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Magazin für Stadtkultur Schlachthof / Lagerhaus
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Schlachthof / Lagerhaus
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Unser Grafiker sitzt mit unseren Künstlerinnen zusammen, die entscheiden<br />
mit ihm, welche Bilder, welche Zeichnungen mit welchen Texten in die<br />
Broschüre kommen sollen. Unsere Künstlerinnen schreiben Rechnungen,<br />
wenn sie einen künstlerischen Workshop geben oder eine künstlerische<br />
Leistung abrechnen. Fast immer sind diese Rechnungen aber ohne Mehrwertsteuer,<br />
denn die meisten Künstler sind sogenannte Kleinunternehmer,<br />
sie haben einen Umsatz unter 17.500 Euro pro Jahr. Darum sind die wenigsten<br />
Künstler Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft. Und die meisten von ihnen<br />
müssen außerhalb ihrer Kunst Geld dazuverdienen.<br />
Öffentlicher (staatlicher) Bereich und der intermediäre (gemeinnützige)<br />
Bereich sind wirtschaftlich betrachtet kaum zu trennen, zumal der Staat<br />
häufig und immer mehr die Gemeinnützigen mit Dingen beauftragt, die er<br />
früher in Eigenregie ausführte. Gemeinnützige sind in der Regel preiswerter.<br />
Die öffentliche Kulturförderung in Deutschland macht circa 9 Milliarden<br />
Euro aus.* Die wird wahrscheinlich verdrei- bis vervierfacht, denn aus jedem<br />
geförderten Euro machen die Gemeinnützigen mindestens drei Euro.<br />
Der Umsatz in der Kultur- und Kreativwirtschaft (Buch, Film, Presse,<br />
Werbung, Musikwirtschaft, Kunst, Theater, Architektur, Design, Software/<br />
Games) beträgt etwa 145 Milliarden Euro. Etwa 1,6 Millionen Beschäftigte<br />
gibt es in diesem Bereich. Rechnet man die Erwerbstätigen aus Kunst und<br />
Kultur dazu, kommt man auf ungefähr 3,5 Millionen (die Ehrenamtlichen sind<br />
nicht mitgezählt). Damit ist der Kulturbereich eine der wichtigsten Branchen<br />
in der Volkswirtschaft, umsatzstärker als die Automobilindustrie oder die<br />
Finanzbranche. Dieses Gewicht spiegelt sich nicht in der Wirtschaftsförderung,<br />
die agiert zu finanz- und marktgeblendet.<br />
Absurd ist, dass bei der wirtschaftlichen Betrachtung die eigentlichen,<br />
die originären Kunstproduzenten, nämlich die Künstlerinnen und Künstler<br />
weitgehend außer Acht bleiben. Die Galerie, in der die Künstlerin ausstellt,<br />
zählt zur Kultur- und Kreativwirtschaft, die Künstlerin wahrscheinlich nicht.<br />
Die Künstler stehen am Anfang der Wertschöpfung, bleiben aber nicht nur<br />
statistisch auf der Strecke. Wertschöpfung ist nicht nur eine ökonomische<br />
Größe, sondern auch eine philosophische: Steigerung der Lebensqualität,<br />
menschliche und zivilisatorische Bereicherung. Aber selbst die ökonomische<br />
Wertschöpfung besagt, dass der Output den Input übersteigt, also mehr Geld<br />
herauskommt als reingesteckt wird. Na, eine höhere Wertschöpfung als den<br />
künstlerischen Prozess gibt es doch gar nicht. Der schöpferische Akt ist die<br />
Basis des gesamten Kultursektors einschließlich der Kreativwirtschaft, darauf<br />
bauen sich alle Wertschöpfungsketten auf. Warum wird dann dieser Basis<br />
nicht mehr Beachtung, mehr fördernde Wertschätzung entgegengebracht?<br />
Unsere Künstlerinnen erarbeiten mit Jugendlichen eine Spiele-App. Dazu<br />
wird gezeichnet, gemalt, ein Trickfilm entsteht. Das Projekt und die App-<br />
Entwicklung werden von der Europäischen Kommission gefördert. Das ist<br />
immer noch keine Kreativwirtschaft. Wir sind die Gemeinnützigen! Aber<br />
die App wird dann – wenn‘s gut geht – auf den Smartphones zu finden sein.<br />
Schade, dass unser Kulturbereich nicht so clever und finanzgewaltig ist,<br />
damit Gewinn zu machen. Meistens machen das andere, indem sie unsere<br />
Produktionen verwerten, kopieren und verbessern. Na ja. Die Folge-Wertschöpfung<br />
wäre zumindest gut, denn der Bereich Gaming boomt.<br />
Es ist gar nicht so wichtig, ob Staat, Gemeinnützige<br />
oder Kreativwirtschaft angesprochen sind. Kunst und<br />
Kultur finden in allen drei Sektoren statt. Institutionell<br />
und personell sind die Bereiche sowieso verflochten, in<br />
jedem Fall pushen die Öffentlichen und Gemeinnützigen<br />
die Kultur- und Kreativwirtschaft.<br />
Der Musiker tritt im privaten Musikclub auf, im<br />
gemeinnützigen Kulturzentrum oder in der städtischen<br />
Veranstaltungshalle. Er bewegt sich also in allen<br />
Sektoren mit seiner Musik. Vielleicht ist er freischaffend<br />
und erfolgreich, vielleicht ist er Kleinunternehmer,<br />
vielleicht ist er Komponist und Musiklehrer und macht<br />
seine Musik ›nebenberuflich‹. Eigentlich egal, denn er<br />
ist Kunst-und Kulturproduzent, er erschafft, er<br />
interpretiert, er gestaltet Musik.<br />
Jeder Euro, der in Kunst, in die Kunstförderung, in<br />
die Künstlerförderung gesteckt wird, ist der allergrößte<br />
Gewinn, den man sich vorstellen kann. Es wird Sinn<br />
gefördert. Und weil man den Sinn in der Kunstproduktion<br />
nicht vorgeben sollte, kann es sein, dass manchmal<br />
auch Unsinn herauskommt. Damit kann die<br />
Gesellschaft leben, das Risiko ist gering. ›Wagen un<br />
Winnen‹ – der Bremische Wahlspruch darf zunehmend<br />
für die Kunst- und Kulturförderung gelten. Das ist beste<br />
Wirtschaftsförderung. Für die kulturwirtschaftliche<br />
Förderung sollten die Künstlerinnen und Künstler –<br />
gerade wegen ihrer Rolle am Anfang der Wertschöpfungskette<br />
– eine wichtigere Rolle spielen.<br />
Aber, aber: Soll die Kunst nicht frei sein, unberührt<br />
von der Ökonomie? Nun, die Kunst soll sich frei entfalten<br />
können, nicht zensiert oder manipuliert werden,<br />
nicht benutzt werden. Die Kunst ist frei. Die Künstlerinnen<br />
und Künstler sind frei, autonom und der Kunst<br />
verpflichtet. Aber Künstler sind Menschen wie andere<br />
auch. Unsere Gesellschaft ist eine Geldgesellschaft,<br />
alles wird transformiert in Geld- und Zeiteinheiten. Wer<br />
hier lebt, muss ein Einkommen erzielen – ob Künstler<br />
oder Bankangestellte. Wer hier lebt, ist Marktteilnehmer<br />
auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Produktionsmarkt.<br />
Künstlerinnen sind Produzenten, sie müssen ihre<br />
künstlerischen Leistungen verwerten. Und wir, wir<br />
müssen diese Leistungen wertschätzen und bezahlen.<br />
Wir sollten sie fördern, unterstützen, weiterentwickeln,<br />
mit ihnen wachsen und besser leben.<br />
Kunstförderung ist Wirtschaftsförderung. Am<br />
Anfang der Kette, billiger geht’s nicht, und mehr Output<br />
geht auch nicht.<br />
* Zahlenangaben sind in der Kulturbranche schwierig zu vergleichen.<br />
Ich beziehe mich auf Monitoring zu KK, auf Untersuchungen ab 2007,<br />
auf KSK-Angaben, Institut für Kulturpolitik und Länderberichte.<br />
Daraus ergeben sich die oben genannten Schätzwerte.