zett Magazin Juni / Juli
Magazin für Stadtkultur Schlachthof / Lagerhaus
Magazin für Stadtkultur
Schlachthof / Lagerhaus
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
13<br />
Jens Laloire<br />
Bierlose Existenzkrisen<br />
VER<br />
ZETT<br />
ELT<br />
Vor Kurzem wurde ich zum Junggesellenabschied eines Freundes eingeladen;<br />
mir sträubten sich sogleich die Nackenhaare beim Gedanken daran,<br />
inmitten einer Horde Bier und Schnaps saufender Männer mit einem<br />
deppert kostümierten Fast-Ehemann durch Bremen zu marschieren. Solche<br />
Unternehmungen habe ich schon des Öfteren aus der Ferne beobachten<br />
dürfen, jedoch immer tunlichst vermieden, ihnen zu nahe zu kommen.<br />
Allerdings mochte ich den Freund eigentlich ganz gern und war deshalb<br />
hin- und hergerissen, grübelte mir die Stirn wund und redete auf mich ein:<br />
Hey, das sind doch alles nur Vorurteile gegenüber solchen Traditionen,<br />
nicht jeder Junggesellenabschied muss so ablaufen, da gibt es sicherlich<br />
Unterschiede – und überhaupt ist es doch spießig, sich so einer Zusammenkunft<br />
von vornherein komplett zu verschließen. Sei mal etwas offener<br />
gegenüber befremdlich anmutenden Kulturen.<br />
Schließlich hatte ich mich überredet und sagte den Termin zu. Zwei<br />
Stunden später bekam ich den Ablauf geschickt. Erster Programmpunkt:<br />
13.47 Uhr: Das erste Bier köpfen & zwei Schnaps trinken; zweiter Punkt:<br />
13.50 Uhr: Das zweite Bier köpfen. Weitere Programmpunkte: Bier,<br />
Schnaps, lustige Spielchen, Besuch des Brauhauses und Feiern in einer<br />
Diskothek. Beim Studieren des Ablaufs schlichen sich erneut leichte Zweifel<br />
bei mir ein, ob ich der Veranstaltung wirklich beiwohnen wollte. An dieser<br />
Stelle sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich weder gern in Diskotheken<br />
oder Brauhäuser gehe, noch Schnaps oder Bier trinke, was mich in einer<br />
Stadt wie Bremen sowieso regelmäßig in Schwierigkeiten bringt, wenn mir<br />
jemand auf einer Party ein bereits geöffnetes Beck’s mit einem gütigen<br />
Lächeln auf den Lippen entgegenstreckt. Und beim Junggesellenabschied,<br />
da durfte ich mir inzwischen sicher sein, würden mir diverse Bierbuddeln<br />
entgegengestreckt werden – eine Gewissheit, die mich von Tag zu Tag tiefer<br />
in eine Existenzkrise trieb.<br />
Ich grübelte und grübelte, fand aber keine Antwort – bis die Erlösung<br />
kam, und zwar mit der Einladung zu einem weiteren Junggesellenabschied.<br />
Das Programm der Parallelveranstaltung war sehr schlicht gefasst: eine<br />
Wattwanderung nach Neuwerk mit anschließender Übernachtung im<br />
Heuhotel (ohne Brauhaus, Disko und lustige Spielchen). So geht’s also auch,<br />
dachte ich und sagte den anderen Junggesellenabschied prompt ab, ließ<br />
mir jedoch später davon berichten. Es soll feuchtfröhlich mit dem als<br />
rosafarbenen Pudel kostümierten Junggesellen zugegangen sein.