De:Bug 167
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Liebe Userinnen,<br />
liebe User,<br />
da steht sie aufgereiht, die gute alte Bildung, und mag es<br />
nicht mit ansehen. Das am Boden liegende Haupt scheint<br />
von Blödmaschine Google selbst abgeschlagen und angemalt.<br />
Dabei sollte sie es eigentlich besser wissen. Jede<br />
neue Kulturtechnik hat stets die großgesellschaftliche<br />
Angst vor ihr mit im Gepäck - in der Antike herrschte etwa<br />
die seltsame Idee vor, dass Schreiben und Lesen (in<br />
Form von aufgezeichnetem Wissen) uns dumm macht,<br />
denn sie trat an die Stelle der reinen Erfahrung. Heute<br />
wie damals rauchen Köpfe, sie rollen und man kann sie<br />
sogar mal verlieren. Aber wie DE:BUG-Mitgründerin<br />
Mercedes Bunz im Internet-Interview sagt: "Dass sich unsere<br />
Gesellschaften angesichts des Reichtums von Wissen<br />
nun überflutet fühlen, lässt einen um die Effektivität des<br />
menschlichen Verstandes bangen." Bücher wie das bräsige<br />
"Digitale <strong>De</strong>menz" führen uns grundsätzlich auf die<br />
falsche Fährte und sollen für zuchtvolles Verhalten sorgen,<br />
konkrete Beweisführung ab S.13. Digitalisierung ist nicht<br />
nur technisch zu denken, sondern ein weitaus umfassenderes<br />
Phänomen, das unsere Gesellschaft tiefgreifend umbildet.<br />
Sascha Kösch meint: "Wir hätten längst Cyborgs<br />
sein können, tauschen aber Kochrezepte für ausgelagerte<br />
Hirne auf Facebook." Ihr dürft uns gerne glauben: Es<br />
könnte schön sein.<br />
Peter Rehberg von Editions Mego zum Beispiel weiß<br />
ganz genau, wieso man das Internet erfunden hat: für Leute<br />
wie ihn, damit er nicht am Musik-Nabel der Welt in Berlin<br />
leben muss und uns weiterhin von Wien aus mit aufregend<br />
schwieriger Musik versorgen kann. An der Donau<br />
haben wir ihn besucht, das kleine Special zum Label und<br />
seinen Künstlern gibt es ab Seite 28 zu lesen. Früher hat<br />
Rehberg Popzeitschriften verschlungen - der Text ist oft<br />
der Anfang von allem. Im Produktionsrückblick können<br />
wir sagen, diese Ausgabe ist bei aller Digitalromantik eine<br />
amtliche Bücher-Ausgabe geworden. Mercedes Bunz<br />
schreibt ein Buch, Geert Lovink schreibt ein Buch, drei neue<br />
Bücher über Tattoos, zwei neue Bücher, die sich um Pop<br />
und dessen Kritik in der realen Wirklichkeit kümmern. Auch<br />
Kenneth Goldsmith liebt Bücher, der Erfinder von UbuWeb<br />
und Lehrer für unkreatives Schreiben, nimmt den digitalen<br />
Shift aber für die Literatur ernst und glaubt: "Fuck Writing,<br />
Its Over." Es gibt viele neue Gedanken zum Thema, einige<br />
stellen wir euch vor. DE:BUG heißt immer schon, analog<br />
und digital gleichzeitig zu knuddeln. Sich auf keine Seite zu<br />
schlagen und in genau dieser Wechselspannung zu leben.<br />
Wie eine gute 909 - sieht in echt doch besser aus, langt<br />
man gerne an. Look and listen.<br />
Oliver Laric<br />
Ausstellungsansicht "Kopienkritik"<br />
Skulpturhalle Basel, 2011<br />
Kuratiert von Raffael Dörig<br />
Foto: Gunnar Meier <strong>167</strong>–3