s'Magazin usm Ländle, 30. Oktober 2016
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HOSPIZ<br />
<br />
Edle Dame<br />
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Versteckt im Grünen: So wie die Themen Krankheit<br />
und Sterben meist verdrängt werden, so liegt auch das<br />
Hospiz-Büroein wenig abseits vonallem.<br />
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Das gilt auch hier. Wenn man sich in<br />
dieser Arbeit exponiert, wird man<br />
selbst einwenig zum Symbol. In manchen<br />
Begegnungen wird mir das bewusst.<br />
Ich komme in eine gesellige<br />
Runde dazu -und plötzlich ist das<br />
Thema Sterben im Raum. Das ist<br />
nicht immer ganzangenehm.<br />
Wie holen Sie sich da wieder raus?<br />
Manchmal greife ich das Thema in<br />
Form eines Schmähs auf, sodass alle<br />
darüber lachen können. Das löst die<br />
Spannung meistens.<br />
Glauben Sie an ein Leben nach demTod?<br />
Ja, ich glaube daran, aber wir wissen<br />
nicht, was danach kommt. Diese<br />
Spannung gilt es auszuhalten.<br />
Wobei ja gerade Sie auch an ein Leben<br />
vordem Todglauben, oder?<br />
Ja, natürlich!Geradeinder Arbeit mit<br />
Sterbendenerlebtman, dass es um das<br />
Hierund Jetzt geht. Ich habe weniger<br />
Gespräche über das geführt, was danachkommt,<br />
sondern wieesjetzt weitergeht.<br />
Jetzt, heute und morgen. Und<br />
was auch klar ist: Himmel und Hölle<br />
kann es auch auf Erden geben.<br />
Fotos: Mathis Fotografie<br />
Die Familie Schneider besteht aus einer vollberufstätigen<br />
Frau, einem Schriftsteller,der zum<br />
Ha<strong>usm</strong>ann geworden ist,dreiBuben im Alter zwischen<br />
drei und acht Jahren und zwei Hunden. Im<br />
Haus geht es laut zu. Sehr laut sogar.Ein Männerhaushalt<br />
eben. Nicht wenig zimperlich.<br />
Vorein paar Tagen finde ich meine Frau weinend<br />
voreinem Trümmerhaufen sitzen, der mal eine<br />
Spielzeug-Ritterburgwar.Sie bestand aus Hunderten<br />
vonTeilen: Zugbrücke, Pferde, Knappen, Ritter,<br />
Burgbrunnen, Burgfräulein, Katapulte, Töpfeund<br />
Pfannen ... Meine Frau hatte sie den Jungs voreinem<br />
Jahr geschenkt in der löblichen Meinung,sie würden<br />
dann Ritter und Edle Dame spielen. Sie spielten<br />
nicht Ritter und Edle Dame, sondern gnadenlosen,<br />
immerwährenden Belagerungszustand. Die Burg<br />
wurde beschossen, der Feind war hartnäckig und<br />
grausam. Die Teile flogen auseinander,verloren sich<br />
in allen möglichen Winkeln des Hauses –der Kleine<br />
hat das Burgfräulein ins Klo geworfen und runtergespült<br />
–, am Ende war die Burgnicht mehr instand zu<br />
setzen, weil praktisch das meiste fehlte. Meine Frau<br />
saß davor und weinte bitterlich. „Ich kaufeeuch für<br />
teures Geld Geschenke, und ihr geht so lieblos damit<br />
um! Ich habe noch jede Puppe, jedes Pferdchen,<br />
mit dem ich in meiner Kindheit gespielt habe. Ihr<br />
habt keinen Respekt vormir!“ Natürlich bekam<br />
auch ich nicht wenig vonder Schelte ab,ich würde<br />
die Kinder nicht zur Achtsamkeit erziehen. Ich muss<br />
zugeben, ich hab da einen vielleicht merkwürdigen<br />
Standpunkt:Jungs sind nun mal vonNatur aus in einer<br />
gesunden Weise destruktiv.Esknallt und scheppert<br />
den ganzen Tag. Immer wirdgeschossen. Ich<br />
selbst habe damals mein weniges Spielzeug auseinandergenommen,<br />
um zu sehen, wie es funktioniert.Mit<br />
dem Ergebnis freilich, dass ich es nicht<br />
mehr zusammenbauen konnte. Das lag am Hersteller,nicht<br />
an mir,bin ich heute noch davon überzeugt.Aber<br />
mit so einer These musste ich meiner<br />
Frau nicht kommen. „Ja, verhöhn'dumich auch<br />
noch!“ Wie man es dreht und wendet –esist falsch.<br />
s’Magazin 9