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De:Bug 161

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genannt. Fragt man einen von ihnen, was sie verbindet,<br />

ist die erste Antwort meist tatsächlich: "enge Hosen." Im<br />

Macho-geprägten HipHop-Mainstream scheint dieser gängige<br />

Großstadt-Look tatsächlich noch identitätsstiftend und<br />

gar ein bisschen provokant zu sein. Tatsächlich interessieren<br />

sich die hippen Rap-Teens, die eigentlich alle schon Twens<br />

sind, aber nicht nur für Mode, sondern vor allem für ein<br />

Themenspektrum, das mit ihrer eigenen Lebenswelt mehr<br />

zu tun hat, als der für das letzte Jahrzehnt so stilprägende<br />

Koks-und-Nutten-Aggro-Rap.<br />

Cro, hier als Panda.<br />

Sein <strong>De</strong>büt-Album "Raop"<br />

wird im Sommer veröffentlicht.<br />

www.chimperator.de<br />

Geschichten aus der Mittelschicht<br />

"Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem man wusste,<br />

dass viel Koks getickt und große Wagen gefahren werden",<br />

erklärt Olson, "ich glaube, dass die Leute jetzt einfach<br />

Lust auf einen etwas frischeren und ungezwungeneren<br />

Rap haben, mit dem sie sich besser identifizieren<br />

können. Bei Rappern wie Cro und mir finden sie vieles,<br />

was sie selbst beschäftigt, auch wenn es sich dabei oft<br />

nur um Luxusprobleme handelt." Olsons Geschichten aus<br />

der Mittelschicht - inspiriert vor allem vom Aufwachsen im<br />

Düsseldorfer Vorort Kaarst - klingen dabei allerdings ganz<br />

anders als die von Cro. Seine Tracks handeln zwar ebenfalls<br />

gern vom Party-Alltag, werden aber nicht bierselig und gut<br />

gelaunt vorgetragen, sondern klingen wie der samstägliche<br />

Kater, bei dem man sich selbst reumütig schwört, nie<br />

mehr zu trinken - und es am Abend doch wieder tut: "Wir<br />

sind so jung, zukunftslos / Haben nichts zu feiern / Aber hindert<br />

uns nicht". Diesem uralten No-Future-Credo trat der<br />

Gangsta-Rap noch mit einigem Gehustle entgegen, Aggro<br />

Berlin entsann eine Welt bestehend aus großen Brüsten, dicken<br />

Autos und fetten Partys, finanziert mit dem Geld aus<br />

Drogendeals, Zuhälterei und Plattenverkäufen. Die netten<br />

Jungs mit Abitur und Respekt vor Frauen sehen das alles<br />

eine Spur realistischer, so heißt es selbst beim sonst so optimistischen<br />

Cro: "Doch ich weiß ich werd nie / Wirklich reich<br />

über iTunes, Likes oder Beats / Also scheiß auf Musik". <strong>De</strong>r<br />

Rap-Nachwuchs verdient sein Geld stattdessen lieber mit<br />

schlecht bezahlten Nebenjobs und investiert es dann vor<br />

allem in Nike Dunks, Cheap-Monday-Jeans, durchzechte<br />

Nächte, Apple-Produkte und natürlich die Finanzierung<br />

der Rap-Karriere, die eher noch Geld frisst als dass sie welches<br />

einbringt.<br />

"WIR SIND SO JUNG,<br />

ZUKUNFTSLOS / HABEN<br />

NICHTS ZU FEIERN / ABER<br />

HINDERT UNS NICHT.“<br />

Um die Ausgaben gering zu halten, bleibt man bei Mutti<br />

wohnen und fragt sich, was man bloß mit seinem Leben<br />

anfangen soll. So oder so ähnlich ging es auch schon<br />

Generationen von Rappern vor ihnen, doch die flüchteten<br />

sich allzu oft in harte Images, ironischen Spaß-Rap<br />

oder besserwisserische Sozialkritik. "Diesen erhobenen<br />

Zeigefinger mag ich gar nicht", erzählt Olson, "man hört<br />

ja raus, dass ich exzessives Feiern, Drogen und Polygamie<br />

nicht gut finde. Ich sage aber nicht plump, dass Drogen<br />

schlecht sind, sondern erwähne sie und zeichne ein Bild<br />

davon. Was man damit dann macht, ist jedem selbst überlassen."<br />

Naturalistisch könnte man das wohl nennen, vielleicht<br />

aber auch einfach authentisch.<br />

www.iheartolson.de<br />

www.ahzumjot.de<br />

www.rockstah.de<br />

<strong>De</strong>zentrale Eigenbrötler<br />

Während Olson vor ein paar Monaten nach Berlin gezogen<br />

ist - "das große Musikgehirn, zu dem alle Musiknerven<br />

hinlaufen", wie er selbst sagt -, geht Cro gerade wieder<br />

seiner Mutter auf die Nerven, die im ländlichen Raum vor<br />

den Toren Stuttgarts ein großes Haus mit Tonstudio im<br />

Keller bewohnt. "Da entstehen eigentlich immer die besten<br />

Songs", erzählt er, "der Trubel des Stadtlebens liegt mir<br />

nicht. In Berlin kann man jeden Tag irgendwas machen.<br />

Ich glaube, man kann dementsprechend auch schnell abdriften<br />

und sich im Meer an Partys verlieren." Das mag ein<br />

Mitgrund dafür sein, dass die Post-Gangsta-Generation<br />

aus allen Teilen <strong>De</strong>utschlands zu kommen scheint - nur<br />

nicht aus der Hauptstadt. Und eben weil es sich um ein so<br />

dezentrales Phänomen handelt, eint seine Protagonisten<br />

ein ausgesprochener Hang zu Selbstständigkeit und<br />

DIY: Viele der jungen Rapper machen von den Beats<br />

und Produktionen über die Layouts bis zu Merchandise<br />

und Vertrieb alles selbst. Auf der Facebook-Page von<br />

Ahzumjot beispielsweise präsentiert dieser stolz das Foto<br />

eines Wäscheständers in der heimischen Wohnung, auf<br />

dem seine frisch gedruckten Fan-Shirts trocknen. Ihre<br />

im Alleingang produzierten Alben vertreiben er und<br />

Rockstah über den Digitalvertrieb YouTunez. Dabei sind<br />

die jungen Rapper nicht unbedingt Kontrollfreaks oder<br />

Universalgenies, sondern vor allem angewiesen auf<br />

Eigeninitiative. Olson dagegen gibt Layouts und administrative<br />

Aufgaben gern aus der Hand, trotzdem sagt er: "Ich<br />

war immer ein Eigenbrötler und wollte auch nie in irgendwelchen<br />

Crews sein. Ich wollte meine Vision immer alleine<br />

durchsetzen und als eigenständiger Künstler verstanden<br />

werden." Dass er derzeit vor allem als ein Hipster-Rapper<br />

unter vielen wahrgenommen wird, macht ihn dementsprechend<br />

nicht unbedingt glücklich. Zur Emanzipation soll<br />

vor allem ein neuer Sound beitragen. <strong>De</strong>n hat Olson nach<br />

eigener Aussage zwar bereits gefunden, weitere Album-<br />

<strong>De</strong>tails verrät er aber nicht. "Wir stehen damit noch ganz<br />

am Anfang und wollen sehr viel Liebe und Zeit hineinstecken,<br />

um am Ende ein Produkt zu haben, hinter dem<br />

wir stehen und für das wir auch Geld verlangen können,<br />

ohne dass hinterher jemand sagt, dass es das nicht wert<br />

ist", erklärt er. Die Ziele von Berufsoptimist Cro sind da<br />

schon eine Spur höher gesteckt: "Ich will etwas Großes<br />

und vielleicht Neues schaffen, das wäre ganz cool - aber<br />

wenn das so einfach wäre, hätte ich es natürlich schon<br />

längst gemacht."<br />

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