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GEDÄMPFTE ENERGIE<br />
Frischer Wind auf Morr Music, direkt von<br />
der Pazifikküste. <strong>De</strong>n beiden alten Hasen hinter<br />
dem Projekt gelingt auf ihrem <strong>De</strong>bütalbum<br />
auch gleich das Unglaubliche: die über alle<br />
Zweifel erhabene Rückkehr der sanften<br />
Elektronika und noch sanfteren Vocals.<br />
TEXT BIANCA HEUSER<br />
Die Grenze zwischen Pop und Ambient ist naturgemäß<br />
fließend, aber mit seinem gleichnamigen <strong>De</strong>bütalbum<br />
macht sich das US-amerikanische Duo Orcas an ihrer<br />
gänzlichen Verflüssigung zu schaffen. Anton Rafael Irisarri,<br />
seines Zeichens Post-Minimalist und zuletzt als The Sight<br />
Below auch in Sachen Techno aktiv, repräsentiert dabei<br />
den Ambient-Teil, während Thomas Beluche, besser bekannt<br />
unter dem Pseudonym Benoît Pioulard, mithilfe<br />
von Gesang und klassischer Songwriting-Erfahrung einiges<br />
an Pop-Appeal beisteuert. "Im Prinzip verfolgen wir<br />
aber nur zwei verschiedene Ansätze derselben Ästhetik",<br />
meint Pioulard. Er selbst habe auch seine Erfahrungen mit<br />
Field Recordings gesammelt und seine Vorliebe für langsam<br />
aufblühende Instrumentalmusik schon vor geraumer<br />
Zeit entdeckt. Für Rafael sei die Arbeit mit Vocals spätestens<br />
seit seinem letzten Release als The Sight Below,<br />
auf der auch ein Joy-Division-Cover mit der Stimme<br />
von Tiny Vespers zu finden ist, nichts Neues. "Die klassischen<br />
'Okay, so und so sollten wir klingen’-Diskussionen<br />
gab es bei uns darum nie. Außerdem wäre es eine<br />
Verschwendung gewesen, Thomas' tolle Stimme nicht zu<br />
benutzen!", fügt er hinzu. <strong>De</strong>r Ursprung des Projekts liegt<br />
in Seattles <strong>De</strong>cibel Festival, als dessen Co-Kurator Rafael<br />
29 tätig war und Thomas als Benoît Pioulard buchte.<br />
<strong>De</strong>r gesteht rückblickend Nervosität: "Ich hatte schließlich<br />
erst eine kleine Tour hinter mir! Als wir Monate nach<br />
der Show aber immer noch in Kontakt standen, legte sich<br />
das. Ich wohnte damals in Portland, Oregon und Rafael<br />
lud mich schließlich ein, ihn übers Wochenende in seinem<br />
Heimstudio in Seattle besuchen zu kommen. Da spielte<br />
ich dann Gitarre oder das Glockenspiel, während Rafael<br />
die Sounds bis zur Unkenntlichkeit verzerrte. Dabei hatten<br />
wir so viel Spaß, dass ich ihn öfter besuchen fuhr und<br />
bald nach jedem Wochenende schon das Gerüst eines<br />
neuen Songs stand."<br />
Alles sehr organisch<br />
In dieser Harmonie bewegt sich ihr erstes gemeinsames<br />
Album zwischen dumpfem Dröhnen und verträumten<br />
Melodien, Benoîts klarem Gesang und Rafaels abstrahierten<br />
Percussions. Seattle als Geburtsstätte des Grunge und<br />
seinem grauen Himmel habe das Album einen guten Teil<br />
seiner romantischen Melancholie zuzuschreiben, das finden<br />
beide: "Das Wetter hier im pazifischen Nordwesten<br />
ist wirklich eine tolle Ausrede für uns als Stubenhocker<br />
im Haus zu bleiben und produktiv zu sein. Die gedämpfte<br />
Energie der Stadt haben wir beide sehr genossen." Dass<br />
ihr Gemeinschaftsprojekt den Namen "Orcas" trägt, hat jedoch<br />
wenig mit dem Zufall zu tun, dass "Free Willy" 1993 zu<br />
großen Teilen an der Küste Oregons gedreht wurde, sondern<br />
läge viel mehr an der majestätische Natur der sogenannten<br />
Killerwale: "Orcas sind sehr methodische Tiere,<br />
können zeitweise aber auch gewalttätig werden. Für uns<br />
sind sie das perfekte Logo des pazifischen Nordwestens.<br />
Sie repräsentieren die Weite und Ruhe des Ozeans genau<br />
wie seine Kraft", erklärt Rafael. Als Band verfolgen<br />
sie eine Ästhetik von Schatten und Tiefe, kombinieren<br />
Ambient-Sounds und Pop-Hooks ohne eine Spur von<br />
Schwerfälligkeit. Ähnlich einem Chiaroscuro-Mosaik, wie<br />
Irisarri es beschreibt. Klar, dass sich die Ausgeglichenheit<br />
ihrer Arbeitsteilung auch in der Gelassenheit ihres Sounds<br />
manifestiert. Da können die Walgesänge eines Oceanside-<br />
Sound-Soothers einpacken.<br />
Orcas, s/t,<br />
ist auf Morr Music/Indigo erschienen.<br />
www.morrmusic.com<br />
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