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Gewitter und Snare-Salven unkenntlich gemacht. An anderen<br />
Stellen gibt es sogar richtige Four-to-the-Floor-Momente<br />
oder gänzlich unbehandelte Dream-House-Schnipselchen,<br />
die minutenlang über die Platte gniedeln. Und wenn man<br />
denkt, es geht kaum noch schlimmer, ballert da ein Gabber-<br />
Sample rein, das kurz darauf von Dutch-House-Irrsinn abgelöst<br />
wird. "Electronic Dream" von AraabMuzik hat wirklich<br />
ganz besondere Momente: Ballaton-Bombast, Großraum-<br />
Rave, Trockeneisromantik, noch mal 15 sein, der Soundtrack<br />
eines SNES-Spiels gepaart mit Plastik-Drums - all so was<br />
geht einem beim Hören zwangsläufig durch den Kopf.<br />
Macht man sich wirklich den Spaß und sucht nach den<br />
Originalquellen der Tracks, liest sich das dann auch tatsächlich<br />
wie das Who Is Who der letzten Trance-<strong>De</strong>kaden:<br />
OceanLab, Kaskade, Jam & Spoon, Starchaser, Ronski<br />
Speed und Future Breeze.<br />
AraabMuzik,<br />
Electronic Dream,<br />
ist auf Duke Productions<br />
erschienen.<br />
www.araabmuzikmvp.com<br />
Fleischgewordene MPC-Drumsticks<br />
Wie schon eingangs erwähnt haben Musiker aus den<br />
USA, Rapper im Speziellen, nicht sonderlich viel Ahnung<br />
von elektronischer Musik, was am aktuellen HipHop- und<br />
R’n’B-Tagesgeschehen in den Charts zu erkennen ist. Jede<br />
Hochglanz-HipHop-Produktion hat derzeit einen Synthie-<br />
Anstrich und Anleihen zwischen Techno, Elektronika und<br />
House vorzuweisen. Während im Rest der Welt guten<br />
Gewissens behauptet werden kann, dass zwischen guter<br />
und schlechter, authentischer und unrealer elektronischer<br />
Musik unterschieden werden kann, ist das von Leuten wie<br />
AraabMuzik nicht unbedingt zu erwarten. Nichtsdestotrotz<br />
schafft er es aber, seine skurrilen Sample-Vorlieben wieder<br />
wettzumachen. Und zwar mit schier unglaublichen<br />
Fähigkeiten an der MPC.<br />
Besonders deutlich werden diese in den schwindelerregenden<br />
Videos seiner Live-Performances. Klar gab es auch<br />
schon zuvor Typen, die gut mit der MPC umgehen konnten<br />
– man denke nur an Pete Rock oder J Dilla – aber wie<br />
AraabMuzik dort in Höchstgeschwindigkeit die Pads bearbeitet,<br />
ist wirklich beeindruckend. Mitunter klöppelt er -<br />
Araab spielt Schlagzeug seit seinem dritten Lebensjahr -<br />
mit seinen fleischgewordenen Drumsticks so fest auf den<br />
Knöpfen rum, dass er sich vor den Auftritten die Finger tapen<br />
muss.<br />
Clams Casino,<br />
Instrumental Mixtape,<br />
ist auf Type erschienen, das Album<br />
"Rain Forest" auf Tri Angle.<br />
www.soundcloud.com/clammyclams<br />
MAN KÖNNTE SAGEN,<br />
"ELECTRONIC DREAM" HÖRT<br />
SICH AN, ALS HABE MAN DIE<br />
LETZTE "FUTURE TRANCE"-<br />
COMPILATION DURCH FRUITY<br />
LOOPS GEJAGT.<br />
Ganz normaler Weirdo-Wahnsinn<br />
<strong>De</strong>r zweite große Beatconductor des letzten Jahres war<br />
Clams Casino. Während AraabMuzik die Pitchfork-People<br />
zwar auch für einen Moment wuschig machen konnte, hatte<br />
Clammy Clams dagegen auf so ziemlich jeder wichtigen<br />
Rap-Platte und jedem noch so wichtigen Mixtape des letzten<br />
Jahres ein paar Produktionen am Start. Lil B, A$AP<br />
Rocky oder Mac Miller und Schlafzimmercharmeur The<br />
Weeknd – um nur ein paar zu nennen. Man könnte es dabei<br />
belassen und sagen, dass die Beats des 23-jährigen New-<br />
Jersey-Normalos auch als schlichtes Beiwerk für aufregende<br />
Tickertales, dumpfe Drogengeschichtchen und all den<br />
anderen Weirdo-Wahnsinn, der im letzten Jahr von Jungs<br />
wie Soulja Boy oder Lil B mit schlaffer Zunge und benebeltem<br />
Geist ausformuliert wurde, funktionieren. Man kann die<br />
Instrumentals aber auch wunderbar für sich sprechen lassen.<br />
Das fand auch das Cutting-Edge-Label Tri Angle und brachte<br />
im letzten Jahr Clams Casinos "Rainforest EP" raus.<br />
Die Samples auf den Beats von Mike Volpe kommen von<br />
Bands und Künstlern wie Björk, Adele oder Imogen Heap. Sie<br />
werden derart in der Geschwindigkeit herunter gedrosselt<br />
und so lange auseinander geschnitten, bis nur noch Atmer,<br />
Wortfetzen oder obskure Botschaften übrig bleiben. Es ist<br />
mit all diesen Samples zwischen dunklem Pop und New Age,<br />
wenn man so will, die astreine HipHop-Herangehensweise<br />
an den Hypnagogic Pop der letzten Jahre: dunkel, verzerrt,<br />
rätselhaft, vollkommen uneindeutig in Struktur, Verständnis<br />
und Rezeption. Gleichzeitig gibt es auch hell scheinende<br />
Momente, die an den seichteren Chillwave, nur eben mit<br />
etwas mehr Wumms und Kopfnickerambitionen erinnern.<br />
Geradezu erholsam ist dabei Clams Casinos Verzicht auf<br />
Geister- oder Vergangenheitsforschung.<br />
Charmant unprofessionell<br />
<strong>De</strong>r Beweis dafür, dass das nicht bloß die Lesart verkopfter<br />
Musikjournalisten ist, zeigt die Beliebtheit der Instrumentals,<br />
die Clams Casino in regelmäßigen Abständen ins Netz lädt.<br />
Manche sind dabei nicht einmal komplett ausproduziert,<br />
das Attribut "abgemischt" trifft so gut wie nicht zu – hin und<br />
wieder übersteuern die Kicks und die Samples sind einen<br />
Tick zu laut. Aber es ist genau diese Unprofessionalität, diese<br />
Nachsicht im Sound, der saloppe Ansatz, die Clams Casinos<br />
Beats diesen charmanten Anstrich geben. Komplizierte<br />
Hardware-Setups braucht Mike nicht, er upgradete lediglich<br />
von Fruity Loops auf Acid Pro. Spannend ist auch, dass<br />
er Musik nicht zum Broterwerb nutzt, sondern angehender<br />
Physiotherapeut ist und die Musik nie das einzige Ziel, eher<br />
ein Hobby war.<br />
Schon hier unterscheiden sich Clams Casino und<br />
AraabMuzik eindeutig von der letzten Beatmaker-Schule<br />
um FlyLo und die gesamte Brainfeeder-Clique. Es ist alles<br />
nicht ganz so verkopft, nicht ganz so artifiziell – gleichzeitig<br />
aber auch lange nicht hochglanzpoliert wie derzeitige<br />
Chart-Produktionen. Mit dieser Einstellung blasen beide,<br />
Clams Casino und AraabMuzik, in genau jenes Horn,<br />
das Rap und R’n’B im letzten Jahr schon seinen originären<br />
Charakter wiedergegeben hat. Die Rotzigkeit, das zugedrückte<br />
Auge, das Schulterzucken vor dem Sampler – alles<br />
Dinge, die sich im Sound widerspiegeln und damit auch die<br />
letzten Genregrenzen sprengen.<br />
<strong>161</strong>–15