Kinder mit Fluchterfahrung in Kita und Grundschule
KiTaFT_Ritter_Albers_Flucht__2016
KiTaFT_Ritter_Albers_Flucht__2016
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>K<strong>in</strong>der</strong> <strong>mit</strong> <strong>Fluchterfahrung</strong> <strong>in</strong> <strong>Kita</strong> <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule<br />
von Eva Charlotte Ritter <strong>und</strong> Timm Albers<br />
erwerbs erworben werden, können abhängig von der Erwerbsart als Zweitsprache<br />
oder als Fremdsprache bezeichnet werden. Die Unterscheidung liegt <strong>in</strong> dem Erwerbskontext:<br />
Während der Spracherwerb als Fremdspracherwerb gilt, sofern er<br />
im Rahmen von gesteuerten Unterrichtsituationen <strong>in</strong> erstsprachlicher Umgebung<br />
erfolgt, f<strong>in</strong>det der Zweitspracherwerb <strong>in</strong> ungesteuerten Situationen ohne<br />
formale Strukturierung statt. E<strong>in</strong>e str<strong>in</strong>gente Kategorisierung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Zuordnung<br />
zu e<strong>in</strong>er Altersgrenze s<strong>in</strong>d hier nur schwer möglich, da es <strong>in</strong> beiden Fällen<br />
zur Ergänzung des jeweils anderen Sett<strong>in</strong>gs kommen kann (vgl. Bickes & Pauli<br />
2009, 92f).<br />
<strong>K<strong>in</strong>der</strong> <strong>mit</strong> <strong>Fluchterfahrung</strong> bef<strong>in</strong>den sich zwar familiär im erstsprachlichen<br />
Kontext, werden aber <strong>mit</strong> Deutsch unweigerlich <strong>in</strong> unstrukturierten Kontexten<br />
des Alltags sowie <strong>in</strong> strukturierten Kontexten <strong>in</strong> den Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />
konfrontiert. Darüber h<strong>in</strong>aus wird der Erwerb im Bereich der Bildungs<strong>in</strong>stitutionen<br />
zwar durchaus von pädagogischen Fachkräften gesteuert <strong>und</strong> strukturiert,<br />
es kann aber gleichzeitig auch hier durch das Zusammentreffen <strong>mit</strong> anderen<br />
<strong>K<strong>in</strong>der</strong>n <strong>in</strong> unstrukturierten Situationen beispielsweise der Pause oder dem freien<br />
Spiel e<strong>in</strong>en ungesteuerten Charakter haben. Die Differenzierung ist hier kaum<br />
klar trennbar <strong>und</strong> <strong>K<strong>in</strong>der</strong>n sollte der sprachliche Kontakt <strong>in</strong> beiden Formen ermöglicht<br />
werden.<br />
Die Erstsprache<br />
berücksichtigen<br />
Im Bereich der Schule ist besonders zu beachten, dass <strong>K<strong>in</strong>der</strong> beim Schule<strong>in</strong>tritt<br />
den bereits sehr fortgeschrittenen Spracherwerb <strong>in</strong> Bezug auf grammatische<br />
Aspekte, Wortschatz <strong>und</strong> das Lesen <strong>und</strong> Schreiben noch nicht vollständig abgeschlossen<br />
haben. Sprachliche Kompetenzen werden noch bis zur Pubertät auch<br />
<strong>in</strong> der Erstsprache weiter ausgebildet. Da die Befähigung zum Lesen <strong>und</strong> Schreiben<br />
nicht nur gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, sondern wichtig für die allgeme<strong>in</strong>e<br />
Entwicklung kognitiver Fähigkeiten ist, entstehen hier für <strong>K<strong>in</strong>der</strong> im<br />
Zweitspracherwerb besondere Herausforderungen, wenn sie <strong>in</strong> ihrem noch nicht<br />
abgeschlossenen Erstspracherwerb <strong>mit</strong> Schule<strong>in</strong>tritt unterbrochen werden <strong>und</strong><br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er noch im Aufbau bef<strong>in</strong>dlichen Zweitsprache alphabetisiert werden (vgl.<br />
Schneider 2015, 30). „Das Ergebnis s<strong>in</strong>d meistens ger<strong>in</strong>gere sprachliche, aber<br />
auch ger<strong>in</strong>gere allgeme<strong>in</strong>e kognitive Fähigkeiten sowohl <strong>in</strong> der Erstsprache als<br />
auch <strong>in</strong> der Zweitsprache.“ (Schneider 2015, 30).<br />
Daraus lässt sich ableiten, dass e<strong>in</strong>e ausgewogene Begleitung des k<strong>in</strong>dlichen<br />
Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozesses auch <strong>in</strong> Bezug auf beide Sprachen relevant ist.<br />
Sowohl der Erwerb der Umgebungssprache, als auch das Beibehalten der Familiensprache<br />
sollte bei der Arbeit <strong>mit</strong> <strong>K<strong>in</strong>der</strong> <strong>mit</strong> <strong>Fluchterfahrung</strong> unterstützt werden<br />
(vgl. Sir<strong>in</strong> & Rogers-Sir<strong>in</strong> 2015, 18). Besonders unter Beachtung e<strong>in</strong>er unklaren<br />
Bleibeperspektive ersche<strong>in</strong>t es äußerst relevant, den Fokus nicht ausschließlich<br />
auf die deutsche Sprache zu legen, sondern den Spracherwerb <strong>in</strong>sgesamt zu fördern,<br />
um die Anschlussfähigkeit von Bildungsprozessen auch außerhalb von<br />
Deutschland zu gewährleisten.<br />
– 16 –