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De:Bug 161

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Text anton waldt - illu harthorst.de<br />

Für ein<br />

besseres<br />

Morgen<br />

Wenn die Fehlermeldungsagentur beim Körperkaspertreffen<br />

der Wettervermarkter die Flow-Dusche aufdreht, wird die<br />

Gegenwart finally zum Near-Future-Setting und da bist<br />

du dann besser gründlich auf der Hut: linke Schulter,<br />

rechte Schulter, gut lucki lucki machen, bevor dich der<br />

Taschengeldstaat eiskalt erwischt. Zum Beispiel mit der<br />

Umstellung vom Euro auf Merkel-Meilen, der praktischen<br />

Handy-Währung, mit der man gesammelte Punkteguthaben<br />

auch nach dem Weltwirtschaftsuntergang immer noch ungestört<br />

vertelefonieren, versimsen oder verchatten kann:<br />

DLOD _ GRODT _ FAFOMM _ CNBAOSU – solche Sachen<br />

eben, ihr wisst schon: Get rich or die trying, For a fistfull of<br />

Merkel Meilen, Doing lots of drugs, Could not be accused of<br />

shutting up – Drop-in-the-City-Geschichten voller Blut und<br />

Darwinismus, wie sie sich in Floridas fieberverseuchtem<br />

Süden alle naselang abspielen. Schweinebucht, Scarface,<br />

Invasion der Riesenwürgeschlangen: Tigerpython und<br />

Konsorten haben ja neuerdings die Fauna der Everglades<br />

zum All-you-can-eat-Schlemmerbuffet erklärt, das es ratzekahl<br />

leer zu futtern gilt, Waschbären sind beispielsweise<br />

schon aus, als nächstes sind Waldstörche, Pelikane, Reiher,<br />

Kormorane und Lappentaucher an der Reihe, danach dann<br />

Opossums, Schwarzbären, Seekühe, Pumas, Beutelratten,<br />

Panther und Weißwedelhirsche und zum Nachtisch<br />

auch noch Alligatoren, Spitzkrokodile und alle kleineren<br />

Schlangen. Warum zur Hölle? Weil diese Würgeschlangen<br />

schwer traumatisiert sind, nachdem sie als niedliche<br />

Babywürgeschlangen aus einem Bedürfnis nach unschuldig-authentischer<br />

Emotion ins Einfamilienhausterrarium<br />

geholt wurden, aber kaum dass sie nicht mehr so süß<br />

waren, herzlos vor die Tür gesetzt wurden oder ausgebüchst<br />

sind, bevor es soweit kommen konnte, weshalb sie<br />

jetzt alle fressen, die sie kriegen können. Was dann nicht<br />

nur eine lehrreiche Schmunzelstory aus dem real existierenden<br />

Streichelzoo ist, sondern auch eine 1A-Metapher<br />

für die Hervorbringung zwanghafter <strong>De</strong>struktivität in der<br />

Konsumgesellschaft, schließlich läuft es mit Kindern heutzutage<br />

oft nach dem gleichen Schema: Aus einem Bedürfnis<br />

nach unschuldig-authentischer Emotion in die Welt gesetzt,<br />

büchsen sie aus oder werden vor die Tür gesetzt und fressen<br />

alle, die sie kriegen können, sobald sie nicht mehr so<br />

süß sind. Aber!?! Gibt es angesichts des fortgesetzten<br />

Gemetzels nicht Wichtigeres als die Metapherkuh übers Eis<br />

zu schieben? Im Prinzip schon, aber erstens kann man sowieso<br />

nichts machen, weil Riesenwürgeschlangen einfach<br />

nicht vernünftig mit sich reden lassen, zweitens sprechen<br />

wir hier über einen Teil des Landes, dessen Gründerväter<br />

sämtliche Büffelherden massakriert haben, nur um das blöde<br />

Gesicht der Rothäute zu sehen und drittens können auch<br />

miese Metaphern üble Verheerungen anrichten, wie ein<br />

schneller Blick nach Wolkenkuckucksheim zeigt, das mit jedem<br />

Marketingcent, den die Telekom in Cloud-Propaganda<br />

investiert, dem Untergang näherrückt: Wolken zu zwingen,<br />

Sachen bei sich zu behalten, ist nämlich für Wolkenanbeter<br />

ein beispielloser Akt der Barberei, weil der Wolkencharakter<br />

an und für sich unzuverlässig, unstet und vergänglich, aber<br />

vor allem chronisch inkontinent ist! Aber auch die angestammten<br />

Cloud User, die lustige Vogelschar, ist mächtig<br />

angefressen, weil mit Mixed-Reality-Technologien ein Teil<br />

des gesammelten Datendrecks tatsächlich in der Wolke<br />

landet, weshalb Spaßvogel, Dreckspatz und Vollmeise<br />

keinen Flügelschlag mehr tun können, ohne an eklige<br />

Excel-Tabellenstapel oder klebrige E-Mail-Archive zu stoßen,<br />

während sich zwischen den Urlaubsfotomüllhaufen<br />

das Ungeziefer ausbreitet. Aber die Vögel haben in der<br />

Wolke eben nichts mehr zu melden, statt dessen hat hier<br />

jetzt die Telekom das letzte Wort, weshalb am Ende die<br />

Vollgasbolzen Maksim Vitaminski und Zoltan Vitalski mit<br />

einem Dutzend fungesteuerter Zahnseidebikinimäuse die<br />

Bühne entern, um die Cloud Anthem zu grölen:<br />

It's raining Longdrinks like aus Eimern<br />

krass ey, Alter zieh's dir rein Mann!<br />

Everybody Party in the Cloud<br />

Flatratesaufing, smoking Kraut<br />

Schnorcheln, Cruisen, nichts wie ran,<br />

Rescue me from so much Phun!<br />

Movers, Shakers in the Cloud<br />

Supercool auf keine Haut<br />

Everybody chilly in da Cloud<br />

Ventilator war ja eingebaut!<br />

And who is all this from?<br />

Hyper hyper Telekom!<br />

They do nothing wrong!<br />

The sexy Lads from Bonn!<br />

Bunga Bunga Sichtbeton!<br />

Fuck you, fuck you Feuilleton!<br />

Ron Sommer in da Cloud!<br />

Christian Schwarz-Schilling in da Cloud!<br />

Für ein besseres Morgen: Second Hand Dance Music meiden,<br />

Respekt für den Trompeter von Säkkingen und immer<br />

daran denken: besser nackt in Stinkstiefeln als barfuß auf<br />

dem Scherbenhaufen.<br />

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