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zds#42

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DIE ZEITSCHRIFT<br />

DER STRASSE<br />

Das Bremer Straßenmagazin<br />

Ausgabe 42<br />

WWW.zeitschrift-der-strasse.de<br />

Preis: 2 Euro<br />

Davon 1 Euro für<br />

den verkäufer<br />

WOLL<br />

KÄMMEREI<br />

GESUCHT WIRD:<br />

EINE VISION<br />

UND MITTENDRIN<br />

DAS LAGER<br />

SCHURR<br />

STINKT'S<br />

DIE REKORD-<br />

BRECHERIN<br />

Was soll eigentlich<br />

aus dieser Industriebrache<br />

werden?<br />

Einst schufteten<br />

hier Zwangsarbeiter.<br />

Eine Spurensuche<br />

Lange kämpfte er<br />

gegen den Müll. Doch<br />

es geht um viel mehr<br />

Olympia blieb ihr<br />

verwehrt. Jetzt wurde<br />

sie Weltmeisterin


EDITORIAL | 3<br />

Vom Aufstieg<br />

und Fall<br />

Liebe Leserinnen<br />

und Leser,<br />

Blumenthal ist nur ein kleines Fischerdorf außerhalb des Zollgebietes,<br />

als einige Konsuln und Kaufleute hier 1883 eine Aktiengesellschaft<br />

gründen: die Bremer Wollkämmerei. Heute steht Blumenthal vor allem<br />

für wirtschaftlichen Niedergang und soziale Probleme, irgendwo am<br />

Rande der Stadt. Dazwischen liegen Aufstieg und Fall eines Unternehmens,<br />

das mal zu den ganz Großen seiner Branche gehörte und der Stadt<br />

ein riesiges, noch dazu weitgehend denkmalgeschütztes Areal hinterlassen<br />

hat. Blumenthal, das war die Wollkämmerei.<br />

Was aus all dem jetzt werden soll? Wir haben uns mal eine Weile drinnen<br />

umgesehen (Seite 16) und dann ein paar Leute gefragt, die sich mit so<br />

was auskennen. Welche Visionen sie für die Wollkämmerei haben, ist ab<br />

Seite 8 nachzulesen und auch anzugucken. Außerdem haben wir nach<br />

den Spuren der ZwangsarbeiterInnen gesucht, die einst hier schuften<br />

mussten (Seite 12). Wir haben einen Mann besucht, der am Beispiel unseres<br />

Mülls viel über die Entwicklung dieser Brache in neuerer Zeit erzählen<br />

kann (Seite 22). Und eine Frau, die auch mal ganz oben war – und sich in<br />

Blumenthal wieder zurückgekämpft hat. Das Ergebnis: lauter Rekorde,<br />

ab Seite 26.<br />

Viel Vergnügen beim Lesen wünschen<br />

Jan Zier, Philipp Jarke<br />

und das ganze Team der Zeitschrift der Straße<br />

Foto Titelseite: Ann-Kathrin Just<br />

Seite 2: Rebeca Dobrică<br />

Die Zeitschrift der Straße<br />

… ist das Bremer Straßenmagazin – ein gemeinsames Projekt<br />

von Studierenden, JournalistInnen, sozial Engagierten, StreetworkerInnen,<br />

HochschullehrerInnen und von Menschen, die<br />

von Wohnungslosigkeit und Armut bedroht oder betroffen<br />

sind. Herausgegeben wird sie von dem Verein für Innere Mission<br />

in Bremen. Die Zeitschrift der Straße wird auf der Straße<br />

verkauft, die Hälfte des Verkaufserlöses geht an die VerkäuferInnen.<br />

Jede Ausgabe widmet sich einem anderen Ort in Bremen<br />

und erzählt Geschichten von der Straße.


DIE ORIGINALEN<br />

Das ist Bremens Visitenkarte! Wenn Sie mit<br />

Bremen zu tun haben, hier leben, hier Ihren<br />

Firmensitz haben, dann kommen Sie an dem<br />

Klassiker der Bremenkalender wohl nicht vorbei<br />

… Und bestimmt werden Sie kaum etwas<br />

Originelleres verschenken können!<br />

„Da nich’ für“, sagt der Bremer, wenn er was<br />

prima gemacht hat und er noch nicht einmal<br />

ein Dankeschön erwartet. „Da nich’ für“, sagt<br />

auch unser Premium-Kalender zu allen, die ihn<br />

in die Hand bekommen. Da sehen Sie die<br />

Wesermetropole von einer anderen Seite.<br />

Die ganz neuen Stadtansichten werden mit<br />

frechem Strich gezeigt, mit all dem witzigen<br />

Drumherum, das detailverliebt in jeder Ecke<br />

steckt. So kennen Sie die Doell Kalender. Je<br />

mehr die Stadt sich verändert, desto frischer<br />

weht auch hier der Wind.<br />

Inhalt<br />

08 Gesucht wird: eine Vision<br />

Was soll eigentlich aus dem Gelände der<br />

Bremer Wollkämmerei werden?<br />

12 Und mittendrin das Lager<br />

Im Zweiten Weltkrieg schufteten<br />

hier über 1.000 ZwangsarbeiterInnen.<br />

Eine Spurensuche<br />

16 Aus der Zeit gefallen<br />

Fotostrecke<br />

12<br />

22<br />

08<br />

26<br />

22 Schurr stinkt's<br />

Lange kämpfte Hartmut Schurr<br />

gegen die Müllverbrennung. Doch<br />

es geht dabei um viel mehr<br />

Beste Zeiten<br />

Verlagsgesellschaft mbH<br />

Oskar-Schulze-Straße 12<br />

28832 Achim<br />

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26 Die Rekordbrecherin<br />

Kerstin Pieper-Köhler durfte nicht zu den Olympischen<br />

Spielen. Jetzt wurde sie Weltmeisterin<br />

28 Ein Herz für unsere Freunde<br />

30 Todesanzeige<br />

31 Impressum & Vorschau<br />

Illustration:<br />

Anna-Lena Klütz ist freie Künstlerin und freut<br />

sich, wenn aus einer scheinbar nichtssagenden<br />

Straße ein Bild voller spannender Einblicke wird.


6 | zahlEN<br />

WOLL<br />

KÄMMEREI<br />

Städtisches Gewerbegebiet in Blumenthal<br />

zwischen Bahrsplate, Wätjens Park und der Weser<br />

ca. 1950<br />

2016<br />

Recherche & Text: Philipp Jarke<br />

Fotos: Staatsarchiv Bremen (circa 1950); Jan Zier (2016)<br />

Zahl der Beschäftigten der Bremer Wollkämmerei<br />

(BWK), im Jahr 1884: 180<br />

Zahl der Beschäftigten, im Jahr 1898: 2.321<br />

Zahl der Beschäftigten, im Jahr 1945: 138<br />

Zahl der Beschäftigten, im Jahr 1957: 5.950<br />

Zahl der Beschäftigten, im Jahr 2008: 210<br />

Anteil polnischer Arbeiter an der Belegschaft der<br />

BWK im Jahr 1897, in Prozent: circa 50<br />

Anteil der Zwangsarbeiter an der Belegschaft<br />

zwischen 1942 und 1945, in Prozent: circa 45<br />

Investition im Jahr 1916: Erwerb der westlichen<br />

Hälfe des Landsitzes des Reeders Wätjen mitsamt<br />

dem Schweizer Haus<br />

Grund: Residenz des BWK-Direktors, der bis<br />

dahin eine Villa auf dem Werksgelände bewohnte<br />

Einführung der elektrischen Stromversorgung in<br />

Blumenthal: 1897<br />

Stromversorger Blumenthals 1897 bis 1904: BWK<br />

Bau eines kommunalen Elektrizitätswerks in<br />

Blumenthal: 1904<br />

Länge der alten Pieranlage der BWK, in Metern:<br />

640<br />

Zahl der BWK-Werkswohnungen in Blumenthal,<br />

im Jahr 1938: 126<br />

Zahl der Unternehmen, die 2009 aus der geschlossenen<br />

BWK hervorgegangen sind und noch heute<br />

bestehen: 2<br />

Arten der Verunreinigung unbehandelter Schurwolle:<br />

Fett, Schweiß, Futter, Samen, Kletten, Erde,<br />

Urin und Kot<br />

Gewichtsanteil der Verunreinigungen, in Prozent:<br />

50 bis 70<br />

Verwertung der Abwässer der BWK-Wollwäscherei:<br />

Pottasche, Wollfett, Seife, Düngemittel<br />

Mindestlänge der Fasern eines Wollkammzugs,<br />

in Millimetern: 58<br />

Bezeichnung der zu kurzen Wollfasern:<br />

Kämmlinge<br />

Verwendung der Kämmlinge: Streichgarn,<br />

Flanell, Filz<br />

Rohwolle ist ein Durcheinander von Haaren, die<br />

gewaschen und gekämmt werden müssen. Die<br />

kurzen Haare werden aussortiert, die längeren zu<br />

einem Kammzug gebündelt und in Spinnereien<br />

weiterverarbeitet. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

erledigten das Kämmen meist Frauen in Heimarbeit,<br />

ehe industrielle Kämmereien entstanden,<br />

unter anderem in Leipzig, Döhren oder Blumenthal.<br />

Warum Blumenthal? Im Gegensatz zu<br />

Bremen war es damals schon Mitglied des Deutschen<br />

Zollvereins. Außerdem bot es die Aussicht<br />

auf eine werkeigene Eisenbahnanbindung, und die<br />

Weser war hier tief genug: Wolldampfer aus Übersee<br />

konnten direkt am Werk entladen werden.<br />

Nach insgesamt 14 Monaten Bauzeit startete am<br />

11. September 1884 die Produktion der Bremer<br />

Wollkämmerei (BWK): 60 Männer und 120 Frauen<br />

stellten täglich zwei Tonnen Kammzug her. Die<br />

BWK wuchs schnell, zur Jahrhundertwende beschäftigte<br />

sie schon über 2.300 Menschen.<br />

Doch die Arbeit war hart, schon wegen der<br />

Staubbelastung. Um die Produktion wie geplant<br />

ausweiten zu können, warb die Wollkämmerei<br />

Hunderte Arbeiter aus Polen und Schlesien an.<br />

Das ländliche Blumenthal wurde eine industrielle<br />

Kleinstadt mit Arbeiterwohnungen und Schulen.<br />

Auch die Straßenbeleuchtung und das Krankenhaus<br />

verdankt der Ort der BWK.<br />

Während des Zweiten Weltkriegs schufteten<br />

in der Wollkämmerei Tausende Zwangsarbeiter,<br />

überwiegend Gefangene aus Polen und der Sowjetunion,<br />

ehe die Produktion in der Endphase<br />

des Krieges nahezu zum Erliegen kam. Erst 1947,<br />

als wieder Wollimporte ins Land kamen, wurde<br />

die Produktion ausgeweitet. 1957 erreichte die<br />

Belegschaft der BWK dann mit 5.950 Beschäftigten<br />

ihre Rekordgröße. Danach geriet die Firma<br />

durch steigende Lohnkosten und internationale<br />

Konkurrenz zunehmend unter Druck. Das Unternehmen<br />

erweiterte seine Produktpalette um synthetische<br />

und Wollmischfasern, weil die Nachfrage<br />

nach reinen Wollprodukten zurückging. Doch<br />

2000 mussten Unternehmensanteile an einen australischen<br />

Investor verkauft werden, der bald die<br />

Mehrheit übernahm. 2004 konnte er die Insolvenz<br />

noch verhindern, 2009 machte er die BWK dicht.


Gesucht wird:<br />

eine Vision<br />

Was soll eigentlich aus der Wollkämmerei werden? Wir haben<br />

ein paar Leute gefragt, die sich mit so was auskennen<br />

Das ganze Gelände ist größer als der Vatikan.<br />

Aber eine Brache, mehr oder weniger. Und das<br />

schon seit vielen Jahren: 2009 machte die Bremer<br />

Wollkämmerei endgültig dicht. Was geblieben ist?<br />

Eine „Perle der Industriekultur“, wie die Bremer<br />

Wirtschaftsförderer schreiben, und zwar eine mit<br />

„hohem Entwicklungspotenzial“. Aber was genau<br />

soll das heißen?<br />

Anfrage bei Klaus Hübotter: Der Alt-Kommunist<br />

und Ehrenbürger hat als Kaufmann und<br />

Bauherr schon zahllose historische Gebäude in<br />

Bremen gerettet. Den Schlachthof und den Speicher<br />

XI, das Bamberger Haus, die Villa Ichon,<br />

den alten Sendesaal von Radio Bremen. Und so<br />

weiter! Wenn also irgendjemand eine gute Idee<br />

für die Wollkämmerei haben könnte, dann ist es<br />

Klaus Hübotter. Doch er sei „ohne Zeit und Ideen“,<br />

schreibt uns der Mittachtziger, mit besten Grüßen.<br />

Mit seiner Architektur der Gründerzeit sei<br />

das Gelände „ideal als Bürofläche für Künstler,<br />

Designer, Ingenieure und Architekten, für Gastronomie<br />

oder als Veranstaltungsraum“, behaupten<br />

die Wirtschaftsförderer. „Das ist genau die Fantasielosigkeit,<br />

die Bremen kaputt macht“, sagt Arie<br />

Hartog, der Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses,<br />

ein Mann, der sich gerne grundsätzliche Gedanken<br />

über die Stadt macht. „Wir denken solche Gebiete<br />

ja immer als Peripherie und Ghettos“, sagt Hartog<br />

– daher auch die Idee, Künstler dort anzusiedeln.<br />

„Es sind Reste. Also müssen wir die Denke umdrehen<br />

und behaupten: Das wird das Zentrum und<br />

es dann städtebaulich entwickeln.“ Diejenigen, die<br />

Text: Jan Zier<br />

Illustrationen: Lennart Hoes<br />

sich da dranmachen, sagt Hartog noch, die sollten<br />

mal Lucius Burckhardt und Doug Saunders lesen,<br />

„um den Kopf von stadtplanerischen Dogmen zu<br />

lösen“.<br />

Noch sprechen die zuständigen Wirtschaftsförderer<br />

allerdings lieber von einem „Branchenmix<br />

aus Metall-, Maschinen- und Anlagenbau, Spedition,<br />

Chemiefaserproduktion und Heizkraftwerk.“<br />

2011 hat Bremen das Gelände für drei Millionen<br />

Euro gekauft, ein Jahr später wurde das Ensemble<br />

unter Denkmalschutz gestellt. Und der „Palast der<br />

Produktion“ zog ein. Es war dies der erste Versuch,<br />

so etwas wie eine Vision für die Wollkämmerei zu<br />

entwickeln: Vier Wochen lang durften 90 Kreative<br />

nach einem „Gegenmodell zur vereinzelten<br />

Erwerbsarbeit“ suchen. Möglich gemacht haben<br />

das damals die beiden Architekten Daniel Schnier<br />

und Oliver Hasemann von der „ZwischenZeitZentrale“<br />

(ZZZ). In der ganzen Stadt denken die beiden<br />

sich Konzepte und Zwischennutzungen für leer<br />

stehende Häuser und Brachen aus, mittlerweile im<br />

offiziellen Regierungsauftrag.<br />

Hasemanns Idee: In die ehemalige „Sortiererei“<br />

der Wollkämmerei, 4.500 Quadratmeter<br />

groß, könnte „Schafs-Bräu“ einziehen, eine „Brauerei-Manufaktur“<br />

für das, was man heute Craft<br />

Beer nennt. Zugegeben, auch Daniel Schnier hat<br />

diese Idee anfangs belächelt – andererseits: In<br />

der Union Brauerei in Walle funktioniert sie gut.<br />

Daneben würde Schnier gerne „Kleinstgewerbe“<br />

ansiedeln, „mit Leuten, die mit ihren verrückten<br />

Ideen sonst keine Chance haben“. Die aber,<br />

Vision | 9<br />

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eispielsweise, Lebensmittel produzieren wollen,<br />

regionale Produkte. Ein, zwei Jahre könnten Teile<br />

der Wollkämmerei oder einige der leer stehenden<br />

Läden drumherum mietfrei abgegeben werden, an<br />

Leute, die weder Raum noch Kapital haben und<br />

eigenverantwortlich arbeiten wollen. Auf den großen<br />

Investor zu warten lohnt jedenfalls nicht, sagt<br />

Schnier – und wenn, dann würde der wohl eh in<br />

die Überseestadt gelotst. „Und bevor die nicht voll<br />

ist, passiert auch in der Wollkämmerei nichts.“<br />

Und was noch fehlt, in Bremen-Nord, das sind Räume<br />

für Feierlichkeiten, zum Beispiel, wenn man<br />

zehn Kids einlädt – oder auch viele Hundert Verwandte<br />

und Freunde, wie es auf Hochzeiten öfter<br />

vorkommt, gerade bei muslimischen. Und wer so<br />

etwas sucht, in Bremen, wird oft erst in Hannover<br />

fündig, sagt Schnier. Stattdessen treffen sich nun<br />

am Wochenende die Auto-Tuner auf dem Gelände,<br />

und manchmal gibt es auf der historischen Achse<br />

sogar kleine Rennen. Das passt dann irgendwie<br />

doch wieder ganz gut, wo doch oft vom „Detroit<br />

Bremens“ die Rede ist, wenn es um Blumenthal<br />

und die Wollkämmerei geht.<br />

Vorbilder gibt es viele<br />

Verena Andreas ist eine, die viele solcher Industriebrachen<br />

kennt: „In Dortmund spazierte ich<br />

um den Phoenix-See – dort wo früher ein Stahlwerk<br />

stand. In Duisburg kletterte ich auf einen<br />

Hochofen, in Manchester ging ich zwischen alten<br />

Fabrikhallen entlang, in denen nun an Laptops gearbeitet<br />

wird, besuchte Plattenläden und Bars in<br />

einer alten Baumwollbörse. In Detroit freute ich<br />

mich über Bagelshops und Burgerläden, Urban<br />

Gardening und Kunstprojekte, die mir kurzzeitig<br />

Zuflucht vor den verfallenden Straßenzügen<br />

boten. Und wer heute in Barcelona an der Strandpromenade<br />

das Mittelmeer genießt, erahnt wohl<br />

kaum noch, dass dort vor 30 Jahren große rauchende<br />

Industrieanlagen die Stadt vom Meer<br />

abschnitten.“ Andreas ist Raumplanerin und<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Bremen.<br />

Dort beschäftigt sie sich mit Stadtplanung<br />

und -entwicklung; auf Reisen spaziert sie gern<br />

durch brachliegende Viertel in alten Industriestädten.<br />

Auch die Wollkämmerei kennt sie gut: Verena<br />

Andreas ist Mitautorin einer neuen Studie über<br />

die Entwicklung in Bremen-Nord.<br />

„Das Gelände hat besondere Qualitäten: die<br />

Weser und die nahe gelegenen Parkflächen sowie<br />

die besonderen Gebäude der historischen Achse“,<br />

sagt die Raumplanerin. „Warum wurden diese<br />

Qualitäten nicht für das allseits beliebte Wohnen<br />

am Wasser oder für kleine Startups und Dienstleistungsunternehmen<br />

erschlossen, so wie andere<br />

Städte dies mit vergleichbaren Flächen machen?“<br />

Weil das Gelände ein Gewerbegebiet ist, das ganz<br />

viele Arbeitsplätze schaffen soll. „Aber es kann<br />

nur dann zu einem lebendigen und wirtschaftsstarken<br />

Arbeitsort und Entwicklungsmotor in der<br />

Stadt werden, wenn der Rest Blumenthals mit<br />

seinen gravierenden Problemlagen parallel entwickelt<br />

wird“, sagt Andreas: „Es braucht große<br />

Investitionen – öffentliche wie private.“ Damit ein<br />

Umfeld geschaffen wird, in dem sich Menschen<br />

wohlfühlen – als Arbeitnehmer und Bewohner.<br />

Ein Umfeld, in dem die Leute in der Mittagspause<br />

etwas essen gehen können, in dem sie attraktiven<br />

und bezahlbaren Wohnraum finden, dazu Kinderbetreuungsplätze<br />

und Schulen, auf die man seine<br />

Kinder gerne schickt. „Dafür braucht es Eingriffe<br />

an der gesamten Achse zwischen Wätjens Park<br />

und Bahrsplate und später auch darüber hinaus.“<br />

Es geht nicht allein um die Wollkämmerei, sagt<br />

die Wissenschaftlerin. Sondern darum, „das ganze<br />

Stadtteilumfeld von Arbeiten über Wohnen bis<br />

hin zur Bildung als Ganzes zu betrachten und zu<br />

entwickeln“.<br />

Willkommen<br />

im Niertel!<br />

Ich bin in unmittelbarer Umgebung der Bremer Wollkämmerei aufgewachsen und kann mich an den<br />

regelmäßig süß-penetranten Schafgeruch, der in der Blumenthaler Luft der 1990er Jahre hing, gut erinnern.<br />

So lange ist das eigentlich noch gar nicht her, trotzdem sehen heute die meisten Gebäude auf dem<br />

Gelände aus, als wären sie seit 100 Jahren der Natur überlassen worden. Im letzten Jahr wurde ich angehalten,<br />

mich unter dem Hashtag #bremenlebt an der Rettung des an hohen Mietpreisen, Chai Latte und<br />

gegen Lautstärke klagenden Nachbarn leidenden Ostertor-/Steintorviertel zu beteiligen.<br />

Meine Vision vom #Niertel schaffte es aus dem Netz in die lokale Presse bis in den Ortsbeirat von<br />

Blumenthal – welcher den Antrag allerdings ablehnte.<br />

Doch mein Traum vom Niertel lebt weiter: Eine schillernde Kulturoase in Bremen-Nord. Alternatives,<br />

subkulturelles Leben mitten in Blumenthal. Das Viertel zieht einfach komplett um und endlich<br />

haben alle Althippies in der Bremer City ihre verdiente Altersruhe. Das Stadtamt erklärt das Viertel zum<br />

Kurort Bad Steintor. Im Niertel können derweil alle kaputten, langschläfrigen Existenzen wieder Kultur<br />

machen und durch den Tisch treten, ohne dass es irgendjemanden interessiert. Subkultur geht dahin, wo<br />

der Mainstream noch nicht angekommen ist. Was im Niertel eigentlich noch fehlt, ist eine Straßenbahn.<br />

Alternativ könnte man eine Draisine auf die Industrieschienen stellen und ab geht’s.<br />

Das derzeitig so strukturschwache Blumenthal würde neu erblühen. Die Mieten stiegen ins Unermessliche<br />

und wenn der erste Alt-Nierteler sich ’nen Anwalt sucht, ziehen wir einfach zurück nach Bad<br />

Steintor.<br />

Grillmaster Flash<br />

Vision | 11


12 | BERICHT<br />

Ein Großteil der Zwangsarbeiter in der Bremer Wollkämmerei stammte<br />

aus der Sowjetunion und Polen; auch Kinder waren darunter.<br />

Und<br />

mittendrin<br />

das Lager<br />

In der Bremer Wollkämmerei mussten während<br />

des Zweiten Weltkriegs über 1.000<br />

ZwangsarbeiterInnen schuften.<br />

Eine Spurensuche<br />

Text: Jördis Früchtenicht<br />

Fotos: Archiv des Fördervereins Kämmereimuseum Blumenthal<br />

Vom Zentrum Blumenthals sind es nur ein<br />

paar Schritte hierher. Doch kein Mensch zeigt<br />

sich. Durch das ehemalige Haupttor der Bremer<br />

Wollkämmerei (BWK) erreicht man eine riesige<br />

Industriebrache, rechts steht ein kleines Pförtnerhaus<br />

leer, links die frühere Betriebsfeuerwehr. Dahinter<br />

ragen große Backsteingebäude auf.<br />

Es ist schwer, sich die Bremer Wollkämmerei<br />

während des Zweiten Weltkriegs vorzustellen, mit<br />

mehreren Tausend Beschäftigten. Seit 1942 arbeiten<br />

kontinuierlich über 1.000 AusländerInnen bei<br />

der BWK, 1945 liegt ihr Anteil an der Belegschaft<br />

bei 45 Prozent. Ein Großteil davon sind ZwangsarbeiterInnen<br />

aus Polen und der Sowjetunion,<br />

darunter auch Kinder. Der jüngste sei erst zehn<br />

Jahre alt gewesen, berichtet beispielsweise Zbyszko<br />

Matuszewski, selbst mit 14 Jahren zur Arbeit in<br />

der BWK gezwungen, in dem Buch „Hungern für<br />

Hitler“ von Christoph Schminck-Gustavus, emeritierter<br />

Professor für Rechtsgeschichte an der<br />

Universität Bremen. Als die polnischen Kinder in<br />

Blumenthal ankamen, seien sie bespuckt und mit<br />

Steinen beworfen worden – auch von deutschen<br />

Kindern, berichtet Gerd Meyer von der Internationalen<br />

Friedensschule Bremen.<br />

Auf dem Gelände der BWK vermischen sich<br />

heute die denkmalgeschützten Backsteinbauten<br />

mit modernen Hallen, dahinter steht der Hochbau,<br />

gebaut 1890 mit auffällig großen Rundfenstern.<br />

Im Erdgeschoss wurden sie zugemauert, in<br />

den drei Stockwerken darüber fehlen zum Teil<br />

die milchig-weißen Fensterscheiben. Der Hochbau<br />

war eine der Abteilungen, in denen ZwangsarbeiterInnen<br />

eingesetzt wurden. Der Pole Julian<br />

Oleg Nowak, der mit 14 zum Arbeiten in die BWK<br />

musste, erinnert sich in „Hungern für Hitler“: „Es<br />

war schwere Arbeit: zwölf Stunden in der völlig<br />

verstaubten und stickigen Luft – Entlüftungs- und<br />

Entstaubungsanlagen gab es keine – das war für<br />

meinen jungen Körper eine mörderische Quälerei.“<br />

Die Luft sei so staubig gewesen, dass man die<br />

Menschen in drei Metern Entfernung nur noch<br />

schemenhaft wahrnehmen konnte. Als einzigen<br />

Atemschutz habe man sich ein Leinentuch umbinden<br />

können – welches dafür unzureichend war.<br />

Heute steht auf dem Dach des Hochbaus ein<br />

Mobilfunkmast. Im Zweiten Weltkrieg befand sich<br />

dort eine Flak, mit der Fliegerangriffe durch die<br />

Engländer abgewehrt werden sollten. Bombeneinschläge<br />

und Tote hat es auf dem Gelände dennoch<br />

gegeben.<br />

Die Zwangsarbeiter waren täglicher Diskriminierung<br />

ausgesetzt. Sie waren gezwungen, einen<br />

Aufnäher zu tragen, ähnlich dem Judenstern. Für<br />

die polnischen BürgerInnen war das eine gelbviolette<br />

Raute mit großem P in der Mitte. Sie durften<br />

keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen und<br />

nicht ins Kino gehen. Der Zutritt zu Luftschutzbunkern<br />

war ihnen untersagt. Auch der Zugang<br />

zur katholischen Kirche in Blumenthal wurde ihnen<br />

verwehrt. „Ehemalige Zwangsarbeiter, damals<br />

Kinder, schildern, dass der Pastor ihnen den Zutritt<br />

verweigert hat, als sie sonntags Trost suchten“,<br />

erzählt Gerd Meyer. Ob der Geistliche dies auf Befehl<br />

hin tat, ist unbekannt.<br />

Christoph Schminck-Gustavus hat recherchiert,<br />

dass die Zwangsarbeiter in mehreren<br />

Lagern untergebracht waren. So gab es das Lager<br />

Das war für meinen<br />

jungen Körper<br />

eine mörderische Qual<br />

„Albrechtstraße“, unterteilt in einen Frauen- und<br />

einen Männertrakt. Außerdem existierte ein Lager<br />

auf dem Werksgelände, in dem Ukrainer untergebracht<br />

waren und das Lager „Langestraße<br />

101“ – hier lebten die polnischen Jungen, auch Nowak<br />

und Matuszewski. Sie tauften das Gebäude<br />

„Betlejemka“.


14 | BERICHT<br />

BERICHT | 15<br />

Sonntags sangen die Zwangsarbeiter manchmal verbotene Lieder.<br />

Wurden sie dabei erwischt, drohten Prügel oder noch mehr Arbeit.<br />

Im Bremer Staatsarchiv stehen heute umfangreiche<br />

Akten zur Wollkämmerei. Was vorher<br />

noch abstrakt wirkte, wird auf dem dünnen Papier<br />

plötzlich sehr real. Die vergilbten Schreiben<br />

in ihren grauen Pappmappen handeln vor allem<br />

von Lebensmittelbestellungen und dem Essen in<br />

der Lagerküche. Dazwischen tauchen immer wieder<br />

Bestellungen von Desinfektionsmitteln für die<br />

Schädlingsbekämpfung auf. Nowak erinnert sich<br />

in „Hungern für Hitler“, dass die „Betlejemka“<br />

einmal gegen Schädlinge behandelt wurde. „Auch<br />

das hat nicht viel genützt, denn das Ungeziefer saß<br />

tief in den Mauerritzen, und schon in den nächsten<br />

Nächten kam es wieder vorgekrochen. Trotz<br />

unserer Erschöpfung und trotz der allmählichen<br />

Gewöhnung an die Wanzenstiche konnten wir<br />

manchmal überhaupt nicht schlafen.“<br />

Ein Schreiben sticht aus dem Sammelsurium<br />

an Unterlagen besonders heraus. Es ist eine<br />

Antwort der Gauverwaltung Weser-Ems, wohl<br />

aufgrund von Beschwerden über fehlendes Essen<br />

für die „Ostarbeiter“; der Anfang des Briefes fehlt<br />

inzwischen. Es ist „irrig zu behaupten“, dass das<br />

Essen „nicht ausreichend sei“, ist da nachzulesen.<br />

Die Kochweise sei schuld daran, wenn die Lebensmittel<br />

nicht genügten.<br />

Matuszewski berichtet in „Hungern für<br />

Hitler“ von dem Heimweh, das fast alle gehabt<br />

hätten. Und davon, dass sie sonntags Lieder gesungen<br />

haben, auch verbotene. Wurden sie dabei<br />

erwischt, drohten zur Strafe Prügel oder Arbeit.<br />

Er zog die Schläge einer Aufgabe wie dem Ausladen<br />

von Waggons vor: „Schlimmste Strafe ist das:<br />

Arbeit nach Arbeit. Sind Priegel doch leichter<br />

zum Aushalten“, sagt Matuszewski. Auch Nowak<br />

berichtet von Misshandlungen: „Gogol, der Lagerführer,<br />

hatte im Keller des Lagers Albrechtstraße<br />

eine Art ‚Strafkammer‘ eingerichtet. Dort wurden<br />

die Prügelstrafen vollstreckt, die uns wegen jeder<br />

‚Pflichtverletzung‘ zudiktiert worden waren.“<br />

Auch andere Strafen wurden erteilt – sie reichten<br />

von Geldstrafen bis hin zur Internierung in<br />

Arbeitserziehungs- oder Konzentrationslagern.<br />

Auf Beziehungen zu deutschen Frauen stand die<br />

Todesstrafe.<br />

Gut einen Kilometer von der BWK entfernt<br />

liegt eine Grünanlage direkt an der Weser, die<br />

Bahrsplate. Es gibt Fußballtore und einen Spielplatz,<br />

im Hintergrund ist noch ein Schornstein<br />

der BWK zu sehen. Was heute ein kleiner Park am<br />

Rande eines Wohngebietes ist, war in den 1940ern<br />

zunächst ein Lager für Zwangsarbeiter aus der<br />

Sowjetunion, ab 1943 dann auch eines für Kriegsgefangene.<br />

Ab August 1944 diente die Bahrsplate<br />

zudem als Außenlager des Konzentrationslagers<br />

Neuengamme. Das Lager soll gut einsehbar gewesen<br />

sein und lag damals nur ein paar Hundert<br />

Meter von den nächsten Wohnhäusern entfernt.<br />

Auf dem Gelände wurden Menschen hingerichtet<br />

– so etwa zwei Polen am 29. Oktober 1944. Neben<br />

Häftlingen und Wachmannschaften wurden auch<br />

Blumenthaler Zeugen dieser Tat.<br />

Nicht zentral, aber dennoch prominent gelegen,<br />

gibt es einen Rosengarten auf der Bahrsplate.<br />

Die 1985 errichtete Gedenkstätte „Rosen für die<br />

Opfer“ erinnert an die Menschen, die hier gelitten<br />

haben. Initiiert wurde sie durch den antifaschistischen<br />

Arbeitskreis, heute Teil der Internationalen<br />

Friedensschule Bremen.<br />

Diese war es auch, die 2009 zusammen mit<br />

einer Klasse der Berufsschule an der Alwin-<br />

Lonke-Straße den Denkort um den „Stein der Hoffnung“<br />

erweiterte, nach einem langen Entscheidungsprozess,<br />

in den auch BürgerInnen involviert<br />

waren. „Es richtet sich nicht gegen die Leute, es ist<br />

für die Leute“, sagt Meyer. Das Denkmal besteht<br />

aus aufeinandergestapelten Blöcken aus der ehemaligen<br />

Häftlingsstraße, die von der Bahrsplate<br />

zur BWK führte. Auf zahlreichen Metallschildern<br />

stehen Name, Geburts- und Todesdatum sowie<br />

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Wir helfen Ihnen, Ihr gutes Recht als<br />

Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer im<br />

Betrieb wahrzunehmen. Sie haben<br />

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das Herkunftsland der bekannten Todesopfer geschrieben.<br />

2009 waren es 123 Namen, weitere Plaketten<br />

blieben frei – für bisher unbekannte Opfer.<br />

„Inzwischen sind 128 Namen vermerkt, von zwei<br />

weiteren haben wir gerade erfahren, die sollen<br />

bald ergänzt werden“, sagt Meyer. „Es ist auch ein<br />

Ort für die Angehörigen, eine Suche geht hier für<br />

sie zu Ende.“<br />

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Tel. 0421 36 301 - 11<br />

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Der Förderverein Kämmereimuseum<br />

Blumenthal möchte dem Werk ein Denkmal<br />

setzen und so vor dem Vergessen bewahren.<br />

Jördis Früchtenicht studiert bald Medienkultur<br />

und war bei der Recherche von detaillierten<br />

Akten im Staatsarchiv besonders beeindruckt.<br />

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Aus der Zeit gefallen<br />

FOTOSTRECKE | 17


18 | Fotostrecke<br />

FOTOSTRECKE | 19


20 | Fotostrecke<br />

FOTOSTRECKE | 21<br />

Fotos: Wolfgang Everding<br />

Wolfgang Everding leitet den<br />

Camera-Club Bremen. Für die<br />

Zeitschrift der Straße durfte er<br />

noch einmal ins Innere der<br />

Bremer Wollkämmerei.<br />

Aus der Zeit gefallen<br />

Das Büro wirkt ein bisschen, als käme der Mitarbeiter gleich<br />

wieder, nach der Pause. Und das Bad wischt die Putzkolonne<br />

nachher bestimmt eben sauber. Doch die langen Hallen<br />

nebenan bestechen heute nur noch durch ihre schier endlose<br />

Weite. Es ist eine Leere, die erst in der Erinnerung wieder<br />

lebendig wird.


22 | PORTRAIT<br />

Text: André Beinke<br />

Fotos: Ann-Kathrin Just<br />

PORTRAIT | 23<br />

Schurr stinkt’s<br />

Lange hat er eine Müllverbrennungsanlage bekämpft. Doch die<br />

Geschichte des Hartmut Schurr erzählt vor allem etwas über<br />

die Entwicklung jener Brache, die die Wollkämmerei hinterließ<br />

Grüner Politiker, Achtundsechziger, Anästhesist,<br />

gescheiterter Kläger gegen die Stadt Bremen –<br />

Hartmut Schurr, 71, ist all das mal gewesen. Das<br />

meiste rattert er beim Erzählen beiläufig runter.<br />

Bei seiner Klage gegen die Müllverbrennungsanlage<br />

auf dem Gelände der Bremer Wollkämmerei<br />

überlegt Schurr: „Ich komme jetzt auch dahinter<br />

mit dem Fühlen. Was manche als Intuition bezeichnen,<br />

oder als Empathie: Das ist fast gleichrangig<br />

zu dem, was man mit dem Kopf denkt.“<br />

Über Gefühle redet Hartmut Schurr distanziert,<br />

auch wenn er das nicht will. Immer wieder<br />

bietet der Mediziner im Ruhestand das Du an.<br />

Doch der politische Mensch, der aus ihm spricht,<br />

macht ein Sie in Gesprächen unvermeidlich.<br />

Hartmut Schurr steht auf der Kaimauer der<br />

Bremer Wollkämmerei und wirft einen Blick über<br />

die Weser. Lange war es den Blumenthalern unmöglich,<br />

diese Aussicht zu genießen, das Gelände<br />

war nur den Mitarbeitern zugänglich. Auch sieben<br />

Jahre, nachdem die Produktion eingestellt wurde,<br />

verirrt sich kaum jemand hierhin. Schurr kann<br />

das nicht verstehen. Gerade wenn er daran denkt,<br />

was man hier alles groß aufziehen könnte. Als er<br />

darüber vielleicht wirklich schon zum hundertsten<br />

Mal spricht, steht er keine Hundert Meter von dem<br />

hohen Schornstein entfernt, gegen den er so lange<br />

gekämpft hat. Bei dem Anblick ist sich Hartmut<br />

Schurr sicher, dass Kultur, Kunst und Cafés nicht<br />

neben einer Müllverbrennungsanlage eröffnen<br />

wollen.<br />

Die wenigen Treppen, die von der Wollkämmerei<br />

zur Kaimauer hinaufführen, stören Schurr.<br />

Er möchte einen ebenen Zugang zur Weser. Das<br />

Treppengeländer ist rostig und wirkt nicht besonders<br />

stabil. Früher kam hier Schafswolle direkt<br />

aus Neuseeland an. Die Wolle, in Übersee mit Pestiziden<br />

behandelt, musste in der Wollkämmerei gereinigt<br />

werden. Übrig blieb bei dem Prozess eine<br />

„verkokelte Tomatensauce“, wie Hartmut Schurr<br />

es ausdrückt. Die Rückstände hätten „Dioxin“ enthalten,<br />

sagt Schurr: „Hochgiftig.“<br />

Die Reinigung von Schafswolle spielt heute keine<br />

Rolle mehr, dafür läuft die Müllverbrennungsanlage<br />

auf dem Gelände weiter. „Nivea“ ließe hier<br />

seinen Industriemüll für einen geringen Preis verbrennen,<br />

behauptet Schurr. Auch die Stadt Verden<br />

ließe Abfälle hier entsorgen.<br />

Schurr will keinen giftigen Müll mehr. Er will<br />

hier Kultur – er weiß, dass die Blumenthaler gerne<br />

tanzen. Cafés und ganze Hotelanlagen würde er<br />

hier gern sehen. „Ein beheizter Radweg wäre gut“,<br />

scherzt Schurr. Oder: „Wir haben ja relativ viele<br />

Ausländer in Blumenthal. Man könnte hier ein<br />

Hamam bauen, ein türkisches Badehaus. Das ist<br />

was kulturell Wertvolles. Da gehen die jungen und<br />

hübschen und gut verdienenden Leute hin.“<br />

Er will keinen giftigen<br />

Müll mehr. Sondern Cafés.<br />

Und ein Hamam<br />

Doch keine seiner Ideen wird umgesetzt. Die<br />

Wollkämmerei ist ein größtenteils verlassenes<br />

Gelände, das einem Freilichtmuseum gleicht. Nur<br />

ganz ohne Besucher.<br />

Was läuft, ist die Müllverbrennungsanlage<br />

des Betreibers „Brewa wte“. Über das Geschäft<br />

mit dem Müll und eine Eindampfanlage für<br />

industrielle Abwässer empört sich der 71-Jährige<br />

noch heute. „Wir Blumenthaler sind damals aufmerksam<br />

geworden, weil es zu Weihnachten nach<br />

Veilchen roch und am nächsten Tag nach Schuhcreme.<br />

Wir haben überlegt, woher das kommen<br />

könnte.“<br />

Er gründete eine Bürgerinitiative, seine Yogalehrerin<br />

gab ihm den Anstoß dafür. Schurr erfuhr,<br />

welche Diskussionen es um die Farbe von Flugblättern<br />

gibt; er hörte die glitschigen Antworten der


Heute riecht man hier nur noch selten etwas. Das liegt auch an<br />

Hartmut Schurr und seiner Bürgerinitiative.<br />

PORTRAIT | 25<br />

Lokalpolitiker, wenn ihnen wütende Fragen gestellt<br />

wurden. Und er weiß nun, wie wichtig es ist,<br />

mit der Feuerwehr per Du zu sein, wenn Brandschutzverordnungen<br />

ganze Großbauprojekte zu<br />

Fall zu bringen drohen.<br />

Als Student machte Schurr Erfahrungen in<br />

einer Gewerkschaft, dem Marburger Bund. Doch<br />

politisiert, so erzählt er es, hat ihn sein medizinisches<br />

Fachwissen: „Ich weiß, wie schnell giftige<br />

Substanzen direkt ins Hirn marschieren und da<br />

Veränderungen hervorrufen. Kindern setzt du<br />

die Maske auf“, Schurr spricht jetzt über seine<br />

frühere Arbeit als Narkosearzt, „und die mussten<br />

dann bis zehn zählen, kamen aber nur bis sechs.“<br />

Schurr, der am Bodensee aufgewachsen ist, arbeitete<br />

als Anästhesist erst in Bremen-Nord, später in<br />

Delmenhorst. Im Bundeswehr-Parka ging er zur<br />

Bank und lieh sich das Geld für sein erstes Haus:<br />

Schurr wohnte viele Jahre nur 400 Meter von der<br />

Müllverbrennungsanlage entfernt.<br />

Aus der Bürgerinitiative formte er mit Mitstreitern<br />

bald den gemeinnützigen Verein „Unabhängige<br />

Bürgerbewegung Blumenthal und umzu“,<br />

damit die Gegner der Müllverbrennung sich auch<br />

finanziell und juristisch wehren konnten. Anfangs<br />

hatten sie regen Zulauf, bis zu 150 Bürger kamen<br />

bei den Treffen zusammen. „Wir waren schon ein<br />

bunter Haufen“, sagt Schurr. Keiner habe sich vorher<br />

richtig politisch engagiert. Doch Widerstand<br />

ist ein zähes Geschäft. Weil der Müll nach Jahren<br />

immer noch verbrannt wurde, sprangen viele enttäuscht<br />

ab. „Bei der Klage gegen die Müllverbrennungsanlage<br />

waren wir nur noch zu dritt“, sagt<br />

Schurr. Inzwischen hat sich der Verein wieder<br />

aufgelöst.<br />

Schurr war das gleich, vom Verwaltungsgericht<br />

Bremen klagte er sich zum Oberverwaltungsgericht<br />

hoch. Nach Jahren des Stillstands sollte es<br />

am 29. Oktober 2013 zu einer mündlichen Verhandlung<br />

kommen. Die Stadt Bremen hatte kurz<br />

zuvor in einem neuen Bebauungsplan der Wollkämmerei<br />

zwei Industrieflächen ausgewiesen. Für<br />

Schurr war klar, dass damit die Müllverbrennung<br />

juristisch abgesichert werden sollte. Er sah für seine<br />

Klage keine Chance mehr und zog sie zurück.<br />

„Man läuft gegen die Wand, man läuft gegen die<br />

Wand, man läuft gegen die Wand“, sagt er heute.<br />

„Und dann – irgendwann – ist das vorbei.“<br />

Dieses Vorbei fällt ihm nicht leicht zu akzeptieren.<br />

Immerhin hat sein Widerstand bewirkt, dass<br />

die Brewa ihre Eindampfanlage nachgebessert hat<br />

und deren Abgase teilweise in das Feuer der Müllverbrennungsanlage<br />

geleitet werden. Heute riecht<br />

man nur noch selten etwas, gesteht Schurr. Auch<br />

die Verkäufer in der Bäckerei neben der Wollkämmerei<br />

haben schon lange nichts mehr gerochen,<br />

außer Maschinenkaffee und aufgebackenen Brötchen.<br />

Auch ein Grund, warum die Blumenthaler<br />

sich nicht mehr gegen die Müllverbrennung engagieren.<br />

Doch das Gift schwebt noch durch die Blumenthaler<br />

Luft, meint Schurr.<br />

Langsam steigt Schurr die Betonstufen von der<br />

Aussicht auf die Weser zurück. Er tritt auf sandigen<br />

Boden und helle, spitze Kieselsteine. Auch<br />

wenn Schurr es sich anders wünscht: „Die Leute<br />

sind chronisch vergiftet im Kopf. Ich bin fast soweit,<br />

das so zu sagen. Die haben das alles problemlos<br />

mitgetragen.“<br />

Auch örtlich ist er auf Abstand zur Bremer<br />

Wollkämmerei gegangen. Mit seiner Freundin<br />

Edith wohnt er inzwischen ein paar Busstationen<br />

weiter entfernt, zusammen mit zwei Flüchtlingen<br />

aus den umkämpften Kurdengebieten. Hartmut<br />

Schurr, der erst im späten Alter seiner Intuition<br />

und dem Gefühl mehr Vertrauen schenkt, sagt:<br />

„Der ganze Prozess war manchmal schwer auszuhalten.“<br />

Und mit einem trotzigen Ton, als würde er<br />

gerade noch ein wichtiges Argument vor Gericht<br />

vortragen, sagt er: „Aber ich wollte nicht zuschauen,<br />

wie die Umwelt vergiftet wird. Das ist scheiße.“<br />

André Beinke studiert Journalistik an der<br />

Hochschule Bremen. Er findet, Blumenthal<br />

riecht genauso wie Schwachhausen.<br />

Ann-Kathrin Just studiert Politikwissenschaft<br />

und fand an Hartmut Schurr sein Engagement<br />

besonders beeindruckend.<br />

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DIE ZEITSCHRIFT<br />

DER STRASSE<br />

Das Bremer Straßenmagazin<br />

Ausgabe 42<br />

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den verkäufer<br />

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Was soll eigentlich<br />

aus dieser Industriebrache<br />

werden?<br />

UND MITTENDRIN<br />

DAS LAGER<br />

Einst schufteten hier<br />

Zwangsarbeiter.<br />

Eine Spurensuche<br />

SCHURR<br />

STINKT'S<br />

Lange kämpfte er<br />

gegen den Müll. Doch<br />

es geht um viel mehr<br />

DIE REKORD-<br />

BRECHERIN<br />

Als Schwimmerin<br />

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26 | Portrait<br />

Portrait | 27<br />

Text: Eva Przybyla<br />

Foto: Hartmuth Bendig<br />

Die Rekordbrecherin<br />

Einst durfte sie nicht zu den Olympischen Spielen.<br />

Jetzt wurde Kerstin Pieper-Köhler Weltmeisterin.<br />

Die Geschichte einer Rückkehr<br />

Nachdem ihre Karriere jäh endete, schwamm Kerstin Pieper-Köhler viele Jahre lang keine einzige Bahn mehr.<br />

Leise zieht sie ihre Bahnen, und schnell. Genau<br />

4,675 Kilometer schwimmen stehen heute auf<br />

Kerstin Pieper-Köhlers Trainingsplan. Das ist<br />

auch der Plan des Bremer Jugendkaders, den Trainer<br />

Uwe Hilbrands auf ein weißes Board des kleinen<br />

Sportbads schreibt. Die jüngste Schwimmerin<br />

der aufgeschossenen, dünnbeinigen Mädchen im<br />

Kader ist gerade mal 12. Über 40 Jahre jünger als<br />

Kerstin Pieper-Köhler. Auch sie ist einst im deutschen<br />

Jugendkader geschwommen. Und hatte eine<br />

glänzende Schwimmkarriere vor sich – bis die Politik<br />

ihre Pläne durchkreuzte.<br />

Kerstin Pieper-Köhler schwimmt seit über 25<br />

Jahren für den Blumenthaler TV. Im vergangenen<br />

Jahr holte sie bei der Weltmeisterschaft im<br />

russischen Kazan zweimal Gold in der Klasse der<br />

55- bis 59-Jährigen. Beide Medaillen erhielt sie für<br />

ihre Rückenlage – „ihre beste Lage“, sagt der Trainer.<br />

Sicher und grazil teilen die seitlich abgespreizten<br />

Hände über ihrem Kopf das Wasser. „Sie hat<br />

Disziplin. Davon könnten sich die Jungen ruhig<br />

eine Scheibe abschneiden“, sagt Hilbrands.<br />

Schon mit fünf Jahren fängt Kerstin<br />

Pieper-Köhler an, als sie ihrer großen Schwester<br />

in den Schwimmverein folgt – nur um nichts zu<br />

verpassen. Sie bleibt, verbessert sich rasch. Mit<br />

elf schwimmt sie ihren ersten Länderkampf. „Das<br />

gibt es heute in der Form gar nicht mehr“, sagt sie.<br />

Drei Jahre später geht sie nach Saarbrücken<br />

auf ein naturwissenschaftliches Jungengymnasium,<br />

um dort nebenher auf der Schule des Deutschen<br />

Schwimmverbandes zu trainieren. Fünfmal<br />

die Woche schwimmt sie unter der Leitung des<br />

deutschen Jugendnationaltrainers. Mit 16 bereitet<br />

sie sich schon seit drei Jahren auf die Olympischen<br />

Spiele in Moskau vor. Für dieses Ziel im Jahre 1980<br />

wird sie weitere drei Jahre nahezu täglich schwimmen<br />

und ihre Ausbildung zur Sport- und Gymnastiklehrerin<br />

in Oldenburg quasi nebenher beenden.<br />

Dann platzt der Traum: Auf Druck der USA<br />

boykottiert die Bundesrepublik Deutschland die<br />

Olympischen Spiele in der sowjetischen Hauptstadt.<br />

So soll die Sowjetunion zum Rückzug ihrer<br />

Truppen aus Afghanistan gezwungen werden. Am<br />

Ende hat der Boykott keinerlei politischen Konsequenzen.<br />

Enttäuscht bricht Kerstin Pieper-Köhler noch<br />

1980 ihre Schwimmkarriere ab, mit nur 20 Jahren.<br />

„Für mich war klar: Ich gehe nicht mehr ins<br />

Wasser.“ Die nächsten Spiele, 1984 in Los Angeles,<br />

kommen für sie nicht mehr infrage: „Damals hat<br />

mit 24 keines der Mädchen mehr geschwommen.“<br />

Es folgt eine lange Pause, über 20 Jahre, in denen<br />

sie nicht eine einzige Bahn schwimmt. Kerstin<br />

Pieper-Köhler arbeitet als Lehrerin, heiratet,<br />

bekommt zwei Söhne, lässt sich scheiden. Ihre<br />

Söhne wollen nicht schwimmen, sie spielen lieber<br />

Handball. Kerstin Pieper-Köhler fährt sie mit dem<br />

Auto zum Training und wegen zahlloser Sportverletzungen<br />

zum Arzt.<br />

Als 2009 auch der Jüngere seinen Führerschein<br />

schafft, hat sie plötzlich Zeit. „Ich hab mich<br />

damals gefragt: Was kannst du für dich tun?“ Sie<br />

joggt, spielt Tennis. Doch das befriedigt sie nicht.<br />

Dann steigt sie wieder ins Schwimmbecken. „Es<br />

war anstrengend“, sagt Kerstin Pieper-Köhler. Sie<br />

schwört sich zu Hause, nie wieder schwimmen zu<br />

gehen. Dann macht sie doch weiter. Schon bald<br />

schwimmt sie wieder um Auszeichnungen, nur<br />

In Blumenthal kämpfte sie<br />

sich wieder zurück<br />

dieses Mal in der SeniorInnen-Liga. Sie will wieder<br />

nach Russland: Zur WM nach Kazan. Fünfbis<br />

sechsmal die Woche trainiert sie nach den Plänen,<br />

die ihr Trainer Uwe Hilbrands für sie erstellt,<br />

trotz schwieriger Trainingsbedingungen. Heute<br />

schwärmt sie von Kazan, besonders von der Siegerehrung:<br />

Mädchen laufen vor ihr her, geleiten<br />

sie zum Podest. „Es hat nur die Nationalhymne<br />

gefehlt!“ Bezahlt wird den AthletInnen aber nicht<br />

einmal das Hotel.<br />

Ihr nächstes Ziel: die Freiwasser-Europameisterschaft<br />

im kroatischen Rijeka. Kerstin<br />

Pieper-Köhler nennt das „einen Ausgleich“. Doch<br />

ihr Trainer vermutet ehrgeizige Ziele. Sie wolle<br />

vermutlich Altersrekorde brechen, sagt Hilbrands.<br />

Ab und zu bekommt er eine SMS von ihr: „Das war<br />

ein Rekord!“ In Kazan hat sie davon gleich drei aufgestellt.<br />

Mit einer Zeit von 2:51,05 Minuten über<br />

200 Meter Rücken ist sie in die Geschichte der<br />

WM eingegangen.<br />

Sie hat es erst hinterher im Protokoll gelesen,<br />

sagt sie.<br />

Eva Przybyla studiert Komplexes Entscheiden<br />

an der Universität Bremen und kann zwei Züge<br />

kraulen.<br />

Hartmuth Bendig war Sozialarbeiter und<br />

widmet sich inzwischen vermehrt der<br />

Fotografie. In den 1960er-Jahren schwamm<br />

er mal bei Landesmeisterschaften mit.


28 | UNTERSTÜTZEN<br />

UNTERSTÜTZEN | 29<br />

Ein Herz<br />

für unsere<br />

Freunde<br />

Wie entsteht eine Ausgabe der Zeitschrift der<br />

Straße? Wie ist der Vertrieb des Magazins<br />

organisiert? Wie sieht das Vertriebsbüro aus? Welche<br />

Unterstützung erhalten die StraßenverkäuferInnen?<br />

Welche Projekte hat das Team der Zeitschrift<br />

der Straße für die nächste Zeit in der Pipeline?<br />

Welche Möglichkeiten bietet die Zeitschrift für<br />

freiwilliges Engagement?<br />

Am Donnerstag, den 27. Oktober 2016, ab 17<br />

Uhr erhalten Sie Antworten auf diese und weitere<br />

Fragen. Der Freundeskreis der Zeitschrift der<br />

Straße lädt alle Interessierten ein zu einer Info-<br />

Veranstaltung ins Café Papagei (Auf der Brake 2,<br />

28195 Bremen). VertreterInnen von Redaktion,<br />

Vertrieb, Marketing und auch der Uni der Straße<br />

stellen ihre Arbeitsbereiche vor und stehen danach<br />

in lockerer Runde bei Snacks und Getränken für<br />

Gespräche zur Verfügung.<br />

Natürlich freut sich der Freundeskreis auch<br />

über neue Mitglieder und bietet die Möglichkeit,<br />

während des Abends beizutreten.<br />

Wenn Sie zum Info-Abend kommen möchten,<br />

bitten wir Sie um Anmeldung unter<br />

www.zeitschrift-der-strasse.de/info-abend oder<br />

telefonisch unter 0421/ 17504692 bei Rüdiger<br />

Mantei.<br />

Unser Vertriebsteam sucht Verstärkung<br />

Sie kennen und lieben die Zeitschrift der Straße?<br />

Sie wissen, dass Bremens Straßenmagazin von<br />

Studierenden als Lernprojekt erstellt wird? Sie<br />

haben vielleicht sogar Ihre Stammverkäuferin<br />

bzw. Ihren Stammverkäufer in der Stadt? Dann<br />

haben Sie vielleicht auch Lust und etwas Zeit, die<br />

VerkäuferInnen der Zeitschirft der Straße durch<br />

Ihr persönliches Engagement zu unterstützen.<br />

Werden Sie Mitglied in unserem Vertriebsteam!<br />

Es besteht aus knapp einem Dutzend<br />

Ehrenamtlicher im Alter zwischen 20 und 70<br />

Jahren. In zwei Schichten pro Tag zu je drei Stunden<br />

betreiben sie das Vertriebsbüro in der Innenstadt.<br />

Was bedeutet das?<br />

Im Mittelpunkt steht immer der Kontakt mit<br />

den StraßenverkäuferInnen, die das Büro aufsuchen,<br />

um Hefte für 1 Euro zu kaufen, die sie auf<br />

der Straße für 2 Euro anbieten. Das Vertriebsteam<br />

prüft Verkäuferausweise, gibt Hefte aus,<br />

kassiert das Geld, trägt den Umsatz in eine Datenbank<br />

ein und macht am Ende der Schicht eine<br />

Abrechnung. Neuen VerkäuferInnen werden die<br />

Verkaufsregeln erklärt und Ausweise ausgestellt.<br />

Ebenso wichtig wie der Hefteverkauf sind die<br />

Gespräche mit den VerkäuferInnen, die mit ihren<br />

Sorgen und Nöten ins Vertriebsbüro kommen.<br />

Ein Becher Kaffee und etwas Aufmerksamkeit<br />

wirken da oft schon Wunder. Manche VerkäuferInnen<br />

haben aber auch konkrete Anliegen, brauchen<br />

einen Arzt, Kleidung, einen Schlafsack oder<br />

Schuldnerberatung. Oder sie wollen sich zur Uni<br />

der Straße anmelden.<br />

Darauf ist unser Vertriebsbüro vorbereitet.<br />

Im Keller hat es Schlafsäcke. Auf dem gleichen<br />

Flur bietet die ärztliche Notversorgung kostenlose<br />

Sprechstunden an. Nebenan, im Café Papagei,<br />

können wohnungslose Menschen duschen, sich<br />

einkleiden und essen. Über den Verein für Innere<br />

Mission stehen außerdem SozialarbeiterInnen,<br />

StreetworkerInnen, SuchtberaterInnen und Notschlafplätze<br />

sogar im gleichen Gebäude zur Verfügung.<br />

Die Uni der Straße ist ebenfalls nur eine<br />

Tür weiter.<br />

Unsere Ehrenamtlichen im Vertriebsteam<br />

werden intensiv eingearbeitet, erhalten Schulungen<br />

(etwa in Suchterkennung und Deeskalation)<br />

und sind nie allein im Büro. Es gibt gemeinsame<br />

Grillnachmittage, Feiern und immer wieder verblüffende<br />

zwischenmenschliche Begegnungen.<br />

Wenn Sie Interesse haben, sich für drei Stunden<br />

pro Woche im Vertriebsteam der Zeitschrift<br />

der Straße zu engagieren, schauen Sie doch während<br />

der Öffnungszeiten im Büro vorbei oder melden<br />

Sie sich telefonisch bei Rüdiger Mantei unter<br />

0421/17504692 oder per E-Mail: mantei@imhb.de.<br />

Wir freuen uns auf Sie!<br />

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fürsorgliches Vertriebsteam<br />

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Auf der Brake 10-12, 28195 Bremen<br />

und unterstützen sie unsere<br />

strassenverkäufer*innen<br />

mit hand und herz<br />

Kontakt: Rüdiger Mantei<br />

0421 / 17 50 46 92, mantei@imhb.de<br />

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Impressum<br />

Manfred Bödner<br />

geboren am 14. April 1952<br />

gestorben am 5. Juli 2016<br />

Er war seit 2012 regelmäßiger Verkäufer der Zeitschrift der Straße und<br />

hatte seinen Verkaufsort in der Sögestraße; abends stand er häufig im<br />

Viertel vor der Schauburg.<br />

Als substituierter Drogenabhängiger wohnte er in den letzten acht Jahren<br />

im „Haus am Dobben“. Mit seiner Tätigkeit als Verkäufer der Zeitschrift<br />

der Straße bekam er wieder etwas Struktur in sein Leben. Manfred Bödner<br />

zeichnete sich durch eine freundliche und verschmitzte Art aus und war<br />

dadurch sehr beliebt. In den letzten Jahren musste er infolge einer krankheitsbedingten<br />

Gehbehinderung einen Rollator benutzen.<br />

Manfred Bödner wurde anonym auf dem Friedhof<br />

Huckelriede beigesetzt.<br />

Herausgeber Verein für Innere Mission in Bremen,<br />

Blumenthalstraße 10, 28209 Bremen<br />

Partner<br />

Hochschule Bremerhaven<br />

Büro<br />

Auf der Brake 10–12, 28195 Bremen,<br />

Mo, Di, Do 10–16 Uhr, Mi und Fr 10–13 Uhr,<br />

Tel. 0421/17 52 16 27<br />

Kontakt post@zeitschrift-der-strasse.de<br />

Internet www.zeitschrift-der-strasse.de<br />

Anzeigen Preisliste 06, gültig seit 1.12.2015<br />

Kontakt: Michael Vogel,<br />

anzeigen@zeitschrift-der-strasse.de<br />

Abo<br />

nur für Firmen, Institutionen und<br />

Nicht-BremerInnen (40 € / 10 Ausgaben):<br />

abo@zeitschrift-der-strasse.de<br />

Spendenkonto Verein für Innere Mission<br />

IBAN DE 22 2905 0101 0001 0777 00<br />

Sparkasse Bremen<br />

Verwendungszweck (wichtig!): Zeitschrift der Straße<br />

Spenden sind steuerlich absetzbar.<br />

Redaktion<br />

Fotografie<br />

Marketing<br />

Vertrieb<br />

Gesamtleitung<br />

André Beinke, Grillmaster Flash, Jördis<br />

Früchtenicht, Philipp Jarke, Eva Przybyla, Jan Zier<br />

Leitung: Philipp Jarke, Jan Zier<br />

redaktion@zeitschrift-der-strasse.de<br />

Hartmuth Bendig, Rebeca Dobrică, Wolfgang<br />

Everding, Ann-Kathrin Just, Jan Zier<br />

Bildredaktion: Jan Zier<br />

Marina Guliev, Lena Meyer-Krügel, Vanessa Rau,<br />

Linda Schmidt, Lisa Walsch<br />

Leitung: Prof. Dr. Wolfgang Lukas<br />

marketing@zeitschrift-der-strasse.de<br />

Lisa Bäuml, Angelika Biet, Eike Kowalewski,<br />

Georg Kruppa, Klemens Latz,<br />

Dorle Martischewsky, Pawel Mehring, Eva Schade,<br />

Jens Schilling, Eva Schönberger sowie<br />

viele engagierte VerkäuferInnen<br />

Leitung: Rüdiger Mantei, Reinhard „Cäsar“ Spöring<br />

vertrieb@zeitschrift-der-strasse.de<br />

Bertold Reetz, Prof. Dr. Dr. Michael Vogel<br />

Gestaltung Paula Fülleborn, Janina Freistedt, Ottavo Oblimar,<br />

Glen Swart<br />

Lektorat Textgärtnerei, Am Dobben 51, 28203 Bremen<br />

V. i. S. d. P. Tanja Krämer / Anzeigen: Michael Vogel<br />

Druck<br />

BerlinDruck GmbH + Co KG, Achim<br />

Papier<br />

Circleoffset White, hergestellt von Arjowiggins,<br />

vertrieben durch Hansa-Papier GmbH & Co. KG,<br />

Bremen, ausgezeichnet mit dem Blauen Umweltengel<br />

und dem EU-Ecolabel<br />

Erscheint zehnmal jährlich<br />

Auflage 8.000<br />

Gerichtsstand<br />

& Erfüllungsort Bremen<br />

ISSN 2192-7324<br />

Mitglied im International Network of Street Papers (INSP).<br />

Gefördert durch den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.<br />

Die Redaktion übernimmt keine Haftung für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte, Fotos und Illustrationen. Die Zeitschrift der Straße und<br />

alle in ihr enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Mit<br />

Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne<br />

Einwilligung des Verlages strafbar. Alle Anbieter von Beiträgen, Fotos<br />

und Illustrationen stimmen der Nutzung in den Ausgaben der<br />

Zeitschrift der Straße im Internet, auf DVD sowie in Datenbanken zu.<br />

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