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De:Bug 161

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BILDERKRITIK<br />

THE FAUX GUY<br />

TEXT STEFAN HEIDENREICH - BILD a b SIMON JAMES<br />

Sie haben den falschen Kerl erwischt. Aber mag sein, dass<br />

es wieder nur eine Masche ist. Also nicht nur überhaupt eine<br />

Maske zu nehmen, sondern auch noch die Maske vom<br />

Falschen. Heißt dann, für den der's lesen mag, Fawkes =<br />

Faux = der Falsche.<br />

Gehen wir zurück ans Ende des 16. Jahrhunderts: die<br />

Zeit der Gegenreformation. Die katholische Kirche versucht<br />

seit dem Konzil von Trient mit aller Macht und allen<br />

Tricks, verlorenen Boden zurück zu gewinnen. Europa ist<br />

voller Spione, voller Verschwörungen und Palastrevolten.<br />

Zugleich beginnt das große Geschäft. Hundert Jahre ist es<br />

her, dass die Spanier Amerika und Portugal Indien erreicht<br />

haben. Man erlebt die Zeit der ersten Globalisierung. Die<br />

ersten Aktiengesellschaften werden gegründet. Wer glaubt,<br />

es würde bei dem Religionskrieg nicht ums Geschäft gehen,<br />

täuscht sich. Schließlich fing die Reformation an, weil<br />

Rom den Buchdruck zur Vervielfältigung von Ablassbriefen<br />

genutzt hat. Kredite aufs Jenseits, gewissermaßen.<br />

In dieser wirren Zeit legt ein gewisser Guy Fawkes Feuer<br />

unterm englischen Parlament. Von diesem Anschlag abgesehen,<br />

ist nicht viel mehr von ihm überliefert, als dass er<br />

für die spanische Armee in Holland gegen die Protestanten<br />

kämpfte. Sein Versuch, in Spanien Geld für einen katholischen<br />

Aufstand in England zu sammeln, schlug fehl. Und<br />

selbst der Anschlag klappte nicht. Am Morgen vor der geplanten<br />

<strong>De</strong>tonation fand man den Sprengstoff. <strong>De</strong>n Krieg<br />

gegen die Holländer verloren die Spanier auch, ganz nebenbei.<br />

So kam es, dass am 31. Januar 166 ein Kerl, der<br />

sich zeitlebens auf die falsche Seite geschlagen hat, durch<br />

den Strang zu Tode kam.<br />

Wie kommt es aber, dass 4 Jahre später Leute<br />

mit einer Maske unter seinem Namen durch die Straßen<br />

ziehen? Die Maske hat mit dem Gesicht von Guy, dem<br />

Falschen, nicht viel zu tun, vom Namen abgesehen. Das<br />

einzige zeitgenössische Portrait zeigt ihn unter seinen<br />

Mitverschwörern, von denen alle denselben Bart tragen,<br />

manche spitzer, manche weniger spitz geschnitten, aber<br />

keiner so wie auf der Maske.<br />

<strong>De</strong>r Spitzbart und die Augenfalten entspringen der<br />

Fantasie des Zeichners David Lloyd. Für den Comic<br />

"V for Vendetta" adaptierte er sehr frei die Gesichtszüge<br />

des falschen Kerls. 1982 erschien des erste Heft. 26 erwarb<br />

Hollywood die Rechte, um aus dem Plot einen Film<br />

zu machen. Dort verwandelt sich die Figur des katholischen<br />

Verschwörers ein weiteres Mal, vom gezeichneten<br />

Freiheitskämpfer gegen Thatchers neoliberale Politik zum<br />

politisch etwas desorientierten Hollywood-Anarchisten.<br />

Die Maske wird im Übrigen für die Firma Rubie's<br />

Costume in Mexiko oder China produziert. Sie verkauft<br />

sich jährlich in Hunderttausender-Auflage. Die Rechte hält<br />

Time-Warner. Womit wir wieder beim Geschäft wären.<br />

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