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DER KREISLAUF DES WISSENS DER KREISLAUF DES WISSENS

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SCHWERPUNKT FALLSTUDIE: SYNAXON<br />

Synaxons Wiki im Überblick<br />

Werbeprospekten für zu knapp kalkuliert. Sie ändert<br />

im Wiki die Zeitpläne. Alle am Prozess beteiligten<br />

Abteilungen – Einkauf, Marketing und Buchhaltung<br />

– können widersprechen. Tun sie es nicht, gilt die<br />

neue Regel. Bevor es das Wiki gab, hätte die Kollegin<br />

ein Treffen einberufen müssen oder es wäre ein reger<br />

Mail-Verkehr entstanden – mit der Ungewissheit, ob<br />

rechtzeitig eine Entscheidung gefallen wäre.<br />

Theoretisch kann die Aufforderung, Vorgaben oder<br />

Beschlüsse zu hinterfragen, auch ganz andere Abläufe<br />

provozieren: Die Diskussion fasert aus, kostet Zeit und<br />

eine Entscheidung kommt nicht zustande. Dazu ist es<br />

bei Synaxon bislang nicht gekommen. Vielleicht liegt<br />

es daran, dass alle Mitarbeitenden Änderungen automatisch<br />

unter Angabe ihres Namens machen. Frederic<br />

Hahn, Projektleiter E-Commerce, fügt hinzu: „Wenn<br />

Die Bielefelder IT-Verbundgruppe Synaxon AG bündelt das gesamte<br />

Unternehmenswissen über ein Firmenwiki. Wie in einer Datenbank,<br />

deren Oberfläche den Seiten des Online-Lexikons Wikipedia ähnelt,<br />

verwalten die 140 Beschäftigten hierüber sämtliche firmenrelevanten<br />

Informationen: Von Formularen über Stellenbeschreibungen,<br />

Lieferantenverträgen, Prozessbeschreibungen, Protokollen und<br />

Firmenregeln bis hin zu aktuellen Informationen. Derzeit existieren<br />

rund 56.300 Seiten.<br />

Eine googleartige Suchfunktion ermöglicht den Zugriff auf alle gewünschten<br />

Informationen. Genau wie bei Wikipedia gilt: Jeder kann<br />

alle Inhalte sehen und jeder kann sie jederzeit ändern. Technisch<br />

ist es möglich, Einträge auf einen früheren Stand zurückzusetzen<br />

oder zu löschen.<br />

Synaxons Firmenwiki gliedert sich in zehn verschiedene Wiki-Plattformen,<br />

denen unterschiedliche Zugriffsrechte zugeordnet sind. So<br />

gibt es etwa eine abgespeckte Version – das Synaxon-Open-Company-Wiki<br />

–, die automatisch auch jedem externen Partnerunternehmen<br />

zur Verfügung gestellt wird. Auch für die Abteilungsleiter<br />

und den Vorstand gibt es eigene Portale.<br />

Das Synaxon-Wiki basiert auf der kostenlos im Netz herunterladbaren<br />

Verwaltungssoftware Mediawiki. Die Daten lagern nicht im Internet,<br />

sondern auf den hauseigenen Servern. Die Einführungskosten<br />

schätzt das Unternehmen auf circa 30.000 Euro.<br />

ich solch eine Initiative wie die Änderung einer Deadline<br />

ergreife, möchte ich, dass das Projekt klappt.“ Zur<br />

Sicherheit erlaubt es die Wiki-Technik, alte Versionen<br />

eines Beitrags auf Knopfdruck wiederherzustellen.<br />

Es war der Firmenchef selbst, der die Idee vom Wiki<br />

ins Haus brachte. Den Anstoß brachte ein Vortrag<br />

des Wikipedia-Mitbegründers Jimmy Wales, den er<br />

vor sechs Jahren in Bonn gehört hatte. Roebers Gedanke:<br />

Was im Netz unter Millionen fremden Menschen<br />

funktioniert, muss auch im Betrieb klappen. Im Führungsstab<br />

verursachte sein Enthusiasmus zunächst<br />

Skepsis. „Einige fürchteten Kontrollverlust, andere<br />

unsere Pleite“, erinnert er sich. Heute muss jede Führungskraft<br />

für sich entscheiden, wie intensiv sie Veränderungen<br />

im Wiki verfolgen möchte und wann sie<br />

eingreift. Dabei hilft, dass sich für jedes Thema eine<br />

Mail-Benachrichtigung einrichten lässt,<br />

sobald es neue Einträge gibt.<br />

Auch bei der Belegschaft stieß das<br />

Vorhaben damals auf Skepsis. „Noch<br />

mehr Arbeit“ oder „ich bin ersetzbar,<br />

wenn ich mein Wissen teile“ sagten die<br />

Beschäftigten, zumindest hinter vorgehaltener<br />

Hand. Roebers wandte drei<br />

Tricks an, um mehr Schwung in die Sache<br />

zu bekommen. Er schaltete das alte<br />

Intranet und sämtliche Text-Datenbanken<br />

ab, übertrug alle hinterlegten Formulare<br />

ins Wiki und nahm die aktive<br />

Teilnahme als Bestandteil in die Personalbewertungsbögen<br />

auf: Wer fleißig Artikel<br />

schrieb, wurde besser bewertet.<br />

Der 44-Jährige konnte zudem früh<br />

unter Beweis stellen, wie ernst ihm die<br />

Basisdemokratie war. Seit Jahren hatte<br />

Synaxon sitzt abseits sein Leitbild für Synaxon „Fleiß, Diszip-<br />

der Großstädte im Teulin, Konzentration, Termintreue, Demut“<br />

toburger Wald – und<br />

geheißen. Bis ein Einkäufer bereits am<br />

ist dennoch sehr inno-<br />

dritten Arbeitstag nach seinem Einstieg<br />

vativ: Neue Mitarbeiter,<br />

wie Carmen Lüppers dieses Leitbild via Firmenwiki löschte –<br />

(o.) aus der Buchhal- er hielt es für überholt. Roebers Reaktitung,<br />

können sich dank on: „Nachdem ich tief durchgeatmet hat-<br />

des Firmenwikis einen te, stellte ich mich der Diskussion.“ Nur<br />

schnellen Überblick<br />

auf diese Weise habe er zeigen können,<br />

verschaffen. Ihr Kollege<br />

dass auch der Chef den Wiki-Gedanken<br />

Stephan Raestrup weist<br />

sie ein.<br />

lebt und zu Flexibilität und Kompromissbereitschaft<br />

fähig ist.<br />

Darüber hinaus kann das Netz sogar<br />

Potenziale heben. Wer sich mit klugen Beiträgen zu<br />

Wort meldet, zeigt manchmal Gespür für ganz andere<br />

Geschäftsbereiche. Eine Marketing-Mitarbeiterin, die<br />

viele Artikel über die Qualitätsmanagement-Methode<br />

Six Sigma schrieb, überredete die Firmenleitung,<br />

einen Green Belt zu absolvieren – so heißt eine Fortbildung<br />

für das mittlere Management bei Six Sigma.<br />

Auch Frederic Hahn verdankt seinem Einsatz im Firmennetz,<br />

dass er mehr Verantwortung erhielt. Frank<br />

Roebers ist davon überzeugt, dass jede Firma Wikis<br />

erfolgreich nutzen kann. „Die Unternehmensführung<br />

muss sich aber auf die Idee einlassen, den Beschäftigten<br />

grenzenlos zu vertrauen, und die Freiheit, die man<br />

ihnen gibt, aushalten können.“<br />

14 | 01_2012 FaktorA | Das Arbeitgebermagazin

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