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glanzvolles barock - Stift Klosterneuburg

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BAROCKE VISIONEN<br />

EIN FÜHRENDES PROJEKT<br />

Die Kunsthistorikerin Huberta Weigl über den Rang der Kaiserappartements in der Forschung.<br />

Was zeichnet die Kaiserappartements<br />

besonders aus?<br />

WEIGL: <strong>Klosterneuburg</strong> ist Teil der Kunstpolitik<br />

Karls VI. Es ist von der Forschung<br />

allerdings bisher eher stiefmütterlich behandelt<br />

worden, obwohl die Quellenlage<br />

hervorragend ist. Die <strong>Klosterneuburg</strong>er<br />

Kaiserappartements sind das einzige erhaltene<br />

Ensemble, das dezidiert auf Karl VI.<br />

und Kaiserin Elisabeth Christine Bezug<br />

nimmt – in der Hofburg hat sich aus dieser<br />

Zeit nichts erhalten, und Schönbrunn<br />

begann erst unter Maria Theresia eine<br />

Rolle zu spielen.<br />

Dass die Räume nur ein einziges Mal<br />

verwendet wurden, ist wohl aus<br />

kunsthistorischer Sicht ein Glücksfall?<br />

Ja und nein, sie wurden zwar nie verändert,<br />

aber die gesamte mobile Ausstattung<br />

fehlt. Was erhalten ist, sind die Öfen,<br />

Kamine, Stuckdecken, Türen und Supra-<br />

12 |<br />

porten. Hinzu kommen der Thronbaldachin,<br />

der ein Bettbaldachin war und aus<br />

einem Wiener Nachlass angekauft wurde,<br />

und die Tapisserienfolge im Tafelzimmer.<br />

Und wenn man unsere Kaiserappartements<br />

mit denen in anderen <strong>Stift</strong>en<br />

vergleicht?<br />

In St. Florian beispielsweise gibt es Stuckdecken,<br />

Fresken, Kombinationen von Fresken<br />

und Stuck; in <strong>Klosterneuburg</strong> ist das<br />

viel einheitlicher, da ist eine viel striktere<br />

Planung dahinter erkennbar. Zwischen<br />

Raumfunktion und Ausstattungsmodus<br />

wird auch nicht differenziert: Ein Raum,<br />

der nur zum persönlichen Gebrauch<br />

bestimmt war, wie die innerste Retirade<br />

des Kaisers, ist genauso aufwändig ausgestattet<br />

wie etwa das Audienzzimmer.<br />

Immer wieder wird gesagt, <strong>Klosterneuburg</strong><br />

sollte eine Sommerresidenz<br />

Karls VI. werden?<br />

Es spricht alles dagegen. Ein längerfristiger<br />

Aufenthalt des Kaisers war offensichtlich<br />

nie geplant, bei einer Residenz waren auch<br />

Teile der kaiserlichen Verwaltung angesiedelt,<br />

das war hier nie vorgesehen. Fallweise<br />

wäre <strong>Klosterneuburg</strong> zum Jagen benutzt<br />

worden, sonst sollte das <strong>Stift</strong> immer nur<br />

für eine Nacht im Jahr, vom 14. auf den<br />

15. November, durch das Kaiserhaus<br />

bewohnt werden.<br />

MMag. Dr. Huberta Weigl<br />

Studium der Betriebswirtschaft<br />

und Kunstgeschichte.Forschungsschwerpunkt:<br />

Kunst des<br />

Barock in Mitteleuropa. Seit<br />

1997 hat sich Huberta Weigl in mehreren<br />

Publikationen mit <strong>Stift</strong> <strong>Klosterneuburg</strong> als<br />

»Klosterresidenz« Kaiser Karls VI. befasst.<br />

Willkommen im <strong>Stift</strong> FRÜHJAHR 2007<br />

UNBEKANNTE<br />

SCHÄTZE<br />

DES STIFTS<br />

Teil X<br />

BAROCKE VISIONEN<br />

Japanische Eleganz im Tafelzimmer.<br />

Die originellen Details an den Vasen und<br />

an der vergoldeten Holzfassung zeigen:<br />

Die durchaus <strong>barock</strong> wirkenden<br />

Kerzenständer stammen erstens aus<br />

Japan und zweitens aus der zweiten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts.<br />

EAST MEETS WEST<br />

Die Herkunft der beiden Kerzenleuchter im kaiserlichen Tafelzimmer.<br />

Als nach dem Sturz der Tokugawa-<br />

Dynastie 1868 die japanischen Häfen<br />

für den Fernhandel geöffnet wurden und<br />

Kunst und Kunsthandwerk aus dem Land<br />

der aufgehenden Sonne in großer Zahl in<br />

den Westen gelangen konnte, löste dies in<br />

der Folge in Europa eine große Japan- und<br />

Fernost-Mode aus. Zu den kostbaren Exportgütern<br />

zählte auch Porzellan, die so<br />

genannte Imari-Arita Ware. Vor diesem<br />

historischen Hintergrund sind die beiden<br />

großen Standleuchter zu betrachten, die<br />

heute einen Blickfang im kaiserlichen<br />

Tafelzimmer bilden. Sie bestehen nämlich<br />

aus jeweils zwei übereinandergestellten<br />

großen Arita-Vasen in aufwändigen<br />

Fassungen aus vergoldeter Bronze.<br />

Einfaches Arita-Porzellan ist blauweiß,<br />

unsere Vasen gehören aber zu den<br />

wertvollen Stücken, bei denen mehrere<br />

Farben und auch Goldglasur verwendet<br />

wurden. Sie zeigen teilweise figurale<br />

Szenen, wie sie auch von den japanischen<br />

Farbholzschnitten her vertraut sind: Zwei<br />

Damen beim Spaziergang oder ein Reh,<br />

das aus einem Bach trinkt.<br />

Auf den ersten Blick wirken die<br />

beiden Leuchter durchaus <strong>barock</strong> und<br />

könnten zur originalen Ausstattung des<br />

Tafelzimmers gehören. Doch die Existenz<br />

von japanischen Porzellanvasen in<br />

<strong>Klosterneuburg</strong> vor 1868 wäre äußerst<br />

unwahrscheinlich. Überdies verraten<br />

einige stilistische Details dem kundigen<br />

Betrachter, dass die Stücke aus der zweiten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen.<br />

Es sind typische Produkte des »zweiten<br />

Rokoko« aus dem Frankreich der Zeit<br />

Napoleons III. – eben der gleichen Periode,<br />

in die die Öffnung Japans fällt. Die Griffe,<br />

die den unteren Vasen angefügt wurden,<br />

bestehen etwa aus überaus lebendigen<br />

Drachen fernöstlicher Herkunft – einem<br />

<strong>barock</strong>en Kunsttischler wären diese<br />

Formen nicht zur Verfügung gestanden.<br />

Auch mischen die Leuchter ungeniert<br />

Formen des italienischen und deutschen<br />

Barock mit solchen des französischen<br />

Rokoko.<br />

Es stellt sich nun die Frage, wie diese<br />

höchst originellen Stücke nach <strong>Klosterneuburg</strong><br />

gekommen sind. Eine immer<br />

wieder erwogene Möglichkeit wäre die<br />

Wiener Weltausstellung von 1873: Auf<br />

dieser wurden viele herausragende<br />

Beispiele internationalen Kunsthandwerks<br />

präsentiert, und hier erlebte auch<br />

die Japan-Mode ihre erste Blüte. Und<br />

die beiden Standleuchter sind so ungewöhnliche,<br />

aufwändig gefertigte<br />

Stücke, dass sie ohneweiters als »weltausstellungstauglich«<br />

angesehen werden<br />

können. ■<br />

FRÜHJAHR 2007 Willkommen im <strong>Stift</strong> | 13

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