6,2 MB - Steinbergkirche
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20 Gemeinde Gelting<br />
AK: Wozu ist es wichtig, solche Dinge aufzubewahren?<br />
WJ: Wir sind sozusagen das „historische Gedächtnis“ unseres Kirchspiels.<br />
Die bei uns gesammelten Archivunterlagen sind vielleicht erst für spätere<br />
Generationen von besonderem Wert; aber bereits jetzt verfügen wir über historisch<br />
wertvolle Dokumente in großem Umfang. Man kann sagen, unser<br />
Archiv leistet einen Beitrag zur Erforschung der geschichtlichen Entwicklung<br />
des Kirchspiels. Das Wissen über alte Zeiten soll den Folgegenerationen<br />
erhalten bleiben – entsprechend dem Gedanken: „Nur wer weiß, woher er<br />
kommt, kann bestimmen, wohin er gehen wird.“<br />
AK: Ist es in das eigene Ermessen der Gemeinden gestellt, ob und wie sie<br />
ihre Archivalien aufbewahren, oder gibt es darüber verbindliche Regeln –<br />
vielleicht sogar Gesetze?<br />
WJ: Das Land Schleswig-Holstein hat eine klare Empfehlung ausgesprochen,<br />
Archive auf örtlicher Ebene zu führen, und seit 1992 besteht ein Landesarchivgesetz,<br />
in dem Sinn, Zweck und Aufgabenstellung von Archiven geregelt sind.<br />
Darüber hinaus geben sich die jeweiligen Archive eigene Satzungen , meist auf<br />
der Grundlage des LArchG. Die Satzung unseres Archivs datiert aus dem Jahr<br />
1985 und geht auf den damaligen Archivleiter Heinz von Hobe zurück.<br />
AK: Wie haben wir uns den Vorgang der Archivierung vorzustellen?<br />
WJ: Unsere Archivalien werden im Keller des Geltinger Amtsgebäudes unter<br />
Verschluss gehalten. Dabei ist es natürlich wichtig, dass sie in den Behältnissen,<br />
in denen sie verwahrt werden, viele Jahrzehnte und möglichst länger<br />
unbeschädigt überdauern können. D. h. sie werden in säurefreien, alterungsbeständigen<br />
Spezialkartons gelagert, in denen sie obendrein noch gegen Licht<br />
und Feuchtigkeit geschützt sind, all das bei einer möglichst konstanten, kühleren<br />
Raumtemperatur. Wir sind gehalten, die Kartons bei einer darauf spezialisierten<br />
Firma einzukaufen, die übrigens auch Museen beliefert.<br />
AK: Gibt es Dokumente, die, bevor sie eingelagert werden, zunächst noch<br />
bearbeitet werden müssen?<br />
WJ: Oh ja, und bei manchen ist das sehr zeitaufwändig. Immer dann, wenn<br />
es sich um handschriftliche Aufzeichnungen, Verträge oder sonstiges in<br />
heute ungebräuchlicher Schrift handelt, z. b. in „Sütterlin“, übertragen wir<br />
es und speichern es per Computer. Denn noch haben wir jemanden, der<br />
die alte Schrift gelernt hat und sie lesen kann, eine Mitarbeiterin, die an<br />
dieser Stelle eine ganz besondere Erwähnung verdient: Irmgard Mangelsen.<br />
Sie liest und überträgt seit vielen Jahren die alten, handgeschriebenen Dokumente<br />
in unendlicher Fleißarbeit. Wir alle können uns die Arbeit ohne<br />
Irmgard nur schwer vorstellen und hoffen, dass ihr die große Motivation<br />
nicht abhanden kommen möge! Wir wüssten, wenn es beispielsweise um<br />
einen Parzellistenvertrag geht, nämlich nicht, was wir ohne Irmgard damit<br />
anfangen sollten.<br />
AK: Ein Parzellistenvertrag? Was ist das denn?<br />
WJ: Es gab früher in Gelting den so genannte Parzellistenstall, in dem viele<br />
Bauern der Umgegend ihre Pferdewagen oder Kutschen während eines Gottesdienstbesuches<br />
oder bei feierlichen Anlässen im damaligen Kirchkrug<br />
unterstellen durften. Darüber wurde ein notarieller Vertrag, eben ein Parzellistenvertrag,<br />
geschlossen. In Gelting existierte ein solcher Stall direkt neben<br />
dem heutigen Gasthof Gelting, auf dem Gelände zwischen dem Gasthof und<br />
der Alten Waage, direkt gegenüber die Kirche.<br />
AK: Da möchten wir gleich mal einhaken und ganz konkret fragen: Was<br />
nützt es eigentlich einer späteren Generation, wenn sie, vielleicht in vielen<br />
Jahren, im Keller des Geltinger Archivs auf einen solchen Parzellistenvertrag<br />
stößt? Welche Erkenntnis kann sie aus einem solchen Dokument gewinnen?<br />
WJ: Zum einen, dass es solche Gebäude in unserem Ort überhaupt gegeben<br />
hat, nur die älteren Mitbürger wissen doch noch, wie Gelting früher einmal<br />
ausgesehen hat. Veränderungen des ehemaligen Ortsbildes finden heutzutage<br />
in einem rasanten Tempo statt, und allein aus dem Grund halte ich es<br />
für wichtig, dass solche Nachweise für zukünftige Generationen zu erhalten.<br />
Weiterhin sagen solche und ähnliche Dokumente interessantes darüber<br />
aus, welche hierarchische und auch kirchliche Grundordnung während der<br />
vergangenen Jahrhunderte hier im Kirchspiel herrschte. Die damalige und<br />
heutige Art zu leben ist überhaupt nicht miteinander zu vergleichen und ich<br />
glaube, dass dies auch zukünftig so bleiben wird.<br />
AK: Müssen die Mitarbeiter des Archivs über besondere Eignungen verfügen?<br />
Sind spezielle Ausbildungen erforderlich?<br />
WJ: Eine wichtige Voraussetzung ist es, Interesse und Leidenschaft für die<br />
Archivarbeit mitzubringen. Darüber hinaus sind Grundkenntnisse der Bedienung<br />
eines Computers – wie mittlerweile bei fast allen Tätigkeiten und<br />
Verrichtungen des täglichen Lebens – sehr hilfreich. Noch verwalten wir<br />
unser „Findbuch“, das ist das Verzeichnis zum Wiederauffinden der verwahrten<br />
Archivalien, auf Karteikarten, die handschriftlich geführt werden.<br />
Aber der Übergang zur Speicherung dieser Daten auf einem Computer ist<br />
auch hier absehbar.<br />
AK: Nehmen wir an, ein Bürger oder eine Bürgerin aus einer der zum Archiv-bereich<br />
gehörenden Gemeinden möchte ein Dokument aus früherer<br />
Zeit einsehen, weil er darin vielleicht Informationen über die eigene Familie<br />
vermutet: Hat er oder sie ein Recht dazu? Und kann das verlangte Dokument<br />
mit nach Hause genommen und dort in Ruhe studiert werden?<br />
WJ: Selbstverständlich hat jeder das Recht, unsere Archivalien einzusehen.<br />
Aber das muss vor Ort, in unseren Räumen geschehen, nichts darf unsere<br />
Räume verlassen. Wenn möglich, fertigen wir in bestimmten Fällen Kopien<br />
an – aber mitnehmen? Nein (Mitarbeiter öffentlicher Büchereien wissen davon<br />
manch’ Lied zu singen)!<br />
AK: Wann ist das Archiv für interessierte Bürger und Bürgerinnen geöffnet?<br />
WJ: Dienstags von 16 – 17:30 Uhr kann uns, wer möchte, gern besuchen.<br />
Wir befinden uns in den Räumen 22 und 23 im Obergeschoss des Amtsgebäudes<br />
am Süderholm. Während der Schulferien haben wir geschlossen.<br />
AK: Können wir etwas zur Geschichte des Archivs erfahren?<br />
WJ: Die Initiative zur Einrichtung eines Archivs in Gelting ergriff 1977 –<br />
also lange vor dem Landesarchivgesetz! – der damalige Bürgermeister Otto<br />
Franke. Als Grundstock konnte er auf den umfangreichen Nachlass des ehemaligen<br />
Rektors Peter Schwennsen zurück greifen, dem Gelting auch die<br />
erste Kirchspielchronik zu verdanken hat, die er mit Johannes Jürgensen<br />
verfasste. Auf Otto Franke folgten Heinz von Hobe, Franz Witthinrich und<br />
Gerd Boysen. Ich selbst bin im Geltinger Archiv seit 2010 tätig.<br />
AK: Wer arbeitet zurzeit im Archiv mit?<br />
WJ: Das sind Irmgard Mangelsen (verantwortlich für Handschriftenübertragungen),<br />
Hans Lorenzen (Zeitgeschehen), Peter Nissen (Archivierung)<br />
und ich (Bildmaterial, Leitung und Verbindung zum Amt Geltinger Bucht).<br />
AK: Welche Aufgaben, neben den laufenden Tätigkeiten, warten in nächster<br />
Zeit auf die Mitarbeiter des Archivs?<br />
WJ: Einmal rückt, wie schon erwähnt, die Umstellung des Findbuches auf<br />
PC immer näher, und dann arbeiten wir (seit längerem und noch bis Weihnachten)<br />
mit Hochdruck an der Herausgabe des großen Bildbandes der<br />
Gemeinde Gelting, eine Aufgabe, die wir gemeinsam mit dem eigens dafür<br />
gegründeten „Arbeitskreis Bildband Gelting“ leisten.<br />
AK: Ah ja, der berühmte und lange erwartete Bildband! Darüber möchten<br />
unsere Leser natürlich Näheres erfahren.<br />
WJ: Also dann: der Bildband des Kirchspiels Gelting (über den endgültigen<br />
Titel wird noch diskutiert) ist ein Buchprojekt, dass über 600 historische Fotografien<br />
auf etwa 350 Seiten präsentieren wird. Wir sind überzeugt davon,<br />
dass sie bei den älteren Mitbürgern schöne Erinnerungen wachrufen werden,<br />
und den Jüngeren sollen die Bilder zeigen, wie es früher einmal in den<br />
Orten Gelting, Nieby, Pommerby und Rabenholz ausgesehen hat. Weiterhin<br />
haben wir in den Bildband Erzählungen und Geschichten von Autoren aus<br />
dem Kirchspiel aufgenommen, die entweder zum Schmunzeln anregen oder<br />
über bestimmte Ereignisse oder Personen berichten.<br />
Einige der Themenkreise, zu denen wir Bilder und Texte bieten:<br />
• Wie sah die Geltinger Kirche vor dem großen Umbau 1792 – 94 aus?<br />
• Wo stand früher die Geltinger Mühle und wie sah sie aus? Hiermit ist<br />
nicht die heute bekannte Mühle „Charlotte“ gemeint, die wird extra behandelt,<br />
sondern die frühere Mühle auf dem heutigen „Mühlenfeld“.<br />
• Wer kennt noch den alten Meierhof Beveroe mit seiner „Walfisch-Scheune“?<br />
• Wo stand die alte „Lass-Kate“ und wer lebte dort?<br />
• Wann, wo und wie führte Detlef von der Birk sein „Kaufhaus Nord“ (wer davon<br />
bisher noch nichts gehört hat, wird seinen Augen nicht trauen . . .)<br />
• Wieso verschwand die Geltinger Au aus dem Ortsbild unseres Dorfes?<br />
• Von der Kleinbahn zur Nordstraße – und noch viele weitere Themen.<br />
AK: Klingt viel versprechend! Wann soll der Band erscheinen und wie viel<br />
wird er kosten?