Bilder sehen, die gar nicht da sind - Pony
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Ja, ist denn heut’ scho Weihnachten? Nein, Franzl,<br />
heut noch <strong>nicht</strong>, aber sehr bald. Und was für <strong>die</strong> einen<br />
<strong>die</strong> reine Hölle ist – getarnt als Familienfest<br />
mit Baum –, wo man schreckliche Geschenke in<br />
<strong>die</strong> Hand nehmen und <strong>da</strong>nn »Ui – wie geil!« quieken<br />
muss, <strong>da</strong>mit niemand merkt, <strong>da</strong>ss hier aber<br />
gleich, wenn man <strong>nicht</strong> sofort mit einer fadenscheinigen<br />
Ausrede verschwindet, der schiere Hass losbricht,<br />
und <strong>da</strong>s ganze Verwandtengesocks am Ende<br />
einen Kopf kürzer ist – wenn also <strong>da</strong>s <strong>nicht</strong> der Fall<br />
ist, <strong>da</strong>nn hat man Glück oder ist ein ungenannt bleiben<br />
wollender Re<strong>da</strong>kteur <strong>die</strong>ses Heftes mit den Initialen<br />
M.S.<br />
Der nämlich freut sich auf Weihnachten wie blöde,<br />
kriegt auch immer genau <strong>da</strong>s Geschenk, <strong>da</strong>s er<br />
braucht: einen Umschlag mit irre viel Geld drin. Und<br />
es umarmen sich alle in <strong>die</strong>ser Familie und meinen<br />
es so<strong>gar</strong>, wenn sie sagen: Frohe Weihnachten! Nach<br />
der Bescherung gibt’s Fondue, also heißes Fett mit<br />
Fleischbrocken drin, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Mutti immer erst rausholt,<br />
wenn sie ganz klein und hutzelig <strong>sind</strong>, so wie<br />
sie selbst. Dann lachen immer alle. Wenn genug<br />
Wein <strong>die</strong> Kehlen runtergeflossen ist, wird Familie S.<br />
regelmäßig übermütig und versucht sich zum Spaß<br />
gegenseitig mit den Fonduegabeln in <strong>die</strong> Augen zu<br />
pieken. Was den beiden Söhnen meist besser gelingt<br />
als den altersschwachen und von Jahr zu Jahr<br />
schlechter <strong>sehen</strong>den Eltern. Ein herrliches Fest, so<br />
der Re<strong>da</strong>kteur, <strong>da</strong>s seinetwegen nie enden müsste.<br />
Nur Sex gibt es in <strong>die</strong>ser Familie <strong>nicht</strong>. Was aber<br />
<strong>nicht</strong> so schlimm ist, denn es gibt ja den Diggla! Als<br />
wir <strong>die</strong> Anzeige fürs »Haus Flair«, den »Flüstertipp<br />
in Göttingen«, im Magazin unserer Kollegen<br />
ge<strong>sehen</strong> haben, waren wir natürlich sofort neidisch,<br />
weil wir ja alle wissen, <strong>da</strong>ss Sex <strong>die</strong> geilste Sache der<br />
Welt ist und <strong>da</strong>ss in <strong>die</strong>sem Etablissement – piffpaffpuff!<br />
– <strong>nicht</strong> nur geflüstert wird. Neidisch vor allem,<br />
weil den Diggla jetzt gewiss viel mehr Leute lesen,<br />
Studenten, Stu<strong>die</strong>nräte und Stadtabgeordnete, sofern<br />
es ihn zum Sex <strong>da</strong>zu gibt, eingeschweißt versteht<br />
sich. »Der Diggla <strong>da</strong>nach«, sozusagen. Was<br />
soll man machen? Die Kollegen hatten <strong>die</strong> Idee zuerst<br />
– Chapeau!<br />
Wussten Sie eigentlich, <strong>da</strong>ss <strong>da</strong>s Darwin-Jahr<br />
naht? In anderen Worten ein Jahr, in dem noch<br />
häufiger von »Konkurrenz«, »Wettbewerb« und<br />
»Markt« <strong>die</strong> Rede sein wird. Tja. Aber wussten Sie<br />
auch, <strong>da</strong>ss der russische Fürst und Forscher Kropotkin<br />
der Meinung war, Darwin hätte sich geirrt –<br />
in der Evolution sei <strong>nicht</strong>, so wie in der englischen<br />
Adelsgesellschaft um 1900, wild um sich beißende<br />
Konkurrenz am Werk (gewesen), sondern leitendes<br />
Prinzip sei eigentlich <strong>die</strong> Kooperation. Inzwischen<br />
<strong>sind</strong> wir schlauer und wissen, <strong>da</strong>ss Kropotkin insofern<br />
Recht hatte, als tatsächlich alle Vielzeller aus<br />
Bakterien entstanden <strong>sind</strong>, <strong>die</strong> kooperierten, um immer<br />
komplexere Organismen zu bilden. Dies als Ge<strong>da</strong>nkensplitter<br />
mit auf den Weg ins neue Jahr. Wir<br />
<strong>sehen</strong> uns im Februar wieder – denn im Januar reist<br />
<strong>die</strong> Re<strong>da</strong>ktion wie jedes Jahr für vier Wochen in <strong>die</strong><br />
Dolomiten. Re<strong>da</strong>kteurin Kerstin wird dort oben in<br />
der schmucken Holzhütte auf dem Bärenfell endlich<br />
ihren siebten Roman fertig stellen. Und Re<strong>da</strong>kteur<br />
Henning wird an einer ganz neuen Sorte Poesie<br />
feilen – Sie erinnern sich: »Die Liebe, <strong>die</strong> Liebe – immer<strong>da</strong>r.«<br />
Mehr <strong>da</strong>zu im nächsten Jahr.<br />
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