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Text anton waldt - illu harthorst.de<br />
Für ein<br />
besseres<br />
Morgen<br />
Wenn die Fehlermeldungsagentur beim Körperkaspertreffen<br />
der Wettervermarkter die Flow-Dusche aufdreht, wird die<br />
Gegenwart finally zum Near-Future-Setting und da bist<br />
du dann besser gründlich auf der Hut: linke Schulter,<br />
rechte Schulter, gut lucki lucki machen, bevor dich der<br />
Taschengeldstaat eiskalt erwischt. Zum Beispiel mit der<br />
Umstellung vom Euro auf Merkel-Meilen, der praktischen<br />
Handy-Währung, mit der man gesammelte Punkteguthaben<br />
auch nach dem Weltwirtschaftsuntergang immer noch ungestört<br />
vertelefonieren, versimsen oder verchatten kann:<br />
DLOD _ GRODT _ FAFOMM _ CNBAOSU – solche Sachen<br />
eben, ihr wisst schon: Get rich or die trying, For a fistfull of<br />
Merkel Meilen, Doing lots of drugs, Could not be accused of<br />
shutting up – Drop-in-the-City-Geschichten voller Blut und<br />
Darwinismus, wie sie sich in Floridas fieberverseuchtem<br />
Süden alle naselang abspielen. Schweinebucht, Scarface,<br />
Invasion der Riesenwürgeschlangen: Tigerpython und<br />
Konsorten haben ja neuerdings die Fauna der Everglades<br />
zum All-you-can-eat-Schlemmerbuffet erklärt, das es ratzekahl<br />
leer zu futtern gilt, Waschbären sind beispielsweise<br />
schon aus, als nächstes sind Waldstörche, Pelikane, Reiher,<br />
Kormorane und Lappentaucher an der Reihe, danach dann<br />
Opossums, Schwarzbären, Seekühe, Pumas, Beutelratten,<br />
Panther und Weißwedelhirsche und zum Nachtisch<br />
auch noch Alligatoren, Spitzkrokodile und alle kleineren<br />
Schlangen. Warum zur Hölle? Weil diese Würgeschlangen<br />
schwer traumatisiert sind, nachdem sie als niedliche<br />
Babywürgeschlangen aus einem Bedürfnis nach unschuldig-authentischer<br />
Emotion ins Einfamilienhausterrarium<br />
geholt wurden, aber kaum dass sie nicht mehr so süß<br />
waren, herzlos vor die Tür gesetzt wurden oder ausgebüchst<br />
sind, bevor es soweit kommen konnte, weshalb sie<br />
jetzt alle fressen, die sie kriegen können. Was dann nicht<br />
nur eine lehrreiche Schmunzelstory aus dem real existierenden<br />
Streichelzoo ist, sondern auch eine 1A-Metapher<br />
für die Hervorbringung zwanghafter <strong>De</strong>struktivität in der<br />
Konsumgesellschaft, schließlich läuft es mit Kindern heutzutage<br />
oft nach dem gleichen Schema: Aus einem Bedürfnis<br />
nach unschuldig-authentischer Emotion in die Welt gesetzt,<br />
büchsen sie aus oder werden vor die Tür gesetzt und fressen<br />
alle, die sie kriegen können, sobald sie nicht mehr so<br />
süß sind. Aber!?! Gibt es angesichts des fortgesetzten<br />
Gemetzels nicht Wichtigeres als die Metapherkuh übers Eis<br />
zu schieben? Im Prinzip schon, aber erstens kann man sowieso<br />
nichts machen, weil Riesenwürgeschlangen einfach<br />
nicht vernünftig mit sich reden lassen, zweitens sprechen<br />
wir hier über einen Teil des Landes, dessen Gründerväter<br />
sämtliche Büffelherden massakriert haben, nur um das blöde<br />
Gesicht der Rothäute zu sehen und drittens können auch<br />
miese Metaphern üble Verheerungen anrichten, wie ein<br />
schneller Blick nach Wolkenkuckucksheim zeigt, das mit jedem<br />
Marketingcent, den die Telekom in Cloud-Propaganda<br />
investiert, dem Untergang näherrückt: Wolken zu zwingen,<br />
Sachen bei sich zu behalten, ist nämlich für Wolkenanbeter<br />
ein beispielloser Akt der Barberei, weil der Wolkencharakter<br />
an und für sich unzuverlässig, unstet und vergänglich, aber<br />
vor allem chronisch inkontinent ist! Aber auch die angestammten<br />
Cloud User, die lustige Vogelschar, ist mächtig<br />
angefressen, weil mit Mixed-Reality-Technologien ein Teil<br />
des gesammelten Datendrecks tatsächlich in der Wolke<br />
landet, weshalb Spaßvogel, Dreckspatz und Vollmeise<br />
keinen Flügelschlag mehr tun können, ohne an eklige<br />
Excel-Tabellenstapel oder klebrige E-Mail-Archive zu stoßen,<br />
während sich zwischen den Urlaubsfotomüllhaufen<br />
das Ungeziefer ausbreitet. Aber die Vögel haben in der<br />
Wolke eben nichts mehr zu melden, statt dessen hat hier<br />
jetzt die Telekom das letzte Wort, weshalb am Ende die<br />
Vollgasbolzen Maksim Vitaminski und Zoltan Vitalski mit<br />
einem Dutzend fungesteuerter Zahnseidebikinimäuse die<br />
Bühne entern, um die Cloud Anthem zu grölen:<br />
It's raining Longdrinks like aus Eimern<br />
krass ey, Alter zieh's dir rein Mann!<br />
Everybody Party in the Cloud<br />
Flatratesaufing, smoking Kraut<br />
Schnorcheln, Cruisen, nichts wie ran,<br />
Rescue me from so much Phun!<br />
Movers, Shakers in the Cloud<br />
Supercool auf keine Haut<br />
Everybody chilly in da Cloud<br />
Ventilator war ja eingebaut!<br />
And who is all this from?<br />
Hyper hyper Telekom!<br />
They do nothing wrong!<br />
The sexy Lads from Bonn!<br />
Bunga Bunga Sichtbeton!<br />
Fuck you, fuck you Feuilleton!<br />
Ron Sommer in da Cloud!<br />
Christian Schwarz-Schilling in da Cloud!<br />
Für ein besseres Morgen: Second Hand Dance Music meiden,<br />
Respekt für den Trompeter von Säkkingen und immer<br />
daran denken: besser nackt in Stinkstiefeln als barfuß auf<br />
dem Scherbenhaufen.<br />
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