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genannt. Fragt man einen von ihnen, was sie verbindet,<br />
ist die erste Antwort meist tatsächlich: "enge Hosen." Im<br />
Macho-geprägten HipHop-Mainstream scheint dieser gängige<br />
Großstadt-Look tatsächlich noch identitätsstiftend und<br />
gar ein bisschen provokant zu sein. Tatsächlich interessieren<br />
sich die hippen Rap-Teens, die eigentlich alle schon Twens<br />
sind, aber nicht nur für Mode, sondern vor allem für ein<br />
Themenspektrum, das mit ihrer eigenen Lebenswelt mehr<br />
zu tun hat, als der für das letzte Jahrzehnt so stilprägende<br />
Koks-und-Nutten-Aggro-Rap.<br />
Cro, hier als Panda.<br />
Sein <strong>De</strong>büt-Album "Raop"<br />
wird im Sommer veröffentlicht.<br />
www.chimperator.de<br />
Geschichten aus der Mittelschicht<br />
"Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem man wusste,<br />
dass viel Koks getickt und große Wagen gefahren werden",<br />
erklärt Olson, "ich glaube, dass die Leute jetzt einfach<br />
Lust auf einen etwas frischeren und ungezwungeneren<br />
Rap haben, mit dem sie sich besser identifizieren<br />
können. Bei Rappern wie Cro und mir finden sie vieles,<br />
was sie selbst beschäftigt, auch wenn es sich dabei oft<br />
nur um Luxusprobleme handelt." Olsons Geschichten aus<br />
der Mittelschicht - inspiriert vor allem vom Aufwachsen im<br />
Düsseldorfer Vorort Kaarst - klingen dabei allerdings ganz<br />
anders als die von Cro. Seine Tracks handeln zwar ebenfalls<br />
gern vom Party-Alltag, werden aber nicht bierselig und gut<br />
gelaunt vorgetragen, sondern klingen wie der samstägliche<br />
Kater, bei dem man sich selbst reumütig schwört, nie<br />
mehr zu trinken - und es am Abend doch wieder tut: "Wir<br />
sind so jung, zukunftslos / Haben nichts zu feiern / Aber hindert<br />
uns nicht". Diesem uralten No-Future-Credo trat der<br />
Gangsta-Rap noch mit einigem Gehustle entgegen, Aggro<br />
Berlin entsann eine Welt bestehend aus großen Brüsten, dicken<br />
Autos und fetten Partys, finanziert mit dem Geld aus<br />
Drogendeals, Zuhälterei und Plattenverkäufen. Die netten<br />
Jungs mit Abitur und Respekt vor Frauen sehen das alles<br />
eine Spur realistischer, so heißt es selbst beim sonst so optimistischen<br />
Cro: "Doch ich weiß ich werd nie / Wirklich reich<br />
über iTunes, Likes oder Beats / Also scheiß auf Musik". <strong>De</strong>r<br />
Rap-Nachwuchs verdient sein Geld stattdessen lieber mit<br />
schlecht bezahlten Nebenjobs und investiert es dann vor<br />
allem in Nike Dunks, Cheap-Monday-Jeans, durchzechte<br />
Nächte, Apple-Produkte und natürlich die Finanzierung<br />
der Rap-Karriere, die eher noch Geld frisst als dass sie welches<br />
einbringt.<br />
"WIR SIND SO JUNG,<br />
ZUKUNFTSLOS / HABEN<br />
NICHTS ZU FEIERN / ABER<br />
HINDERT UNS NICHT.“<br />
Um die Ausgaben gering zu halten, bleibt man bei Mutti<br />
wohnen und fragt sich, was man bloß mit seinem Leben<br />
anfangen soll. So oder so ähnlich ging es auch schon<br />
Generationen von Rappern vor ihnen, doch die flüchteten<br />
sich allzu oft in harte Images, ironischen Spaß-Rap<br />
oder besserwisserische Sozialkritik. "Diesen erhobenen<br />
Zeigefinger mag ich gar nicht", erzählt Olson, "man hört<br />
ja raus, dass ich exzessives Feiern, Drogen und Polygamie<br />
nicht gut finde. Ich sage aber nicht plump, dass Drogen<br />
schlecht sind, sondern erwähne sie und zeichne ein Bild<br />
davon. Was man damit dann macht, ist jedem selbst überlassen."<br />
Naturalistisch könnte man das wohl nennen, vielleicht<br />
aber auch einfach authentisch.<br />
www.iheartolson.de<br />
www.ahzumjot.de<br />
www.rockstah.de<br />
<strong>De</strong>zentrale Eigenbrötler<br />
Während Olson vor ein paar Monaten nach Berlin gezogen<br />
ist - "das große Musikgehirn, zu dem alle Musiknerven<br />
hinlaufen", wie er selbst sagt -, geht Cro gerade wieder<br />
seiner Mutter auf die Nerven, die im ländlichen Raum vor<br />
den Toren Stuttgarts ein großes Haus mit Tonstudio im<br />
Keller bewohnt. "Da entstehen eigentlich immer die besten<br />
Songs", erzählt er, "der Trubel des Stadtlebens liegt mir<br />
nicht. In Berlin kann man jeden Tag irgendwas machen.<br />
Ich glaube, man kann dementsprechend auch schnell abdriften<br />
und sich im Meer an Partys verlieren." Das mag ein<br />
Mitgrund dafür sein, dass die Post-Gangsta-Generation<br />
aus allen Teilen <strong>De</strong>utschlands zu kommen scheint - nur<br />
nicht aus der Hauptstadt. Und eben weil es sich um ein so<br />
dezentrales Phänomen handelt, eint seine Protagonisten<br />
ein ausgesprochener Hang zu Selbstständigkeit und<br />
DIY: Viele der jungen Rapper machen von den Beats<br />
und Produktionen über die Layouts bis zu Merchandise<br />
und Vertrieb alles selbst. Auf der Facebook-Page von<br />
Ahzumjot beispielsweise präsentiert dieser stolz das Foto<br />
eines Wäscheständers in der heimischen Wohnung, auf<br />
dem seine frisch gedruckten Fan-Shirts trocknen. Ihre<br />
im Alleingang produzierten Alben vertreiben er und<br />
Rockstah über den Digitalvertrieb YouTunez. Dabei sind<br />
die jungen Rapper nicht unbedingt Kontrollfreaks oder<br />
Universalgenies, sondern vor allem angewiesen auf<br />
Eigeninitiative. Olson dagegen gibt Layouts und administrative<br />
Aufgaben gern aus der Hand, trotzdem sagt er: "Ich<br />
war immer ein Eigenbrötler und wollte auch nie in irgendwelchen<br />
Crews sein. Ich wollte meine Vision immer alleine<br />
durchsetzen und als eigenständiger Künstler verstanden<br />
werden." Dass er derzeit vor allem als ein Hipster-Rapper<br />
unter vielen wahrgenommen wird, macht ihn dementsprechend<br />
nicht unbedingt glücklich. Zur Emanzipation soll<br />
vor allem ein neuer Sound beitragen. <strong>De</strong>n hat Olson nach<br />
eigener Aussage zwar bereits gefunden, weitere Album-<br />
<strong>De</strong>tails verrät er aber nicht. "Wir stehen damit noch ganz<br />
am Anfang und wollen sehr viel Liebe und Zeit hineinstecken,<br />
um am Ende ein Produkt zu haben, hinter dem<br />
wir stehen und für das wir auch Geld verlangen können,<br />
ohne dass hinterher jemand sagt, dass es das nicht wert<br />
ist", erklärt er. Die Ziele von Berufsoptimist Cro sind da<br />
schon eine Spur höher gesteckt: "Ich will etwas Großes<br />
und vielleicht Neues schaffen, das wäre ganz cool - aber<br />
wenn das so einfach wäre, hätte ich es natürlich schon<br />
längst gemacht."<br />
<strong>161</strong>–21