! 6Tag&Nacht Kolumne Am Morgen nach der Axtattacke ineinemRegionalzugbeiWürzburg kam ein Kollege mit dem Satz ins Büro: »Jetzt hab ich doch ein komischesGefühl,hierdieTreppenhochzugehen.« Dazu muss man wissen, dass die <strong>Neue</strong> <strong>Szene</strong> seit ein paar MonatenneueNachbarnhatimBürogebäude in der Stadtjägerstraße: das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge(BAMF).Seitdemstehen beiunsSecuritysinderToreinfahrt undimTreppenhaustrifftmannaturgemäß permanent auf Geflüchtete. Die Begegnungen sind auch sehr, nun ja, flüchtig, es bleibt also der eigenen Phantasie überlassen, woher die Menschen kommen und wassiedurchgemachthabenkönnten.BisderTagdesAxtanschlagsdie VorstellungskraftineineganzandereRichtunglenkte.WiebeimKollegenmitdemungutenGefühl:»Man weißjanie...« Am selben Abend radelte ich auf demHeimweganeinemMannvorbei, der eine seltsame Weste trug, irgendwie gepolstert und olivgrün. HeiligeScheiße,dachteich,jetztgehendieLeuteschonmitschutzsicheren Westen vor die Türe! Erst beim Überholenkonnteicherkennen,was derSpaziergängervorderBrusttrug: einBaby.Die»seltsameWeste«war nichtsanderesalseinmodernesTragetuch, ein umgedrehter Rucksack. Und so geht es weiter. Kurz darauf am Rathausplatz: Zwei Männer gehen hintereinander, der eine hat dieArmehintermKopfverschränkt. Mich erinnert die <strong>Szene</strong>, nicht zuletzt dank Erdogan, sofort an eine Verhaftung. Dass der Terror keinen Bogen um Deutschland macht, dürfte niemanden überraschen, aber was er in unseren Köpfen anrichten kann, darauf waren wir vermutlich nicht vorbereitet.Aufsoetwaskannman sich auch nur bedingt vorbereiten. Umso wichtiger, jetzt damit professionell umzugehen. Professionell? Genau.Dasistschließlicheinerder vielen Vorteile, die wir hier genießen:Eshabensichauchmitdiesem Thema schon etliche schlaue Leute beschäftigt. Nurleiderwirdesmiteinpaar(oder hundert)Bibliotheksbesuchennicht getan sein. Der italienische Philosoph und Medienwissen- schaftlerFrancoBerar- digabwenigeTage nach Würzburg der SZ ein Interview, in dem er im Prinzip gar nichtmehrunterscheidet zwischen Einheimischen und unsere Mitmenschen verlernt, weil wirunsnurnochalsKonkurrenten imKampfumsÜberlebensehen.« EinSatz,sobanalwiewahr.Werzum Flüchtlingen:»WirhabendieAufmerksamkeitfür BeispieldenvorderSchließungstehenden Obi-Baumarkt an der Berliner Allee zum Zeitpunkt der Mitarbeiterproteste besucht hat, weiß, wasichmeine:»Schonblöd,dasmit den Arbeitsplätzen, aber alles kein Grund,sichdieSchnäppchenentgehen zu lassen!«, schien die verbreitete Meinung zu sein. Oder, um es mit George Harrison zu sagen: »All throughtheday:I,me,mine«. Der Erfolg von Politikern, die für dieseMaximestehen(inersterLinie beim eigenen Geldbeutel und dem derFamilie),istdanurlogisch.Und Die Axtim Kopf hinterlässt eine weitere Erschütterung: Wie kann man Trump, Erdogan, Hofer, Petry, Le Pen, Farage, Orban-diesevermaledeiteListe,die Tag für Tag länger wird - wählen? Undwiereagiertmandarauf?Auch hiertrifft’sdas»Establishement«einigermaßenunvorbereitet:Wiesoll mansichdennauchaufdieseUnver- nunft(umesverharmlosendauszu- drücken) vernünftig vorbereiten? Noch dazu, da das Treiben immer groteskereZügeannimmt? DerPhilosophFrancoBerardidrückt es so aus: »Das Böse zu verstehen ist der einzige Weg aus der Hölle.« Wobei der religiöse Aspekt seiner Meinung nach eher eine untergeordnete Rolle spielt: »Das hat wenigermitReligion zu tun als mit den Folgen des globalen Kapitalismus«, lautet seine Analyse vieler Attentäter, von denen die meisten einfach nur maleinHeldseinwollten. Ein siebzehnjähriger »Held« mit Axt und Messer im Regionalzug! Manahntes:Wirwerdennochviele Tage mit ungutem Gefühl ertragen müssen. Dann kam München. Reutlingen. Ansbach.
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