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BILDERKRITIK<br />
THE FAUX GUY<br />
TEXT STEFAN HEIDENREICH - BILD a b SIMON JAMES<br />
Sie haben den falschen Kerl erwischt. Aber mag sein, dass<br />
es wieder nur eine Masche ist. Also nicht nur überhaupt eine<br />
Maske zu nehmen, sondern auch noch die Maske vom<br />
Falschen. Heißt dann, für den der's lesen mag, Fawkes =<br />
Faux = der Falsche.<br />
Gehen wir zurück ans Ende des 16. Jahrhunderts: die<br />
Zeit der Gegenreformation. Die katholische Kirche versucht<br />
seit dem Konzil von Trient mit aller Macht und allen<br />
Tricks, verlorenen Boden zurück zu gewinnen. Europa ist<br />
voller Spione, voller Verschwörungen und Palastrevolten.<br />
Zugleich beginnt das große Geschäft. Hundert Jahre ist es<br />
her, dass die Spanier Amerika und Portugal Indien erreicht<br />
haben. Man erlebt die Zeit der ersten Globalisierung. Die<br />
ersten Aktiengesellschaften werden gegründet. Wer glaubt,<br />
es würde bei dem Religionskrieg nicht ums Geschäft gehen,<br />
täuscht sich. Schließlich fing die Reformation an, weil<br />
Rom den Buchdruck zur Vervielfältigung von Ablassbriefen<br />
genutzt hat. Kredite aufs Jenseits, gewissermaßen.<br />
In dieser wirren Zeit legt ein gewisser Guy Fawkes Feuer<br />
unterm englischen Parlament. Von diesem Anschlag abgesehen,<br />
ist nicht viel mehr von ihm überliefert, als dass er<br />
für die spanische Armee in Holland gegen die Protestanten<br />
kämpfte. Sein Versuch, in Spanien Geld für einen katholischen<br />
Aufstand in England zu sammeln, schlug fehl. Und<br />
selbst der Anschlag klappte nicht. Am Morgen vor der geplanten<br />
<strong>De</strong>tonation fand man den Sprengstoff. <strong>De</strong>n Krieg<br />
gegen die Holländer verloren die Spanier auch, ganz nebenbei.<br />
So kam es, dass am 31. Januar 166 ein Kerl, der<br />
sich zeitlebens auf die falsche Seite geschlagen hat, durch<br />
den Strang zu Tode kam.<br />
Wie kommt es aber, dass 4 Jahre später Leute<br />
mit einer Maske unter seinem Namen durch die Straßen<br />
ziehen? Die Maske hat mit dem Gesicht von Guy, dem<br />
Falschen, nicht viel zu tun, vom Namen abgesehen. Das<br />
einzige zeitgenössische Portrait zeigt ihn unter seinen<br />
Mitverschwörern, von denen alle denselben Bart tragen,<br />
manche spitzer, manche weniger spitz geschnitten, aber<br />
keiner so wie auf der Maske.<br />
<strong>De</strong>r Spitzbart und die Augenfalten entspringen der<br />
Fantasie des Zeichners David Lloyd. Für den Comic<br />
"V for Vendetta" adaptierte er sehr frei die Gesichtszüge<br />
des falschen Kerls. 1982 erschien des erste Heft. 26 erwarb<br />
Hollywood die Rechte, um aus dem Plot einen Film<br />
zu machen. Dort verwandelt sich die Figur des katholischen<br />
Verschwörers ein weiteres Mal, vom gezeichneten<br />
Freiheitskämpfer gegen Thatchers neoliberale Politik zum<br />
politisch etwas desorientierten Hollywood-Anarchisten.<br />
Die Maske wird im Übrigen für die Firma Rubie's<br />
Costume in Mexiko oder China produziert. Sie verkauft<br />
sich jährlich in Hunderttausender-Auflage. Die Rechte hält<br />
Time-Warner. Womit wir wieder beim Geschäft wären.<br />
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