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DER KREISLAUF DES WISSENS DER KREISLAUF DES WISSENS

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Bundesagentur für Arbeit<br />

Faktor A<br />

Das Arbeitgebermagazin<br />

Nr. 01 / 2012<br />

www.faktor-a.arbeitsagentur.de<br />

EIGENE KÖPPE<br />

Friederike und Simone Strate bauen ihre<br />

Detmolder Brauerei aus. Ganz ohne Bank.<br />

KONRADS ENKEL<br />

Patrick Adenauer und sein Bruder haben ihre<br />

Kölner Baufirma komplett umgekrempelt.<br />

ECHTES KAPITAL<br />

Ein Schreiner rechnet anders: Für Oskar<br />

Weick ist Menschlichkeit ein Wert.<br />

<strong>DER</strong> <strong>KREISLAUF</strong><br />

<strong>DES</strong> <strong>WISSENS</strong><br />

Firmenwikis, Mind Mapping, Wissensbäume – weil<br />

keiner weiß, was jeder macht, suchen Betriebe nach neuen<br />

Wegen für den Austausch von Erfahrungen und Kenntnissen.


Inhalt<br />

2 Statistik<br />

3 Editorial<br />

4 Personalien<br />

6 SCHWERPUNKT:<br />

Wissensmanagement<br />

Arbeitgeber, die sich für die Zukunft<br />

rüsten wollen, sorgen dafür,<br />

dass das Know-how der Firma<br />

allen zugänglich ist.<br />

12 Fallstudie: Synaxon<br />

Die IT-Verbundgruppe bündelt<br />

Firmenwissen in Wikis. Damit ist<br />

sie Vorreiter in Deutschland.<br />

15 Kommentar<br />

Kai Mertins, Professor vom<br />

Fraunhofer-Institut, plädiert dafür,<br />

im Betrieb einen Kreislauf<br />

des Wissens zu schaffen.<br />

STATIST IK<br />

Wie wird Wissen weitergegeben?<br />

Eine Befragung unter 101 Kleinunternehmern mit mehr als 50 Beschäftigten hat ergeben,<br />

dass Besprechungen am häufigsten genutzt werden, die Rotation von Wissensträgern hingegen kaum.<br />

Antworten zwischen 1 (große Zustimmung) und 4 (sehr geringe Zustimmung)<br />

Interne Diskussionsrunden und Meetings ……………………… 1,8<br />

Informelle Face-to-Face-Kontakte ……………………… 1,8<br />

Berichte, Handbücher, schriftliche Anweisungen, Leitfäden etc. ……………………… 2,0<br />

Interne und/oder externe Bildungsmaßnahmen, Kurse, Seminare etc. …………………………2,1<br />

IT (Datenbanken, Intranet, Groupware) …………………………2,3<br />

Fallstudien von abgeschlossenen Projekten ……………………………2,7<br />

Kommunikationsfördernde Einrichtungen ……………………………2,7<br />

Archivierungs-, Bibliotheks- und Dokumentationsdienste ……………………………2,7<br />

Rotation von Wissensträgern in unterschiedlichen Abteilungen …………………………… 3,2<br />

QUELLE: Bundesverband Deutscher Unternehmensberater und Duale Hochschule Baden-Württemberg (ehem. Berufsakademie ); genannt ist der Mittelwert.<br />

Wissensbewahrung Welche Wege gehen Firmen, um ihr Wissen im Haus zu halten? Laut einer<br />

Studie des Bundeswirtschaftsministeriums versuchen die meisten Arbeitgeber, Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter in strategisch wichtigen Positionen gezielt zu binden (1). Zudem nutzen sie elektronische<br />

Datenbanken (2), dokumentieren Geschäftsprozesse (3) und nutzen strukturierte Ablagen<br />

mit Suchbegriffen und Schlagworten (4).<br />

Wissensidentifikation und -generierung Um unterscheiden zu können, welche Informationen für<br />

die Firma überhaupt wichtig sind, gilt der direkte Kontakt mit Kunden als essenziell (1). Außerdem<br />

werden die Analyse von Kundenreklamationen (2) und von Fehlern (3) genannt, noch vor der Identifikation<br />

von Beschäftigten mit besonderen Kompetenzen. (Quelle: www.bmwi.de; August 2011)<br />

ABONNIEREN SIE FAKTOR A KOSTENLOS UNTER: www.faktor-a.arbeitsagentur.de<br />

PROMINENTE:<br />

16 Friederike und Simone Strate<br />

Erfolgreich mit Bier: Die Schwestern<br />

aus Detmold setzen auf das<br />

Konzept der Regionalität.<br />

19 Patrick Adenauer<br />

Wie der Enkel des Kanzlers die<br />

Baufirma der Familie zum Dienstleister<br />

umwandelte.<br />

SERVICE:<br />

22 Selbstvermarktung<br />

Werbeerfolg auch bei kleinem<br />

Budget dank Internet und guter<br />

Ideen.<br />

25 Arbeitgeber-Service<br />

Gewinn durch Ältere: Schreiner<br />

Weick rechnet anders.<br />

27 Termine & Publikationen<br />

2 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin<br />

COVERFOTO: Iris Friedrich; zu sehen ist Christoph Mertens vom Evangelischen Perthes-Werk in Hamm.


ei Festakten und Betriebsfeiern erwähnen Unternehmer gerne, dass der wahre Wert ihrer Fir-<br />

ma in den Kenntnissen und Erfahrungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegt. Doch<br />

zurück im Tagesgeschäft dominieren meist Planzahlen und kaufmännische Messgrößen ihre<br />

Aufmerksamkeit. Kein Wunder, denn in der Bilanz ist für das kumulierte Mitarbeiterwissen<br />

kein Posten in den Aktiva vorgesehen. Die Regeln des Handelsgesetzbuches erlauben es nicht.<br />

Genau darin liegt das Dilemma von Wissensmanagement, dem Schwerpunktthema dieser Ausgabe<br />

von Faktor A. Weil sich Mitarbeiterwissen nicht per se in Zahlen festschreiben lässt, tun<br />

sich viele Führungskräfte mit dem Begriff schwer. Sie bevorzugen es, ihr Personal nach Produktivitätskriterien<br />

zu führen. Das lässt sich messen, durch Umsatz pro Beschäftigtem beispielsweise.<br />

Tatsächlich sind in unserer modernen Arbeitsgesellschaft Wissen und Produktivität<br />

längst untrennbar miteinander verknüpft, wie Peter Drucker schon vor Jahren prophezeite. Für<br />

den Pionier der modernen Managementlehre ist es die zentrale Aufgabe der Unternehmensführung,<br />

Wissen produktiv zu machen. Und um Chefs mit allzu mächtigem Ego bezüglich ihrer<br />

Führungsqualitäten etwas Demut einzuimpfen, fügte er verschmitzt hinzu: „In einer Wissens-<br />

Ökonomie ist jeder ein Volontär.“<br />

Das zeigt auch unsere Titelgeschichte (S. 6), in der einige Führungskräfte offen darüber sprechen,<br />

wie schwierig es heutzutage ist, die Arbeit von Angestellten und deren dabei angehäuftes<br />

Wissen zu erfassen und produktiv weiterzugeben. Befehle von oben helfen meist wenig – Wissensbäume<br />

und -landkarten hingegen schon. Ebenso Firmenwikis, wie unsere Fallstudie zur IT-<br />

Firma Synaxon zeigt (S. 12). Tipps für eine erste Annährung an dieses komplexe Thema finden<br />

Sie am Ende des Kommentars von Professor Mertins (S. 15).<br />

Geht es um das Wissen über deutsche Familienunternehmen, ist Patrick Adenauer eine erste<br />

Adresse. Der Enkel des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik war sechs Jahre Präsident<br />

des deutschen Familienunternehmerverbandes ASU. Nun widmet er sich wieder ausschließlich<br />

seiner Firma, einem Baubetrieb. Wir haben mit ihm über seine Karriere, seinen Managementstil<br />

und die Würde und Bürde eines berühmten Namens gesprochen (S. 19).<br />

Was Sie sonst noch Wissenswertes finden: Wie zwei Schwestern eine Brauerei in Schwung gebracht<br />

haben (S. 16) und wie Kleinunternehmer große Aufmerksamkeit bekommen (S. 22).<br />

Viel Vergnügen beim Lesen,<br />

Ihr Raimund Becker<br />

EDITORIAL<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

01_2012 | 3<br />

RAIMUND BECKER<br />

Vorstand Arbeitslosenversicherung<br />

Faktor A gibt es auch<br />

als eJournal mit multimedialen<br />

Inhalten – unter<br />

www.faktor-a.<br />

arbeitsagentur.de<br />

Feedback richten Sie gerne an<br />

redaktion.faktor-a@<br />

arbeitsagentur.de


PERSONALIEN NEUES AUS DEN CHEFETAGEN<br />

KURZ & KNAPP<br />

Peter Hadasch schließt die Lücke, die Elke Strathmann beim<br />

Nahrungsmittelkonzern Nestlé Deutschland hinterlassen hat (siehe<br />

Meldung Seite 5). Hadasch übernimmt die frei gewordene Position<br />

als Personalvorstand und Arbeitsdirektor. Der 59-jährige<br />

Jurist ist bereits seit 1997 Direktor des Bereichs Altersvorsorge.<br />

Seit 2002 vertritt er zudem die leitenden Angestellten im Nestlé-<br />

Aufsichtsrat. | Horst Maiwald übernimmt beim Verpflegungsspezialisten<br />

Selecta mit Sitz im Schweizerischen Murten die neu<br />

geschaffene Position des Chief Human Resources Officer. Der<br />

50-Jährige kommt von der Media-Saturn-Gruppe, wo er seit 2007<br />

als Vice President HR tätig war. Bei dem Anbieter für Automaten-<br />

Verpflegung ist der Betriebswirt künftig für 5.600 Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter in 24 Ländern verantwortlich. | Heinz<br />

Speet hat zum Jahreswechsel den Vorsitz der Geschäftsführung<br />

beim Textildiscounter Kik übernommen. Zuvor war er Geschäftsführender<br />

Gesellschafter der Bereiche Personal und Revision des<br />

Unternehmens in Bönen. Der 53-Jährige folgt auf den Unternehmensgründer<br />

und CEO Stefan Heinig, der sich auf die Aktivitäten<br />

der Familien-Holding konzentrieren will, aber als enger Berater<br />

des Discounters zur Verfügung steht. Speet wird weiterhin die<br />

Bereiche Personal, Aus- und Fortbildung sowie Personalentwicklung<br />

verantworten. | Thomas Biedermann ist seit vorigem<br />

Oktober Personalvorstand der TÜV Rheinland AG. Der 45-jährige<br />

Diplom-Kaufmann ist mit seinem Betrieb gewachsen: Er hat seine<br />

Karriere vor knapp 20 Jahren als Controller bei dem Prüfunternehmen<br />

gestartet. Zuletzt verantwortete Biedermann als Chief Regional<br />

Officer das Westeuropa-Geschäft. | Thomas Kleb ist seit<br />

vorigem Herbst Direktor für die Bereiche Personal, Marketing und<br />

Kommunikation beim Maschinenbauunternehmen Heinrich Georg<br />

mit Sitz im westfälischen Kreuztal. Das mittelständische Unternehmen<br />

beschäftigt 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Umsatz<br />

liegt bei 100 Millionen Euro. Der 48-jährige Diplom-Kaufmann<br />

war zuvor Geschäftsführer beim Personaldienstleister Kienbaum<br />

Communications. | Walter Scheurle wirft das Handtuch: Der<br />

langjährige Personalvorstand von Deutsche Post DHL will sein<br />

Mandat als Personalvorstand vorzeitig niederlegen. Offiziell läuft<br />

der Vertrag des 59-Jährigen noch bis zum Jahr 2013. Die Post steht<br />

vor schwierigen Tarifverhandlungen mit Verdi. | Sabine Josch<br />

ist neue Personaldirektorin beim Otto-Versand. Bislang wurde die<br />

Position kommissarisch von Michael Picard verantwortet, der zu<br />

Metro Cash & Carry wechselt (siehe Meldung rechts). Josch war<br />

zuvor Bereichsleiterin Interne und Externe Kommunikation sowie<br />

Pressesprecherin der Otto Group. In ihrer neuen Funktion ist sie<br />

für 4.150 Beschäftigte verantwortlich. Sie berichtet an Personalvorstand<br />

Alexander Birken.<br />

BAYER<br />

Chef für Deutschland<br />

GEORG MÜLLER besetzt neu geschaffene Stelle.<br />

Zum 1. Januar 2012 tritt Georg<br />

Müller im Corporate Center der<br />

Bayer AG den Posten des Personalleiters<br />

für den Standort<br />

Deutschland an. Diese Position<br />

hat der Leverkusener Pharmakonzern<br />

neu geschaffen.<br />

Müller berichtet direkt an Bayer-Personalchef<br />

Horst Uwe<br />

Groh, der die weltweite Personalstrategie<br />

von Bayer verantwortet.<br />

Der Konzern beschäftigt<br />

mehr als 111.000 Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter, davon rund<br />

36.000 in Deutschland.<br />

Der 50-jährige Diplompsychologe<br />

Müller wechselt für seine<br />

neue Aufgabe vom Teppich- und<br />

Staubsaugerkonzern Vorwerk<br />

in Wuppertal nach Leverkusen.<br />

Als Mitglied der Unternehmensleitung<br />

war er bei Vorwerk seit<br />

2010 für die weltweite Personalarbeit<br />

des Familienunternehmens<br />

zuständig.<br />

Zuvor arbeitete er fast zwanzig<br />

Jahre im Personalbereich<br />

des Konsumgüterkonzerns Henkel,<br />

unter anderem in Hong-<br />

METRO CASH & CARRY<br />

Personalchef 2.0<br />

MICHAEL PICARD geht von Otto zu Metro.<br />

Als Personalleiter hält<br />

Michael Picard Social<br />

Media für maßgeblich.<br />

kong, und als Personalvorstand<br />

für das Osteuropa-Geschäft in<br />

Wien. kve<br />

Die börsennotierten Unternehmen lieben<br />

ihn: Georg Müller ist seit diesem<br />

Monat Personalleiter für das Deutschland-Geschäft<br />

der Bayer AG.<br />

Michael Picard übernimmt beim Großhändler<br />

Metro Cash & Carry das Personalressort. Er<br />

folgt auf Kai-Uwe Weitz, der zu Karstadt gewechselt<br />

ist. Mit dem 48-jährigen Picard holt<br />

sich die Metro-Tochter einen IT-affinen Handelsexperten<br />

an Bord. Der Ökonom war beim<br />

Otto Versand zuletzt Direktor IT-Steuerung und<br />

Change Management. Zuvor arbeitete er dort<br />

zehn Jahre als Personaldirektor. Picard hatte<br />

etwa mobiles Recruiting über Smartphones<br />

oder virtuelle Bewerbermessen eingeführt. kve<br />

4 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin


Fotos: Metro AG; Continental AG; Bayer AG<br />

Kommt aus der Konsumgüterindustrie<br />

– geht in einen<br />

Konzern der Automobilbranche:<br />

die Mathematikerin Elke<br />

Strathmann.<br />

CONTINENTAL<br />

Frau mit Profil<br />

ELKE STRATHMANN wechselt als Personalvorstand zum Reifenkonzern<br />

Continental in Hannover.<br />

Eon, Henkel, Siemens oder Telekom haben<br />

schon eine – nun holt auch der Automobilzulieferer<br />

Continental eine Frau<br />

ins Top-Management. Im ersten Quartal<br />

2012 übernimmt Elke Strathmann in Hannover<br />

ihre neue Aufgabe als Personalvorstand<br />

und Arbeitsdirektorin. Die 53-jährige<br />

Personalmanagerin kommt von Nestlé<br />

Deutschland. Als Personalvorstand war<br />

sie für die rund 12.000 deutschen Beschäftigten<br />

des Schweizer Lebensmittelkonzerns<br />

verantwortlich.<br />

Die Mathematikerin kann umfangreiche<br />

internationale Managementerfahrung vorweisen:<br />

1983 begann ihre Karriere beim<br />

US-Konsumgüterkonzern Procter & Gamble,<br />

zunächst als EDV-Managerin, dann<br />

in leitenden Personalfunktionen. Später<br />

ging sie zum Gesundheitskonzern Johnson<br />

& Johnson. Von der Konsumgüterseite<br />

wechselt sie jetzt ins Industrie-Zuliefergeschäft.<br />

Ihr Vertrag bei Continental läuft<br />

zunächst über drei Jahre. Von ihrem Vorgänger<br />

Heinz-Gerhard Wente übernimmt<br />

Strathmann das Personalressort „in einer<br />

Phase hochgesteckter Wachstumsziele“,<br />

wie es der Aufsichtsratschef Wolfgang<br />

Reitzle formulierte. Für Continental komme<br />

es mehr denn je darauf an, weltweit<br />

die besten Talente zu finden, sagte er.<br />

Dass nun erstmals in der 140-jährigen<br />

Firmengeschichte eine Frau in die erste<br />

Führungsriege des Technologiekonzerns<br />

mit weltweit 150.000 Beschäftigten aufrückt,<br />

dürfte also auch als Signal in puncto<br />

Chancengleichheit zu verstehen sein.<br />

Wie alle technologieorientierten Unternehmen<br />

leidet Continental unter dem geringen<br />

Anteil weiblicher Absolventen in<br />

den Ingenieursfächern. Nach Firmenangaben<br />

liegt der Anteil der weiblichen außertariflichen<br />

Angestellten in Deutschland<br />

deutlich unter zehn Prozent, bezogen<br />

auf die leitenden Angestellten sogar nur<br />

bei sechs Prozent. Die Firma hat sich deshalb<br />

2004 die Förderung und Entwicklung<br />

weiblicher Talente ausdrücklich auf<br />

die Fahnen geschrieben. kve<br />

FRANZ HANIEL & CIE.<br />

Der Mann, der<br />

den Mix macht<br />

PETER STICKSEL steigt zum Personalchef<br />

auf. Er arbeitet bereits seit vier<br />

Jahren für die Firmengruppe.<br />

Bei der Duisburger Haniel-Gruppe kümmert<br />

sich künftig Peter Sticksel um zentrale Personalthemen<br />

wie Nachfolgeplanung und Personalentwicklung.<br />

Der 46-jährige Wirtschaftswissenschaftler<br />

arbeitet seit vier Jahren für die<br />

international ausgerichtete Unternehmensgruppe.<br />

Zuvor war er beim Werkzeughersteller Hilti<br />

als Personalleiter für den deutschen Markt zuständig.<br />

Zu den erklärten Aufgaben von Peter Sticksel<br />

gehört es künftig, die Identität und Attraktivität<br />

von Haniel als Arbeitgeber zu stärken. Das<br />

Unternehmen in Familienbesitz erwirtschaftete<br />

2010 einen Umsatz von über 27 Milliarden Euro<br />

und beschäftigt weltweit 58.000 Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter.<br />

Anders als bei bekannten Markenkonzernen ist<br />

Peter Sticksel<br />

will die Attraktivität<br />

seines<br />

Arbeitgebers für<br />

Bewerberinnen<br />

und Bewerber<br />

steigern.<br />

das Geschäft sehr facettenreich: Über Töchter<br />

und Mehrheitsbeteiligungen ist Haniel in verschiedenen<br />

Branchen aktiv. Unter anderem ist<br />

das Unternehmen Mehrheitsgesellschafter beim<br />

Pharmagroßhändler Celesio, die 100-prozentige<br />

Tochter CWS Boco stattet Waschräume und Toiletten<br />

aus und der Rohstoffverwerter ELG handelt<br />

weltweit mit Edelstahlschrott.<br />

Diesen zwar lukrativen, aber weniger glamourösen<br />

Mix muss Peter Sticksel künftig Bewerberinnen<br />

und Bewerbern vermitteln. Schon in seiner<br />

bisherigen Aufgabe als Leiter der Führungskräfteentwicklung<br />

hat er einen Schwerpunkt auf das<br />

Talent-Recruiting gesetzt und bei Haniel das<br />

e-Recruiting, die Personalanwerbung über das<br />

Internet, etabliert. kve<br />

01_2012 | 5


SCHWERPUNKT <strong>WISSENS</strong>MANAGEMENT<br />

Sag mir,<br />

was Du<br />

tust!<br />

Für Führungskräfte wird es schwerer,<br />

den Überblick über die Arbeit ihrer Teams<br />

zu behalten. Wenn dann noch Know-<br />

how-Träger das Unternehmen verlassen,<br />

wird es höchste Zeit, ein<br />

Wissensmanagement einzuführen.<br />

Für Christoph Mertens war die Situation ernst. Seine Chefin beim Evangelischen<br />

Perthes-Werk wurde plötzlich versetzt, und er musste nun<br />

schlagartig eine Diakonie-Einrichtung mit 44 Plätzen und 17 Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern führen. „Zudem stand mit dem Weggang meiner<br />

Vorgesetzten die Reputation unserer Einrichtung auf dem Spiel“,<br />

sagt der Sozialarbeiter. „Schließlich war sie es, die als angesehene Persönlichkeit<br />

den Kontakt zu allen wichtigen Geschäftspartnern gepflegt hatte.“<br />

Mertens hatte Glück, dass sein Arbeitgeber für solche Situationen vorgesorgt<br />

hatte: Mertens und seine Chefin, Sigrid Kübler-Molitor, nahmen an einem<br />

sogenannten Wissenstransferprozess teil. Im Zuge dessen führte ihn Kübler-<br />

Molitor in die wichtigen Kreise ein, erstellte Checklisten für seine Arbeit und<br />

wies ihn auf versteckte Aufgaben seines neuen Jobs hin. „Der Wissenstransfer<br />

war die beste Starthilfe, die man sich denken kann“, schwärmt der 44-Jährige.<br />

„Ohne ihn wäre mein Start in den neuen Job weitaus holpriger ausgefallen - und<br />

die Einarbeitung hätte viel länger gedauert.“ Anders als bei einer bloßen Übergabe,<br />

die in vielen Betrieben zwischen Tür und Angel gemacht wird, hat ein Kollege<br />

den Wissenstransfer von Mertens und seiner Chefin vorbereitet, begleitet<br />

und moderiert. So stellt die Diakonie sicher, dass scheidende Wissensgeber sich<br />

verpflichtet fühlen, alle großen und auch kleinen Themen zu vermitteln.<br />

Text<br />

Judith-Maria Gillies<br />

Fotos<br />

Iris Friedrich<br />

Jan Gutzeit<br />

Stephan Minx<br />

6 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin


Angesichts der Effizienzsteigerung<br />

klingt die Investition von<br />

30.000 Euro für eine Wissenssuchmaschine<br />

gering: Torsten<br />

Pechstein (stehend) und Thomas<br />

Wilhelm (r.) von Endress + Hauser<br />

Conducta konnten ihre Effizienz<br />

um das 100-fache steigern.<br />

01_2012 | 7


SCHWERPUNKT <strong>WISSENS</strong>MANAGEMENT<br />

„Leidensdruck ist<br />

ein großer Antrieb“<br />

Frau Vollmar, wo steht das Wissensmanagement?<br />

Es ist im Wirtschaftsleben angekommen.<br />

Anfangs wurde das Thema hauptsächlich<br />

von Softwarefirmen gepusht,<br />

die ihre Datenbanken verkaufen wollten.<br />

Nachdem die Wirtschaft aber gemerkt<br />

hat, dass viel mehr dazu gehört als eine<br />

gute IT-Lösung, ist es jetzt dort angekommen,<br />

wo es hingehört: im Tagesgeschäft.<br />

Betriebe begreifen zunehmend:<br />

Wer gutes Wissensmanagement betreibt,<br />

sichert die Zukunft seiner Firma.<br />

Inwiefern sorgt die Demografielücke für<br />

eine weitere Verbreitung?<br />

Gabriele Vollmar ist Präsidentin<br />

der Deutschen Gesellschaft<br />

für Wissensmanagement<br />

und Mitglied im<br />

Fachbereich „Fit für den Wissenswettbewerb“<br />

des Bundeswirtschaftsministeriums.<br />

Sehr stark. Jeder Mitarbeiter, der in Rente geht, bedroht den Wissensbestand<br />

eines Unternehmens. Branchen, die diesen Schmerz abfließenden<br />

Know-hows und fehlender Nachwuchskräfte spüren, sind besonders<br />

offen für Wissensmanagement.<br />

Durch Leidensdruck wird man also zur lernenden Organisation?<br />

Nicht nur. Aber der Leidensdruck hilft enorm. Ein anderer großer Antrieb<br />

ist das Web 2.0. Viele technikbegeisterte Chefs setzen auf Blogs<br />

und Wikis, um ihre Mitarbeiter zum Teilen ihres Wissens zu bewegen.<br />

Zu Recht?<br />

Es kommt darauf an, wie sie es angehen. Viele Techies unter den Mittelständlern<br />

denken, sie laden einfach die Freeware runter, und dann<br />

kümmern sich ihre Mitarbeiter automatisch um die Inhalte. Doch so einfach<br />

ist es nicht. Man muss seine Leute schon für die Sache begeistern,<br />

zum Beispiel mit einer Kurzschulung. Und am Anfang sollte man eine<br />

Pilotgruppe von Experten abstellen, die schon mal wesentliche Inhalte<br />

ins Firmenwiki stellt. Das motiviert andere Kollegen zum Weiterfüllen.<br />

Was ist sonst noch hinderlich beim Wissensmanagement?<br />

Sehr oft liegt es tatsächlich an der Unternehmensführung selber. Sie<br />

muss nicht nur die Infrastruktur bereitstellen, sondern die Belegschaft<br />

auch zum Mitmachen motivieren. Ganz wichtig ist es, den Sinn des Wissensmanagements<br />

zu vermitteln und den Mitarbeitern Wertschätzung<br />

dafür zukommen zu lassen. Wenn sie verstehen, warum es wichtig ist,<br />

ihr Know-how zu teilen, mauern sie auch nicht. Und sie müssen natürlich<br />

den Freiraum und die Zeit dafür eingeräumt bekommen. Wenn nach<br />

einem abgeschlossenen Projekt direkt die nächste Aufgabe ansteht,<br />

kann niemand ernsthaft erwarten, dass noch „Lessons Learned“ (gelernte<br />

Lektionen, Anm. d. Red.) protokolliert werden.<br />

Kleinere Mittelständler tun das Wissensmanagement gern<br />

als Managementmode für Konzerne ab.<br />

Völlig zu Unrecht! Eigentlich sind es die Kleinbetriebe, die alle Voraussetzungen<br />

für Wissensmanagement-Champions mitbringen. Der Wissensaustausch<br />

ist ja in kleinen Firmen viel einfacher als in Großunternehmen.<br />

Statt großartiger Blogs oder Wissensbilanzen braucht der Chef<br />

nur mal am Freitag ein paar Brezeln zu besorgen und die Mannschaft<br />

einzuladen, über die vergangene Woche zu sprechen. Das ist schon<br />

Wissensmanagement pur!<br />

Mehr dazu unter: www.faktor-a.arbeitsagentur.de<br />

Ähnlich wie das Perthes-Werk lassen sich viele<br />

Organisationen etwas einfallen, um das Wissen ihrer<br />

Belegschaften zu halten, weiterzugeben und auszubauen.<br />

In unserer heutigen Wissensgesellschaft<br />

wird ihnen bewusst, dass die Erfahrung ihrer Angestellten<br />

das größte Kapital ist, das sie haben. Vor allem<br />

deshalb, weil dieses Kapital in Zeiten des steigenden<br />

Fachkräftebedarfs und drohender demografischer Lücke<br />

immer stärker bedroht ist. Angesichts des schnellen<br />

Taktes in vielen Branchen reicht es manchmal<br />

schon aus, wenn jemand für einige Zeit krank wird.<br />

Woher sollen Vertretungen so unvorbereitet die Informationen<br />

nehmen, die ihnen fehlen?<br />

„Wissensmanagement erlebt heute einen stillen<br />

Siegeszug“, sagt Klaus North, Professor für Internationale<br />

Unternehmensführung an der Wiesbaden Business<br />

School. „Wenn Firmenchefs erleben, wie wertvolles<br />

Wissen abfließt und wie schwer es ist, neue<br />

Wissensträger zu bekommen und zu binden, entfaltet<br />

Wissensmanagement seinen vollen Charme.“ Doch<br />

drohender Know-how-Verlust ist nur ein Grund unter<br />

vielen, auf Wissensmanagement zu setzen. Das Instrument<br />

kann noch viel mehr: Innovationen vorantreiben<br />

zum Beispiel. Einen Überblick über interne Expertinnen<br />

und Experten und Datenbestände verschaffen<br />

und damit die Suchzeiten im Unternehmen verkürzen.<br />

8 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin


Christoph Mertens arbeitet beim Perthes-<br />

Werk. Sein Arbeitgeber hat ein Programm<br />

installiert, um Wissensgeberinnen und -geber<br />

in der Firma zu identifizieren. Der Leiter<br />

einer Diakonie-Einrichtung gehört zu<br />

jenen, die das Wissen übernehmen, damit<br />

es dem Betrieb erhalten bleibt.<br />

Zum systematischen Lernen in Teamprojekten beitragen.<br />

Und den Wissensaustausch zwischen Projektpartnerinnen<br />

und -partnern rund um den Globus erleichtern.<br />

„Es hat sich bei den meisten Unternehmen herumgesprochen,<br />

dass der Change-Prozess in den Köpfen<br />

beginnen muss – und zwar in denen aller Mitarbeiter“,<br />

sagt Klemens Keindl. Der Organisationssoziologe<br />

arbeitet bei Core Business Development in Berlin<br />

als Projektleiter für Wissensmanagementprojekte. Als<br />

Dialogbegleiter unterstützt er kleine und mittlere Firmen<br />

in speziellen Wissenswerkstätten, die vom Bundesministerium<br />

für Wirtschaft und Technologie gefördert<br />

werden. Dabei treffen sich jeweils kleine Gruppen<br />

von Firmenvertretern, die beraten, wie sie den Umgang<br />

mit Wissen in ihren Firmen verbessern können.<br />

Ihnen wird ein Experte an die Seite gestellt, der<br />

die Workshops begleitet. „Wir sind zu klein fürs Wissensmanagement“,<br />

weiß Keindl, ist nur eine Ausrede.<br />

„Viele kleinere Mittelständler haben bessere Chancen<br />

bei der Einführung als Großunternehmen.“ So seien<br />

ihre Wege aus der Chefetage zu den Angestellten viel<br />

kürzer als die in Konzernen. Ideen würden schneller<br />

umgesetzt. Zugleich ist das Thema drängender: Fällt<br />

Personal aus, können kleine Firmen das viel schwieriger<br />

kompensieren.<br />

Es gibt zahlreiche Wege, sich dem Thema Wissensmanagement<br />

zu nähern. Bei „Lessons Learned“ etwa,<br />

einem Begriff aus dem Projektmanagement, erstellen<br />

Mitglieder eines Projekts Erfahrungsberichte, die<br />

nachfolgenden Teams die Arbeit erleichtern. In „Communities<br />

of Practice“ tauschen sich Kolleginnen und<br />

Kollegen in informellen Netzwerken über ähnliche Arbeitsaufgaben<br />

miteinander aus. Und auf Wissenslandkarten<br />

werden die Tätigkeiten und Vernetzungen der<br />

Kollegenschaft miteinander transparent gemacht. Besonderen<br />

Antrieb erhält das Thema derzeit durch die<br />

Technik. Bei vielen Firmen führen Angestellte heute<br />

Blogs, erstellen Wikis (s. Fallstudie S. 12) oder tauschen<br />

sich in Chats miteinander aus.<br />

Doch auch nach traditioneller Art können alte Hasen<br />

ihr Wissen in Patenschaften oder Mentoringprogrammen<br />

bestens an junge Hüpfer weitergeben<br />

– oder in Wissenstransferprojekten wie beim<br />

Perthes-Werk. Unter dem Namen „Rückenwind“ soll<br />

es interne Wissensträgerinnen und Wissensträger<br />

identifizieren und deren Kenntnisse an Wissensnehmer<br />

weitergeben. Der Sozialarbeiter Christoph Mertens<br />

und seine Chefin Kübler-Molitor konnten kurzfristig<br />

bei Rückenwind mitmachen. Die Idee hinter<br />

dem Projekt ist aber langfristig orientiert, um das Wissen<br />

Älterer an den 32 Standorten des Perthes-Werkes<br />

zu halten.<br />

Zuerst werden mögliche Wissensgeberinnen und<br />

-geber, die älter als 55 Jahre sind, in Führungskräftegesprächen<br />

herausgesiebt. Danach gilt es, pro Geber<br />

drei Wissensnehmerinnen und -nehmer zu finden,<br />

auf die das Know-how übertragen wird. Dabei ist es<br />

nicht wichtig, dass einer der Jüngeren automatisch der<br />

Nachfolger des Älteren wird. Das Wissen soll auf diese<br />

Weise „verpflanzt“ werden und weiterleben - egal wo.<br />

Anfangs kam Rückenwind nur schleppend voran:<br />

Das Projektteam hatte Schwierigkeiten, geeignete<br />

Wissensnehmerinnen und -nehmer auszumachen.<br />

Ende dieses Jahres soll es 48 geben, im vorigen Oktober<br />

waren es erst zwölf. Derzeit steuert die Projektleiterin<br />

Claudia Tellers gegen. Sie will die Führungsriege<br />

stärker einbinden und sie dafür sensibilisieren, die<br />

potenziellen Empfängerinnen und Empfänger schneller<br />

zu erkennen.<br />

Die Erfahrenen zu identifizieren, war hingegen<br />

kein Problem: „Während sie früher vielleicht sang-<br />

und klanglos in Rente gegangen wären, spüren sie<br />

jetzt, dass ihr Wissen wertgeschätzt wird“, sagt Tellers.<br />

„Die Wahl zum Wissensgeber empfinden sie als<br />

Ehre und als Frucht ihrer jahrzehntelangen Arbeit.“ Sigrid<br />

Kübler-Molitor stimmt zu. Als die Projektmitglieder<br />

all ihre beruflichen Fähigkeiten in einem Wissensbaum<br />

aufmalten, ist sie „schon verlegen geworden vor<br />

Stolz“, wie die 56-Jährige sagt. „Der Wissensbaum<br />

macht einem bewusst, wie viele Kompetenzen man im<br />

Laufe des Berufslebens angesammelt hat.“<br />

Das Duo Kübler-Molitor/Mertens ist der lebende<br />

Beweis für gelungene Know-how-Weitergabe. „Der<br />

Transfer scheitert meist nicht an mauernden Mitarbeitern,<br />

sondern an der fehlenden Einsicht von Unternehmenslenkern,<br />

die den Mitarbeitern nicht genug Raum<br />

01_2012 | 9<br />

„Mir war gar<br />

nicht bewusst,<br />

wie viele Kompetenzen<br />

ich<br />

im Laufe des<br />

Berufslebens<br />

angesammelt<br />

hatte.“<br />

Sigrid Kübler-Molitor<br />

vom Perthes-Werk nach der<br />

Arbeit mit sogenannten<br />

Wissensbäumen.


SCHWERPUNKT <strong>WISSENS</strong>MANAGEMENT<br />

„Es hat<br />

sich bei den<br />

meisten<br />

Unternehmen<br />

herumgesprochen,<br />

dass<br />

der Change-<br />

Prozess in<br />

den Köpfen<br />

beginnen<br />

muss.“<br />

Klemens Keindl,<br />

Core Business Development<br />

in Berlin<br />

und Zeit dafür einräumen“, sagt Professor North. Auch<br />

ganz wichtig: „Kein Betrieb sollte sich einreden lassen,<br />

dass man ein Wissensmanagementsystem einfach<br />

kaufen kann“, warnt er. „Damit es funktioniert,<br />

muss die Firma den Willen entwickeln, zur Lernenden<br />

Organisation zu werden.“<br />

Ohne diesen Willen geht gar nichts. Davon kann<br />

Gabi Gabler-Winter ein Lied singen. Als die Verkaufsleiterin<br />

begann, Wissenslandkarten in ihrem Betrieb<br />

einzuführen, bekam sie alles andere als Unterstützung.<br />

„Was für ein unnötiger Schmarrn“, sagten ihre<br />

Angestellten. Sie kritisierten den Zeitaufwand und<br />

fühlten sich unnötig kontrolliert. Auch der Geschäftsführer,<br />

obwohl ihr Ehemann, war nicht begeistert. Er<br />

monierte die mangelnde Messbarkeit des Aufwands.<br />

Gabler-Winter arbeitet bei keinem großen Mittelständler,<br />

ihre Firma Ecco Real Estate ist Immobilienmakler<br />

im Verbund mit Engel & Völkers. Der Nürnberger<br />

14-Personen-Betrieb verkauft und verwaltet<br />

Wohn- und Geschäftshäuser und vermittelt Büro- und<br />

Logistikflächen zur Miete. Bei solchen Tätigkeiten entstehen<br />

viele Kontakte zu Dritten, zudem müssen mannigfaltige<br />

Informationen recherchiert werden. Um<br />

durch das tägliche Chaos durchzusteigen, wollte Gabler-Winter<br />

dokumentieren, welche Aufgaben jeder Einzelne<br />

wahrnimmt, wie die Prozesse und wie Notfallszenarien<br />

aussehen. „Wir sind ein kleiner Laden, wo<br />

man annehmen könnte, dass jeder von den Aufgaben<br />

des anderen weiß“, sagt sie. „Das ist aber nicht der<br />

Fall. Schon gar nicht, wenn man ins Detail geht.“<br />

Wie verschaffen sich die Makler denn die Daten<br />

über ihre Liegenschaften, wo schauen sie im Internet<br />

nach oder wen rufen sie an? „Ich google“, antworteten<br />

die Makler lapidar. Aber mit welchen Suchbegriffen<br />

und in welchen Quellen? „Auf dieser Ebene wird es<br />

dann interessant“, sagt Gabler-Winter. Anstatt einen<br />

externen Berater zu engagieren, setzte sie ein internes<br />

Projekt auf: Mit jeder Mitarbeiterin und mit jedem<br />

Mitarbeiter wurde ein etwa zweistündiges Interview<br />

geführt. Eine Kollegin moderierte, ein anderer protokollierte<br />

stichwortartig das Gespräch. Es entstanden<br />

sieben Flipchart-Bögen, auf denen die Aufgaben und<br />

Kenntnisfelder aller Beschäftigten skizziert wurden.<br />

Gabler-Winter ließ sie in der Küche aufhängen – wo<br />

sich alle regelmäßig aufhalten und mit dem Thema<br />

warm werden konnten.<br />

Heute, nach mehr als zwei Jahren, sind diese Pläne<br />

noch in Gebrauch: Sie wurden mit einer Mind-Map-<br />

Software digitalisiert und weiter optimiert. „Das ist ein<br />

dynamischer Prozess, der nie zu Ende gehen wird“, ist<br />

Gabler-Winter überzeugt. Mittlerweile findet auch der<br />

Chef von Ecco Gefallen an der Initiative seiner Frau.<br />

„Verantwortlichkeiten, die durch die Wissenslandkarten<br />

klar und verbindlich definiert werden, verhindern<br />

Doppelarbeiten und sorgen für mehr Effizienz“, sagt<br />

Herbert Winter.<br />

In der Tat bietet Wissensmanagement vielfältige<br />

Vorteile. Je nach Einsatz lassen sich Abläufe optimieren,<br />

Reisekosten senken, Ausschussquoten vermindern<br />

und Deckungsbeiträge erhöhen. Und die Effizienz<br />

lässt sich steigern. Der Messgerätehersteller<br />

Endress+Hauser Conducta im sächsischen Waldheim<br />

Gabi Gabler-Winter (r.) hatte die Idee, auf einer Wissenslandkarte<br />

das Know-how der Beschäftigten und<br />

Arbeitsabläufe zu dokumentieren. Ihr Team reagierte<br />

ablehnend. Am Ende konnte sie alle überzeugen, auch<br />

Phillip Müller (r.), Assistent der Geschäftsführung.<br />

hat sich einen Knowledge Miner ins Haus geholt: eine<br />

Wissenssuchmaschine, die das Firmen-Know-how<br />

speichert - ähnlich dem Schlagwortkatalog einer Bibliothek.<br />

Nach Worten von Torsten Pechstein, Leiter<br />

der Forschung und Entwicklung der Sensorik-Sparte,<br />

war es diese Suchmaschine, die ihnen enorme Effizienzsteigerungen<br />

verschafft hat - und zwar um den sagenhaften<br />

Faktor 100. Seit der Einführung arbeiten alle<br />

Conducta-Forschenden auf zentralen Laufwerken.<br />

Die Suchmaschine speist automatisch alle Dateien und<br />

Formate ein - auch Telefonnummern, Mails, die auf Lotus<br />

Notes laufen, und Briefe - und indiziert sie. So findet<br />

jeder User schnell, was er sucht. „Eine Recherche,<br />

die früher vielleicht 100 Stunden gedauert hätte, ist<br />

heute in einer Stunde abgeschlossen“, sagt Pechstein.<br />

Davon profitiert auch das Unternehmen. Die bislang<br />

investierten 30.000 Euro haben sich laut Pechstein<br />

bereits nach zweieinhalb Monaten rentiert. Nun<br />

sollen nicht nur die 160 Angestellten in Waldheim damit<br />

arbeiten können, sondern alle 600 Beschäftigten<br />

weltweit. Höchste Zeit, meint Pechstein: „Denn ohne<br />

die Suchmaschine wurde das Rad öfter unnötigerweise<br />

zweimal erfunden.“ Dem promovierten Elektroingenieur<br />

bescherte der Knowledge Miner selbst ein Déjà-vu<br />

der besonderen Art. Als er vor kurzem die Idee<br />

hatte, eine bestimmte Messwertverarbeitung zu beschleunigen,<br />

stellte er bei der Recherche überrascht<br />

fest, dass es genau dazu schon vor zehn Jahren Messungen<br />

gegeben hatte. Und sie wurden sogar just von<br />

ihm selber gemacht!<br />

Allerding war die Suchmaschine nicht von Beginn<br />

an ein Selbstläufer. Anfangs beschwerten sich die<br />

Google-verwöhnten User über lange Wartezeiten und<br />

über Bildtexte, die sich nicht kopieren ließen. Beide<br />

10 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin<br />

Foto: Evangelisches Perthes-Werk e.V.


Schwachpunkte sind mittlerweile ausgemerzt. Kniffliger<br />

war dagegen das Thema Geheimhaltung, das in<br />

einem System zentraler Laufwerke Probleme bereitet.<br />

Doch auch dafür wurde eine Lösung gefunden: Vertrauliche<br />

Informationen führt die Suchmaschine nur<br />

stichwortartig auf - mit Hinweisen zu Inhalt und Verfasser.<br />

Wer auf die entsprechenden Daten keine Zugriffsberechtigung<br />

hat, weiß so zumindest, an wen er<br />

sich wenden kann. Auf E-Mails und private Dokumente,<br />

die nach wie vor auf einem persönlichen Laufwerk<br />

gespeichert werden, greifen nur deren Besitzer zu –<br />

oder eine freigegebene Gruppe. So werden die Rechte<br />

nicht verletzt und die Integrität bleibt erhalten.<br />

Alles gut also? Nicht ganz. Pechsteins Leute<br />

schöpften die vielen Suchmöglichkeiten gar nicht richtig<br />

aus. Die meisten nutzten das System hauptsächlich<br />

dazu, eigene verschollene Dateien wieder aufzufinden.<br />

Die diversen anderen Möglichkeiten lagen brach. Damit<br />

sich das schnellstmöglich änderte, griff Pechstein<br />

in die Trickkiste. Er stellte seinem Team eine spielerische<br />

Detektivaufgabe mit Belohnung. Im Datensystem<br />

versteckte er eine Word-Datei mit dem Wortlaut<br />

„Ein Stück Kuchen kann bei mir abgeholt werden“.<br />

Wer nach Pechsteins Namen oder dem Erstellungsdatum<br />

recherchierte, wurde schnell fündig.<br />

Keine fünf Minuten später hatte sein Mitarbeiter<br />

Thomas Wilhelm die Aufgabe gelöst. Seitdem nutzt<br />

der promovierte Chemiker auch andere Funktionen<br />

der Suchmaschine und freut sich, dass er „durch das<br />

Design auch neue Inspirationen für die Forschung“ bekommt.<br />

„Ein Stück Kuchen ist schön und gut“, sagt der<br />

41-jährige schmunzelnd. „Doch der größte Anreiz ist,<br />

dass man Informationen schnell auffindet und sich so<br />

die Arbeit enorm erleichtert.“<br />

ZEHN SCHRITTE ZUM WISSEN<br />

1_ ANLASS ERKENNEN<br />

Worin besteht das Problem: Weggang von Wissensträgern? Mangelnder Überblick<br />

über Datenbestände? Fehlende Auswertung von Erfahrungen?<br />

2_ VORAUSSETZUNGEN SCHAFFEN<br />

Im Betrieb muss ein Veränderungswille erkennbar sein. Die Firmenleitung muss<br />

die notwendigen Ressourcen bereitstellen. Außerdem: Betriebsrat einbeziehen.<br />

3_ PILOTBEREICH AUSWÄHLEN<br />

Think small: Anstatt alles gleich im gesamten Unternehmen auszurollen, macht<br />

es Sinn, zuerst einen begrenzten Bereich auszuwählen.<br />

4_ TEAM ZUSAMMENSTELLEN<br />

Wie in jedem Projekt braucht auch das Wissensmanagement Verantwortliche<br />

und Projektmitglieder. Zuständigkeiten müssen verteilt werden.<br />

5_ PROZESSE DURCHLEUCHTEN<br />

Das Projektteam recherchiert, wie mit Wissen in der Firma umgegangen wird.<br />

Wer erzeugt Wissen, wo wird es abgelegt? Wer braucht wann welches Wissen?<br />

6_ TECHNIKUNTERSTÜTZUNG SICHERN<br />

Welche Technik steht dem Betrieb zur Verfügung, um das Wissen zu dokumentieren,<br />

optimal aufzubereiten, abzurufen und weiterzuleiten?<br />

7_ BELEGSCHAFT INS BOOT HOLEN<br />

Belegschaft sensibilisieren: Auf Infoveranstaltungen und in Schulungen zeigen,<br />

wie man die Instrumente optimal nutzt. Die Chefetage sollte Vorbild sein.<br />

8_ AUS FEHLERN LERNEN<br />

Früh die Belegschaft zur Kritik ermuntern, schnell auf Fehler reagieren.<br />

9_ ERFOLGE KONTROLLIEREN<br />

Eine quantitative Evaluation ist schwierig, manchmal unmöglich. In jedem Fall<br />

die Kollegenschaft befragen: Was ist besser, was schlechter, gibt es Probleme?<br />

10_ SYSTEM ETABLIEREN<br />

Wissensmanagement funktioniert nicht per Knopfdruck. Die Erfolgschancen<br />

steigen aber, wenn man Wissensmanagement ins Tagesgeschäft einbindet.<br />

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01_2012 | 11


SCHWERPUNKT FALLSTUDIE: SYNAXON<br />

Steht voll hinter der Idee seines Chefs:<br />

Frederic Hahn (r.) Projektleiter im E-Commerce,<br />

hat die Einfühung des Firmenwikis<br />

tatkräftig unterstützt. Frank Roebers (ganz<br />

rechts) dankte ihm, indem er ihm mehr Verantwortung<br />

übertrug.<br />

Text<br />

Melanie Rübartsch<br />

Fotos<br />

Iris Friedrich<br />

Der Umzug war ein Kraftakt. Seit vorigem<br />

November residiert Synaxon nicht mehr in<br />

Bielefeld, sondern im benachbarten Schloss<br />

Holte-Stukenbrock. Die IT-Verbundgruppe,<br />

die Franchise-Systeme und andere Kooperationsmodelle<br />

für 2.700 Computerhändler verwaltet,<br />

ließ eine alte Industrieimmobilie für ihre 140<br />

Beschäftigten umbauen. Um das Projekt neben dem<br />

Tagesgeschäft zu stemmen, hat das dreiköpfige Umzugsorganisationsteam<br />

intensiv mit dem sogenannten<br />

Firmenwiki gearbeitet, eine Art Online-Lexikon<br />

fürs Unternehmen, auf das jeder Beschäftigte zugreifen<br />

und Ergänzungen eintragen kann. „Parallel zu den<br />

ersten Planungen ist ein Umzugsportal auf unserem<br />

Synaxon-Wiki entstanden“, berichtet die Umbaubeauftragte<br />

Hanne Kaup. Gebäude- und Zeitpläne waren<br />

dort ebenso zu finden wie Mitarbeiterumfragen. „Über<br />

die Umfragen konnten wir viele Entscheidungen zum<br />

Beispiel zur Raumausstattung wesentlich schneller<br />

treffen“, resümiert Kaup. Außerdem war die gesamte<br />

Das<br />

wunderbare<br />

Mitmach-<br />

Netz<br />

Synaxon bündelt und verwaltet<br />

seit sechs Jahren das gesamte<br />

Wissen im Unternehmen mit<br />

Hilfe eines Firmenwikis.<br />

Damit ist die IT-Verbundgruppe<br />

aus Westfalen Vorreiter in<br />

Deutschland. Bei der<br />

Belegschaft stößt das Wiki<br />

auf breite Akzeptanz.<br />

Belegschaft stets auf dem aktuellen Stand. Seit sechs<br />

Jahren existiert das firmeneigene Wiki bei Synaxon.<br />

Es ist so etwas wie das zentrale Nervensystem des Unternehmens.<br />

Ähnlich einer interaktiven Datenbank ist<br />

hier in derzeit 56.300 Artikeln das Firmenwissen gebündelt<br />

– von Telefonlisten über Verträge mit Kooperationspartnern<br />

und Prozessbeschreibungen bis hin<br />

zu Listen mit Fachbegriffen.<br />

Ihr kollektives Wissen verwalten die Beschäftigten<br />

gemeinsam. Für den Gebrauch des Firmenwiki<br />

gibt es nämlich wie bei der Online-Enzyklopädie Wikipedia<br />

zwei Regeln: Jeder darf alles lesen und jeder<br />

darf alles ändern. Freigaben sind nicht erforderlich.<br />

Dieses Mitmach-Netz funktioniert bei Synaxon, einem<br />

Unternehmen mit einer Akademikerquote von 80 Prozent<br />

und einem Durchschnittsalter von 35, hervorragend.<br />

Die Vorteile hat Frank Roebers, Vorstandschef<br />

von Synaxon, schnell benannt: „Mehr Transparenz,<br />

mehr Zeit, unmittelbarere Kommunikation, Verflachung<br />

der Hierarchien, mehr Effizienz und mehr Spaß<br />

12 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin


an der Arbeit.“ Die Einführungskosten schätzt Roebers,<br />

der das Projekt persönlich vorangetrieben hat,<br />

auf etwa 30.000 Euro. Es sind hauptsächlich Personalkosten,<br />

die er dem Projekt zuschreiben musste. Die<br />

Software Mediawiki gibt es zum kostenlosen Herunterladen<br />

im Internet. Das Wiki technisch einzurichten,<br />

dauerte einen halben Tag, alle bestehenden Word-Vorlagen<br />

und Formulare von Office zu Wiki zu konvertieren,<br />

acht Manntage. Anfangs wurde das Projekt von<br />

einzelnen Mitarbeitern intensiver betreut, heute werden<br />

die Inhalte von allen Beschäftigten gepflegt. Um<br />

die Sicherheit der Daten und ein regelmäßiges Update<br />

der Software kümmert sich das IT-Team. Die Investitionen<br />

hat Synaxon inzwischen mehr als raus. „Die Produktivität<br />

des Unternehmens ist um das Vierfache gestiegen“,<br />

berichtet Roebers. Das ergab ein Vergleich<br />

der Geschäftszahlen vor und nach Einführung des Wikis.<br />

„Aufgrund der effektiveren Prozesse haben sämtliche<br />

Kollegen mehr Zeit, sich um ihre eigentlichen<br />

Aufgaben zu kümmern.“<br />

Ein Beispiel für mehr Effizienz: Eine Marketing-<br />

Mitarbeiterin hält die Fristen für die Erstellung von<br />

„Mehr Transparenz, mehr Zeit, unmittelbarere<br />

Kommunikation, Verflachung der Hierarchien, mehr Effizienz<br />

und mehr Spaß an der Arbeit.“<br />

Frank Roebers, Vorstandsvorsitzender<br />

01_2012 | 13


SCHWERPUNKT FALLSTUDIE: SYNAXON<br />

Synaxons Wiki im Überblick<br />

Werbeprospekten für zu knapp kalkuliert. Sie ändert<br />

im Wiki die Zeitpläne. Alle am Prozess beteiligten<br />

Abteilungen – Einkauf, Marketing und Buchhaltung<br />

– können widersprechen. Tun sie es nicht, gilt die<br />

neue Regel. Bevor es das Wiki gab, hätte die Kollegin<br />

ein Treffen einberufen müssen oder es wäre ein reger<br />

Mail-Verkehr entstanden – mit der Ungewissheit, ob<br />

rechtzeitig eine Entscheidung gefallen wäre.<br />

Theoretisch kann die Aufforderung, Vorgaben oder<br />

Beschlüsse zu hinterfragen, auch ganz andere Abläufe<br />

provozieren: Die Diskussion fasert aus, kostet Zeit und<br />

eine Entscheidung kommt nicht zustande. Dazu ist es<br />

bei Synaxon bislang nicht gekommen. Vielleicht liegt<br />

es daran, dass alle Mitarbeitenden Änderungen automatisch<br />

unter Angabe ihres Namens machen. Frederic<br />

Hahn, Projektleiter E-Commerce, fügt hinzu: „Wenn<br />

Die Bielefelder IT-Verbundgruppe Synaxon AG bündelt das gesamte<br />

Unternehmenswissen über ein Firmenwiki. Wie in einer Datenbank,<br />

deren Oberfläche den Seiten des Online-Lexikons Wikipedia ähnelt,<br />

verwalten die 140 Beschäftigten hierüber sämtliche firmenrelevanten<br />

Informationen: Von Formularen über Stellenbeschreibungen,<br />

Lieferantenverträgen, Prozessbeschreibungen, Protokollen und<br />

Firmenregeln bis hin zu aktuellen Informationen. Derzeit existieren<br />

rund 56.300 Seiten.<br />

Eine googleartige Suchfunktion ermöglicht den Zugriff auf alle gewünschten<br />

Informationen. Genau wie bei Wikipedia gilt: Jeder kann<br />

alle Inhalte sehen und jeder kann sie jederzeit ändern. Technisch<br />

ist es möglich, Einträge auf einen früheren Stand zurückzusetzen<br />

oder zu löschen.<br />

Synaxons Firmenwiki gliedert sich in zehn verschiedene Wiki-Plattformen,<br />

denen unterschiedliche Zugriffsrechte zugeordnet sind. So<br />

gibt es etwa eine abgespeckte Version – das Synaxon-Open-Company-Wiki<br />

–, die automatisch auch jedem externen Partnerunternehmen<br />

zur Verfügung gestellt wird. Auch für die Abteilungsleiter<br />

und den Vorstand gibt es eigene Portale.<br />

Das Synaxon-Wiki basiert auf der kostenlos im Netz herunterladbaren<br />

Verwaltungssoftware Mediawiki. Die Daten lagern nicht im Internet,<br />

sondern auf den hauseigenen Servern. Die Einführungskosten<br />

schätzt das Unternehmen auf circa 30.000 Euro.<br />

ich solch eine Initiative wie die Änderung einer Deadline<br />

ergreife, möchte ich, dass das Projekt klappt.“ Zur<br />

Sicherheit erlaubt es die Wiki-Technik, alte Versionen<br />

eines Beitrags auf Knopfdruck wiederherzustellen.<br />

Es war der Firmenchef selbst, der die Idee vom Wiki<br />

ins Haus brachte. Den Anstoß brachte ein Vortrag<br />

des Wikipedia-Mitbegründers Jimmy Wales, den er<br />

vor sechs Jahren in Bonn gehört hatte. Roebers Gedanke:<br />

Was im Netz unter Millionen fremden Menschen<br />

funktioniert, muss auch im Betrieb klappen. Im Führungsstab<br />

verursachte sein Enthusiasmus zunächst<br />

Skepsis. „Einige fürchteten Kontrollverlust, andere<br />

unsere Pleite“, erinnert er sich. Heute muss jede Führungskraft<br />

für sich entscheiden, wie intensiv sie Veränderungen<br />

im Wiki verfolgen möchte und wann sie<br />

eingreift. Dabei hilft, dass sich für jedes Thema eine<br />

Mail-Benachrichtigung einrichten lässt,<br />

sobald es neue Einträge gibt.<br />

Auch bei der Belegschaft stieß das<br />

Vorhaben damals auf Skepsis. „Noch<br />

mehr Arbeit“ oder „ich bin ersetzbar,<br />

wenn ich mein Wissen teile“ sagten die<br />

Beschäftigten, zumindest hinter vorgehaltener<br />

Hand. Roebers wandte drei<br />

Tricks an, um mehr Schwung in die Sache<br />

zu bekommen. Er schaltete das alte<br />

Intranet und sämtliche Text-Datenbanken<br />

ab, übertrug alle hinterlegten Formulare<br />

ins Wiki und nahm die aktive<br />

Teilnahme als Bestandteil in die Personalbewertungsbögen<br />

auf: Wer fleißig Artikel<br />

schrieb, wurde besser bewertet.<br />

Der 44-Jährige konnte zudem früh<br />

unter Beweis stellen, wie ernst ihm die<br />

Basisdemokratie war. Seit Jahren hatte<br />

Synaxon sitzt abseits sein Leitbild für Synaxon „Fleiß, Diszip-<br />

der Großstädte im Teulin, Konzentration, Termintreue, Demut“<br />

toburger Wald – und<br />

geheißen. Bis ein Einkäufer bereits am<br />

ist dennoch sehr inno-<br />

dritten Arbeitstag nach seinem Einstieg<br />

vativ: Neue Mitarbeiter,<br />

wie Carmen Lüppers dieses Leitbild via Firmenwiki löschte –<br />

(o.) aus der Buchhal- er hielt es für überholt. Roebers Reaktitung,<br />

können sich dank on: „Nachdem ich tief durchgeatmet hat-<br />

des Firmenwikis einen te, stellte ich mich der Diskussion.“ Nur<br />

schnellen Überblick<br />

auf diese Weise habe er zeigen können,<br />

verschaffen. Ihr Kollege<br />

dass auch der Chef den Wiki-Gedanken<br />

Stephan Raestrup weist<br />

sie ein.<br />

lebt und zu Flexibilität und Kompromissbereitschaft<br />

fähig ist.<br />

Darüber hinaus kann das Netz sogar<br />

Potenziale heben. Wer sich mit klugen Beiträgen zu<br />

Wort meldet, zeigt manchmal Gespür für ganz andere<br />

Geschäftsbereiche. Eine Marketing-Mitarbeiterin, die<br />

viele Artikel über die Qualitätsmanagement-Methode<br />

Six Sigma schrieb, überredete die Firmenleitung,<br />

einen Green Belt zu absolvieren – so heißt eine Fortbildung<br />

für das mittlere Management bei Six Sigma.<br />

Auch Frederic Hahn verdankt seinem Einsatz im Firmennetz,<br />

dass er mehr Verantwortung erhielt. Frank<br />

Roebers ist davon überzeugt, dass jede Firma Wikis<br />

erfolgreich nutzen kann. „Die Unternehmensführung<br />

muss sich aber auf die Idee einlassen, den Beschäftigten<br />

grenzenlos zu vertrauen, und die Freiheit, die man<br />

ihnen gibt, aushalten können.“<br />

14 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin


Es war die britische Wirtschaftspolitik,<br />

die Ende des 19. Jahrhunderts<br />

deutsche Firmen dazu<br />

zwang, beim Export ihrer<br />

Waren nach England explizit<br />

den Hinweis „Made in Germany“ anzufügen.<br />

Die Briten wollten ihre Landsleute<br />

vor vermeintlich minderwertigen<br />

Produkten aus dem Ausland warnen.<br />

Was als Brandmarkung gedacht war,<br />

entwickelte sich zum Gütesiegel. Bis<br />

heute ist der Zusatz „Made in Germany“<br />

weltweit geachtet.<br />

Darauf dürfen wir stolz sein. Wir<br />

sollten aber weder so naiv noch so ar-<br />

KOMMENTAR<br />

GETEILTES WISSEN IST<br />

DOPPELTES WISSEN<br />

Seit der Industriellen Revolution gelten Größenvorteile in der Produktion als der<br />

beste Weg zum Erfolg. In Zukunft wird es für deutsche Betriebe aber viel wichtiger sein,<br />

etwas anderes zu „skalieren“: Das Wissen der Belegschaft.<br />

Kai Mertins ist Professor am Fraunhofer-Institut<br />

für Produktionsanlagen<br />

und Konstruktionstechnik.<br />

rogant sein, unsere Produkte immer in der Top-Liga zu wähnen, abgehoben<br />

von anderen, insbesondere jenen „Made in China“. Noch dominieren unsere<br />

Qualitätsvorsprünge, doch die asiatischen Giganten holen auf und werden<br />

uns überholen, jedenfalls nach den Maßstäben der klassischen „Economies<br />

of Scale“. China verfügt über einen viel größeren Pool an Arbeitskräften und<br />

über viel mehr Kapital. Außerdem über eine Binnennachfrage von 1,3 Milliarden<br />

Menschen.<br />

Wie kann der deutsche Mittelstand dagegen halten? Einige mögen einwenden,<br />

dass dessen Wettbewerbsstärke schon heute längst nicht mehr im<br />

Produktionsvolumen per se steckt, sondern in seinen Erfindungen, gut geschützt<br />

durch Patente. Das stimmt - aber nur teilweise.<br />

64 Prozent aller kleinen und mittelständischen Betriebe befassen sich mit<br />

Produkten und Services, die nicht in den High-Tech-Bereich fallen. Sie stellen<br />

Möbel her, Flaschen, Fenster oder Messer. Produkte also, deren Wettbewerbsvorteile<br />

in weiten Teilen nicht auf Patenten ruhen, sondern auf der Kunst, sie<br />

ständig zu verbessern. Das beginnt bei der Herstellung und endet beim Kundenservice.<br />

Dafür ist eine ständige Prozessoptimierung notwendig – und die<br />

führt im 21. Jahrhundert unweigerlich zum Wissensmanagement.<br />

Unternehmern muss es gelingen, aus ihrem Betrieb ein Ökosystem zu<br />

machen, in dem Beschäftigte ihr Wissen regelmäßig und gern an Kolleginnen<br />

und Kollegen weitergeben. Dabei geht es nicht nur um „klassisches“ Wissen<br />

wie Ausbildung und Erfahrung, sondern auch um Kenntnisse über die Strukturen<br />

des Betriebs sowie Beziehungen zu Kunden und Lieferanten. Ziel ist<br />

es, einen Kreislauf zu schaffen, in dem Wissen besonders effizient erzeugt,<br />

gespeichert, verteilt und angewendet wird – auch<br />

jenseits der Entwicklungsabteilung und der Führungsetagen.<br />

Natürlich wird Wissen schon lange „gemanagt“.<br />

In Jobbeschreibungen, Archiven, Organigrammen<br />

oder Meetings. Doch modernes, prozessuales<br />

Wissensmanagement ist viel mehr – und<br />

es unterscheidet sich in der Herangehensweise.<br />

Chefs können Wissen nicht mehr „von oben“ lenken.<br />

Sie müssen Anreize schaffen, um ihren Leuten<br />

die Vorteile von geteiltem Wissen schmackhaft<br />

zu machen. Dazu ist eine Bestandsaufnahme der<br />

aktuellen Situation notwendig.<br />

Das ist weder teuer noch zeitaufwendig. Auf<br />

der Website unseres Instituts (www.prowis.<br />

net) finden Sie unter „Analysemethoden“ einen<br />

Fitness-Check. Dort können Sie sich bei Registrierung<br />

gratis einen Fragebogen herunterladen:<br />

ein simples Excel-Dokument, das auch Ihre<br />

Beschäftigten ausfüllen sollten. Wollen Sie weiter<br />

eine Wissensbilanz erstellen - ein Instrument zur<br />

gezielten Darstellung und Entwicklung des intellektuellen<br />

Kapitals Ihres Hauses –, schauen Sie<br />

unter www.akwissensbilanz.org. Der Arbeitskreis<br />

Wissensbilanz bietet dort einen Leitfaden und eine<br />

Kontaktdatenbank für 250 Moderatoren.<br />

Ich gebe Ihnen diese Tipps, weil ich weiß, dass<br />

viele Unternehmer Berührungsängste mit dem<br />

Wissensmanagement haben. Sie fürchten, dass<br />

der Aufwand, sich mit dem Thema zu befassen, keinen<br />

ausreichenden „Return on Investment“ bringt.<br />

Tatsächlich mag es auch ohne methodisches Vorgehen<br />

hin und wieder gelingen, dass Beschäftigte<br />

untereinander wichtige Infos austauschen und tolle<br />

Innovationen entwickeln. Wer im globalen Wettbewerb<br />

aber langfristig mithalten will, dem empfehle<br />

ich einen systematischeren Weg.<br />

01_2012 | 15<br />

kai.mertins@ipk.fraunhofer.de


NACHGEFRAGT FRIE<strong>DER</strong>IKE UND SIMONE STRATE<br />

Simone (l.) und<br />

Friederike Strate<br />

verbindet Themen,<br />

bei denen<br />

andere Frauen<br />

eher abwinken:<br />

Sie brauen Bier,<br />

Friederike Strate<br />

jagt gern.<br />

Eine echte Frauenwirtschaft<br />

Sie führen die Strate-Brauerei in Detmold. Sie behaupten sich mit ungewöhnlichen<br />

Mixturen und ihrem lokalen Netzwerk gegen die Konkurrenz der Bierkonzerne.<br />

Friederike und Simone Strate kommen dabei ganz ohne Banken aus.<br />

16 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin


Text<br />

Caspar Dohmen<br />

Fotos<br />

Andreas Oertzen<br />

Jährlich führt Friederike Strate<br />

tausende Besucher durch<br />

die Privatbrauerei. Gewöhnlich<br />

startet sie in der heute als<br />

Firmen- und Familienarchiv<br />

genutzten Bibliothek des neugotischen<br />

Backsteinbaus. Dann stellt<br />

sie sich auf ein kleines Holzpodest<br />

und erzählt, wie alles anfing, damals, anno 1863, als<br />

Adolf Hüppe vor den Detmolder Stadttoren die Brauerei<br />

gründete. Was damals völlig undenkbar war, ist<br />

seit fast zwanzig Jahren Realität: Dass eine Frau als<br />

Braumeisterin das Unternehmen führt. Zusammen<br />

mit ihrer fünf Jahre jüngeren Schwester Simone Strate<br />

stillt die 47-Jährige den Bierdurst der Ostwestfalen.<br />

Das Gebäude-Ensemble der Brauerei sieht äußerlich<br />

noch genauso wie zu Gründungszeiten aus, weil<br />

die Chefinnen die Expansion im Verborgenen vorangetrieben<br />

haben. Unter dem Gebäude und dem umliegenden<br />

Park befindet sich heute ein zweigeschossiger<br />

Keller. Hier haben die Schwestern in den vergangenen<br />

Jahren immer wieder neue Kühltanks bauen lassen.<br />

Schließlich hat sich der Bierabsatz der Kleinbrauerei<br />

seit 1995, als sie das Kommando übernahmen, auf<br />

148.000 Hektoliter fast verdoppelt. Mit 30 Beschäftigten<br />

und einem Umsatz von elf Millionen Euro gehören<br />

sie zu den kleinen Brauereien im Lande. Anders als viele<br />

Konkurrenten ist Strate jedoch bis heute unabhängig,<br />

und das dürfte einiges damit zu tun haben, dass<br />

„Die Belegschaft<br />

hatte Angst, dass<br />

wir Frauen uns<br />

an die Köppe<br />

kriegen.“<br />

Friederike Strate<br />

Es sieht aus wie<br />

zu Gründungszeiten:<br />

Das Gebäude<br />

der Brauerei<br />

Strate. Darunter<br />

wurde sukzessive<br />

ein zweigeschossiger<br />

Keller<br />

für die Kühltanks<br />

des expandierenden<br />

Betriebs<br />

gebaut. Mit dem<br />

Bügelverschluss<br />

für die Flaschen<br />

setzte sich Strate<br />

optisch früh von<br />

den Großbrauereien<br />

ab.<br />

sich die Damen aus Detmold sehr<br />

gut ergänzen: Die ältere Schwester<br />

Friederike kümmert sich um<br />

den Geschmack des Bieres, um die<br />

Qualität, den Verkauf und das Marketing,<br />

die Jüngere verantwortet Finanzen,<br />

Personal und Einkauf.<br />

Zwei Ereignisse, erzählen sie,<br />

haben ihr Verhältnis entscheidend geprägt: Zum einen<br />

war da der jahrelange Zwist ihres Vaters mit dem<br />

Onkel, den sie während ihrer Jugend erlebten. Privater<br />

Streit vermengte sich mit geschäftlichen Belangen,<br />

es bildeten sich Lager zwischen den Familien und im<br />

Betrieb. Es war eine lähmende Situation unter einem<br />

Dach. „Nichts auf dieser Welt ist es wert, dass wir uns<br />

in die Wolle kriegen“, beschlossen sie schon als Jugendliche.<br />

Noch stärker zusammengeschweißt hat sie der<br />

plötzliche Tod des Vaters. 1995 starb Friedrich Strate<br />

an Krebs, erst neun Monate zuvor hatten die Ärzte die<br />

Krankheit diagnostiziert. Für die Familie war es eine<br />

harte Zeit. Die Schwestern wechselten sich mit ihrer<br />

Mutter am Sterbebett ab. Nun lag die Verantwortung<br />

bei ihnen – und bei ihrer Mutter: Damals mischte Renate<br />

Strate, die noch heute zum Kreis der Geschäftsführerinnen<br />

gehört, stärker im Tagesgeschäft mit.<br />

Schon zu Lebzeiten ihres Mannes hatte sie etwa darauf<br />

gepocht, einen Bügelverschluss für die Bierflaschen<br />

einzuführen. Damit setzte sich Strate deutlich<br />

01_2012 | 17<br />

VITA<br />

FRIE<strong>DER</strong>IKE STRATE<br />

1964 wird sie geboren.<br />

1979 beginnt sie nach der<br />

Mittleren Reife am Gymnasium<br />

eine Lehre als Brauerin<br />

im elterlichen Betrieb.<br />

1983 wird sie die jüngste<br />

Braumeisterin Deutschlands.<br />

1984 Studium (BWL Schwerpunkt<br />

Marketing) an der European<br />

Business School in<br />

Oestricht-Winkel mit Stationen<br />

in Paris und London. Anschließend<br />

kehrt sie in den<br />

elterlichen Betrieb zurück.<br />

1995 nach dem Tod des Vaters<br />

führt sie gemeinsam mit<br />

ihrer Schwester Simone und<br />

Mutter Renate die Brauerei.<br />

1996 Start der Expansion<br />

des Betriebes.<br />

2007 stellt sie gemeinsam<br />

mit ihrer Schwester den Betrieb<br />

fast komplett auf lokale<br />

Zulieferer um.<br />

VITA<br />

SIMONE STRATE<br />

1969 wird sie geboren.<br />

1988 macht sie eine Banklehre<br />

bei der örtlichen Sparkasse<br />

Detmold.<br />

1990 beginnt sie ein BWL-<br />

Studium in Aachen mit<br />

Schwerpunkt Produktion,<br />

Kostentheorie und Finanzen.<br />

1995 übernimmt sie mit ihrer<br />

Schwester und ihrer Mutter<br />

die Brauerei.<br />

2000 Das Duo erhält den<br />

„Unternehmerpreis des Jahres<br />

Ostwestfalen-Lippe“.


NACHGEFRAGT FRIE<strong>DER</strong>IKE UND SIMONE STRATE<br />

Fragebogen<br />

FRIE<strong>DER</strong>IKE STRATE<br />

Welchen Berufswunsch hatten Sie mit<br />

14 Jahren?<br />

Bierbrauer.<br />

Wie viele Bewerbungsgespräche haben<br />

Sie geführt – als Bewerber?<br />

Gar keins.<br />

Wie viele Bewerbungsgespräche haben<br />

Sie geführt – als Arbeitgeber?<br />

Den Bewerbungsgesprächen wohne ich nur bei.<br />

Lieblingsgericht?<br />

Ich esse saisonale Dinge, gerne bodenständig.<br />

Was ärgert Sie am meisten am deutschen<br />

Arbeitsmarkt?<br />

Das Ungleichgewicht bei den Kündigungszeiten<br />

für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.<br />

SIMONE STRATE<br />

Welchen Berufswunsch hatten Sie mit<br />

14 Jahren?<br />

Eigentlich keinen.<br />

Wie viele Bewerbungsgespräche haben<br />

Sie geführt – als Bewerber?<br />

Eins.<br />

Wie viele Bewerbungsgespräche haben<br />

Sie geführt – als Arbeitgeber?<br />

Etwa 350.<br />

Lieblingsgericht?<br />

Erbsensuppe.<br />

Was ärgert Sie am meisten am deutschen<br />

Arbeitsmarkt?<br />

Manche der neuen Berufsabschlüsse. Weil sie<br />

immer besser klingen, als das, was dahinter<br />

steckt, tatsächlich ist.<br />

Was die Schwestern noch am Arbeitsmarkt zu<br />

bemängeln haben? Schauen Sie unter<br />

www.faktor-a.arbeitsagentur.de<br />

von den Bieren der Großbrauereien<br />

ab. Zeitweise avancierte „Detmolder“,<br />

so die Marke des Strate-Biers,<br />

zu einem Kultbier in Hamburger<br />

Kneipen. Die Mutter hatte es auch<br />

verstanden, die Familie – und damit<br />

die Marke – geschickt in Szene zu<br />

setzen. Dass ihre Tochter Friederike<br />

die Meisterschule für Brauer und<br />

Mälzer absolvierte und mit 19 Jahren<br />

jüngste Bierbrauerin Deutschlands<br />

wurde, erfuhren viele aus der<br />

Bild-Zeitung.<br />

Der Vater hatte seine Älteste<br />

schon früh als Nachfolgerin auserkoren.<br />

Dabei war sie, die Temperamentvollere,<br />

in der Schule eher eine<br />

„faule Nuss“: Nach der Mittleren<br />

Reife ging sie ab. Für Simone Strate,<br />

die akribischere und fleißigere<br />

der Schwestern, war hingegen keine<br />

Nachfolge vorgesehen. „Ich fand<br />

es schrecklich, als Vater sagte ,Du<br />

kannst werden, was du willst‘“, erzählt<br />

die Jüngere. Sie hing am Betrieb,<br />

aber für sie fehlte die Perspektive<br />

in dem Kleinunternehmen.<br />

Schrittweise nabelte sie sich ab:<br />

Lehre bei der örtlichen Sparkasse,<br />

BWL-Studium in Aachen. Als sie<br />

1994 für ein Semester nach England<br />

gehen wollte, bat der erkrankte<br />

Vater sie doch: „Komm zurück!“<br />

Der Onkel war ausgezahlt und der<br />

Betrieb wuchs. „Für einen alleine<br />

wäre das zu viel gewesen“, sagt die<br />

Ältere, das habe ihr Vater erkannt.<br />

Manch einer hatte 1995 Zweifel<br />

an der Frauenwirtschaft, ein Mitarbeiter<br />

kündigte sogar. „Die Belegschaft<br />

hatte Angst, dass wir drei<br />

Frauen uns untereinander an die<br />

Köppe kriegen“, sagt die Braumeisterin schmunzelnd.<br />

Auch beim Besuch der Braumesse in Nürnberg wurden<br />

sie gefragt, wo denn der Chef sei.<br />

Im Gespräch ist ihr Vater bis heute präsent. „Pa-<br />

Die Schwestern<br />

spielen die regionale<br />

Karte: Ihr Bier<br />

verkaufen sie ausschließlich<br />

im Umkreis<br />

von Detmold.<br />

Die benötigten Materialien<br />

für die Produktion<br />

kaufen sie<br />

möglichst auch in<br />

der Region ein.<br />

pa wollte ..., Papa hat gesagt ...“, so fangen viele Sätze<br />

an. Dabei haben sie ziemlich schnell ziemlich viel<br />

anders gemacht nach seinem Tod. Vier Generationen<br />

lang hatte die Brauerei stets nur eine Sorte gebraut:<br />

Detmolder Pilsener. Die Juniorchefinnen probierten<br />

ganz neue Rezepturen aus. Heute bieten sie neun Sorten<br />

an: Landbier, Weizen und sogar Glühbier, eine Mischung<br />

aus Pils, Sauerkirschsaft und Zimt-Nelkenaroma,<br />

die warm getrunken wird. „Man muss heute ein<br />

Komplettsortiment anbieten“, sagt Simone Strate.<br />

Bemerkenswert ist, dass die Schwestern ohne Kredite<br />

oder Leasingverträge auskommen. „Das mag eine<br />

verstaubte Einstellung sein, aber uns ist das wichtig“,<br />

sagen sie. Steht eine Betriebsausgabe an, dann warten<br />

sie, bis sie die Summe für die Anschaffung beisammen<br />

haben. Voriges Jahr haben sie etwa ein Blockheizkraftwerk<br />

gebaut und eine Solaranlage auf dem Dach.<br />

Die Brauerei setzt auf die Region: Die Unternehmerinnen<br />

verkaufen ihr Bier über den Fachhandel in<br />

einem Umkreis von 120 Kilometern. Höher ist die Gewinnspanne,<br />

wenn größere Abnehmer direkt in der<br />

Brauerei kaufen – regionale Vereine etwa. Im Gegenzug<br />

sponsert Strate 800 Clubs durch regelmäßige Jahresbeiträge<br />

oder projektbezogene Zuschüsse, etwa für<br />

den Bau eines Vereinsheims. Bis zu einer Million Euro<br />

ist ihnen dieses Sponsoring wert.<br />

Vor acht Jahren hatte Strate die Idee, möglichst viel<br />

auch in der Region einzukaufen. Vorher orientierten<br />

sie sich allein am Preis, nun war ihnen der regionale<br />

Bezug wichtig. Heute kommen Werbematerialien wie<br />

Flaggen aus Höxter, Papiertüten aus Bielefeld, Bierpappen<br />

aus Hövel. 90 Prozent ihres Umsatzes machen<br />

sie mit Bier, den Rest mit Waren wie „Bier-Senf“ oder<br />

„Glüh-Bier-Gelee“. Das jüngste Produkt im Sortiment<br />

ist der „Royal“, von dem die örtliche Sparkasse gerade<br />

400 Flaschen bestellt hat. Royal ist ein Mischgetränk<br />

aus Prosecco, Pfirsichlikör und Weizenbier. Mit der Rezeptur<br />

liebäugelte Friederike Strate schon länger, es<br />

fehlte nur das passende Gefäß. Das hat schließlich ihre<br />

Schwester gefunden: In Italien hatten Biobauern eine<br />

Champagnerflasche mit Bügelverschluss entworfen<br />

und schützen lassen. Kurzentschlossen rief sie dort<br />

an. Tatsächlich gaben die Bauern die Freigabe für die<br />

Nutzung der Flasche, gratis. Die Chemie muss wohl<br />

gestimmt haben – zwischen den italienischen Biobauern<br />

und den ostwestfälischen Brauexpertinnen.<br />

18 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin


Fotos: Bauwens GmbH & Co. KG<br />

„Besser, man hieße<br />

manchmal Schmitz“<br />

Patrick Adenauer, Enkel des ersten Bundeskanzlers, formte eine<br />

veraltete Baufirma zum smarten Dienstleister. Ein Gespräch über<br />

Bürde und Würde seines Namens sowie den Ruf von Baulöwen.<br />

Herr Adenauer, Sie wollten nach dem<br />

Studium Unternehmen beraten und<br />

überwachen. Stattdessen sind Sie jetzt<br />

selbst Unternehmer. Ein Widerspruch?<br />

Nein. Ich habe meine ersten Berufsjahre<br />

als Berater immer als Grundlage gesehen, um mich<br />

nachher entscheiden zu können zwischen diesen bei-<br />

den Berufswegen: mich entweder als Wirtschaftsprüfer<br />

selbständig zu machen oder aber ein Unternehmen<br />

zu führen. Mein Bruder hatte damals Bauwens von seinem<br />

Patenonkel übernommen, der keine Kinder hatte.<br />

Er brauchte starke Unterstützung in einem schwierigen<br />

Umfeld. Das passte gut, mein Bruder Architekt,<br />

ich Betriebswirt.<br />

NACHGEFRAGT PATRICK ADENAUER<br />

01_2012 | 19<br />

Text<br />

Petra Schäfer<br />

Fotos<br />

Andreas Oertzen<br />

Adenauer ist gut verdrahtet.<br />

Die vergangenen sechs Jahre<br />

war er Präsident des Verbands<br />

der Familienunternehmer.<br />

Patrick Adenauer mit der Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel,<br />

dem Bundesverkehrsminister<br />

Peter Ramsauer und dem<br />

Grünen-Politiker Cem Özdemir<br />

(von oben nach unten).


NACHGEFRAGT PATRICK ADENAUER<br />

Patrick Adenauer hat keine Probleme mit dem Ruf der Baubranche. Für ihn gehören Investmentbanker heute eher zur problematischen<br />

Berufsgruppe. „Die Bauleute sind mittlerweile die Guten.“<br />

DAS<br />

UNTERNEHMEN<br />

Die Kölner Baufirma Bauwens,<br />

1873 von den gleichnamigen<br />

Brüdern Peter und<br />

Camille gegründet, gehörte<br />

lange zu den Institutionen<br />

der Branche. Unter Anerkennung<br />

durch den damaligen<br />

Kölner Oberbürgermeister<br />

Konrad Adenauer errichtete<br />

Bauwens 1930 erstmals eine<br />

schlüsselfertige Industrieanlage,<br />

die Ford-Werke.<br />

Mitte der 90er Jahre sanierten<br />

Paul Bauwens-Adenauer<br />

und Patrick Adenauer das<br />

Unternehmen. Heute ist es<br />

ein Anbieter mit den Sparten<br />

Bau, Entwicklung und Gebäudeverwaltung.<br />

200 Beschäftigte<br />

erwirtschaften mit<br />

Immobilienentwicklung und<br />

Bau einen Jahresumsatz von<br />

150 Millionen Euro.<br />

Hatten Sie nie Berührungsängste mit „Baulöwen“?<br />

Die Baubranche gilt nicht als besonders gesittet.<br />

Natürlich war die Baubranche schwierig. Aber es kann<br />

durchaus positiv sein, auf dem Bau tätig zu werden.<br />

Paul-Ernst Bauwens, der Patenonkel meines Bruders,<br />

hat seine Sache gut gemacht und war als respektierte<br />

Persönlichkeit ein Vorbild. Dadurch hat er sein Unternehmen<br />

und die Branche für uns interessant gemacht.<br />

Heute müssen Sie sich doch eher fragen, ob es richtig<br />

ist, wenn Sie Investmentbanker werden wollen. Die<br />

Bauleute sind mittlerweile die Guten.<br />

Sie waren 29, als Sie Geschäftsführer bei Bauwens<br />

wurden – und das gleich mit einem Sanierungsprojekt<br />

im Stahlbau. Nichts für Grünschnäbel.<br />

Das war eine Riesenumstellung. Als angehender Wirtschaftsprüfer<br />

bei Peat, Marwick, Mitchell & Co. (heute<br />

Teil von KPMG) war ich in internationale Strukturen<br />

eingebunden und arbeitete in einem festen Korsett.<br />

Ich lernte eine Menge über Unternehmen, aber das<br />

Thema Menschenführung und Restrukturierung war<br />

nicht dabei.<br />

Allerdings war ich zuvor bei der Bundeswehr und wurde<br />

zum Reserveoffizier ausgebildet. Dabei habe ich gelernt,<br />

Menschen als Vorgesetzter in der Truppe zu führen.<br />

Ich hatte damals gerade Abitur gemacht, meine<br />

Grundausbildung hinter mir und musste dann selber<br />

Unterricht vor Rekruten abhalten. Das freie Reden vor<br />

20 Leuten, sich klar zu artikulieren, ohne Missverständnisse<br />

auszulösen, hat mich geprägt.<br />

Menschenkenntnis ist eins, aber spezifische Branchenkenntnis<br />

war in dieser Situation doch sicherlich<br />

noch wichtiger, oder?<br />

Ich konnte mich schnell in die Branche einfinden.<br />

Aber wirklich wichtig war, dass wir die beschlossenen<br />

Sanierungsmaßnahmen nachvollziehbar in vielen Gesprächen<br />

rübergebracht haben. Wir haben auch unangenehme<br />

Gespräche zum Stellenabbau persönlich geführt<br />

und nicht an Berater delegiert.<br />

Der Betrieb hatte damals mehr als 1.000 Beschäftigte.<br />

Wir haben uns nach und nach von den Handwerkern<br />

und Bauarbeitern trennen müssen und die Niederlassungen<br />

reduziert – und dafür mehr eigene Ingenieure<br />

und Architekten eingestellt. Heute beschäftigen wir<br />

keine eigenen Bautrupps mehr, dafür planen und entwickeln<br />

wir Gebäude mit unseren eigenen Leuten.<br />

Sie beide haben das etwas veraltete Unternehmen<br />

in den neunziger Jahren also komplett auf den Kopf<br />

gestellt. Von den verbliebenen 200 Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern sind gut die Hälfte Akademikerinnen<br />

und Akademiker. Wie haben Sie das den<br />

Bauarbeitern vermittelt?<br />

Mein Bruder und ich haben den Mitarbeitern verdeutlichen<br />

können, dass es gar nicht anders funktioniert.<br />

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind damals<br />

noch hervorragend in anderen Baufirmen untergekommen.<br />

Wir haben viele vermittelt, keiner ist auf der<br />

Strecke geblieben. Wirtschaft funktioniert nur über<br />

den Wandel. Die eigentliche Leistung der 90er Jahre<br />

ist doch, dass die Wirtschaft flexibler und innovativer<br />

geworden ist. Da steht diese Geschichte stellvertretend<br />

für viele andere auch.<br />

Und das haben Ihre Leute verstanden?<br />

Klar, sonst hätten sie das ja nicht mitgemacht. Das<br />

Unternehmertum ist kein Zuckerschlecken. Es geht<br />

nicht immer nur nach oben. Unternehmertum wird oft<br />

gleichgesetzt mit ‚große Autos fahren und viel Geld<br />

verdienen‘. Aber jeder Tag besteht aus dem Lösen von<br />

Problemen.<br />

20 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin


„Unternehmertum ist kein<br />

Zuckerschlecken. Jeder<br />

Tag besteht aus dem Lösen<br />

von Problemen.“<br />

Als Sie in die Baufirma kamen, in ein hartes Männergeschäft,<br />

gab es da eine Unternehmenskultur?<br />

Bevor mein Bruder und später ich kamen, wurde die<br />

Firma sehr patriarchalisch gelenkt. Anfang der 90er<br />

gab es einen Workshop, in dem die Beschäftigten beschreiben<br />

sollten, wie das Unternehmen aussähe, wäre<br />

es eine Person. Heraus kam dabei das Bild eines<br />

Sechzigjährigen mit Hut in einem mittelgroßen Diesel-Mercedes.<br />

Welcher Geist herrscht heute?<br />

Heute würde man Bauwens als jüngeren Mann in einem<br />

modernen, schnellen Auto sehen. Wir haben einen<br />

kommunikativeren Stil eingeführt, ohne Titel wie<br />

„Direktoren“. Wir haben auf den direkten Kontakt mit<br />

der Belegschaft und hohe Transparenz unserer Entscheidungen<br />

gesetzt. Bei uns herrscht Partnerschaft<br />

mit dem Kunden, wir lassen niemanden ins offene<br />

Messer laufen, wie das sonst im Bau schon einmal passieren<br />

kann.<br />

Solche Prestigeobjekte wie die Elbphilharmonie, die<br />

immer teurer wird, würden wir gar nicht erst angehen.<br />

Unser Ansatz ist Kostenklarheit und Transparenz.<br />

Wenn wir sehen, dass ein Kunde mit einem Projekt<br />

Probleme bekommen könnte, dann nehmen wir<br />

es nicht an. Wir haben ein gutes Image, sind mittelständisch,<br />

familiengeführt und kombinieren Bau mit<br />

Entwicklung.<br />

Ist Ihnen bei der Talentsuche eigentlich schon mal<br />

der schlechte Ruf der Kölner Baubranche auf die<br />

Füße gefallen? Ihre Firma hatte daran keinen Anteil,<br />

aber der Einsturz des Kölner Stadtarchivs<br />

2009 hat große Wellen geschlagen.<br />

Das mit dem Stadtarchiv durfte und brauchte nicht<br />

passieren! Trotzdem: Bauen ist zwar keine „Rocket<br />

Science“, aber dennoch extrem komplex. Sie bauen<br />

immer Prototypen, kein Serienprodukt. Unfälle passieren<br />

leider, wenn Fehler gemacht werden.<br />

Wir tun alles, solche zu vermeiden, und haben uns<br />

deshalb sehr auf bestimmte Bereiche spezialisiert,<br />

um Know-how-Vorteile zu erreichen. Sonderprojekte<br />

wie der Brücken- oder U-Bahn-Bau gehören nicht<br />

mehr dazu. Aber wenn die Menschheit sich weiterentwickeln<br />

will, dann muss sie auch akzeptieren, dass es<br />

schon mal Probleme gibt. Baufachkräften ist das klar,<br />

sie wollen gestalten. Wir haben also keine Probleme,<br />

gute Leute zu finden.<br />

Zieht Ihr Name gute Leute an?<br />

Der Gesamtauftritt des Unternehmens ist werbend –<br />

vielleicht wirkt auch, dass mein Bruder und ich einen<br />

bekannten Namen tragen. Der Name verpflichtet, einen<br />

guten Job zu machen. Es ist nicht nur schön, sondern<br />

immer wieder ein großer Anspruch. Aber das ist<br />

unsere grundsätzliche Haltung, zu den Dingen zu stehen,<br />

die wir tun. Als Firma gehen wir nur Verpflichtungen<br />

ein, die wir erfüllen können. Aber auch als<br />

Privatperson halte ich es für richtig, dass man seine<br />

Angelegenheiten ordentlich regelt. Zum Beispiel<br />

Hausangestellte ordnungsgemäß einzustellen.<br />

Haben Sie sich schon einmal gewünscht, nicht diesen<br />

Namen zu tragen?<br />

Obwohl wir dafür bekannt sind, fair mit unseren Geschäftspartnern<br />

umzugehen, ist es vorgekommen,<br />

dass sich Geschäftspartner ungerecht behandelt fühlten.<br />

Sie suchten dann die Auseinandersetzung. Wenn<br />

sie dabei Ungutes im Schilde führten, haben sie versucht,<br />

mich zu erpressen: ‚Wenn Sie meine Forderung<br />

nicht erfüllen, dann bringe ich Sie in die Zeitung‘, hieß<br />

es. Besser, man hieße dann Schmitz.<br />

01_2012 | 21<br />

ZUR PERSON<br />

Patrick Adenauer, Jahrgang<br />

1960, ist gemeinsam mit<br />

seinem Bruder Paul Bauwens-Adenauer<br />

und einem<br />

weiteren Partner Geschäftsführender<br />

Gesellschafter<br />

der Unternehmensgruppe<br />

Bauwens. Der gebürtige Kölner<br />

kam direkt nach seiner<br />

Promotion in BWL und ersten<br />

Schritten in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />

zum Bau. Sein Bruder hatte<br />

ihn nach vier Jahren bei Peat,<br />

Marwick, Mitchell & Co (heute<br />

KPMG) als Vertrauten in<br />

die marode Firma geholt.<br />

Adenauer ist CDU-Mitglied<br />

und führte von 2005 bis<br />

Mai 2011 als Präsident den<br />

Verband „Die Familienunternehmer<br />

– ASU“. In dieser<br />

Funktion war er Diskussionspartner<br />

der Politik zum Thema<br />

Mittelstand. Die Adenauer-Brüder<br />

haben die Kölner<br />

Grün Stiftung zur Erhaltung<br />

der Parks der Metropole ins<br />

Leben gerufen. Adenauer<br />

ist verheiratet und hat zwei<br />

Kinder.


SERVICE SELBSTVERMARKTUNG<br />

Die Möglichkeiten sind unendlich!<br />

Selbstständige sollten<br />

daher einen Plan erstellen,<br />

wie sie sich am besten<br />

ins Gespräch bringen. Und<br />

trotz Berührungsängsten:<br />

Auch für lokale Anbieter bietet<br />

das Internet Chancen.<br />

Nicht so leise bitte!<br />

Klappern gehört zum Handwerk: So bringen sich<br />

Kleinunternehmer und Freiberufler auch ohne dicken Werbeetat<br />

ins Gespräch und gewinnen Kunden.<br />

22 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin


Foto: Institut für Kommunikation im Mittelstand (IfKiM)<br />

Wer in die Suchmaschine Google das<br />

Suchwort „Trocknungsfachbetrieb“<br />

eingibt, landet unweigerlich bei Michael<br />

Grübel. Der gelernte Bauklempner<br />

und staatlich geprüfte Betriebswirt<br />

kann die Top-Treffer fast komplett für sich verbuchen.<br />

Dabei leitet der 43-Jährige keinen großen Baukonzern,<br />

sondern einen kleinen Handwerksbetrieb in Bielefeld,<br />

den er vor 15 Jahren selbst gegründet hat.<br />

Das Geheimnis seines Marketing-Erfolges: Tue<br />

Gutes und rede darüber. 2003 hat der Handwerker<br />

die gemeinnützige Aktion „Michael Grübel Helfende<br />

Hände“ ins Leben gerufen. Dort können sich zum Beispiel<br />

Kindergärten oder Altenheime bewerben, die<br />

Bau- oder Renovierungsmaßnahmen nicht aus eigenen<br />

Mitteln stemmen können. Die<br />

Firma Grübel unterstützt ausgewählte<br />

Projekte mit Fachwissen,<br />

Arbeitskraft, Material<br />

oder Werkzeug. Außerdem<br />

„spendet“ der Unternehmer<br />

Zeit für ältere Menschen und<br />

gestaltet mit Familie und Mitarbeitenden<br />

regelmäßig bunte<br />

Stunden im Seniorenheim.<br />

Sein soziales Engagement<br />

hat Michael Grübel schon diverse<br />

Auszeichnungen und viel positive<br />

Presse eingebracht. Und neue<br />

Aufträge: Trotz Krise ist die Firma<br />

in den vergangenen Jahren von sieben<br />

auf 37 Beschäftigte angewachsen.<br />

„Die Unternehmensmarke<br />

profitiert sehr stark durch<br />

die Helfenden Hände“, ist der<br />

Chef überzeugt. Kunden entschieden<br />

sich eher für ein Unternehmen,<br />

das sich seiner gesellschaftlichen<br />

Verantwortung<br />

bewusst sei und der Gesellschaft etwas zurückgebe.<br />

Eine eigene Website, Poster und Flyer informieren deshalb<br />

über die Helfenden Hände. Die Internetadresse<br />

wird auch in der Firmenkorrespondenz oder in Stellenanzeigen<br />

genannt. Angeboten oder Rechnungen<br />

liegen Pressemeldungen zu den sozialen Projekten<br />

bei. Ganz nebenbei bescheren Aktionen in Schulen<br />

oder Kindergärten dem Unternehmen wertvolle Kontakte<br />

zu potenziellen Kundinnen und Kunden – den<br />

Eltern –, die sich bei gemeinsamen Bauprojekten live<br />

von dessen Kompetenz und Leistungsfähigkeit überzeugen<br />

können.<br />

Soziales lokales Engagement ist nach Ansicht von<br />

Marketing-Fachleuten ein äußerst wirkungsvolles Instrument<br />

zur Selbstvermarktung. Gerade kleine Firmen<br />

können selbst bei begrenztem Budget viel damit<br />

erreichen. Michael Grübel nutzt beispielsweise<br />

die auslastungsschwächeren Wochen für seine sozialen<br />

Projekte. So vermeidet er, dass ihm bezahlte Aufträge<br />

mangels Personal entgehen. „Wichtig für den<br />

glaubwürdigen Auftritt ist ein möglichst konkreter<br />

Bezug zur Geschäftstätigkeit“, ergänzt Philip Müller,<br />

Geschäftsführer des Instituts für Kommunikation im<br />

Mittelstand IfKiM. So wie bei Grübel, der sich als Problemlöser<br />

präsentiert. Einfach einen Scheck in die Kamera<br />

zu halten, sei dagegen out: „Damit bleiben Sie<br />

nicht lange im Gedächtnis“, warnt Müller.<br />

Ebenfalls out ist heute die totale Internet-Abstinenz:<br />

„Was man nicht googeln kann, existiert<br />

praktisch nicht“, sagt der IfKiM-Chef Müller. Eine<br />

redaktionell gepflegte, gut verlinkte Website wie<br />

www.gruebel-helfende-haende.de garantiere Top-Treffer.<br />

Doch auch Einträge in Branchenverzeichnisse oder<br />

auf andere Plattformen sowie ein Xing-Profil seien hilfreich.<br />

„Wichtig ist, dass die Kunden Sie überhaupt finden,<br />

wenn sie online nach entsprechenden Anbietern<br />

im Umkreis suchen oder Ihren Firmennamen eingeben.“<br />

Die meisten Online-Präsenzen kosten nur weni-<br />

„Was man nicht googeln kann, existiert praktisch nicht.<br />

Wichtig ist, dass die Kunden Sie überhaupt finden,<br />

wenn sie online nach entsprechenden Anbietern im<br />

Umkreis suchen oder Ihren Firmennamen eingeben.“<br />

Philip Müller, Geschäftsführer des Instituts für Kommunikation im Mittelstand IfKiM<br />

01_2012 | 23<br />

Text<br />

Kirstin von Elm<br />

Illustration<br />

Sarah Egbert Eiersholt


SERVICE SELBSTVERMARKTUNG<br />

Weitere konkrete Tipps<br />

für Ihre Selbstvermarktung<br />

finden Sie unter<br />

www.faktor-a.<br />

arbeitsagentur.de<br />

Markenpflege fürs „Ich“<br />

Je kleiner das Unternehmen und je direkter<br />

der Kundenkontakt, desto entscheidender<br />

auch der persönliche Auftritt.<br />

Fünf Tipps von Business Coach<br />

und Stimmtrainerin Martina Schuster.<br />

1Definieren Sie Ihre Kernbotschaft: Wofür<br />

brennen Sie? Was unterscheidet Sie von<br />

der Konkurrenz?<br />

2Formulieren Sie drei bis vier griffige<br />

Argumente für Ihr Leistungsangebot.<br />

3Üben Sie den „Elevator Pitch“: Die<br />

Dauer einer Fahrstuhlfahrt, also 40 bis 50<br />

Sekunden, muss ausreichen, um sich zu präsentieren.<br />

4Bleiben Sie dabei locker und natürlich.<br />

Reden Sie langsam und ruhig, machen<br />

Sie kleine Pausen, vermeiden Sie hektische<br />

Füllwörter.<br />

5Holen Sie Feedback ein – wie wirken Sie<br />

auf andere, was signalisiert Ihre Körperhaltung?<br />

Ein professionelles Sprachtraining<br />

kostet ca. 70 – 100 Euro pro Stunde. Schon<br />

ein Vormittag bringt oft entscheidende Verbesserungen.<br />

ge Euro pro Monat. Umgekehrt bedeutet der Verzicht<br />

darauf oft erhebliche Umsatzeinbußen.<br />

„Gerade Neukunden wollen sich erst mal online<br />

über Preise und Öffnungszeiten informieren“, bestätigt<br />

Cornelia Seidel aus Mönkeberg bei Kiel. Nach einer<br />

Ausbildung zur Kosmetikerin hat sich die ehemalige<br />

Krankenschwester vor zwei Jahren<br />

selbständig gemacht. Unterstützt von einer<br />

Freundin stellte sie kürzlich ihre eigene<br />

Website ins Netz. Programmierkenntnisse<br />

waren nicht erforderlich,<br />

denn Dienstleister bieten leicht bedienbare<br />

Baukastensysteme.<br />

Um Kunden näher für die<br />

eigene Firma zu interessieren,<br />

ist es allerdings wichtig,<br />

dass die Inhalte der<br />

Website auf<br />

wenige<br />

Blicke überzeugen:<br />

Klar strukturiert und<br />

übersichtlich, benutzerfreundlich, einer<br />

gängigen Navigation folgend und auf allen<br />

Endgeräten lesbar. Die regelmäßige Aktualisierung<br />

sollte selbstverständlich<br />

sein, genauso wie die Mög-<br />

lichkeit zur Interaktion. Wer<br />

online ist, will auch per Mail<br />

Infos erfragen können.<br />

Im Grunde weiß heute jeder<br />

Unternehmer, dass er auf<br />

das Internet nicht verzichten<br />

kann. Trotzdem vernachlässigen<br />

viele das Thema, machmal<br />

auch, weil es keine eigene<br />

IT-Abteilung gibt. Einen<br />

online-affinen Mitarbeiter<br />

zum Internetbeauftragten zu<br />

machen, ist eine Möglichkeit,<br />

das Problem zu lösen. Wenn<br />

der dann auch noch Spaß am<br />

Bloggen oder Twittern hat,<br />

umso besser.<br />

Trotz der Verlagerung<br />

in die Online-Welt: Die lokale<br />

Presse bleibt ein wichtiger<br />

Kanal. Regelmäßig eine<br />

schlichte Anzeige zu schalten,<br />

bringt wesentlich mehr,<br />

als den kompletten Werbeetat<br />

für ein einzelnes Hochglanz-<br />

Inserat zu verbraten. Anzeigenblätter<br />

belohnen treue<br />

Kunden oft mit redaktionellen<br />

Beiträgen – eine wertvol-<br />

le Gelegenheit, um sich als Experte zu präsentieren.<br />

Es lohnt, Themenpläne der Redaktionen anzufordern<br />

und sich an Sonderbeilagen zu beteiligen.<br />

Wer ein jüngeres oder besonders online-affines<br />

Publikum – beispielsweise Geschäftsreisende – ansprechen<br />

möchte, dem bietet mobiles<br />

Marketing via Handy ganz<br />

neue Wege. Sogenannte Location<br />

Based Services erlauben es,<br />

die Kunden ohne Streuverluste<br />

genau dann zu erreichen,<br />

wenn sie sich in der Nähe<br />

des eigenen Geschäftes<br />

befinden und sich für die<br />

offerierten Leistungen<br />

interessieren. Die Kunden<br />

laden sich dazu kleine Programme,<br />

sogenannte Apps<br />

(kurz für Applikationen = Anwendungen)<br />

aufs Mobiltelefon<br />

und können sich damit etwa über<br />

Restaurants, Bars, Hotels, Shops<br />

oder Sonderangebote im Umkreis informieren. Der<br />

Clou: Die teure Software-Plattform stellen (werbefinanzierte)<br />

Mediendienstleister wie beispielsweise<br />

Foursquare, Friendticker oder Checkit Mobile bereit.<br />

Lokale Unternehmen können ihre Angebote dagegen<br />

gratis oder gegen geringe Gebühren einstellen.<br />

Gastwirt Alexander Schwarz aus München offeriert<br />

beispielsweise über Foursquare Freibier für alle, die<br />

mindestens zehnmal in seine Bar „Niederlassung“<br />

einchecken und dies über das soziale Netzwerk kommunizieren:<br />

„Wir haben auf diesem Weg schon öfters<br />

neue Gäste gewonnen – und das nahezu kostenlos“,<br />

sagt der 40-jährige Existenzgründer.<br />

Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten warnt<br />

Kommunikationsprofi Philip Müller jedoch vor<br />

blindem Aktionismus: „Sie müssen nicht auf allen<br />

Kanälen gleichzeitig funken“, sagt er. Wichtig sei,<br />

zunächst genau zu überlegen, wofür Sie stehen und<br />

wen Sie überhaupt erreichen möchten. Im nächsten<br />

Schritt gilt es, die Kommunikationswege auszuwählen,<br />

auf denen Sie Ihre Zielgruppe am besten erreichen.<br />

Das kann die klassische Zeitungsanzeige sein<br />

oder ein modernes soziales Netzwerk, eine Branchenmesse<br />

oder ein Tag der offenen Tür, ein attraktives<br />

Schaufenster oder eine originelle Gratispostkarte, die<br />

Sie heute schon in kleinen Auflagen bei Online-Druckereien<br />

wie Vistaprint oder Unitedprint preiswert<br />

nach eigenen Vorgaben gestalten können.<br />

Auf Kommunikation zu verzichten, ist dagegen<br />

keine Lösung: „In Krisenzeiten das Budget zu kürzen,<br />

ist sehr gefährlich und viel zu kurzfristig gedacht“,<br />

warnt Philip Müller vor reflexartigem Sparen. Gerade,<br />

wenn die Kunden ausbleiben, müsse man aktiv<br />

gegensteuern. Wer die Uhr anhält, spart ja schließlich<br />

auch keine Zeit.<br />

24 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin


Verschwitzt, aber lachend – so erinnert sich<br />

der Schreinermeister an seinen ersten Eindruck<br />

von Mahmood Nori. Die Schreinerei<br />

Weick liegt etwas außerhalb von Cadolzburg<br />

bei Nürnberg. Nori wusste das nicht<br />

und war die drei Kilometer vom Bahnhof im Laufschritt<br />

gehetzt, um doch noch pünktlich zum Vorstellungstermin<br />

zu kommen. „Das war eines der Mosaiksteinchen,<br />

die dem Team gezeigt haben, der will das<br />

wirklich“, sagt Oskar Weick, der Inhaber.<br />

Nori hat Biochemie studiert, im Iran. Er spricht<br />

gut Deutsch, wenn es darum geht, politikphilosophische<br />

Fragen zu erörtern, und man ihm Zeit lässt. Mit<br />

dem Small Talk in der Schreinerwerkstatt tut er sich<br />

SERVICE BESCHÄFTIGUNGSPAKT 50 PLUS<br />

Oben auf der Werteskala<br />

Die Liste der Vorurteile gegenüber älteren Arbeitslosen ist lang:<br />

Nicht auf der Höhe der Zeit, zu langsam, zu teuer.<br />

Dass ein Umdenken nötig ist, zeigt der Schreiner Oskar Weick.<br />

Für ihn ist die Beschäftigung von Mahmood Nori ein persönlicher Gewinn.<br />

schwer, mit Dialekten sowieso – und er ist heute 58<br />

Jahre alt. Kein gutes Alter, um mit Sprachschwierigkeiten<br />

und langjähriger Berufsentfremdung, wie es<br />

die Jobcenter nennen, wieder einzusteigen.<br />

„In der normalen Job-<br />

vermittlung gehen einem die<br />

Älteren oft durch die Lappen.“<br />

Franziska Zühlke, Pakt 50 für Nürnberg und Fürth<br />

01_2012 | 25<br />

Text<br />

Agnes Fazekas<br />

Fotos<br />

Stephan Minx<br />

Oskar Weick (l.) gibt Fachhelfern<br />

wie Mahmood Nori<br />

sehr gern eine Chance:<br />

„Das ist ein anderer Wert<br />

für mich.“


SERVICE BESCHÄFTIGUNGSPAKT 50 PLUS<br />

„PERSPEKTIVE<br />

50 PLUS“<br />

Seit 2006 gibt es das Bundesprogramm.<br />

Es soll die<br />

Beschäftigungschancen älterer<br />

Langzeitarbeitsloser<br />

verbessern. Neben der Wirtschaft<br />

soll auch die Kreativität<br />

der Regionen miteinbezogen<br />

werden. Das Jobcenter<br />

Nürnberg war von Anfang an<br />

dabei, als das Ministerium<br />

für Arbeit und Soziales den<br />

Ideenwettbewerb für die Regionen<br />

ausgeschrieben hat.<br />

Damals gab es etwa 20 Pakte,<br />

heute sind es bundesweit<br />

an die 80.<br />

Die Nürnberger Initiative<br />

versucht auf verschiedenen<br />

Ebenen gleichzeitig anzusetzen:<br />

das potenzielle Personal<br />

individuell zu betreuen, die<br />

Region zu sensibilisieren und<br />

Vorurteile in Unternehmen<br />

abzubauen.<br />

Vergleichbare Projekte<br />

auf Bundesebene:<br />

www.perspektive<br />

50plus.de<br />

POTENZIALE<br />

ERKENNEN.<br />

CHANCEN NUTZEN.<br />

Offene Stellen? Nutzen Sie<br />

die Vorteile, die sich durch<br />

die Einstellung von Hartz IV-<br />

Empfängern ergeben. Finden<br />

Sie Fachkräfte und profitieren<br />

von den Zuschussmöglichkeiten<br />

zur Wiedereingliederung<br />

von Arbeitnehmern.<br />

Weitere Informationen<br />

für Arbeitgeber:<br />

www.jobcenter-<br />

ichbingut.de<br />

Aber er hat Glück gehabt: Der Schreinermeister<br />

Weick findet Altersdiskriminierung furchtbar und<br />

sieht sogar Verständigungsprobleme positiv: „Wenn<br />

man sich nicht deutlich ausdrückt, bekommt man vielleicht<br />

das Falsche – aber das diszipliniert uns in der<br />

Kommunikation, und das kann uns allen im Betrieb<br />

nicht schaden.“ Dennoch rechnet der Chef einen „Aufpreis“<br />

für Nori ein: „Wir könnten wesentlich mehr<br />

Geld verdienen, wenn wir nicht so menschlich wären.<br />

Aber ich find’s klasse, wenn man Leute fördern kann.<br />

Das ist ein anderer Wert für mich.“<br />

Ohne besondere Vermittlung wäre der Naturwissenschaftler<br />

Nori, der sich in der Freizeit mit Weltliteratur<br />

von Dickens bis Stendhal beschäftigt, kaum auf<br />

die Schreinerwerkstatt gestoßen. Schon in den ersten<br />

paar Jahren in Deutschland arbeitete er als Zeitarbeiter<br />

für Tischler – seit 1982 hatte er einen deutschen<br />

Pass. Doch er fand keinen festen Job. Er machte eine<br />

Weiterbildung zum Technischen Zeichner – jedoch<br />

ohne Abschluss. Da war die Sprache, die nicht reichte<br />

– und Depressionen. Lange Zeit hatte er zurückgewollt<br />

in den Iran, aber nicht<br />

unter den Bedingungen des Regimes.<br />

Er hatte dort im Gefängnis<br />

gesessen, wurde gefoltert.<br />

So ist er langsam in die Jahre<br />

gekommen.<br />

Dass Oskar Weick ältere<br />

Kollegen wegen ihrer Erfahrung<br />

– im Beruf und im Leben<br />

– schätzt, war ein Glücksfall für<br />

Nori. Der Schreinermeister hatte<br />

eine Veranstaltung der Perspektive<br />

50 Plus besucht, ein<br />

Programm zur Vermittlung älterer<br />

Arbeitsloser. Die 20 bis<br />

30 Bewerberprofile, die er dort sorgfältig ausgearbeitet<br />

vorfand, haben ihn angesprochen. Und so bat er<br />

den Betreuer vor Ort, ihm den Ambitioniertesten und<br />

Engagiertesten vorbeizuschicken.<br />

„In der normalen Jobvermittlung gehen einem die<br />

Älteren oft durch die Lappen“, sagt Franziska Zühlke,<br />

Koordinatorin beim Pakt 50 für Nürnberg und Fürth.<br />

Bei ihr im Kompetenzzentrum landen die Fälle, die als<br />

schwer vermittelbar gelten, weil: zu alt. „Unser A und<br />

O ist der Betreuungsschlüssel“, sagt Zühlke. Beraterinnen<br />

oder Berater, die mit 60 Klienten eine verhältnismäßig<br />

geringe Zahl betreuen, kennen eben auch<br />

deren Soft Skills und finden berufliche Alternativen,<br />

auch wenn es an speziellen Fachkenntnissen mangelt.<br />

Das sei oft die größte Herausforderung, weiß Zühlke:<br />

Einen Job finden, hinter dem die Arbeitsuchenden<br />

stehen können. „Manche haben vielleicht mal gut verdient,<br />

danach fragt der Markt aber nicht. Manche sind<br />

auch etwas realitätsfern, da sind wir dann zuständig,<br />

etwas Wirklichkeit hereinzulassen“, sagt sie.<br />

Und wie integriert sich ein Akademiker aus dem<br />

Iran als Helfer in der fränkischen Schreinerei?<br />

„Ein Mensch ist entweder motiviert oder unmotiviert.<br />

Da ist es für mich vollkommen sekundär,<br />

wie alt der ist“, sagt der 41-jährige Weick. Und Nori<br />

„Wenn der Mensch macht, was er mag,<br />

kommt mehr heraus.“ So lautet die Überzeugung<br />

des Schreiners Weick (o.r.). Mahmood<br />

Nori setzt er daher oft in der Werkstatt ein.<br />

sei überdurchschnittlich engagiert.<br />

Als Fachhelfer ist er<br />

für die Kontrolle des Lagerwesens<br />

verantwortlich und hilft<br />

an vielen anderen Stellen mit.<br />

Er hat in zwei Jahren nur zweimal<br />

gefehlt. Weick muss ihn<br />

nach Hause schicken, wenn er<br />

krank ist.<br />

Der Schreinermeister beschäftigt<br />

zehn Mitarbeiter, Nori<br />

ist einer von zwei Fachhelfern.<br />

Zum Facharbeiter fehlen ihm<br />

Führerschein und Sprachkenntnisse. Dennoch hält<br />

sein Chef gern an ihm fest: Generell seien im Handwerk<br />

ältere Mitarbeiter von Vorteil. Da gehe es weniger<br />

um sich ständig wandelnde Anforderungen, wie<br />

etwa in der EDV. Erfahrung seien viel wichtiger, auch<br />

zur Ausbildung von Lehrlingen.<br />

Mittelständler, so hat Franziska Zühlke festgestellt,<br />

sind oft aufgeschlossener für ihre Klientel. „Sie<br />

haben andere Rekrutierungsverfahren als große Firmen,<br />

reden auch mit Leuten, die spontan vorbeischneien.“<br />

Oft hapere es schon an einer schlechten Präsentation,<br />

weil Ältere nicht mehr an sich glauben, sagt sie.<br />

Es gebe viele, die noch arbeiten könnten, aber durch<br />

Absagen oder Misserfolge frustriert seien. Der Ansatz<br />

vom Pakt 50 sei deshalb „Perspektivenwechsel, den<br />

Älteren den Blick öffnen!“<br />

Bei Weick rennt sie damit offene Türen ein: Vielleicht<br />

liegt es daran, dass dieser schon immer mit seinem<br />

Vater zusammenarbeitet. Der ist inzwischen 81<br />

- und hilft noch heute mit. Kann sein, sagt der Junior,<br />

dass ihn das auch tolerant gegenüber älteren Arbeitnehmern<br />

macht. Viel lieber redet er aber über eine<br />

gute Stimmung - als über Jahre. „Unmotivierte Leute<br />

können wir nicht gebrauchen, die machen schlechte<br />

Stimmung.“ Wenn alle Kollegen aber motiviert sind,<br />

gehe die Arbeit viel leichter von der Hand.<br />

26 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin


17.02.2012 Berlin Das erste Bar<br />

Camp zu Fragen aus dem Personalbereich<br />

findet statt. Diskutiert werden<br />

Themen mit Social-Media-Bezug: Personalbeschaffung,<br />

-entwicklung und<br />

Teamarbeit 2.0. Aktives Mitmachen<br />

der Besucher ist – wie bei Bar Camps<br />

üblich – essenziell. www.hrbarcamp.de<br />

06. - 10.03.2012 Hannover Die digitale<br />

Industrie trifft sich zur Cebit in<br />

Hannover. Das Schwerpunktthema<br />

heißt „Managing Trust“, wobei es um<br />

Vertrauen und Sicherheit in der IT-<br />

Branche geht. Das Motto soll sich als<br />

roter Faden durch die gesamte Veranstaltung<br />

ziehen und auf den vier Plattformen<br />

der Messe diskutiert werden.<br />

www.cebit.de<br />

22.03.2012 Osnabrück Unter dem<br />

Titel Demografische Arbeitswelten<br />

veranstaltet der Bundesverband Mittelständische<br />

Wirtschaft einen Abend in<br />

der Reihe „Meeting Mittelstand“. Ein<br />

Demografie-Lotse stellt Handlungsoptionen<br />

für Unternehmer vor. BVMW<br />

Osnabrück, www.bvmw.de<br />

PUBLIKATIONEN<br />

Finanzielle Mitarbeiter-<br />

beteiligung – ein Instrument<br />

zur Sanierung? Auch während<br />

der Krise haben Betriebe das Modell<br />

der Mitarbeiterbeteiligung<br />

nicht nennenswert genutzt. Es<br />

wurden weder Gewinn- noch Kapitalbeteiligungen häufiger eingeführt.<br />

Dennoch gibt es Beispiele erfolgreicher Firmensanierungen mittels Kapitalbeteiligung<br />

durch die Beschäftigten.<br />

www.iab.de > Publikationen > IAB Kurzbericht<br />

Herausgeber: Bundesagentur für Arbeit,<br />

Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg<br />

www.arbeitsagentur.de<br />

Gesamtkoordination: Anne-Kathrin Büttner<br />

(anne-kathrin.buettner@arbeitsagentur.de)<br />

Redaktionsteam – Bundesagentur:<br />

Tobias Burkhardt, Dr. Oliver Fischer, Gerhard Müller,<br />

Petra Rössler, Angela Sternke<br />

Verlag: G+J Corporate Editors, Stubbenhuk 10,<br />

20459 Hamburg, www.corporate-editors.com<br />

TERMINE & PUBLIKATIONEN<br />

14. - 18.02.2012 Hannover Europas größte<br />

Bildungsmesse Didacta spiegelt Themen<br />

rund ums Lernen und Lehren in allen Lebensphasen.<br />

Interessant für Unternehmer sind die<br />

Bereiche Ausbildung und Qualifikation sowie<br />

Weiterbildung und Beratung. Auf 35.000 Quadratmetern<br />

präsentieren 700 Aussteller Produkte<br />

und Trends. Darüber hinaus sind 1.500<br />

Workshops und Vorträge angekündigt.<br />

www.didacta-hannover.de<br />

Verlagskoordination:<br />

Edith Fleckenstein (fleckenstein.edith@guj.de)<br />

Redaktionelle Umsetzung & Gestaltung:<br />

Ambo Media GmbH<br />

Spitalerstraße 16, 20095 Hamburg<br />

www.ambomedia.com<br />

Chefredaktion:<br />

Carsten Heller (carsten.heller@arbeitsagentur.de)<br />

Dr. Thomas Clark (thomas.clark@ambomedia.com;<br />

verantwortlich im Sinne des Presserechts)<br />

31.01. - 02.02.2012 Karlsruhe Zum 20.<br />

Mal findet die Leitmesse für professionelle<br />

Bildung, Lernen und IT Learntec statt. Das<br />

zentrale Thema der Veranstaltung heißt E-<br />

Learning, dazu zählen u.a. Mobile Learning,<br />

Social Media und Serious Games. Neben<br />

der Messe gibt es ein Rahmenprogramm<br />

mit Fachvorträgen und Best-Practice-Beiträgen.<br />

In der Messe Karlsruhe.<br />

www.learntec.de<br />

28. - 29.02.2012 Berlin Zum siebten<br />

Mal veranstaltet die Gesellschaft für Marketing<br />

und Service der Deutschen Arbeitgeber<br />

mbH (GDA) zusammen mit der Fachzeitschrift<br />

„Arbeit und Arbeitsrecht“ den<br />

Kongress Arbeitsrecht. Sie richtet sich<br />

an Geschäftsführer und Personalchefs.<br />

www.kongress-arbeitsrecht-2012.de<br />

Beschäftigung, Arbeit und Unternehmertum in<br />

deutschen Kleinbetrieben Das IAB Betriebspanel zeigt<br />

interessante Unterschiede zwischen kleinen und größeren<br />

Firmen: Kleinunternehmen bieten beispielsweise seltener<br />

wissensintensive Arbeitsplätze an. Zudem wird ihnen ein<br />

geringeres Produktivitäts- und Lohnniveau zugeschrieben,<br />

genauso wie eine kleinere Exportquote. Dennoch wurde der<br />

Beschäftigungsanstieg im Jahr 2010 sehr stark von Kleinstbetrieben<br />

getragen.<br />

www.iab.de > Publikationen > Forschungsbericht<br />

Art Direktion/Design:<br />

Andreas Volleritsch (andreas.volleritsch@ambomedia.com)<br />

Chefin vom Dienst:<br />

Peggy Hoyer (peggy.hoyer@ambomedia.com)<br />

Textchefin: Stefanie Bilen (stefanie.bilen@ambomedia.com)<br />

Mitwirkende dieser Ausgabe: Silke Burmester, Caspar<br />

Dohmen, Kirstin von Elm (evm), Agnes Fazekas, Judith-Maria<br />

Gillies, Melanie Rübartsch, Petra Schäfer<br />

Lektorat: Tilman Baucken; Lithografie: 4mat media<br />

Druck: MKL Druck GmbH & Co. KG<br />

Feedback bitte an redaktion.faktor-a@arbeitsagentur.de; das Magazin können Sie kostenlos abonnieren unter www.faktor-a.arbeitsagentur.de<br />

01_2012 | 27<br />

Impressum


EIN LOTSE<br />

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Mitarbeiter mit Migrationshintergrund<br />

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