08.12.2012 Aufrufe

GLanzLIchTER Im nOVEmBER - Sonnendeck

GLanzLIchTER Im nOVEmBER - Sonnendeck

GLanzLIchTER Im nOVEmBER - Sonnendeck

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Der Legionär<br />

Die letzte Fabelgestalt, die letzte One-man-army der<br />

bundespolitik hat hingeschmissen: ein Nachruf auf den<br />

Parteivorsitzenden Franz „get down“ Müntefering.<br />

14 – POOL<br />

Von Hansjörg Fröhlich<br />

Vor erst wenigen<br />

Wochen hatte Franz<br />

Müntefering noch<br />

eine spektakuläre Landung<br />

hier in Stuttgart.<br />

Gleich einem vom<br />

Himmel geschickten<br />

Erlöser kam er in einem<br />

Funkenkleid hernieder.<br />

Die BILD-Leserreporter<br />

waren zur Stelle,<br />

der Surf auf der Notrutsche<br />

sportlich, alles war<br />

perfekt: Der Partei-Don<br />

gibt wieder mal alles. Der<br />

Wahlkampf 2009 hatte<br />

seinen SPD-Höhepunkt.<br />

Die Anhänger waren aus<br />

dem Häuschen, sagten:<br />

„Endlich erlöst uns der Bundesvorsitzende<br />

aus dem kreuzlangweiligen<br />

Nichtwahlkampf<br />

der letzten Wochen. Bravo<br />

Münte!“ Doch dann kam die Meldung:<br />

Fahrwerkfehler. Was Fahrwerkfehler?<br />

bei Münte gibt es keine<br />

Fahrwerkfehler. Schon eine Stunde<br />

nach seiner Bruchlandung stand er in<br />

Gesundheitsschuhen am Fellbacher<br />

SPD-Stand neben Ute Kumpf und<br />

zapfte Bier. Seine Fellbacher Rede war<br />

wie immer purer Jazz, sozialdemokratischerwir-brauchen-uns-nicht-zu-verstecken-Jazz.<br />

Rampensauige Einheizerei<br />

auf Sauerländisch.<br />

Münte war immer dirty. Egal was<br />

er redete, der Sohn eines Landwirts<br />

brachte es derbe rüber. Drei Sätze<br />

von ihm und die Welt war wieder<br />

gerecht, der Lohn stimmte und die<br />

Arbeitnehmerschaft strotzte wieder<br />

vor Selbstbewusstsein. Der SPD-<br />

Apostel beherrschte die Empörung<br />

der Masse wie kein zweiter, er schrie<br />

‚Heuschrecken‘ und die Anhänger<br />

flogen ihm in Schwärmen zu, auch<br />

aus anderen politischen Lagern. Ein<br />

Konsensmensch, mit dem richtigen<br />

Gespür für Rattenfänger-Themen,<br />

wie es nur ein Mensch haben kann,<br />

der selbst keine gefestigte Meinung<br />

hat. Münte war ein Parteisoldat:<br />

alles was der SPD hilft ist richtig.<br />

Seine politischen Positionen waren<br />

immer dort, wo man sie gerade nicht<br />

vermutete. Münte war ein begnadeter<br />

Hütchenspieler.<br />

Seine Inhalte kommen aus dem<br />

Rhetorik-Seminar der Arbeiterbewegung,<br />

seine Ausdauer aber kommt<br />

aus der römisch-katholischen<br />

Kirche. Selbstkasteiung, Missionsauftrag,<br />

Opferwilligkeit und der<br />

Glaube an den jüngsten Tag, am<br />

dem der Steuereingangssatz nieder<br />

und die Renten hoch sein werden –<br />

alles da. <strong>Im</strong> Mai 2006 zitierte er den<br />

Apostel Paulus: „Wer nicht arbeitet,<br />

soll auch nicht essen.“ Münte ist<br />

ein altersloser Asket, ein sozialdemokratischer<br />

Franz von Aquin,<br />

ein Sufi des Mindestlohns, der<br />

das Mantra der Umverteilung mit<br />

inbrünstigem Feuer singt. Ein Feuer<br />

das seit Jahrzehnten, Tag und Nacht<br />

brennt, für die eine, die große, die<br />

schicksalsträchtige SPD. Die er nur<br />

einmal enttäuscht hat, als er 2007<br />

sein Amt als Minister für Arbeit und<br />

Soziales niederlegte, um seine Frau<br />

Ankepetra zu Tode zu pflegen. <strong>Im</strong><br />

Oktober 2008 kehrte er zurück und<br />

übernahm abermals das Amt des<br />

SPD-Chefs – ein großer Fehler, wie<br />

sich nun erweist. Münte hätte in den<br />

Wald gehen und ein Aschram gründen<br />

sollen, ein Resozialisierungsheim<br />

für SPD-Ausstiegswillige.<br />

Er hätte jetzt sicherlich großen<br />

Zulauf.<br />

Doch stattdessen ist nun Müntes<br />

Abgang gekommen, und auch noch<br />

zum falschen Zeitpunkt. Keine<br />

sanft-rote Glorie mehr, nirgendwo:<br />

Seine Partei liegt im 23-prozentigen<br />

Abseits. Münte muss sich vom<br />

Deserteur Lafontaine anhören, die<br />

SPD müsse sich resozialdemokratisieren,<br />

Parteimenschen, die er<br />

immer zu verhindern wusste, wie<br />

Nahles und Wowereit, sitzen jetzt<br />

über ihm und trinken Wein mit dem<br />

Pfälzer Totalverweigerer Kurt Beck,<br />

und, letzte Schmach, der Sitzungssaal<br />

der SPD-Fraktion im Reichstag<br />

muss aufgrund des extremen Abgeordnetenschwunds<br />

halbiert werden,<br />

Die Linke braucht mehr Platz und<br />

dazu ist nicht die Zustimmung<br />

Münteferings nötig, sondern die<br />

von Sir Norman Foster, dem Architekten<br />

des Reichstags.<br />

Tja, lieber Münte, schlecht gelaufen,<br />

statt Agenda 2010 heißt es jetzt Agonie<br />

2010. Dabei hätte alles so schön sein<br />

können: Am 16. Januar 2010,<br />

deinem 70. Geburtstag, hätte<br />

dir Generalsekretär Hubertus<br />

Heil auf einem samtroten<br />

Kissen, die Gebeine<br />

von August Bebel überreicht.<br />

Stattdessen trägt<br />

sie nun Sigmar Gabriel<br />

rüber zur Linkspartei.<br />

KUNSTMARKT<br />

Dillmann Stiftung präsentiert 23 junge Künstler der Region Stuttgart<br />

BEST OF - 5 Jahre<br />

Dillmann Kunstmarkt<br />

21./22.11.2009<br />

11–20 Uhr<br />

Neue Aula des<br />

Dillmann-Gymnasiums<br />

Forststraße 43, Stuttgart<br />

Vernissage: Samstag,<br />

21.11.2009, 11.00 Uhr<br />

www.dillmann-stiftung.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!