />

Mit <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong><br />

Firma Persta und <strong>der</strong><br />

Ansiedlung <strong>der</strong> im<br />

Kriege versprengten<br />

Halbleiter-Aktivitäten<br />

<strong>der</strong> AEG begann jedoch sehr zügig<br />

<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau dieses Industriegebietes.<br />

Die Leistungshalbleiter <strong>der</strong><br />

AEG aus <strong>Belecke</strong> erreichten schon<br />

Wirtschaftswun<strong>der</strong> in <strong>Belecke</strong>: Die AEG im Jahr 1950<br />

Erfolgreicher Industriestandort: Gewerbegebiet <strong>Belecke</strong>-West<br />

gleich nach <strong>der</strong> Werksgründung<br />

Weltrang. Dies hat sich bis heute<br />

nicht verän<strong>der</strong>t. In <strong>der</strong> Phase des<br />

Wie<strong>der</strong>aufbaus wurden von diesen<br />

Betrieben einschließlich <strong>der</strong> zahlreichen<br />

zuzuordnenden Heimarbeiter<br />

und Handwerker in <strong>der</strong> Spitze rund<br />

4000 Menschen beschäftigt. Heute<br />

befindet sich eine nahezu krisensichere<br />

Mischung von Betrieben, die<br />

alle aus <strong>der</strong> ursprünglichen Montandann<br />

Metallindustrie hervorgingen,<br />

Bedampfung von Siliziumscheiben<br />

für Leistungshalbleiter bei Infineon<br />

AG.<br />

in dem Industriegebiet: Siepmann<br />

(Gesenkschmiede), Persta (Stahlarmaturen),<br />

AEG (Stromversorgungen),<br />

Infineon (Leistungshalbleiter),<br />

AEG-EFO (Elektrofotografische<br />

Bildträger).<br />

Die Anzahl <strong>der</strong> Arbeitsplätze hat<br />

mit rund 3000 Mitarbeitern weiterhin<br />

eine herausragende Bedeutung<br />

für die Stadt Warstein.<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

18<br />

Produkte <strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong><br />

Industrie <strong>Warsteiner</strong> Eisenerz wurde abgebaut, erschmolzen<br />

und zu Produkten verarbeitet.<br />

Es begann mit Schmiedeerzeugnissen wie<br />

Nägeln, Garten- und Ackergeräten. Dann<br />

folgte Grauguss für Öfen und Stahlproduktion<br />

für Achsen. Sehr stark entwickelten<br />

sich die Gesenkschmiede-Erzeugnisse.<br />

Nach dem 2. Weltkrieg kamen Armaturenbau,<br />

Regalbau und die Elektroindustrie<br />

hinzu. Vom Schmiedenagel über<br />

Öfen, Achsen, Gesenkschmiedestücke,<br />

Kraftwerksarmaturen, hochfeste Reaktorschrauben<br />

bis hin zur Leistungselektronik<br />

Frühe Erzeugnisse für Garten und Landwirtschaft<br />

kamen aus den Schmiedebetrieben<br />

Sog. »Irischer Dauerbrandofen«<br />

aus Warstein<br />

Eine <strong>der</strong> vielen Nagelschmieden, die<br />

auch z.T. in Heimarbeit produzierten<br />

und Leistungshalbleitern waren <strong>Warsteiner</strong><br />

Produkte stets führend im Weltmarkt.<br />

Das Auslieferungslager für <strong>Warsteiner</strong> Stubenöfen zeigt einen<br />

Teil <strong>der</strong> deutschlandweit bekannten <strong>Warsteiner</strong> Öfen.<br />

Hochfeste Stahl-Reaktorschrauben<br />

<strong>der</strong> H. Jungeblodt GmbH & Co. KG<br />

Aluminium-Regalbau und -Ladenbau<br />

aus Warstein<br />

Dreherei für <strong>Warsteiner</strong> Lkw-Achsen,<br />

die weltweite Bedeutung hatten<br />

Blick in die Versandabteilung für <strong>Warsteiner</strong> Achsen. Später<br />

wurde die Produktion nach Büren und Saudi-Arabien verlagert.<br />

Hochspannungs-IGBT und lichtzündbare<br />

Thyristoren <strong>der</strong> Infineon AG<br />

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<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

18<br />

Kettenfabrik und Heim-<br />

schmieden in Sichtigvor<br />

Im Zuge <strong>der</strong> Industrialisierung ab Mitte des 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts boten sich eisenverarbeitende Fabrikationen<br />

auch für das Möhnetal an. Schon<br />

1831 gründete Kaspar Kellerhoff in Sichtigvor eine<br />

Eisendrahtzieherei. Einige Jahre später baute<br />

Victor Röper in Sichtigvor eine Fabrik, in <strong>der</strong> aus<br />

Stabeisen Ketten geschmiedet wurden. Das Jahr<br />

1840 gilt als die Geburtsstunde <strong>der</strong> »Sichtigvorer<br />

Kettenzeit«. Die Fabrik verhalf etlichen Arbeitern<br />

zu allen Zeiten ihres Bestehens zu Arbeit und<br />

Brot. Landwirte konnten im Nebenerwerb selbstständig<br />

und eigenverantwortlich kleine Kettenschmieden<br />

betreiben. Heute würde man sie als<br />

»Subunternehmer« <strong>der</strong> Kettenfabrik ansehen. Das<br />

alte Handwerk des Kettenschmiedens wird im<br />

Kettenschmiedemuseum Sichtigvor demonstriert.<br />

Kettenschmiede in <strong>der</strong> Römerstraße in Sichtigvor<br />

Die an <strong>der</strong> Möhnestraße gegründete<br />

Kettenfabrik konnte unter den späteren<br />

Eigentümern Großkurt und<br />

Schlieper über beide Weltkriege bis<br />

in das Jahr 1955 betrieben werden.<br />

Großer Abnehmer war z.B. die Marine<br />

für Ankerketten.<br />

Die Zusammenarbeit mit den<br />

Heim-Kettenschmieden war unkompliziert<br />

geregelt: Die Fabrik stellte<br />

den Heimschmieden das Rohmateri-<br />

al zur Verfügung und nahm die geschmiedeten<br />

Ketten gegen Entlohnung<br />

zum Weitervertrieb an. Bis ca.<br />

1915 stieg allein in Sichtigvor die<br />

Zahl dieser Heim-Kettenschmieden<br />

auf über 30 Betriebe mit rund 70<br />

beschäftigten Kettenschmieden an.<br />

Der Vorgang des Kettenschmiedens<br />

lässt sich wie folgt beschreiben:<br />

Das eiserne Ausgangsmaterial,<br />

4 bis 28 mm dicke und 4 Meter lan-<br />

Zehn Schmiede arbeiten in <strong>der</strong> Kettenschmiede Beckmann an ihren Feuern.<br />

ge Rundstäbe, wurden durch kräftige<br />

Schläge (»Abstoßen«) in Stücke<br />

gleicher Länge zerlegt, um diese<br />

dann in U-Form zu biegen. Auf dem<br />

Vorwärmer hingen die U-Stücke mit<br />

ihren Enden über <strong>der</strong> Glut, um sie<br />

dann auf dem Amboss mit Zange<br />

und Hammer »anzuschärfen«. Das<br />

offene U-Stück wurde darauf in das<br />

letzte Glied <strong>der</strong> hängenden Kette<br />

eingeflochten, auf einer »Taille« mit<br />

Hammerschlag verschlossen und<br />

anschließend in <strong>der</strong> weißen Glut des<br />

Schmiedefeuers, mit <strong>der</strong> Zange gehalten,<br />

feuerverschweißt. Mit kräftigen<br />

Hammerschlägen wurde zuletzt<br />

die Schlacke entfernt und sofort<br />

das nächste U-Stück mit <strong>der</strong><br />

Zange zur obiger Verarbeitung ergriffen.<br />

Der Vorgang erfor<strong>der</strong>t ein<br />

gutes Augenmaß und handwerkliches<br />

Geschick.<br />

Der Schmied Heinrich Hillebrand-<br />

Hauswirth (Kettenwerk Schlieper)<br />

Zwei Kettenschmiede bei <strong>der</strong> Arbeit<br />

Ohne zusätzlich eingeblasenen<br />

Sauerstoff ließ sich die benötigte<br />

Weißglut nicht herstellen. Nach anfänglichem<br />

Handbetrieb mit Blasebälgen<br />

betrieben fast alle Kettenschmieden<br />

in Sichtigvor ein 2 bis 3<br />

Meter hohes Laufrad, in dem ein<br />

kräftiger Hund durch seinen Lauftrieb<br />

die Drehkraft für die Blasebalgkurbel<br />

lieferte.<br />

Eine bessere Lösung, den Blasebalg<br />

zu bewegen, fanden die Sichtigvorer<br />

mit <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Wasserkraft,<br />

soweit irgendein Wasserlauf<br />

verfügbar war o<strong>der</strong> umgeleitet<br />

werden konnte. Nicht nur beim Einbau<br />

von Wasserrä<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n auch<br />

bei <strong>der</strong> Wandlung <strong>der</strong> Drehbewegung<br />

in die Hubbewegung des Blasebalgs<br />

über Stangen und Drähte<br />

zeigten Sichtigvorer bemerkenswertes<br />

Können und Erfin<strong>der</strong>geist. Viele<br />

Jahre taten diese Konstruktionen<br />

zum Anblasen <strong>der</strong> Schmiedefeuer ihre<br />

Dienste – bis sie ab 1910 durch<br />

elektrisch betriebene Ventilatoren<br />

ersetzt wurden.<br />

Die letzte Kettenschmiede stellte<br />

gegen Ende <strong>der</strong> 1960-er Jahre ihre<br />

Arbeit ein.<br />

Stadtmarketingverband<br />

Warstein e.V. © 2008


<strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

18<br />

<strong>Weg</strong> <strong>der</strong> <strong>Montangeschichte</strong><br />

Warstein gehört zu den Städten im Sauerland, die<br />

sich durch eine alte erfolgreiche Montanindustrie<br />

maßgeblich entwickelt haben. Hinweise des Eisenhüttenwesens<br />

reichen in Warstein zurück bis<br />

in die jüngere Eisenzeit (um 600 v.Chr.). Diese<br />

Geschichte hat <strong>der</strong> Stadtmarketingverband mit<br />

Hilfe vieler Wissensträger und Dokumente in den<br />

Jahren 2007 und 2008 zusammengetragen und<br />

auf diesem »Wan<strong>der</strong>weg <strong>der</strong> <strong>Montangeschichte</strong>«<br />

mit 18 Stationen und 33 Tafeldarstellungen dokumentiert.<br />

Darüber hinaus besteht eine Daten-<br />

DVD, auf <strong>der</strong> die Original-Dokumente, Texte, Grafiken<br />

und Fotos aufzurufen sind, die während <strong>der</strong><br />

Nachforschungen gesammelt wurden.<br />

Montanindustrie zwischen <strong>Belecke</strong> und Warstein: <strong>der</strong> Puddelhammer<br />

Der <strong>Weg</strong> <strong>der</strong> <strong>Montangeschichte</strong> ist<br />

auch ein <strong>Weg</strong> durch die Geschichte<br />

<strong>der</strong> <strong>Warsteiner</strong> Montanindustrie, die<br />

sich über viele Jahrhun<strong>der</strong>te zurückverfolgen<br />

lässt. Zu allen Zeiten<br />

prägte die Eisenverarbeitung das Erscheinungsbild<br />

dieser Stadt, aber<br />

auch ihrer Bevölkerung, die sich immer<br />

wie<strong>der</strong> den Entwicklungen angepasst<br />

hat.<br />

Der Begriff Eisenverarbeitung<br />

steht in Warstein für Gründung und<br />

Ausbau, Arbeit und Existenz, Innovation<br />

und Qualität. Er steht aber<br />

auch für die Erkenntnis, stärkeren<br />

Kräften globaler Entwicklungen<br />

nachgeben zu müssen, wenn die<br />

Zeit dafür gekommen ist. Die Eisenindustrie<br />

in Warstein musste in den<br />

90-er Jahren des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

den Standortvorteilen <strong>der</strong> großen<br />

Industrieregionen an Rhein und<br />

Ruhr nachgeben.<br />

Ihr Standort befindet sich am<br />

Flusslauf <strong>der</strong> Wester, <strong>der</strong> ihr über<br />

Jahrhun<strong>der</strong>te hinweg als ständig<br />

verfügbare Energiequelle diente. Der<br />

Stadtmarketingverband lädt Sie<br />

herzlich ein, auf dem <strong>Weg</strong> <strong>der</strong> <strong>Montangeschichte</strong><br />

ein bedeutendes Segment<br />

<strong>Warsteiner</strong> Historie zu erleben<br />

und auf unterschiedliche Weise reale<br />

Eindrücke einer langen Eisen- und<br />

Industrietradition zu gewinnen.<br />

E.-Siepmann-Str.<br />

Hirschb. Str.<br />

A.-Kolping-Str.<br />

Eichenweg<br />

Rütherplatz<br />

H.-Kamp-Str.<br />

Dahlborn<br />

Karl-Pieper-Str.<br />

Bernhard-<br />

Wiemeyer-<br />

Str.<br />

Heinrich-Gudemann-Ring<br />

Ring<br />

Romecke<br />

Karl-Stoer-Str.<br />

Hamacher<br />

Hamecke<br />

Im Bodmen<br />

Külbe<br />

Bahnhofstr.<br />

P.-Gerhard-Str.<br />

Lanfer<br />

Schumannstr.<br />

Haspeler Ring<br />

Brucknerweg<br />

Theodor-<br />

Heuss-Str. Heinrich-<br />

Lübke-Str.<br />

B55<br />

Josef-<br />

Menke-Str.<br />

Weberstr.<br />

Schubertstr.<br />

Wagnerstr.<br />

Sappenberg<br />

Haspeler Ring.<br />

Schorenweg<br />

Haydnstr.<br />

Haspeler Ring<br />

Danziger Str.<br />

St.-Poler-Str.<br />

Str.<br />

Kant-Str.<br />

E.-Wiechert-<br />

Eichendorff-Str.<br />

Lessingstr.<br />

Allensteiner<br />

Str.<br />

Mozartstr.<br />

Tannenweg<br />

Ulmenweg<br />

Waldenburger<br />

Str.<br />

Stettiner Str.<br />

Karl-Wagenfeld-Str.<br />

RüthenerLandstr.<br />

Böttcherstr.<br />

Brahmsweg Dammweg Humboldt<br />

Kahlenbergsweg<br />

Gerichtsweg<br />

Wester<br />

Zum Puddelhammer<br />

Wäster<br />

Romeckeweg<br />

Hinter’m<br />

Wall Westwall<br />

Lortzin g s tr.<br />

Beethovenstr.<br />

Berkendahlweg<br />

Kiefernweg<br />

Akazien- weg<br />

Dahlborn<br />

Viktoriastr.<br />

Kattenborn<br />

Grimmestr.<br />

Kallerweg<br />

Puddelhammer<br />

Salzmannstr.<br />

H.-Risse-Str.<br />

Schillerstr.<br />

Blumenpfad<br />

Birkenweg<br />

Rebenpfad<br />

Heckenweg<br />

Friedrichstr.<br />

Bilsteinstr.<br />

V.-Droste-<br />

Hülshoff-<br />

Str.<br />

C.-Koch-Str.<br />

Kampstr.<br />

A.-Wibbelt-<br />

Str.<br />

E.-Moritz-<br />

Arndt-Str.<br />

Augusta- str.<br />

B516<br />

STARTPUNKT BELECKE<br />

Am Propsteiberg<br />

Wilkestr.<br />

Unter’m<br />

Friedhof<br />

str.<br />

Ewaldstr.<br />

Dammweg<br />

Kampstr.<br />

Schorenweg<br />

Am Mühlenbruch<br />

Zur Alten<br />

Nord-<br />

ring<br />

Alte Rathausstr.<br />

Am Kohlmarkt<br />

Mönchlandstr.<br />

Wilhelm-<br />

Rüllweg<br />

Dreilinden-<br />

Rabenknapp Vor <strong>der</strong> Unso hle<br />

Stockmecke<br />

Eisenhammer<br />

<strong>Belecke</strong>r Landstr.<br />

Von-Möller-Str..<br />

Siegfriedstr.<br />

Teichstr.<br />

Kesterweg<br />

Ottilienstr.<br />

Talstr.<br />

Bergenthalstr.<br />

Hirschfeldstr.<br />

Unter’m Hagen<br />

Kirche<br />

Ben<strong>der</strong>weg<br />

Südring<br />

Zum Zehnthof<br />

Über’m<br />

Stadtgraben<br />

Butenaf<br />

Schulstr.<br />

Dieplohstr.<br />

str.<br />

str.<br />

Zur<br />

Sauerlandhalle<br />

weg<br />

Kofflerstr. Herrenbergs-<br />

Gewerbegebiet<br />

Wiebusch<br />

<strong>Belecke</strong><br />

S t a d t w a l d<br />

B e l e c k e<br />

Reckhammer<br />

STARTPUNKT WARSTEIN<br />

Schwarzer <strong>Weg</strong><br />

Domring<br />

Mesche<strong>der</strong> Landstr.<br />

Hochstr.<br />

Feldstr.<br />

Feldstr.<br />

Josefinenstr.<br />

Am<br />

Zehnthof<br />

Im Sack<br />

Auf‘m Bruch<br />

Nicolaiweg<br />

Altes Braugässchen<br />

Walkemühle<br />

Möhne<br />

S u t t r o p e r<br />

W a l d<br />

Hauptstr.<br />

Rosengasse<br />

Stillenberg<br />

Wästerstr.<br />

Josefsweg<br />

Am<br />

Gesellenhaus<br />

Hospitalstr.<br />

Blumenwinkel<br />

P.-Fechter-Str.<br />

LWL-Klinik<br />

Suttrop<br />

Hammerweg<br />

Im<br />

Sonneneck<br />

Am Salzbörnchen<br />

Unter’m Müschede<br />

Gerbergasse<br />

Am<br />

Piusberg<br />

An <strong>der</strong><br />

Beine<br />

Unter’m<br />

Piusberg<br />

Röntgenweg<br />

Lindenstr.<br />

Wäster Naturschutzgebiet<br />

B55<br />

Piusberg<br />

Nordhang<br />

Am Hakenberg<br />

Kreisstraße<br />

Oberhagen<br />

Rangewiese<br />

Müsche<strong>der</strong>weg<br />

Ostring<br />

Auf dem Kampe<br />

Im Borm<br />

Rangetriftweg<br />

Warstein<br />

zur Sauerland-<br />

Waldroute<br />

Der <strong>Weg</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Montangeschichte</strong><br />

ist durch ein<br />

blaues M auf<br />

weißem Grund<br />

markiert.<br />

Rangestr.<br />

Königserlen<br />

F.-Hegemann-Str.<br />

Über’m<br />

Krankenhaus<br />

Am<br />

Josefswäldchen<br />

Alte<br />

Zur Treise<br />

Kreisstr.<br />

Suttroper<br />

<strong>Weg</strong><br />

Steinbruch<br />

Hahnewall<br />

Am<br />

Oberhagen<br />

Flurstr.<br />

Stadtmarketingverband<br />

Warstein e.V. © 2008

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