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Bilder sehen, die gar nicht da sind - Pony

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<strong>Bilder</strong> <strong>sehen</strong>, <strong>die</strong><br />

<strong>gar</strong> <strong>nicht</strong> <strong>da</strong> <strong>sind</strong><br />

Eleganter musikalisch-poetischer Seiltanz und Schmerzmittel gegen <strong>die</strong><br />

täglich <strong>da</strong>rgebotene Dummheit: Jacques Palmingers fantastisches<br />

Album »Mondo Cherry«.<br />

Michael Sailer<br />

Neulich beim Radfahren in der goldenen Herbstsonne,<br />

mit Lautsprecherknöpfen in den Ohren,<br />

habe ich geträumt: von einem blubberbunten, mit<br />

selig lächelnden Weingummimenschen bevölkerten<br />

Tagtraumland, durch <strong>da</strong>s man<strong>da</strong>rinengelbe<br />

und waldmeistergrüne Musik weht, leicht wie Luft,<br />

freundlich wie eine Sonnenmilchflasche aus den<br />

groovy frühen siebziger Jahren und so freigefiltert<br />

von Störgeräuschen und gegenwartstypischen popmusikalischen<br />

Ballaststoffen, <strong>da</strong>ss trotz sparsam<br />

hingetupftem Instrumentaleinsatz (u. a. eine saumäßig<br />

retro-funkige Querflöte und ein ganzes Orchester)<br />

fast alle Spuren auf dem Tonband nur eben:<br />

Luft enthalten. Dass man Luft hören kann, wusste<br />

ich noch <strong>nicht</strong>, auch <strong>nicht</strong>, wie schön <strong>da</strong>s klingt.<br />

Ich hätte ewig weiterfahren können, aber irgendwann<br />

gerät man <strong>da</strong>bei unweigerlich in Gefilde, wo<br />

echte Menschen leben und toben und sich als röhrender<br />

Autolindwurm durch ihre Höllenwelt wälzen,<br />

und <strong>da</strong> ist Schluss mit groovy. Immerhin: Als<br />

ich aufgewacht bin, war ich zu Hause und <strong>die</strong> Musik<br />

immer noch <strong>da</strong>; sie rieselte wie Sonnenflocken<br />

durchs Zimmer, klar, rein, synthetisch, leer, ohne<br />

Zeit und Dauer, weshalb sie auch weder bleiben<br />

noch weggehen konnte.<br />

Die Menschen, <strong>die</strong> zu <strong>die</strong>ser Musik singen und<br />

manchmal auch sprechen, wirken so freundlich wie<br />

Comicfiguren aus der Valiumwerbung, aber Obacht:<br />

Das ist ein Trick. Der Trick, den Jacques Palminger<br />

<strong>da</strong> anwendet, ist erstens ein ganz wunderschlaues<br />

Verfahren der Sprachkritik – »Worte nur Worte«<br />

heißt der erste Song, und <strong>da</strong>s ist ziemlich genau<br />

<strong>da</strong>s, um was es (zunächst) geht: falsche, inhaltsfreie,<br />

eindimensionale, oberflächliche, scheinbar<br />

souveräne Kommunikation als <strong>da</strong>s zeigen, was sie<br />

ist, einfach indem man sie in idealer Reinform reproduziert.<br />

Aber keine Angst, liebe Bildungsferne, <strong>da</strong>s<br />

ist kein akademisches Jengaspiel, was in der kräuterrauchverhangenen<br />

Kirschwelt von Jac, Ric und<br />

Vic betrieben wird, sondern es macht riesengroßen<br />

Spaß, und zweitens entsteht im weiteren Verlauf der<br />

Platte aus den enigmatischen Nullsentenzen durch<br />

leichte Verschiebungen in <strong>die</strong> Surrealität eine ganz<br />

merkwürdige, sozusagen sekundär bildhafte Poesie:<br />

Man sieht <strong>Bilder</strong>, <strong>die</strong> <strong>gar</strong> <strong>nicht</strong> erwähnt werden, gerät<br />

in Stimmungen, um <strong>die</strong> es <strong>gar</strong> <strong>nicht</strong> geht.<br />

Obstmystiker und Energetiker<br />

Dass <strong>die</strong> Sache phasenweise auch mal ins komplett<br />

Absurde rutscht, ist kein Zufall: Herr Palminger ist,<br />

zusammen mit Heinz Strunk, der übrigens <strong>die</strong> erwähnte<br />

Flöte spielt, und Rocko Schamoni, Mitglied<br />

bei der Telefonverarschungsgruppe Studio Braun,<br />

von der man auch <strong>die</strong> deutschsoulige Stimme seiner<br />

tapferen Begleitsängerin Ric alias Rica Blunck kennen<br />

könnte. Die betrieb, mit einer großen Prise Salz<br />

betrachtet, ja auch etwas Ähnliches, auch eine Art<br />

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