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De:Bug 161

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GEDÄMPFTE ENERGIE<br />

Frischer Wind auf Morr Music, direkt von<br />

der Pazifikküste. <strong>De</strong>n beiden alten Hasen hinter<br />

dem Projekt gelingt auf ihrem <strong>De</strong>bütalbum<br />

auch gleich das Unglaubliche: die über alle<br />

Zweifel erhabene Rückkehr der sanften<br />

Elektronika und noch sanfteren Vocals.<br />

TEXT BIANCA HEUSER<br />

Die Grenze zwischen Pop und Ambient ist naturgemäß<br />

fließend, aber mit seinem gleichnamigen <strong>De</strong>bütalbum<br />

macht sich das US-amerikanische Duo Orcas an ihrer<br />

gänzlichen Verflüssigung zu schaffen. Anton Rafael Irisarri,<br />

seines Zeichens Post-Minimalist und zuletzt als The Sight<br />

Below auch in Sachen Techno aktiv, repräsentiert dabei<br />

den Ambient-Teil, während Thomas Beluche, besser bekannt<br />

unter dem Pseudonym Benoît Pioulard, mithilfe<br />

von Gesang und klassischer Songwriting-Erfahrung einiges<br />

an Pop-Appeal beisteuert. "Im Prinzip verfolgen wir<br />

aber nur zwei verschiedene Ansätze derselben Ästhetik",<br />

meint Pioulard. Er selbst habe auch seine Erfahrungen mit<br />

Field Recordings gesammelt und seine Vorliebe für langsam<br />

aufblühende Instrumentalmusik schon vor geraumer<br />

Zeit entdeckt. Für Rafael sei die Arbeit mit Vocals spätestens<br />

seit seinem letzten Release als The Sight Below,<br />

auf der auch ein Joy-Division-Cover mit der Stimme<br />

von Tiny Vespers zu finden ist, nichts Neues. "Die klassischen<br />

'Okay, so und so sollten wir klingen’-Diskussionen<br />

gab es bei uns darum nie. Außerdem wäre es eine<br />

Verschwendung gewesen, Thomas' tolle Stimme nicht zu<br />

benutzen!", fügt er hinzu. <strong>De</strong>r Ursprung des Projekts liegt<br />

in Seattles <strong>De</strong>cibel Festival, als dessen Co-Kurator Rafael<br />

29 tätig war und Thomas als Benoît Pioulard buchte.<br />

<strong>De</strong>r gesteht rückblickend Nervosität: "Ich hatte schließlich<br />

erst eine kleine Tour hinter mir! Als wir Monate nach<br />

der Show aber immer noch in Kontakt standen, legte sich<br />

das. Ich wohnte damals in Portland, Oregon und Rafael<br />

lud mich schließlich ein, ihn übers Wochenende in seinem<br />

Heimstudio in Seattle besuchen zu kommen. Da spielte<br />

ich dann Gitarre oder das Glockenspiel, während Rafael<br />

die Sounds bis zur Unkenntlichkeit verzerrte. Dabei hatten<br />

wir so viel Spaß, dass ich ihn öfter besuchen fuhr und<br />

bald nach jedem Wochenende schon das Gerüst eines<br />

neuen Songs stand."<br />

Alles sehr organisch<br />

In dieser Harmonie bewegt sich ihr erstes gemeinsames<br />

Album zwischen dumpfem Dröhnen und verträumten<br />

Melodien, Benoîts klarem Gesang und Rafaels abstrahierten<br />

Percussions. Seattle als Geburtsstätte des Grunge und<br />

seinem grauen Himmel habe das Album einen guten Teil<br />

seiner romantischen Melancholie zuzuschreiben, das finden<br />

beide: "Das Wetter hier im pazifischen Nordwesten<br />

ist wirklich eine tolle Ausrede für uns als Stubenhocker<br />

im Haus zu bleiben und produktiv zu sein. Die gedämpfte<br />

Energie der Stadt haben wir beide sehr genossen." Dass<br />

ihr Gemeinschaftsprojekt den Namen "Orcas" trägt, hat jedoch<br />

wenig mit dem Zufall zu tun, dass "Free Willy" 1993 zu<br />

großen Teilen an der Küste Oregons gedreht wurde, sondern<br />

läge viel mehr an der majestätische Natur der sogenannten<br />

Killerwale: "Orcas sind sehr methodische Tiere,<br />

können zeitweise aber auch gewalttätig werden. Für uns<br />

sind sie das perfekte Logo des pazifischen Nordwestens.<br />

Sie repräsentieren die Weite und Ruhe des Ozeans genau<br />

wie seine Kraft", erklärt Rafael. Als Band verfolgen<br />

sie eine Ästhetik von Schatten und Tiefe, kombinieren<br />

Ambient-Sounds und Pop-Hooks ohne eine Spur von<br />

Schwerfälligkeit. Ähnlich einem Chiaroscuro-Mosaik, wie<br />

Irisarri es beschreibt. Klar, dass sich die Ausgeglichenheit<br />

ihrer Arbeitsteilung auch in der Gelassenheit ihres Sounds<br />

manifestiert. Da können die Walgesänge eines Oceanside-<br />

Sound-Soothers einpacken.<br />

Orcas, s/t,<br />

ist auf Morr Music/Indigo erschienen.<br />

www.morrmusic.com<br />

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