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De:Bug 167

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»Ich denke manchmal, dass<br />

irgendwann jemand an die<br />

Tür klopft und sagt: Herr<br />

Offermann, wir müssen reden,<br />

jetzt müssen sie mal richtig<br />

arbeiten.«<br />

OSKAR<br />

OFFERMANN<br />

ERST MAL WEITER<br />

TRÄUMEN<br />

Oskar Offermann, Do Pilots Still Dream Of Flying?,<br />

ist auf White/Intergroove erschienen.<br />

www.whitelovesyou.com<br />

TEXT SASCHA KÖSCH, BILD GEORG ROSKE<br />

Die Berliner <strong>De</strong>ephouse-Szene blüht seit Jahren, hat<br />

international längst einen magischen Ruf und mehr<br />

und mehr nähert man sich allerorts der nächsten<br />

Schallgrenze: <strong>De</strong>bütalbum. <strong>De</strong>r Schritt zum "seriösen"<br />

Künstler. Das Ende der Kindheit mit 12"s und<br />

Undergroundpartys. Moomin hatte letztes Jahr<br />

vorgelegt, Edward zog nach und jetzt ist White-<br />

Labelmacher Oskar Offermann selbst am Start.<br />

Und zeigt eindrucksvoll, dass ihn auch das neue<br />

Format nicht kompromittieren kann. Die langsame<br />

Entwicklung, das stetige ziellose Wachsen, das<br />

beste aus den Fehlern und eigenen Eigenheiten machen,<br />

das blinde Vertrauen in die Musik: Es hat sich<br />

gelohnt.<br />

Mit dem Album versucht man natürlich schon etwas zu machen,<br />

das von klassischen House-Tracks weggeht. Etwas,<br />

das mehr Musikalität zulässt, mehr Songs. Zu sehen, wie<br />

weit man das 4tothefloor-Schema ausweiten kann, während<br />

man sich aber trotzdem noch darin bewegt.<br />

Ohne zur Auflösung zu führen.<br />

Ja, ich will auch weiter als DJ spielen und traue mich noch<br />

nicht, das Schema ganz zu verlassen. Man ist da so sehr drin.<br />

Bislang hatte ich mich nie getraut, wirklich zu singen! Und<br />

jetzt fragen mich schon die ersten Freunde, ob ich nicht mal<br />

auf einem Track von ihnen Vocals beisteuern möchte. Hilfe!<br />

Dabei sind meine Vocals so mega-skizzenhaft aufgenommen.<br />

Ich nutze sie wie ein Instrument oder Sample, damit<br />

kann ich mich aber anfreunden. Ausprobieren wollte ich das<br />

schon immer, mein langfristiges Ziel war und ist, etwas zu<br />

produzieren, was im besten Sinne auch Pop sein kann.<br />

Das Charmante daran ist natürlich, dass du so den üblichen<br />

Fehler umgehst, ein schematisches Album mit fünf<br />

Feature-Sängerinnen und drei Tracks, die nicht für den<br />

Floor sind, zu machen.<br />

Da ist oft das Problem, dass die Downbeat-Tracks bis<br />

zum Himmel stinken. Ich habe eher versucht ein Bild zu<br />

zeichnen, ein Szenario, ein Gefühl. Das letzte Stück war für<br />

mich z.B. eine Film-Sequenz und ich hatte immer gehofft, ein<br />

asiatischer Filmproduzent würde das nutzen, um Samurais<br />

dazu sterben zu lassen. Klischees! Drama! Dazu will ich jetzt<br />

selber ein Video drehen, allerdings um den Kitsch zu entkräften.<br />

Ich habe eh viele Melodien und Strings benutzt, weil<br />

es für mich darum geht, Gänsehaut zu bekommen. Ich will,<br />

dass die Tracks mich emotional berühren.<br />

<strong>De</strong>r poppigste Track ist dann auch gleich der erste.<br />

Auch so ein Fehler eigentlich. Ich hätte auch noch ein<br />

Intro bauen können. Ich hatte mir das Album als eine Art<br />

DJ-Set angelegt und "Do Pilots ..." für einen guten Opener<br />

gehalten. Erst mal eine Ansage machen. Es geht hier nicht<br />

nur um <strong>De</strong>ephouse. Es geht um mehr.<br />

Ist der Titel "Do Pilots Still Dream Of Flying" ein thematisches<br />

Motto für das Album?<br />

Viele Leute beziehen das natürlich direkt auf mich, auf<br />

das DJ-Dasein. Es ging mir aber wirklich um eine Story. Saß<br />

im Flugzeug, hab mir überlegt, wie geil diese Perspektive<br />

von Piloten ist, was für eine unglaubliche Schönheit die jedes<br />

Mal sehen und dachte, wie verrückt das wäre, wenn<br />

man als Pilot dann noch vom Fliegen träumt. Analogien wie<br />

Sound-Wolken oder ähnliches waren gar nicht da.<br />

Ich habe eher daran gedacht, wie lange man schon auflegt,<br />

was man alles erlebt an Begeisterung und ob man<br />

dann noch davon träumt, wovon andere nur träumen?<br />

Das spielt natürlich mit rein. Ich bin jetzt 31, mache den<br />

Job schon ein paar Jahre und der Zauber bröckelt natürlich<br />

ein wenig. Ich fühle mich aber gleichzeitig noch überhaupt<br />

nicht angekommen als DJ, habe immer noch das Gefühl,<br />

dass ich das eher als Hobby mache, zwar ein wenig Geld<br />

damit verdiene auch davon lebe, aber es fühlt sich nicht an<br />

wie ein Beruf. Ich denke manchmal, dass irgendwann jemand<br />

an die Tür klopft und sagt: Herr Offermann, wir müssen<br />

reden, jetzt müssen sie mal richtig arbeiten.<br />

<strong>De</strong>nnoch steht die Live-Karriere erst mal noch vor<br />

der Tür.<br />

Das ist eine allgemeine Entwicklung. DJs spielen immer<br />

mehr eigene Sachen, es wandelt sich mehr in Richtung<br />

Live-Set. In zehn Jahren gibt es das klassische DJ-Set<br />

nicht mehr. Aneinandergereihte Platten, das ist zu sehr<br />

ein Massenhobby geworden. Jeder hat seinen Controller<br />

zu Hause. Ich will jetzt erst mal aus dem Album einzelne<br />

Spuren ausspielen, nicht als Live-Set, sondern um sie als<br />

DJ anders spielen zu können. Mehr eigene Edits. Das muss<br />

gut sein. Ich kann mir auch vorstellen, immer weiter vom<br />

Schema wegzugehen, irgendwann ein Folk-Album zu machen,<br />

obwohl ich wirklich keine Gitarre spiele. Aber genau<br />

das macht alles ja auch interessant, Dinge zu tun, die man<br />

noch nicht kann. Ableton war z.B. für mich am besten, als<br />

ich es noch gar nicht bedienen konnte. Sich an ein Tool zu<br />

setzen und das ganz naiv zu bedienen, finde ich spannender,<br />

als es zu beherrschen.<br />

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