F E S T S C H R I F T Zwanzig Jahre Literarischer Gesprächskreis ...
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Langsam rollte sie dahin. Sie hatte die Landstraße für<br />
sich allein, niemand, der hinter ihr drängte oder<br />
versuchte, sie aus ihrem Rhythmus zu bringen. Müßig<br />
glitt ihr Blick über die umliegenden Felder und Wiesen.<br />
Sieh an, der Schnee war noch nicht überall weggetaut. In<br />
den Mulden zwischen den umgepflügten Furchen hatte er<br />
sich halten können und ein flächendeckendes Gitternetz<br />
aus Schwarz und Weiß gezaubert. An den Rändern hatten<br />
Gräserbüschel staksig und halsstarrig den Durchbruch<br />
geschafft und versuchten standhaft, die letzten Reste von<br />
Schnee loszuwerden. Obstbäume reckten ihre starren,<br />
kahlen Arme nach oben, als rängen sie um neuen<br />
Lebenssaft. Und darüber spannte sich ein Himmel in<br />
Grau, nicht das trostlose uniforme Grau endloser<br />
Tristesse, das die Sonne gewaltsam unter Verschluss hält,<br />
sondern ein luftiges, bewegtes Hell-, Mittel- und<br />
Dunkelgrau, hinter dem das Licht jederzeit<br />
hervorbrechen konnte. Das Beste aber war der Wind!<br />
Verhältnismäßig warm, wenn man den Schnee bedachte,<br />
und völlig unberechenbar. Er trieb die Blätter, die der<br />
Herbst übrig gelassen hatte, in wildem Tanz über die<br />
Straße und ließ sie unvermittelt wieder liegen, er rüttelte<br />
am Auto, umarmte die Obstbäume, schwang sich zu den<br />
Wolken und jagte sie in wilden Horden von ständig<br />
wechselnder Gestalt über den Himmel.<br />
Brigitte öffnete ihr Fenster einen Spalt. Sie liebte diesen<br />
Wind, der ihr von der Weite und Freiheit des Meeres<br />
erzählte. Sie liebte es, ihn im Gesicht zu spüren, ihn zu<br />
riechen, ihn mit allen Poren aufzusaugen. So roch nicht<br />
der Winter, so roch das Leben.<br />
Fast unbemerkt hatte Brigitte den Weg über die Felder<br />
und Dörfer zurückgelegt. Da vorne musste sie zu ihrer<br />
Freundin abbiegen. Sie würde sie zu einem ausgedehnten