2008_Bürgerbeteiligung_BRD
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zunehmende Politikverdrossenheit, sinkende Mitgliederzahlen in Parteien und eine<br />
sinkende Wahlbeteiligung sein. Bürgernähe sorgt diesbezüglich für mehr<br />
Responsivität 11 , d.h. das Empfinden der politischen Eliten für die Bedürfnisse, Interessen,<br />
Hoffnungen, Erwartungen und Nöte der Menschen kann hierdurch sensibilisiert<br />
werden. Insgesamt sorgt direkte Demokratie für mehr Partizipation und nutzt<br />
das soziale Kapital der Gesellschaft individuell und kollektiv besser aus, denn nur ein<br />
sehr geringer Teil der bundesdeutschen Bürgerinnen und Bürger engagiert sich in<br />
den Politik machenden Parteien, weshalb die Akzeptanz politischer Entscheidungen<br />
unter direkter Volksbeteiligung deutlich höher ausfallen kann.<br />
Die meisten Gegenargumente sind pragmatischer Natur. Insbesondere die hohe<br />
Komplexität aktueller gesellschaftlicher Probleme kann den „einfachen<br />
ger“ leicht überfordern, der nicht in allen Entscheidungen über die notwendige Sachkompetenz<br />
verfügt. Außerdem scheint eine direkte Demokratie, im Verständnis<br />
Rousseaus sowieso, nur in kleinen und überschaubaren politischen Systemen mit<br />
geringer Bevölkerungszahl möglich 12 , also durchaus auf Kommunalebene. Ein allzu<br />
häufiger Gebrauch kann zu einer Desensibilisierung der Bürger führen, wie es am<br />
Beispiel der Schweiz beobachtet wurde. Eine Reduzierung auf bloßes Ja/Nein-<br />
Antwortverhalten schließt in diesem Zusammenhang produktive Verhandlungserfolge<br />
und sinnvolle Kompromisse aus 13 , wobei Zufallskonstellationen und Stimmungsschwankungen<br />
ausschlaggebende Kriterien sein können und somit nicht immer eine<br />
wirkliche Entscheidungsrationalität gegeben sein muss. Hinzu kommt, dass die Bevölkerung<br />
über plebiszitäre Elemente polarisiert und instrumentalisiert werden kann,<br />
wie es sich im Fall der Weimarer Republik ereignete. Ein weiteres Hindernis ist<br />
technischer Natur. Es ist äußerst schwierig, am Beispiel der Bundesrepublik<br />
Deutschland, zu jeder politischen Entscheidung knapp 80 Millionen Menschen zu<br />
befragen. Auf Bundesebene wären erhebliche Kosten die Folge, obwohl die Qualität<br />
der Gesetze nicht merklich verbessert werden könnte 14 , sofern man den Bürgerinnen<br />
und Bürgern bei geheimen Abstimmungen den Vorrang privater Interessen unterstellt.<br />
11 Vgl. Vgl. Ansgar, Klein; Schmalz-Bruns; Rainer (Hrsg.) 1997: Beteiligung und Bürgerengagement<br />
in Deutschland S. 61<br />
12 Vgl. Ebd., S. 61<br />
13 Vgl. Ebd., S. 62<br />
14 Vgl. Ebd., S. 62<br />
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