zds#42
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14 | BERICHT<br />
BERICHT | 15<br />
Sonntags sangen die Zwangsarbeiter manchmal verbotene Lieder.<br />
Wurden sie dabei erwischt, drohten Prügel oder noch mehr Arbeit.<br />
Im Bremer Staatsarchiv stehen heute umfangreiche<br />
Akten zur Wollkämmerei. Was vorher<br />
noch abstrakt wirkte, wird auf dem dünnen Papier<br />
plötzlich sehr real. Die vergilbten Schreiben<br />
in ihren grauen Pappmappen handeln vor allem<br />
von Lebensmittelbestellungen und dem Essen in<br />
der Lagerküche. Dazwischen tauchen immer wieder<br />
Bestellungen von Desinfektionsmitteln für die<br />
Schädlingsbekämpfung auf. Nowak erinnert sich<br />
in „Hungern für Hitler“, dass die „Betlejemka“<br />
einmal gegen Schädlinge behandelt wurde. „Auch<br />
das hat nicht viel genützt, denn das Ungeziefer saß<br />
tief in den Mauerritzen, und schon in den nächsten<br />
Nächten kam es wieder vorgekrochen. Trotz<br />
unserer Erschöpfung und trotz der allmählichen<br />
Gewöhnung an die Wanzenstiche konnten wir<br />
manchmal überhaupt nicht schlafen.“<br />
Ein Schreiben sticht aus dem Sammelsurium<br />
an Unterlagen besonders heraus. Es ist eine<br />
Antwort der Gauverwaltung Weser-Ems, wohl<br />
aufgrund von Beschwerden über fehlendes Essen<br />
für die „Ostarbeiter“; der Anfang des Briefes fehlt<br />
inzwischen. Es ist „irrig zu behaupten“, dass das<br />
Essen „nicht ausreichend sei“, ist da nachzulesen.<br />
Die Kochweise sei schuld daran, wenn die Lebensmittel<br />
nicht genügten.<br />
Matuszewski berichtet in „Hungern für<br />
Hitler“ von dem Heimweh, das fast alle gehabt<br />
hätten. Und davon, dass sie sonntags Lieder gesungen<br />
haben, auch verbotene. Wurden sie dabei<br />
erwischt, drohten zur Strafe Prügel oder Arbeit.<br />
Er zog die Schläge einer Aufgabe wie dem Ausladen<br />
von Waggons vor: „Schlimmste Strafe ist das:<br />
Arbeit nach Arbeit. Sind Priegel doch leichter<br />
zum Aushalten“, sagt Matuszewski. Auch Nowak<br />
berichtet von Misshandlungen: „Gogol, der Lagerführer,<br />
hatte im Keller des Lagers Albrechtstraße<br />
eine Art ‚Strafkammer‘ eingerichtet. Dort wurden<br />
die Prügelstrafen vollstreckt, die uns wegen jeder<br />
‚Pflichtverletzung‘ zudiktiert worden waren.“<br />
Auch andere Strafen wurden erteilt – sie reichten<br />
von Geldstrafen bis hin zur Internierung in<br />
Arbeitserziehungs- oder Konzentrationslagern.<br />
Auf Beziehungen zu deutschen Frauen stand die<br />
Todesstrafe.<br />
Gut einen Kilometer von der BWK entfernt<br />
liegt eine Grünanlage direkt an der Weser, die<br />
Bahrsplate. Es gibt Fußballtore und einen Spielplatz,<br />
im Hintergrund ist noch ein Schornstein<br />
der BWK zu sehen. Was heute ein kleiner Park am<br />
Rande eines Wohngebietes ist, war in den 1940ern<br />
zunächst ein Lager für Zwangsarbeiter aus der<br />
Sowjetunion, ab 1943 dann auch eines für Kriegsgefangene.<br />
Ab August 1944 diente die Bahrsplate<br />
zudem als Außenlager des Konzentrationslagers<br />
Neuengamme. Das Lager soll gut einsehbar gewesen<br />
sein und lag damals nur ein paar Hundert<br />
Meter von den nächsten Wohnhäusern entfernt.<br />
Auf dem Gelände wurden Menschen hingerichtet<br />
– so etwa zwei Polen am 29. Oktober 1944. Neben<br />
Häftlingen und Wachmannschaften wurden auch<br />
Blumenthaler Zeugen dieser Tat.<br />
Nicht zentral, aber dennoch prominent gelegen,<br />
gibt es einen Rosengarten auf der Bahrsplate.<br />
Die 1985 errichtete Gedenkstätte „Rosen für die<br />
Opfer“ erinnert an die Menschen, die hier gelitten<br />
haben. Initiiert wurde sie durch den antifaschistischen<br />
Arbeitskreis, heute Teil der Internationalen<br />
Friedensschule Bremen.<br />
Diese war es auch, die 2009 zusammen mit<br />
einer Klasse der Berufsschule an der Alwin-<br />
Lonke-Straße den Denkort um den „Stein der Hoffnung“<br />
erweiterte, nach einem langen Entscheidungsprozess,<br />
in den auch BürgerInnen involviert<br />
waren. „Es richtet sich nicht gegen die Leute, es ist<br />
für die Leute“, sagt Meyer. Das Denkmal besteht<br />
aus aufeinandergestapelten Blöcken aus der ehemaligen<br />
Häftlingsstraße, die von der Bahrsplate<br />
zur BWK führte. Auf zahlreichen Metallschildern<br />
stehen Name, Geburts- und Todesdatum sowie<br />
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das Herkunftsland der bekannten Todesopfer geschrieben.<br />
2009 waren es 123 Namen, weitere Plaketten<br />
blieben frei – für bisher unbekannte Opfer.<br />
„Inzwischen sind 128 Namen vermerkt, von zwei<br />
weiteren haben wir gerade erfahren, die sollen<br />
bald ergänzt werden“, sagt Meyer. „Es ist auch ein<br />
Ort für die Angehörigen, eine Suche geht hier für<br />
sie zu Ende.“<br />
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Der Förderverein Kämmereimuseum<br />
Blumenthal möchte dem Werk ein Denkmal<br />
setzen und so vor dem Vergessen bewahren.<br />
Jördis Früchtenicht studiert bald Medienkultur<br />
und war bei der Recherche von detaillierten<br />
Akten im Staatsarchiv besonders beeindruckt.<br />
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