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ANK_Jugendliche_Schule_Beruf2008.18878.pdf - Die Senatorin für ...

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Bericht 2008<br />

> Schwerpunkt ›<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf‹<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen<br />

<strong>Schule</strong> und Beruf<br />

Armutsbericht:<br />

Daten zu Armut und Arbeitslosigkeit im Land Bremen<br />

Arbeitnehmerkammer<br />

Bremen


Bericht 2008 > Schwerpunkt<br />

›<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf‹<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen<br />

<strong>Schule</strong> und Beruf<br />

Arbeitnehmerkammer<br />

Bremen


Armut in Bremen<br />

Herausgeber<br />

Verfasser/innen<br />

Redaktion<br />

Gestaltung<br />

Fotos<br />

Druck<br />

Arbeitnehmerkammer Bremen<br />

Bürgerstraße 1<br />

28195 Bremen<br />

Telefon 0421·36301-0<br />

Telefax 0421·36301-89<br />

Info@arbeitnehmerkammer.de<br />

www.arbeitnehmerkammer.de<br />

Michael Galuske, Christiane Koch,<br />

Ralf Lorenzen, Volker Pusch,<br />

Peer Rosenthal, Paul M. Schröder<br />

Elke Heyduck, Martina Kedenburg,<br />

Volker Pusch<br />

Designbüro Möhlenkamp,<br />

Marlis Schuldt, Jörg Möhlenkamp<br />

Kay Michalak<br />

müllerDITZEN, Bremerhaven<br />

Abgeschlossen im November 2008


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Volker Pusch<br />

1 Einleitung:<br />

Christiane Koch / Peer Rosenthal<br />

2 Ausbildung – der Markt lässt viele Wünsche offen<br />

2.1 Von der <strong>Schule</strong> in den Beruf: viele Wege – alle zum Ziel?<br />

2.2 Wen betrifft die Entwicklung des Berufsbildungssystems in Bremen<br />

in welcher Weise? – das Bremer Bewerber/innenpotenzial<br />

2.3 Der Umfang des Bremer Ausbildungssystems<br />

2.4 <strong>Die</strong> Angebots-/Bewerber/innen-Relation in Bremen<br />

2.5 Ausbildungsabbrüche<br />

2.6 <strong>Die</strong> Hartz-Reform und der Umgang mit Jugendarbeitslosigkeit<br />

2.7 Zielgruppen und Probleme<br />

Michael Galuske<br />

3 die Pädagogik der Hartz-Gesetze – über den<br />

aktivierenden Umgang mit Jugendarbeitslosigkeit<br />

3.1 Arbeitslosigkeit und (Sozial-)Pädagogik – eine Vorbemerkung<br />

3.2 Aktivierender Sozialstaat und Hartz-Gesetze<br />

3.3 Hartz IV und die Jugend<br />

3.4 <strong>Jugendliche</strong> und Heranwachsende im Geltungsbereich<br />

des SGB II zwischen Selektion und Verfolgungsbetreuung<br />

3.5 Schlussbemerkungen<br />

Christiane Koch / Peer Rosenthal<br />

4 <strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf:<br />

Wohin führt der Weg, der im Übergangssystem beginnt?<br />

4.1 Was ist das Übergangssystem und wie entstand es?<br />

4.2 Aufblähung des Übergangssystems durch das Phänomen Altbewerber/innen<br />

4.3 Übergangssystem: Quantitative Entwicklung, Teilnehmerstruktur und Maßnahmen<br />

4.4 Einstiegsqualifizierung (EQJ/EQ) als Beispiel<br />

einer Fördermaßnahme des Übergangssystems<br />

4.5 Unübersichtlichkeit des Übergangsystems<br />

4.6 Ausbildungslosigkeit trotz Übergangssystems<br />

4.7 Mögliche Handlungslinien: ›Bremer Vereinbarungen 2008–2010‹<br />

und ›Bremer Netzwerk Nachqualifizierung‹<br />

4.8 Schlussfolgerungen<br />

Ralf Lorenzen<br />

5 Vier Geschichten vom Überleben in der Warteschleife<br />

Paul M. Schröder<br />

6 Zahlen, Daten, Fakten<br />

Arbeitslosengeld II (SGB II) nach Altersgruppen, im Verhältnis zur Arbeitslosenquote,<br />

in Bedarfsgemeinschaften und im Städtevergleich<br />

Kinder und andere nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige und SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen nach Stadt- und Ortsteilen<br />

SGB-II Bedarfsgemeinschaften: Ausgaben <strong>für</strong> Leistungen zur Sicherung<br />

des Lebensunterhaltes (Bund und Kommunen) pro Monat<br />

Vergleich der zeitnahen und der revidierten Daten zum Arbeitslosengeld II<br />

4<br />

6<br />

14<br />

48<br />

66<br />

94<br />

102


4<br />

Vorwort


Vorwort<br />

<strong>Die</strong> Tatsache ist uns schon beinahe zu vertraut, als dass sie uns noch aufrütteln würde:<br />

Viele <strong>Jugendliche</strong> finden nach der <strong>Schule</strong> keinen direkten Weg ins Berufsleben. Mal gibt es<br />

mehr, mal weniger Ausbildungsplätze – je nach konjunktureller Lage – aber <strong>für</strong> alle reicht es<br />

schon lange nicht mehr. Sofern es doch einmal rechnerisch hinkommt, alle Bremer Schulabsolventen<br />

auch mit einem Ausbildungsplatz zu versorgen, werden in der Regel diejenigen<br />

vergessen, die sich ein oder mehrere Jahre in den sogenannten Übergangssystemen befinden.<br />

Von diesen <strong>Jugendliche</strong>n, die im ersten Anlauf keinen Ausbildungsplatz bekommen<br />

haben, handelt der Schwerpunkt unseres diesjährigen Armutsberichts. Damit sie nicht ›unter<br />

den Tisch fallen‹ hat die Arbeitnehmerkammer die Bremer Vereinbarung mit unterzeichnet,<br />

die es sich zur Aufgabe macht, gerade die benachteiligten Gruppen auf dem Ausbildungsmarkt<br />

zu integrieren.<br />

Es gibt eine Fülle von Maßnahmen, die vonseiten des Staates ergriffen werden, um<br />

diese <strong>Jugendliche</strong>n zu fördern und ihnen den Weg ins Arbeitsleben zu bereiten. Eine jüngst<br />

erschienene Studie des Deutschen Jugendinstituts kommt bezogen auf diese Maßnahmen<br />

zu zwiespältigen Ergebnissen. So finden sich in den Übergangssystemen viele <strong>Jugendliche</strong>,<br />

deren Schulnoten beziehungsweise Abschlüsse einen zusätzlichen Förderbedarf gar nicht<br />

nötig machen. Für sie ist einfach kein Platz auf dem Ausbildungsmarkt. Für Migranten und<br />

<strong>Jugendliche</strong> ohne Schulabschluss lässt sich tatsächlich eine Chancenverbesserung ausmachen.<br />

Für wieder andere, insbesondere diejenigen, die im Elternhaus wenig oder gar keine<br />

Unterstützung erfahren, ›leitet die einmalige oder gar mehrmalige Teilnahme an Berufsvorbereitung<br />

den Ausstieg aus Bildung und Ausbildung ein‹ – so heißt es in der Studie.<br />

Damit wären wir – leider – beim zweiten Teil dieses Berichts angelangt: den Daten zur<br />

Entwicklung von Armut und Arbeitslosigkeit im Land Bremen, den Sie im hinteren Teil dieser<br />

Veröffentlichung finden. <strong>Die</strong>ser Datenteil ist fester Bestandteil unserer Armutsberichterstattung,<br />

die wir seit sieben Jahren erstellen. Im vorliegenden Bericht halten wir eine Zahl<br />

<strong>für</strong> besonders besorgniserregend: Von den in Bremen lebenden <strong>Jugendliche</strong>n zwischen<br />

15 und 18 Jahren erhalten 206 von 1.000 Arbeitslosengeld II. <strong>Die</strong>se Zahl liegt deutlich über<br />

dem bundesdeutschen Durchschnitt. Und sie zeigt, dass unter den Jüngeren massive Probleme<br />

existieren, die erste und zweite Schwelle zur Berufswelt zu überschreiten und einen<br />

angemessenen, anständig bezahlten Platz in der Berufswelt einzunehmen. <strong>Die</strong> erwartete<br />

Rezession wird hier sicherlich eher zur Verschärfung des Problems beitragen.<br />

Aus Sicht der Arbeitnehmerkammer muss das gesellschaftliche Versprechen, dass<br />

jeder <strong>Jugendliche</strong> einen Ausbildungsplatz bekommt, dringend erneuert werden. <strong>Die</strong> Bremer<br />

Vereinbarung ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung. Verantwortlich sind hier alle:<br />

Wirtschaft und Staat. Keine Finanzkrise, keine Rezession darf dazu führen, dass sich die<br />

beteiligten Akteure aus dieser Verantwortung wieder herausstehlen.<br />

Hans Driemel Dr. Hans-L. Endl<br />

Präsident Hauptgeschäftsführer<br />

5


6<br />

Einleitung<br />

Wir bedanken uns herzlich<br />

bei ›NAHlos – Berufliche Qualifizierung <strong>für</strong> junge Erwachsene‹<br />

und den dort beschäftigten <strong>Jugendliche</strong>n <strong>für</strong> die Möglichkeit zu<br />

fotografieren. NAHlos ist eine vorqualifizierende Maßnahme <strong>für</strong><br />

<strong>Jugendliche</strong> und junge Erwachsene unter 25 Jahre im Bremer<br />

Westen. Ob mit oder ohne Schulabschluss – junge Menschen,<br />

die Arbeitslosengeld II beziehen und aus unterschiedlichen Gründen<br />

nicht in der Lage sind einen In-Job anzutreten beziehungsweise<br />

durchzuhalten, werden dort gefördert. Sie sammeln berufliche<br />

Erfahrung durch praktische Tätigkeiten als Handwerker,<br />

haben Schulunterricht und werden von den Lehrern und Pädagogen<br />

unterstützt bei der Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche.<br />

Auch finden sie hier Beratung in akuten Krisensituationen.<br />

NAHlos wird in Trägerschaft des Deutschen Roten Kreuzes<br />

(DRK) Kreisverband Bremen e. V. im Rahmen der kooperativen<br />

Einrichtung Zentrum <strong>für</strong> <strong>Schule</strong> und Beruf (zsb) realisiert.


Volker Pusch ❘ Arbeitnehmerkammer Bremen<br />

1 Einleitung<br />

Wer in der Bundesrepublik Deutschland<br />

Überlegungen zu den Themen ›Armut‹ oder<br />

›Armutsbekämpfung‹ anstellt und veröffentlicht,<br />

der kommt an den Forderungen nach<br />

einem gesetzlichen Mindestlohn, nach Steuererleichterungen,<br />

vor allem aber nach einer<br />

massiven Verstärkung der Bildungsanstrengungen<br />

von Bund und Ländern nicht vorbei. Der<br />

neue Armutsbericht 2008 der Arbeitnehmerkammer<br />

Bremen macht in dieser Hinsicht<br />

keine Ausnahme, denn er behandelt die Lage<br />

von <strong>Jugendliche</strong>n und jungen Erwachsenen im<br />

Alter von 15 bis 25 Jahren, die keine reguläre<br />

berufliche Ausbildung erhalten, sondern die<br />

zu Absolventinnen und Absolventen des sogenannten<br />

›Übergangssystems‹ geworden sind.<br />

Ein ›System‹, das inzwischen ein fester<br />

Bestandteil unseres Bildungswesens geworden<br />

ist und das <strong>für</strong> viele seiner Absolventinnen<br />

und Absolventen wie eine nicht enden<br />

wollende Warteschleife funktioniert.<br />

Bevor wir uns diesem neuen Bildungsbereich<br />

zuwenden, wollen wir ein paar Anmerkungen<br />

zum Verhältnis von ›Armut und Bildung‹<br />

machen – um Missverständnissen vorzubeugen<br />

und auch, um aus Sicht einer Arbeitnehmer/inneninstitution<br />

zu klären, worin ein rationeller<br />

Beitrag der Bildung bei der Bekämpfung<br />

von Armut bestehen kann.<br />

›Bildung, Bildung, Bildung!‹ – das<br />

neue Mantra der Armutsbekämpfung<br />

Der dritte Armuts- und Reichtumsbericht der<br />

Bundesregierung fordert vehement eine Verbesserung<br />

der ›Teilhabe- und Verwirklichungschancen‹<br />

armer Bevölkerungsgruppen, insbesondere<br />

armer Kinder, ein und sieht die<br />

Bildungsarbeit als ›Schlüssel <strong>für</strong> Teilhabe und<br />

Integration‹ schlechthin an. Mit dieser Zielvorgabe<br />

hat der Bericht – der ebenso viel<br />

Zuspruch wie Kritik erntete – immerhin eines<br />

erreicht: ›Bildung, Bildung, Bildung‹ ist inzwischen<br />

das durchgehende ›Mantra‹ deutscher<br />

Spitzenpolitiker aller Parteien geworden, das<br />

in jedes Rededuell geworfen wird, sobald es<br />

um Vorschläge zur nachhaltigen Bekämpfung<br />

der Kinder- und <strong>Jugendliche</strong>narmut geht.<br />

<strong>Die</strong>se bemerkenswerte Übereinkunft politisch<br />

Verantwortlicher ist nicht selbstverständlich,<br />

mehr noch, sie hat ihre Tücken:<br />

Ohne Zweifel wird im 21. Jahrhundert niemand<br />

ernsthaft bestreiten wollen, dass Armut<br />

mehr ist als fehlendes Geld zur Finanzierung<br />

des Lebensunterhalts. Dass die materielle<br />

Armut nur zu oft einhergeht mit einem Mangel<br />

an Bildung, mit kulturellen und gesundheitlichen<br />

Beschränkungen und mit Benachteiligungen<br />

im sozialen Wohnumfeld oder bei der<br />

Freizeitgestaltung, dies ist mehr als gewiss<br />

und durch Dutzende von Untersuchungen<br />

seriös belegt. Aber – wenn Armut zwangsläufig<br />

zu Bildungs- oder Kulturferne der Armen<br />

führt und weitere Sozialisationsdefizite hervorruft<br />

– ist dann tatsächlich auch der Umkehrschluss<br />

zulässig, dass mit der Bekämpfung<br />

dieser Defizite gleichzeitig auch die Ursachen<br />

<strong>für</strong> Armut zu überwinden sind?<br />

Soviel steht fest: Eine fehlende Schul- oder<br />

Berufsausbildung verhindert häufig, dass<br />

<strong>Jugendliche</strong> oder junge Erwachsene zügig auf<br />

dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. Dennoch dürfte<br />

dies all die Heranwachsenden wenig ängstigen,<br />

die das Glück haben, Kinder vermögender<br />

Eltern zu sein. Ihnen bleibt nämlich die<br />

Sicherheit, dass ihr individueller Mangel an<br />

Bildung oder Qualifikation keineswegs ein<br />

unauslöschbarer Makel bleiben muss, vor<br />

allem aber haben sie die Gewissheit, dass ihre<br />

Bildungsdefizite gerade nicht automatisch<br />

zu einem Leben in Armut führen. Wer mithin<br />

die ›soziale Vererbung‹ von Armut politisch<br />

kritisiert, der sollte sich bei der Ursachenforschung<br />

nicht allein auf das Moment<br />

›Bildungsferne‹ konzentrieren. Deshalb nicht,<br />

weil dieses Argument nur zu oft auf eine<br />

Schuldzuweisung hinausläuft – und zwar<br />

immer dann, wenn die Gründe <strong>für</strong> ›Bildungsarmut‹<br />

bei den Betroffenen selber gesucht<br />

werden und im Gegenzug die Gesamtverantwortung<br />

von Staat und Wirtschaft <strong>für</strong> die<br />

Qualität des (Aus-)Bildungswesens gewollt<br />

oder ungewollt unter den Tisch fällt.<br />

7


8<br />

Einleitung<br />

Dass die ›soziale Vererbung‹ von Armut nicht<br />

durch mangelnde Bildung verursacht wird,<br />

sondern dass vielmehr die Bildungs- und<br />

Sozialisationsdefizite der verarmten Bevölkerung<br />

ein aufschlussreiches Indiz ihrer prekären<br />

materiellen Lage sind, ist an sich nicht schwer<br />

zu verstehen:<br />

›Zu fragen wäre nämlich, weshalb die<br />

Bedeutung des Geldes <strong>für</strong> die Teilhabe der<br />

Menschen am gesellschaftlichen Leben ausgerechnet<br />

zu einer Zeit gesunken sein soll, wo<br />

es in sämtlichen Lebensbereichen wichtiger<br />

als früher, aber auch ungleicher denn je verteilt<br />

ist. Je stärker Bildung, Freizeit und Kultur<br />

ökonomisiert, privatisiert beziehungsweise<br />

kommerzialisiert werden, umso mehr manifestiert<br />

sich (Kinder-)Armut in fehlender Chancengleichheit.<br />

Um durch Nachhilfeunterricht in<br />

der <strong>Schule</strong> mithalten und mit der ganzen<br />

Familie das Theater, den Zoo oder die Oper<br />

besuchen zu können, braucht man nun mal<br />

finanzielle Mittel. Geld ist weiß Gott nicht<br />

alles, aber ohne Geld sind die meisten kulturellen<br />

und Bildungsambitionen nicht viel wert!‹ 1<br />

Mit anderen Worten – wenn die tiefer<br />

werdende soziale und materielle Spaltung der<br />

Gesellschaft mit ihren inzwischen auch in<br />

Deutschland bekannten Armenspeisungen auf<br />

der einen Seite und den abgeschotteten<br />

Reichenghettos auf der anderen Seite aufgehalten<br />

oder gar rückgängig gemacht werden<br />

soll, dann sind da<strong>für</strong> massive finanzielle<br />

Investitionen erforderlich:<br />

Investitionen in den Umbau eines allgemeinbildenden<br />

Schulsystems, das bis dato –<br />

und im Widerspruch zu den vorliegenden<br />

PISA-Resultaten – die soziale Selektion der<br />

jungen Generation weiter vorantreibt durch<br />

eine hierarchische Gliederung, in der die<br />

privilegierten Gymnasien weiterhin dem<br />

Nachwuchs der ›Besserverdienenden‹<br />

vorbehalten bleiben.<br />

Investitionen in eine schlagkräftige Infrastruktur<br />

<strong>für</strong> lebenslanges Lernen, die als<br />

quartärer Sektor nicht nur borniert die<br />

willkürlich entstehenden, kurzfristigen, technologieninduzierten<br />

Qualifikationsbedarfe<br />

der Unternehmen abdeckt, sondern die<br />

den Bildungsadressaten und -adressatinnen<br />

Möglichkeiten verschafft, individuelle Bildungsinteressen<br />

zu verfolgen und sich auf<br />

wechselnde gesellschaftliche und berufliche<br />

Herausforderungen systematisch neu<br />

einzustellen.<br />

<strong>Die</strong> ›Mythologisierung‹ der Bildung und ihre<br />

Stilisierung zu einem universellen Heilmittel <strong>für</strong><br />

nahezu alle gesellschaftlichen Probleme, die<br />

aus der Armut resultieren können, wird zu<br />

nichts Greifbarem führen. Damit eine bessere<br />

Bildungsarbeit Wirkungen erzielen kann, muss<br />

parallel zu ihr politisch mehr soziale Gleichheit,<br />

vor allem aber mehr Verteilungsgerechtigkeit<br />

herbeigeführt werden. <strong>Die</strong>s ist ohne<br />

massiven Mitteleinsatz und eine entsprechende<br />

politische Zielfassung nicht denkbar:<br />

›Ohne entsprechende materielle Ressourcen<br />

steht etwa die Chance <strong>für</strong> Erwerbslose,<br />

an Fortbildungskursen teilzunehmen und ihre<br />

persönlichen Arbeitsmarktchancen zu verbessern,<br />

nur auf dem Papier. Es ist pure Heuchlerei,<br />

den Armen Bildet Euch! zu predigen,<br />

im Regelsatz <strong>für</strong> Hartz-IV-Empfänger/innen<br />

da<strong>für</strong> jedoch keinen Cent vorzusehen. Kinder<br />

unter 14 Jahren erhalten 1,79 Euro im Monat<br />

<strong>für</strong> Schulmaterialien und 2,72 Euro pro Tag<br />

<strong>für</strong> Nahrung. Wer seinen Bildungshunger<br />

stillen will, muss indes zunächst einmal satt<br />

zu essen haben.‹ 2<br />

1 Butterwegge, Christoph u.a. (2008):<br />

Kinderarmut in Ost- und Westdeutschland.<br />

2 Butterwegge, Christoph u.a. (2008): a.a.O.


<strong>Die</strong> duale Ausbildung – hoch gelobt<br />

und seit Jahren in der Krise<br />

Was <strong>für</strong> das Verhältnis von ›Bildung und<br />

Armut‹ im Allgemeinen gilt, das gilt in besonderem<br />

Maße <strong>für</strong> den Ausbildungsektor. <strong>Die</strong><br />

Berufsausbildung in der Bundesrepublik soll –<br />

einerseits – die Qualifikationsnachfrage von<br />

Wirtschaft und Staat befriedigen, damit ein<br />

effektives und effizientes Wirtschaften und<br />

Verwalten in einer globalisierten Ökonomie<br />

möglich wird. Andererseits soll sie die heranwachsende<br />

Generation zu diesem Zweck mit<br />

Qualifikationen ausstatten, die es ihr ermöglicht,<br />

eine auch subjektiv als angemessen<br />

empfundene Stellung in der Hierarchie gesellschaftlicher<br />

Berufe einzunehmen. Der Erfolg<br />

dieser Operation besteht mithin darin, sich<br />

aufgrund der erworbenen Qualifikation in der<br />

Konkurrenz um Arbeitsplätze behaupten zu<br />

können. In diesem Sinne ist die Ausbildung<br />

eine Voraussetzung <strong>für</strong> die Übernahme einer<br />

Berufsrolle, die Einkommen garantiert und<br />

Schutz vor materiellem und sozialem Abstieg<br />

gewährt.<br />

Das bundesdeutsche duale Ausbildungssystem<br />

mit seinen Lernorten <strong>Schule</strong> und<br />

Betrieb gilt vielen Experten und Expertinnen<br />

immer noch als das richtungsweisende Muster<br />

<strong>für</strong> die bestmögliche Heranführung der jungen<br />

Generation an die Anforderungen moderner<br />

Erwerbsarbeit. Besonders die Rolle des Lernortes<br />

›Betrieb‹ gegenüber der <strong>Schule</strong> firmiert<br />

im internationalen Vergleich als herausragende<br />

Stärke des deutschen Systems. Belegt wird<br />

diese Stärke vor allem mit der hohen Übergangsquote<br />

junger Menschen aus dem Ausbildungssystem<br />

in den regulären Arbeitsmarkt<br />

sowie mit dem zentralen Beitrag der Qualifikation<br />

der Beschäftigten zum enormen<br />

rfolg der deutschen Exportwirtschaft in den<br />

vergangenen 30 Jahren. Allerdings muss der<br />

Ehrlichkeit halber angefügt werden: Es gibt im<br />

Ausbildungssektor keinen den PISA-Studien<br />

auch nur annähernd ähnlichen internationalen<br />

Qualitätsvergleich, der die behauptete Überlegenheit<br />

des dualen Systems wissenschaftlich<br />

erhärten könnte.<br />

Immerhin bleibt festzuhalten, dass die duale<br />

Ausbildung idealtypisch die Nachfrage von<br />

Wirtschaft und Staat nach Qualifikationen mit<br />

den individuellen Bedürfnissen der Qualifizierten<br />

nach einer auskömmlichen Erwerbstätigkeit<br />

in Einklang bringen will. In diesem Sinne<br />

ist es daher sicher berechtigt davon zu<br />

sprechen, dass die berufliche Qualifizierung<br />

nach wie vor eine Schlüsselstellung beim<br />

Übergang der nachwachsenden Generationen<br />

in die Arbeitswelt einnimmt und durch diese<br />

Funktion – quasi gratis – einen entscheidenden<br />

Beitrag zur präventiven Bekämpfung<br />

von Armut und sozialem Abstieg leistet.<br />

Aus diesem Grund ist der Arbeitnehmerkammer<br />

Bremen die seit einigen Jahren<br />

unübersehbare Krise der dualen Ausbildung<br />

Anlass, sie im diesjährigen Armutsbericht zum<br />

Thema zu machen. Dabei rücken – wie eingangs<br />

bereits angedeutet – die sogenannten<br />

›Übergangsprogramme‹ in das Zentrum<br />

unserer Analyse. Sie sind samt und sonders<br />

als Reaktionen auf eine Situation entstanden,<br />

die einen bislang unlösbaren Widerspruch<br />

markiert:<br />

Im vergangenen Jahrzehnt hat die Nachfrage<br />

nach Ausbildungsplätzen deutlich zugenommen;<br />

gleichzeitig nahm das Angebot an Ausbildungsplätzen<br />

ab. Das Ergebnis: 2006 fanden<br />

in Deutschland nur noch 43 Prozent aller<br />

Anwärter/innen auf einen Ausbildungsplatz<br />

den Weg in das duale Ausbildungssystem.<br />

Etwa 40 Prozent der Neuzugänge der beruflichen<br />

Bildung landeten im ›Übergangssystem‹:<br />

9


10<br />

Einleitung<br />

›<strong>Die</strong>s betrifft etwa 84 Prozent der Schulabsolventen<br />

ohne und etwa 52 Prozent der Absolventen<br />

mit Hauptabschluss. Bezogen auf die<br />

aktuellen Absolventenzahlen bedeutet dies,<br />

dass derzeit knapp 200.000 <strong>Jugendliche</strong> aus<br />

dem Kreis der Schulabsolventen eines Entlassjahrgangs<br />

in das Übergangssystem wechseln.<br />

Bei der derzeitigen Jahrgangsstärke der<br />

Sechzehnjährigen von etwa 970.000 ist dies<br />

ungefähr ein Fünftel (21 Prozent) eines Altersjahrgangs,<br />

das nach der <strong>Schule</strong> auf dem direkten<br />

Weg in dieses Übergangssystem wechselt.<br />

Das Übergangssystem zwischen schulischer<br />

und beruflicher Ausbildung ist in seinem<br />

Umfang <strong>für</strong> zu viele Betroffene zur Warteschleife<br />

geworden.‹ 3<br />

Das Übergangssystem –<br />

Übergänge ins Ungewisse<br />

Leider führt das Übergangssystem seinen<br />

bildungspolitischen Anspruch nur im Titel:<br />

Einen Übergang in eine reguläre Berufsausbildung<br />

bietet es nicht einmal 40 Prozent seiner<br />

Teilnehmer/innen. Für fast zwei Drittel seiner<br />

Absolventen und Absolventinnen eröffnen die<br />

Maßnahmen wenig berufliche Perspektiven,<br />

stattdessen aber hohe Risiken auf dem<br />

regulären Arbeitsmarkt. Objektiv führen sie<br />

zu einer tief greifenden Verunsicherung einer<br />

ganzen Generation von Nachfragern und Nachfragerinnen<br />

nach Ausbildung, der zu allem<br />

Überfluss trotz jahrelanger ›Maßnahmekarrieren‹<br />

das Herausfallen aus regulärer Erwerbstätigkeit<br />

und einem materiell gesicherten<br />

Leben droht. Angesichts dieser Resultate ist<br />

es fast ›makaber‹ zu nennen, wenn ein derart<br />

ineffektives System mit jährlich rund 8 Milliarden<br />

Euro unterhalten werden muss!<br />

Es ist und bleibt deshalb besorgniserregend,<br />

dass das Übergangssystem allein aus<br />

dem bloßen Umstand resultiert, dass nicht<br />

einmal mehr ein Fünftel der Ausbildungsanfänger/innen<br />

ohne und nur noch zwei Fünftel<br />

mit Hauptschulabschluss den Weg ins duale<br />

System finden. Selbst die Realschulabsolventen<br />

und -absolventinnen landen zu mehr als<br />

einem Viertel vorerst in diesem Bereich. Ganz<br />

dramatisch ist die Situation ausländischer<br />

<strong>Jugendliche</strong>r. Sie stellen einen enormen Anteil<br />

an Teilnehmern und Teilnehmerinnen im Über-<br />

gangssystem. <strong>Die</strong> einstige Stärke der dualen<br />

Ausbildung, gerade durch die Verbindung von<br />

praktischen und theoretischen Elementen bildungsschwächere<br />

<strong>Jugendliche</strong>, aber durchaus<br />

auch normale Hauptschulabgänger/innen zu<br />

integrieren, greift also immer weniger. Damit<br />

aber nicht genug: Der Rückgang der Ausbildungsplätze<br />

geht vonseiten der Ausbildungsbetriebe<br />

mit immer höheren Ansprüchen an<br />

die Formalqualifikation der <strong>Jugendliche</strong>n einher.<br />

Mittlerweile haben die ausbildenden Unternehmen<br />

durch ihre Rekrutierungsstrategien<br />

das verlangte Durchschnittsniveau ihrer Auszubildenden<br />

auf Realschulabschluss angehoben.<br />

<strong>Die</strong>se Entwicklung wurde und wird vonseiten<br />

der Unternehmen mit einer Reihe von<br />

Schuldzuweisungen ›garniert‹: <strong>Die</strong> Veränderung<br />

in den Rekrutierungsstrategien hat aus<br />

Sicht der Wirtschaft nichts mit den Verwerfungen<br />

zwischen Angebot und Nachfrage bei<br />

den Ausbildungsplätzen zu tun, sondern einzig<br />

und allein mit den gravierenden Bildungsdefiziten<br />

der Ausbildungsplatzsuchenden. Folgt<br />

man den Aussagen der Ausbildungsunternehmen<br />

und der prüfenden Kammern oder hält<br />

man sich gar an die inzwischen grassierenden,<br />

einschlägigen ›Soaps‹ zum Thema, dann<br />

muss man den Eindruck gewinnen, dass<br />

einem ausbildenden Unternehmen heute kaum<br />

noch ein <strong>Jugendliche</strong>r mit einem normalen<br />

Hauptschulabschluss zuzumuten ist.<br />

Eine interessante, streitbare Gegenposition<br />

formuliert in dem nachfolgend zitierten Beitrag<br />

die Mutter eines Hauptschülers, die sich<br />

gegenüber dem Weser-Kurier zu der von<br />

Prof. Dr. Ch. Pfeiffer erhobenen Forderung<br />

nach flächendeckender Einführung von Ganztagsschulen<br />

äußert:<br />

3 Catenhusen, Wolf-Michael (2007): <strong>Die</strong> Zukunftsfähigkeit des<br />

deutschen Bildungssystems sichern. Politische Stellungnahme im<br />

Namen des Netzwerk Bildung vom 26. Januar 2007.


›... Nachdem in den Medien der Eindruck<br />

erweckt wurde, Hauptschüler könnten<br />

weder rechnen, lesen noch schreiben,<br />

wissen wir dank ihrer Zeitung und Herrn<br />

Pfeiffer, dass Hauptschüler auch noch<br />

kriminell sind.<br />

Als Mutter eines solchen Hauptschülers<br />

wehre ich mich entschieden dagegen, diese<br />

<strong>Jugendliche</strong>n so pauschal abzuurteilen. <strong>Die</strong><br />

soziale Ächtung, die Menschen und ihren<br />

Familien bei diesem Bildungslevel begegnet,<br />

ist fundamental und präjudizierend.<br />

Unser Problem sind nicht die <strong>Jugendliche</strong>n,<br />

sondern unsere Gesellschaft, die einen<br />

geringeren Bildungshorizont als nicht wieder<br />

gutzumachenden Makel betrachtet.<br />

<strong>Die</strong> Quote von <strong>Jugendliche</strong>n mit Hauptschulabschluss,<br />

die erhebliche Schwierigkeiten<br />

mit den Grundfertigkeiten haben, liegt bei<br />

10 bis 15 Prozent. Aber was kümmern uns<br />

die restlichen 85 bis 90 Prozent, die all<br />

dies in einem Normalmaß beherrschen.<br />

Ich möchte gern mit manchem, der die<br />

Qualifikationen dieser <strong>Jugendliche</strong>n<br />

schlechtredet, einen Deutsch- oder Mathetest<br />

auf dem heutigen Level machen.<br />

Unser Problem sind nicht die <strong>Jugendliche</strong>n,<br />

die laut den Medienberichten nicht mal<br />

genügend Qualifikationen <strong>für</strong> eine Lehre im<br />

Gastronomiebereich oder im Einzelhandel<br />

mitbringen, sondern die völlig überzogenen<br />

Vorstellungen der Wirtschaft. Wohlgemerkt<br />

– es geht um die Ausbildung <strong>für</strong> Arbeitsstellen,<br />

die im Betriebsalltag von ungelernten<br />

400-Euro-Kräften ausgeübt werden.<br />

In den Tagen zur Berufsorientierung können<br />

sie zuhauf in die entsetzten Gesichter<br />

unserer Realschüler schauen, die sich zu<br />

Recht fragen, wozu sie Englisch, Französisch,<br />

Physik und Biologie et cetera gelernt<br />

haben, um dann als Zimmermädchen<br />

Betten zu beziehen oder als Koch Möhren<br />

<strong>für</strong> den Salat zu putzen. <strong>Die</strong> Manie, jeden<br />

Beruf mit einer hochkomplexen Ausbildung<br />

zu versehen, die weit über dem tatsächlichen<br />

späteren Anforderungsprofil liegt,<br />

hat völlig unnötig zur Ausgrenzung vieler<br />

<strong>Jugendliche</strong>r geführt.<br />

<strong>Jugendliche</strong> und ihr Bildungspotenzial<br />

ändern sich nicht, indem der Name ihrer<br />

<strong>Schule</strong> von Haupt- in Realschule umgewandelt<br />

wird, unter Ausdehnung des herkömmlichen<br />

Unterrichts auf den gesamten Tag.‹ 4<br />

<strong>Die</strong>se Position mag von Zorn und Enttäuschung<br />

geprägt sein – eines bringt sie sehr<br />

präzise auf den Punkt: <strong>Die</strong> gebetsmühlenartig<br />

wiederholte Behauptung der Wirtschaft, dass<br />

eine große Anzahl der ausbildungsplatznachfragenden<br />

<strong>Jugendliche</strong>n trotz Schulabschluss<br />

so große Bildungsdefizite habe, dass ihre<br />

Ausbildung faktisch unmöglich sei, ist und<br />

bleibt eine bloße Behauptung. Ob sich tatsächlich<br />

das allgemeine Qualifikationsniveau der<br />

<strong>Jugendliche</strong>n drastisch verschlechtert hat<br />

oder ob nicht stattdessen die von der Wirtschaft<br />

selbst herbeigeführte Verknappung der<br />

Ausbildungsplätze – bei steigenden Bewerber/innenzahlen<br />

– von den Akteuren in den<br />

Unternehmen ausgenutzt wird, um die Selektion<br />

der <strong>Jugendliche</strong>n immer weiter zu verschärfen,<br />

ob dabei schließlich der nüchterne<br />

Blick auf das tatsächliche Anforderungsprofil<br />

einer Vielzahl moderner Berufe längst auf<br />

der Strecke geblieben ist – all dies steht aus<br />

Sicht der Arbeitnehmerkammer Bremen<br />

weiterhin zur Klärung an.<br />

Jenseits aller Schuldzuweisungen bleibt<br />

jedoch grundsätzlich festzuhalten, dass die<br />

Krise der dualen Ausbildung einfach nicht wegdiskutiert<br />

werden kann. Ebenso dürfte auch<br />

feststehen, dass sich ›Übergangsmaßnahmen‹<br />

selbst in Frage stellen, die, ihrem Anspruch<br />

zum Trotz, einer erheblichen Anzahl von Teilnehmern<br />

und Teilnehmerinnen keinen Übergang<br />

in Ausbildung ermöglichen werden –<br />

besonders in Zeiten, in denen davon ausgegangen<br />

werden muss, dass der Fachkräftebedarf<br />

in den wichtigsten Industrie- und <strong>Die</strong>nstleistungsberufen<br />

schon in Kürze nicht mehr<br />

durch den Arbeitsmarkt zu decken sein wird.<br />

Soviel steht also immerhin fest: Das Paradoxon,<br />

dass die Akteure des Arbeits- und<br />

Ausbildungsstellenmarktes sich im Grundsatz<br />

immer noch darin einig sind, dass die duale<br />

4 Weser-Kurier, Juli 2008.<br />

11


12<br />

Einleitung<br />

Ausbildung Garant <strong>für</strong> die Güte des Standortfaktors<br />

›Qualifikation‹ ist, der Ausbildungsstellenmarkt<br />

aber nicht einmal mehr die Hälfte<br />

eines Nachwuchsjahrgangs aufnimmt, ist nicht<br />

dadurch aufzulösen, dass dem dualen System<br />

Übergangsmaßnahmen zugeordnet werden,<br />

die in ihrer Majorität eben keine Übergänge<br />

schaffen, sondern die sich mehr und mehr<br />

verselbstständigen und ein dubioses arbeitsmarktliches<br />

Eigenleben zu führen beginnen.<br />

Mit all diesen sperrigen, unbefriedigenden<br />

und zum Teil hoch widersprüchlichen Entwicklungen<br />

wollen wir uns nun im Folgenden intensiv<br />

auseinandersetzen, um Antworten auf die<br />

Frage zu finden, von welcher Qualität die<br />

Wege sind, die heute von der <strong>Schule</strong> in Ausbildung<br />

und später in den Beruf führen sollen,<br />

und wie hoch das Gefahrenpotenzial zu veranschlagen<br />

ist, dass zumindest einige dieser<br />

Wege zielstrebig in die Armut führen.<br />

Dr. Christiane Koch und Peer Rosenthal<br />

von der Arbeitnehmerkammer Bremen, zuständig<br />

<strong>für</strong> die Arbeitsbereiche Arbeitsmarkt-<br />

und Ausbildungspolitik, stellen einleitend dar,<br />

was <strong>für</strong> eine herausragende Bedeutung<br />

Berufsabschlüsse <strong>für</strong> die Stellung auf dem<br />

Arbeitsmarkt haben. Darüber hinaus setzen<br />

sie sich dezidiert mit der quantitativen und<br />

qualitativen Entwicklung des Ausbildungssystems<br />

im Lande Bremen auseinander und<br />

gehen der Frage nach, wie sich Übergangsprozesse<br />

<strong>für</strong> bestimmte Gruppen von <strong>Jugendliche</strong>n<br />

im Marktprozess gestalten.<br />

Prof. Dr. Michael Galuske von der Universität<br />

Kassel, am dortigen Institut <strong>für</strong> Sozialpädagogik<br />

und Soziologie der Lebensalter<br />

zuständig <strong>für</strong> das Fachgebiet Sozialpädagogik,<br />

setzt sich mit der ›Pädagogik der Hartz-<br />

Gesetze‹ auseinander. Er erklärt zunächst in<br />

knapper Form die neue Philosophie des<br />

aktivierenden Sozialstaats, um dann, im Kern<br />

seiner Analyse, die Frage zu beantworten,<br />

welches pädagogische Programm eben dieser<br />

aktivierende Sozialstaat insbesondere im<br />

Hinblick auf die <strong>Jugendliche</strong>n entfaltet, die<br />

den steigenden Anforderungen der Ökonomie<br />

immer hilfloser gegenüberstehen.<br />

Wie sich die weiteren Berufsverläufe von<br />

<strong>Jugendliche</strong>n darstellen, die nach der <strong>Schule</strong><br />

in das Übergangssystem wechseln, beschreiben<br />

Dr. Christiane Koch und Peer Rosenthal in<br />

ihrem zweiten Beitrag. Sie stellen das Übergangssystem<br />

und die Teilnehmerstruktur im<br />

Land Bremen dar, verdeutlichen an einem<br />

Maßnahmebeispiel problematische steuerungspolitische<br />

Fragen und konstatieren am Ende<br />

einen massiven politischen Handlungsbedarf<br />

vor dem Hintergrund, dass ein Fünftel der<br />

<strong>Jugendliche</strong>n mit maximal mittlerem Schulabschluss<br />

langwierige beziehungsweise keine<br />

gelungenen Übergänge in Ausbildung aufweisen.<br />

Abschließend stellen sie zentrale Forderungen<br />

aus Sicht der Arbeitnehmerkammer<br />

Bremen zusammen.<br />

Ralf Lorenzen, freier Journalist und Mitautor<br />

der Veranstaltungsreihe ›Das rote Fenster‹<br />

in der Arbeitnehmerkammer Bremen, setzt<br />

sich in seinem Beitrag mit dem Überleben in<br />

der Warteschleife auseinander. Er zeichnet die<br />

Lebensgeschichte von vier <strong>Jugendliche</strong>n nach,<br />

deren individuelle Bürden und Blockaden sie<br />

zunächst zu ›Objekten‹ des pädagogischen<br />

Fallmanagements machten und die sich<br />

dennoch, gegen alle äußeren Widerstände,<br />

soviel Stärke und Zielstrebigkeit erhalten<br />

haben, dass ihnen ihr Weg durch das Ausbildungs-<br />

und Übergangssystem nicht aus dem<br />

Blick geriet.<br />

Wie in jedem Jahr beschließt Paul M.<br />

Schröder, Leiter des Bremer Instituts <strong>für</strong><br />

Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe,<br />

mit seinem Beitrag unseren Armutsbericht.<br />

Er bereitet Zahlen, Daten und Fakten zur<br />

Armutsentwicklung im Bundesland Bremen auf<br />

und liefert damit das sachliche Gerüst <strong>für</strong><br />

unsere Berichterstattung.<br />

Wir haben das berufliche Übergangssystem im<br />

Lande Bremen in diesem Armutsbericht in den<br />

Mittelpunkt unserer Betrachtungen gestellt,<br />

weil es die Chancen auf eine Berufsausbildung<br />

<strong>für</strong> seine Teilnehmer/innen verbessern<br />

kann – zumindest im Verhältnis zu den jungen<br />

Erwachsenen, die nicht an ihm teilnehmen.<br />

Allerdings – es ist nicht zu übersehen, dass<br />

dieses System auch auf Hilf- und Ratlosigkeit


eruht, auf einer bildungs- und ordnungspolitisch<br />

schwachen Reaktion des Bundes und<br />

der Länder gegenüber der Ausbildungsunwilligkeit<br />

der Wirtschaft und auf Ineffektivität und<br />

mangelhafter Effizienz:<br />

Wenn <strong>für</strong> ein Fünftel der <strong>Jugendliche</strong>n mit<br />

maximal mittlerem Schulabschluss das Übergangssystem<br />

zu einer Warteschleife wird und<br />

sie ausbildungslos in Jobs einmünden, deren<br />

Löhne und Gehälter nicht ›armutsfest‹ sind,<br />

dann bereitet das System zumindest <strong>für</strong> diese<br />

Zielgruppen keine Ausbildungs-, sondern<br />

Hartz-IV-Karrieren vor. Weder das eine, noch<br />

das andere kann Sinn eines Programms sein,<br />

dass es mit den Interessen der heranwachsenden<br />

Generation an (Aus-)Bildung und mit dem<br />

Angewiesensein der Wirtschaft, des Staates<br />

und der semistaatlichen Einrichtungen auf<br />

gute Qualifikationen wirklich ernst meint.<br />

Vor diesem Hintergrund stehen Bund und<br />

Länder aus Sicht der Arbeitnehmerkammer<br />

vor enormen Herausforderungen, wenn das<br />

Kanzlerinnen-Wort von der ›Bildungsrepublik<br />

Deutschland‹ Realität werden soll.<br />

Unverzichtbar wären dann:<br />

Investitionen in den Umbau eines allgemeinbildenden<br />

Schulsystems, das die soziale<br />

Selektion der jungen Generation vermindert<br />

und den Anteil der <strong>Jugendliche</strong>n ohne<br />

Schulabschluss weiter reduziert.<br />

<strong>Die</strong> Generierung von mehr Ausbildungsplätzen<br />

im dualen System, insbesondere auch<br />

<strong>für</strong> leistungsschwächere Absolventen, unter<br />

anderem über eine Ausbildungsplatzumlage<br />

und die Förderung von Verbundausbildungen,<br />

um die Ausbildungsbetriebsquote<br />

zu erhöhen.<br />

Verstärkte Ausrichtung des Schulberufssystems<br />

auf <strong>Jugendliche</strong> mit niedrigeren<br />

Schulabschlüssen mit dem Ziel, sie bestmöglich<br />

zu fördern und zügig in vollqualifizierende<br />

Ausbildungen zu integrieren.<br />

Verbesserung der Koordination, Steuerung<br />

und Strukturierung des weitverzweigten<br />

Übergangssystems, mit der Zielsetzung,<br />

dass erbrachte Leistungen der <strong>Jugendliche</strong>n<br />

– wo immer möglich – durch Qualifizierungsbausteine<br />

auf die Ausbildungszeit<br />

anerkannt werden.<br />

Erhebliche Verstärkung aller Anstrengungen<br />

zur Nachqualifizierung von ungelernten<br />

jungen Erwachsenen, bei gleichzeitiger Einbeziehung<br />

der ausbildenden Betriebe in<br />

eine Strategie, die auch An- und Ungelernte<br />

beim Nachholen von Berufsabschlüssen<br />

effektiv begleitet.<br />

Kein Zweifel, dies sind Mindestanforderungen,<br />

die aus Sicht der Arbeitnehmer/innen und<br />

ihrer Kinder vom Ausbildungssystem zu<br />

gewährleisten sind. Nur wenn an diesen<br />

Schnittstellen des Systems Verlässlichkeit einkehrt,<br />

dann wird der heute vielfach zu beobachtende<br />

›Wettbewerb um Unzuständigkeit<br />

und Unverbindlichkeit‹ endlich überwunden<br />

sein.<br />

13


14<br />

Ausbildung


Christiane Koch, Peer Rosenthal ❘ Arbeitnehmerkammer Bremen<br />

2 Ausbildung – der Markt lässt<br />

viele Wünsche offen<br />

2.1 Von der <strong>Schule</strong> in den Beruf:<br />

viele Wege – alle zum Ziel?<br />

Ausbildung in einer Marktwirtschaft hat <strong>für</strong><br />

die beteiligten Akteure zwei Funktionen – die<br />

durchaus nicht deckungsgleich sind:<br />

a) Sie versorgt die private Wettbewerbswirtschaft<br />

ebenso wie staatliche Einrichtungen<br />

mit aktueller Qualifikation und gewährleistet<br />

damit effektives Wirtschaften und Verwalten<br />

in der globalisierten Wirtschaft.<br />

b) Sie versorgt die heranwachsenden<br />

Individuen dieser Gesellschaft mit Qualifikation,<br />

mit deren Hilfe sich diese im<br />

Beschäftigungssystem platzieren sollen.<br />

<strong>Die</strong> Versorgung beider Seiten – der Arbeitgeber<br />

wie der Arbeitnehmer/innen – mit der<br />

aktuell notwendigen (beruflichen) Bildung wird<br />

auf dem Ausbildungsmarkt abgewickelt, das<br />

heißt: Angebot und Nachfrage an Qualifikation<br />

treffen aufeinander, beäugen sich sozusagen<br />

wechselseitig, wobei je nach Konjunktur und<br />

demografischer Lage sowie Qualifikationsbedarf<br />

und -angebot mal die eine, mal die andere<br />

Seite ihre Bedarfe realisieren kann – oder<br />

eben auch nicht. Häufiger in diesem Spiel hat<br />

die Beschäftigtenseite das Nachsehen und findet<br />

keinen Platz in der Arbeitsgesellschaft,<br />

dann herrscht ›Ausbildungsplatzmangel‹; seltener<br />

kommt es vor, dass die Arbeitgeberseite<br />

wegen ihres großen Arbeitshungers nicht ausreichend<br />

mit dem erforderlichen Nachwuchs<br />

versorgt werden kann, dann herrscht ›Fachkräftemangel‹.<br />

Oft befinden sich aber auch<br />

noch ausreichend viele junge Leute auf Ausbildungsplatzsuche,<br />

ohne dass die Unternehmen<br />

ihren Azubi-Bedarf mit ihnen zu decken gedenken.<br />

Sie attestieren den Bewerbern und<br />

Bewerberinnen ›mangelnde Ausbildungsreife‹ 1<br />

und lassen Ausbildungsplätze unbesetzt. Wie<br />

sind solche widersprüchlichen Phänomene zu<br />

erklären und vor allem: Welche Konsequenzen<br />

hat dies <strong>für</strong> die Seite der ›abhängigen<br />

Variablen‹, <strong>für</strong> die <strong>Jugendliche</strong>n auf der Suche<br />

nach einer dauerhaften Beschäftigungsperspektive?<br />

<strong>Die</strong> Zugänge zum Arbeitssystem finden in<br />

einem Ausleseprozess statt. <strong>Die</strong>se Selektion –<br />

das heißt das Zulassen oder Verweigern von<br />

Positionen – erfolgt in Deutschland wesentlich<br />

über Bildungsabschlüsse. Bei aller kritischen<br />

Diskussion wird das Prinzip der Sortierung in<br />

unterschiedliche schulische (wie nachschulische)<br />

Bildungsgänge dauerhaft beibehalten.<br />

<strong>Die</strong> Höhe des Bildungsabschlusses entscheidet<br />

über die individuelle Berufsbiografie.<br />

Wer Zutritt zu den höheren Bildungsgängen<br />

erhält, kann sich im Beschäftigungssystem<br />

platzieren, wer nicht, hat es schwer, einen<br />

Weg in eine autonome ökonomische Existenz<br />

zu finden. Sie oder er bleibt im Sozialsystem<br />

hängen, bleibt auf staatliche Transferleistungen<br />

angewiesen und wird doch gleichzeitig<br />

zeit seines Lebens dazu ›aufgefordert‹,<br />

diesem circulus vitiosus eigenständig – ›aktiv‹<br />

– zu entfliehen. 2<br />

An diesem Ausgrenzungssystem ändert<br />

auch die derzeitig geplante Zusammenlegung<br />

von Haupt- und Realschule nichts; sie verschiebt<br />

nur die Grenzziehung, verändert aber<br />

nicht die Tatsache, dass die untere Schulstufe<br />

eben die ›Restschule‹ bleibt, deren Absolventen<br />

und Absolventinnen wenig Perspektive<br />

auf dem Ausbildungsmarkt haben.<br />

Der Zutritt ins Arbeitssystem erfolgt in zwei<br />

Schritten, die durch sogenannte biografische<br />

›Schwellen‹ markiert sind:<br />

die erste Schwelle: von der <strong>Schule</strong><br />

in eine Ausbildung;<br />

die zweite Schwelle: von der Ausbildung<br />

in eine Beschäftigung.<br />

1 Vgl. hierzu ausführlicher Abschnitt vier.<br />

2 Zur Aktivierungspolitik der Hartz-Gesetzgebung vergleiche<br />

Abschnitt drei und den Beitrag von Michael Galuske in diesem<br />

Bericht.<br />

15


16<br />

Ausbildung<br />

Abbildung 1:<br />

Pfade der beruflichen Bildung in Deutschland<br />

*Bundesländerspezifische Besonderheiten sind nicht berücksichtigt<br />

Quelle: Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus (2007):<br />

Berufsbildung im Umbruch, Signale eines überfälligen Aufbruchs, S. 15.


Der Mechanismus von Versorgung der Arbeitsgesellschaft<br />

mit Qualifikation auf der einen bei<br />

gleichzeitiger Verweigerung individueller Einstiegschancen<br />

auf der anderen Seite wirkt in<br />

Deutschland im schulischen wie im Berufsausbildungssystem.<br />

Beide Schwellen müssen <strong>für</strong><br />

einen erfolgreichen Einstieg ins Arbeitsleben<br />

überschritten werden, wobei die Höhe der Hürden<br />

sich historisch und insbesondere in den<br />

letzten Jahren, erheblich verändert hat, hat<br />

sich doch dieses Berufsbildungssystem in den<br />

letzten zwei Jahrzehnten elementar gewandelt.<br />

Ohne Ausbildung sind die Aussichten<br />

auf langfristige Beschäftigung gering<br />

Deutschland hat ein Berufsbildungssystem,<br />

das heißt, es wird davon ausgegangen, dass<br />

jeder junge Mensch nach Beendigung der<br />

Schulpflicht eine berufliche Qualifizierung<br />

absolviert. Hier unterscheidet man, abgesehen<br />

vom Hochschulbereich, der uns in diesem<br />

Kontext nur marginal interessiert, drei Pfade<br />

beruflicher Bildung:<br />

das duale Ausbildungssystem im Betrieb<br />

das Schulberufssystem,<br />

das Übergangssystem.<br />

Dass Berufsbildung in Deutschland systematisiert<br />

ist, heißt sogleich, dass, wer sich dort<br />

nicht getummelt hat, auch keine Eintrittskarte<br />

ins Berufsleben erworben hat, nicht mitspielen<br />

beziehungsweise allenfalls als Reserve auf<br />

der Bank sitzen darf und auf gelegentliche<br />

Einwechslungen warten kann. Wer also keinen<br />

beruflichen Abschluss erworben hat, dessen<br />

Chancen auf eine dauerhafte Beschäftigung<br />

nehmen deutlich ab.<br />

<strong>Die</strong> Arbeitslosenquote von Personen ohne<br />

anerkannte berufliche Qualifikation liegt<br />

bei etwa einem Viertel und ist damit fast<br />

dreimal so hoch wie bei Personen mit<br />

abgeschlossener Ausbildung und mehr als<br />

sechsmal so hoch wie bei Akademiker/innen.<br />

Gelingt trotz fehlender Ausbildung die Integration<br />

in den Arbeitsmarkt, sind die Beschäftigungsverhältnisse<br />

zumeist prekär. 20 bis gut<br />

40 Prozent aller ungelernten Erwerbstätigen<br />

Abbildung 2: Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten<br />

in Deutschland 2005<br />

11,8%<br />

26,0%<br />

insgesamt ohne Berufsabschluss<br />

9,7%<br />

Lehre/<br />

Fachschule<br />

4,1%<br />

Hoch-/<br />

Fachhochschule<br />

Quelle: Reinberg, Alexander/Hummel, Markus (2007): Schwierige Fortschreibung:<br />

Der Trend bleibt – Geringqualifizierte sind häufiger arbeitslos, IAB-Kurzbericht 18/2007, S. 1.<br />

sind nur noch geringfügig beschäftigt (Mini-<br />

Jobs) und auch im expandierenden Niedriglohnsektor<br />

bei Vollzeitbeschäftigung sind<br />

Arbeitnehmer/innen ohne Ausbildung überproportional<br />

vertreten. 3 Da zudem die Aufwärtsmobilität<br />

in den letzten Jahren gesunken ist,<br />

das heißt immer weniger Arbeitnehmern und<br />

Arbeitnehmerinnen auch über einen längeren<br />

Zeitraum der finanzielle Aufstieg gelingt, 4<br />

ergibt sich daraus insbesondere <strong>für</strong> Un- und<br />

Angelernte eine kritische Perspektive.<br />

3 Vgl. Reinberg, Alexander/Hummel, Markus (2005): Vertrauter<br />

Befund: Höhere Bildung schützt auch in der Krise vor Arbeitslosigkeit,<br />

IAB-Kurzbericht 9/2005, S. 3.<br />

4 Nur jeder achte vollzeitbeschäftigte Niedriglöhner schafft innerhalb<br />

von sechs Jahren den Sprung über die Niedriglohnschwelle.<br />

Vgl. Schank, Thorsten/Schnabel, Claus/Stephani, Jens/Bender,<br />

Stephan (2008): Niedriglohnbeschäftigung: Sackgasse oder<br />

Chance zum Aufstieg?, IAB-Kurzbericht 8/2008. Ende der<br />

1980er Jahre gelang es in Westdeutschland noch fast jedem<br />

fünften vollzeitbeschäftigten Niedriglohnbeziehenden, bereits im<br />

Folgejahr einen besser bezahlten Job zu finden, heute nur noch<br />

jedem achten. Vgl. Institut <strong>für</strong> Arbeit und Qualifikation (2008):<br />

Einmal Niedriglohn, immer Niedriglohn, Pressemitteilung vom<br />

04. März 2008.<br />

17


18<br />

Ausbildung<br />

<strong>Die</strong> Höhe des Schulabschlusses<br />

entscheidet über Berufszugänge<br />

Für jede der beiden Schwellen gibt es eine<br />

Minimalvoraussetzung, eine Eintrittskarte, die<br />

darüber bestimmt, in welcher Klasse man mitspielen<br />

darf. Eine abgeschlossene Ausbildung<br />

bildet, wie gesagt, die Basis <strong>für</strong> den Eintritt in<br />

ein langfristiges, leidlich kalkulierbares Berufsleben.<br />

<strong>Die</strong> Grundvoraussetzung <strong>für</strong> den Eintritt<br />

in ein Ausbildungsverhältnis, also <strong>für</strong> das<br />

Überspringen der ersten Schwelle, ist ein<br />

Schulabschluss 5 , gleichgültig ob es um duale<br />

oder Fachschul-Ausbildung oder um ein Studium<br />

geht. Wer einen solchen nicht erlangt hat,<br />

hat heutzutage kaum eine Chance auf einen<br />

regulären Berufsabschluss im Rahmen<br />

der marktwirtschaftlichen Bildungsangebote.<br />

Knapp unter 10 Prozent eines <strong>Schule</strong>ntlassjahrganges<br />

bleiben seit Jahrzehnten<br />

konstant ohne Schulabschluss.<br />

Der Schulabschluss bestimmt zudem darüber,<br />

welche Tore sich öffnen. Hierbei hat es mit<br />

Zunahme der Zahl der Schulabgänger/innen<br />

und Abnahme der Anzahl der Ausbildungsplätze<br />

die größten Veränderungen im Laufe<br />

der letzten zwei Jahrzehnte gegeben:<br />

Bis in die 1980er Jahre hinein standen<br />

Hauptschulabsolventen und -absolventinnen<br />

die gewerblich-technischen Berufe aus Industrie<br />

und Handwerk offen. Je nach Berufsfeld<br />

und konjunktureller Nachfrage hatten hier<br />

sogar <strong>Jugendliche</strong> ohne Schulabschluss ihre<br />

Chancen.<br />

<strong>Die</strong>ser Qualifikationsbereich wurde<br />

hauptsächlich von männlichen Bewerbern<br />

besetzt; den jungen Frauen standen (wie übrigens<br />

heute auch) hier nur wenige Betätigungsfelder<br />

zur Verfügung.<br />

Schulabgänger/innen mit mittlerer Reife<br />

orientierten sich in die dualen <strong>Die</strong>nstleistungsbereiche,<br />

etwa Banken und Versicherungen<br />

sowie den öffentlichen <strong>Die</strong>nst und in fachschulische<br />

Ausbildungsgänge, insbesondere<br />

im sozialen, Pflege- und Erziehungsbereich.<br />

<strong>Die</strong> Mehrzahl der Schulabgänger/innen<br />

mit Abitur oder Fachhochschulreife wählte ein<br />

Studium, bisweilen auch schulische Ausbildungsgänge.<br />

Eine duale Ausbildung – meist im<br />

tertiären Sektor – entwickelte sich zur Studienalternative<br />

erst mit verschärften Zugangsbedingungen<br />

durch den Numerus clausus<br />

in den 1980er Jahren.<br />

<strong>Die</strong>se recht zuverlässige Verteilung der<br />

Absolventen und Absolventinnen des<br />

deutschen Schulsystems auf bestimmte Ausbildungssektoren<br />

hat sich gründlich geändert:<br />

Der Strukturwandel in der Wirtschaft führt zu<br />

einer zunehmenden Tertiarisierung und Akademisierung<br />

der Arbeitskräftenachfrage; es<br />

gibt immer weniger produzierende und immer<br />

mehr dienstleistungsorientierte Arbeitsplätze.<br />

Zudem stellt mit der technologischen und<br />

arbeitsorganisatorischen Umgestaltung der<br />

Unternehmen die Wirtschaft andere, gehobene<br />

Anforderungen an ihr Personal. Sie benötigt<br />

heutzutage mehr schlüsselqualifizierte Generalisten,<br />

die sich flexibel und rasch auf die stetigen<br />

Neuerungen des Arbeitsprozesses einstellen<br />

können. Daher werden deutlich weniger in<br />

der Betriebspraxis qualifizierte und mehr<br />

akademisch ausgebildete Beschäftigte rekrutiert.<br />

Tendenziell beschäftigt die Wirtschaft<br />

damit um einer potenziellen Flexibilität willen<br />

in vielen Bereichen deutlich über dem real<br />

erforderlichen Qualifikationsniveau. Sie grenzt<br />

damit geringer Qualifizierte aus und verbilligt<br />

zugleich Teile des akademischen Beschäftigtenpotenzials,<br />

das nunmehr auf dem Niveau<br />

der früheren Fachkräftearbeit agiert.<br />

<strong>Die</strong> strukturelle Konsequenz aus dieser Entwicklung<br />

ist, dass die Zahl der betrieblichen<br />

Ausbildungsplätze generell und speziell in den<br />

Bereichen <strong>für</strong> schulisch geringer Qualifizierte<br />

– im Handwerk und in der Industrieproduktion<br />

– deutlich abgenommen hat. <strong>Die</strong> Einstiegschancen<br />

<strong>für</strong> junge Leute ohne oder lediglich<br />

mit Hauptschulabschluss sind mit der Wirtschaftsumstrukturierung<br />

kontinuierlich gesunken.<br />

<strong>Die</strong> Chancenverteilung der Absolventen<br />

und Absolventinnen der drei Schultypen unterscheidet<br />

sich deutlich: 6<br />

5 Das ist ein Resultat der betrieblichen Rekrutierungspraxis, formell<br />

gibt es keine Zugangsvoraussetzung im dualen Ausbildungssystem.<br />

6 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): Bildung in<br />

Deutschland 2008. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer<br />

Analyse zu Übergängen im Anschluss an den Sekundarbereich I,<br />

S. 157.


Nur ein Fünftel der <strong>Jugendliche</strong>n ohne<br />

Schulabschluss erhält im Anschluss an den<br />

Schulbesuch einen Ausbildungsplatz im<br />

dualen System. Das Schulberufssystem<br />

bleibt ihnen praktisch ganz verschlossen.<br />

Über 80 Prozent müssen sich im Übergangssystem<br />

platzieren.<br />

Nur zwei Fünftel der Hauptschulabsolventen<br />

und -absolventinnen finden nach Schulabschluss<br />

einen Ausbildungsplatz und<br />

nur acht Prozent münden in schulische<br />

Ausbildung ein. <strong>Die</strong> Hälfte findet sich im<br />

Übergangssystem wieder.<br />

2000 15,8 %<br />

2004 15,2%<br />

2005 20,8%<br />

2000 0,3%<br />

2004 0,5%<br />

2005 0,5%<br />

2000 83,9%<br />

2004 84,3%<br />

ohne<br />

Hauptschulabschluss<br />

2005 78,7%<br />

2000 7,5%<br />

2004 8,0%<br />

mit<br />

Hauptschulabschluss<br />

Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />

Bildung in Deutschland 2008. Ein indikatorengestützter Bericht<br />

mit einer Analyse zu Übergängen im Anschluss<br />

an den Sekundarbereich I, S. 158.<br />

Selbst Realschulabsolventen und -absolventinnen<br />

tun sich an der ersten Schwelle<br />

zunehmend schwer: Immerhin mehr als ein<br />

Viertel mündet zunächst ins Übergangssystem.<br />

Etwa die Hälfte findet einen dualen<br />

Ausbildungsplatz, ein weiteres Viertel<br />

einen Platz im Schulberufssystem.<br />

Für junge Leute mit Abitur oder Fachhochschulreife<br />

sieht die Lage deutlich anders<br />

aus: Wer kein Studium beginnt, kann<br />

wählen. Zwei Drittel der nicht Studierenden<br />

entscheiden sich <strong>für</strong> eine duale Ausbildung,<br />

ein Drittel <strong>für</strong> eine schulische Qualifizierung.<br />

Im Übergangssystem finden sich nur<br />

wenige aus dieser Zielgruppe.<br />

Abbildung 3: Verteilung der Neuzugänge auf die drei Sektoren des beruflichen<br />

Ausbildungssystems 2000, 2004 und 2005 nach schulischer Vorbildung in Deutschland in Prozent<br />

2000 47,3%<br />

2004 39,4%<br />

2005 41,2%<br />

2005 8,0%<br />

2000 45,2%<br />

2004 52,7%<br />

2005 50,8%<br />

2000 54,1%<br />

2004 48,1%<br />

2005 47,4%<br />

2000 20,4%<br />

2004 24,6%<br />

2005 24,4%<br />

2000 25,5%<br />

2004 27,3%<br />

2005 28,2%<br />

mit mittlerem<br />

Schulabschluss<br />

2000 69,7%<br />

2004 67,5%<br />

2005 67,4%<br />

2000 24,8%<br />

2004 28,7%<br />

2005 28,5%<br />

2000 5,4%<br />

mit Hochschul- oder<br />

Fachhochschulreife<br />

2004 3,8%<br />

2005 4,1%<br />

duales System<br />

Schulberufssystem<br />

Übergangssystem<br />

19


20<br />

Ausbildung<br />

<strong>Die</strong> Soziologin und Soziologen Martin Baethge,<br />

Heike Solga und Markus Wieck stellen<br />

hierzu fest: ›Damit ist die einstige Stärke der<br />

dualen Ausbildung, durch die Verbindung von<br />

praktischer und theoretischer Berufsausbildung<br />

auch bildungsschwächere <strong>Jugendliche</strong><br />

beruflich zu integrieren, in Frage gestellt.‹ 7<br />

Auf dem Ausbildungsmarkt hat ein erheblicher<br />

Verdrängungsprozess von oben nach<br />

unten stattgefunden. Der Realschulabschluss<br />

ist zwischenzeitlich zum Durchschnittsabschluss<br />

geworden, der Hauptschulabschluss<br />

damit zum Nichtabschluss. <strong>Die</strong> auch in Bremen<br />

angestrebte Zusammenlegung des unteren<br />

und mittleren Schulabschlusses reagiert<br />

auf diese Entwicklung zwar bildungsökonomisch<br />

konsequent, löst aber keineswegs das<br />

Problem der mangelhaften Zugänge zur<br />

Berufsbildung <strong>für</strong> die schlechter vorqualifizierten<br />

Schulabgänger/innen. Im Gegenteil: <strong>Die</strong><br />

Selektionsprozesse während und nach der<br />

<strong>Schule</strong> werden <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> mit niedrigem<br />

Schulabschluss weiter deutlich verschärft.<br />

<strong>Die</strong>se insbesondere <strong>für</strong> den schwächsten<br />

Teil der Jugend negative Entwicklung ist strukturell<br />

bedingt und auch durch Konjunkturaufschwünge<br />

kaum wettzumachen. Es fehlen<br />

eben nicht einfach Ausbildungsplätze, sondern<br />

immer mehr Kandidatinnen und Kandidaten<br />

können den Ansprüchen des Beschäftigungssystems<br />

mangels ausreichender Vorbildung<br />

nicht genügen. Es fehlt also an flexibler<br />

Bildung auf der Angebots- und an einer entsprechenden<br />

Einebnung des Anspruchsniveaus<br />

auf der Nachfrageseite.<br />

Das Übergangssystem seinerseits nimmt<br />

die unversorgten jungen Leute zwar zu einem<br />

Großteil auf, es ist in den letzten Jahren quantitativ<br />

erheblich angeschwollen. 8 Das heißt<br />

aber nicht automatisch, dass die dort Betreuten<br />

daraus gestärkt <strong>für</strong> den Arbeitsmarkt hervorgehen.<br />

Verbleibsstudien zum Maßnahmeinstrumentarium<br />

der Arbeitsagentur zeigen,<br />

dass nicht einmal die Hälfte dieser Teilnehmer/innen<br />

des Übergangssystems Zugang zu<br />

Ausbildung oder Arbeit findet. 9 Hinzu kommt,<br />

dass die neuen Förderstrukturen des Übergangssystems<br />

nicht mehr primär auf (Berufs-)<br />

Bildung setzen, also auf die Verbesserung der<br />

Integrationsvoraussetzungen in einem bildungsgesteuerten<br />

Selektionssystem, sondern<br />

seit etwa 2004 mehr und mehr versuchen,<br />

sich den kostenträchtigen Umweg einer nachgeholten<br />

fundamentalen Bildungsförderung,<br />

die auf das Absolvieren einer Ausbildung<br />

abzielt, zu sparen und gleich auf Vermittlung<br />

in Arbeit setzen. 10 Und dies ausgerechnet <strong>für</strong><br />

solche Personengruppen, die es aus eigener<br />

Kraft schon nicht über die erste Schwelle in<br />

Ausbildung geschafft haben. Zu meinen, dass<br />

ausgerechnet diese Personengruppen den<br />

Sprung über die zweite Schwelle ohne Überschreiten<br />

der ersten schaffen, ist ein bildungsökonomischer<br />

Widersinn, der zwar viel Geld<br />

und erhebliche Förderanstrengungen einspart,<br />

sich <strong>für</strong> die Betroffenen aber ein Leben<br />

lang negativ auswirkt.<br />

7 Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus (2007): Berufsbildung<br />

im Umbruch, Signale eines überfälligen Aufbruchs, S. 41.<br />

8 Mehr zum Übergangssystem, seiner Struktur und Problematik im<br />

dazugehörigen Kapitel in diesem Bericht.<br />

9 <strong>Die</strong> Übrigen verbleiben entweder im Übergangssystem oder<br />

münden frühzeitig in Arbeitslosigkeit. Hinzu kommt, dass die verfügbaren<br />

Wirksamkeitsstudien die Abbrecher/innen zahlenmäßig<br />

nicht berücksichtigen und deren Verbleib auch nicht verfolgen.<br />

<strong>Die</strong> Zahl der letztlich Unversorgten ist also noch höher.<br />

Vgl. Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus (2007):<br />

a.a.O., S. 53.<br />

10 Zur neuen Pädagogik der Aktivierungspolitik der Hartz-IV-Praxis<br />

und zur Realität des Case-Managements vergleiche den Beitrag<br />

von Michael Galuske in diesem Bericht.


2.2 Wen betrifft die Entwicklung<br />

des Berufsbildungssystems in Bremen<br />

in welcher Weise? – das Bremer<br />

Bewerber/innenpotenzial<br />

<strong>Jugendliche</strong> ohne Schulabschluss<br />

Das Thema Schulverweigerung und Schulversagen,<br />

beides Ursachen da<strong>für</strong>, dass junge<br />

Menschen das Schulsystem ohne Abschluss<br />

verlassen, beschäftigt die Bildungspolitik<br />

schon seit nunmehr drei Jahrzehnten. In der<br />

Praxis haben sich trotz vielfacher Ansätze<br />

kaum Veränderungen ergeben. <strong>Die</strong> Quote der<br />

abschlusslosen Schulabgänger/innen sinkt<br />

trotz immer neuer Förderprogramme nur langsam<br />

und lag 2006 bundesweit bei 8 Prozent.<br />

Dabei variiert die regionale Verteilung sehr.<br />

So ist der Anteil in Ostdeutschland mit knapp<br />

10 Prozent deutlich höher als im Westen<br />

(7,4 Prozent), insgesamt schwankt er zwischen<br />

6,3 Prozent in Baden-Württemberg und<br />

über 12 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern.<br />

Der Anteil in Bremen liegt mit knapp 9 Prozent<br />

über dem Durchschnitt der westlichen Bundesländer<br />

und weist nach Hamburg und Schleswig-Holstein<br />

den schlechtesten Wert auf.<br />

Allerdings muss konstatiert werden, dass die<br />

Bremer Situation sich gegenüber 2004, als<br />

die Quote noch bei 12 Prozent lag, merklich<br />

verbessert hat. 11 Dennoch bleiben hier immer<br />

noch 580 <strong>Jugendliche</strong> betroffen. <strong>Die</strong>se Situation<br />

führt <strong>für</strong> die betroffenen <strong>Jugendliche</strong>n<br />

dazu, dass ihnen eine Vielzahl der Übergangsmöglichkeiten<br />

verschlossen bleibt. Nur einem<br />

Fünftel gelingt es, einen Ausbildungsplatz<br />

im dualen Ausbildungssystem zu erreichen,<br />

die übrigen vier Fünftel landen im Übergangssystem.<br />

12<br />

Abbildung 4: Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss<br />

2006 nach Ländern (in % der 15- bis unter 17-Jährigen)<br />

ohne ohne Bevölkerung im Alter von<br />

Hauptschulabschluss Hauptschulabschluss 15 bis unter 17 Jahren<br />

insgesamt insgesamt in %<br />

Deutschland 75.897 7,9 961.100<br />

West 56.071 7,4 761.807<br />

Ost 19.826 9,9 199.293<br />

Bremen 580 8,9 6.545<br />

Baden-Württemberg 7.932 6,3 126.831<br />

Bayern 10.463 7,2 144.902<br />

Berlin 3.390 9,9 34.271<br />

Brandenburg 3.555 10,7 33.364<br />

Hamburg 1.802 11,2 16.025<br />

Hessen 5.435 8,1 66.790<br />

Mecklenburg-Vorpommern 2.768 12,1 22.928<br />

Niedersachsen 7.749 8,2 94.629<br />

Nordrhein-Westfalen 14.444 6,8 212.696<br />

Rheinland-Pfalz 3.613 7,4 48.545<br />

Saarland 889 7,4 11.966<br />

Sachsen 4.316 8,7 49.700<br />

Sachsen-Anhalt 3.486 11,3 30.729<br />

Schleswig-Holstein 3.164 9,6 32.881<br />

Thüringen 2.311 8,2 28.302<br />

Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 272.<br />

11 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 251 ff.<br />

12 Vgl. ebenda, S. 157.<br />

21


22<br />

Ausbildung<br />

Schulabgänger/innen und Ausbildungsplatzbewerber/innen<br />

in Bremen<br />

<strong>Die</strong> Zahl der <strong>Jugendliche</strong>n in Bremen, die<br />

wegen geringer schulischer Vorbildung Gefahr<br />

laufen, von beruflichen Perspektiven ausgeschlossen<br />

zu bleiben, ist nicht unerheblich. Im<br />

Jahr 2006 blieben insgesamt 580 Schulabgänger/innen<br />

ohne Schulabschluss, 417 in<br />

Bremen und 163 in Bremerhaven. 13 Mit einem<br />

Abschluss der Sekundarstufe I verließen<br />

4.956 das Bremer Schulsystem, davon hatten<br />

1.694 einen Haupt- und 3.262 einen Realschulabschluss.<br />

Weitere 2.469 besaßen bei<br />

Beendigung ihrer Schulkarriere die (Fach-)<br />

Hochschulreife. Insgesamt verließen 8.005<br />

<strong>Jugendliche</strong> in Bremen die <strong>Schule</strong>.<br />

Abbildung 5:<br />

Schulabgänger/innen nach Schulabschlüssen im Lande Bremen 2006<br />

Ein erheblicher Teil dieser Schulabsolventen<br />

und -absolventinnen stellt neben anderen<br />

unversorgten <strong>Jugendliche</strong>n die Ausbildungsplatzinteressentinnen<br />

und -interessenten in<br />

Bremen.<br />

Wie im vorhergehenden Abschnitt erläutert,<br />

sind es insbesondere die <strong>Jugendliche</strong>n mit<br />

Haupt- und Realschulabschluss, die sich<br />

um einen dualen Ausbildungsplatz bewerben<br />

und die auch keine andere Alternative haben.<br />

Hinzu kommen diejenigen, die gar keinen<br />

Abschluss gemacht haben. Damit haben wir<br />

<strong>für</strong> das genannte Schulabgangsjahr 2006<br />

allein 5.536 junge Menschen, die neu auf den<br />

Ausbildungsmarkt treten. Dazu gesellt sich<br />

der Teil der Schulabsolventen und -absolventinnen<br />

mit Hochschulreife, der (vorerst) kein<br />

Studium aufnehmen will.<br />

Und es kommt noch eine große Zahl an jungen<br />

Leuten hinzu, die in der vorhergehenden<br />

Bewerbungsperiode (aus unterschiedlichen<br />

Gründen) nicht zum Zuge gekommen sind, das<br />

sind die sogenannten ›Altbewerber/innen‹. 14<br />

Sie machen, wie die nachfolgende Tabelle<br />

zeigt, mittlerweile etwa 60 Prozent der Bewerber/innen<br />

15 auf dem dualen Ausbildungsstellenmarkt<br />

aus. Im Ausbildungsjahr 2006/07<br />

waren dies 3.267, das waren 59,3 Prozent<br />

aller gemeldeten Bewerber/innen.<br />

Land Bremen Stadt Bremen Bremerhaven<br />

weiblich männlich insgesamt weiblich männlich insgesamt weiblich männlich insgesamt<br />

insgesamt 4.057 3.948 8.005 3.133 3.082 6.215 924 866 1.790<br />

ohne Schulabschluss 220 360 580 149 268 417 71 92 163<br />

Hauptschulabschluss 786 908 1.694 600 707 1.307 186 201 387<br />

Realschulabschluss 1.701 1.561 3.262 1.361 1.220 2.581 340 341 681<br />

(Fach-)Hochschulreife 1.350 1.119 2.469 1.023 887 1.910 327 232 559<br />

Quelle: Statistisches Landesamt Bremen:<br />

http://www.statistik-bremen.de/bremendat/abfrage_resultat.cfm?tabelle=19271<br />

13 Vgl. Statistisches Landesamt Bremen: http://www.statistikbremen.de/bremendat/abfrage_resultat.cfm?tabelle=19271.<br />

<strong>Die</strong> Zahlen von 2007 lagen zum Zeitpunkt der Berichtserstellung<br />

noch nicht vor.<br />

14 Mehr zur Problematik der Altbewerber/innen in Bremen im<br />

Kapitel 4 zum Übergangssystem in diesem Bericht.<br />

15 Im Berichtsjahr 2007/2008 hatten von 5.033 Bewerbern und<br />

Bewerberinnen insgesamt 3.067 bereits in den Vorjahren die<br />

<strong>Schule</strong> verlassen, das sind 60,9 Prozent. <strong>Die</strong> Tendenz war also<br />

bisher steigend. In Bremerhaven lag die Quote der<br />

Altbewerber/innen 2006/07 mit 51,4 Prozent deutlich niedriger<br />

als in Bremen-Stadt (58,9 Prozent).


Abbildung 6:<br />

Bewerber/innenpotenzial im Bundesland Bremen 2006/07<br />

Merkmale 2006/2007 Veränderungen<br />

gegenüber Vorjahr<br />

absolut in % männlich weiblich absolut in %<br />

nach Schulabschluss<br />

ohne Hauptschulabschluss 91 1,7 76 15 -67 -42,4<br />

Hauptschulabschluss 1.772 32,2 1.070 702 -317 -15,2<br />

Realschulabschluss 2.161 39,2 1.108 1.053 -558 -20,5<br />

Fachhochschulabschluss 725 13,2 303 422 242 50,1<br />

Abitur 649 11,8 274 375 -42 -6,1<br />

keine Angaben<br />

nach Nationalität*<br />

108 2,0 53 55 49 83,1<br />

Deutsche 4.878 88,6 2.567 2.311 -576 -10,6<br />

Ausländer 620 11,3 311 309 -112 -15,3<br />

davon: Türken 365 6,6 178 187 -55 -13,1<br />

Griechen 7 0,1 5 * -4 -36,4<br />

Italiener 9 0,2 3 6 -1 -10,0<br />

nach Schulabgangsjahr<br />

im Berichtsjahr 1.988 36,1 990 998 -382 -16,1<br />

im Vorjahr 1.283 23,3 643 640 -140 -9,8<br />

in früheren Jahren 1.984 36.0 1.110 874 -370 -15,7<br />

keine Angaben 251 4,6 141 110 200 x<br />

insgesamt 5.506 100,0 2.884 2.622 -692 -11,2<br />

*Fehlende Bewerber/innen nicht zuzuordnen.<br />

Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit.<br />

Damit sind allerdings immer noch nicht alle<br />

möglichen Konkurrentinnen und Konkurrenten<br />

um Ausbildungsplätze in Bremen erfasst. In<br />

einer Stadt wie Bremen gibt es außerdem eine<br />

hohe Zahl an Einpendlerinnen und Einpendlern,<br />

die in Anbetracht des größeren und teilweise<br />

attraktiveren Angebots aus dem Umland in die<br />

Stadt kommen und nach einem entsprechenden<br />

Ausbildungsplatz suchen. Fast 40 Prozent<br />

der Auszubildenden kamen 2006 aus dem<br />

Umland, deutlich weniger verlassen umgekehrt<br />

die Bremer Landesgrenzen.<br />

23


24<br />

Ausbildung<br />

Abbildung 7:<br />

Pendlerdaten von Auszubildenden 1 nach ausgewählten Bundesländern 2006<br />

Bundesländer Einpendler Auspendler Pendlersaldo<br />

absolut Quote2 in % absolut Quote3 in % absolut gewichtet4 Bremen 6.482 39,6 1.412 12,5 5.070 309<br />

Hamburg 13.131 34,7 3.337 11,9 9.794 259<br />

Berlin 10.980 18,8 4.906 9,4 6.074 104<br />

Niedersachsen 13.399 8,2 14.958 9,0 -1.559 -9<br />

Schleswig-Holstein 5.713 9,8 7.162 12,0 -1.449 -25<br />

Nordrhein-Westfalen 11.846 3,4 7.377 2,1 4.469 13<br />

1 Sozialversicherungspflichtige Ausbildungsverhältnisse am 30. September 2008.<br />

2 Einpendlerquote = Anteil der Einpendler an den Auszubildenden am Arbeitsort.<br />

3 Auspendlerquote = Anteil der Auspendler an den Auszubildenden am Wohnort.<br />

4 Gewichteter Pendlersaldo = Einpendler – Auspendler / Auszubildende am Arbeitsort x 1.000.<br />

Quelle: Bogai, <strong>Die</strong>ter/Seibert, Holger/Wiethölter, Doris (2008): Duale Ausbildung in Deutschland:<br />

<strong>Die</strong> Suche nach Lehrstellen macht junge Menschen mobil,<br />

IAB-Kurzbericht 09/2008, S. 2.<br />

Statistisch lässt sich nicht zuverlässig beziffern,<br />

wie hoch letztlich die Zahl der Bewerber/innen<br />

um die in Bremen existenten Ausbildungsplätze<br />

ist. Addiert man aber beispielsweise<br />

<strong>für</strong> das Jahr 2006 die Schulabgänger/innen<br />

unterhalb der Hochschulreife, die<br />

Altbewerber/innen und etwa ein Drittel der<br />

(saldierten) Einpendler, so kommt man auf<br />

eine Zahl von etwa 10.000 möglicher Bewerber/innen<br />

auf Ausbildungsstellen in Bremen.<br />

Auf welches Ausbildungsplatzangebot treffen<br />

diese Bewerber/innen?<br />

2.3 Der Umfang des Bremer<br />

Ausbildungssystems<br />

Der Bremer Ausbildungsmarkt<br />

insgesamt<br />

Auch wenn sich die Negativentwicklung auf<br />

dem Ausbildungsplatzmarkt in den letzten beiden<br />

Jahren in Bremen nicht fortgesetzt hat, so<br />

kann doch von Entwarnung keine Rede sein.<br />

<strong>Die</strong>s vor allem wegen des oben beschriebenen<br />

Strukturwandels der Wirtschaft. Der Ausbildungsplatzabbau<br />

des vorletzten Jahrzehnts<br />

wird schon aus strukturellen Gründen nicht<br />

ausgeglichen werden können. Wirtschaft und<br />

Staat haben damals kräftig rationalisiert,<br />

daher als Arbeitgeber und Ausbilder insgesamt<br />

einen geringeren Personal- 16 und damit<br />

auch einen niedrigeren Ausbildungsbedarf.<br />

Zwischen 1985 und 1996 nahm die Zahl der<br />

Ausbildungsneuabschlüsse in Westdeutschland<br />

um mehr als ein Drittel (-35,5 Prozent) ab.<br />

Bis 2007 wurde dieser Verlust nicht mehr aufgeholt;<br />

nach wie vor gibt es immer noch fast<br />

200.000 Ausbildungsplätze weniger als im<br />

Jahre 1985 und dies angesichts einer nach<br />

wie vor hohen Zahl an Bewerbern und Bewerberinnen.<br />

17<br />

In Bremen stellt sich diese Entwicklung<br />

noch dramatischer dar: Insgesamt verlor das<br />

Land zwischen 1984 (dem Höchststand an<br />

neu kontraktierten Ausbildungsplätzen) und<br />

1996, dem Jahr mit dem tiefsten Stand, fast<br />

die Hälfte (-46,8 Prozent) aller Ausbildungsplätze.<br />

Insgesamt 4.685 Plätze verschwanden<br />

in dieser Zeit laut Landesstatistik. Industrie<br />

und Handel reduzierten ihr Ausbildungsangebot<br />

von 1986 bis 1996 um 49,5 Prozent<br />

(-2.908 Plätze), das Handwerk zwischen 1983<br />

16 <strong>Die</strong> Beschäftigtenstatistiken verschleiern diesen Sachverhalt<br />

bisweilen, wenn sie Beschäftigte, das heißt, Köpfe zählen und<br />

nicht das abgeforderte Arbeitsvolumen. Während die Zahl der<br />

Beschäftigten nämlich durchaus stieg, reduzierte sich volkswirtschaftlich<br />

gleichzeitig das entlohnte Arbeitspensum. Das<br />

manifestiert sich vor allem in der steigenden Quote der Teilzeitund<br />

geringfügigen Beschäftigung.<br />

17 Vgl. Berufsbildungsbericht 1997, S. 209.


und 1998 (Höchst- und Tiefststand im Vergleichszeitraum)<br />

um 49,7 Prozent (-1.436<br />

Plätze). 18 Der öffentliche <strong>Die</strong>nst erhöhte bis<br />

1992 seine Auszubildendenzahlen, reduzierte<br />

danach aber seine diesbezüglichen Aktivitäten<br />

auf weniger als ein Drittel: 1992 wurden 366<br />

neue Verträge in Bremens Verwaltung abgeschlossen,<br />

1995 und 2002 waren es nur<br />

noch ganze 113, das ist ein Minus von 69,1<br />

Prozent. 19<br />

Der Ausbildungsmarkt erholte sich in den<br />

letzten Jahren – mit Schwankungen und erneut<br />

deutlichen Abbrüchen in der Krisenperiode<br />

2000 bis 2003. In Bremen nahm die Zahl der<br />

Ausbildungsplätze mit 8,1 Prozent sogar<br />

deutlich mehr zu als in Gesamtdeutschland<br />

(+0,3 Prozent). Dennoch bleibt festzuhalten,<br />

dass sich der Ausbildungsmarkt auch in Bremen<br />

nicht annähernd von dem krisen- und<br />

rationalisierungsbedingten Abbau der Ausbildungskapazitäten<br />

seit Mitte der 1980er Jahre<br />

erholt hat; nach wie vor gibt es etwa 40 Prozent<br />

weniger Ausbildungsplätze als damals.<br />

<strong>Die</strong> Ausbildungsplatzzahlen in Bremen<br />

oszillieren seit 10 Jahren um dieses relativ<br />

niedrige Niveau, mal steigen sie sehr langsam,<br />

mal sinken sie wieder. Kräftigere Anstiege,<br />

die den Niedrigstand von 1996 übersteigen,<br />

sind erst seit 2006 zu verzeichnen.<br />

Das Angebot entspricht aber ganz und gar<br />

nicht den Bewerber/innenzahlen der geburtenstarken<br />

Jahrgänge.<br />

Ausbildungssektoren –<br />

Ausbildung im Bremer Handwerk<br />

Hinzu kommen sektorale Verwerfungen, die<br />

erhebliche Konsequenzen <strong>für</strong> die verschiedenen<br />

jugendlichen Zielgruppen haben: Auch<br />

im Bremer Ausbildungssektor verschieben<br />

sich die Strukturen, so dass immer weniger<br />

Ausbildungsplätze <strong>für</strong> gering vorqualifizierte<br />

<strong>Jugendliche</strong> zur Verfügung stehen. 20<br />

Zum Beispiel das Handwerk: Es deckt<br />

seinen Nachwuchs zu knapp 60 Prozent mit<br />

jungen Leuten ohne oder nur mit Hauptschulabschluss,<br />

ist also das wichtigste Rekrutierungsbecken<br />

<strong>für</strong> bildungsschwache Ausbildungsplatzbewerber/innen.<br />

Das Handwerk in<br />

Bremen hat zwischen 1997 und 2007 12<br />

Prozent an Ausbildungsstellen abgebaut.<br />

2005 war sogar ein Einbruch um fast ein<br />

Viertel (-22,5 Prozent) gegenüber 1997 zu verzeichnen.<br />

Das ist deutlich mehr als in derselben<br />

Zeit in Westdeutschland. 21 Erst seit 2006<br />

bessert sich die Situation in diesem Bereich<br />

etwas. Das Ausbildungsplatzangebot des<br />

Handwerks ist seitdem bis 2007 um 13,6 Prozent<br />

gestiegen, scheint damit aber seine<br />

vorläufige Kapazitätsgrenze erreicht zu haben,<br />

denn die aktuellen Meldungen der Handwerkskammer<br />

gehen lediglich davon aus, dass das<br />

Vorjahresniveau gehalten werden kann. <strong>Die</strong><br />

Konkurrenz von <strong>Jugendliche</strong>n mit maximal<br />

Hauptschulabschluss um die weiterhin knappen<br />

Ausbildungsplätze im Handwerk wird<br />

also anhalten.<br />

18 Der bisherige Tiefststand der Ausbildungsplatzangebote im<br />

Bremer Handwerk war 2005 mit – laut Statistischem Landesamt<br />

Bremen – 1.148 Ausbildungsplätzen, das sind 60,3 Prozent<br />

weniger als zur Höchstzeit 1983.<br />

19 Vgl. Statistisches Landesamt Bremen.<br />

20 Das hier<strong>für</strong> verfügbare nachfolgende Zahlenmaterial sind Daten<br />

der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit und des Bundesinstituts <strong>für</strong> Berufsbildung,<br />

die sich auf einen jeweils anderen Zeitpunkt im Ausbildungsjahr<br />

beziehen und daher von den Daten des Statistischen<br />

Landesamtes Bremen abweichen können. Da es uns aber auf die<br />

daraus ableitbaren Trendaussagen ankommt, sind diese Differenzen<br />

vertretbar.<br />

21 Abnahme handwerkliche Ausbildungsplätze Westdeutschland<br />

1997–2007: -7,6 Prozent. 1997–2003: 16,4 Prozent<br />

(vgl. Ausbildungsmarkt 1997– 2007, Statistik der Bundesagentur<br />

<strong>für</strong> Arbeit, Bundesinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung).<br />

25


26<br />

Ausbildung<br />

Abbildung 8: Angebot an Ausbildungsplätzen<br />

in ausgewählten Wirtschaftszweigen in Bremen<br />

in Tausend<br />

8,0<br />

7,5<br />

7,0<br />

6,5<br />

6,0<br />

5,5<br />

5,0<br />

4,5<br />

4,0<br />

3,5<br />

3,0<br />

2,5<br />

2,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

0<br />

6.599<br />

3.517<br />

2.014<br />

709<br />

6.548<br />

3.588<br />

6.918<br />

3.822<br />

2.035 2.095<br />

625<br />

651<br />

7.049<br />

3.863<br />

2.234<br />

6.841<br />

3.761<br />

1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />

6.339<br />

3.537<br />

Quelle: Ausbildungsmarkt 1997 – 2007, Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit, Bundesinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung.<br />

666<br />

2.065<br />

687<br />

1.849<br />

626<br />

185 129<br />

165<br />

147<br />

163 153 159 152 172 141 127<br />

6.161<br />

3.581<br />

1.651<br />

587<br />

6.575<br />

3.880<br />

1.773<br />

579<br />

6.424<br />

3.913<br />

1.561<br />

566<br />

6.743<br />

4.185<br />

1.660<br />

557<br />

7.243<br />

4.537<br />

1.773<br />

576<br />

neu abgeschlossene Verträge<br />

Industrie/Handel<br />

Handwerk<br />

öffentlicher <strong>Die</strong>nst<br />

freie Berufe


Ausbildung in Bremen<br />

in einzelnen Berufsgruppen<br />

Schaut man sich die Entwicklung einzelner<br />

auch <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> mit niedrigen Schulabschlüssen<br />

in Frage kommender Berufsgruppen<br />

an, so zeigt sich <strong>für</strong> Bremen folgendes Bild:<br />

Grundsätzlich ist das duale Angebot in Berufen,<br />

die auch <strong>für</strong> schulisch gering qualifizierte<br />

<strong>Jugendliche</strong> geeignet sind, zwischen 1999 und<br />

2007 nicht gesunken, sondern geringfügig<br />

angestiegen (von circa 2.500 auf 2.600<br />

Plätze). 22 Allerdings haben ausgerechnet diejenigen<br />

Sparten abgenommen, die weitgehend<br />

stabile, ausbaufähige und Lebensunterhalt<br />

sichernde Beschäftigungsverhältnisse bieten.<br />

Dazu zählen zum Beispiel handwerkliche<br />

Bau- und Baunebenberufe (-14 Prozent), die<br />

Lebensmittelverarbeitung (-17,3 Prozent) und<br />

einfache kaufmännische und Büroberufe (-9,6<br />

Prozent). Zunahmen sind in Berufsfeldern mit<br />

hohem Prekarisierungsgrad zu verzeichnen,<br />

also etwa das Verkaufsgewerbe mit einer<br />

Abbildung 9: Entwicklung des Ausbildungsplatzangebots <strong>für</strong><br />

gering qualifizierte <strong>Jugendliche</strong> in Bremen 1999–2007<br />

Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit/Bundesinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung, eigene Berechnungen.<br />

Steigerungsrate von sagenhaften 120 Prozent<br />

sowie von 40 Prozent im Hotel- und Gastronomiebereich<br />

(HoGa). Auch die land- und hauswirtschaftlichen<br />

Ausbildungsangebote haben<br />

deutlich zugelegt (+38,8 Prozent), dies dürfte<br />

allerdings auf den Ausbau des Angebots<br />

an außerbetrieblicher dualer Ausbildung <strong>für</strong><br />

benachteiligte <strong>Jugendliche</strong> zurückzuführen<br />

sein, insbesondere <strong>für</strong> die Mädchen aus<br />

dieser Zielgruppe, <strong>für</strong> die es ausgesprochen<br />

wenige Marktangebote (abgesehen von den<br />

Verkäuferinnen) gibt. <strong>Die</strong> Anschlussbeschäftigungsmöglichkeiten<br />

in diesem letztgenannten<br />

Berufszweig sind nicht sonderlich hoch, so<br />

dass damit der Pfad in ständig wechselnde<br />

Einfacharbeit und in ungesicherte, prekäre<br />

Beschäftigung <strong>für</strong> Viele vorgezeichnet ist. In<br />

allen diesen Fällen zeigt sich, dass eine quantitativ<br />

positive Entwicklung der Ausbildungsplatzzahlen<br />

nicht automatisch begrüßenswert<br />

ist; man sollte schon genauer hinsehen, welche<br />

Wirtschaftsbereiche und welche Beschäftigungsentwicklungen<br />

damit verbunden sind.<br />

1999 2007 Veränderung Besonderheit<br />

absolut in %<br />

gesamt 2.459 2.601 +142 +5,8<br />

einfache Büroberufe 888 803 -85 -9,6 dauerhafte Beschäftigung/viele Frauen<br />

Verkäufer/in 147 324 +177 +120,4 Frauenbranche, Teilzeit,<br />

hohe Prekarisierung (Minijobs)<br />

Haus-/Landwirtschaft 121 168 +47 +38,8 Benachteiligtenausbildung, geringe<br />

Beschäftigungschancen, prekaritätsgefährdet<br />

Handwerk (besonders Bau 830 714 -116 -14,0 dauerhafte Beschäftigungschancen/<br />

und Baunebengewerbe) Männerbranche<br />

Lebensmittelverarbeitung 81 67 -14 +17,3 Chance auf dauerhafte Einfacharbeit<br />

Hotel- und Gastronomiebereich/ 392 525 +133 +33,9 prekäre Branche, viele Frauen<br />

inklusive Koch/Köchin und Migranten/Migrantinnen<br />

22 Hinzu kommen 2007 noch knapp 1.000 Plätze (+13,3 Prozent)<br />

in weiteren Handwerks- und gewerblichen Industrie-/Handelsberufen,<br />

die allerdings statistisch nicht spezifiziert und daher nicht<br />

den Zielgruppen zuzuordnen sind.<br />

27


28<br />

Ausbildung<br />

Betriebliche Ausbildungsbereitschaft<br />

in Bremen<br />

Wie in der gesamten deutschen Wirtschaft<br />

rekrutiert auch die Bremer Arbeitgeberseite<br />

mit den veränderten Kompetenzanforderungen<br />

zunehmend weniger Personal aus dem<br />

nichtakademischen Ausbildungssektor, so<br />

dass schlicht weniger Absolventen und Absolventinnen<br />

aus dem Berufsbildungssystem<br />

benötigt werden. Das macht sich unter<br />

anderem an einer deutlich gesunkenen Ausbildungsbetriebsquote<br />

fest, der Quote der<br />

Betriebe, die überhaupt ausbilden. <strong>Die</strong>s gilt<br />

auch <strong>für</strong> Bremen.<br />

Nicht einmal ein Viertel der Bremer Betriebe,<br />

das waren 2005 ganze 4.926 von 19.934<br />

Unternehmen, bildet selbst aus. Drei Viertel<br />

beschaffen sich ihr qualifiziertes Personal auf<br />

dem Arbeitsmarkt. Allerdings muss man festhalten,<br />

dass Fusionen und Pleitewellen zwar<br />

zu einer Reduktion der ausbildenden Betriebe<br />

(und damit des Gesamtangebots an Plätzen)<br />

führen, die verbleibenden Unternehmen bilden<br />

allerdings proportional mehr aus, was sich in<br />

einer leichten Erhöhung der Ausbildungsquote<br />

niederschlägt.<br />

Abbildung 10:<br />

Ausbildungsbetriebsquoten in Bremen<br />

2004 2005 Differenz<br />

Betriebe gesamt 20.210 19.934 - 276<br />

Ausbildungsbetriebe 4.950 4.926 - 24<br />

Ausbildungsbetriebsquote 24,5 % 24,7 % + 0,2 % -Punkte<br />

Quelle: Bundesinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung. 23<br />

Im Vergleich mit Westdeutschland und anderen<br />

westlichen Bundesländern kommt Bremen<br />

leider nicht allzu gut weg: Geringfügig mehr<br />

als ein Viertel aller westdeutschen Betriebe<br />

leistet sich eine eigene Berufsausbildung.<br />

Bremen liegt etwas unter dem Schnitt auch<br />

anderer Bundesländer, ist allerdings deutlich<br />

aktiver als Hamburg.<br />

23 BIBB-Sonderauswertung Länder:<br />

Zahlen von 2005/Stand Juli 2007.


30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

-5<br />

-10<br />

Abbildung 11:<br />

Ausbildungsbetriebsquoten in ausgewählten Bundesländern und Westdeutschland 2005<br />

in Prozent<br />

24,7<br />

-0,5<br />

+5,1<br />

18,8<br />

Bremen Hamburg Berlin Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Westdeutschland<br />

Quelle: Bundesinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung.<br />

+2,5<br />

+11,6<br />

15,8<br />

-1,3<br />

Bei den Ausbildungsaktivitäten spielt die<br />

Betriebsgröße die entscheidende Rolle.<br />

<strong>Die</strong> Mehrzahl der Großbetriebe bildet regelmäßig<br />

aus, in Bremen knapp unter 90 Prozent.<br />

Bei den großen Mittelbetrieben bis 500<br />

Beschäftigten sind es schon deutlich weniger,<br />

nämlich unter 70 Prozent. Bei den kleinen Mittelbetrieben<br />

engagiert sich nur noch weniger<br />

als die Hälfte, von den Kleinbetrieben mit<br />

weniger als 10 Beschäftigten nicht einmal<br />

mehr ein Fünftel im Ausbildungssektor. In<br />

allen Betriebsgrößen schneidet Bremen damit<br />

schlechter ab als der Bundesdurchschnitt.<br />

-9,3<br />

26,5<br />

0,0<br />

-2,6<br />

25,7<br />

+0,1 +1,0<br />

25,3<br />

-0,8<br />

-3,4<br />

Ausbildungsbetriebsquote<br />

Veränderung Zahl der Ausbildungsbetriebe gegenüber Vorjahr<br />

Veränderung Zahl der Ausbildungsbetriebe gegenüber 1999<br />

29


30<br />

Ausbildung<br />

Abbildung 12:<br />

Ausbildungsbereitschaft nach Betriebsgrößen in Bremen 2005<br />

Bremen Entwicklung Westdeutschland<br />

über 500 Mitarbeiter 88,7 % höchste Ausbildungsbetriebsquote, Zunahme 91,7 %<br />

50–499 Mitarbeiter 67,5 % Abnahme der Betriebe, Zunahme der Azubis bei<br />

gleichzeitiger Abnahme der Mitarbeiterzahl<br />

71,5 %<br />

10–49 Mitarbeiter 48,7 % Zunahme bei gleichzeitigem Beschäftigungsplus 49,1 %<br />

1–9 Mitarbeiter 16,8 % Zunahme bei Abnahme der Azubis 18,4 %<br />

Quelle: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_ausbildungs-betriebs-quoten_HB_2004-und-2005.pdf und<br />

http://www.bibb.de/dokumente/pdf/ausbildungsbetriebsquote_d_2005_2006.pdf<br />

<strong>Die</strong> unterschiedliche Ausbildungsbereitschaft<br />

großer und kleiner Betriebe wirkt sich markant<br />

auf die Perspektiven der <strong>Jugendliche</strong>n ohne<br />

oder mit niedrigem Schulabschluss aus, denn<br />

die <strong>Jugendliche</strong>n mit den geringsten Marktchancen<br />

werden überwiegend in kleinen<br />

Betrieben – beispielsweise im Handwerk –<br />

ausgebildet, und eben dies sind die Betriebe<br />

mit der niedrigsten Ausbildungsbeteiligung.<br />

<strong>Die</strong> überwiegende Zahl kleiner Betriebe bildet<br />

eben normalerweise gar nicht aus.<br />

Damit sind junge Leute mit niedrigen oder<br />

keinen Schulabschlüssen also doppelt benachteiligt<br />

und mehrfach chancenlos: Ihnen fehlt<br />

das Ticket ins Berufsleben und diejenigen,<br />

die sie vielleicht trotzdem einlassen würden,<br />

spielen im Ausbildungsspiel gar nicht mit.<br />

Auszubildende, wenn vorhanden, spielen <strong>für</strong><br />

kleine Betriebe eine erhebliche Rolle, denn bei<br />

nur wenigen Beschäftigten stellen sie einen<br />

bedeutsamen Teil des Mitarbeiter/innenstabes.<br />

Daher haben Kleinbetriebe, wenn sie ausbilden,<br />

die höchste Ausbildungsquote, nämlich<br />

fast 10 Prozent. Größere Betriebe betreuen<br />

zwar absolut mehr Auszubildende, ihr Anteil<br />

an der Belegschaft ist aber – naturgemäß –<br />

fast halb so hoch wie bei den Kleinbetrieben.


Abbildung 13:<br />

Ausbildungsquoten in Bremen<br />

2004 Anzahl 2005 Anzahl Entwicklung<br />

Azubis Azubis<br />

Bremen gesamt 5,9 % 18.353 6,1 % 18.509 Abnahme Mitarbeiter um 3.650, Zunahme Azubis<br />

Großbetriebe ab 500 Mitarbeiter 4,5 % 3.280 4,6 % 3.234 Abnahme Mitarbeiter um 1.891, Abnahme Azubis<br />

große Mittelbetriebe<br />

bis 499 Mitarbeiter<br />

5,4 % 6.630 5,7 % 6.816 Abnahme Mitarbeiter, Zunahme Azubis<br />

kleine Mittelbetriebe<br />

bis 49 Mitarbeiter<br />

6,9 % 4.699 7,0 % 4.831 Zunahme Mitarbeiter und Azubis<br />

Kleinbetriebe unter<br />

10 Mitarbeiter<br />

8,1 % 3.744 8,0 % 3.628 Abnahme Mitarbeiter und Azubis<br />

Quelle: http://www.bibb.de/de/wlk8250.htm<br />

Auch bei den Ausbildungsquoten liegt das<br />

Engagement in Bremen etwas unter dem westdeutschen<br />

Schnitt, aber deutlich über der<br />

Quote der anderen Stadtstaaten, insbesondere<br />

der sehr niedrigen Quote in Hamburg. In<br />

Berlin fällt der hohe Anteil außerbetrieblicher<br />

dualer Ausbildungsstrukturen auf, der typisch<br />

<strong>für</strong> die ostdeutschen Regionen ist. Auch<br />

weisen die großstädtischen Regionen, und<br />

eben auch Bremen, einen etwas höheren<br />

Anteil an außerbetrieblichen Ausbildungskapazitäten<br />

auf als die Flächenstaaten.<br />

Abbildung 14: Ausbildungsquoten<br />

2005 im Bundesländervergleich<br />

insgesamt betrieblich<br />

Bremen 6,1 5,8<br />

Hamburg 4,9 4,6<br />

Berlin 5,7 4,4<br />

Niedersachsen 7,0 6,8<br />

Nordrhein-Westfalen 6,2 6,0<br />

Westdeutschland 6,3 6,1<br />

Quelle: http://www.bibb.de/de/wlk8250.htm<br />

Ausbildung ist nicht nur ein regionales,<br />

sondern auch ein sektorales Geschehen. Wirtschaftssektoren<br />

und Branchen sind in sehr<br />

unterschiedlichem Maße als Ausbildungsbetriebe<br />

in Bremen beteiligt. <strong>Die</strong> Verwerfungen<br />

gehen hier quer durch die Sektoren, das heißt,<br />

es gibt Industriebereiche, die viel, andere,<br />

die wenig ausbilden. Ebenso ist es in den<br />

<strong>Die</strong>nstleistungsbranchen. <strong>Die</strong> Abbildung 15<br />

zeigt die stark sowie die wenig engagierten<br />

Branchen in Bremen <strong>für</strong> das Jahr 2005 auf.<br />

31


32<br />

Ausbildung<br />

Abbildung 15:<br />

Ausbildungsquoten in Bremen 2005 nach Wirtschaftssektoren<br />

Ausbildungsbetriebsquoten über 30 % Ausbildungsbetriebsquoten 10 % und weniger<br />

Industrieproduktion mit großbetrieblichen Strukturen<br />

wie Metallverarbeitung und Nahrungsmittelherstellung<br />

Bau<br />

Kfz-Reparatur etc.<br />

Gesundheitswesen etc.<br />

haushaltsnahe und personenbezogene <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

Gebietskörperschaften, Sozialversicherung<br />

Quelle: http://www.bibb.de/de/wlk8250.htm, eigene Berechnungen.<br />

Schulische und außerbetriebliche<br />

Ausbildungsbildungsangebote<br />

in Bremen<br />

Das schulische Ausbildungssystem bildet die<br />

zweite Säule des hiesigen Berufsausbildungssystems.<br />

<strong>Die</strong> Zahl der verfügbaren Plätze ist<br />

nicht unerheblich. Für das hier analysierte Ausbildungsjahr<br />

2007/08 lag sie bei immerhin<br />

1.204 Plätzen. Dabei lassen sich vier relevante<br />

Berufsfelder unterscheiden: Pflege und Erziehung<br />

nehmen den breitesten Raum ein, insgesamt<br />

700 Plätze. Naturwissenschaftlich-technische<br />

und produktionstechnische Assistenzberufe<br />

stehen an zweiter Stelle mit 328 Plätzen<br />

in Bremen. Das Feld Gestaltung bietet 66, das<br />

Feld Wirtschaft schließlich 110 Schulplätze.<br />

Nachrichtenwesen<br />

Wohnungswirtschaft<br />

Non Profit und private Haushalte<br />

Ausbildungsquoten 10 % und mehr Ausbildungsquoten 4 % und weniger<br />

Landwirtschaft<br />

Produktion<br />

Bau<br />

Kfz-Reparatur<br />

Hotel- und Gastronomiebereich<br />

haushaltsnahe und personenbezogene <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

Fahrzeugbau<br />

Software/Datenverarbeitung<br />

Forschung und Entwicklung<br />

<strong>Die</strong> schulischen Ausbildungsberufe sind deutlich<br />

geschlechterdominiert. 66,4 Prozent der<br />

dortigen Plätze sind insgesamt von jungen<br />

Frauen besetzt, darunter der Pflege- und Erziehungssektor<br />

mit 84,4 Prozent. In den Feldern<br />

Gestaltung und Wirtschaft sind ebenfalls<br />

überwiegend Frauen (72,7 Prozent und 62,7<br />

Prozent) vertreten. <strong>Die</strong> sogenannten MINT-<br />

Berufe 24 , also naturwissenschaftlich-technische<br />

Berufe, sind dagegen insgesamt männerorientiert,<br />

allerdings auch dies nur bedingt, denn<br />

die naturwissenschaftlichen Assistenzberufe,<br />

die in diesem Tätigkeitsfeld Zuarbeit leisten,<br />

haben klassischerweise ein leichtes Frauenübergewicht<br />

mit 57,1 Prozent.<br />

24 MINT steht <strong>für</strong> Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften,<br />

Technik.


Abbildung 16: Vollschulische Ausbildungsplätze im Bundesland Bremen<br />

im Schuljahr 2007/2008, Schüler/innen 1. Ausbildungsjahr<br />

PFLEGE<br />

■ Altenpfleger/in<br />

gesamt männlich weiblich<br />

■ Altenpflegehelfer/in 45 7 38<br />

■ Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/in<br />

■ Gesundheits- und Kinderkrankenpflegehelfer/in<br />

■ Gesundheits- und Krankenpflegehelfer/in<br />

47 0 47<br />

■ Gesundheits- und Krankenpfleger/in 234 44 190<br />

■ Kinderpflege<br />

■ Hebamme/Entbindungspfleger<br />

ERZIEHUNG<br />

89 5 84<br />

■ Erzieher/in 262 46 216<br />

■ Heilerziehungspfleger/in<br />

■ Heilerziehungspflegehelfer/in<br />

NATURWISSENSCHAFTLICH-TECHNISCHE ASSISTENZ<br />

23 7 16<br />

■ Biologisch-technische/r Assistent/in 19 5 14<br />

■ Chemisch-technische/r Assistent/in 20 8 12<br />

■ Mathematisch-technische/r Assistent/in (staatl. geprüft) 53 44 9<br />

■ Medizinisch-technische/r Laboratoriumsassistent/in 21 9 12<br />

■ Medizinisch-technische/r Radiologieassistent/in 19 5 14<br />

■ Pharmazeutisch-technische/r Assistent/in 20 1 19<br />

■ Physikalisch-technische/r Assistent/in<br />

(PROD.) TECHNISCHE ASSISTENZ<br />

16 15 1<br />

■ Staatl. gepr. Techniker/in Elektrotechnik 29 29 0<br />

■ Staatl. gepr. Techniker/in Lebensmitteltechnik 26 20 6<br />

■ Staatl. gepr. Techniker/in Maschinen-/Schiffbau 28 27 1<br />

■ Techn. Assistent/in Informatik 77 73 4<br />

GESTALTUNG<br />

■ Assistent/in <strong>für</strong> Mode und Design, SP Bekleidung 23 2 21<br />

■ Gestaltungstechnische/r Assistent/in 43 16 27<br />

WIRTSCHAFTS-ASSISTENZ<br />

■ Wirtschaftsassistent/in – Fachbereich Fremdsprachen 55 10 45<br />

■ Wirtschaftsassistent/in – Fachbereich Informationsverarbeitung 55 31 24<br />

Gesamt 1.204 404 800<br />

Quelle: <strong>Senatorin</strong> <strong>für</strong> Bildung und Wissenschaft Bremen, eigene Berechnungen.<br />

Nicht systematisiert werden können hier die<br />

vielen privatschulischen Angebote, etwa<br />

im medizinisch-therapeutischen oder gestalterischen<br />

Bereich. Sie erweitern das bisher<br />

dargestellte Spektrum, insbesondere <strong>für</strong><br />

Mädchen. Allerdings sind die meisten dieser<br />

Ausbildungsgänge kostspielig und kommen <strong>für</strong><br />

die hier ins Auge gefasste Problemgruppe der<br />

Kinder unterprivilegierter Herkunft kaum in<br />

Betracht. Eine Ausbildung zur Physiotherapeutin<br />

in einer staatlich anerkannten Fachschule<br />

in Bremen beispielsweise dauert drei Jahre<br />

und kostet rund 15.000 Euro. Zum Vergleich:<br />

ein acht-semestriges Studium kostet in Bundesländern<br />

mit Studiengebühren durchschnittlich<br />

4.000 Euro.<br />

Neben den betrieblichen und schulischen<br />

Ausbildungsstellen gibt es seit Anfang der<br />

1980er Jahre in nicht unbeträchtlichem Maße<br />

auch außerbetriebliche Ausbildungsplätze. Sie<br />

werden ergänzt durch ausbildungsbegleitende<br />

Hilfen (abH) und andere betriebsnahe Begleitmaßnahmen.<br />

Ursprünglich waren diese Angebote<br />

im außerbetrieblichen Schonraum explizit<br />

<strong>für</strong> benachteiligte <strong>Jugendliche</strong> vorgesehen,<br />

also <strong>Jugendliche</strong>, die mehr Defizite haben als<br />

›nur‹ keinen Ausbildungsplatz und ohne eine<br />

solche Förderung vermutlich nicht zu einem<br />

regulären Ausbildungserfolg kommen würden.<br />

25 Nicht ganz 950 weitere Ausbildungsplätze<br />

kommen im Land Bremen unter dieser<br />

Rubrik zu den regulären, marktgängigen<br />

Angeboten hinzu.<br />

25 Zwischenzeitlich haben die durch die Agenturen initialisierte<br />

Fokussierung auf spätere erfolgreiche Vermittlung und damit verbundene<br />

Creamingeffekte dazu geführt, dass auch besser vorqualifizierte,<br />

lediglich unversorgte <strong>Jugendliche</strong> solche Plätze<br />

besetzen und die tatsächlich Förderungsbedürftigen ein weiteres<br />

Mal ohne Versorgung bleiben.<br />

33


34<br />

Ausbildung<br />

Abbildung 17: Berufsausbildung Benachteiligter 26<br />

Berichtsmonat November 2007<br />

Bestand Veränderung zum Vorjahr<br />

absolut in %<br />

Stadt Bremen 453 19 4,4<br />

Bremerhaven 487 39 8,7<br />

Land Bremen<br />

Regionaldirektion<br />

940 58 6,6<br />

Niedersachsen-Bremen<br />

Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit.<br />

10.374 1.322 14,6<br />

Der Anteil der öffentlich geförderten Ausbildungsplätze<br />

an allen dualen Ausbildungsplätzen<br />

beträgt in Bremen 10,9 Prozent,<br />

in Niedersachsen 8,5 Prozent und in Westdeutschland<br />

10,2 Prozent.<br />

Abbildung 18: Verhältnis betrieblicher/<br />

außerbetrieblicher Ausbildungsstellen<br />

Berichtsmonat September 2007<br />

betrieblich außerbetrieblich in % aller Plätze<br />

Bremen 4.588 564 10,9%<br />

Niedersachsen 43.204 4.405 9,3%<br />

Westdeutschland 355.763 40.326 10,2%<br />

Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit.<br />

Aus den verfügbaren Quellen ergibt sich <strong>für</strong><br />

das Ausbildungsjahr 2007 eine Ausbildungsplatzbilanz<br />

in etwa der folgenden Höhe 27 .<br />

Abbildung 19:<br />

Bremer Ausbildungsplatzbilanz 2007 gesamt<br />

neu abgeschlossene Ausbildungsplätze 7.243<br />

■ davon betriebliche Ausbildungsplätze 6.303<br />

■ davon außerbetriebliche Ausbildungsplätze 940<br />

schulische Ausbildungsplätze 1.204<br />

vollqualifizierende Ausbildungsplätze gesamt: 8.447<br />

Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit, Statistisches Landesamt Bremen,<br />

Bundesinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung, eigene Berechnungen.<br />

Wie viele Bewerber/innen müssen um<br />

einen Platz im Bremer Ausbildungssystem<br />

konkurrieren?<br />

26 Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE),<br />

ausbildungsbegleitende Hilfen (abH), Übergangshilfen,<br />

Aktivierungshilfen.<br />

27 <strong>Die</strong> Daten sind aus den diversen vorhandenen Statistiken<br />

aggregiert. Da sie aus divergierenden Berichtsmonaten stammen,<br />

sind es nur Näherungswerte, geben aber durchaus ein Bild<br />

der Gesamtsituation ab. Nicht eingeschlossen sind privatschulische<br />

Ausbildungsplätze, die aber die Gesamtsituation kaum<br />

wesentlich verändern dürften und zudem <strong>für</strong> die Problemgruppen<br />

des Ausbildungsmarktes ohnehin nicht relevant sind.


2.4 <strong>Die</strong> Angebots-/<br />

Bewerber/innen-Relation in Bremen<br />

Das Verhältnis von angebotenen Plätzen zu<br />

vorhandenen Ausbildungsplatzbewerbern und<br />

-bewerberinnen wird von den Arbeitsagenturen<br />

offiziell in der Regel zu Beginn des Ausbildungsjahres<br />

Ende September, also noch in<br />

der intensiven Suchphase, festgehalten.<br />

<strong>Die</strong> Statistiken späterer Zeitpunkte verzerren<br />

die tatsächlichen quantitativen Verhältnisse,<br />

da dann bereits die Angebote des Übergangssystems<br />

greifen. Für 2007 sah die entsprechende<br />

Situation wie folgt aus:<br />

Abbildung 20: Bewerber/innen <strong>für</strong> Berufsausbildungsstellen<br />

Berichtsmonat September 2007<br />

gemeldet seit Veränderung mit bekannter unversorgt/ohne<br />

Beginn des zum Vorjahr Alternative bekannte<br />

Berichtsjahres zum 30.9. Alternative<br />

absolut in %<br />

Bremen 28<br />

5.506 -692 -11,2 739 198<br />

■ Stadt Bremen 5.134 -12,2 795 181<br />

■ Bremerhaven 2.353 -11,5 291 225<br />

Niedersachsen 29<br />

70.932 -252 -0,4 10.162 2.471<br />

Westdeutschland 547.542 -11.516 -2,1 70.331 20.546<br />

Abbildung 21: Gemeldete Berufsausbildungsstellen<br />

Berichtsmonat September 2007<br />

gemeldet seit Veränderung unbesetzte Stellen<br />

Beginn des zum Vorjahr September Vergleich<br />

Berichtsjahres 2007 zum Vorjahr<br />

absolut in % absolut in %<br />

Bremen 30<br />

5.152 278 5,7 90 23 34,3<br />

Niedersachsen 31<br />

47.609 2.985 6,7 1.325 -796 -37,5<br />

Westdeutschland 396.089 36.073 10,0 15.953 2.397 17,7<br />

Abbildung 22: Differenz Ausbildungsstellen/Bewerber/innen<br />

Berichtsmonat September 2007<br />

Differenz betriebliche<br />

Ausbildungsstellen/<br />

absolut in % Bewerber<br />

Bremen -354 -6,4 0,94<br />

Niedersachsen -23.323 -32,9 0,67<br />

Westdeutschland -151.453 -27,7 0,72<br />

Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit.<br />

Verglichen mit dem niedersächsischen<br />

Umland, das sich in den Statistiken der letzten<br />

Jahre durch ein relativ geringes Angebot an<br />

betrieblichen Ausbildungsplätzen und ein ebenfalls<br />

niedriges Niveau an außerbetrieblicher<br />

Förderung auszeichnete, und ebenfalls gemessen<br />

am westdeutschen Durchschnitt, schneidet<br />

Bremen in der offiziellen Vermittlungsstatistik<br />

der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit mit<br />

seinem Angebot an Ausbildungsplätzen zu<br />

Ausbildungsjahresbeginn noch relativ gut ab.<br />

Schaut man sich das realistischere Verhältnis<br />

der Schulabgänger/innen des jeweiligen<br />

Jahrganges, das heißt der neuen potenziellen<br />

Bewerber/innen, zu den vorhandenen dualen<br />

Ausbildungsplätzen an, so ergeben sich<br />

andere – deutlich ungünstigere – Relationen.<br />

28 Ohne die Geschäftsstellen der Arbeitsagentur Bremerhaven<br />

in Niedersachsen.<br />

29 Mit den Geschäftsstellen der Arbeitsagentur Bremerhaven<br />

in Niedersachsen.<br />

30 Ohne die Geschäftsstellen der Arbeitsagentur Bremerhaven<br />

in Niedersachsen.<br />

31 Mit den Geschäftsstellen der Arbeitsagentur Bremerhaven<br />

in Niedersachsen.<br />

35


3636<br />

Ausbildung<br />

Abbildung 23: Verhältnis Bremer Schulabgänger/innen zu dualen Ausbildungsstellen<br />

Zahlen des Berichtsmonats September 2007<br />

Abgänger/innen 32<br />

Stellen Stellen/potenzielle<br />

Bewerber/innen<br />

ohne Schulabschluss 580 564 (außerbetrieblich) 0,97<br />

Sekundarstufe I 4.694 4.588 (betrieblich) 0,98<br />

zusammen 5.274 5.152 0,98<br />

(Fach-)Hochschulreife 2.331<br />

mit Schulabschluss insgesamt 7.025 4.588 (betrieblich) 0,65<br />

Abgänger/innen gesamt 7.605 5.152 0,68<br />

Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit, Statistisches Landesamt Bremen, eigene Berechnungen.<br />

Pro Bremer Schulabgänger/in steht, statistisch<br />

gesehen, nur etwas mehr als ein halber<br />

Ausbildungsplatz zur Verfügung. Rechnet man<br />

nur die klassische Klientel, die keine anderen<br />

Bildungswege als duale oder fachschulische<br />

Optionen hat, so kommt auf einen Abgänger/<br />

eine Abgängerin nicht ganz eine Stelle.<br />

Zusammen mit den Plätzen des Schulberufssystems<br />

wären die Optionen <strong>für</strong> den aktuellen<br />

Schulabgänger/innenjahrgang also nicht gar<br />

zu schlecht. Der Markt agiert aber überregional,<br />

so dass den Bremer Schulabgängerinnen<br />

und Schulabgängern ein hohes Maß an Kon-<br />

Abbildung 24: Verhältnis Bremer Bewerber/innen zu<br />

dualen Ausbildungsstellen (Zahlen des Berichtsmonats September 2007)<br />

Quelle: Statistisches Landesamt Bremen, Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit, eigene Berechnungen.<br />

Selbst wenn alle Elemente des Berufsbildungssystems<br />

in Bremen komplett genutzt würden,<br />

steht angesichts dieser Zahlen eines fest:<br />

Der Ausbildungsmarkt in Bremen kann<br />

in absehbarer Zeit nicht ausgeglichen sein<br />

und bedarf daher trotz Zunahme an<br />

Ausbildungsplätzen weiterhin intensiver<br />

politischer Behandlung.<br />

kurrenz von auswärts gegenübersteht. Und<br />

mit der enormen Bugwelle der Altbewerber/innen<br />

wird der Bewerber/innenpool ein weiteres<br />

Mal erheblich vergrößert.<br />

Selbst wenn man alle vorhandenen vollqualifizierenden<br />

Ausbildungsstellen zusammenrechnet,<br />

ergibt sich <strong>für</strong> die Gesamtheit der<br />

ausbildungsbedürftigen jungen Leute kein<br />

besseres Bild: Es steht <strong>für</strong> alle maximal etwas<br />

mehr als ein halber Platz pro Bewerber/in<br />

zur Verfügung. Der oben beschriebene Druck<br />

auf diejenigen, die die schlechtesten Chancen<br />

im alljährlichen Auswahlverfahren haben,<br />

entwickelt sich damit gewaltig.<br />

Abgänger/innen 33<br />

vollqualifizierende Stellen/potenzielle<br />

Ausbildungsstellen Bewerber/innen<br />

engere Ausbildungsplatz-<br />

Bewerber/innen<br />

5.274<br />

Altbewerber/innen<br />

(Berichtsjahr 2007/08)<br />

3.067<br />

Einpendler/innen 5.070<br />

gesamt 13.411 8.447<br />

0,63<br />

32 Land Bremen Schulabgänger/innen 2006 (also Verhältnis fiktiv).<br />

33 Land Bremen Schulabgänger/innen 2006 (also Verhältnis fiktiv).


2.5 Ausbildungsabbrüche<br />

Wer einen Ausbildungsplatz gefunden hat,<br />

behält ihn längst nicht immer oder führt das<br />

Ausbildungsverhältnis zu Ende. <strong>Die</strong> Quote der<br />

Ausbildungsabbrüche schwankt zwar konjunkturell,<br />

ist aber regelmäßig beachtlich. In<br />

Bremen lag sie in den besonders schwierigen<br />

Ausbildungsjahren 2002 und 2003 bei rund<br />

einem Viertel und ist bis 2006, dem letztverfügbaren<br />

Auswertungsdatum, auf knapp ein<br />

Fünftel gesunken. Bremen liegt damit unter<br />

den Stadtstaaten noch recht gut und weist<br />

partiell sogar geringere Quoten als einige der<br />

großen westdeutschen Flächenstaaten auf.<br />

Dennoch waren im Jahr 2006 insgesamt<br />

1.174 vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge<br />

in Bremen zu verzeichnen. Geht man davon<br />

aus, dass etwa die Hälfte der Betroffenen<br />

einen anderen Ausbildungsplatz findet, einige<br />

Abbildung 25: Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge<br />

in Prozent der jährlichen Neuabschlüsse 2002 bis 2006<br />

Quelle: Berufsbildungsbericht 2008, S. 151.<br />

sich auf andere Bildungsgänge umorientieren<br />

und ein nicht genau bezifferbarer Rest von<br />

fast einem Drittel allerdings ausbildungslos<br />

bleibt 34 , so sind dies allein in Bremen 2006<br />

circa 350 <strong>Jugendliche</strong>, die als ehemalige<br />

Abbrecher ohne eine abgeschlossene Ausbildung<br />

bleiben.<br />

<strong>Die</strong> meisten Ausbildungsverträge werden in<br />

den ohnehin schwierigen Wirtschafts- und<br />

Berufsbereichen gelöst: im Jahr 2006 die<br />

meisten im Handwerk mit seinen kleinbetrieblichen<br />

Strukturen mit knapp 25 Prozent (23,7<br />

Prozent) und den freien Berufen mit 20,8<br />

Prozent, gefolgt von Industrie und Handel mit<br />

18,1 Prozent. <strong>Die</strong> geringste Abbruchquote<br />

hat der öffentliche <strong>Die</strong>nst mit 6,4 Prozent. 35<br />

Auch die Lösungsquoten in kaufmännischen<br />

Berufen sind gering. Frauen brechen häufiger<br />

(21,1 Prozent) eine Ausbildung ab als Männer<br />

(18,9 Prozent), vermutlich weil sie häufiger<br />

in kleinbetrieblichen Strukturen und in privaten<br />

<strong>Die</strong>nstleistungen (Friseurin, Verkauf, Gastgewerbe<br />

et cetera) unterkommen, wo<br />

die Abbruchquoten wegen unterschiedlicher<br />

Problemlagen besonders hoch sind.<br />

2002 2003 2004 2005 2006<br />

Westdeutschland 23,5 21,6 20,4 19,3 18,9<br />

Bremen 25,9 24,7 20,7 21,4 19,6<br />

Hamburg 25,1 22,4 21,3 19,8 20,7<br />

Hessen 23,6 21,1 20,1 18,1 19,3<br />

Nordrhein-Westfalen 26,1 23,3 21,8 21,0 20,0<br />

Bayern 20,5 18,6 18,4 17,4 16,8<br />

34 Vgl. die BIBB-Befragung aus dem Jahre 2003: 62 Prozent<br />

treten eine andere Ausbildung (duale, schulische oder Studium)<br />

an, 28 Prozent wurden arbeitslos oder arbeiten in einer nicht<br />

beschriebenen Tätigkeit, 9 Prozent sind erwerbstätig, da ohne<br />

Ausbildung vermutlich unqualifiziert.<br />

Vgl. Althoff, Heinrich u.a. (2003): Vorzeitige Lösung von<br />

Lehrverträgen und Ausbildungsabbruch. Problemaufriss und<br />

Untersuchung der methodisch-statistischen Grundlagen.<br />

35 Vgl. Datenbank Aus- und Weiterbildung des BIBB auf Basis<br />

der Daten der Berufsbildungsstatistik des Statistischen<br />

Bundesamtes.<br />

37


38<br />

Ausbildung<br />

2.6 <strong>Die</strong> Hartz-Reform und der<br />

Umgang mit Jugendarbeitslosigkeit<br />

Mit den Hartz-Gesetzen haben sich die Ziele<br />

der bundesdeutschen Arbeitsmarkt- und<br />

Berufsbildungspolitik grundsätzlich verändert.<br />

Das zeigen schon die Begrifflichkeiten, wenn<br />

statt wie zuvor von einer ›aktiven‹ nun von der<br />

›aktivierenden‹ Arbeitsmarktpolitik die Rede<br />

ist. Hier hat der Akteur klar vom handelnden<br />

Staat zum behandelten Individuum gewechselt.<br />

Welche Folgen hat dieser Wandel speziell<br />

<strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> und Erwachsene?<br />

<strong>Die</strong> aktivierende Arbeitsmarktpolitik lässt<br />

sich in drei zentrale Zieldimensionen unterteilen:<br />

36<br />

›Verfügbarkeit‹, das heißt Arbeitsbereitschaft.<br />

Sie soll entweder über fordernde<br />

oder sanktionierende Instrumente hergestellt<br />

werden oder aber über fördernde<br />

Elemente, sofern eine individuelle Arbeitsbereitschaft<br />

unterstellt wird, aber durch<br />

spezielle Hemmnisse eingeschränkt wird.<br />

›Eigenverantwortung‹, das heißt das Prinzip<br />

der Selbstvermarktung der (arbeitslosen)<br />

Arbeitskraft. Auch hier sind fordernde,<br />

sanktionierende sowie fördernde Elemente<br />

im Falle individueller Defizite und Barrieren<br />

vorgesehen.<br />

›Beschäftigungsfähigkeit‹, das heißt das<br />

permanent anzupassende individuelle Vermögen,<br />

den sich wandelnden Anforderungen<br />

des Arbeitsmarktes nachzukommen.<br />

An den Zieldimensionen der aktivierenden<br />

Arbeitsmarktpolitik lassen sich die zentralen<br />

Unterschiede zur ›alten‹ aktiven Arbeitsmarktpolitik,<br />

wie sie <strong>für</strong> den klassischen Sozialstaat<br />

charakteristisch war, identifizieren. <strong>Die</strong> aktive<br />

Arbeitsmarktpolitik beruhte auf dem Grundwert<br />

der Solidarität mit den Zielen Chancengleichheit<br />

und Durchsetzung eines ›Rechts auf<br />

Arbeit‹. Dagegen fokussiert die aktivierende<br />

Arbeitsmarktpolitik die Verwirklichung der<br />

unterschiedlichen individuellen Chancen. Sie<br />

wandelt damit das ›Recht auf Arbeit‹ um in<br />

ein ›Recht auf Hilfe zur Arbeit‹. Im Falle einer<br />

unterstellten fehlenden Mitwirkung der Adressaten<br />

entwickelt sich aus dem ›Recht auf<br />

Hilfe zur Arbeit‹ die ›Pflicht zur Aktivierung‹. 37<br />

Das freilich unterstellt und behauptet, es stünden<br />

jederzeit Ausbildungs- und Arbeitsplatzangebote<br />

zur Verfügung. Dass dies nicht der<br />

Fall ist, hat der vorangegangene Abschnitt<br />

gezeigt. <strong>Die</strong> Wirkung von Arbeitsmarktpolitik<br />

ändert sich mit dieser neuen Setzung fundamental:<br />

Während die aktive zu einem Ausgleich<br />

von Angebot und Nachfrage auf dem<br />

Arbeitsmarkt beitragen will, zielt die aktivierende<br />

Arbeitsmarktpolitik auf eine Verhaltensänderung<br />

der Arbeits- und Ausbildungsplatzsuchenden<br />

ab. 38 Dass sich daraus auch<br />

Konsequenzen <strong>für</strong> die Bereitstellung arbeitsmarktbezogener<br />

<strong>Die</strong>nstleistungen ergeben,<br />

versteht sich damit von selbst. 39<br />

Auch der Übergang von der <strong>Schule</strong> ins<br />

Arbeitsleben ist von der arbeitsmarktpolitischen<br />

Reform betroffen. <strong>Die</strong> Altersgruppe der<br />

15- bis 25-Jährigen ist eine der Zielgruppen<br />

der neuen Politik. Laut Gesetz müssen sie<br />

unverzüglich nach Antragstellung in Arbeit,<br />

Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit (Ein-<br />

Euro-Job) vermittelt werden. Findet sich keine<br />

Ausbildung, so sollen die vermittelte Arbeit<br />

oder die Arbeitsgelegenheit zur Verbesserung<br />

der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten<br />

beitragen (§ 3 SGB II). Der Leistungsträger<br />

(BAgIS/Bremer Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> Integration<br />

und Soziales beziehungsweise ARGE<br />

Job-Center Bremerhaven) sieht sich also nicht<br />

verpflichtet, eine Ausbildungsförderung zu<br />

betreiben oder eine solche aus eigenen Mitteln<br />

zu finanzieren. Der bisher gültige gesellschaftliche<br />

Konsens einer ›Ausbildung <strong>für</strong> alle‹<br />

ist also in der Praxis aufgehoben.<br />

36 Vgl. Marquardsen, Kai (2007): Was ist ›Aktivierung‹ in der<br />

Arbeitsmarktpolitik?; in: WSI-Mitteilungen 5/2007, S. 259–265.<br />

37 Vgl. Knuth, Matthias/Schweer, Oliver/Siemes, Sabine (2006):<br />

Drei Menüs und kein Rezept? <strong>Die</strong>nstleistungen am Arbeitsmarkt<br />

in Großbritannien, den Niederlanden und Dänemark, S. 489;<br />

in: Siller, Peter/Dückert, Thea/Baumann, Arne (Hrsg.): Arbeit<br />

der Zukunft. Neue Wege einer gerechten und emanzipativen<br />

Arbeitspolitik, S. 419–509.<br />

38 Ausführlich dazu der Beitrag von Michael Galuske in diesem<br />

Bericht.<br />

39 Vgl. Bartelheimer, Peter (2005): Moderne <strong>Die</strong>nstleistungen und<br />

Erwerbs<strong>für</strong>sorge, Fallbearbeitung nach SGB II als Gegenstand<br />

soziologischer Forschung; in: SOFI-Mitteilungen 33/2005,<br />

S. 55–79.


<strong>Die</strong> Perspektivlosigkeit, mit der insbesondere<br />

(bildungs-)benachteiligte <strong>Jugendliche</strong> kämpfen,<br />

kontert die Hartz-Reform mit einem drastischen<br />

und speziell <strong>für</strong> die Zielgruppe junger<br />

Menschen radikalisierten Sanktionsinstrumentarium<br />

bis hin zum kompletten Wegfall sämtlicher<br />

Leistungen. 40 Schon eine erstmalige<br />

Pflichtverletzung, etwa die Ablehnung einer<br />

Eingliederungsvereinbarung, die Nichterfüllung<br />

von dort festgelegten Pflichten, die Ablehnung<br />

eines Arbeits-, Ausbildungs- oder Ein-Euro-Job-<br />

Angebots sowie einer sonstigen Maßnahme<br />

beschränkt das Arbeitslosengeld II auf Leistungen<br />

<strong>für</strong> Unterkunft und Heizung. Bei weiteren<br />

Pflichtverletzungen innerhalb eines Jahres entfällt<br />

die gesamte Leistung einschließlich der<br />

Kosten der Unterkunft. <strong>Die</strong> Dauer des Sanktionszeitraumes<br />

beträgt drei Monate, kann<br />

allerdings bei Verhaltensänderung im Einzelfall<br />

auf sechs Wochen verkürzt werden. 41<br />

<strong>Die</strong> Reformen der Arbeitsmarkt- und Berufsbildungspolitik<br />

delegieren die Verantwortung<br />

<strong>für</strong> den eigenen arbeitsmarktlichen Erfolg an<br />

die zu betreuende Zielgruppe und ernennen<br />

ausgerechnet diejenigen, die am Anfang einer<br />

Berufslaufbahn stehen und denen das dazu<br />

notwendige elementare Rüstzeug (Schulabschluss<br />

und/oder Berufsabschluss) fehlt, zu<br />

Unternehmern ihrer eigenen Übergänge. Der<br />

generell verschärfte Wettbewerb um eine<br />

Position im Arbeitssystem ist damit im Jugendalter<br />

angekommen und stellt <strong>Jugendliche</strong><br />

vor die – nicht zu bewältigende – Herausforderung,<br />

ihre eigenen individuellen Wettbewerbsnachteile<br />

selbst beheben zu müssen. Ausgerechnet<br />

in dieser biografisch elementaren<br />

Situation treffen sie auf ein System, in dem<br />

die Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit<br />

dominieren und Unterstützungsangebote<br />

sich verstärkt an einer Integration in<br />

bestehende ökonomische Rahmenbedingungen<br />

und weniger an biografischen Selbstbestimmungsmöglichkeiten<br />

orientieren. 42<br />

2.7 Zielgruppen und Probleme<br />

Ausbildungsreife<br />

Mit der beschriebenen Reformpolitik zur<br />

Jugendarbeitslosigkeit wurde eine verstärkte<br />

Diskussion darüber geführt, dass viele<br />

<strong>Jugendliche</strong> deshalb ohne Ausbildungsplatz<br />

bleiben, weil sie nicht ›ausbildungsreif‹ seien.<br />

Gleichgültig, wie dieses Defizit im Einzelnen<br />

bebildert wird, fest steht, dass ihre Ausbildungslosigkeit<br />

diesen jungen Menschen selbst<br />

zugeschrieben wird. Sie haben versagt, indem<br />

sie sich den Leistungsansprüchen des Marktes<br />

verweigert haben. Daneben stehen aber<br />

auch Institutionen wie die allgemeinbildenden<br />

<strong>Schule</strong>n in der Kritik, insbesondere nach den<br />

Ergebnissen der PISA-Studien. <strong>Die</strong> <strong>Schule</strong>n<br />

wiederum reichen die Verantwortung einerseits<br />

an die Elternhäuser weiter und beklagen<br />

andererseits die unzureichenden strukturellen<br />

und finanziellen Rahmenbedingungen ihrer<br />

Arbeit. All dies mag im individuellen Falle<br />

so oder so vorkommen und zutreffend sein;<br />

ein politisches Argument zur strukturellen<br />

Beschaffenheit und den Mängeln des Ausbildungsmarktes<br />

ist dies keineswegs.<br />

Jenseits dieser Schuldzuschreibungen lohnt<br />

sich aber ein genauerer Blick auf diesen<br />

Begriff fehlender ›Ausbildungsreife‹. Was ist<br />

damit überhaupt gemeint und wie haltbar ist<br />

die These von der mangelhaften Ausbildungsfähigkeit<br />

der ausbildungslosen Jugend?<br />

In der politischen Debatte wird der Begriff<br />

Ausbildungsreife uneinheitlich benutzt und verstanden.<br />

Sofern sich überhaupt jemand die<br />

Mühe macht, den Begriff der Ausbildungsreife<br />

mit Bildern zu füllen, fallen darunter allein<br />

diejenigen Fähigkeiten und Arbeitstugenden,<br />

40 Vgl. Lauterbach, Klaus (2008): Das Sanktionensystem im SGB II,<br />

S. 247; in: Neue Justiz 6/2008, S. 241–248.<br />

41 Vgl. ebenda, S. 248.<br />

42 Vgl. Karl, Ute/Schröer, Wolfgang (2006): Fördern und Fordern.<br />

Sozialpädagogische Herausforderungen im Jugendalter angesichts<br />

sozialpolitischer Umstrukturierungen, S. 48 f.;<br />

in: Spies, Anke/Tredop, <strong>Die</strong>tmar (Hrsg.): ›Risikobiographien‹ –<br />

Benachteiligte <strong>Jugendliche</strong> zwischen Ausgrenzung und<br />

Förderprojekten, S. 42–56.<br />

39


40<br />

Ausbildung<br />

die <strong>für</strong> Ausbildungsberufe auf den unteren<br />

beruflichen Niveauebenen wichtig sind. Darüber<br />

hinaus können unter ›ausbildungsreif‹<br />

schlichtweg – fast tautologisch – nur diejenigen<br />

Anforderungen eingeordnet werden, die<br />

schon zu Beginn der Berufsausbildung vorhanden<br />

sein müssen und bei Schulabgängern<br />

und Schulabgängerinnen auch vorausgesetzt<br />

werden können. 43<br />

Theoretisch ist der Begriff also äußerst<br />

unergiebig. Aber auch praktisch ist er wenig<br />

zielführend, denn das Anforderungsniveau des<br />

Ausbildungssystems selbst kann hier, kurzfristig<br />

betrachtet, kaum der Maßstab sein, da<br />

ein Schulsystem nur auf lange Sicht etwaig<br />

veränderten Ansprüchen der Wirtschaftsseite<br />

genügen könnte. In einer Befragung des<br />

Bundesinstituts <strong>für</strong> Berufsbildung (BIBB) unter<br />

Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaftlern/Wissenschaftlerinnen<br />

wurde versucht,<br />

sich dem Begriff der Ausbildungsreife<br />

pragmatisch zu nähern. Ergebnis: Zur Ausbildungsreife<br />

im engeren Sinne zählen allgemeine<br />

Arbeits-, Leistungs- und Sozialtugenden wie<br />

Zuverlässigkeit, Lernbereitschaft, Leistungsbereitschaft,<br />

Konzentrationsfähigkeit und<br />

Durchhaltevermögen. Schulwissen, mit<br />

Ausnahme der Kulturtechniken, zählen <strong>für</strong><br />

die meisten Experten/innen nicht dazu. 44<br />

Vor diesem Hintergrund drängt sich der Eindruck<br />

auf, dass die Debatte um fehlende Ausbildungsreife<br />

bei <strong>Jugendliche</strong>n in der Öffentlichkeit<br />

verstärkt interessenpolitisch geführt<br />

wird und rationalen betrieblichen Anforderungslogiken<br />

folgt. Interessenpolitisch, indem<br />

mit der Debatte und der Schuldverschiebung<br />

von der Unterversorgung mit Ausbildungsplätzen<br />

abzulenken versucht wird. Rational<br />

betrieblich vor allem deshalb, weil die Ausbildungsbetriebe<br />

bei ihrer Bewerber/innenauswahl<br />

möglichst wenig Risiken eingehen wollen<br />

45 und ihre betriebsspezifischen Anforderungen<br />

an fachliche und Schlüsselqualifikationen<br />

als Maßstab <strong>für</strong> ›Ausbildungsreife‹ setzen und<br />

damit weit über das grundlegende Verständnis<br />

von Ausbildungsfähigkeit hinausgehen. Anders<br />

gesagt: Betriebliche Einstellungsverfahren<br />

sind keinesfalls darauf ausgerichtet, eine<br />

Mindesteignung zu überprüfen, sondern zielen<br />

auf Bestenauswahl <strong>für</strong> den Betrieb ab. 46<br />

<strong>Die</strong>ser Prozess kann sich bei Bewerber/innenüberhang<br />

noch verstärken, da Unternehmen,<br />

wenn sie unter vielen wählen können,<br />

ihre Ansprüche an die geforderten Fähigkeiten<br />

weiter steigern und neue Maßstäbe etablieren.<br />

Eine solche Entwicklung schränkt die berufliche<br />

Perspektive derjenigen <strong>Jugendliche</strong>n<br />

weiter ein, die wegen ihrer nicht mitgewachsenen<br />

Fähigkeiten ans Ende der Bewerber/innenschlange<br />

verwiesen werden. 47<br />

Es bleibt festzuhalten: Sicherlich müssen<br />

Bewerber/innen heute Wissen und Fähigkeiten<br />

mitbringen, die sie früher erst während der<br />

Ausbildung erworben haben, sicherlich sind<br />

auch eklatante Bildungsdefizite bei etlichen<br />

<strong>Jugendliche</strong>n nicht von der Hand zu weisen.<br />

Wer aber im aktuellen Perspektivnotstand<br />

von fehlender Ausbildungsreife spricht (im<br />

schlimmsten Fall, um sich damit der eigenen<br />

Verantwortung zu entziehen), vergisst, dass<br />

eben diese <strong>Jugendliche</strong>n in dieser Gesellschaft<br />

aufgewachsen und damit deren eigenes<br />

Produkt sind. <strong>Die</strong> wachsende Schar derer,<br />

die den Elitebedürfnissen der Unternehmen<br />

nicht gewachsen ist, kann damit nicht gleichzeitig<br />

ausbildungslos in Arbeitslosenkarrieren<br />

verschickt werden.<br />

43 Vgl. Ehrenthal, Bettina/Eberhard, Verena/Ulrich, Joachim-Gerd<br />

(2005): Ausbildungsreife – auch unter den Fachleuten ein heißes<br />

Eisen, Ergebnisse des BIBB-Expertenmonitors, S. 2, http://<br />

deposit.ddb.de/ep/netpub/49/87/72/977728749/_data_stat/e<br />

k151231hu.pdf; Müller-Kohlenberg/Schober, Karen/Hilke, Reinhard<br />

(2005): Ausbildungsreife – Numerus clausus <strong>für</strong> Azubis?<br />

Ein Diskussionsbeitrag zur Klärung von Sachverhalten und Begriffen,<br />

S. 20; in: BWP 3/2005, S. 19–23.<br />

44 Vgl. Ehrenthal, Bettina/Eberhard, Verena/Ulrich, Joachim-Gerd<br />

(2005): a.a.O., S. 3.<br />

45 Vgl. Müller-Kohlenberg/Schober, Karen/Hilke, Reinhard (2005):<br />

a.a.O., S. 19.<br />

46 Dass das Verfahren unternehmensseitig auch anders aussehen<br />

kann, zeigt sich historisch: Vor den Zeiten der Lean-Ausbildung<br />

bis etwa Ende der 1980er Jahre betrachteten ausbildende<br />

Betriebe es als ihre eigene Aufgabe, ihre <strong>Jugendliche</strong>n, auch<br />

die schwächeren, mittels betrieblicher Unterstützung bis hin zur<br />

persönlichen Nachhilfe durch den Ausbildungsmeister zu einem<br />

erfolgreichen Abschluss zu bringen.<br />

47 Vgl. Rebmann, Karin/Tredop, <strong>Die</strong>tmar (2006): Fehlende<br />

›Ausbildungsreife‹, Hemmnis <strong>für</strong> den Übergang von der <strong>Schule</strong> in<br />

das Berufsleben?, S. 94; in: Spies, Anke/Tredop, <strong>Die</strong>tmar<br />

(Hrsg.): a.a.O., S. 86–100.


Mobilitätsbereitschaft<br />

Ob ein junger Mensch einen Ausbildungsplatz<br />

ergattert, ist allerdings nur ein relevanter<br />

Ausschnitt des Themas. Von Bedeutung ist<br />

auch, inwieweit <strong>Jugendliche</strong> beim Übergang<br />

<strong>Schule</strong>/Beruf ihre Berufsvorstellungen realisieren<br />

können. Schließlich entscheidet sich an<br />

dieser Stelle nicht nur die Frage nach dem<br />

Zugang zu einer qualifizierten Berufslaufbahn<br />

sondern auch, in welchem Berufsbereich ein<br />

Mensch den Großteil seines Lebens verbringt.<br />

Auch angesichts der heute durchaus üblichen<br />

unsteten Berufsverläufe ist eine einmal getroffene<br />

Berufswahl biografisch nachhaltig und<br />

prägend. <strong>Die</strong> Frage, ob <strong>Jugendliche</strong> heute in<br />

relevantem Maße selbstbestimmt entscheiden<br />

können, mit welchem Beruf sie ihr Leben lang<br />

ein auskömmliches Einkommen erzielen wollen,<br />

ist im Angesicht der Ausbildungsplatznot fast<br />

völlig aus dem Fokus der politischen Diskussion<br />

geraten. Im Gegenteil: <strong>Jugendliche</strong> werden<br />

häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, dass<br />

sie unflexibel bei der Wahl ihres Ausbildungszieles<br />

und -ortes seien und nicht bereit,<br />

sich den modernen ökonomischen Zwängen<br />

anzupassen.<br />

Der Vorwurf der beruflichen wie räumlichen<br />

Immobilität ist nach vorliegenden Erkenntnissen<br />

nicht haltbar. Was die berufliche Mobilität<br />

angeht, so zeigt die Berufswahlforschung,<br />

dass Ausbildungsplatzbewerber/innen sich<br />

dem Markt sehr und geradezu antizipativ<br />

anpassen und frühzeitig von ihren ursprünglichen<br />

Berufswünschen Abstand nehmen. 48 So<br />

geben in der BA/BIBB-Bewerberbefragung 49<br />

aus dem Jahr 2006 nur 29 Prozent an, dass<br />

ihre jetzige Situation schon immer ihr Wunsch<br />

gewesen sei. Richtet man den Blick nur auf<br />

die <strong>Jugendliche</strong>n, die eine Lehre machen, verweisen<br />

11 Prozent darauf, dass der Verzicht<br />

auf den Wunschberuf einen entscheidenden<br />

Ausschlag gegeben hat, dass sie ihre Ausbildung<br />

überhaupt beginnen konnten.<br />

Auch die räumliche Mobilität erweist sich als<br />

äußerst flexibel. Nach der BA/BIBB-Bewerberbefragung<br />

bewerben sich im Schnitt 23 Prozent<br />

der <strong>Jugendliche</strong>n auch in einem Umkreis<br />

von mehr als 100 Kilometern außerhalb ihres<br />

Heimatortes. Der Anteil steigt, je schlechter<br />

sich die Ausbildungssituation in der Heimat-<br />

region gestaltet: In Regionen mit weniger<br />

als 60 betrieblichen Ausbildungsstellen pro<br />

100 Bewerber/innen steigt das überregionale<br />

Bewerbungsverhalten auf 44 Prozent. 50 Es<br />

zeigt sich, dass <strong>Jugendliche</strong> demnach sehr<br />

wohl bereit sind, <strong>für</strong> einen Ausbildungsplatz<br />

den Wohnort zu wechseln.<br />

Über Kreisgrenzen hinweg pendelt in den<br />

westlichen Bundesländern ein Drittel, in Ostdeutschland<br />

nehmen mehr als 40 Prozent der<br />

<strong>Jugendliche</strong>n <strong>für</strong> einen Ausbildungsplatz weite<br />

Wege in Kauf und pendeln auch häufig nach<br />

Westdeutschland. Das Pendeln auf Kreisebene<br />

ist vor allem durch die Stadt-Umland-Verflechtungen<br />

geprägt, während zwischen den westdeutschen<br />

Flächenländern nur geringe Ausbildungsmobilität<br />

zu verzeichnen ist. <strong>Die</strong> Stadtstaaten,<br />

und hier vor allem Bremen, sind dagegen<br />

›Pendlermagneten‹. Insgesamt tragen<br />

<strong>Jugendliche</strong> mit ihrer hohen Mobilitätsbereitschaft<br />

dazu bei, unzureichende Angebots-Nachfrageverhältnisse<br />

auszugleichen. 51 <strong>Die</strong>s wird<br />

zudem durch Ergebnisse der BA/BIBB-Bewerberbefragung<br />

gestützt. So gaben lediglich drei<br />

Prozent der Befragten, die aktuell keine Ausbildung<br />

absolvieren, an, dass die angebotenen<br />

Lehrstellen zu weit entfernt gewesen seien.<br />

48 <strong>Die</strong> Orientierung auf das reale Marktangebot beispielsweise ist<br />

ein Grund <strong>für</strong> die hohe Konzentration weiblicher Bewerber auf<br />

nur wenige Ausbildungsberufe. Vgl. Liesering, Sabine/Rauch,<br />

Angela (Hrsg.) (2006): Hürden im Erwerbsleben, Aspekte beruflicher<br />

Segregation nach Geschlecht, Beiträge zur Arbeitsmarktund<br />

Berufsforschung 198.<br />

49 Bei der BA/BIBB-Bewerberbefragung handelt es sich um eine<br />

repräsentative, hochgerechnete schriftlich-postalische Stichprobenuntersuchung<br />

von <strong>Jugendliche</strong>n, die bei der Berufsberatung<br />

als Ausbildungsstellenbewerber/innen registriert waren. Das<br />

BIBB führt die Untersuchung in unregelmäßigen Abständen<br />

gemeinsam mit der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit durch. <strong>Die</strong> Befragung<br />

findet nach Abschluss des Vermittlungsjahres am 30.<br />

September statt. <strong>Die</strong> letzte Befragung fand im Jahr 2006 statt.<br />

50 Vgl. Ulrich, Joachim Gerd (2006): Übergänge in das duale<br />

System der beruflichen Bildung, Ergebnisse der BA/BIBB-<br />

Bewerberbefragung 2004, S. 26; in: Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

(Hrsg.): Übergänge zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf und darauf<br />

bezogene Hilfesysteme in Deutschland, S. 21-36.<br />

51 Vgl. Bogai, <strong>Die</strong>ter/Seibert, Holger/Wiethölter, Doris (2008):<br />

<strong>Die</strong> Suche nach Lehrstellen macht junge Menschen mobil,<br />

IAB-Kurzbericht 9/2008, S. 1 und 8.<br />

41


42<br />

Ausbildung<br />

Recht auf einen Hauptschulabschluss?<br />

Obgleich also die Frage nach fehlender Ausbildungsfähigkeit<br />

zuallererst eine interessengeleitete<br />

zu sein scheint, ist nicht von der Hand<br />

zu weisen, dass das allgemeinbildende Schulsystem<br />

Reformbedarf aufweist; zu viele – in<br />

Bremen wie dargestellt 9 Prozent – verlassen<br />

die <strong>Schule</strong>n ohne Schulabschluss. Fast 80<br />

Prozent münden nicht in Ausbildung, sondern<br />

ins Übergangssystem ein.<br />

Es werden deutliche Anstrengungen unternommen,<br />

diesen Missstand zu bereinigen.<br />

Im vergangenen Jahr hat die Kultusministerkonferenz<br />

einen Handlungsrahmen vereinbart,<br />

dessen Ziel die Reduzierung der Zahl der<br />

<strong>Jugendliche</strong>n ohne Schulabschluss ist. Bundesweit<br />

wird über verstärkte Fördermaßnahmen<br />

diskutiert. So sieht der aktuelle Gesetzentwurf<br />

der Bundesregierung zur Neuordnung<br />

der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vor,<br />

dass unter bestimmten Zugangsvoraussetzungen<br />

das Nachholen des Hauptschulabschlusses<br />

auch aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung<br />

finanziert werden kann. 52<br />

Was die damit verbundenen Perspektiven<br />

der betroffenen <strong>Jugendliche</strong>n angeht, so muss<br />

nach der bereits dargelegten Analyse der<br />

Übergangsprozesse nüchtern konstatiert<br />

werden, dass angesichts der modernen<br />

Selektionsprinzipien des Berufsbildungs- und<br />

Arbeitssystems mit dem Nachholen des<br />

Hauptschulabschlusses noch nicht allzu viel<br />

gewonnen ist. Junge Menschen ohne Schulabschluss<br />

sind nahezu chancenlos auf dem<br />

Ausbildungsmarkt (nur ein Fünftel mündet in<br />

Ausbildung), aber auch mit dem modernen<br />

Restschulabschluss gelten sie auf dem Markt<br />

längst nicht als ausbildungsreif. Nicht einmal<br />

der Hälfte (41 Prozent) der Hauptschulabsolventen<br />

und -absolventinnen gelingt der Sprung<br />

ins duale System, über die Hälfte (51 Prozent)<br />

landet im Übergangssystem. 53<br />

Schaut man sich die Entwicklungsverläufe<br />

von Hauptschulabsolventen und -absolventinnen<br />

zweieinhalb Jahre nach <strong>Schule</strong>nde genauer<br />

an, stechen folgende Ergebnisse ins Auge:<br />

Von denjenigen, die sechs Monate nach <strong>Schule</strong>nde<br />

eine betriebliche Ausbildung begonnen<br />

haben (28 Prozent), üben 90 Prozent diese<br />

immer noch aus, drei Prozent verbleiben in<br />

nichtbetrieblicher Berufsausbildung oder im<br />

Übergangssystem, sieben Prozent sind nicht<br />

in Ausbildung. <strong>Die</strong> Abbrecherquote ist also<br />

äußerst gering.<br />

Auch zwei Drittel derjenigen, die eine nichtbetriebliche<br />

Berufsausbildung begonnen haben<br />

(das waren 16 Prozent der Hauptschulabsolventinnen<br />

und -absolventen), befinden sich<br />

nach 30 Monaten weiterhin dort, jeweils drei<br />

Prozent sind ins duale System beziehungsweise<br />

Übergangssystem gewechselt; 27 Prozent<br />

sind nicht mehr in Ausbildung. <strong>Die</strong> Verläufe<br />

sind also auch in diesem Segment relativ<br />

stabil, obgleich die Abbrecherquote deutlich<br />

über der in betrieblicher Ausbildung liegt.<br />

Knapp der Hälfte der <strong>Jugendliche</strong>n, die sich<br />

sechs Monate nach Schulabschluss im Übergangssystem<br />

befindet (38 Prozent), gelingt<br />

es, in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren<br />

eine betriebliche oder nichtbetriebliche Ausbildung<br />

zu beginnen, ein knappes Drittel verharrt<br />

immer noch im Übergangssystem und ein<br />

Fünftel befindet sich nicht mehr im Ausbildungssystem.<br />

<strong>Jugendliche</strong>n, die sechs Monate nach <strong>Schule</strong>nde<br />

nicht im Berufsbildungssystem untergekommen<br />

sind – das trifft immerhin auf 19<br />

Prozent aller <strong>Jugendliche</strong>n mit maximal Hauptschulabschluss<br />

zu – gelingt nur selten (33<br />

Prozent) der Sprung in betriebliche oder nichtbetriebliche<br />

Ausbildung. 15 Prozent sind<br />

30 Monate später im Übergangssystem. Über<br />

die Hälfte aber bleibt weiter ohne Platz im<br />

Berufsbildungssystem und damit ohne Berufsabschluss.<br />

54<br />

52 Grundsätzlich ist es natürlich begrüßenswert, das Bildungsniveau<br />

generell zu erhöhen, es ist allerdings nicht nachvollziehbar,<br />

warum dies aus dem Beitragsaufkommen der<br />

Arbeitnehmer/innen und nicht aus Steuermitteln finanziert<br />

werden soll. <strong>Die</strong> Sozialversicherung droht an dieser Stelle in die<br />

Verantwortung <strong>für</strong> das Versagen des steuerfinanzierten Schulsystems<br />

genommen zu werden. Vgl. Rosenthal, Peer/Koch,<br />

Christiane (2008): Stellungnahme der Arbeitnehmerkammer<br />

Bremen zum Referentenentwurf des Bundesministeriums <strong>für</strong><br />

Arbeit und Soziales (BMAS) ›Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen<br />

Instrumente‹, S. 5 f.<br />

53 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O.,<br />

S. 158.<br />

54 Vgl. ebenda, S. 163 ff.


Abbildung 26: <strong>Jugendliche</strong> mit maximal Hauptschulabschluss<br />

6 und 30 Monate nach Verlassen des allgemeinbildenden Schulsystems in Prozent<br />

Status nach 6 Monaten<br />

Status nach 30 Monaten bezogen<br />

auf den Status nach 6 Monaten<br />

90 %<br />

27,5 %<br />

Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 165.<br />

Der Hauptschulabschluss verbessert also die<br />

Einstiegschancen ins Ausbildungs-, mehrheitlich<br />

allerdings ins Übergangssystem. Vom<br />

Bedarf an systematischer staatlicher Förderung<br />

und Unterstützung befreit er allerdings<br />

nur einen Bruchteil der <strong>Jugendliche</strong>n.<br />

Migranten und Migrantinnen<br />

1 % 2 % 7 % 3 %<br />

Eine besonders verletzliche Gruppe beim<br />

Übergang von der <strong>Schule</strong> in den Beruf sind<br />

jugendliche Ausländer/innen beziehungsweise<br />

<strong>Jugendliche</strong> mit Migrationshintergrund.<br />

Das Ausmaß des Problems ist nur schwer<br />

auszumachen, da das Datenmaterial häufig<br />

nicht den präzisen Fokus des Migrationshintergrundes,<br />

sondern lediglich eine Differenzierung<br />

zwischen Ausländern und Ausländerinnen<br />

und Deutschen ermöglicht. Aus solch einer<br />

Betrachtung folgt, dass nur 40 Prozent der<br />

ausländischen <strong>Jugendliche</strong>n im Vergleich zu<br />

60 Prozent aller Neuzugänge eine duale oder<br />

15,7 %<br />

67 %<br />

3 %<br />

<strong>Schule</strong>nde<br />

27 %<br />

38 %<br />

38,2 %<br />

11 %<br />

31 %<br />

20 %<br />

schulische Ausbildung beginnen. Insgesamt<br />

landen 60 Prozent der ausländischen <strong>Jugendliche</strong>n<br />

im Übergangssystem. Sie sind also<br />

vor allem im dualen System, aber auch im<br />

Schulberufssystem unterdurchschnittlich vertreten,<br />

im Übergangssystem dagegen stark<br />

überrepräsentiert. 55<br />

Auch im Land Bremen 56 gestaltet sich die<br />

Situation ausländischer <strong>Jugendliche</strong>r kritisch.<br />

Nur ein gutes Drittel (38 Prozent) mündete<br />

im Jahr 2006 in eine vollqualifizierende Ausbildung<br />

im dualen System oder im Schulberufs-<br />

55 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O.,<br />

S. 159.<br />

56 <strong>Die</strong> hier angegebenen Werte weichen von den nicht zutreffenden<br />

Werten im Bericht der Autorengruppe Bildungsberichterstattung<br />

(2008) ab. Es handelt sich hierbei um die vom<br />

Statistischen Landesamt Bremen auf Nachfrage neu berechneten<br />

und korrigierten Werte.<br />

18,7 %<br />

11 %<br />

15 %<br />

22 %<br />

52 %<br />

betriebliche Berufsausbildung<br />

nichtbetriebliche Berufsausbildung (einschließlich Studium)<br />

Übergangssystem<br />

nicht in Ausbildung<br />

43


44<br />

Ausbildung<br />

system ein. Dagegen konnten knapp 70<br />

Prozent aller Neuzugänge im Land Bremen<br />

eine vollqualifizierende Ausbildung beginnen.<br />

Ein umgekehrtes Bild ergibt sich bei den<br />

Einmündungsquoten in das bremische Übergangssystem:<br />

So gehen 62 Prozent der ausländischen<br />

<strong>Jugendliche</strong>n zunächst ins Übergangssystem.<br />

<strong>Die</strong>ser Anteil ist im Vergleich zu<br />

allen Neuzugängen nahezu doppelt so hoch.<br />

Abbildung 27: Anteil von Neuzugängen insgesamt und mit<br />

ausländischer Staatsangehörigkeit in den Sektoren des beruflichen<br />

Ausbildungssystems 2006 im Land Bremen in Prozent<br />

Übergänge davon: davon: Übergangssystem<br />

in Ausbildung duales System Schulberufsinsgesamt<br />

system<br />

insgesamt 68,5 56,3 12,2 31,5<br />

ausländische <strong>Jugendliche</strong> 38,2 27,1 11,1 61,8<br />

Quelle: Auskunft des Statistischen Landesamtes Bremen.<br />

In einer Langfristbetrachtung wird deutlich,<br />

dass seit Mitte der 1990er Jahre in Deutschland<br />

von einem negativen Trend bei der Ausbildungsteilhabe<br />

ausländischer <strong>Jugendliche</strong>r<br />

gesprochen werden muss. War ihr Anteil an<br />

allen Auszubildenden bis zu diesem Zeitpunkt<br />

auf 8 Prozent angestiegen, so nahm er seit<br />

der Ausbildungsbaisse bis heute auf 4 Prozent<br />

ab. 57 Ausländische <strong>Jugendliche</strong> spüren die<br />

Lehrstellenkrise also überdeutlich.<br />

Differenziert man weiter nach Migrationshintergrund<br />

und nicht nach Staatsangehörigkeit<br />

und erweitert auf diesem Wege die Personengruppe,<br />

lassen sich die unterschiedlichen<br />

Übergangschancen weiter präzisieren. Obwohl<br />

<strong>Jugendliche</strong> mit und ohne Migrationshintergrund<br />

nach der <strong>Schule</strong> zu einem gleich<br />

großen Anteil eine betriebliche Ausbildung<br />

anstreben, ist der Übergangserfolg bei<br />

<strong>Jugendliche</strong>n mit Migrationshintergrund deutlich<br />

geringer. So erreichen 50 Prozent von<br />

ihnen erst 17 Monate nach dem Verlassen der<br />

allgemeinbildenden <strong>Schule</strong>n einen Ausbildungsplatz,<br />

50 Prozent der <strong>Jugendliche</strong>n ohne<br />

Migrationshintergrund gelingt dies bereits<br />

nach 3 Monaten – also fünfmal schneller. 58<br />

57 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />

a.a.O., S. 159.<br />

58 Vgl. ebenda, S. 163.


Da<strong>für</strong> können verschiedene Gründe mitverantwortlich<br />

sein. So verfügen <strong>Jugendliche</strong> mit<br />

Migrationshintergrund häufiger über lediglich<br />

einen Hauptschulabschluss, ihre Noten sind im<br />

Schnitt etwas schlechter und informelle<br />

Zugänge (Netzwerke) zu möglichen Ausbildungsplätzen<br />

nicht so stark ausgeprägt. Als<br />

alleinige Begründungen reichen diese Faktoren<br />

allerdings nicht aus. 59 So ist bei gleichem<br />

Leistungsniveau von <strong>Jugendliche</strong>n mit und<br />

ohne Migrationshintergrund die Chance auf<br />

eine betriebliche Ausbildung von <strong>Jugendliche</strong>n<br />

ohne Migrationshintergrund deutlich höher und<br />

kann unter bestimmten Bedingungen doppelt<br />

so groß sein. 60 Daraus lässt sich kein anderer<br />

Schluss ziehen, als dass ein Migrationshintergrund<br />

<strong>für</strong> sich genommen bei der Suche nach<br />

einer betrieblichen Ausbildung bereits ein<br />

Nachteil ist und ethnische Diskriminierungen<br />

vorliegen. 61<br />

<strong>Die</strong>se Diskriminierungstendenzen setzen sich<br />

offenbar auch an der zweiten Schwelle, dem<br />

Übergang in Arbeit nach Ausbildung, fort.<br />

Zwar zeigen sich <strong>für</strong> Absolventen und Absolventinnen<br />

betrieblicher Ausbildung beim Übergang<br />

in Erwerbstätigkeit kaum noch Unterschiede<br />

zwischen Deutschen und Ausländern<br />

und Ausländerinnen. 62 Bezieht man aber die<br />

Absolventen und Absolventinnen von schulischen<br />

Ausbildungsgängen ein und schaut nach<br />

der langfristigen Positionierung im Erwerbssystem,<br />

verdüstern sich die Aussichten zumindest<br />

<strong>für</strong> bestimmte Gruppen von <strong>Jugendliche</strong>n<br />

nichtdeutscher Herkunft. 63 Zwar bleibt festzuhalten,<br />

dass ein Ausbildungsabschluss die<br />

Chancen auf qualifizierte Beschäftigung <strong>für</strong><br />

<strong>Jugendliche</strong> mit Migrationshintergrund erhöht,<br />

vor Benachteiligung schützt er aber nicht in<br />

jedem Fall.<br />

59 Vgl. Beicht, Ursula/Friedrich, Michael/Ulrich, Joachim Gerd<br />

(2007): Schulabsolventen auf Lehrstellensuche: Deutlich<br />

längere Dauer bis zum Ausbildungseinstieg, BIBB-Report<br />

2/2007, S. 5.<br />

60 Vgl. Ulrich, Joachim Gerd (2006): a.a.O., S. 31 ff.<br />

61 Vgl. Färber, Christine/Arslan, Nurcan/Köhnen, Manfred/Parlar,<br />

Renée (2008): Migration, Geschlecht und Arbeit, Probleme<br />

und Potenziale von Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt, S. 51.<br />

62 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />

a.a.O., S. 182.<br />

63 Vgl. Seibert, Holger (2008): Junge Migranten am Arbeitsmarkt:<br />

Bildung und Einbürgerung verbessern die Chancen, IAB-Kurzbericht<br />

17/2008 und Seibert, Holger/Solga, Heike (2005):<br />

Gleiche Chancen dank einer abgeschlossenen Berufsausbildung?<br />

Zum Signalwert von Ausbildungsabschlüssen bei ausländischen<br />

und deutschen jungen Erwachsenen; in: Zeitschrift<br />

<strong>für</strong> Soziologie 5/2005, S. 364–382.<br />

45


46<br />

Ausbildung<br />

Junge Männer an der ersten Schwelle,<br />

das benachteiligte Geschlecht?<br />

Wie alle arbeitsmarktabhängigen Fragen ist<br />

auch das Thema Ausbildung eine Geschlechterfrage.<br />

Junge Frauen und Männer verfügen<br />

nicht über dieselben Zugänge zum<br />

Berufsbildungssystem. Daran hat sich auch<br />

nach mehreren Jahrzehnten fachlicher<br />

Diskussion und immer wieder unternommener<br />

praktischer Anlaufversuche nichts geändert.<br />

Es hat allerdings mit den beschriebenen<br />

Umstrukturierungsprozessen im<br />

Beschäftigungssystem in den letzten Jahren<br />

spürbare Verschiebungen gegeben, die insbesondere<br />

die jungen Männer betreffen.<br />

Junge Männer dominieren traditionell das<br />

duale System, da hier mehr produzierende<br />

und handwerkliche Berufsfelder – die klassischen<br />

sogenannten ›Männerberufe‹ – angesiedelt<br />

sind. Damit sind sie natürlich auch<br />

überproportional vom allgemeinen Rückgang<br />

der dualen Ausbildungsplätze betroffen.<br />

Es stehen ihnen deutlich weniger Marktangebote<br />

in ihrem angestammten Sektor zur<br />

Verfügung.<br />

Von der parallel stattfindenden Zunahme<br />

der dienstleistungsorientierten Ausbildungsbereiche<br />

profitieren die jungen Frauen,<br />

und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zum einen<br />

natürlich schon in quantitativer Dimension,<br />

da Frauen sich überproportional in den<br />

tertiären Sektor orientieren. Zum anderen<br />

verlassen junge Frauen die <strong>Schule</strong>n durchschnittlich<br />

sowohl mit höherwertigen als<br />

auch den im Notenschnitt besseren Schulabschlüssen,<br />

haben also bessere Karten im<br />

Bewerbungsverfahren in jenen Bereichen,<br />

die von beiden Geschlechtern gleichermaßen<br />

besetzt werden. Drittens sind sie<br />

zwar im dualen System unterrepräsentiert,<br />

belegen aber deutlich mehr Plätze im vollqualifizierenden<br />

Schulberufssystem, das<br />

weite Teile der personenbezogenen <strong>Die</strong>nstleistungsberufe<br />

ausbildet. <strong>Die</strong>se schulischen<br />

Ausbildungsangebote sind zum einen expansiv,<br />

zum anderen auch deutlich wenig<br />

konjunkturabhängig. Sie unterliegen also<br />

in erheblich geringerem Maße den <strong>für</strong> das<br />

duale System charakteristischen Marktschwankungen.<br />

64<br />

Zwar wanderten mit dem Rückgang der<br />

betrieblichen Ausbildungskapazitäten mehr<br />

junge Männer ins Schulberufssystem ab.<br />

Zwischen 1995 und 2004 wuchs der<br />

Männeranteil dort von etwa 25 auf 30 Prozent.<br />

Eine quantitative Kompensation <strong>für</strong><br />

den Rückgang im betrieblichen Ausbildungssektor<br />

konnte damit aber nicht stattfinden.<br />

Zudem ist das Schulberufssystem deutlich<br />

geschlechtsspezifisch ausgerichtet: Hier<br />

werden soziale, Pflegeberufe und vor allem<br />

der gesamte Bereich der Kleinkinderziehung<br />

ausgebildet. <strong>Die</strong>se Berufe werden nur<br />

in geringem Maße von jungen Männern<br />

frequentiert.<br />

64 Vgl. Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus (2007):<br />

a.a.O., S. 47.


All das führte dazu, dass der Frauenanteil<br />

an den vollqualifizierenden Ausbildungsplätzen<br />

zwischen 1995 und 2004 insgesamt<br />

von 46,1 auf 51,1 Prozent gestiegen ist,<br />

Frauen also inzwischen die Mehrzahl aller<br />

verfügbaren Plätze einnehmen. 65<br />

Insgesamt sind männliche <strong>Jugendliche</strong><br />

mit niedrigen Schulabschlüssen unbestreitbar<br />

die Verlierer der Ausbildungsplatzentwicklung<br />

der letzten Jahre. Sie münden mit<br />

einem deutlich höheren Anteil als junge<br />

Frauen in das Übergangssystem ein. Allerdings<br />

bedeuten diese Entwicklungen keinesfalls,<br />

dass junge Frauen an der ersten<br />

Schwelle nun ausschließlich Vorteile davontragen.<br />

Alle Zahlen weisen darauf hin, dass<br />

sie nach wie vor im betrieblichen Ausbildungssektor<br />

unterrepräsentiert sind 66 – mit<br />

der Konsequenz, dass die Genderdichotomie<br />

der Ausbildungsberufe auch künftig<br />

kaum aufgebrochen werden wird. Außerdem<br />

ist der quantitative Aspekt der beschriebenen<br />

Entwicklung nur die halbe Wahrheit,<br />

wenn man nicht parallel dazu die qualitativen<br />

Gesichtspunkte mitbedenkt: Denn nach<br />

wie vor bleibt der Umstand relevant, dass<br />

die typischen Frauenberufe, insbesondere<br />

die im Pflege-, Kleinkinderziehungs- und<br />

Sozialbereich, solche sind, die nicht die<br />

Frau, geschweige denn eine Familie ernähren.<br />

Das traditionelle Familienbild, die<br />

allenthalben und zu Recht beklagte ›Persistenz<br />

des traditionellen Rollenbilds des<br />

Familienernährers‹ 67 , kann sich auf diese<br />

Weise überhaupt nicht überleben, da das<br />

Gros der berufstätigen Frauen nach wie vor<br />

gar keine ökonomische Autonomie besitzt.<br />

So muss man die Redeweise vom ›Elend<br />

der jungen Männer‹ 68 doch deutlich relativieren<br />

und zumindest ein differenziertes<br />

Elend der jungen Leute beiderlei Geschlechts<br />

konstatieren.<br />

65 Vgl. Ebenda, S. 45.<br />

66 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />

a.a.O., S. 162.<br />

67 Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus (2007):<br />

a.a.O., S. 44.<br />

68 Ebenda, S. 44.<br />

47


48<br />

<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze


Michael Galuske ❘ Universität Kassel, Fachbereich Sozialwesen<br />

3 <strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze – über den<br />

aktivierenden Umgang mit Jugendarbeitslosigkeit<br />

3.1 Arbeitslosigkeit und (Sozial-)<br />

Pädagogik – eine Vorbemerkung<br />

Obwohl Arbeitslosigkeit ohne Zweifel in erster<br />

Linie ein ökonomisch bedingtes Problem war<br />

und ist, wurde sie zu keiner Zeit als rein ökonomisches<br />

Phänomen wahrgenommen und<br />

bearbeitet. Wenn von Arbeitslosigkeit die Rede<br />

ist, so schwingt in öffentlichen und politischen<br />

Diskursen immer die Sorge um die Stabilität<br />

der gesellschaftlichen Ordnung und um die<br />

Akzeptanz des um Arbeit zentrierten Lebensund<br />

Normalitätsentwurfs mit. Arbeitslosigkeit<br />

zerstört nicht nur die materielle Basis selbständiger<br />

Lebensführung, Arbeitslosigkeit ist<br />

verweigerte gesellschaftliche Anerkennung,<br />

Ausweis fehlender gesellschaftlicher Nützlichkeit,<br />

aber auch Verdachtsmoment im Hinblick<br />

auf fehlende Motivation und/oder Qualifikation<br />

des Betroffenen. Es ist deshalb naheliegend,<br />

dass die gesellschaftlichen Reaktionen auf<br />

Arbeitslosigkeit in modernen Arbeitsgesellschaften<br />

1 mehr umfassen, als die basale Absicherung<br />

der materiellen Risiken, zumal die<br />

finanzielle Sicherung des Risikos Arbeitslosigkeit<br />

immer unter dem Verdacht stand und<br />

steht, eine ›Hängemattenmentalität‹ zu erzeugen<br />

und den ›Willen zur Selbständigkeit‹ der<br />

Betroffenen zu schwächen. <strong>Die</strong>s gilt verstärkt<br />

bei jugendlichen Arbeitslosen, die gerade erst<br />

dabei sind, ihren arbeitsgesellschaftlichen<br />

Habitus (›arbeite, um zu leben, arbeite mehr,<br />

um besser zu leben‹) auszubilden.<br />

Es ist deshalb naheliegend, dass Arbeitslosigkeit<br />

und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit<br />

immer auch zum Gegenstand (sozial-)<br />

pädagogischer Bemühungen wurde und wird.<br />

Schon der 40. Deutsche Fürsorgetag in<br />

Hamburg 1927 widmete sich dem Thema der<br />

Arbeits<strong>für</strong>sorge ›als Gesamtheit der Maßnahmen,<br />

die Erwerbsschwachen entweder<br />

Fürsorge in Gestalt von Arbeitsmöglichkeiten<br />

gewähren oder sie zu selbständigen Arbeitsleistungen<br />

zu befähigen sucht‹ 2 , mit dem<br />

Ziel ›berufsfähige Personen wieder in die Wirtschaft<br />

einzugliedern‹ 3 .<br />

Besonderes Augenmerk legt die Arbeits<strong>für</strong>sorge<br />

auf Hilfen <strong>für</strong> berufsschwache <strong>Jugendliche</strong><br />

aus Hilfs- und Volksschulen, die zur ›Schlüssel<strong>für</strong>sorge<br />

<strong>für</strong> die gesamte Arbeit an der schulentlassenen<br />

gefährdeten Jugend‹ 4 erklärt<br />

wurde. <strong>Die</strong> in der Weimarer Republik entwickelte<br />

Palette an schulischen und außerschulischen<br />

Bildungs- und Arbeits›angeboten‹<br />

ist quasi die Geburtsstunde der – in modernen<br />

Worten gesprochen – Jugendberufshilfe als<br />

Teilbereich der Jugendsozialarbeit, die sich<br />

vor allem seit der Nachkriegszeit und im<br />

Gefolge der Massenarbeitslosigkeit ab den<br />

1970er Jahren zu einem ausdifferenzierten<br />

System beratender, berufsvorbereitender und<br />

(aus-)bildender und beschäftigungsorientierter<br />

Hilfen entwickelt hat. 5<br />

1 ›Eine Arbeitsgesellschaft ist eine Gesellschaft, in der soziale<br />

Zugehörigkeit wesentlich daran geknüpft ist, dass man seinen<br />

Arbeitsbeitrag leistet. Wir leben in einer Arbeitsgesellschaft.<br />

Das Recht auf soziale Zugehörigkeit nimmt bei uns die Form<br />

eines Rechtes auf Arbeit an.‹ Krebs, A. (2002): Arbeit und<br />

Liebe. <strong>Die</strong> philosophischen Grundlagen sozialer Gerechtigkeit,<br />

S. 18.<br />

2 Wunderlich 1927, zitiert nach Hermanns, M. (2001): Ursprünge<br />

der Jugendsozialarbeit in der Weimarer Republik, S. 30;<br />

in: Fülbier, P./Münchmeier, R. (Hrsg.): Handbuch Jugendsozialarbeit,<br />

Band 1.<br />

3 Ebenda, S. 30.<br />

4 Ebenda, S. 30.<br />

5 Vgl. Galuske, M. (1993): Das Orientierungsdilemma.<br />

Jugendberufshilfe, sozialpädagogische Selbstvergewisserung<br />

und die modernisierte Arbeitsgesellschaft.<br />

49


50<br />

<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />

Dabei waren die berufsbezogenen Hilfen – so<br />

selbstverständlich wie sie mittlerweile zur<br />

Angebotspalette der Sozialen Arbeit gehören<br />

– in der Fachdiskussion nie unumstritten, weil<br />

sie in Verdacht standen, ein ökonomisches<br />

Problem zu einem Bildungsproblem umzudefinieren<br />

und damit zur Individualisierung der<br />

Ursachen eines zutiefst gesellschaftlichen<br />

Problems beizutragen. Anders ausgedrückt:<br />

Arbeitslosigkeit als Bildungsproblem anzugehen<br />

trägt dazu bei, die Betroffenen zu Schuldigen<br />

zu erklären, die über zu geringe Qualifikation,<br />

Flexibilität, Motivation und so weiter<br />

verfügen. <strong>Die</strong> Kritik an den etablierten Strategien<br />

des (sozial-)pädagogischen Umgangs mit<br />

Jugendarbeitslosigkeit zielte dabei insbesondere<br />

auf das Selbstverständnis der Jugendberufshilfe<br />

als ›Brücke zur Arbeitswelt‹, dass<br />

sich in der Praxis angesichts der wachsenden<br />

Arbeitslosigkeit der 1980er und 1990er Jahre<br />

und der voranschreitenden Flexibilisierung<br />

der Arbeitsmärkte zunehmend als unrealistisch<br />

erwies. 6 Aus pädagogischer Perspektive<br />

wurden Konzepte des Umgangs mit der<br />

›vergessenen Jugend der Arbeitsgesellschaft‹ 7<br />

eingefordert, die nicht nur auf die zunehmend<br />

unsicherere Arbeitsmarktintegration abzielen,<br />

sondern umfassend die lebensweltlichen Kompetenzen<br />

und Ressourcen des Klienten zur<br />

Bewältigung ihres Alltags in den Blick nehmen<br />

und stärken 8 . Und in der Tat schienen die<br />

Gedanken Ende der 1990er Jahre auch die<br />

Träger der Jugendsozialarbeit erreicht zu<br />

haben, die in einem Grundsatzpapier der mittlerweile<br />

aufgelösten Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Jugendsozialarbeit e.V. (BAG JAW) feststellen:<br />

›Da aber unter den gegebenen Rahmenbedingungen<br />

eine Vollbeschäftigung nicht<br />

zu erreichen ist, wird es auch nicht gelingen,<br />

alle jungen Menschen durchgängig in Erwerbsarbeit<br />

zu integrieren. Den betroffenen jungen<br />

Frauen und Männern müssen deshalb über<br />

die Maßnahmen zur Berufsorientierung und<br />

der beruflichen Ausbildung oder Qualifizierung<br />

hinaus Angebote gemacht werden, die ihre<br />

Chancen sichern helfen, ihnen eine Perspektive<br />

eröffnen und ihrem Leben einen Rahmen<br />

geben. So verstehen sich die nachfolgenden<br />

Gedanken nicht als eine Alternative zu einer<br />

aktiven Arbeitsmarktpolitik <strong>für</strong> junge Menschen,<br />

sondern als Anregung <strong>für</strong> notwendige<br />

Erweiterungen der bisherigen Antworten der<br />

Jugendsozialarbeit.‹ 9<br />

<strong>Die</strong>ser Blick zurück auf die ›pädagogische<br />

Seite‹ der gesellschaftlichen Reaktionen auf<br />

(Jugend-)Arbeitslosigkeit ist als Einstieg notwendig,<br />

um sich zu vergegenwärtigen, dass<br />

der Ausschluss vom Arbeitsmarkt – zumindest<br />

in modernen, wohlfahrtsstaatlich verfassten<br />

Arbeitsgesellschaften immer auch Gegenstand<br />

schulischer und außerschulischer pädagogischer<br />

Bemühungen war und ist. Der Blick<br />

zurück ist aber auch deshalb notwendig, weil<br />

wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts in eine<br />

neue Ära des pädagogischen Umgangs mit<br />

Arbeitslosigkeit getreten sind. Anders ausgedrückt:<br />

<strong>Die</strong> kurzen, lebensweltorientierten<br />

Blütenträume am Ende des 20. Jahrhunderts<br />

waren angesichts der sozialpolitischen Stürme<br />

zu Beginn des 21. Jahrhunderts schnell ausgeträumt<br />

und wurden ersetzt durch die effizienzschwangeren<br />

Ordnungsphantasien der<br />

aktivierenden Sozialstaatsmodernisierer. Mit<br />

der Agenda 2010 und insbesondere den<br />

Hartz-Gesetzen zur Reform der Arbeits- und<br />

Sozialverwaltung ist ein sozialpolitischer Paradigmenwechsel<br />

vollzogen worden, ein fundamentaler<br />

Bruch mit den Prinzipien wohlfahrtsstaatlichen<br />

Handelns im ›goldenen Zeitalter‹ 10 .<br />

Für Ulrich Beck sind die Hartz-Reformen<br />

deshalb ›nichts weniger als eine Verfassungsänderung‹<br />

11 .<br />

6 Vgl. Galuske, M. (2002): Flexible Sozialpädagogik. Aspekte einer<br />

Theorie Sozialer Arbeit in der modernen Arbeitsgesellschaft.<br />

7 Krafeld, F.J. (2000): <strong>Die</strong> überflüssige Jugend der Arbeitsgesellschaft.<br />

Eine Herausforderung an die Pädagogik.<br />

8 Vgl. Galuske, M. (2004): Lebensweltorientierte Jugendsozialarbeit;<br />

in: Grundwald, K./Thiersch, H. (Hrsg.): Praxis lebensweltorientierter<br />

Sozialer Arbeit und Krafeld, F.J. (2000): a.a.O.<br />

9 BAG JAW (1999): Jugendsozialarbeit und (Erwerbs-)Arbeit.<br />

Diskussionspapier des Fachausschusses II ›Grundsatzfragen der<br />

Jugendsozialarbeit‹, S. 1.<br />

10 Lessenich, S. (2008): <strong>Die</strong> Neuerfindung des Sozialen.<br />

Der Sozialstaat im flexiblen Kapitalismus, S. 59.<br />

11 Beck, U. (2005): Was zur Wahl steht, S. 45.


Sie stehen beispielhaft <strong>für</strong> einen fundamentalen,<br />

neoliberalen Paradigmenwechsel in der<br />

Sozialpolitik 12 , den die internationale Sozialstaatsforschung<br />

in fast allen industrie- beziehungsweise<br />

dienstleistungskapitalistischen<br />

Gesellschaften beobachtet und der in Deutschland<br />

im Konzept des aktivierenden Sozialstaats<br />

seine Zuspitzung findet.<br />

<strong>Die</strong>ser aktivierende Sozialstaat und seine<br />

Parole vom ›Fördern und Fordern‹ ist im Kern<br />

nichts anderes als ein gigantisches Programm<br />

der Verhaltensmodifikation, der Förderung des<br />

›unternehmerischen Selbst‹ 13 , des flexiblen<br />

Menschen, der sich auch in den Stürmen der<br />

globalen Ökonomie behauptet, selbst in den<br />

Randzonen der Arbeitsgesellschaft. <strong>Die</strong>se<br />

These zu veranschaulichen und zu plausibilisieren<br />

ist Gegenstand des folgenden Beitrags.<br />

Nach einführenden Bemerkungen zur (pädagogischen)<br />

Philosophie des aktivierenden Sozialstaats<br />

wird am Beispiel der Hartz-Gesetze im<br />

Allgemeinen und der Sonderrolle der <strong>Jugendliche</strong>n<br />

im Besonderen herausgearbeitet, welches<br />

pädagogische Programm der aktivierende<br />

Sozialstaat insbesondere im Hinblick auf<br />

diejenigen entfaltet, die den steigenden Anforderungen<br />

der Ökonomie nicht gewachsen<br />

sind. <strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze findet<br />

dabei ihren prototypischen Ausdruck in der<br />

Figur des Fallmanagers, der mit ›Zuckerbrot<br />

und Peitsche‹ den hürdenreichen Weg in die<br />

arbeitsmarktabhängige Selbstständigkeit der<br />

Betroffenen managen soll. 14<br />

3.2 Aktivierender Sozialstaat<br />

und Hartz-Gesetze<br />

›Ich werd Hartz IV‹, so die Antwort eines türkischen<br />

Hauptschülers der im Sommer 2006<br />

kurzzeitig zu trauriger Popularität gelangten<br />

Berliner Rütli-<strong>Schule</strong> auf die Frage eines Fernsehreporters,<br />

wie er sich seine Zukunft vorstelle<br />

– und jeder weiß, was gemeint ist. Ob<br />

›Hartz IV – <strong>Die</strong> Kneipe‹ oder ›Hartz IV – Das<br />

Musical‹ (um nur einige Beispiele zu nennen),<br />

wohl kaum eine sozialpolitische Innovation der<br />

letzten dreißig Jahre hat so nachdrückliche<br />

und eindringliche Spuren im Alltagsbewusstsein<br />

der Menschen hinterlassen, wie die Reformen<br />

der Arbeits- und Sozialverwaltung der<br />

letzten Jahre, die sogenannten Hartz-Refor-<br />

men. Insbesondere die Einführung der Grundsicherung<br />

<strong>für</strong> Arbeitslose im Rahmen des<br />

SGB II – alltagssprachlich als Hartz IV bezeichnet<br />

– ist zum vielschichtigen Symbol geworden:<br />

Hartz IV steht da<strong>für</strong>, dass <strong>für</strong> eine wachsende<br />

Gruppe der Bevölkerung eine planbare,<br />

sichere und ausreichend alimentierte<br />

Perspektive auf dem Arbeitsmarkt mehr und<br />

12 Stephan Lessenich (2008, a.a.O., 13 f.) hat sich vehement<br />

gegen eine Charakterisierung des Reformprozesses als neoliberal<br />

gewandt, da sie entgegen der neoliberalen Ideologie nicht zu<br />

weniger Staatstätigkeit, sondern lediglich zu einer Verlagerung<br />

führt. Lessenich plädiert vielmehr da<strong>für</strong>, den Prozess als neosozial<br />

zu bezeichnen, da er im Wesentlichen auf eine Neudefinition<br />

des Sozialen zielt. So berechtigt der Einwand sein mag, so<br />

übersieht er eventuell, dass der Abbau von Staatstätigkeit<br />

zwar zum ideologischen Gebäude des Neoliberalismus gehört,<br />

er aber in der Realität immer Verlagerung (zum Beispiel vom<br />

Sozial- in das Justiz- und Strafrechtssystem wie in den USA)<br />

praktiziert, wie Naomi Klein dies in ihrer internationalen Studie<br />

eindrucksvoll nachgezeichnet hat (vgl. Klein, N. (2007): <strong>Die</strong><br />

Schockstrategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus).<br />

13 Vgl. Bröckling, U. (2007): Das unternehmerische Selbst.<br />

Soziologie einer Subjektivierungsform.<br />

14 Vgl. dazu ausführlich Galuske, M. (2007): Case Management<br />

und aktivierender Sozialstaat. Kritische Anmerkungen zu einer<br />

Erfolgsgeschichte; in: Soziale Arbeit 11+12/2007, S. 409–417.<br />

Wenn im Folgenden die Pädagogik des aktivierenden Sozialstaats<br />

am Beispiel der Hartz-Gesetze und ihres Umgangs mit<br />

arbeitslosen <strong>Jugendliche</strong>n rekonstruiert wird, so geschieht<br />

dies vor allem im Hinblick auf die Strukturen und Philosophien<br />

der (pädagogischen) Programme und Angebote, weniger aus<br />

der Perspektive ihrer (Aus-)Wirkungen auf die Betroffenen, weil<br />

in diesem Punkt verlässliche Studien bislang fehlen.<br />

51


52<br />

<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />

mehr zur Illusion wird. 15 Hartz IV steht <strong>für</strong> eine<br />

neue Klasse, die ›Hartz-IV-Klasse‹ 16 , die neue<br />

soziale Unterschicht, das ›abgehängte Prekariat‹,<br />

das nicht mehr am wachsenden Reichtum<br />

der Gesellschaft partizipiert, sondern sich<br />

dauerhaft in den Randzonen der Unsicherheit<br />

einrichten muss. Hartz IV steht darüber hinaus<br />

da<strong>für</strong>, dass der sozialpolitische Wind im Lande<br />

kälter geworden ist: Arbeitslose sollen sich<br />

nicht mehr in der sozialen Hängematte zur<br />

Ruhe legen, sondern sie sollen sich angespornt<br />

durch eine minimalste Absicherung und<br />

angetrieben durch die neue, radikalisierte<br />

›Fördern-und-Fordern‹-Philosophie in Bewegung<br />

halten und sich den ständig wechselnden<br />

Erfordernissen der Märkte stellen.<br />

In der Tat repräsentieren die Hartz-Gesetze<br />

in idealtypischer Form die Philosophie des<br />

neuen, aktivierenden Sozialstaats, der sich<br />

weltweit als Antwort auf die Herausforderungen<br />

der globalisierten Moderne durchgesetzt<br />

hat. <strong>Die</strong> den Modernisierungsprozess prägende<br />

Ideologie basiert im Wesentlichen auf<br />

zwei aufeinander bezogenen Prinzipien: mehr<br />

Markt und mehr Eigenverantwortung. So ist<br />

die unhinterfragte Basisideologie die, dass<br />

der Markt das grundsätzlich leistungsfähigere<br />

Steuerungsinstrument ist, egal ob es sich um<br />

die Organisation der Familie, eines Altenheimes,<br />

einer Kommune oder einer Imbissbude<br />

handelt. Konkurrenz, und sei sie inszeniert,<br />

fördert die Effizienz und Leistungsfähigkeit bei<br />

der Anfertigung eines Personalausweises, bei<br />

der Inhaftierung eines Strafgefangenen sowie<br />

bei der Beratung von Arbeitslosen. 17 Lebenszusammenhänge,<br />

Organisationen, Probleme,<br />

Handlungen, Übergänge und so weiter müssen<br />

folgerichtig ›gemanagt‹ werden. So werden<br />

die ›Hausfrau‹ zur ›Familienmanagerin‹,<br />

die Bundeskanzlerin zur Vorstandsvorsitzenden<br />

der Deutschland-AG und die sozialpädagogische<br />

Einzelfallhilfe zum Fallmanagement.<br />

Um in dieser Marktgesellschaft mehr oder<br />

minder gedeihlich zu überleben, bedarf es<br />

allerdings einer neuen Haltung der Menschen,<br />

einer Abkehr von der ›Vollkaskomentalität‹ des<br />

gewährleistenden Sozialstaats und der Stärkung<br />

der Eigenverantwortung des Einzelnen. 18<br />

Das neue Leitbild des aktivierenden Staates<br />

zielt darauf ab, die Subjekte mit dem nötigen<br />

Startkapital in Form von ›Bildungsgütern‹<br />

auszustatten und er ›fördert und fordert‹<br />

vor allem diejenigen, die beim Marktspiel nicht<br />

in der ersten Reihe stehen.<br />

15 Ulrich Beck betont in diesem Sinne zusammenfassend: ›Das Herausragende<br />

ist vielmehr die Ausbreitung des Prekären, Diskontinuierlichen,<br />

Flockigen, Informellen hinter den Fassaden der<br />

immer gespenstischer werdenden offiziellen Beschäftigungsstatistik.<br />

Im Zentrum Deutschlands breitet sich ein sozialstruktureller<br />

Flickenteppich aus, will sagen: die Vielfalt, Unübersichtlichkeit<br />

und Unsicherheit von Arbeits-, Biographie- und Lebensformen,<br />

wie sie <strong>für</strong> den südlichen Teil unseres Globus charakteristisch<br />

ist. Sind in Brasilien ambulante Verkäufer, Kleinhändler, Kleinhandwerker,<br />

<strong>Die</strong>nstboten aller Art typisch, sind es bei uns<br />

Arbeits-Nomaden, die zwischen verschiedenen Tätigkeiten,<br />

Beschäftigungsformen und Ausbildungen hin und her pendeln.‹<br />

Beck, U. (2005): a.a.O., S. 33. Vergleiche dazu die Befunde der<br />

vorliegenden Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung.<br />

Darüber hinaus Lessenich, S./Nullmeier, F. (2006):<br />

Deutschland – eine gespaltene Gesellschaft; Klinger, N./König, J.<br />

(2006): Einfach abgehängt. Ein wahrer Bericht über die neue<br />

Armut in Deutschland; Bude, H./Willisch, A. (2008): Exklusion.<br />

<strong>Die</strong> Debatte über die ›Überflüssigen‹.<br />

16 Klinger, N./König, J. (2006): a.a.O., S. 113.<br />

17 ›Der Neoliberalismus ersetzt ein begrenzendes und äußerliches<br />

durch ein regulatorisches und inneres Prinzip: Es ist die Form<br />

des Marktes, die als Organisationsprinzip des Staates und der<br />

Gesellschaft dient.‹ Lemke, T./Krasmann, S./Bröckling, U.<br />

(2000): Gouvernementalität, Neoliberalismus und Selbsttechnologien.<br />

Eine Einleitung, S. 15; in: Bröckling, U./Krasmann,<br />

S./Lemke, T. (Hrsg.) (2000): Gouvernementalität der Gegenwart.<br />

Studien zur Ökonomisierung des Sozialen.<br />

18 ›Sozialpolitik (so Heribert Prantl) war der Tribut, den das Kapital<br />

im Interesse möglichst reibungslosen Wirtschaftens über hundert<br />

Jahre lang nolens volens zu entrichten bereit war. Weil heute der<br />

Gegner keine Kraft mehr hat, ist es damit vorbei. Es heißt jetzt<br />

Eigenverantwortung, wenn die Schwächeren sich selbst überlassen<br />

bleiben.‹ Prantl, H. (2005): Kein schöner Land. <strong>Die</strong> Zerstörung<br />

der sozialen Gerechtigkeit, S. 18. Peter Bofinger betont<br />

in diesem Sinne: ›Und da Sozialabbau nicht besonders gut<br />

klingt, spricht man heute gern davon, dass die Eigenverantwortung<br />

gestärkt werden muss.‹ Bofinger, P. (2006):<br />

Wir sind besser, als wir glauben. Wohlstand <strong>für</strong> alle, S. 15.


Ansonsten ist entscheidend, wie der Einzelne<br />

seine Verantwortung wahrnimmt und sich<br />

auf dem Markt behauptet. 19 Dahinter verbirgt<br />

sich ein neues Menschen- und Leitbild: <strong>Die</strong><br />

Subjekte sollen sich wie Unternehmer verhalten,<br />

stets bedacht auf die optimale Pflege der<br />

eigenen Marktgängigkeit und den Abbau von<br />

Markt- und Mobilitätshemmnissen. 20<br />

Der Anspruch einer gesteigerten Selbstverantwortung<br />

wird nirgendwo deutlicher als im<br />

Zentralbegriff der Aktivierung. Sozialpolitische<br />

Maßnahmen sollen nicht mehr Untätigkeit<br />

absichern, sondern, so der Kern des Aktivierungsbegriffes,<br />

die Menschen fördern und<br />

fordern, sich besser auf die Erfordernisse des<br />

Arbeitsmarktes einstellen zu können, um<br />

perspektivisch ein selbständiges Leben führen<br />

zu können. <strong>Die</strong>ser Kerngedanke des aktivierenden<br />

Sozialstaats wird nirgends deutlicher<br />

als in den Regelungen zur Grundsicherung <strong>für</strong><br />

Arbeitsuchende. Demnach sind Arbeitsuchende<br />

bei Androhung von Sanktionen in Form<br />

von Leistungskürzungen und Sperrzeiten dazu<br />

verpflichtet, ihre Beziehungs-, Wohn- und finanziellen<br />

Verhältnisse offenzulegen, sich permanent<br />

nachweislich um eine Beschäftigung<br />

zu bemühen, wobei (fast) jede Beschäftigung<br />

zumutbar ist. Sie müssen jedes angebotene<br />

Qualifizierungs- oder Beschäftigungsangebot<br />

annehmen, einen Eingliederungsvertrag abschließen<br />

(sonst kann er als Verwaltungsakt<br />

erlassen werden) und sich nachweislich an<br />

die dort getroffenen Vereinbarungen halten.<br />

Anhand der Regelungen zur Grundsicherung<br />

<strong>für</strong> Arbeitsuchende lassen sich drei Strukturprinzipien<br />

des Aktivierungsgedankens veranschaulichen:<br />

Erstens sind die Hartz-Gesetze prototypisch<br />

<strong>für</strong> den Wandel von ›welfare‹ zu ›workfare‹,<br />

das heißt zu einem sozialpolitischen Modell,<br />

das nicht die selbstverständliche Sicherung<br />

eines Minimums an soziokultureller Teilhabe<br />

ins Zentrum der Bemühungen stellt, sondern<br />

die Förderung der Arbeitsfähigkeit, der<br />

›employability‹ der Bürger. ›Aktivierungspolitik<br />

und investive Sozialpolitik sind Strategien zur<br />

Herstellung beziehungsweise Wiederherstellung<br />

individueller Wettbewerbsfähigkeit und<br />

deshalb spricht man auch verschiedentlich<br />

offen davon, dass das alte Sozialstaatspostulat<br />

von der ›Hilfe zur Selbsthilfe‹ zu ersetzen<br />

sei durch das neue Sozialstaatspostulat ›Hilfe<br />

im Wettbewerb‹.‹ 21 <strong>Die</strong> Erzeugung von Humankapital<br />

wird zum Kern aller sozialpolitischen<br />

Bemühungen des aktivierenden Staates und<br />

zum alleinigen Erfolgsindikator vom Kindergarten<br />

über <strong>Schule</strong> und Universität bis hin zur<br />

Arbeitsförderung.<br />

Zweitens zeigen die Hartz-Gesetze nachdrücklich,<br />

dass die Strategien des aktivierenden<br />

Sozialstaats in erster Linie verhaltensund<br />

nicht verhältnisorientiert sind. Nicht<br />

(Arbeits-)Märkte werden reguliert, sondern die<br />

Menschen sollen fit gemacht werden <strong>für</strong> den<br />

Wettbewerb, <strong>für</strong> das Ergebnis sind sie letztlich<br />

allein verantwortlich – im Erfolg wie im Scheitern.<br />

Deswegen verlagern sich die Aktivitäten<br />

des Sozialstaats von der materiellen Unterstützung<br />

hin zur personenbezogenen <strong>Die</strong>nstleistung.<br />

19 Der ehemalige Arbeits- und Sozialminister der Kohl-Regierung,<br />

Norbert Blüm, hat die Koordinaten des neuen, aktivierenden<br />

Gesellschaftsmodells anschaulich zusammengefasst: ›Wir haben<br />

es mit einer Wirtschaft zu tun, die sich anschickt, totalitär zu<br />

werden, weil sie alles unter den Befehl einer ökonomischen Ratio<br />

zu zwingen sucht. (…) Aus Marktwirtschaft soll Marktgesellschaft<br />

werden. (…) Er erobert nicht mehr Gebiete, sondern macht sich<br />

auf, Hirn und Herz der Menschen einzunehmen. Sein Besatzungsregime<br />

verzichtet auf körperliche Gewalt und besetzt die Zentralen<br />

der Innensteuerung des Menschen. (…) Aus der menschlichen<br />

Person wird eine ›Ich-AG‹, aus Bildung ›Humankapital‹.<br />

Was sich nicht in ökonomischer Terminologie ausdrücken lässt,<br />

gibt es nicht mehr.‹ Blüm, N. (2006): Gerechtigkeit. Eine Kritik<br />

des Homo oeconomicus, S. 81.<br />

20 Vgl. Bröckling, U. (2007): a.a.O.<br />

In den Worten der Grundwertekommission der SPD: ›Der Staat<br />

schafft die Rahmenbedingungen, deren faire Chancen dann die<br />

Bürger in individueller Verantwortung wahrnehmen sollen. Danach<br />

gilt <strong>für</strong> die Verteilung das (meritokratische) Prinzip des Marktes‹.<br />

Grundwertekommission beim Parteivorstand der SPD (1999):<br />

Dritte Wege – Neue Mitte, sozialdemokratische Markierungen <strong>für</strong><br />

Reformpolitik im Zeitalter der Globalisierung, S. 11.<br />

21 Dahme, H.J./Wohlfahrt, N. (2005): Sozialinvestitionen. Zur Selektivität<br />

der neuen Sozialpolitik und den Folgen <strong>für</strong> die Soziale<br />

Arbeit, S. 13; in: Dahme, H.J./Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Aktivierende<br />

Soziale Arbeit.<br />

53


54<br />

<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />

Hier schlägt das Herz des aktivierenden<br />

Staates, sein ›pädagogisches Programm‹, die<br />

Formung der Menschen nach den Erfordernissen<br />

der Ökonomie durch Prävention,<br />

Bildung, Qualifizierung, Beratung und Betreuung.<br />

22 Auf diesem Hintergrund erklärt sich<br />

auch die geradezu wundersame Karriere der<br />

Bildung im öffentlichen und politischen Diskurs<br />

der letzten Jahre. Oder wie es Angela Merkel<br />

in ihrer Regierungserklärung vom 16.09.2008<br />

formulierte: ›Es geht um die Zukunft der<br />

Menschen in unserem Land; denn Bildung <strong>für</strong><br />

alle ist die entscheidende Voraussetzung <strong>für</strong><br />

Einstieg in Arbeit und Aufstieg durch Arbeit,<br />

und zwar <strong>für</strong> jeden, der in diesem Land lebt,<br />

egal, aus welchem Elternhaus er kommt. (…)<br />

Einfach mehr Geld umzuverteilen, schafft<br />

nämlich Abhängigkeit vom Staat und zementiert<br />

die Menschen in ihrer Situation, die heute<br />

nicht das schaffen können, was sie wollen.<br />

Bildung <strong>für</strong> alle ermöglicht es dagegen allen,<br />

sich eigenen Wohlstand zu erarbeiten. Daraus<br />

folgt, in einem Satz gesagt: <strong>Die</strong> Bildungsrepublik<br />

ist der beste Sozialstaat.‹ 23 Ob Prävention<br />

oder Intervention, ob Fettleibigkeit oder<br />

Arbeitslosigkeit, das Allheilmittel scheint<br />

gefunden: <strong>Die</strong> ›Bildung‹ des Einzelnen.<br />

<strong>Die</strong> Kehrseite der Förderung ist allerdings<br />

die Forderung, die insbesondere dort zum Tragen<br />

kommt, wo der Einzelne die als erwartbar<br />

geltenden Anforderungen nicht erfüllt. Drittens<br />

ist deshalb der aktivierende Sozialstaat durch<br />

eine zunehmende Paternalisierung gekennzeichnet,<br />

das heißt durch eine sanktionsflankierte<br />

Verknüpfung von Rechten und Pflichten,<br />

wie sie auch und gerade die Regelungen der<br />

Grundsicherung <strong>für</strong> Arbeitsuchende kennzeichnet,<br />

auf die noch einzugehen sein wird. <strong>Die</strong><br />

neue Kontroll- und Sanktionsorientierung des<br />

Sozialstaates, die sich in seiner präventiven<br />

Grundhaltung ebenso manifestiert, wie im<br />

Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in Rufen<br />

nach geschlossener Unterbringung und härteren<br />

Strafen <strong>für</strong> jugendliche Rechtsbrecher 24 ,<br />

beschert auch der Pädagogik längst überwunden<br />

geglaubte Debatten über das ›Lob der<br />

Disziplin‹ 25 und ähnliche Irrwege. Anders ausgedrückt:<br />

<strong>Die</strong> Soziale Arbeit erlebt ein kaum<br />

<strong>für</strong> möglich gehaltenes Comeback der ›<strong>für</strong>sorglichen<br />

Belagerung‹ als methodisches Prinzip,<br />

das von der Politik eingefordert wird. 26<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass<br />

der aktivierende Sozialstaat ein durch und<br />

durch pädagogisches Programm präsentiert,<br />

dass die Lösung der Gegenwarts- und<br />

Zukunftsfragen der globalen Arbeitsgesellschaft<br />

in der verbesserten Subjektausstattung<br />

findet, zur Not mit Zwang, Druck und Sanktionen.<br />

Olaf Behrend hat in diesem Sinne die<br />

Typik des Umgangs mit Arbeitslosen unter<br />

der Ägide der Hartz-Reformen beschrieben als<br />

›fallspezifische Durchsetzung der standardisierten<br />

Verfahrensweisen und der verschärften<br />

Gangart der Kontrolle und Durchsetzung von<br />

Motivation und Akzeptanz von Arbeit jeglicher<br />

Art. Das Handlungsprogramm weiß immer<br />

schon, was der ›Kunde‹ will, der Vermittler<br />

muss jedem ›Kunden nur noch klar machen,<br />

dass er es auch will‹. 27<br />

Im Folgenden gilt es diese Merkmale am<br />

Beispiel des Umgangs mit arbeitslosen<br />

<strong>Jugendliche</strong>n zu konkretisieren.<br />

22 Gabrielle Gillen spricht noch etwas deutlicher von der<br />

›Abrichtung des Volkes auf die Bedürfnisse der Wirtschaft‹.<br />

Gillen, G. (2004): Hartz IV. Eine Abrechnung, S. 85.<br />

23 Dass der aktuelle Bildungsbegriff außer der Worthülse nichts<br />

mehr mit seinem traditionellen Gehalt, nämlich der Förderung<br />

der individuellen Kraft und Selbstständigkeit der Subjekte zu tun<br />

hat, sei an dieser Stelle nur erwähnt. Vgl. dazu ausführlich<br />

Liessmann, K.P. (2006): Theorie der Unbildung.<br />

24 Vgl. Brumlik, M. (2008): Ab nach Sibirien? Wie gefährlich ist<br />

unsere Jugend?<br />

25 Vgl. kritisch Brumlik, M. (Hrsg.) (2007): Vom Missbrauch der<br />

Disziplin: Antworten der Wissenschaften auf Bernhard Bueb.<br />

26 So forderte etwa der aktuelle nordrhein-westfälische Arbeitsminister<br />

Karl-Josef Laumann in einem Thesenpapier <strong>für</strong> die CDU-<br />

Fraktion aus dem Jahr 2001, dass sozialarbeiterische Unterstützung<br />

von Arbeitslosen als eine Art ›<strong>für</strong>sorgliche Belagerung‹<br />

organisiert werden müsse, um zu verhindern, dass sich Menschen<br />

dauerhaft in der Sozialhilfe einrichten (vgl. Kessel, F.<br />

(2005): Soziale Arbeit als aktivierungspädagogischer Transformationsriemen,<br />

S. 35; in: Dahme, H.J./Wohlfahrt, N. (Hrsg.)<br />

(2005): Aktivierende Soziale Arbeit) – und schon hat sich eine<br />

ehemals kritisch-analytische Kategorie zur Programmformel<br />

entwickelt.<br />

27 Behrend, O. (2007): ›... das geht zu Lasten eigener Emotionalität‹<br />

– Instrumente zur Kundensteuerung in Arbeitsverwaltungen<br />

aus Sicht von Arbeitsvermittlern, S. 115; in: Ludwig-Mayerhofer,<br />

W./Behrend, O./Sondermann, A. (Hrsg.): Fallverstehen und Deutungsmacht.<br />

Akteure in der Sozialverwaltung und ihre Klienten.


3.3 Hartz IV und die Jugend<br />

Nach Maßgabe des SGB II gilt als erwerbsfähiger<br />

Hilfebedürftiger, wer älter als 15 Jahre<br />

ist und mindestens drei Stunden täglich einer<br />

Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Im Jahr<br />

2007 waren demnach rund eine Million<br />

Empfänger von Grundsicherung im Alter von<br />

15 bis 24 Jahren, mithin fast jeder fünfte<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige im Rechtskreis<br />

des SGB II, davon war circa ein Drittel arbeitslos<br />

gemeldet.<br />

Zunächst unterliegen <strong>Jugendliche</strong> und<br />

Heranwachsende im Rechtskreis des SGB II<br />

denselben Pflichten wie alle erwerbsfähigen<br />

Hilfesuchenden: Sie müssen ihre persönlichen<br />

Lebensverhältnisse offenlegen, sich in ausreichendem<br />

Maße bemühen, den Zustand der<br />

Arbeitslosigkeit zu überwinden (zum Beispiel<br />

durch dokumentierte Bewerbungen, Teilnahme<br />

an Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsgelegenheiten<br />

et cetera) und den Vorgaben und<br />

Absprachen unverzüglich nachkommen.<br />

<strong>Jugendliche</strong> und Heranwachsende sind allerdings<br />

eine Zielgruppe, die von den Hartz-<br />

Gesetzen in besonderer Weise ins Visier<br />

genommen wird. So bestimmt § 3Absatz 2<br />

SGB II ›erwerbsfähige Hilfebedürftige, die das<br />

25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,<br />

sind unverzüglich nach Antragstellung auf<br />

Leistungen nach diesem Buch in eine Arbeit,<br />

eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit<br />

zu vermitteln.‹ <strong>Die</strong> Job-Center unterliegen<br />

mithin in Bezug auf <strong>Jugendliche</strong> und Heranwachsende<br />

einem Vermittlungsdiktat. ›<strong>Die</strong> Vorschrift<br />

zwingt das Job-Center, ohne vermeidbaren<br />

Zeitverzug irgendwas – also Ausbildung,<br />

Arbeit oder zumindest eine Arbeitsgelegenheit<br />

– in jedem Einzelfall anzubieten, sie stellt<br />

somit eine unbedingte Handlungs- beziehungsweise<br />

Aufgabenverpflichtung dar.‹ 28<br />

Konkret bedeutet ›unverzüglich‹ nach<br />

Vorgaben der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA),<br />

dass die Erstberatung eines arbeitslosen<br />

<strong>Jugendliche</strong>n mit Profiling innerhalb von einer<br />

Woche nach Antragstellung erfolgen soll, der<br />

Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung<br />

innerhalb von drei Wochen nach Antragstellung<br />

sowie ein konkretes Angebot an Arbeit,<br />

Arbeitsgelegenheit oder Qualifizierung innerhalb<br />

von vier Wochen nach Abschluss der<br />

Eingliederungsvereinbarung. 29 Politisches Ziel<br />

ist es, dass jeder <strong>Jugendliche</strong> innerhalb von<br />

drei Monaten in irgendeiner Art und Weise<br />

›versorgt‹ sein soll oder anders ausgedrückt:<br />

Er soll nicht länger als drei Monate untätig<br />

herumsitzen und ›Stütze‹ beziehen, was in der<br />

Realität fast erreicht wurde. Nach Angaben<br />

der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit sank die durchschnittliche<br />

Dauer der Arbeitslosigkeit bei<br />

15- bis 24-Jährigen von 4,5 Monate auf 3,9<br />

Monate im Jahr 2007. 30<br />

Wie gestaltet sich nun der Prozess der<br />

Fallbearbeitung bei <strong>Jugendliche</strong>n konkret?<br />

Eine erste Neuerung ist die, dass der<br />

Prozess der Fallbearbeitung einer Standardisierung<br />

unterworfen wird. Der Leitfaden der<br />

Projektgruppe <strong>Jugendliche</strong> gibt Handlungsanweisungen<br />

und -hilfen <strong>für</strong> die persönlichen<br />

Ansprechpartner der arbeitslosen <strong>Jugendliche</strong>n.<br />

Er gliedert den Hilfeprozess in drei<br />

Phasen mit je spezifischen Zielsetzungen:<br />

›1. Kundengruppendifferenzierung auf der<br />

Basis einer fundierten Standortbestimmung;<br />

2. daraus abgeleitet die Feststellung des<br />

spezifischen Unterstützungsbedarfs des<br />

<strong>Jugendliche</strong>n zur Entwicklung individueller<br />

Integrationsstrategien, die in der Eingliederungsvereinbarung<br />

<strong>für</strong> beide Seiten<br />

verbindlich festgelegt werden;<br />

3. Erfolgsbeobachtung und operative<br />

Steuerung vor Ort durch regelmäßige<br />

Analyse wesentlicher Prozesskennzahlen.‹ 31<br />

28 Rietzke, T. (2006): Jugendberufshilfe und Hartz. Anmerkungen<br />

zu den Auswirkungen aktivierender Arbeitsmarktpolitik auf die<br />

Praxis der Jugendberufshilfe, S. 197; in: Schweppe C./Sting, S.<br />

(Hrsg.): Sozialpädagogik im Übergang.<br />

29 Vgl. Poetzsch, J. (2006): Auswirkungen von Hartz IV auf benachteiligte<br />

<strong>Jugendliche</strong>, S. 16; in: E&C Fachforum: Kinder- und<br />

Jugendhilfe im Prozess der Arbeitsmarktreform. Dokumentation<br />

der Veranstaltung vom 16. und 17. Februar 2006.<br />

30 Vgl. Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (2008): SGB II. Jahresbericht<br />

2007, S. 12.<br />

31 Vgl. Projektgruppe <strong>Jugendliche</strong> (o.J.): Leitfaden <strong>für</strong> arbeitsuchende<br />

<strong>Jugendliche</strong> unter 25 Jahren im Rechtskreis des SGB II, S. 2.<br />

www.harald-thome.de/media/files/SGB ProzentII<br />

Prozent20DA/Leitfaden_<strong>Jugendliche</strong>.pdf<br />

55


56<br />

<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />

Zu 1:<br />

Ausgangspunkt des Hilfeprozesses ist<br />

mithin eine ›Standortbestimmung‹ oder neudeutsch<br />

ein ›profiling‹ des Klienten, eine<br />

Bestandsaufnahme der Stärken, aber auch<br />

der Hürden auf dem Weg in eine Beschäftigung.<br />

›Um Strategien einzusetzen, die im weitesten<br />

Sinne die Veränderung von Dispositionen,<br />

Einstellungen und Verhaltensweisen von<br />

Personen zum Ziel haben, muss zuvor<br />

definiert sein, welche die zu bearbeitenden<br />

Probleme auf der Ebene von Individuen sind.<br />

Daraus leitet sich dann ab, wer, mit welchen<br />

Mitteln, welche Ziele erreichen kann – und<br />

soll.‹ 32 Zu diesem Zweck werden die <strong>Jugendliche</strong>n<br />

auf der Basis von Einschätzungshilfen<br />

und Profilingbögen in vier Dimensionen<br />

analysiert 33 , wobei die Dimensionen<br />

1. Fähigkeiten/Qualifikationen (Frage:<br />

Besteht Handlungsbedarf in Hinblick auf die<br />

Qualifikationen des <strong>Jugendliche</strong>n einschließlich<br />

der Sprachkompetenz Deutsch?<br />

Fehlt die Berufspraxis?) und<br />

2. berufsbezogene Hemmnisse/sozialer<br />

Kontext (Frage: Welche objektiven Hemmnisse<br />

reduzieren die Arbeitsmarktchancen,<br />

zum Beispiel fehlende Mobilität, hohe<br />

Verschuldung?)<br />

der Ebene des Förderns zugeordnet werden,<br />

die Dimensionen<br />

3. Engagement/Motivation/Einstellungen<br />

(Frage: Besteht Handlungsbedarf in Hinblick<br />

auf die Bereitschaft des <strong>Jugendliche</strong>n,<br />

sich aktiv im Integrationsprozess zu<br />

beteiligen?) und<br />

4. spezifische Arbeitsbedingungen (Frage:<br />

Wie ist die Arbeitsmarktsituation im Zielberuf<br />

beziehungsweise in den Zielberufen?)<br />

der Ebene des Forderns.<br />

Ziel der Ermittlung in den vier Dimensionen<br />

ist eine Einteilung der Klienten in Fallgruppen<br />

mit je unterschiedlichem Bedarf an Förderung<br />

und Forderung. Als Fallgruppen werden<br />

unterschieden: 34<br />

Marktkunden ohne Handlungsbedarf mit<br />

hohen Integrationschancen;<br />

Beratungskunden ›aktivieren‹ mit einem<br />

›Problem‹ in den Dimensionen 2, 3 oder 4,<br />

deren Integrationschancen ›durch Perspektiven-/Einstellungsänderung<br />

des <strong>Jugendliche</strong>n<br />

und/oder Abbau von Beschäftigungshürden)<br />

erhöht werden können;<br />

Beratungskunden ›fördern‹ mit einem<br />

›Problem‹ in den Dimensionen 1 oder 2,<br />

deren Integrationschancen durch Qualifizierung<br />

und/oder den Abbau von Beschäftigungshürden<br />

erhöht werden kann und<br />

Betreuungskunden ›mit Handlungsbedarf<br />

in mehreren Dimensionen und geringen<br />

Integrationschancen.<br />

Sinn und Zweck dieses standardisierten Verfahrens<br />

der Eingangsanalyse ist eine Rationalisierung<br />

und Effektivierung der passgenauen<br />

Zuordnung von Hilfen (auch ›Produkte‹<br />

genannt) zu spezifischen Bedarfslagen, sein<br />

Effekt <strong>für</strong> die ›Kunden‹ ist zunächst ein selektiver:<br />

Je nach Zuordnung zu unterschiedlichen<br />

›Kundengruppen‹ sind ihnen bestimmte Hilfen<br />

und Unterstützungen zugänglich, andere<br />

hingegen nicht – doch dazu später. Der Prozess<br />

des Profilings weist dabei alle Insignien<br />

eines klassischen Diagnoseprozesses auf:<br />

32 Polutta, A. (2005): Passgenaue Integrationsstrategien.<br />

Was die reformierten arbeitsmarktpolitischen Instrumente in den<br />

Blick nehmen; in: Sozial Extra, Heft 5/2005, S. 24.<br />

33 Vgl. Projektgruppe <strong>Jugendliche</strong> (o.J.): a.a.O., S. 4 und Polutta,<br />

A. (2005): a.a.O., S. 25.<br />

34 Vgl. Projektgruppe <strong>Jugendliche</strong> (o.J.): a.a.O., S. 4 f.


Ein mit entsprechender Macht ausgestatteter<br />

Fachmann diagnostiziert und klassifiziert einen<br />

›Laien‹ auf der Basis einer (standardisierten)<br />

Anamnese, ein Modell, das in der Sozialen<br />

Arbeit in den letzten Jahren zwar wieder an<br />

Popularität gewonnen hat, sich gleichwohl der<br />

fachlichen Kritik aussetzen muss, dass die<br />

Entwicklung tragfähiger Hilfebeziehungen in<br />

psychosozialen Unterstützungsprozessen<br />

einer gemeinsam erarbeiteten und getragenen<br />

Problemdefinition bedarf – in Abgrenzung<br />

etwa zu ärztlichen Diagnosen, die selten das<br />

Produkt der Aushandlung von Patient und Arzt<br />

sind. Im vorliegenden Fall sind die Machtverhältnisse<br />

klar: Der persönliche Ansprechpartner<br />

besitzt die Definitionsmacht. 35<br />

Zu 2.:<br />

Ist der Kunde in seine Gruppe eingeordnet,<br />

so erfolgt der zweite Schritt, der Abschluss<br />

einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15<br />

SGB II, in der auf der Basis des Profilings<br />

Leistungen und Forderungen an den Kunden<br />

festgehalten werden. <strong>Die</strong> Eingliederungsvereinbarung<br />

wird <strong>für</strong> sechs Monate geschlossen<br />

und danach gegebenenfalls erneuert. Sie<br />

umfasst Leistungen der BA, Pflichten des Kunden<br />

und gegebenenfalls auch Hinweise auf<br />

Schadensersatzforderungen bei nicht Beenden<br />

einer vereinbarten Leistung (§ 15 Absatz 3<br />

SGB II). Der sich schon im Profiling andeutende<br />

hoheitliche Charakter der ›Beratung‹ im<br />

SGB II bestätigt sich hinsichtlich der Eingliederungsvereinbarung,<br />

die im Falle des Widerstands<br />

des Kunden von der BA als Verwaltungsakt<br />

erlassen werden kann und <strong>für</strong> den<br />

Kunden verbindlich ist – insofern er wert<br />

darauf legt beziehungsweise angewiesen ist<br />

auf eine weitere (finanzielle) Unterstützung.<br />

Doch welche fördernden Leistungen<br />

offeriert SGB II <strong>für</strong> die <strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden?<br />

In der Tat ist zu belegen, dass<br />

<strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden die Segnungen<br />

der Hartz-Gesetze in ganz besonderer<br />

Weise zuteilwerden. So lag die Arbeitslosenquote<br />

bei den unter 24-Jährigen im September<br />

2007 bei 8,8 Prozent, ihr Anteil bei den Nutzerinnen<br />

und Nutzern arbeitsmarktpolitischer<br />

Maßnahmen liegt hingegen bei 24,5 Prozent. 36<br />

Mithin richtet sich jede vierte arbeitsmarktpolitische<br />

Maßnahme an <strong>Jugendliche</strong> und Heran-<br />

wachsende. Dem entspricht, dass 2007 die<br />

Aktivierungsquote bei 15- bis 24-Jährigen mit<br />

38,5 Prozent deutlich höher lag als im<br />

Durchschnitt aller erwerbsfähiger Hilfebedürftiger,<br />

der bei 22,7 Prozent lag.<br />

In Bezug auf die Frage, in welche Maßnahmen<br />

<strong>Jugendliche</strong> vermittelt werden, stellt<br />

Senius von der BA fest: ›<strong>Die</strong> Förderstruktur,<br />

der Maßnahmenmix, liegt in der Verantwortung<br />

der ARGE vor Ort. Von den 160.000 <strong>Jugendliche</strong>n,<br />

die sich im Juni 2006 in Maßnahmen<br />

aktiver Arbeitsmarktpolitik befanden, waren<br />

mehr als ein Drittel in Arbeitsgelegenheiten,<br />

ein weiterer hoher Anteil betraf Maßnahmen im<br />

Bereich der sonstigen Leistungen (22 Prozent),<br />

Maßnahmen der Berufsberatung und<br />

Förderung der Ausbildung (15 Prozent), Maßnahmen<br />

zur Verbesserung auf dem ersten<br />

Arbeitsmarkt (18 Prozent), Einstiegsgeld und<br />

Eingliederungszuschüsse (8 Prozent). <strong>Die</strong><br />

Struktur des Angebots spiegelt die Struktur<br />

der Leistungsempfänger unter 25 Jahren im<br />

SGB II wider. Ein Großteil der Klienten ist<br />

demnach nicht ausbildungsreif und auch nicht<br />

direkt in den ersten Arbeitsmarkt integrierbar.‹<br />

37 Unabhängig von der letzten Feststellung,<br />

die quasi im Umkehrschluss die Rationalität<br />

des Verfahrens und die Logik der Maßnahmezuweisung<br />

legitimiert, ist zunächst einmal<br />

festzuhalten, dass das bevorzugte Instrument<br />

der Förderung von <strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden<br />

die Arbeitsgelegenheiten – im<br />

Volksmund Ein-Euro-Jobs genannt – sind, was<br />

schon überrascht, da diese vom Gesetzgeber<br />

eher als letztes Mittel der Wahl vorgesehen<br />

waren.<br />

35 Nach dem derzeit diskutierten Referentenentwurf zur Neuausrichtung<br />

der arbeitsmarktpolitischen Instrumente soll das<br />

Verfahren des Profilings und der Eingliederungsvereinbarung<br />

demnächst auch im Rechtskreis des SGB III verbindlich werden.<br />

Vgl. Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit (13.06.2008):<br />

Stellungnahme Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung<br />

der arbeitsmarktpolitischen Instrumente – Stellungnahme<br />

zum Gesetzentwurf, insbesondere zu den wesentlichen Neuregelungen<br />

<strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> im SGB II und SGB III, 13.06.2008.<br />

36 Vgl. Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (2008): a.a.O., S. 45.<br />

37 Senius, K. (2007): Hartz IV und die Arbeit mit <strong>Jugendliche</strong>n unter<br />

25, S. 10; in: Friedrich-Ebert-Stiftung: Jugendarbeitslosigkeit:<br />

<strong>Jugendliche</strong> und Hartz IV: Was macht das Fördern?<br />

57


58<br />

<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />

Nach Poetzsch von der Bundesagentur <strong>für</strong><br />

Arbeit ist ›festgelegt, dass Ausbildung und<br />

Qualifizierung Vorrang vor ungelernter Tätigkeit<br />

haben – eine Arbeitsgelegenheit kann in<br />

diesem Zusammenhang nur das letzte Mittel<br />

der Wahl in der Integrationsarbeit mit <strong>Jugendliche</strong>n<br />

sein‹. 38 Von dieser Verpflichtung scheinen<br />

die Fallmanager vor Ort allerdings nicht allzu<br />

viel mitbekommen zu haben. Sie würde allerdings<br />

Sinn machen, da eine Studie des Deutschen<br />

Jugendinstituts belegt, dass nur jede<br />

dritte Arbeitsgelegenheit <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> einen<br />

Qualifikationsanteil beinhaltet 39 , weshalb der<br />

Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit<br />

fordert: ›<strong>Die</strong> bisherige Praxis, <strong>Jugendliche</strong><br />

ohne Ausbildungschancen quasi automatisch<br />

in Arbeitsgelegenheiten zu vermitteln, sollte<br />

in jedem Fall unterbunden werden.‹ 40 Darüber<br />

hinaus eröffnen Arbeitsgelegenheiten in<br />

der Mehraufwandsvariante mit einer Eingliederungsquote<br />

von 16 Prozent die deutlich<br />

geringsten Chancen auf eine Integration in<br />

den Arbeitsmarkt. 41<br />

Zu 3.:<br />

Das Fördern ist aber bekanntlich nur die<br />

eine Seite der Hartz-Medaille. § 2 SGB II<br />

formuliert im Absatz 1 den Grundsatz des Forderns,<br />

der schlicht besagt, dass der Kunde<br />

alles tun muss, um die Hilfebedürftigkeit aus<br />

eigener Kraft schnellstmöglich zu beenden.<br />

Das heißt insbesondere: ›Der erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige muss aktiv an allen Maßnahmen<br />

zu seiner Eingliederung in Arbeit mitwirken,<br />

insbesondere eine Eingliederungsvereinbarung<br />

abschließen. Wenn eine Erwerbstätigkeit<br />

auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in<br />

absehbarer Zeit nicht möglich ist, hat der<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige eine ihm angebotene<br />

zumutbare Arbeitsgelegenheit zu<br />

übernehmen.‹ Kommt der Kunde dieser Anforderung<br />

nicht nach, konkreter,<br />

weigert er sich, eine Eingliederungsvereinbarung<br />

abzuschließen oder<br />

den im Eingliederungsvertrag (auch gegen<br />

seinen Willen) festgeschriebenen Pflichten<br />

(zum Beispiel Anzahl wöchentlicher<br />

Bewerbungen, Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahme<br />

oder Arbeitsgelegenheit)<br />

nachzukommen, insbesondere<br />

eine zumutbare (und zumutbar ist fast<br />

jede Arbeit zu jedem Preis an jedem Ort)<br />

Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit<br />

aufzunehmen oder fortzuführen oder<br />

eine Maßnahme abbricht oder einen<br />

Abbruch provoziert,<br />

muss er als Erwachsener mit einer Kürzung<br />

seines Regelsatzes um 30 Prozent rechnen,<br />

einem <strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden<br />

hingegen droht der Wegfall sämtlicher Leistungen<br />

(mit Ausnahme der Leistungen nach § 22<br />

SGB II), während die Verletzung der Meldepflicht<br />

oder das Nichterscheinen bei ärztlichen<br />

oder psychologischen Untersuchungen ›lediglich‹<br />

mit einer Absenkung der Leistungen<br />

um 10 Prozent sanktioniert wird. 42 Insgesamt<br />

sind die <strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden<br />

zusätzlichem Sanktionierungsdruck ausgesetzt.<br />

So kann jungen Menschen bis 25 Jahre<br />

wie angedeutet bereits bei einer einzigen<br />

Pflichtverletzung das Arbeitslosengeld II <strong>für</strong><br />

drei Monate gestrichen werden. Unterkunftskosten<br />

können dann gegebenenfalls direkt<br />

an den Vermieter gezahlt werden, während<br />

der Leistungsempfänger selbst nur noch<br />

38 Poetzsch, J. (2006): a.a.O., S. 15.<br />

39 Vgl. Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit (01.09.2008):<br />

Positionspapier. Vorrang <strong>für</strong> Ausbildung – Positionen des Kooperationsverbundes<br />

Jugendsozialarbeit zu den Ausbildungschancen<br />

von <strong>Jugendliche</strong>n im Rechtskreis SBG II, 01.09.2008, S. 3.<br />

40 Ebenda, S. 5.<br />

41 Vgl. Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (2008): a.a.O., S. 53.<br />

42 Vgl. Projektgruppe <strong>Jugendliche</strong> (o.J.): a.a.O., S. 8.


ausschließlich Sachleistungen erhält. In einer<br />

weiteren Novellierung des SGB II wurde <strong>für</strong><br />

erwachsene Arbeitslosengeld-II-Empfänger<br />

bis 25 Jahre zudem ein Regel-Auszugsverbot<br />

aus dem Elternhaus beschlossen und der<br />

Anspruch von Regelleistungen dieser Personengruppe<br />

in der familiären Bedarfsgemeinschaft<br />

um 20 Prozent reduziert.<br />

Das Prinzip ist deutlich: Das Programm und<br />

sein Stellvertreter, der Fallmanager, wissen<br />

im Zweifelsfall, was gut und richtig <strong>für</strong> den<br />

Klienten ist. Ist der Klient einsichtig, vollzieht<br />

sich der Prozess scheinbar kooperativ, ist<br />

der Klient allerdings anderer Meinung als der<br />

Fallmanager oder hat andere Vorstellungen<br />

von seinem Leben, drohen Sanktionen bis hin<br />

zum Entzug der Unterstützung.<br />

Im April 2007 hat die BA eine repräsentative<br />

Erhebung über den Einsatz der Sanktionen<br />

veröffentlicht, demzufolge im Oktober<br />

2006 insgesamt rund 100.000 erwerbsfähige<br />

Hilfe-bedürftige mit circa 131.000 Sanktionen<br />

belastet waren, was einer Sanktionsquote<br />

<strong>für</strong> arbeitslose erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

von 2,4 Prozent entspricht. ›Unterschiede<br />

zeigen sich, wenn man die Sanktionen nach<br />

soziodemografischen Merkmalen differenziert.<br />

So weisen Jüngere einen deutlich höheren<br />

Anteil an Sanktionen auf als Ältere. 3,2 Prozent<br />

der jüngeren erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

zwischen 15 und 25 Jahren waren<br />

wenigsten mit einer Sanktion belastet (Anteil<br />

bei den arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

dieser Gruppe: 7,2 Prozent), im<br />

Vergleich zu 1,9 Prozent (beziehungsweise<br />

2,3 Prozent) bei den 25- bis unter 50-Jährigen<br />

sowie 0,6 Prozent (beziehungsweise 0,8 Prozent)<br />

bei den 50- bis unter 65-jährigen. <strong>Die</strong>s<br />

könnte zum Teil eine Folge davon sein, dass<br />

15- bis unter 25-Jährige in der Grundsicherung<br />

<strong>für</strong> Arbeitsuchende intensiver betreut werden<br />

als andere Altersgruppen.‹ 43 Der häufigste<br />

Grund <strong>für</strong> Sanktionen sind allerdings Meldeversäumnisse<br />

mit über 50 Prozent, gefolgt von<br />

Weigerungen, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung<br />

oder Arbeitsgelegenheit et cetera anzunehmen<br />

mit 22 Prozent und der Weigerung,<br />

eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen<br />

mit 18 Prozent. Der Abbruch einer<br />

Eingliederungsmaßnahme wird in 4,6 Prozent<br />

der Fälle als Grund angegeben. 44 Der Trend,<br />

dass <strong>Jugendliche</strong> deutlich häufiger von Sanktionen<br />

betroffen sind als andere Altersgruppen,<br />

hat sich seit Oktober 2006 noch verschärft.<br />

So berichtet die BA <strong>für</strong> den Zeitraum<br />

von Januar bis Dezember 2007 von einer<br />

Sanktionsquote von insgesamt 3,4 Prozent.<br />

›<strong>Die</strong> Sanktionsquote bei den Jüngeren unter<br />

25 Jahren liegt mit 10,0 Prozent fast viermal<br />

so hoch wie bei den Erwachsenen ab 25<br />

Jahren (2,7 Prozent). <strong>Die</strong> niedrigste Sanktionsquote<br />

wiesen mit 1,2 Prozent die älteren eHb<br />

ab 50 Jahren auf.‹ 45<br />

<strong>Jugendliche</strong> werden aber nicht nur häufiger,<br />

sondern aufgrund der oben skizzierten gesetzlichen<br />

Bestimmungen auch härter sanktioniert<br />

als Erwachsene: ›Während <strong>für</strong> Jüngere die<br />

Regelleistung im Durchschnitt um 63 Prozent<br />

reduziert wurde, betrug die Kürzung <strong>für</strong><br />

25- bis unter 50-Jährige und <strong>für</strong> 50- bis unter<br />

65-Jährige nur 28 Prozent beziehungsweise<br />

26 Prozent.‹ 46<br />

Ohne Zweifel: <strong>Jugendliche</strong> und Heranwachsende<br />

bekommen die Philosophie des Förderns<br />

und Forderns im Rahmen der Grundsicherung<br />

<strong>für</strong> Arbeitsuchende in ganz besonderer<br />

Weise zu spüren. Um dem ganzen Prozess<br />

auch den Anstrich der Rationalität zu verleihen,<br />

soll der ›Erfolg‹ in Form von Kennzahlen<br />

erfasst werden, wobei die Projektgruppe<br />

<strong>Jugendliche</strong> vorschlägt, ›die Gesamtaktivie-<br />

43 Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (2007): Grundsicherung <strong>für</strong> Arbeitsuchende.<br />

Sanktionen gegenüber erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,<br />

S. 8.<br />

44 Vgl. ebenda, S. 10.<br />

45 Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (2008): a.a.O., S. 56.<br />

46 Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (2007): a.a.O., S. 12.<br />

59


60<br />

<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />

rung anhand von drei Kennzahlen zu messen‹:<br />

a) die Aktivierungsquote, die alle mit Maßnahmen<br />

versorgten <strong>Jugendliche</strong>n ins Verhältnis<br />

zur Gesamtzahl der Hilfesuchenden setzt und<br />

die bei <strong>Jugendliche</strong>n 52 Prozent betragen soll,<br />

b) die Abgangsrate in Erwerbstätigkeit und<br />

c) die Sanktionsquote. 47 Sanktionsquote als<br />

Indikator <strong>für</strong> den Erfolg der Gesamtaktivierung<br />

ist nicht nur zynisch, sondern lässt auch<br />

unschwer erkennen, aus welcher Richtung der<br />

pädagogische Wind weht.<br />

3.4 <strong>Jugendliche</strong> und Heranwachsende<br />

im Geltungsbereich des SGB II<br />

zwischen Selektion und Verfolgungsbetreuung<br />

Auf fünf Aspekte einer Kritik der Pädagogik<br />

der Hartz-Gesetze möchte ich im Folgenden<br />

etwas näher eingehen.<br />

1. Der erste Punkt betrifft die work-first-Orientierung<br />

der Hartz-Gesetze, die nur ein Ziel<br />

kennt, die Integration des Kunden in den<br />

Arbeitsmarkt, an jedem Ort, zu jedem Preis<br />

und unter (fast) allen Bedingungen. Das Handlungsdiktat<br />

der BA in Bezug auf <strong>Jugendliche</strong><br />

und Heranwachsende, diese umgehend in<br />

Arbeit, Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit<br />

zu vermitteln, missachtet die Erfahrung<br />

der Jugendberufshilfe, dass viele der von<br />

ihnen unterstützten <strong>Jugendliche</strong>n noch gar<br />

nicht an dem biografischen Punkt sind, an<br />

denen sie den Anforderungen von Arbeit oder<br />

Ausbildung gewachsen sind, weil sie zum<br />

Teil ganz andere Entwicklungsaufgaben und<br />

Belastungen zu bewältigen haben. In der<br />

Logik der Hartz-Gesetze geraten diese aber<br />

nur als ›Hürden‹ auf dem Weg zum Arbeitsmarkt<br />

in den Blick. ›Eine solche work-first-Orientierung<br />

kann unter Umständen den Blick auf<br />

andere notwendige Unterstützungen verstellen.<br />

Insbesondere <strong>für</strong> junge Menschen mit<br />

spezifischem Förderbedarf besteht die Gefahr<br />

der Einengung und Reduzierung von Entwicklungsräumen.‹<br />

48 <strong>Die</strong>se Annahme wird gestützt<br />

durch Befunde des Instituts <strong>für</strong> Arbeitsmarktund<br />

Berufsforschung (IAB) 49 , das zu dem<br />

Ergebnis kommt, dass viele der jungen<br />

Erwachsenen im Rechtskreis des SGB II im<br />

Sinne der Arbeitsmarktintegration aufgrund<br />

ihrer multiplen Hilfebedürftigkeit noch gar<br />

nicht aktiviert werden können. Das Risiko der<br />

hier beschriebenen ›work-first‹-Orientierung<br />

<strong>für</strong> sozialpädagogische Hilfen liegt dabei auf<br />

der Hand: Steht ausschließlich die Vermittlung<br />

in Ausbildung, Arbeit und Arbeitsgelegenheiten<br />

beziehungsweise ausschließlich die Verbesserung<br />

berufsrelevanter Kenntnisse und Fähigkeiten<br />

im Mittelpunkt der Bemühungen, kann<br />

dies unter Umständen den Blick auf andere<br />

notwendige Unterstützungen verstellen. <strong>Die</strong><br />

Konzentration auf eine einzige Dimension<br />

gesellschaftlicher Teilhabe – nämlich der<br />

Arbeitsmarktintegration – führt in ihrer Konsequenz<br />

dazu, dass Soziale Arbeit und Jugendberufshilfe<br />

gesellschaftliche Inklusion gar nicht<br />

erst hinreichend befördern kann. Vielmehr<br />

besteht die Gefahr, dass eine gesellschaftliche<br />

Inklusion gerade derjenigen <strong>Jugendliche</strong>n<br />

und jungen Erwachsenen, die zur Erlangung<br />

gleichberechtigter Teilhabe auf professionelle<br />

sozialpädagogische Unterstützung jenseits<br />

einer reinen Arbeitsmarktorientierung angewiesen<br />

sind, gänzlich vernachlässigt wird. 50<br />

Anders formuliert: Insbesondere <strong>für</strong> junge<br />

Menschen mit spezifischem Förderbedarf ist<br />

vor dem Hintergrund einer rein erwerbsarbeitszentrierten<br />

Jugendberufshilfe eine Einengung<br />

und Reduzierung von Entwicklungsräumen<br />

zu be<strong>für</strong>chten. 51<br />

47 Vgl. Projektgruppe <strong>Jugendliche</strong> (o.J.): a.a.O., S. 9.<br />

48 Rietzke, T. (2006): a.a.O., S, 197.<br />

49 Vgl. Popp, S./Schels, B./Wenzel, U. (2006): Viele können noch<br />

gar nicht aktiviert werden, IAB-Kurzbericht 26/20.12.2006.<br />

50 Vgl. Möhring-Hesse, M. (2006): Wie die Faust aufs Auge –<br />

Jugendsozialarbeit im aktivierenden Sozialstaat; in: Jugend,<br />

Beruf, Gesellschaft, Heft 1/2006, S. 12 f.<br />

51 Vgl. Wende, L. (2005): 4 Thesen zu Möglichkeiten und Risiken<br />

der Integration benachteiligter junger Menschen im Kontext der<br />

Hartz-Gesetzgebung, S. 39; in: Jugend, Beruf, Gesellschaft.<br />

Dokumentation der Jahrestagung: Jugendsozialarbeit im<br />

Spannungsverhältnis aktueller Arbeitsmarktpolitik vom 13.–14.<br />

Oktober 2004 in Magdeburg.


2. <strong>Die</strong> Workfare-Orientierung hat darüber<br />

hinaus einen nicht zu unterschätzenden Effekt<br />

<strong>für</strong> die öffentliche Wahrnehmung der von<br />

Arbeitslosigkeit Betroffenen. Andre Gorz hat<br />

darauf hingewiesen, dass die Stigmatisierung<br />

der Arbeitslosen ein Strukturelement aller<br />

Workfare-Ansätze darstellt. ›Alle Formen von<br />

Workfare stigmatisieren die Arbeitslosen als<br />

Versager und Faulenzer, die von der Gesellschaft<br />

berechtigterweise und zu deren eigenen<br />

Besten zur Arbeit zu zwingen sind. <strong>Die</strong><br />

Gesellschaft überzeugt sich so selbst von der<br />

Ursache der Arbeitslosigkeit: <strong>Die</strong>se Ursache<br />

seien die Arbeitslosen selbst. Sie besäßen<br />

weder die Qualifikationen noch die sozialen<br />

Kompetenzen, noch den notwendigen Willen,<br />

um einen Arbeitsplatz zu erhalten.‹ 52<br />

Nicht zufällig leitete der ehemalige Bundeskanzler<br />

Gerhard Schröder den radikalen<br />

Umbau des Sozialstaats mit dem Hinweis ein,<br />

es gäbe in Deutschland kein Recht auf Faulheit.<br />

<strong>Die</strong> damit implizierte ›Sündenbock-Theorie‹<br />

wurde zur ›Grundlage der Hartz-IV-Politik‹.<br />

53 Und in der Tat sind die Strukturen von<br />

Hartz IV und die dort konstituierten Zwangsverhältnisse,<br />

Offenlegungspflichten und<br />

Verhaltenserwartungen nichts weniger als der<br />

Ausdruck des institutionalisierten Verdachts,<br />

Arbeitslose würden nicht genug tun, um <strong>für</strong><br />

sich selbst zu sorgen. 54<br />

3. Problematisch ist auch das standardisierte<br />

Verfahren des Profilings und der Einordnung<br />

in Kundengruppen, da sie ebenfalls einen<br />

Selektions- und Stigmatisierungseffekt mit<br />

sich bringen. Stellt bereits die Benachteiligung<br />

an sich eine Stigmatisierung dar, werden nunmehr<br />

einzelne Formen der Benachteiligung<br />

identifiziert. In der Folge werden die betroffenen<br />

<strong>Jugendliche</strong>n dementsprechend unterschiedlich<br />

›klassifiziert‹ und behandelt, womit<br />

faktisch ein Stufensystem von Benachteiligung<br />

eingeführt wird. 55 Mit Lutz Wende gesprochen:<br />

›<strong>Die</strong> Leistungen der Benachteiligtenförderung<br />

erfolgen nicht mehr unter dem Aspekt der<br />

Benachteiligung als solcher, sondern unter<br />

dem Aspekt der Zugehörigkeit zu einer<br />

Bedarfsgemeinschaft. Darüber hinaus werden<br />

Maßnahmenpakete der jeweiligen Kundensteuerung<br />

zugeordnet, so dass nicht Jedem<br />

beziehungsweise Jeder alle Maßnahmemöglichkeiten<br />

offenstehen, sondern diese der<br />

Zuordnung als Beratungs- beziehungsweise<br />

als Betreuungskunde unterliegen.‹ 56 Besonders<br />

anschaulich ist die selektive Wirkung der Kundengruppenzuordnung<br />

am Beispiel der Betreuungskunden<br />

mit multiplen Problemlagen und<br />

geringen Integrationschancen, denen per<br />

Zuordnung eine berufliche Integration in den<br />

ersten Arbeitsmarkt oder die Vermittlung in<br />

ein sozialpädagogisch betreutes Ausbildungsverhältnis<br />

verwehrt bleibt. Mit der Einordnung<br />

in Kundengruppen ›erfolgt eine Differenzierung<br />

›am unteren Rand‹, die <strong>für</strong> jedes Niveau<br />

gesellschaftlicher Partiellintegration noch<br />

passende Aktivierungsschleifen vorsieht und<br />

dabei sogar das Herausfallen aus Leistungen<br />

bei Sanktionen als Fordern versteht‹ 57 .<br />

52 Gorz, A. (2000): Arbeit zwischen Misere und Utopie, S. 114.<br />

53 Vgl. Klinger, N./König, J. (2006): a.a.O., S. 113.<br />

54 Deshalb wunderte es auch nicht, dass der Schuldige schnell<br />

gefunden war, als die ersten Berichte über höhere Betroffenenzahlen<br />

als erwartet und massive Kostensteigerungen <strong>für</strong> Unruhe<br />

sorgten: die ›faulen‹ Arbeitslosen. So veröffentlichte Ex-Wirtschaftsminister<br />

Clement in einer der letzten von ihm verantworteten<br />

Schriften seines Hauses mit dem Titel ›Vorrang den Anständigen‹<br />

eine ›journalistische Studie‹ über die Hintergründe der<br />

Kostenexplosion, die er anhand von ausgewählten Beispielen im<br />

Leistungsmissbrauch lokalisierte. In diesem Zusammenhang<br />

stellt der Bericht fest: ›Biologen verwenden <strong>für</strong> ›Organismen, die<br />

zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen<br />

auf Kosten anderer Lebewesen – ihren Wirten – leben‹<br />

übereinstimmend die Bezeichnung ›Parasiten‹. Natürlich ist<br />

es völlig unstatthaft, Begriffe aus dem Tierreich auf Menschen zu<br />

übertragen. Schließlich ist Sozialbetrug nicht durch die Natur<br />

bestimmt, sondern vom Willen des Einzelnen gesteuert‹<br />

(BMWA/Bundesministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und Arbeit (2005):<br />

Vorrang den Anständigen, S. 10).<br />

55 Vgl. Wende, L. (2005): a.a.O., S. 41.<br />

56 Ebenda, S. 41.<br />

57 Polutta, A. (2005): a.a.O., S. 28.<br />

61


62<br />

<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />

Darüber hinaus ist das standardisierte Verfahren<br />

des Profilings und der Zuordnung zu Kundengruppen<br />

nicht geeignet, die individuellen<br />

Problemlagen der Betroffenen angemessen<br />

zu berücksichtigen, wie Andreas Polutta zu<br />

Recht hervorhebt. 58 Angesichts der skizzierten<br />

Strukturen ›ist zu erwarten, dass keineswegs<br />

eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen<br />

der jugendlichen Adressaten möglich wird,<br />

sondern eher distanziertes Steuern, Überprüfung<br />

von Motivationen und Einbindung in Normierungs-<br />

und Sanktionsaufgaben, was ein<br />

Einlassen auf den Einzelfall tendenziell verunmöglicht.<br />

In diesem Sinne laufen die von den<br />

Agenturen eingesetzten Dritten Gefahr –<br />

selbst zu Agenten … im sozialpädagogischen<br />

Gewand zu werden‹ 59 .<br />

4. Das System des Förderns und Forderns<br />

ist bei <strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden<br />

erkennbar darauf angelegt, Betroffene durch<br />

verstärkten materiellen Druck in Bewegung zu<br />

setzen. Der ›Zwang zum Überleben‹ soll flexibel<br />

und gefügig machen 60 , aber was ist mit<br />

jenen, die ›aussanktioniert‹ werden oder die<br />

sich die Betreuung erst gar nicht zumuten?<br />

Bislang gibt es keine gesicherten Zahlen<br />

darüber, wie viele <strong>Jugendliche</strong> allein durch die<br />

autoritäre Struktur der Betreuung ›vertrieben‹<br />

werden. Münch 61 berichtet <strong>für</strong> das Modell<br />

der JobBörse Junges Köln, die die Prinzipien<br />

der Hartz-Gesetze schon 1999 im Bereich der<br />

Sozialhilfe <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> und Heranwachsende<br />

erprobte und praktizierte, dass nach Einführung<br />

der neuen Regel ein Drittel der hilfesuchenden<br />

<strong>Jugendliche</strong>n und jungen Erwachsenen<br />

schlichtweg verschwanden. Eine Analyse<br />

der Übergangsquoten des Kölner Modells<br />

zeigt, ›dass die Quoten im Vergleich zu den<br />

klassischen Instrumenten der Arbeitsförderung<br />

… hinsichtlich der gleichen Zielgruppen keine<br />

neue Qualität aufweisen. Eine neue Qualität<br />

kann aber in der Abschreckungsquote<br />

gesehen werden‹ 62 . Was passiert mit diesen<br />

<strong>Jugendliche</strong>n? Welche Lebenswege sind hier<br />

vorprogrammiert, welche möglichen Hilfen<br />

werden vorenthalten?<br />

5. Während die vorherigen Punkte in erster<br />

Linie die Konsequenzen der neuen Pädagogik<br />

der Hartz-Gesetze <strong>für</strong> die Klienten und das<br />

Betreuungsverhältnis in den Blick nehmen,<br />

konzentriert sich der letzte hier anzuführende<br />

Punkt auf die professionellen Ansprechpartner<br />

der Arbeitsagenturen und Arbeitsgemeinschaften,<br />

die im Prozess der Modernisierung der<br />

Arbeitsverwaltung scheinbar eine Aufwertung<br />

erfahren durch geringere Fallzahlen und die<br />

Implementierung des Fallmanagements als<br />

professioneller Methode. Zur Unterstützung<br />

der Betroffenen sieht § 14 SGB II einen persönlichen<br />

Ansprechpartner vor, der die<br />

Arbeitslosen auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt<br />

begleiten soll. Methodisch soll der<br />

Hilfeprozess als ›beschäftigungsorientiertes<br />

Fallmanagement‹ gestaltet werden, <strong>für</strong> dessen<br />

Fachkonzept unter anderem Claus Reis,<br />

Vorstandsmitglied der DGCC (Deutsche Gesellschaft<br />

<strong>für</strong> Care und Case Management), als<br />

Mitglied der Arbeitsgruppe verantwortlich<br />

zeichnet und deren Ausbildungsgang von der<br />

DGCC zertifiziert ist.<br />

58 Vgl. ebenda, S. 28.<br />

59 Ebenda, S. 28.<br />

60 Vgl. Spindler, H. (2003): Aktivierende Ansätze in der Sozialhilfe,<br />

S. 236; in: Dahme, H.-J. u.a. (Hrsg.): Soziale Arbeit <strong>für</strong> den<br />

aktivierenden Staat.<br />

61 Vgl. Münch, T. (2001): Der aktivierte Hilfeempfänger – Erfahrungen<br />

und kritische Reflexionen aus der Sicht der Arbeitslosenarbeit;<br />

in: Boeßenecker, K.-H./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.):<br />

Verwaltungsreform von unten? Lokaler Sozialstaat im Umbruch<br />

aus verschiedenen Perspektiven.<br />

62 Ebenda, S. 196. Vgl. auch Scholz, J.: 5 Jahre ›Fördern und<br />

Fordern‹ in der Stadt Köln. Vorbild <strong>für</strong> die Umsetzung von ›Hartz<br />

IV‹; in: neue Praxis 4/2004, S. 396– 402.


Im Kern veranschaulicht das ›Fachkonzept<br />

beschäftigungsorientiertes Fallmanagement im<br />

SGB II‹ die Widersprüche von Programmatik<br />

und Praxis offen. So widersprechen schon die<br />

rechtlichen Konstitutionsbedingungen des<br />

Fallmanagements allen Prinzipien sozialpädagogischer<br />

Beratungsarbeit (im Übrigen<br />

auch der des ›klassischen‹ Case Managements,<br />

das Freiwilligkeit und Problemoffenheit<br />

zum Ausgangspunkt erklärt). <strong>Die</strong> Beratungsund<br />

Steuerungsarbeit des Fallmanagers wird<br />

vom Klienten weder freiwillig in Anspruch<br />

genommen, noch ist sie ergebnisoffen. <strong>Die</strong><br />

rechtliche Konstruktion des Verhältnisses von<br />

Fallmanager und Kunde ist im Kern asymmetrisch<br />

und autoritär angelegt. <strong>Die</strong>s wird besonders<br />

deutlich am Beispiel des zentralen Instruments,<br />

des Eingliederungsvertrages, der im<br />

besten Fall das Produkt eines Aushandlungsprozesses<br />

ist, im schlechtesten wird er durch<br />

den Fallmanager als Verwaltungsakt erlassen,<br />

flankiert von Sanktionen wegen mangelnder<br />

Bereitschaft zur Mitarbeit aufseiten der Betroffenen.<br />

Wie diese Konstruktion einer autoritären,<br />

bevormundenden Fürsorglichkeit mit der von<br />

Vertretern des Case Managements 63 reklamierten<br />

›anwaltschaftlichen Funktion‹ in Einklang<br />

zu bringen ist, ist ebenso wenig nachvollziehbar,<br />

wie ihre Vereinbarkeit mit den so häufig<br />

beschworenen nationalen und internationalen<br />

ethischen Codes der Sozialen Arbeit. <strong>Die</strong>se<br />

Form der ›Begleitung von Hilfesuchenden‹, an<br />

der man mittlerweile in diversen Dokumentationen<br />

und Reportagen von Stern TV bis RTL<br />

Explosiv teilhaben kann, mag dem amerikanischen<br />

Modell des Case Managers als ›teacher,<br />

preacher, friend and cop‹ 64 , als Lehrer,<br />

Prediger, Freund und Polizist entsprechen,<br />

aber sie ist eine böse Karikatur dialogischer,<br />

auf die Autonomie der Klienten abzielende<br />

Bildung, Beratung und Unterstützung, wie sie<br />

einmal das Selbstverständnis einer lebensweltorientierten<br />

Sozialen Arbeit prägte.<br />

Schon 2003 kursierte in der Arbeitsverwaltung<br />

ein Begriff, mit dem Mitarbeiter der<br />

Arbeitsverwaltung versuchten, die neue Philosophie<br />

des Umgangs mit Arbeitslosen zu<br />

charakterisieren: die Verfolgungsbetreuung 65 .<br />

In einem offenen Brief beschwerten sich<br />

Mitarbeiter der Arbeitsverwaltung, dass der<br />

Vorstand erhebliche Einsparungen einfordert.<br />

›Dabei schätzen die Verantwortlichen der<br />

BA zu Recht ein, dass mit einer gutwilligen<br />

Rückgabe der Gelder durch die Arbeitslosen<br />

nicht zu rechnen ist. Also verpflichtet man die<br />

Arbeitsämter, die Summen einzutreiben. Das<br />

Einsparzauberwort heißt Sperrzeiten und<br />

die dazu notwendigen Maßnahmen werden im<br />

BA-Unwort des Jahres zusammengefasst: Den<br />

Arbeitslosen droht die ›Verfolgungsbetreuung‹.<br />

Konkret bedeutet das, jede mögliche und<br />

unmögliche Gelegenheit zur Verhängung einer<br />

Sperrzeit wird genutzt. Der Druck auf die<br />

Arbeitslosen macht auch vor den Kolleginnen<br />

und Kollegen in den Ämtern nicht halt. Es<br />

werden Hitlisten eingerichtet, mit dem Ziel zu<br />

schauen, wer in welcher Zeit wie viele Sperrzeiten<br />

verhängt.‹ 66 All dies ist kein Auswuchs,<br />

sondern strukturell intendiert und auch mit<br />

gutem Willen nicht ins Gegenteil zu verkehren.<br />

63 Vgl. dazu ausführlicher Galuske (2007): a.a.O.<br />

64 Bertelsmann Stiftung u.a. (Hrsg.) (2002): Handbuch Beratung<br />

und Integration. Fördern und Fordern – Eingliederungsstrategien<br />

in der Beschäftigungsförderung, S. 161.<br />

65 Vgl. Fetzer, D. (2006): Verfolgungsbetreuung, Schikanen und<br />

Verletzung der Privat- und Intimsphäre; in: Agenturschluss (Hrsg.)<br />

(2006): Schwarzbuch Hartz IV. Sozialer Angriff und Widerstand –<br />

Eine Zwischenbilanz, S. 31-45.<br />

66 Verdi in Team, Landesfachgruppe Arbeitsverwaltung NRW, März<br />

2003.<br />

63


64<br />

<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />

Aus professionstheoretischer Sicht ist die<br />

Einführung des Fallmanagements in der<br />

Arbeits- und Sozialverwaltung auch nicht zweifelsfrei<br />

als ›Gewinn‹ zu verbuchen. So engt<br />

der hohe Grad an Standardisierung und Formalisierung<br />

des Verfahrens und Dichte an<br />

rechtsverbindlichen Vorgaben den Grad der<br />

Entscheidungsfreiheit – ein wesentlicher Indikator<br />

professionalisierter Tätigkeiten – deutlich<br />

ein und degradiert die Fachkräfte an vielen<br />

Stellen zu ausführenden Organen der<br />

Bestimmungen ohne Ermessensspielraum. In<br />

diesem Sinne betont Polutta: ›<strong>Die</strong>ses Verfahren<br />

ist in sich fraglos rational organisiert, das<br />

Entscheidende aus der Sicht der Sozialen<br />

Arbeit ist jedoch, dass es die professionelle<br />

Entscheidungsautonomie von Fachkräften<br />

obsolet macht. Ziele, Zielgruppen und Maßnahmen<br />

sind in ihrem manageriellen Zirkelschluss<br />

nicht hinterfragbar.‹ 67 Erste empirische<br />

Befunde über die Auswirkungen der<br />

Verwaltungsmodernisierung deuten auf diesem<br />

Hintergrund durchaus verständlich an, dass<br />

viele der Fachkräfte die neuen Verwaltungsregeln<br />

als ›eine Kränkung ihrer beruflichen<br />

Kompetenzen ›empfinden‹ (der Verfasser), da<br />

nun Dinge gesteuert werden sollen, die zuvor<br />

in ihrer Entscheidungsbefugnis lagen. <strong>Die</strong>se<br />

Kränkung trifft vor allem erfahrene Mitarbeiter‹<br />

68 . Allerdings zeigt die Untersuchung<br />

auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

um ihre Entscheidungsspielräume kämpfen<br />

und die Vorgaben in Form durchaus unterschiedlicher<br />

Stile alltagspädagogisch<br />

realisieren. 69<br />

3.5 Schlussbemerkungen<br />

<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze vermittelt<br />

den Charakter einer überwunden geglaubten<br />

autoritären Fürsorglichkeit im modernistischen<br />

Gewand der Managementsprache von Profiling,<br />

Assessment, Produkten, Kunden und<br />

Fallmanagement, mit der sie ihren bevormundenden<br />

Gestus allerdings nicht überdecken<br />

kann. Helga Spindler hat in Bezug auf aktivierende<br />

Ansätze in der Sozialhilfe zu Recht<br />

betont: ›Wer mittels Aktivierung den hoheitlichen<br />

Eingriff nur kommunikativ verbrämt, das<br />

klassische Über- und Unterordnungsverhältnis<br />

wegdefiniert statt aufhebt – ohne dass die<br />

vorher existierende rechtliche Kontrolle und<br />

das vorgeschriebene Verfahren als Schutz<br />

existiert oder durch neue Kontrollverfahren<br />

abgelöst wird – der verändert alles: Beratung<br />

wird zu Erziehung und Bevormundung, Methoden<br />

der Steuerung von sozialen Hilfeprozessen<br />

verwandeln sich in dirigierende Sozialtechnik.<br />

(…) <strong>Die</strong> Hilfevereinbarung wird zum<br />

Angebot, das man nicht ablehnen kann,<br />

Beschäftigungsangebote bieten keine Perspektiven,<br />

Qualifizierung wird zu disziplinierendem<br />

Anpassungstraining; statt Eigenaktivität<br />

wird passiver Gehorsam gefordert und sogar<br />

noch gefördert, eine Arbeitsstelle wird hoheitlich<br />

zugewiesen, aus Hilfe zur Arbeit wird<br />

Arbeit als Gegenleistung <strong>für</strong> die Sozialhilfe.‹ 70<br />

67 Polutta, A. (2005), a.a.O., S. 28.<br />

68 Behrend, O. (2007), a.a.O., S. 9.<br />

69 Vgl. ebenda sowie Behrend, O u.a. (2006): Im Schatten der<br />

Aufmerksamkeit – die Arbeitsvermittler; in: IAB-Kurzbericht<br />

21/4.12.2006.<br />

70 Spindler, H. (2003): a.a.O., S. 235.


Dabei ist die Situation paradox: Einerseits ist<br />

die Nachfrage nach sozialpädagogischen<br />

›Produkten‹ im Zuge des aktivierenden<br />

Umbaus der Gesellschaft deutlich gestiegen:<br />

Beratung, Betreuung, Qualifizierung und<br />

Begleitung sind wie ausgeführt im Kern des<br />

verhaltensorientierten Programms der Hartz-<br />

Gesetze gefordert. Allerdings ist es eine<br />

sozialtechnologisch gewendete Soziale Arbeit,<br />

die hier gewünscht ist, ›nicht mehr gefragt ist<br />

die emanzipatorische Seite, die parteiliche<br />

Seite der Sozialarbeit, das klassische Berufsethos<br />

der Helferberufe, das Menschenbild,<br />

das bei aller Einsicht in die gesellschaftlichen<br />

Anforderungen und der irgendwo begrenzten<br />

Finanzierungsmöglichkeiten öffentlicher Hilfen,<br />

das einzelne Individuum akzeptiert und ihm<br />

hilft sich zu entfalten‹ 71 . Mit der Pädagogik der<br />

Hartz-Gesetze, die ja nicht nur die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter von Arbeitsverwaltungen<br />

und Arbeitsgemeinschaften betrifft,<br />

sondern auch die Vielzahl der in den schulischen<br />

und außerschulischen Projekten tätigen<br />

Sozialpädagoginnen und Sozialarbeiter, wird<br />

derzeit der nicht gerade armen Geschichte<br />

der schwarzen Pädagogik ein neues Kapitel<br />

hinzugefügt und es würde der Profession gut<br />

zu Gesichte stehen, wenn sie sich sperrig<br />

erweist und den Pfad der sozialtechnologischen<br />

Umsetzung der neuen Philosophie nicht<br />

beschreitet – auch und gerade im Interesse<br />

der <strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden.<br />

Aus wissenschaftlicher Perspektive wäre es<br />

notwendig, eine qualitative Wirkungsforschung<br />

zu entwickeln, die sich nicht auf die Abfrage<br />

quantifizierbarer Indikatoren wie Übergangsoder<br />

Sanktionsquoten beschränkt, sondern<br />

nachhaltig die biografischen Wirkungen der<br />

Interventionen aus der Perspektive der Betroffenen<br />

in den Blick nimmt. 72<br />

71 Ebenda, S. 239 f.<br />

72 Erste Ansätze finden sich bei Dörre u.a. (2008): Der Einfluss<br />

strenger Zumutbarkeit auf die Erwerbsorientierung Arbeitsloser<br />

und prekär Beschäftigter, SFB-Mitteilungen 580.<br />

65


66<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf


Christiane Koch, Peer Rosenthal | Arbeitnehmerkammer Bremen<br />

4 <strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf:<br />

Wohin führt der Weg, der im Übergangssystem beginnt?<br />

Probleme beim biografischen Übergang von<br />

der <strong>Schule</strong> ins Berufssystem gibt es in den<br />

meisten modernen postindustriellen Gesellschaften:<br />

So hat beispielsweise die Europäische<br />

Kommission 2005 im Zuge der Realisierung<br />

der Lissabonstrategie einen Pakt <strong>für</strong> die<br />

Jugend geschlossen, der unter anderem die<br />

Jugendarbeitslosigkeit reduzieren soll. 1 Auch<br />

Deutschland ist seit der Abnahme der betrieblichen<br />

Ausbildungskapazitäten in zuvor unbekanntem<br />

Maße von diesem Problem betroffen.<br />

Lösungsansätze sah man insbesondere darin,<br />

das zuvor ausschließlich <strong>für</strong> die Klientel<br />

der benachteiligten <strong>Jugendliche</strong>n installierte<br />

Förderinstrumentarium <strong>für</strong> ausbildungs- und<br />

arbeitslose <strong>Jugendliche</strong> insgesamt aufzuschließen<br />

und auszubauen. Es hat sich mittlerweile<br />

zu einem weit verzweigten Geflecht sehr<br />

unterschiedlicher Unterstützungsangebote<br />

sowohl finanzieller als auch pädagogischer<br />

Art entwickelt. <strong>Die</strong> begleitende Wissenschaft<br />

spricht mittlerweile sogar von einem regelrechten<br />

Übergangs-›System‹. Inwieweit dieser<br />

Begriff seine Berechtigung hat, wird sich<br />

im Laufe dieses Abschnittes zu klären haben.<br />

4.1 Was ist das Übergangssystem<br />

und wie entstand es?<br />

Der Begriff ›Übergangssystem‹ ist dementsprechend<br />

neu. Bis vor wenigen Jahren gab<br />

es in der Fachterminologie der Berufsbildungsforschung<br />

und -praxis keinen identifizierbaren<br />

Teil des hiesigen Erstausbildungssystems,<br />

der sozusagen die ›Zwischenräume‹ der<br />

Unversorgten managt. Wenn es um die Angebots-<br />

und Fördersystematik ging, sprach man<br />

von ›Benachteiligtenförderung‹, die Teil der<br />

sogenannten ›Integrationsförderung‹ war. Allerdings<br />

galt dieses Instrumentarium der Förderung<br />

benachteiligter <strong>Jugendliche</strong>r insgesamt,<br />

einschließlich der Berufsausbildungsförderung<br />

mit anerkanntem Abschluss. In der Literatur<br />

gilt das Instrumentarium des Übergangssystems<br />

mittlerweile als fester Bestandteil<br />

des hiesigen Berufsausbildungssystems, das<br />

neben der betrieblichen dualen Ausbildung,<br />

dem Schulberufssystem und der Hochschul-<br />

ausbildung – also den Abschluss orientierten<br />

Bildungsgängen – seinen festen Platz hat. 2<br />

Allein dieser Umstand sollte aufmerken lassen<br />

und ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass<br />

niemand mit einem raschen Ende der Jugendberufsnot<br />

rechnet.<br />

Unter das Übergangssystem im heutigen<br />

Sinne werden alle nicht Abschluss bezogenen<br />

Maßnahmen und Instrumente <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong><br />

ohne Ausbildungsplatz subsumiert, gleichgültig<br />

wie sie finanziert werden und wer die<br />

Trägerschaft hat. ›Maßnahmen außerschulischer<br />

Träger und schulische Bildungsgänge,<br />

sofern sie keinen qualifizierenden Berufsabschluss<br />

anbieten, sind dem Übergangssystem<br />

zugeordnet. Hierunter fallen auch teilqualifizierende<br />

Angebote, die auf eine anschließende<br />

Ausbildung als erstes Jahr angerechnet werden<br />

können oder Voraussetzung zur Aufnahme<br />

einer vollqualifizierenden Ausbildung sind.‹ 3<br />

<strong>Die</strong> Angebote des Übergangssystems sollen<br />

die Chancen Einzelner auf dem Bildungsmarkt<br />

erhöhen. Vor allem füllen sie aber<br />

auch schlicht die nachschulischen bildungsund<br />

arbeitsfreien Zeiten. Das ist allein an<br />

den Zwangsangeboten junger Hartz-IV-Empfänger/innen<br />

zu erkennen 4 und daran, dass<br />

wer Arbeit hat, und sei es auch vorübergehend,<br />

auch kein Ausbildungsangebot erhält. 5<br />

<strong>Die</strong> ursprüngliche Idee, arbeits- und ausbildungslosen<br />

jungen Leuten den Übergang ins<br />

Berufsbildungssystem zu ermöglichen, ist<br />

1 Vgl. Pohl, Axel/Walther, Andreas (2006): Benachteiligte <strong>Jugendliche</strong><br />

in Europa, S. 26; in: Aus Politik und Zeitgeschichte (ApuZ) – die<br />

Beilage zur Wochenzeitung ›Das Parlament‹ 47/2006, S. 26–36.<br />

2 Vgl. beispielsweise Autorengruppe Bildungsberichterstattung<br />

(2008): Bildung in Deutschland 2008: Ein indikatorengestützter<br />

Bericht mit einer Analyse zu Übergängen im Anschluss an den<br />

Sekundarbereich I und Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus<br />

(2007): Berufsbildung im Umbruch, Signale eines überfälligen<br />

Aufbruchs.<br />

3 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 99.<br />

4 Vgl. Kapitel 3 von Michael Galuske in diesem Bericht.<br />

5 <strong>Die</strong> Möglichkeit der Nachqualifizierung <strong>für</strong> Einfacharbeiter/innen<br />

einmal außer Acht gelassen.<br />

67


68<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />

zwar in den Angeboten konzeptionell angelegt,<br />

das Ziel allerdings keineswegs gewährleistet,<br />

da es auf einen in Kapitel 2 (Koch/Rosenthal)<br />

beschriebenen freien Markt zielt, der keine<br />

›Garantie auf Aufnahme‹ gewährt. Ein Recht<br />

auf Ausbildung besteht in Deutschland eben<br />

nicht.<br />

4.2 Aufblähung des Übergangssystems<br />

durch das Phänomen<br />

Altbewerber/innen 6<br />

<strong>Die</strong> oben beschriebene notorische Ausbildungsplatzknappheit<br />

der vergangenen zwei<br />

Jahrzehnte hat eine neue Jugendklientel hervorgebracht,<br />

deren rasante Zunahme die Entwicklung<br />

und Ausgestaltung des Übergangssystems<br />

erheblich befördert hat. Es handelt<br />

sich um die sogenannten ›Altbewerber/innen‹.<br />

Das sind Ausbildungsplatzsuchende aus vergangenen<br />

<strong>Schule</strong>ntlassjahrgängen, im engeren<br />

Sinne all jene <strong>Jugendliche</strong>, die sich nach dem<br />

Schulabgang vergeblich um einen Ausbildungsplatz<br />

bemüht haben und dies im folgenden<br />

Ausbildungsjahr erneut versuchen.<br />

Weil die Zahl der Ausbildungsplätze in den<br />

letzten Jahren nie ausgereicht hat, ist der<br />

Anteil der Altbewerber/innen in Deutschland<br />

kontinuierlich gestiegen. 2006 hatten erstmals<br />

mehr als 50 Prozent der bei der Bundesagentur<br />

<strong>für</strong> Arbeit (BA) gemeldeten Bewerber/innen<br />

um einen Berufsausbildungsplatz, die <strong>Schule</strong><br />

bereits im Vorjahr oder noch früher verlassen.<br />

Im Land Bremen ist die Quote der Ausbildungsplatzbewerber/innen,<br />

welche die <strong>Schule</strong><br />

schon in Vorjahren beendet hatten, mit 63<br />

Prozent in der Stadt Bremen und 54 Prozent<br />

in Bremerhaven besonders hoch. 7<br />

Studien zufolge haben es Altbewerber/innen<br />

auf dem Ausbildungsstellenmarkt<br />

besonders schwer, einen Ausbildungsplatz zu<br />

finden. 8 Sie befinden sich häufiger in einer<br />

außerbetrieblichen Ausbildung, sie jobben<br />

öfter als sonstige Bewerber/innen als An- und<br />

Ungelernte und sind vermehrt von Arbeitslosigkeit<br />

betroffen. Besonders prekär ist die<br />

Situation <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong>, die sich vor mehr<br />

als zwei Jahren schon einmal um einen Ausbildungsplatz<br />

bemüht haben und <strong>für</strong> diejenigen,<br />

die sich im sogenannten ›Übergangssystem‹<br />

befinden. 9<br />

<strong>Die</strong> genaue Zahl der Altbewerber/innen ist<br />

schwer zu messen, da nicht jeder/jede Bewerber/in<br />

mit länger zurückliegendem Schulabschluss<br />

zuvor vergebens nach einem Ausbildungsplatz<br />

gesucht hat. Ein Beispiel sind<br />

Wehr- oder Zivildienstleistende, die erst nach<br />

<strong>Die</strong>nstbeendigung erstmals auf den Ausbildungsmarkt<br />

treten. Umgekehrt können<br />

<strong>Jugendliche</strong> als aktuelle Schulabgänger/innen<br />

auftreten, die ihren Schulbesuch nur fortgesetzt<br />

haben, weil sie zuvor keine Ausbildungsstelle<br />

gefunden haben. 10<br />

6 <strong>Die</strong> folgenden Ausführungen und Einschätzungen erfolgen, soweit<br />

nicht anders gekennzeichnet, auf der Basis von Ergebnissen<br />

einer Kurzstudie im Auftrag der Arbeitnehmerkammer Bremen<br />

zur Situation der Altbewerber/innen im Lande Bremen, die im<br />

Sommer 2008 durch das Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW)<br />

Universität/Arbeitnehmerkammer und Projekt EQUIB durchgeführt<br />

wurde. Ausgewertet wurden in diesem Zusammenhang unter<br />

anderem die verfügbaren Datensätze der Bundesagentur <strong>für</strong><br />

Arbeit und des Bundesinstituts <strong>für</strong> Berufsbildung sowie das<br />

vorhandene Material zum Phänomen der Altbewerber/innen.<br />

Vgl. Hammer, Gerlinde/Knuth, Jutta (2008): Zur Situation der<br />

Altbewerber/innen im Land Bremen im Auftrag der Arbeitnehmerkammer<br />

Bremen.<br />

7 Vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucksache 16/1379. Mitteilung<br />

des Senats vom 17.04.2007: Zukunftsperspektiven <strong>für</strong> alle<br />

<strong>Jugendliche</strong>n: ausreichend Ausbildungsplätze sicherstellen,<br />

Warteschleifen abschaffen, Altbewerbern und Altbewerberinnen<br />

Chancen geben!<br />

8 Vgl. Ulrich, Joachim Gerd/Krekel, Elisabeth M. (2007): Welche<br />

Ausbildungschancen haben ›Altbewerber‹?; in: BWP 2/2007,<br />

S. 11–13.<br />

9 Vgl. auch BA/BIBB-Bewerberbefragung 2006,<br />

http://www.bibb.de/de/wlk30081.htm<br />

10 Insbesondere die Fachoberschulen werden von <strong>Jugendliche</strong>n mit<br />

mittlerem Schulabschluss infolge vergeblicher Ausbildungsplatzsuche<br />

angewählt. <strong>Die</strong>sen <strong>Jugendliche</strong>n geht es weniger darum,<br />

nach dem Erwerb der Fachhochschulreife zu studieren als<br />

vielmehr darum, über diesen Abschluss ihre Chancen auf eine<br />

Ausbildungsstelle im dualen System zu erhöhen. Unter den<br />

Bewerbern und Bewerberinnen mit Fachhochschulreife ist der<br />

Altbewerber/innenanteil dementsprechend hoch (vgl. Ulrich,<br />

Joachim Gerd/Krekel, Elisabeth M. (2007): a.a.O.).


All jene, die sich in Maßnahmen des Übergangssystems<br />

begeben haben oder die<br />

Interimszeit anderweitig verbringen, tauchen<br />

im Folgejahr dann wieder auf, wenn und falls<br />

sie sich wieder als Bewerber/innen melden.<br />

Bildungsforscher/innen und Statistiker/<br />

-innen unterscheiden daher mittlerweile<br />

zwischen ›echten‹, also jenen, die sich schon<br />

einmal zu einem früheren Zeitpunkt auf Ausbildungsplätze<br />

beworben haben 11 , und ›unechten‹<br />

Altbewerbern und Altbewerberinnen 12 ,<br />

das heißt solche, deren Schulabgang schon<br />

ein oder mehr Jahre zurückliegt. Landesspezifische<br />

Daten können allerdings nur der<br />

Ausbildungsmarktstatistik der BA entnommen<br />

werden, weshalb hier mit diesem höheren<br />

Satz an Ausbildungssuchenden argumentiert<br />

werden muss. 13<br />

Abbildung 1: Gemeldete Bewerber/innen<br />

<strong>für</strong> Berufsausbildungsstellen nach<br />

<strong>Schule</strong>ntlassjahrgängen: Westdeutschland<br />

Berichtszeitraum Oktober 2006 bis September 2007<br />

Schulabgangsjahre 2007 2007<br />

Anzahl in %<br />

im Berichtsjahr<br />

aus früheren Jahren<br />

249.875 43<br />

(Altbewerber/innen)<br />

darunter<br />

306.486 53<br />

aus dem Vorjahr 133.427 23<br />

aus noch früheren Jahren 173.059 30<br />

keine Angabe 26.616 4<br />

Bewerber/innen insgesamt 582.977 100<br />

Quelle: Hammer, Gerlinde/Knuth, Jutta (2008): Zur Situation der<br />

Altbewerber/innen im Land Bremen im Auftrag der Arbeitnehmerkammer<br />

Bremen, S. 6.<br />

<strong>Die</strong> Zahl der Altbewerber/innen ist zwischen<br />

2006 und 2007 minimal um ein Prozent auf<br />

53 Prozent gestiegen, während im gleichen<br />

Zeitraum die Anzahl der Schulabgänger/innen<br />

um 6 Prozent zurückgegangen ist. Das zeigt<br />

deutlich die seit 2000 feststellbare Stagnation<br />

der Altbewerberzahlen auf hohem Niveau. 14<br />

Der Anteil der Altbewerber/innen an der<br />

Bewerbergesamtzahl <strong>für</strong> Berufsausbildungsstellen<br />

liegt in Westdeutschland trotz der dort<br />

günstigeren betrieblichen Ausbildungsplatzsituation<br />

um ein Prozent höher als in Ostdeutschland.<br />

In Bremen stellt sich die Lage<br />

noch einmal deutlich ungünstiger dar: Im<br />

Berichtsjahr 2006/2007 betrug der Anteil an<br />

Altbewerberinnen und Altbewerbern an der<br />

Gesamtzahl der gemeldeten Bewerber/innen<br />

im Land Bremen 56 Prozent. Davon sind<br />

23 Prozent Bewerber/innen aus dem Vorjahr,<br />

33 Prozent kommen aus noch früheren<br />

<strong>Schule</strong>ntlassjahrgängen. Im Vergleich zu Westdeutschland<br />

liegt das Bundesland Bremen<br />

damit um 3 Prozent höher. Möglicherweise ist<br />

die Problemlage in den Großstädten besonders<br />

gravierend, zumindest stellt sich die<br />

Lage in Hamburg im Vergleich noch schlechter<br />

dar: Hier errechnet die Statistik sogar einen<br />

Anteil von 64 Prozent Altbewerbern und<br />

Altbewerberinnen.<br />

Abbildung 2: Gemeldete Bewerber/innen<br />

auf Berufsausbildungsstellen nach <strong>Schule</strong>ntlassjahrgängen:<br />

Bundesland Bremen*<br />

Berichtszeitraum Oktober 2006 bis September 2007<br />

Schulabgangsjahre 2007 2007<br />

Anzahl in %<br />

im Berichtsjahr<br />

aus früheren Jahren<br />

2.996 40<br />

(Altbewerber/innen)<br />

darunter<br />

4.188 56<br />

aus dem Vorjahr 1.718 23<br />

aus noch früheren Jahren 2.470 33<br />

keine Angabe 303 4<br />

Bewerber/innen insgesamt 7.487 100<br />

* <strong>Die</strong> Agentur <strong>für</strong> Arbeit Bremen umfasst den Agenturbezirk Bremen-Stadt<br />

und Landkreis Osterholz. <strong>Die</strong> Agentur <strong>für</strong> Arbeit Bremerhaven umfasst<br />

den Agenturbezirk Bremerhaven-Stadt und den Altkreis Wesermünde.<br />

Quelle: Hammer, Gerlinde/Knuth, Jutta (2008): a.a.O., S. 6.<br />

11 Sie wurden in der BA/BIBB-Bewerberbefragung von 2006<br />

erhoben.<br />

12 <strong>Die</strong> in der Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit geführt werden.<br />

13 Das eigentliche Problem der Altbewerber/innen, dass ihre<br />

Bewerbungserfolge geringer sind als die der<br />

Erstbewerber/innen, dürfte auch auf einen Teil derjenigen<br />

zutreffen, die sich aus anderen Gründen später bewerben.<br />

14 Vgl. Bundesministerium <strong>für</strong> Forschung und Bildung (2008):<br />

Berufsbildungsbericht 2008, Vorversion,<br />

http://www.bmbf.de/pub/bbb_08.pdf<br />

69


70<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />

Zwischen Bremen-Stadt und Bremerhaven<br />

tun sich erhebliche Differenzen auf, was den<br />

Bestand an Altbewerbern und Altbewerberinnen<br />

und dessen Entwicklung angeht. Bremen-<br />

Stadt weist eine sehr hohe Altbewerber/innen-<br />

Quote von fast zwei Drittel der Gesamtbewerber/innen<br />

auf. Allerdings hat sowohl eine<br />

absolute als auch eine prozentuale Abnahme<br />

in den letzten darstellbaren Berichtszeiträumen<br />

stattgefunden.<br />

Abbildung 3: Agenturbezirk Bremen-Stadt: Gemeldete Bewerber/innen und<br />

Altbewerber/innen <strong>für</strong> Berufsausbildungsstellen (Bewerber/innen gesamt)<br />

2007/2008 2006/2007 Anteil Veränderung der Veränderung der<br />

Altbewerber/innen Altbewerber/innen Gesamtbewerber/innen<br />

in % gegenüber Vorjahr gegenüber Vorjahr<br />

Bewerber/ Altbewerber/ Bewerber/ Altbewerber/ 2007/ 2006/ absolut in % absolut in %<br />

innen gesamt innen innen gesamt innen 2008 2007<br />

3.137 1.965 3.625 2.317 62,6 63,9 -352 -15,2 -488 -13,5<br />

Quelle: Hammer, Gerlinde/ Knuth, Jutta (2008): a.a.O., S. 9.<br />

In Bremerhaven dagegen liegt der Anteil der<br />

Altbewerber/innen erheblich niedriger, nämlich<br />

bei etwas mehr als 50 Prozent. Da<strong>für</strong> lässt<br />

sich aber absolut wie relativ eine deutliche<br />

Steigerung in den letzten beiden Berichtsjahren<br />

feststellen. Ob dies nun Zufall oder Trend<br />

ist, lässt sich anhand der verfügbaren Datenlage<br />

nur schwer beurteilen. In jedem Fall muss<br />

sich Bremerhaven mit seiner ohnehin angespannteren<br />

Ausbildungsplatzlage auch künftig<br />

auf ein kaum reduziertes Altbewerber/innen-<br />

Potenzial einstellen und entsprechend größere<br />

Kapazitäten im Übergangssystem bereithalten.<br />

Ob dies nun Zufall oder Trend ist, lässt sich<br />

anhand der verfügbaren Datenlage nur schwer<br />

beurteilen. In jedem Fall muss sich Bremerhaven<br />

mit seiner ohnehin angespannteren Ausbildungsplatzlage<br />

auch künftig auf ein kaum<br />

reduziertes Altbewerber/innen-Potenzial einstellen<br />

und entsprechend größere Kapazitäten<br />

im Übergangssystem bereithalten.<br />

Abbildung 4: Agentur <strong>für</strong> Arbeit Bremerhaven: Gemeldete Bewerber/innen und<br />

Altbewerber/innen <strong>für</strong> Berufsausbildungsstellen (Bewerber/innen gesamt)<br />

2007/2008 2006/2007 Anteil Veränderung der Veränderung der<br />

Altbewerber/innen Altbewerber/innen Gesamtbewerber/innen<br />

in % gegenüber Vorjahr gegenüber Vorjahr<br />

Bewerber/ Altbewerber/ Bewerber/ Altbewerber/ 2007/ 2006/ absolut in % absolut in %<br />

innen gesamt innen innen gesamt innen 2008 2007<br />

2.145 1.161 2.132 1.090 54,1 51,1 +71 +6,5 +13 +0,6<br />

Quelle: Hammer, Gerlinde/Knuth, Jutta (2008): a.a.O., S. 11.


60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

4.3 Übergangssystem:<br />

Quantitative Entwicklung,<br />

Teilnehmerstruktur und Maßnahmen<br />

<strong>Die</strong> quantitative Bedeutung des Übergangssystems<br />

ist in den letzten gut 15 Jahren deutlich<br />

gestiegen. Während 1995 bundesweit<br />

gut 30 Prozent der Neuzugänge in das Übergangssystem<br />

einmündeten, waren es 2006<br />

bereits 40 Prozent. <strong>Die</strong>s sind über 500.000<br />

<strong>Jugendliche</strong>. Eine ähnliche Entwicklung ist<br />

auch <strong>für</strong> das Land Bremen zu verzeichnen,<br />

allerdings auf niedrigerem Niveau. Im Jahr<br />

2006 traten 32 Prozent aller Neuzugänge in<br />

das Übergangssystem ein. Das sind im Land<br />

Bremen über 3.400 junge Männer und Frauen.<br />

Abbildung 5: Verteilung der Neuzugänge auf die drei Sektoren des beruflichen Ausbildungssystems<br />

2006 in Deutschland, Flächenländer, Stadtstaaten und ausgewählten Bundesländern<br />

43,5%<br />

551.139<br />

16,6%<br />

210.259<br />

39,9%<br />

504.452<br />

43,2%<br />

512.535<br />

16,4%<br />

195.090<br />

40,4%<br />

Deutschland Flächenländer Stadtstaaten Bremen Hamburg Berlin<br />

Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 98.<br />

Bei den vom im Bildungsbericht abweichenden Werten handelt es sich um vom<br />

Statistischen Landesamt Bremen auf Anfrage der Arbeitnehmerkammer korrigierte<br />

Werte. <strong>Die</strong>s betrifft die Angaben zu Deutschland, den Stadtstaaten und das<br />

Bundesland Bremen.<br />

43,5%<br />

479.017<br />

48,7%<br />

38.604<br />

19,2%<br />

15.169<br />

32,1%<br />

25.435<br />

<strong>Die</strong>se Entwicklung verdeutlicht die ›Verfestigung<br />

von Passungsproblemen an der Schwelle<br />

zwischen allgemeinbildenden <strong>Schule</strong>n und<br />

qualifizierter beruflicher Ausbildung‹ 15 , auch<br />

wenn sich die Verteilung der Neuzugänge im<br />

Land Bremen aufgrund der hohen Einmündungsquote<br />

von über 56 Prozent in das duale<br />

System noch als relativ günstig darstellt.<br />

56,3%<br />

6.165<br />

12,2%<br />

1.338<br />

31,5%<br />

3.445<br />

45,6%<br />

11.815<br />

17,4%<br />

4.494<br />

37,0%<br />

9.593<br />

48,7%<br />

20.624 16<br />

15 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />

a.a.O., S. 99.<br />

16 Einschließlich Berufsgrundbildungsjahr (BGJ).<br />

22,0%<br />

9.337<br />

29,3%<br />

12.397<br />

38,4%<br />

53.899<br />

13,0%<br />

18.268<br />

Niedersachsen<br />

duales System<br />

Schulberufssystem<br />

Übergangssystem<br />

71<br />

48,6%<br />

68.360


72<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />

Ein Blick hinter diese Zahlen im Ländervergleich<br />

verdeutlicht die strukturellen Merkmale<br />

der Teilnehmer/innen von Maßnahmen des<br />

Übergangssystems. Männliche <strong>Jugendliche</strong><br />

sind im Übergangssystem überproportional<br />

vertreten. Bundesweit stellen sie 57 Prozent<br />

aller Neuzugänge, im Land Bremen 55 Prozent.<br />

<strong>Die</strong>s ist darauf zurückzuführen, dass die<br />

Kapazitäten im dualen Ausbildungssystem <strong>für</strong><br />

männliche Bewerber mit niedrigem Schulabschluss<br />

in den letzten Jahren überproportional<br />

zurückgegangen sind. 17<br />

Abbildung 6: Neuzugänge in das Übergangssystem<br />

nach Geschlecht in Deutschland<br />

und im Land Bremen im Jahr 2006<br />

100%<br />

503.401<br />

57,3%<br />

288.266<br />

42,7%<br />

215.135<br />

100%<br />

3.445<br />

Deutschland Bremen<br />

55,0%<br />

1.894<br />

Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />

a.a.O., S. 320; Statistisches Landesamt Bremen;<br />

eigene Berechnungen.<br />

45,0%<br />

1.551<br />

gesamt<br />

Männer<br />

Frauen<br />

Des Weiteren ist der hohe Anteil von <strong>Jugendliche</strong>n<br />

ohne oder mit Hauptschulabschluss im<br />

Übergangssystem auffällig. Bundesweit stellt<br />

diese Gruppe mit mehr als 308.000 Teilnehmern<br />

und Teilnehmerinnen über 60 Prozent an<br />

allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen. Damit<br />

beginnen 79 Prozent der <strong>Jugendliche</strong>n ohne<br />

und 51 Prozent der <strong>Jugendliche</strong>n mit Hauptschulabschluss<br />

ihre Berufskarriere im Übergangssystem.<br />

Für das Land Bremen können<br />

keine genauen Zahlen ermittelt werden. Es<br />

ist aber davon auszugehen, dass sich auch<br />

hier die gleichen Übergangsprobleme zeigen.<br />

17 Vgl. auch Kapitel 2 von Christiane Koch und Peer Rosenthal<br />

in diesem Bericht.


25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Abbildung 7: Neuzugänge in das Übergangssystem<br />

nach schulischer Vorbildung in Deutschland im Jahr 2006<br />

ohne Hauptschulabschluss mittlerer Hochschul- oder sonstiger<br />

Hauptschulabschluss Schulabschluss Fachhochschulreife Abschluss<br />

Deutschland 112.575 195.670 157.582 5.733 31.841<br />

in Prozent 22,4 38,9 31,3 1,1 6,3<br />

Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 320.<br />

Werden die Teilnehmer/innen des Übergangssystems<br />

nach Staatsangehörigkeit differenziert,<br />

wird deutlich, dass ausländische <strong>Jugendliche</strong><br />

im Übergangssystem stark überrepräsentiert<br />

sind. Bundesweit stellen sie 8 Prozent<br />

aller Neuzugänge, aber über 12 Prozent im<br />

Übergangssystem. 18 <strong>Die</strong>se Entwicklung zeigt<br />

sich auch im Land Bremen, wo der Anteil ausländischer<br />

<strong>Jugendliche</strong>r an den Neuzugängen<br />

insgesamt bei 10 Prozent liegt und sich dann<br />

in der dualen Berufsausbildung auf unter 6<br />

Prozent reduziert. Im Übergangssystem liegt<br />

ihr Anteil mit 23 Prozent mehr als doppelt<br />

so hoch.<br />

Abbildung 8: Anteil von Neuzugängen mit<br />

ausländischer Staatsangehörigkeit in<br />

den Sektoren des beruflichen Ausbildungssystems<br />

in Deutschland und im Land<br />

Bremen im Jahr 2006 in Prozent<br />

8,0<br />

5,2<br />

5,5<br />

12,2<br />

10,4<br />

Deutschland Bremen<br />

Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung<br />

(2008): a.a.O., S. 322; Statistisches<br />

Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.<br />

5,6<br />

10,5<br />

22,7<br />

insgesamt<br />

duales System<br />

Schulberufssystem<br />

Übergangssystem<br />

Den Großteil der Angebote im Übergangssystem<br />

stellten im Jahr 2006 mit knapp<br />

190.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen die<br />

Berufsfachschulen, die in ein oder zwei Jahren<br />

berufliche Grundkenntnisse oder das Nachholen<br />

eines allgemeinbildenden Schulabschlusses<br />

vermitteln. Daneben existieren als zweitgrößte<br />

Gruppe die Maßnahmen der Arbeitsagentur<br />

(berufsvorbereitende Maßnahmen der<br />

Bundesagentur), die darauf abzielen, die individuellen<br />

Voraussetzungen der <strong>Jugendliche</strong>n<br />

<strong>für</strong> die Aufnahme einer Ausbildung zu verbessern.<br />

Darüber hinaus bestehen Angebote der<br />

Berufsschulen <strong>für</strong> Schüler/innen ohne Ausbildungsvertrag,<br />

das Berufsvorbereitungsjahr<br />

(BVJ), das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) und<br />

die Einstiegsqualifizierung <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong><br />

(EQJ). Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung<br />

konstatieren die Autorinnen und Autoren<br />

des Berichts ›Bildung in Deutschland 2008‹,<br />

dass in der jüngsten Vergangenheit keine hohe<br />

Dynamik in der Angebotsstruktur des Übergangssystems<br />

zu erkennen ist. Auffällig ist<br />

aber der seit 2004 stark gewachsene Anteil<br />

der Berufsschüler/innen ohne Ausbildungsvertrag<br />

bei gleichzeitigem Rückgang der<br />

berufsvorbereitenden Maßnahmen der Bundesagentur<br />

<strong>für</strong> Arbeit. 19<br />

18 Vgl. auch Kapitel 2 von Christiane Koch und Peer Rosenthal<br />

in diesem Bericht.<br />

19 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />

a.a.O., S. 98 f.<br />

73


74<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />

Abbildung 9: Verteilung der Neuzugänge auf die Bereiche des Übergangssystems<br />

1995, 2000, 2004, 2005 und 2006 in Deutschland<br />

EQJ Jugend Berufsvorbe- sonstige Berufsschulen- schulisches Berufsfachschulen, schulisches<br />

sofort- reitende Maß- schulische Schüler ohne Berufsvorbe- die keinen beruf- Berufsvorbeprogramm<br />

nahmen Bildungsgänge Ausbildungs- reitungsjahr lichen Abschluss reitungsjahr<br />

der BA vertrag (BVJ) vermitteln (BGJ), Vollzeit<br />

1995 0 0 67.448 30.746 29.209 44.118 134.638 34.978<br />

2000 0 60.908 98.614 43.975 26.317 53.500 141.420 35.373<br />

2004 8.329 0 125.184 49.763 33.064 63.335 182.361 43.161<br />

2005 18.751 0 115.724 12.773 83.285 53.177 189.522 37.751<br />

2006 22.793 0 110.778 11.861 83.126 50.001 188.230 36.612<br />

Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 97.<br />

Für das Land Bremen ergeben sich auf der<br />

Basis von Auswertungen <strong>für</strong> das Ausbildungsjahr<br />

2006/2007 die in Abbildung 10 aufgeführten<br />

Werte. Es dominieren eindeutig die<br />

schulischen Maßnahmen mit über 5.400 Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmern, während an<br />

den berufsvorbereitenden Maßnahmen der<br />

Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (berufsvorbereitende<br />

Maßnahmen der BA und Einstiegsqualifizierungen)<br />

705 Personen teilnahmen.<br />

Abbildung 10: Teilnehmer/innen an<br />

berufsvorbereitenden Maßnahmen im<br />

Land Bremen (Stichtag: 31.12.2006)<br />

ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge Teilzeit 424<br />

ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge Vollzeit 517<br />

Berufsgrundbildungsjahr 12<br />

Berufseingangsstufen/Berufsfachschulen 582<br />

Berufsfachschulen ohne qualifizierenden Abschluss 3.879<br />

berufsvorbereitende BA-Maßnahmen 553<br />

Einstiegsqualifizierung 152<br />

Quelle: Hammer, Gerlinde/Knuth, Jutta (2008): a.a.O., S. 17 f.<br />

Im Verlauf der Ausbildungsplatzkrise und des<br />

wachsenden Bedarfes an Plätzen im Übergangssystem<br />

wurde im Zuge des ›Nationalen<br />

Ausbildungspaktes‹ ein neues Instrument entwickelt,<br />

das kostengünstig und unaufwendig<br />

praktikabel sein sollte und dadurch imstande,<br />

in kurzer Zeit hohe Betreuungsplatzzahlen und<br />

durch seine Betriebsnähe neue Anknüpfungspunkte<br />

an verlorene Ausbildungsstrukturen<br />

zu sichern: die Einstiegsqualifizierung <strong>für</strong><br />

<strong>Jugendliche</strong> (EQJ beziehungsweise neuerdings<br />

EQ). Eine genauere Betrachtung dieses<br />

modernen Übergangs-Instruments soll im<br />

folgenden Abschnitt stattfinden.


4.4 Einstiegsqualifizierung (EQJ/EQ)<br />

als Beispiel einer Fördermaßnahme<br />

des Übergangssystems<br />

Einstiegsqualifizierungen sind betriebliche<br />

Praktika und werden erstmalig seit Oktober<br />

2004 durchgeführt. Das Programm ›Einstiegsqualifizierung<br />

<strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> (EQJ)‹ wurde im<br />

Rahmen des ›Nationalen Pakts <strong>für</strong> Ausbildung<br />

und Fachkräftenachwuchs in Deutschland‹<br />

beschlossen. 20 <strong>Die</strong> Mittel <strong>für</strong> das Sonderprogramm<br />

›EQJ‹ wurden zunächst vom Bund<br />

bereitgestellt, im Sommer 2007 beschloss<br />

die Bundesregierung, Einstiegsqualifizierungen<br />

als Regelangebot zu verstetigen. Seit Oktober<br />

letzten Jahres werden sie als arbeitsmarktpolitisches<br />

Instrument der Bundesagentur <strong>für</strong><br />

Arbeit angeboten. 21 <strong>Die</strong>s wurde mit dem<br />

großen ›Erfolg‹ von EQJ als ›wichtiger Türöffner<br />

<strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong>‹ in Ausbildung begründet. 22<br />

Das Programm ist zugeschnitten auf<br />

<strong>Jugendliche</strong>, die als ›bedingt ausbildungstauglich‹<br />

eingestuft sind, aber bisher trotz ihrer<br />

aktiven Bemühungen noch keinen betrieblichen<br />

Ausbildungsplatz gefunden haben. Zum förderfähigen<br />

Personenkreis zählen<br />

<strong>Jugendliche</strong> ›mit aus individuellen Gründen<br />

eingeschränkten Vermittlungsperspektiven,<br />

die auch nach den bundesweiten Nachvermittlungsaktionen<br />

keinen Ausbildungsplatz<br />

haben‹,<br />

Auszubildende, die noch nicht in vollem<br />

Maße über die erforderliche<br />

Ausbildungs-befähigung verfügen‹ sowie<br />

lernbeeinträchtigte und sozial<br />

benachteiligte Auszubildende‹.<br />

<strong>Die</strong> Vermittlung in Einstiegsqualifizierungen<br />

erfolgt nachrangig. Es nehmen ausschließlich<br />

junge Frauen und Männer teil, die ihre<br />

Schulpflicht beendet haben und – von Ausnahmefällen<br />

abgesehen – solche, die als Bewerber/innen<br />

bei der Agentur <strong>für</strong> Arbeit registriert<br />

sind, die bis zum Stichtag 30. September<br />

noch keinen Ausbildungsplatz haben und die<br />

sich an der Nachvermittlungsaktion beteiligen.<br />

<strong>Die</strong> Vermittlung in EQ erfolgt über die Arbeitsverwaltung,<br />

die auch <strong>für</strong> die Ausstellung der<br />

Verträge zuständig ist.<br />

Über die Eignung der Betriebe entscheiden<br />

die zuständigen Kammern.<br />

Im Unterschied zu anderen betrieblichen<br />

Praktika werden EQ-Maßnahmen öffentlich<br />

subventioniert: <strong>Die</strong> Praktikanten und Praktikantinnen<br />

erhalten von der Arbeitsverwaltung<br />

(Agentur <strong>für</strong> Arbeit beziehungsweise SGB-II-<br />

Träger) einen Unterhaltszuschuss bis zu einer<br />

Höhe von 192 Euro monatlich zuzüglich eines<br />

pauschalierten Anteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag.<br />

<strong>Die</strong> betrieblichen Einstiegsqualifizierungen<br />

können in der Regel frühestens<br />

ab 1. Oktober jeden Ausbildungsjahres<br />

– das heißt mit Beginn der jährlichen Nachvermittlungsaktion<br />

–, spätestens aber bis<br />

März des darauf folgenden Jahres beginnen.<br />

<strong>Die</strong> Laufzeit der Praktika beträgt zwischen<br />

sechs und zwölf Monaten.<br />

20 Vgl. Krewer, Gabriele (2008): EQJ – ein Türöffner zur Berufsausbildung,<br />

S. 53; in: Loebe, Herbert/Severing, Eckart (Hrsg.):<br />

Berufsausbildung im Umbruch, Ansätze zur Modernisierung des<br />

dualen Systems.<br />

21 § 235b SGB III.<br />

22 Vgl. Bundesministerium <strong>für</strong> Arbeit und Soziales (2006): Einstiegsqualifizierung<br />

ist wichtiger Türöffner <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong>, Pressemitteilung<br />

vom 25. April 2006; Bundesministerium <strong>für</strong> Arbeit<br />

und Soziales (2007): Verbesserung von Qualifizierung und<br />

Beschäftigungschancen, Pressemitteilung vom 13. Juni 2007.<br />

75


76<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />

Erfahrungen mit Einstiegsqualifizierungen<br />

im Land Bremen 23<br />

Einstiegsqualifizierungen haben sich in den<br />

letzten Jahren zu einem wichtigen Angebot im<br />

›Instrumentenkasten‹ der Arbeitsverwaltung<br />

entwickelt. Nach der erstmaligen Einführung<br />

von EQJ im Ausbildungsjahr 2004/2005 pendelte<br />

sich in den Folgejahren die Anzahl der<br />

EQ-Praktika bei 330 in der Stadt Bremen und<br />

knapp 100 in Bremerhaven ein. Im Vergleich<br />

mit den anderen von der Bundesagentur<br />

geförderten Maßnahmen <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong>/junge<br />

Erwachsene (berufsvorbereitende Maßnahmen<br />

und außerbetriebliche Ausbildung) erweist<br />

sich der Stellenwert von EQ durchgehend als<br />

recht hoch: Im Ausbildungsjahr 2006/2007<br />

standen <strong>für</strong> berufs- und ausbildungsvorbereitende<br />

Maßnahmen (Angebote der Arbeitsverwaltung)<br />

559 Plätze zur Verfügung, <strong>für</strong> eine<br />

Berufsausbildung in außerbetrieblichen Maßnahmen<br />

620 Plätze und <strong>für</strong> die Einstiegsqualifizierung<br />

<strong>Jugendliche</strong>r wurden 436 Plätze<br />

angeboten. Auch im Jahr 2007/2008 sahen<br />

die Relationen ähnlich aus: So begannen in<br />

der Stadt Bremen 308 <strong>Jugendliche</strong> eine<br />

berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme, 220<br />

eine außerbetriebliche Ausbildung und 330<br />

eine Einstiegsqualifizierung.<br />

Abbildung 11: Anzahl der<br />

Teilnehmer/innen in EQJ seit 2004 in den<br />

Städten Bremen und Bremerhaven<br />

152<br />

51<br />

317<br />

90<br />

360<br />

2004/2005 2005/2006 2006/2007 2007/2008<br />

98<br />

Quelle: Kühnlein, Gertrud (i.E.): Bestandsaufnahme<br />

und Analyse der Entwicklung des beruflichen<br />

Übergangssystems in Bremen unter besonderer<br />

Berücksichtigung der Erfahrungen mit dem<br />

Instrument Einstiegsqualifizierung (EQ), Bremen.<br />

329<br />

ca.<br />

100<br />

Bremen<br />

Bremerhaven<br />

Über alle Jahre hinweg zeigt sich, dass die<br />

Anzahl der von den Betrieben angebotenen<br />

Plätze die tatsächlich realisierten EQ-Praktika<br />

bei Weitem übersteigt. Das gilt <strong>für</strong> alle<br />

Bundesländer. Für das Land Bremen sieht das<br />

Verhältnis wie folgt aus: von 510 bei den<br />

Agenturen <strong>für</strong> Arbeit gemeldeten EQ-Stellen<br />

waren im Januar 2008 noch 302 unbesetzt.<br />

<strong>Die</strong>s entspricht einem Anteil von 60 Prozent.<br />

Entscheidend <strong>für</strong> die Beurteilung des Instruments<br />

Einstiegsqualifizierung ist unter anderem<br />

natürlich die Frage, welche <strong>Jugendliche</strong>n<br />

ein solches Praktikum absolvieren, weil es<br />

eben nicht nur marktbenachteiligte, sondern<br />

auch lern- und sozial benachteiligte <strong>Jugendliche</strong><br />

erreichen soll. Von daher ist es äußerst<br />

bedauerlich, dass aktuelle Daten zur Zusammensetzung<br />

der Praktikantinnen und Praktikanten<br />

nach sozialstatistischen Merkmalen wie<br />

Geschlecht, Alter, Schulabschluss oder<br />

nationale Herkunft <strong>für</strong> das Land Bremen nicht<br />

vorliegen. Allerdings ist einer Mitteilung des<br />

Bremer Senats vom Januar 2007 zu entnehmen,<br />

dass die meisten EQ-Teilnehmer/innen<br />

über einen (erweiterten) Hauptschulabschluss<br />

oder mittleren Schulabschluss verfügen.<br />

14 Prozent in Bremen und 5 Prozent in<br />

Bremerhaven haben sogar die Hochschulreife<br />

erreicht und lediglich 0,5 Prozent (Bremen)<br />

beziehungsweise 6 Prozent (Bremerhaven)<br />

sind ohne Schulabschluss.<br />

23 <strong>Die</strong> folgenden Ausführungen und Einschätzungen erfolgen,<br />

soweit nicht anders gekennzeichnet, auf der Basis von Ergebnissen<br />

einer Kurzstudie im Auftrag der Arbeitnehmerkammer<br />

Bremen zu Umsetzungserfahrungen des Instruments Einstiegsqualifizierung<br />

in Bremen und Bremerhaven, die im Sommer<br />

2008 durchgeführt worden ist. Ausgewertet wurden in diesem<br />

Zusammenhang die verfügbaren Datensätze, außerdem wurden<br />

Gespräche mit Expertinnen und Experten geführt, die <strong>für</strong> die<br />

Gestaltung des beruflichen Übergangssystems in Bremen und<br />

Bremerhaven zuständig sind (Vertreter/innen der Industrieund<br />

Handelskammer und der Handwerkskammer, der Arbeitsverwaltung,<br />

der <strong>Senatorin</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend<br />

und Soziales, der <strong>Senatorin</strong> <strong>für</strong> Bildung und Wissenschaft sowie<br />

des DGB). <strong>Die</strong> Studie wird demnächst erscheinen: Kühnlein,<br />

Gertrud (im Erscheinen/i.E.): Bestandsaufnahme und Analyse der<br />

Entwicklung des beruflichen Übergangssystems in Bremen<br />

unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen mit dem<br />

Instrument Einstiegsqualifizierung (EQ), Bremen.


50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Damit ist vom durchschnittlichen Schulniveau<br />

her die Zielgruppe der EQ-Praktikantinnen und<br />

-Praktikanten viel eher den Auszubildenden<br />

im ersten Lehrjahr vergleichbar als den Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmern an berufsausbildungsvorbereitenden<br />

Maßnahmen. <strong>Die</strong>ser<br />

Befund entspricht in der Tendenz auch den<br />

Ergebnissen einer bundesweiten Evaluation. 24<br />

Auffallend ist allerdings in der Stadt Bremen<br />

der vergleichsweise sehr hohe Anteil von<br />

EQ-Praktikantinnen und -Praktikanten mit Hochschulreife<br />

und der besonders geringe Anteil<br />

von Teilnehmerinnen und Teilnehmern ohne<br />

Schulabschluss.<br />

<strong>Die</strong> weitaus meisten EQ-Praktika werden in<br />

den Zuständigkeitsbereichen der Handelskammer<br />

Bremen und der Industrie- und Handelskammer<br />

Bremerhaven sowie der Handwerkskammer<br />

angeboten. Einen deutlichen Schwerpunkt<br />

bildet der <strong>Die</strong>nstleistungssektor. Von<br />

allen Einstiegsqualifizierungen liegen Verkaufsberufe<br />

im Einzelhandel an erster Stelle. An<br />

zweiter Stelle steht das Hotel- und Gaststättengewerbe.<br />

Weitere Berufsgruppen im<br />

Zuständigkeitsbereich der Handelskammer<br />

Bremen und der Industrie- und Handelskammer<br />

(IHK) Bremerhaven sind mit deutlichem<br />

Abstand Bürokaufleute sowie der Metallbereich<br />

(Industriemechaniker).<br />

Bei den Handwerksberufen liegt der Ausbildungsberuf<br />

Friseur/in weit vorne (nach<br />

Auskunft der Handwerkskammer etwa jede<br />

vierte EQ-Stelle). Einen weiteren Schwerpunkt<br />

(etwa 15 Prozent) nimmt hier das Kraftfahrzeuggewerbe<br />

ein (Mechaniker, Mechatroniker)<br />

sowie – mit geringeren Anteilen – Fachverkäufer/innen<br />

im Nahrungsmittelhandwerk.<br />

Zudem gibt es EQ-Plätze in den Berufen Maler<br />

und Lackierer, Dachdecker, Anlagenmechaniker<br />

und Tischler.<br />

Abbildung 12:<br />

Schulabschlüsse der EQ-Teilnehmer/innen in Bremen und Bremerhaven 2004 bis 2006<br />

0,5 %<br />

3,0 %<br />

4,5 %<br />

ohne Schulabschluss<br />

0,0 %<br />

Quelle: Kühnlein, Gertrud (i.E.): a.a.O.<br />

3,0 %<br />

0,0 %<br />

Sonderschulabschluss<br />

54,0 %<br />

45,0 %<br />

46,0 %<br />

Hauptschulabschluss<br />

31,0 %<br />

44,0 % 42,0 %<br />

mittlerer Schulabschluss<br />

14,0 %<br />

5,0 %<br />

Hochschulreife<br />

7,5 %<br />

Bremen<br />

Bremerhaven<br />

Bund<br />

24 Vgl. (GIB) Gesellschaft <strong>für</strong> Innovationsforschung und Beratung<br />

mbH (2008): Begleitforschung des Sonderprogramms des<br />

Bundes zur Einstiegsqualifizierung <strong>Jugendliche</strong>r im Auftrag des<br />

Bundesministeriums <strong>für</strong> Arbeit und Soziales, Abschlussbericht,<br />

Berlin.<br />

77


78<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />

<strong>Die</strong> Übernahmequoten von EQ in Ausbildung<br />

sind seit Beginn der Maßnahme unverändert<br />

hoch: Etwa 50 bis 70 Prozent der EQ-Praktikantinnen<br />

und Praktikanten finden im<br />

Anschluss einen (betrieblichen) Ausbildungsplatz.<br />

<strong>Die</strong> Angaben hierzu differieren je nach<br />

Zählweise. Während die Kammern lediglich<br />

die Teilnehmer/innen einrechnen, die die<br />

EQ-Maßnahme erfolgreich absolviert haben,<br />

erfasst die Arbeitsverwaltung alle Teilnehmer/innen,<br />

die eine Einstiegsqualifizierung<br />

begonnen haben.<br />

Über spezifische Unterschiede im Übernahmeverhalten<br />

der Betriebe hinsichtlich Betriebsgröße,<br />

Branchen und Berufen sowie Schulniveau,<br />

Herkunft und Geschlecht der Teilnehmer/innen<br />

liegen keine Erhebungen vor. Hier<br />

kann allenfalls unter Bezug auf die Ergebnisse<br />

der bundesweiten Evaluation die Vermutung<br />

angestellt werden, dass die Teilnehmer/innen<br />

mit höheren Schulabschlüssen im Durchschnitt<br />

bessere Übernahmechancen haben.<br />

<strong>Die</strong> Inhalte der Einstiegsqualifizierung sollen<br />

sich an den Qualifizierungsbausteinen orientieren,<br />

die vonseiten der zuständigen Kammern<br />

in den letzten Jahren <strong>für</strong> eine Vielzahl von Ausbildungsberufen<br />

entwickelt worden sind. <strong>Die</strong>se<br />

sind jeweils den Ausbildungsinhalten aus dem<br />

ersten Ausbildungsjahr entnommen und werden<br />

den Betrieben zur Verfügung gestellt. Ob<br />

die Betriebe von dieser Möglichkeit tatsächlich<br />

Gebrauch machen, wird von keiner Seite<br />

systematisch überprüft. Weder die Arbeitsverwaltung<br />

noch die Kammern sehen solche Qualitätskontrollen<br />

als ihre originäre Aufgabe an.<br />

Da <strong>für</strong> EQ keine Kammerprüfungen vorgesehen<br />

sind und da ausdrücklich auch solche<br />

Betriebe angesprochen sind, die bisher noch<br />

nicht ausgebildet haben, ist zu vermuten,<br />

dass die Ausbildungsqualität im Einzelfall sehr<br />

unterschiedlich ausfällt. Ob und inwieweit der<br />

Einsatz der Praktikantinnen und Praktikanten<br />

im Betriebsalltag jeweils ›lernhaltige‹ Elemente<br />

enthält, dürfte nach Branchen und Berufen<br />

relativ stark differieren. Kritisch zu beobachten<br />

wären unter diesem Aspekt zum Beispiel<br />

Unternehmen aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe,<br />

Teile des Einzelhandels (insbesondere<br />

Filialbetriebe) sowie das Friseurhandwerk.<br />

Das EQ-Praktikum kann anteilig auf die<br />

Ausbildung angerechnet werden und damit zu<br />

einer entsprechenden Verkürzung der Ausbildungszeit<br />

führen. 25 In der Praxis findet eine<br />

solche Anrechnung allerdings offenbar nur<br />

selten statt: Im Bereich der (Industrie- und)<br />

Handelskammern scheint dies den ›absoluten<br />

Ausnahmefall‹ darzustellen. Bei der Handwerkskammer<br />

geht man dagegen davon aus,<br />

dass ungefähr ein Drittel der Betriebe sechs<br />

EQ-Monate auf die reguläre Ausbildungszeit<br />

anerkennen, wenn sowohl der fachpraktische<br />

als auch der fachtheoretische Teil mit Erfolg<br />

abgelegt worden ist. Zwingende Voraussetzung<br />

da<strong>für</strong> ist allerdings der regelmäßige<br />

Berufsschulbesuch.<br />

<strong>Die</strong> EQ-Praktikantinnen und -Praktikanten<br />

haben in Bremen die Möglichkeit, die Berufsschule<br />

zu besuchen. Sie werden dann in die<br />

entsprechenden Fachklassen (erstes Ausbildungsjahr)<br />

integriert. 26 Wie hoch der Anteil<br />

derer ist, die tatsächlich am Berufsschulunterricht<br />

teilnehmen, wird allerdings von keiner<br />

Institution systematisch erfasst. Auch bei<br />

optimistischer Schätzung muss davon ausgegangen<br />

werden, dass maximal die Hälfte der<br />

EQ-Teilnehmer/innen den Lernort Berufsschule<br />

besucht. 27<br />

Eine Beschulung am dritten Lernort, den<br />

überbetrieblichen Lehrwerkstätten des Handwerks,<br />

ist allein den beteiligten Betrieben<br />

überlassen und müsste gegebenenfalls auch<br />

von diesen finanziert werden. <strong>Die</strong>s geschieht<br />

allerdings nach Auskunft der Handwerkskammer<br />

in den seltensten Fällen.<br />

Gesetzlich vorgesehen ist die Ausstellung<br />

von Bescheinigungen durch die Betriebe sowie<br />

darauf basierend Zertifikate der Kammern:<br />

›<strong>Die</strong> vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten<br />

25 Nach § 8 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) und § 27b Abs. 1<br />

Handwerksordnung.<br />

26 <strong>Die</strong>s entspricht den Regelungen in den meisten anderen<br />

Bundesländern. Nur in Ausnahmefällen ist ein Berufsschulbesuch<br />

<strong>für</strong> EQ-Teilnehmer/innen nicht vorgesehen.<br />

27 Hierzu existiert lediglich eine punktuelle Erhebung der <strong>Senatorin</strong><br />

<strong>für</strong> Bildung und Wissenschaft: So wurden Anfang November<br />

2007 an den Berufsschulen der Stadt Bremen 77 EQ-<br />

Schüler/innen gezählt. Insgesamt begannen im Ausbildungsjahr<br />

2007/2008 330 <strong>Jugendliche</strong> eine EQ-Maßnahme – allerdings zu<br />

jeweils individuell unterschiedlichen Einstiegszeitpunkten<br />

zwischen Oktober 2007 und Februar/März 2008.


80<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />

sind vom Betrieb zu bescheinigen. <strong>Die</strong> zuständige<br />

Stelle stellt über die erfolgreich durchgeführte<br />

betriebliche Einstiegsqualifizierung<br />

ein Zertifikat aus.‹ 28<br />

Solche Zertifikate werden allerdings nach<br />

Auskunft der zuständigen Kammern in der Praxis<br />

nur <strong>für</strong> bis zu 40 Prozent der Praktikantinnen<br />

und Praktikanten ausgestellt (Handelskammer<br />

beziehungsweise IHK), im Bereich der<br />

Handwerkskammer sind es nach deren Angaben<br />

sogar lediglich 10 bis 15 Prozent. <strong>Die</strong><br />

IHK begründet dies damit, dass die Kammer<br />

lediglich dann agiere, wenn der Betrieb oder<br />

der/die Praktikant/in die notwendige Initiative<br />

ergreifen. Zudem sollen vor allem Kleinbetriebe<br />

von dem Anspruch, die erbrachten Ausbildungsleistungen<br />

zu bescheinigen, schlicht<br />

überfordert sein.<br />

Bewertung des Instruments<br />

Einstiegsqualifizierung<br />

Zweifellos: Teilnehmer/innen von EQ weisen<br />

eine hohe Übergangswahrscheinlichkeit in<br />

betriebliche Ausbildung auf und auch der<br />

erhoffte Klebeeffekt, also die Übernahme<br />

durch den Betrieb, in dem das Praktikum<br />

absolviert wurde, tritt in vielen Fällen ein.<br />

Doch reicht das als alleiniger Erfolgsmaßstab<br />

aus? Mit Sicherheit nicht.<br />

Hohe Übergangsquoten sind das eine, sich<br />

aus diesen Übergängen ergebende Zukunftsperspektiven<br />

das andere. So stehen einige<br />

der am meisten frequentierten Berufe <strong>für</strong><br />

›schlechte Ausbildungsqualität‹ 29 , hohe<br />

Abbruchquoten und vor allem auch geringe<br />

Übernahmequoten nach der Ausbildung in<br />

Erwerbstätigkeit. Daher droht nach dem staatlich<br />

geförderten Einstieg in die Berufsausbildung<br />

schon wieder der nächste erzwungene<br />

Ausstieg.<br />

Das Instrument EQ wurde vom Gesetzgeber<br />

sehr offen angelegt, so dass einerseits erhebliche<br />

einzelbetriebliche Gestaltungsspielräume<br />

bestehen, andererseits auch wichtige<br />

Steuerungs-, Umsetzungs- und Kontrollfunktionen<br />

unklar sind. So fühlen sich weder die<br />

Arbeitsverwaltung noch die Kammern <strong>für</strong> die<br />

systematische Überprüfung der betrieblichen<br />

Umsetzung der Praktika zuständig. 30<br />

Äußerst bedenklich stimmt der geringe Anteil<br />

von <strong>Jugendliche</strong>n ohne Schulabschluss an den<br />

Einstiegsqualifizierungen. <strong>Die</strong>s macht deutlich,<br />

dass auch <strong>für</strong> betriebliche Praktika das Prinzip<br />

der Bestenauslese zur Anwendung kommt und<br />

leistungsschwächere <strong>Jugendliche</strong> wieder an<br />

das Ende der Warteschlange verwiesen werden.<br />

Symptomatisch ist denn auch, dass nur<br />

ein Bruchteil der Unternehmen vom Angebot<br />

Gebrauch macht, eine sozialpädagogische<br />

Begleitung in Anspruch zu nehmen: An jungen<br />

Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf<br />

haben die Betriebe in der Regel eben<br />

leider kein Interesse.<br />

Da zudem die Anrechnung der erworbenen<br />

Teilqualifikationen in der Praxis so gut wie<br />

nicht vorkommt und damit die Ausbildungszeit<br />

nicht verkürzt wird, steht die gesamte politische<br />

Zielsetzung der Reduzierung von Warteschleifen<br />

zur Disposition. Es bedarf daher der<br />

verbindlichen Anrechnungsregelungen und des<br />

verpflichtenden Berufsschulbesuches, da das<br />

Praktikum <strong>für</strong> die Teilnehmer/innen ansonsten<br />

ein ›Ausbildungsjahr Null‹ 31 bedeutet und der<br />

Einstieg in das Berufsleben trotz erbrachter<br />

Leistungen und staatlicher Subventionierung<br />

der Betriebe weiter verlängert wird.<br />

4.5 Unübersichtlichkeit<br />

des Übergangssystems<br />

Das Übergangssystem ist außerordentlich<br />

unübersichtlich. Als ›System‹ lässt es sich<br />

eigentlich gar nicht bezeichnen, vielmehr stellt<br />

es sich teilweise als Sammelsurium von<br />

wechselnden Angeboten dar, deren Kontinuität<br />

nicht gewährleistet ist, deren Angebotsteile<br />

über keine innere Struktur verfügen und an<br />

dem ganz unterschiedliche Geldgeber beteiligt<br />

28 § 235 Abs. 3 SGB III.<br />

29 Vgl. DGB-Jugend (2008): Ausbildungsreport 2008, Berlin.<br />

30 Gewisse Hoffnungen sind mit der neuen Geschäftsanweisung<br />

der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit vom November letzten Jahres<br />

verbunden, die den örtlichen Agenturen <strong>für</strong> Arbeit eine höhere<br />

Verantwortung zuweist.<br />

31 Vgl. Kühnlein, Gertrud (i.E.): a.a.O.


sind. 32 <strong>Die</strong> Bildungspolitik in dieser Sphäre,<br />

sofern man von einer solchen überhaupt<br />

sprechen kann, ist ausschließlich reaktiv, das<br />

heißt, es werden auf Basis des alljährlichen,<br />

unkalkulierten Bewerber/innen-Überhangs in<br />

den verschiedenen Sektoren des Übergangssystems<br />

– den schulischen wie den durch freie<br />

Träger getragenen – Kapazitäten bereitgestellt,<br />

um die unversorgten <strong>Jugendliche</strong>n ›vom<br />

Markt zu nehmen‹. Infolgedessen ist das Übergangssystem<br />

›faktisch zum Ausdehnungsraum<br />

<strong>für</strong> den Nachfrageüberhang nach betrieblichen<br />

Ausbildungsplätzen geworden‹. 33 <strong>Die</strong> Hauptträgerschaft<br />

teilen sich die diversen Schultypen<br />

vor Ort und freie Träger, die überwiegend<br />

durch Mittel der Arbeitsagentur finanziert<br />

werden. Da alljährlich die Mär vom ausgeglichenen<br />

Ausbildungsmarkt gesungen wird, die<br />

Matchingprozesse in einem freien Markt auch<br />

kaum steuer- und planbar sind, verläuft dieser<br />

Bereitstellungsprozess notwendigerweise<br />

mehr oder weniger spontan. Das heißt, es<br />

zeigt sich erst nach Beginn des Ausbildungsjahres<br />

im September, welchen Übergangsbedarf<br />

eine Region wie Bremen hat, was dazu<br />

führt, dass entweder in guten Ausbildungsjahren<br />

vorgehaltene Kapazitäten frei bleiben (und<br />

Bildungsträger Personal freisetzen müssen)<br />

oder aber nicht vorhandene Kapazitäten noch<br />

schnell aus dem Boden gestampft werden<br />

müssen – was in der Regel nicht zielgerichtet<br />

geschehen kann und mit den entsprechenden<br />

qualitativen Abstrichen verbunden ist. Verschärft<br />

wurde diese Tatsache durch die<br />

Umstellung der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit auf<br />

das Instrument des zentralen Einkaufs von<br />

Maßnahmen, der eine längerfristige Planbarkeit<br />

der Zusammenarbeit mit regionalen<br />

Trägern massiv erschwert hat. 34<br />

Im Prinzip gibt es kein bildungspolitisches<br />

und daraus resultierendes pädagogisches<br />

Konzept <strong>für</strong> den Bereich des Übergangssystems.<br />

35 Angebot schaffen, unterbringen,<br />

Statistik bereinigen lautet die Devise: Man hat<br />

das Übergangssystem mit der Jugendberufsnot<br />

einfach wachsen lassen und es in relativer<br />

Strukturlosigkeit belassen. Das führt dazu,<br />

dass mit nahezu jeder Änderung der Förderstrukturen,<br />

gleichgültig ob diese schulisch<br />

(Landesebene) oder außerschulisch (Arbeitsagentur-Ebene)<br />

stattfindet, sich auch die<br />

Instrumente des Übergangssystems ändern.<br />

Eine Reduzierung der Maßnahmeangebote der<br />

Arbeitsagentur beispielsweise führt – wie in<br />

den letzten Jahren geschehen – zu einem notwendigen<br />

Ausbau der schulischen Angebote,<br />

ohne dass die <strong>Schule</strong>n auf diese Anforderung<br />

von der Kapazität her, geschweige denn konzeptionell<br />

oder fachlich wirklich darauf eingestellt<br />

wären. 36 <strong>Die</strong> wenigsten Lehrer/innen,<br />

Berufsschulen einmal ausgenommen, besitzen<br />

ausgeprägte Fachkenntnisse in Berufsorientierung<br />

oder können berufsfachliche Grundbildung<br />

vermitteln. 37 <strong>Die</strong> betrieblichen Kontakte<br />

sind hier zudem vielfach noch sehr rudimentär.<br />

32 Vgl. Bosch, Gerhard (2008): Herausforderungen <strong>für</strong> das deutsche<br />

Berufsbildungssystem, S. 54; in: Zimmer, Gerhard/<br />

Dehnbostel, Peter (Hrsg.): Berufsausbildung in der Entwicklung –<br />

Positionen und Leitlinien. Duales System,schulische Ausbildung,<br />

Übergangssystem, Modularisierung, Europäisierung.<br />

33 Vgl. Dobischat, Rolf/Milolaza, Anita/Stender, Axel (2008):<br />

Vollzeitschulische Berufsausbildung – eine gleichwertige<br />

Alternative zur dualen Berufsausbildung, S. 129; in: Zimmer,<br />

Gerhard/Dehnbostel, Peter (Hrsg.): a.a.O.<br />

34 Vgl. Kühnlein, Gertrud (2008): Das berufliche Übergangssystem:<br />

Neues kommunales Handlungsfeld im Dreieck von Arbeitsmarkt-,<br />

Bildungs- und Jugendpolitik, S. 54; in: BWP 1/2008.<br />

35 Vgl. Molzberger, Gabriele (2008): Differenzielle Qualifizierungswege<br />

– neue Perspektiven <strong>für</strong> sozial benachteiligte junge Menschen,<br />

S. 156; in: Zimmer, Gerhard/Dehnbostel, Peter (Hrsg.):<br />

a.a.O. und Bojanowski, Arnulf (2006): Umriss einer beruflichen<br />

Förderpädagogik. Systematisierungsvorschlag zu einer Pädagogik<br />

<strong>für</strong> benachteiligte <strong>Jugendliche</strong>, S. 330-362; in: Bojanowski,<br />

Arnulf/Ratschinski, Günter/Straßer, Peter (Hrsg.): <strong>Die</strong>sseits<br />

vom Abseits, Studien zur beruflichen Benachteiligtenförderung.<br />

36 Vgl. Dobischat, Rolf/Milolaza, Anita/Stender, Axel (2008):<br />

a.a.O., S. 147 und Kampmeier, Anke u.a. (2008): Das Miteinander<br />

fördern, Ansätze <strong>für</strong> eine professionelle Benachteiligtenförderung,<br />

S. 7.<br />

37 Vgl. Walter, Sibylle/Walther, Andreas (2007): ›Context matters‹:<br />

Anforderungen, Risiken und Spielräume im deutschen Übergangssystem,<br />

S. 74; in: Stauber, Barbara/Pohl, Axel/Walther,<br />

Andreas (Hrsg.): Subjektorientierte Übergangsforschung,<br />

Rekonstruktion und Unterstützung biografischer Übergänge<br />

junger Erwachsener.<br />

81


82<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />

<strong>Die</strong> Angebote des Übergangssystems passen<br />

demnach auch nicht zusammen, können nicht<br />

ineinandergreifen und oft nicht aufeinander<br />

aufbauen. Erfolgreiche Strukturierungsansätze<br />

wie beispielsweise das Bremer schulische<br />

Angebot der B/BFS und der anschließenden<br />

BFSq 38 werden mit der aktuellen Schulreform<br />

zur Disposition gestellt. Zudem wurde über<br />

die Reduktion der BA-Mittel und ihrer Ausschreibungspraxis<br />

eine verstärkte Konkurrenz<br />

der Trägerschaften installiert. Lernortkooperation,<br />

ein zentrales Instrument der traditionellen<br />

Benachteiligtenförderung, mit deren Hilfe<br />

beispielsweise schulische und Trägerangebote<br />

kombinierbar würden und auch der Kontakt<br />

in die Wirtschaft leichter koordinierbar wäre,<br />

ist unter solchen Konkurrenzbedingungen<br />

nahezu ausgeschlossen. Zielgruppendifferenzierung<br />

und ein dementsprechender passgenauer<br />

Zuschnitt an Übergangsmaßnahmen sind<br />

in einem solchen diskontinuierlichen Sammelbecken<br />

äußerst komplex und teilweise nicht<br />

möglich. <strong>Die</strong> Konsequenz ist einfach oder<br />

nachhaltig negativ:<br />

Es lässt sich zwar konstatieren, dass sich<br />

durch die Bildungsangebote des Übergangsbereiches<br />

das Bildungsniveau der Teilnehmer/<br />

-innen verbessert, zudem bewerten die teilnehmenden<br />

<strong>Jugendliche</strong>n den Nutzen <strong>für</strong> die<br />

persönliche Entwicklung mehrheitlich positiv. 39<br />

<strong>Die</strong> Chancen auf Integration in Berufsausbildung<br />

werden aber nicht <strong>für</strong> alle Teilnehmer/innen<br />

größer. Das Übergangssystem ist <strong>für</strong><br />

diese <strong>Jugendliche</strong>n somit nicht einmal eine<br />

Warteschleife, sondern eine Sackgasse. Wie<br />

viele <strong>Jugendliche</strong> von solch einer Entwicklung<br />

betroffen sind, wird im Folgenden dargestellt.<br />

4.6 Ausbildungslosigkeit trotz<br />

Übergangssystems<br />

Obgleich die Thematik der Übergänge an der<br />

ersten Schwelle in den letzten Jahren (wieder)<br />

verstärkt in den wissenschaftlichen und politischen<br />

Fokus gerückt sind, ist die Datenlage<br />

teilweise noch unbefriedigend. 40 <strong>Die</strong>s ist darauf<br />

zurückzuführen, dass ein großer Teil der<br />

Studien bereits vor einigen Jahren erstellt worden<br />

ist. Deren Ergebnisse sind nicht auf die<br />

heutige Situation übertragbar, weil die Gestaltung<br />

von Übergängen stark von der jeweiligen<br />

Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt<br />

beeinflusst wird. Andere aktuelle Studien sind<br />

zwar bestens dazu geeignet, das unmittelbare<br />

Übergangsgeschehen querschnittsartig abzubilden<br />

(vergleiche BA/BIBB-Bewerberbefragung),<br />

Längsschnittaussagen lassen sich<br />

damit aber nicht treffen. 41 Einzige bundesweite<br />

Ausnahme ist die BIBB-Übergangsstudie 42<br />

38 B/BFS war in Bremen die Berufseingangsstufe/Berufsfachschule,<br />

ein Bildungsgang <strong>für</strong> noch schulpflichtige <strong>Jugendliche</strong>, an<br />

dessen Ende ein Schulabschluss sowie der Übergang entweder<br />

in eine duale Ausbildung stehen sollte oder, wenn dieser nicht<br />

gelang, die nahtlose Überleitung in die BFSq, die Berufsfachschule<br />

mit qualifizierendem Abschluss, eine vollqualifizierende<br />

schulische Ausbildung. <strong>Die</strong>ser Bildungsgang wird mit dem<br />

Schuljahr 2008/09 wegen der neuen Struktur der Schularten in<br />

Bremen eingestellt.<br />

39 Vgl. Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): Ergebnisse<br />

der BIBB-Übergangsstudie, S. 282 ff.; in: Beicht, Ursula/<br />

Friedrich, Michael/Ulrich, Joachim Gerd (Hrsg.): Ausbildungschancen<br />

und Verbleib von Schulabsolventen. Allerdings ist in<br />

diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass <strong>Jugendliche</strong><br />

dazu neigen, ihre berufliche Situation als selbstbestimmt zu<br />

begreifen. Da selbstbestimmte Entscheidungen aber nur dann<br />

sinnvoll sind, wenn sie zielführend und nützlich erscheinen,<br />

beurteilen auch ins Übergangssystem einmündende <strong>Jugendliche</strong><br />

ihre aktuelle Situation positiv, obgleich sie nach der <strong>Schule</strong><br />

eigentlich direkt in eine Ausbildung wechseln wollten (vgl. Beicht,<br />

Ursula/Friedrich, Michael/Ulrich, Gerd Joachim (2008): Zusammenfassung<br />

und Diskussion zentraler Ergebnisse, S. 306; in:<br />

Beicht, Ursula/Friedrich, Michael/Ulrich, Joachim Gerd (Hrsg.):<br />

Ausbildungschancen und Verbleib von Schulabsolventen<br />

und den Beitrag von Ralf Lorenzen in diesem Bericht).<br />

40 Beispielhaft genannt seien hier lediglich die Lebensverlaufsstudie<br />

des Max-Planck-Instituts <strong>für</strong> Bildungsforschung, die<br />

Studien zu Arbeit und Identität des Soziologischen Forschungsinstituts<br />

in Göttingen, die Studien auf Basis des Sozioökonomischen<br />

Panels (SOEP) sowie die auf die Übergänge von Bremer<br />

Hauptschüler/innen bezogene sogenannte Bremer Jugendstudie.<br />

Für einen Überblick vgl. Friedrich, Michael/Eberhard,<br />

Verena/Ulrich, Joachim Gerd (2008): Übergänge der <strong>Jugendliche</strong>n<br />

von der <strong>Schule</strong> in die Berufsausbildung: theoretische<br />

Bezüge und Ergebnisse bisheriger Studien, S. 63 ff.; in:<br />

Beicht, Ursula/Friedrich, Michael/Ulrich, Joachim Gerd (Hrsg.):<br />

Ausbildungschancen und Verbleib von Schulabsolventen.<br />

41 Vgl. Friedrich, Michael/Eberhard, Verena/Ulrich, Joachim<br />

Gerd (2008): a.a.O., S. 77 f.<br />

42 Vgl. Beicht, Ursula/Friedrich, Michael/Ulrich, Joachim Gerd<br />

(Hrsg.): Ausbildungschancen und Verbleib von Schulabsolventen.


40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

(repräsentative, retrospektive Längsschnitterhebung),<br />

aus der sich allerdings keine regionalen<br />

Rückschlüsse ziehen lassen. Gleichwohl<br />

sind ihre Ergebnisse dazu geeignet, Schlussfolgerungen<br />

<strong>für</strong> die Bewertung des Übergangssystems<br />

und den politischen Handlungsbedarf<br />

zu ziehen. Das Übergangssystem muss sich<br />

letztlich daran messen lassen, ob und wenn<br />

ja, wie schnell es gelingt, <strong>Jugendliche</strong> in eine<br />

vollqualifizierende Ausbildung zu führen oder<br />

aber ob nur Maßnahmekarrieren begründet<br />

werden, an deren Ende der Eintritt als ausbildungslose/r<br />

Arbeitnehmer/in in das<br />

Beschäftigungssystem erfolgt.<br />

Dabei ist zunächst danach zu fragen, wie<br />

sich der Bestand an Maßnahmeteilnehmern<br />

und -teilnehmerinnen im Übergangssystem<br />

einer bestimmten Untersuchungsgruppe im<br />

Zeitverlauf entwickelt. Während sich drei<br />

Monate nach Schulabschluss fast ein Viertel<br />

im Übergangssystem befand, waren es nach<br />

einem Jahr noch 13 Prozent, nach 24 Monaten<br />

noch 7 Prozent und drei Jahre nach Schulabgang<br />

immer noch 5 Prozent. 43 Werden<br />

diese Anteile jetzt differenziert nach Schulabschlussniveau<br />

<strong>für</strong> nicht-studienberechtigte<br />

<strong>Jugendliche</strong> dargestellt, ergibt sich folgendes<br />

Bild: Während sich <strong>Jugendliche</strong> mit maximal<br />

Hauptschulabschluss nach Schulabgang zu 35<br />

Prozent im Übergangssystem befanden, war<br />

dieser Anteil bei Absolventen mit mittlerem<br />

Schulabschluss nur halb so groß (17 Prozent).<br />

<strong>Die</strong>se ungleichmäßige Verteilung wird im<br />

Zeitverlauf größer. So befanden sich ein Jahr<br />

nach <strong>Schule</strong>nde 21 Prozent der <strong>Jugendliche</strong>n<br />

mit maximal Hauptschulabschluss im Übergangssystem,<br />

dies traf noch auf 7 Prozent mit<br />

mittlerem Abschluss zu. Nach 24 Monaten<br />

nahmen noch 10 Prozent mit maximal Hauptschulabschluss<br />

an Maßnahmen des Übergangssystems<br />

teil, bei Absolventen mit mittlerem<br />

Abschluss war der Anteil halb so groß.<br />

Und schließlich lässt sich <strong>für</strong> den Zeitpunkt<br />

nach drei Jahren festhalten, dass sich bei<br />

mittlerem Schulabschluss 3 Prozent der Untersuchungsgruppe<br />

im Übergangssystem befanden,<br />

im Gegensatz zu 8 Prozent mit maximal<br />

Hauptschulabschluss. 44 <strong>Die</strong> Verteilung<br />

im Zeitverlauf ist in Abbildung 13 nochmals<br />

zusammenfassend dargestellt.<br />

Abbildung 13: Gesamtanteil an Maßnahmen des Übergangssystems nach Verlassen<br />

des allgemeinbildenden Schulsystems <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> insgesamt, mit maximal<br />

Hauptschulabschluss und mit mittlerem Schulabschluss in Deutschland im Zeitverlauf<br />

24 %<br />

3 Monate<br />

17 %<br />

35 %<br />

13 %<br />

Quelle: Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): Ergebnisse der BIBB-Übergangsstudie,<br />

S. 138 ff.; in: Beicht, Ursula/Friedrich, Michael/Ulrich, Joachim Gerd (Hrsg.):<br />

Ausbildungschancen und Verbleib von Schulabsolventen.<br />

7 %<br />

12 Monate<br />

21 %<br />

7 %<br />

5 %<br />

24 Monate<br />

10 %<br />

5 %<br />

3 %<br />

36 Monate<br />

8 %<br />

<strong>Jugendliche</strong> insgesamt<br />

<strong>Jugendliche</strong> mit mittlerem Schulabschluss<br />

<strong>Jugendliche</strong> mit maximal Hauptschulabschluss<br />

43 Vgl. Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008):<br />

Ergebnisse der BIBB-Übergangsstudie, a.a.O., S. 136 f.<br />

44 Vgl. ebenda, S. 138 ff.<br />

83


84<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />

Es zeigt sich also, dass die Übergänge in eine<br />

Berufsausbildung von <strong>Jugendliche</strong>n mit maximal<br />

Hauptschulabschluss im Vergleich zu<br />

<strong>Jugendliche</strong>n mit mittlerem Schulabschluss mit<br />

größeren Problemen behaftet sind. Selbst<br />

zwei beziehungsweise drei Jahre nach dem<br />

Verlassen der <strong>Schule</strong> sind 10 beziehungsweise<br />

8 Prozent der <strong>Jugendliche</strong>n mit maximal<br />

Hauptschulabschluss im Übergangssystem.<br />

Da aus der Darstellung aber keine individuellen<br />

Bildungs- und Berufsverläufe erkennbar<br />

sind und sich dadurch auch nicht sagen lässt,<br />

wie lange sich einzelne <strong>Jugendliche</strong> in bestimmten<br />

Lebenssituationen befanden, 45 wird<br />

nun im nächsten Schritt versucht, individuelle<br />

Entwicklungen biografisch aufzubereiten.<br />

Da<strong>für</strong> werden die <strong>Jugendliche</strong>n in verschiedenen<br />

Gruppen zusammengefasst. Danach zeigt<br />

sich bei denjenigen <strong>Jugendliche</strong>n, die langwierige<br />

beziehungsweise keine gelungenen Übergänge<br />

in eine qualifizierende Berufsausbildung<br />

aufweisen (Gruppe 1), dass knapp zwei Drittel<br />

von ihnen nach der <strong>Schule</strong> in das Übergangssystem<br />

eingemündet sind. <strong>Die</strong>se Gruppe<br />

umfasst 20 Prozent aller nicht-studienberechtigten<br />

<strong>Jugendliche</strong>n 46 – dies sind hochgerechnet<br />

im Land Bremen knapp 550 junge Männer<br />

und Frauen je Absolventenjahrgang.<br />

Als zweite in diesem Zusammenhang interessante<br />

Gruppe werden <strong>Jugendliche</strong> identifiziert,<br />

die einen verzögerten, am Ende aber<br />

erfolgreichen Übergang in Ausbildung aufweisen.<br />

47 <strong>Die</strong>s gilt <strong>für</strong> 14 Prozent aller <strong>Jugendliche</strong>n<br />

mit maximal mittlerem Schulabschluss<br />

und damit <strong>für</strong> ungefähr 380 <strong>Jugendliche</strong> eines<br />

jeden <strong>Schule</strong>ntlassjahres im Land Bremen.<br />

Von ihnen begannen knapp drei Viertel den<br />

Weg in eine Ausbildung mit einer Maßnahme<br />

des Übergangssystems.<br />

Abbildung 14:<br />

Lebenssituationen nach Verlassen des allgemeinbildenden Schulsystems<br />

ausgewählter Gruppen nicht-studienberechtigter <strong>Jugendliche</strong>r<br />

Quelle: Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): a.a.O., S. 175.<br />

Gruppe 1: Gruppe 2:<br />

langwierige oder nicht verzögerte, aber erfolgreiche<br />

gelungene Übergänge in Übergänge in eine betriebliche<br />

eine Berufsausbildung Berufsausbildung<br />

betriebliche Berufsausbildung 4 % 4 %<br />

nicht betriebliche Berufsausbildung<br />

Fachoberschule/-gymnasium;<br />

3 % -<br />

allgemeinbildende <strong>Schule</strong><br />

1 % 3 %<br />

Übergangssystem 57 % 72 %<br />

Wehr-/Zivildienst;<br />

FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr);<br />

FÖJ (Freiwilliges ökologisches Jahr)<br />

2 % 2 %<br />

Erwerbstätigkeit; jobben<br />

suchen nach/warten<br />

9 % 8 %<br />

auf Bildungsmöglichkeit<br />

arbeitslos; aus privaten Gründen<br />

9 % 5 %<br />

zu Hause; sonstiges<br />

17 % 5 %<br />

45 Vgl. ebenda, S. 135.<br />

46 Vgl. ebenda, S. 174.<br />

47 Vgl. ebenda.


Stellt man nun in den Mittelpunkt der Betrachtung,<br />

wie viele Monate von insgesamt 34<br />

Monaten nach <strong>Schule</strong>nde sich die <strong>Jugendliche</strong>n<br />

im Durchschnitt in den unterschiedlichen<br />

Lebenssituationen befanden, wird eine<br />

Spaltung in den beiden Gruppen deutlich.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Jugendliche</strong>n, deren Übergänge entweder<br />

langwierig sind oder am Ende nicht in<br />

eine Ausbildung führen, verbrachten knapp die<br />

Hälfte der Zeit im Übergangssystem, über ein<br />

Viertel der Zeit waren sie auf der Suche nach<br />

einer Bildungsmöglichkeit beziehungsweise<br />

waren arbeitslos oder aus privaten Gründen<br />

zu Hause. Dagegen ergibt sich bei der Gruppe<br />

mit verzögerten, letztlich aber erfolgreichen<br />

Übergängen in eine betriebliche Ausbildung<br />

die Verteilung von durchschnittlich zehn Monaten<br />

im Übergangssystem und die in dieser<br />

Gruppe anschließende duale Ausbildung mit<br />

20 Monaten.<br />

Daraus lässt sich der Schluss ziehen:<br />

Für die eine Gruppe der <strong>Jugendliche</strong>n, die<br />

zunächst nach der Sch#ule in das Übergangssystem<br />

einmündet und am Ende erfolgreich in<br />

qualifizierende Ausbildung übergeht, ergibt<br />

sich ein mittlerer verzögerter Eintritt um zehn<br />

Monate. Dagegen entfallen bei der Gruppe von<br />

Abbildung 15:<br />

Durchschnittliche Anzahl der Monate, die auf die jeweiligen<br />

Lebenssituationen entfielen (bis 34 Monate nach <strong>Schule</strong>nde)<br />

Quelle: Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): a.a.O., S. 176.<br />

Gruppe 1: Gruppe 2:<br />

<strong>Jugendliche</strong>n mit langwierigen oder gescheiterten<br />

Übergängen im Schnitt 26 Monate<br />

auf Maßnahmen des Übergangssystems oder<br />

auf einen Zustand jenseits des Erwerbs-<br />

und Ausbildungssystems.<br />

Welche <strong>Jugendliche</strong>n zählen jetzt aber zu<br />

welcher Gruppe? Bei einer Differenzierung<br />

nach Geschlecht, Schulabschluss und Migrationshintergrund<br />

wird deutlich, dass in Gruppe<br />

1 (langwierige oder nicht gelungene Übergänge)<br />

eine ausgewogene Verteilung nach<br />

Geschlecht vorliegt, <strong>Jugendliche</strong> mit maximal<br />

Hauptschulabschluss beziehungsweise Migrationshintergrund<br />

deutlich überrepräsentiert<br />

sind. In der zweiten Gruppe (verzögerte, aber<br />

erfolgreiche Übergänge) sind mehr junge<br />

Männer als Frauen zu finden. Der Anteil mit<br />

maximal Hauptschulabschluss beziehungsweise<br />

Migrationshintergrund ist hoch – allerdings<br />

nicht so überproportional wie in Gruppe 1.<br />

Des Weiteren zeigen vertiefte Analysen, dass<br />

in beiden Gruppen <strong>Jugendliche</strong> mit schlechteren<br />

Durchschnittsnoten und <strong>Jugendliche</strong><br />

aus bildungsschwächeren Elternhäusern im<br />

Vergleich zu <strong>Jugendliche</strong>n, denen ein<br />

bruch-loser Übergang in Ausbildung gelang,<br />

überproportional vertreten waren.<br />

langwierige oder nicht verzögerte, aber erfolgreiche<br />

gelungene Übergänge in Übergänge in eine betriebliche<br />

eine Berufsausbildung Berufsausbildung<br />

betriebliche Berufsausbildung 0,5 20,1<br />

nicht betriebliche Berufsausbildung<br />

Fachoberschule/-gymnasium;<br />

2,5 -<br />

allgemeinbildende <strong>Schule</strong><br />

0,6 0,4<br />

Übergangssystem<br />

Wehr-/Zivildienst;<br />

16,0 10,4<br />

FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr);<br />

FÖJ (Freiwilliges ökologisches Jahr)<br />

1,1 0,3<br />

Erwerbstätigkeit; jobben<br />

suchen nach/warten<br />

3,7 1,0<br />

auf Bildungsmöglichkeit<br />

arbeitslos; aus privaten Gründen<br />

3,3 0,8<br />

zu Hause; sonstiges<br />

6,3 1,1<br />

85


86<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />

Abbildung 16:<br />

Anteil nach Geschlecht, Schulabschluss und<br />

Migrationshintergrund<br />

Gruppe 1: Gruppe 2:<br />

langwierige oder nicht verzögerte, aber erfolgreiche<br />

gelungene Übergänge in Übergänge in eine betriebliche<br />

eine Berufsausbildung Berufsausbildung<br />

männlich 49 % 56 %<br />

weiblich<br />

maximal<br />

51 % 44 %<br />

Hauptschulabschluss<br />

mittlerer<br />

76 % 66 %<br />

Schulabschluss<br />

mit<br />

24 % 34 %<br />

Migrationshintergrund<br />

ohne<br />

34 % 26 %<br />

Migrationshintergrund<br />

66 % 74 %<br />

Quelle: Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): a.a.O., S. 177.<br />

In Bezug auf die Übergangschancen von<br />

<strong>Jugendliche</strong>n, die mehrheitlich zunächst in<br />

das Übergangssystem einmünden, lässt sich<br />

festhalten, dass bei einem erheblichen Anteil<br />

extrem langwierige oder nicht gelungene<br />

Übergänge zu erkennen sind.<br />

<strong>Die</strong>ses Ergebnis lässt die Vermutung zu,<br />

dass ein nicht unerheblicher Teil der ausbildungslosen<br />

<strong>Jugendliche</strong>n in Deutschland Maßnahmen<br />

des Übergangssystems durchlaufen<br />

hat, am Ende aber kein erfolgreicher Eintritt<br />

in eine qualifizierende Berufsausbildung zu<br />

verzeichnen ist. <strong>Die</strong>se Personen münden<br />

als ungelernte Arbeitnehmer/innen auf dem<br />

Arbeitsmarkt. <strong>Die</strong> Ungelerntenquote der<br />

20- bis 24-Jährigen mit maximal mittlerem<br />

Schulabschluss liegt in Deutschland seit Mitte<br />

der 1990er Jahre konstant bei ungefähr 15<br />

Prozent. 48 <strong>Die</strong>se <strong>Jugendliche</strong>n ohne Berufsabschluss<br />

lassen sich in vier relativ homogene<br />

Untergruppen aufteilen:<br />

In der ersten Gruppe sind die Fälle zusammengefasst,<br />

<strong>für</strong> die das Übergangssystem<br />

zur dauerhaften Warteschleife wurde. <strong>Die</strong><br />

<strong>Jugendliche</strong>n mündeten nach der <strong>Schule</strong> in<br />

das Übergangssystem ein und befinden<br />

sich nach drei Jahren immer noch in einer<br />

Maßnahme, obwohl 75 Prozent von ihnen<br />

auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz<br />

waren. <strong>Die</strong>se Gruppe stellt knapp 20<br />

Prozent aller ungelernten <strong>Jugendliche</strong>n<br />

zwischen 20 und 24 Jahren.<br />

In der zweiten Gruppe sammeln sich<br />

diejenigen <strong>Jugendliche</strong>n, die relativ bald<br />

nach <strong>Schule</strong>nde eine Ausbildung begonnen<br />

hatten, diese aber nach längerer Zeit<br />

abbrachen. 18 Prozent der ausbildungslosen<br />

<strong>Jugendliche</strong>n hatten einen solchen<br />

Werdegang.<br />

<strong>Die</strong> dritte Gruppe bilden <strong>Jugendliche</strong>, die<br />

nach der allgemeinbildenden <strong>Schule</strong> eine<br />

Fachoberschule oder ein Fachgymnasium<br />

besucht haben. Häufig sind hier <strong>Jugendliche</strong><br />

mit guten Schulnoten auf dem allgemeinen<br />

Abschlusszeugnis vertreten, so dass<br />

<strong>Jugendliche</strong> dieser Gruppe relativ große<br />

Chancen haben, noch eine Ausbildung zu<br />

beginnen. <strong>Die</strong>se Gruppe stellt 17 Prozent<br />

aller Ungelernten dieser Altersgruppe.<br />

48 Vgl. Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): Welche<br />

<strong>Jugendliche</strong>n bleiben ohne Berufsausbildung? Analyse wichtiger<br />

Einflussfaktoren unter besonderer Berücksichtigung der<br />

Bildungsbiografie, BIBB-Report 6/2008, S. 3.


<strong>Die</strong> letzte Gruppe bilden <strong>Jugendliche</strong>, deren<br />

Entwicklung nach dem Verlassen der allgemeinbildenden<br />

<strong>Schule</strong>n dadurch gekennzeichnet<br />

ist, dass die Aufnahme einer Ausbildung<br />

nach einer längeren Phase der<br />

Arbeitslosigkeit, des Zuhausebleibens oder<br />

einer arbeitsmarktpolitischen BA-Maßnahme<br />

nicht mehr gelang. <strong>Die</strong>s hatte auch Bestand,<br />

wenn eine Maßnahme des Übergangssystems<br />

vorgeschaltet war, was auf<br />

die Mehrheit dieser Gruppe zutrifft. Insgesamt<br />

weisen 46 Prozent der ausbildungslosen<br />

<strong>Jugendliche</strong>n diese Merkmale auf. 49<br />

Abbildung 17: Verteilung der nicht-studienberechtigten <strong>Jugendliche</strong>n<br />

ohne Berufsausbildung und der sonstigen <strong>Jugendliche</strong>n im Alter<br />

von 20 bis 24 Jahren nach Status im Befragungsmonat in Prozent<br />

noch im Bildungssystem*<br />

erneut im Bildungssystem*<br />

Wehr-/Zivildienst<br />

Erwerbstätigkeit ab 20 Wochenstunden<br />

Erwerbstätigkeit unter 20 Wochenstunden<br />

außerschulische Berufsvorbereitung, Praktikum, EQJ<br />

suchen nach/warten auf Bildungsmöglichkeit<br />

arbeitslos, Maßnahme der BA<br />

aus privaten Gründen zu Hause<br />

* Berufsausbildung, <strong>Schule</strong>, Studium, Fortbildung.<br />

Quelle: Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008):<br />

Welche <strong>Jugendliche</strong>n bleiben ohne Berufsausbildung?<br />

Analyse wichtiger Einflussfaktoren unter besonderer<br />

Berücksichtigung der Bildungsbiografie,<br />

BIBB-Report 6/2008, S. 11.<br />

Damit wird deutlich, dass sich ein großer Teil<br />

der ausbildungslosen <strong>Jugendliche</strong>n in teilweise<br />

intensiver Betreuung durch Maßnahmen des<br />

Übergangssystems befand, schlussendlich<br />

aber keine formal qualifizierende Ausbildung<br />

eingeleitet werden konnte. Und das, obwohl<br />

der zwischenzeitliche Abschluss eines<br />

Bildungsgangs im Übergangssystem die<br />

nachfolgende Übergangsdauer im Vergleich<br />

zu Nicht-Teilnehmerinnen/-teilnehmern<br />

und Abbrecherinnen/Abbrechern in eine<br />

Berufsausbildung spürbar verkürzt. 50<br />

0 10 20 30 40 50<br />

<strong>Jugendliche</strong> ohne Berufsausbildung<br />

<strong>Jugendliche</strong> mit Berufsausbildung oder aktuell<br />

noch im Bildungssystem oder Wehr-/Zivildienst<br />

49 Vgl. ebenda, S. 9 ff.<br />

50 Vgl. Ulrich, Joachim Gerd (2008): <strong>Jugendliche</strong> im<br />

Übergangssystem – eine Bestandsaufnahme, S. 12,<br />

http://www.bwpat.de/ht2008/ws12/ulrich_ws12-ht2008_<br />

spezial4.pdf, S. 1-21.<br />

87


88<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />

<strong>Die</strong> Folgen sind deutlich: Über die Hälfte der<br />

ausbildungslosen <strong>Jugendliche</strong>n befand sich<br />

weder im Bildungs- noch im Beschäftigungssystem,<br />

sondern war entweder aus privaten<br />

Gründen zu Hause, suchte immer noch<br />

nach einer Ausbildungsmöglichkeit oder war<br />

arbeitslos. Dahingegen war knapp die Hälfte<br />

der <strong>Jugendliche</strong>n der Vergleichsgruppe<br />

(mit Berufsausbildung, aktueller Bildungsbeteiligung<br />

beziehungsweise im Wehr- oder<br />

Zivildienst) mit mehr als 20 Wochenstunden<br />

erwerbstätig.<br />

Abbildung 18:<br />

Anteil der Personen* zwischen 20 und unter 30 Jahren, die über keinen beruflichen<br />

Bildungsabschluss verfügen und nicht an Bildung teilnehmen** im Jahr 2006 nach Ländern<br />

17,3<br />

Deutschland<br />

23,5<br />

Bremen<br />

15,9<br />

Baden-Württemberg<br />

14,8<br />

Bayern<br />

19,9<br />

Berlin<br />

13,9<br />

Brandenburg<br />

20,5<br />

Hamburg<br />

18,9<br />

Hessen<br />

14,4<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

17,5<br />

* Ohne Wehr- und Zivildienstleistende.<br />

** Personen, die zum Zeitpunkt der Befragung keine <strong>Schule</strong> oder Hochschule besucht haben.<br />

Quelle: http://bildungsbericht.de/daten2008/b3_2008.xls<br />

<strong>Die</strong> Situation dürfte sich im Land Bremen<br />

verschärft stellen, da bei höherer Einwohnerdichte<br />

die Gefahr, ausbildungslos zu bleiben,<br />

erhöht ist. 51 <strong>Die</strong>s zeigt sich auch bei den<br />

Ungelerntenquoten der Altersgruppe der 20bis<br />

unter 30-Jährigen im Jahr 2006. Während<br />

bundesweit 17 Prozent dieser Altersgruppe<br />

ohne Ausbildung ist, waren es in Bremen<br />

knapp 24 Prozent – bundesweit der höchste<br />

Wert.<br />

Niedersachsen<br />

21,8<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

17,9<br />

Rheinland-Pfalz<br />

23,1<br />

Saarland<br />

9,4<br />

51 Vgl. Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): Welche <strong>Jugendliche</strong>n<br />

bleiben ohne Berufsausbildung?, a.a.O., S. 7.<br />

Sachsen<br />

12,0<br />

Sachsen-Anhalt<br />

20,5<br />

Schleswig-Holstein<br />

11,5<br />

Thüringen


4.7 Mögliche Handlungslinien: ›Bremer<br />

Vereinbarungen 2008–2010‹ und<br />

›Bremer Netzwerk Nachqualifizierung‹<br />

Ende 2007 wurde mit den ›Bremer Vereinbarungen<br />

2008–2010‹ die Fortführung des<br />

Pakts <strong>für</strong> Ausbildung beschlossen. 52 <strong>Die</strong> ›Bremer<br />

Vereinbarungen‹ wurden geschlossen<br />

zur Fortführung des Pakts <strong>für</strong> Ausbildung,<br />

zur Steigerung der Ausbildungsleistung,<br />

<strong>für</strong> Initiativen <strong>für</strong> besondere Zielgruppen<br />

des Ausbildungsmarktes,<br />

zur Verbesserung der Ausbildungsreife und<br />

Berufsorientierung,<br />

zur Förderung der Arbeitsmarktintegration<br />

von Altbewerbern,<br />

zur Begleitung des demografischen Wandels,<br />

zur Förderung der Arbeitsmarktintegration<br />

älterer Erwerbsloser und<br />

zur Sicherung der Erwerbsbeteiligung<br />

älterer Beschäftigter. 53<br />

Im Rahmen der ›Bremer Vereinbarungen<br />

2008–2010‹ wurden <strong>für</strong> den Themenbereich<br />

Ausbildung folgende Festlegungen getroffen:<br />

Erstes Ziel ist die Steigerung der Ausbildungsleistung.<br />

Damit soll nicht nur eine ausgeglichene<br />

Angebots-Nachfrage-Relation<br />

geschaffen werden, sondern sinnvollerweise<br />

›die Auswahl an Ausbildungsangeboten <strong>für</strong> die<br />

jungen Menschen größer‹ werden. Voraussetzung<br />

da<strong>für</strong> ist, dass der Anteil betrieblicher<br />

Ausbildungsplätze steigt, das heißt neue Ausbildungsbetriebe<br />

sowie neue Ausbildungsplätze<br />

gewonnen werden. <strong>Die</strong> Erhöhung der Ausbildungsbetriebsquote,<br />

die Einwerbung neuer<br />

Ausbildungsplätze und die Erhöhung außerbetrieblicher<br />

Ausbildungsplätze <strong>für</strong> benachteiligte<br />

<strong>Jugendliche</strong> durch die Arbeitsverwaltungen<br />

gehören also zu den Zielen der Partner der<br />

›Bremer Vereinbarungen‹. Großen Stellenwert<br />

<strong>für</strong> diejenigen <strong>Jugendliche</strong>n, die keinen Ausbildungsplatz<br />

finden können, erhält die Einstiegsqualifizierung<br />

<strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> (EQ/EQJ).<br />

Zum Zweiten werden besondere Initiativen<br />

<strong>für</strong> herausgehobene Zielgruppen des Ausbildungsmarktes<br />

formuliert: <strong>Die</strong> Integration<br />

von <strong>Jugendliche</strong>n mit Hauptschulabschluss<br />

soll verbessert werden. Frühzeitig sollen diese<br />

noch während der Schulzeit entsprechend<br />

ihrer Stärken und Interessen an die Bedarfe<br />

der Ausbildungsbetriebe herangeführt werden.<br />

Da<strong>für</strong> soll die Zusammenarbeit der Betriebe<br />

mit den <strong>Schule</strong>n und Berufsberatungen<br />

frühzeitig koordiniert und verbessert werden.<br />

<strong>Die</strong> Chancen von <strong>Jugendliche</strong>n mit Migrationshintergrund<br />

auf vollqualifizierende Ausbildung<br />

sollen gesteigert werden. <strong>Die</strong> Vereinbarungen<br />

betonen in diesem Zusammenhang, den Anteil<br />

an Migrantinnen und Migranten mit mittlerem<br />

Schulabschluss zu steigern und dem Aspekt der<br />

berufsbezogenen Sprachförderung besondere<br />

Aufmerksamkeit schenken zu wollen.<br />

Im dritten Block der Vereinbarung sind<br />

Übereinkommen festgelegt, die auf eine Verbesserung<br />

der Ausbildungsreife von <strong>Jugendliche</strong>n<br />

und eine Optimierung der Berufsorientierung<br />

abzielen. So wird die Verantwortung<br />

der allgemeinbildenden <strong>Schule</strong>n betont, was<br />

die Vermittlung der ›Ausbildungsreife‹ der<br />

<strong>Jugendliche</strong>n angeht. Neben der Verbesserung<br />

der nötigen Basiskenntnisse soll die Berufsorientierung<br />

in allen Schularten als Querschnittsaufgabe<br />

verankert werden.<br />

52 <strong>Die</strong> Vereinbarungen wurden unterzeichnet von der Ärztekammer<br />

Bremen, der Agentur <strong>für</strong> Arbeit Bremen, der Agentur <strong>für</strong> Arbeit<br />

Bremerhaven, der Apothekerkammer Bremen, dem Arbeitgeberverband<br />

Bremerhaven, dem Arbeitgeberverband Handwerk Bremen<br />

e.V., der Arbeitnehmerkammer Bremen, der ARGE Job-Center-Bremerhaven,<br />

der Bremer Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> Integration<br />

und Soziales (BAgIS), der Bremer Notarkammer, dem Deutschen<br />

Gewerkschaftsbund Land Bremen, der Gartenbaufachkammer<br />

Bremen, der Handelskammer Bremen, der Handwerkskammer<br />

Bremen, der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Bremen, der<br />

Hanseatischen Steuerberaterkammer Bremen, der IG Bauen-Agrar-<br />

Umwelt Bezirksverband Land Bremen und Umzu, der IG Metall<br />

Bremen, der Industrie- und Handelskammer Bremerhaven, der<br />

Kreishandwerkerschaft Bremen, der Kreishandwerkerschaft<br />

Bremerhaven-Wesermünde, der Landwirtschaftskammer Bremen,<br />

vom Oberbürgermeister der Stadt Bremerhaven, der <strong>Senatorin</strong> <strong>für</strong><br />

Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, der <strong>Senatorin</strong><br />

<strong>für</strong> Bildung und Wissenschaft, der <strong>Senatorin</strong> <strong>für</strong> Finanzen, der<br />

Tierärztekammer Bremen, den Unternehmensverbänden im Lande<br />

Bremen e.V., der Vereinten <strong>Die</strong>nstleistungsgewerkschaft Landesbezirk<br />

Niedersachsen-Bremen und der Zahnärztekammer Bremen.<br />

53 Senatskanzlei Bremen (2008): ›Bremer Vereinbarungen‹ <strong>für</strong><br />

die Dauer von drei Jahren geschlossen, Pressemitteilung<br />

vom 26. März 2008, http://senatspressestelle.bremen.de<br />

/detail.php?id=18795.<br />

89


90<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />

<strong>Die</strong> Berufsausbildungsvorbereitung soll verbessert<br />

werden, etwa durch eine engere Kooperation<br />

der drei relevanten Institutionen <strong>Schule</strong>,<br />

Wirtschaft, Berufsberatung und durch eine<br />

höhere Transparenz des Maßnahmeangebotes.<br />

Eine Anrechnung der Kenntnisse aus Maßnahmen<br />

der Berufsvorbereitung soll ›grundsätzlich‹<br />

erfolgen. Präzise Zielsetzungen werden<br />

allerdings erst nach dem Vorliegen der Ergebnisse<br />

der beschlossenen Evaluation der Berufsausbildungsvorbereitung<br />

des Landes festgelegt.<br />

<strong>Die</strong> Evaluationsergebnisse werden<br />

frühestens 2010 zur Verfügung stehen.<br />

<strong>Die</strong> mangelhafte Ausbildungsbereitschaft<br />

der Unternehmen soll unter anderem durch die<br />

verstärkte Installation eines externen Ausbildungsmanagements,<br />

das die Unternehmen<br />

bei der Ausbildungsverwaltung entlastet,<br />

reduziert werden. <strong>Die</strong> Förderanstöße hierzu<br />

geben Bundesprogramme wie ›Perspektive<br />

Berufsabschluss‹ und ›Jobstarter‹.<br />

Des Weiteren stehen die Altbewerber/innen<br />

im Fokus der ›Bremer Vereinbarungen‹. Es<br />

werden ›besondere Anstrengungen‹ <strong>für</strong> diese<br />

Zielgruppe in Aussicht gestellt. Dazu gehören<br />

in den Vereinbarungen die Abstimmung<br />

regionaler Aktivitäten mit Bundesprogrammen<br />

(Ausbildungsbonus) und Ausbildungspatenschaften<br />

<strong>für</strong> Altbewerber/innen.<br />

Darüber hinaus werden die Arbeitsverwaltung<br />

und die Arbeitgeber jährlich Nachvermittlungsaktionen<br />

<strong>für</strong> unversorgte Ausbildungsplatzbewerber/innen<br />

durchführen.<br />

Um eine grundsätzliche Bestandsaufnahme<br />

des regionalen Ausbildungsstellenmarktes im<br />

Land Bremen zu erreichen, sollen ›möglichst‹<br />

alle eingeworbenen Ausbildungs- und EQ-Stellen<br />

den Arbeitsagenturen mitgeteilt werden.<br />

<strong>Die</strong> Bremer Vereinbarungen weisen Zielsetzungen<br />

aus, die von der Grundrichtung her<br />

von der Arbeitnehmerkammer Bremen als<br />

beteiligter Institution als begrüßenswert und<br />

angemessen betrachtet werden. Inwieweit sich<br />

die ›Bremer Vereinbarungen‹ aber als Motor<br />

zur Lösung der Ausbildungskrise bewähren,<br />

wird zum einen daran zu messen sein, ob die<br />

gesetzten Ziele erreicht werden. Zum anderen<br />

wird es darum gehen, vor allem <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong><br />

mit Übergangsproblemen konkrete<br />

Lösungen zu entwickeln. Notwendig sind Fortschritte<br />

bei der Anerkennung der BVB/EQJ-<br />

Qualifizierungszeiten auf die Erstausbildung<br />

in regelhafter Form. Verstärkte Anstrengungen<br />

bedarf darüber hinaus die Integration von<br />

Hauptschulabsolventen/-absolventinnen, Altbewerbern/Altbewerberinnen<br />

und <strong>Jugendliche</strong>n<br />

mit Migrationshintergrund in das reguläre<br />

betriebliche Ausbildungsgeschehen. Vor dem<br />

Hintergrund der erwarteten negativen Konjunktur-<br />

und damit Ausbildungsplatzentwicklung im<br />

Jahr 2009 werden sicherlich grundsätzlichere<br />

strukturelle Maßnahmen notwendig sein.<br />

Den regionalen Bündnisaktivitäten sind<br />

ohnehin Grenzen gesetzt, zumal in einem<br />

Stadtstaat wie Bremen. Zum einen bildet eine<br />

Stadt wie Bremen in Kinder- und Jugendfragen<br />

per se immer wieder soziale Brennpunkte und<br />

führt zu einer Konzentration von Problemfeldern,<br />

die nur mit großem finanziellem und<br />

organisatorischem Aufwand reduzierbar sind.<br />

Zum anderen weckt aber gerade die größere<br />

Angebotspalette einer Großstadt wie Bremen<br />

unweigerlich Umlandbedarfe, die sozusagen<br />

›kostenlos‹ mitbedient werden müssen und die<br />

Kapazitäten <strong>für</strong> die Landeskinder immer wieder<br />

beschränken. Hinzu kommen bundesweite<br />

Regelungen und Vorgaben, die landesseitig<br />

nicht alleine lösbar sind, wie etwa die Regelungsmechanismen<br />

der dualen Ausbildung,<br />

die die Diskussion und Handhabung der Anerkennung<br />

von Qualifizierungsbestandteilen im<br />

Rahmen von berufsvorbereitenden Angeboten<br />

erschweren.<br />

Ein Beitrag zur Lösung der hier anstehenden<br />

Fragen kann das ›Bremer Netzwerk Nachqualifizierung‹<br />

54 sein, das seit Herbst dieses<br />

Jahres existiert. Das Ziel dieses Projektvorhabens<br />

besteht darin, im Land Bremen strukturelle<br />

Rahmenbedingungen zu schaffen, um die<br />

abschlussorientierte betriebliche Nachqualifizierung<br />

nachhaltig zu etablieren. Junge ausbildungslose<br />

Erwachsene, die <strong>für</strong> eine reguläre<br />

duale Ausbildung – sei es betrieblich oder<br />

außerbetrieblich – aus zum Beispiel Altersgründen<br />

oder bedingt durch ihre Lebensumstände<br />

nicht mehr zu gewinnen sind, sollen<br />

so eine ›zweite‹ Chance auf einen anerkannten<br />

Berufsabschluss erhalten. Damit verbunden<br />

ist die Erwartung, über die Nachqualifizierung<br />

zur Verringerung des Anteils von Ungelernten<br />

beizutragen.<br />

Um diese Ziele zu erreichen, verfolgt das<br />

Projektvorhaben einen mehrdimensionalen<br />

Ansatz mit folgenden Arbeitsaufgaben:<br />

Erschließung betrieblicher und regionaler<br />

Bedarfe zur Nachqualifizierung,<br />

Gewinnung von Unternehmen und von<br />

an- und ungelernten Beschäftigten wie<br />

Arbeitslosen <strong>für</strong> die abschlussorientierte<br />

Nachqualifizierung und ihre Beratung,<br />

54 Beim ›Bremer Netzwerk Nachqualifizierung‹ handelt sich um ein<br />

Kooperationsprojekt vom Institut <strong>für</strong> berufliche Bildung, Arbeitsmarkt-<br />

und Sozialpolitik (INBAS) und der Arbeitnehmerkammer<br />

Bremen. Es wird im Rahmen des Programms ›Perspektive<br />

Berufsabschluss‹ in der Förderinitiative ›Abschlussorientierte<br />

modulare Nachqualifizierung‹ vom Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung<br />

und Forschung finanziert.


Entwicklung entsprechender modular<br />

gestalteter Nachqualifizierungsangebote<br />

<strong>für</strong> die unterschiedlichen Adressaten und<br />

Zielgruppen,<br />

Vernetzung und Ausbau regionaler<br />

Beratungs- und Kooperationsstrukturen,<br />

Anpassung der Konzepte der Nachqualifizierung<br />

an die regionalen Strukturen und<br />

dauerhafte Implementierung der Nachqualifizierung<br />

in das regionale Weiterbildungsangebot<br />

<strong>für</strong> Unternehmen, ihre Beschäftigten<br />

sowie die von Arbeitslosigkeit betroffenen<br />

Arbeitnehmer/innen.<br />

Ein verstärktes Engagement im Rahmen der<br />

modularen, abschlussorientierten Nachqualifizierung<br />

erscheint im Land Bremen vor allem<br />

vor dem Hintergrund des hohen Anteils junger<br />

Erwachsener ohne Berufsabschluss geboten.<br />

Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass<br />

die Zentralstelle <strong>für</strong> die Weiterbildung im Handwerk<br />

(ZWH) in Kooperation mit dem Zentralverband<br />

des Deutschen Handwerks (ZDH) die<br />

Unterstützung solch regionaler Projekte zugesagt<br />

hat und die Zulassung der Nachqualifizierungsteilnehmer/innen<br />

zur Externenprüfung<br />

verbessern will. 55 Es bleibt zu hoffen, dass<br />

sich der DIHK (Deutscher Industrie- und<br />

Handelskammertag) diesen Aktivitäten anschließen<br />

wird, denn die Anerkennung absolvierter<br />

Module eines Berufsbildes <strong>für</strong> die<br />

Zulassung zu einer Kammerprüfung ist eine<br />

zentrale Voraussetzung <strong>für</strong> eine stärkere Verbreitung<br />

der beruflichen Nachqualifizierung<br />

und die notwendige Etablierung eines zusätzlichen<br />

Wegs <strong>für</strong> junge ausbildungslose Erwachsene<br />

zu einem anerkannten Berufsabschluss.<br />

4.8 Schlussfolgerungen<br />

Das Übergangssystem ist in jüngster Zeit starker<br />

Kritik ausgesetzt. So wird es unter anderem<br />

als ein Sektor ›der Dequalifizierung und<br />

Exklusion innerhalb des Gesamt-Systems‹ 56<br />

bezeichnet, in dem zahlreiche <strong>Jugendliche</strong><br />

durch Maßnahmeschleifen geschleust werden<br />

und bereits vor dem Einstieg in den Beruf mit<br />

der Erfahrung konfrontiert werden, dass ›sie<br />

nicht gebraucht werden‹. 57 Dadurch entwickelt<br />

sich ein System, bei dem es sich weniger um<br />

die Einleitung einer qualifizierenden Ausbildung<br />

handelt als vielmehr ›um eine Phase der<br />

Unsicherheit, die oft von Maßnahmekarrieren<br />

geprägt ist‹. 58 Somit würde das Übergangssystem<br />

zum ›Wartesaal der Armut‹ mit wenig<br />

Chancen auf ein existenzsicherndes Erwerbseinkommen.<br />

59<br />

<strong>Die</strong> vorangegangenen Analysen haben gezeigt,<br />

dass es trotz eines breiten Übergangssystems<br />

nicht gelingt – und obwohl bei den <strong>Jugendliche</strong>n<br />

der Willen erkennbar ist, in eine Ausbildung<br />

einzumünden –, diese Ausbildungswünsche<br />

<strong>für</strong> alle einzulösen. <strong>Die</strong>s betrifft vor<br />

allem das Fünftel der <strong>Jugendliche</strong>n mit maximal<br />

mittlerem Schulabschluss, <strong>für</strong> die sich nur<br />

langwierige beziehungsweise keine gelungenen<br />

Übergänge ergeben. Somit handelt es<br />

sich beim gewachsenen Übergangssystem<br />

zweifellos um eine ›ernsthafte bildungspolitische<br />

Herausforderung‹, 60 da selbst eine erfolgreiche<br />

Teilnahme an Maßnahmen des Übergangssystems<br />

keine Garantie <strong>für</strong> den Beginn<br />

einer qualifizierenden Berufsausbildung bedeutet.<br />

61 Da<strong>für</strong> ist aber nicht nur das Übergangssystem<br />

verantwortlich zu machen. Zweifellos<br />

bestehen im aktuellen System Verbesserungsmöglichkeiten,<br />

die genutzt werden müssen,<br />

um ein funktionierendes ›Dreieck von Arbeitsmarkt-,<br />

Bildungs- und Jugendpolitik‹ auf lokaler<br />

Ebene zu organisieren, das <strong>Jugendliche</strong>n<br />

Zugangsmöglichkeiten zu vollqualifizierenden<br />

Ausbildungen eröffnet und dabei insbesondere<br />

aufgezeigte unterschiedliche Startvoraussetzungen<br />

erfolgreich bearbeitet: 62<br />

55 Vgl. Kramer, Beate (2008): ›Perspektive Berufsabschluss‹; in:<br />

zwh aktuell 5/2008, S. 1.<br />

56 Greinert, Wolf-<strong>Die</strong>trich (2008): Beschäftigungsfähigkeit und Beruflichkeit.<br />

Zwei konkurrierende Modelle der Erwerbsqualifizierung?,<br />

S. 12; in: BWP 4/2008, S. 9–12.<br />

57 Vgl. Euler, <strong>Die</strong>ter (2005): Das Bildungssystem in Deutschland:<br />

reformfreudig oder reformresistent?, S. 205; in: Bundesinstitut <strong>für</strong><br />

Berufsbildung (Hrsg.): ›Wir brauchen hier jeden, hoffnungslose Fälle<br />

können wir uns nicht erlauben.‹ Wege zur Sicherung der beruflichen<br />

Zukunft in Deutschland.<br />

58 Vgl. Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus (2007):<br />

a.a.O., S. 51 f.<br />

59 Vgl. Hekmann, Björn/Prager, Jens/Wieland, Clemens (2007):<br />

Berufliche Bildung vor neuen Herausforderungen, S. 14; in:<br />

Prager, Jens/Wieland, Clemens (Hrsg.): Duales Ausbildungssystem<br />

– Quo vadis?<br />

60 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2006): a.a.O., S. 82.<br />

61 Vgl. Friedrich, Michael/Eberhard, Verena/Ulrich,<br />

Joachim Gerd (2008): a.a.O., S. 59.<br />

62 Vgl. Kühnlein, Gertrud (2008): a.a.O., S. 55.<br />

91


92<br />

<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />

Zwingend erforderlich erscheinen da<strong>für</strong> aus<br />

unserer Sicht eine verstärkte strategische<br />

Steuerung und Koordination durch die am<br />

Übergangssystem beteiligten Akteure, die<br />

unter einem gemeinsamen Leitbild und<br />

unter der Einführung einer regelmäßigen<br />

Berichterstattung über Übergangsprozesse<br />

von <strong>Jugendliche</strong>n, ein System effektiven<br />

Übergangsmanagements ins Leben rufen.<br />

Als ein Ort der verstärkten Kooperation<br />

und Steuerung bieten sich zum Beispiel die<br />

Jugendkonferenzen nach dem SGB II an.<br />

Allerdings müssen sie als eine kontinuierliche<br />

Institution mit dem Ziel, verbindliche<br />

Absprachen und Vereinbarungen zu treffen,<br />

genutzt werden.<br />

<strong>Die</strong>ser Prozess kann aber nur erfolgreich sein,<br />

wenn im Ergebnis die <strong>Jugendliche</strong>n <strong>für</strong> ihr<br />

Warten und ihre Bildungsanstrengungen letztlich<br />

belohnt werden. Anschlussperspektiven<br />

müssen also vorhanden sein beziehungsweise<br />

geschaffen werden.<br />

Es müssen mehr Ausbildungsplätze im<br />

dualen System, insbesondere auch <strong>für</strong><br />

leistungsschwächere Absolventen und<br />

Absolventinnen generiert werden, um der<br />

rückläufigen sozialen Integrationskraft des<br />

dualen Systems entgegenzuwirken. Der<br />

prognostizierte Fachkräftemangel kann<br />

nicht automatisch als Chance <strong>für</strong> leistungsschwächere<br />

Kandidaten und Kandidatinnen<br />

angesehen werden. Da<strong>für</strong> sind Maßnahmen<br />

ins Leben zu rufen, die die Ausbildungsbetriebsquoten<br />

erhöhen. <strong>Die</strong>s kann geschehen<br />

durch die Förderung von Verbundausbildungen<br />

bis hin zu einer Ausbildungsplatzumlage<br />

<strong>für</strong> Betriebe oder die Verknüpfung<br />

der betrieblichen Ausbildungsbereitschaft<br />

mit der öffentlichen Vergabepolitik.<br />

In diesem Zusammenhang muss auch die<br />

Anschlussfähigkeit der in der Berufsausbildungsvorbereitung<br />

erworbenen Kompetenzen<br />

erreicht werden. Dem liegt die Idee<br />

zugrunde, dass die jeweiligen Bausteine als<br />

Ausbildungsbestandteile anerkennungsfähig<br />

sein sollten und damit die Möglichkeit<br />

besteht, anschließende Ausbildungszeiten<br />

zu verkürzen. Arbeitsmarktliche Wartezeiten<br />

würden auf diese Weise <strong>für</strong> die Zielgruppe<br />

junger Menschen ohne Berufsabschluss<br />

sinnvoll gefüllt, anschließende Qualifizierungszeiten<br />

verkürzt und zugleich die<br />

Attraktivität der Ausbildungsaspirantinnen<br />

und -aspiranten <strong>für</strong> Betriebe durch fachliche<br />

Vorqualifizierung erhöht.<br />

<strong>Die</strong> Bundesregierung hat einen Ausbildungsbonus<br />

beschlossen, der Arbeitgeber durch<br />

finanzielle Förderung dazu veranlassen soll,<br />

zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze<br />

<strong>für</strong> junge Menschen, die bereits seit Längerem<br />

einen Ausbildungsplatz suchen (Altbewerber/innen),<br />

zu schaffen. Hier muss<br />

beobachtet werden, inwieweit die Ausbildungschancen<br />

von Altbewerberinnen und<br />

Altbewerbern tatsächlich steigen oder aber<br />

die Mitnahmeeffekte überwiegen. Zudem<br />

besteht die Gefahr, dass das Instrument<br />

vor allem von Betrieben genutzt wird, in<br />

denen die Auszubildenden nach kurzer Zeit<br />

zur Wertschöpfung beitragen (Gastgewerbe)<br />

und zudem unterdurchschnittliche<br />

Beschäftigungschancen nach der<br />

Ausbildung vorhanden sind.<br />

Das Instrumentarium der sozialpädagogischen<br />

Betreuung, das in vielen betrieblich<br />

orientierten Förderstrategien mittlerweile<br />

abrufbar ist, muss in der Wirtschaft zielgerichteter<br />

bekannt gemacht und beworben<br />

werden, so dass Unternehmen dies als<br />

zweckdienliche externe Unterstützung <strong>für</strong><br />

Krisen- und Risikolagen im Ausbildungsalltag<br />

entdecken können.<br />

Darüber hinaus zeigt sich auch im Land<br />

Bremen eine zwar zurückgehende, aber immer<br />

noch hohe Quote von Abbrecherinnen und<br />

Abbrechern in der dualen Ausbildung. Insbesondere<br />

<strong>Jugendliche</strong>, die zu einem relativ<br />

späten Zeitpunkt ihre Ausbildung vorzeitig<br />

beenden oder beenden müssen, sind nachhaltig<br />

von Ausbildungslosigkeit betroffen.<br />

Ausbildungsabbrecherinnen und -abbrecher<br />

sind in hohem Maße von Ausbildungslosigkeit<br />

bedroht. Von daher müssen alle<br />

Anstrengungen unternommen werden,<br />

Ausbildungsabbrüche zu verhindern. Bestehende<br />

und erfolgreiche Projekte sind weiter<br />

zu fördern und finanziell abzusichern.<br />

Wiedereinstiege, Seiteneinstiege und Anschlussmöglichkeiten,<br />

etwa im Rahmen der<br />

Nachqualifizierung, sind zu ermöglichen.<br />

In den letzten Jahren haben die Ausbildungsplätze<br />

im Schulberufssystem stark zugenommen<br />

und dabei teilweise den Rückgang<br />

betrieblicher Ausbildungsplätze kompensiert.<br />

Allerdings profitieren davon vor allem <strong>Jugendliche</strong><br />

mit mittlerem Schulabschluss. Hauptschulabsolventen<br />

finden aufgrund gesetzter<br />

Zugangsvoraussetzungen (mindestens Realschulabschluss)<br />

in diesem Segment beruflicher<br />

Bildung keine Ausbildungsmöglichkeiten.


Von daher steht auch das Schulberufssystem<br />

vor der Herausforderung, zukünftig<br />

verstärkt <strong>Jugendliche</strong> mit Hauptschulabschluss<br />

integrieren zu müssen. Zwar ist<br />

unter dieser Zielgruppe der Wunsch nach<br />

einer dualen Ausbildung besonders stark<br />

ausgeprägt, trotzdem ist der Zugang <strong>für</strong><br />

<strong>Jugendliche</strong> mit niedrigem Schulabschluss<br />

in das Schulberufssystem zu verbessern,<br />

wenn dieser von ihnen angestrebt wird.<br />

Um <strong>Jugendliche</strong> aus sozial schwachen Schichten<br />

aufnehmen zu können, ist es zudem<br />

unerlässlich, dass Berufsbildung im Schulberufssystem<br />

weitgehend kostenlos ist. Es<br />

müssen also Finanzierungsmodelle auch <strong>für</strong><br />

Privatschulen entwickelt werden, die einen<br />

breiteren Zugang <strong>für</strong> alle möglich machen.<br />

<strong>Jugendliche</strong> mit eigenen Kindern sind verstärkt<br />

von Ausbildungslosigkeit bedroht,<br />

da eine Ausbildung vom zeitlichen Umfang her<br />

einer Vollzeittätigkeit entspricht. Das ist<br />

<strong>für</strong> junge Eltern, meist die Mütter, oft nicht zu<br />

realisieren.<br />

Jungen Frauen mit Kindern darf der Weg zu<br />

einer qualifizierten Berufsausbildung nicht<br />

verschlossen werden. Es sind Anstrengungen<br />

zu unternehmen, die die Frage der<br />

Kinderbetreuung lösen und zudem <strong>für</strong> diesen<br />

Personenkreis Teilzeitberufsausbildungen<br />

zur Verfügung zu stellen. <strong>Die</strong> gesetzlichen<br />

Grundlagen da<strong>für</strong> sind mit der Modernisierung<br />

des Berufsausbildungsgesetzes<br />

gelegt worden.<br />

Für ausbildungslose junge Erwachsene, die<br />

die <strong>Schule</strong> schon vor längerer Zeit verlassen<br />

haben und infolgedessen auch kaum noch<br />

Chancen auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz<br />

besitzen, sind Möglichkeiten der<br />

Nachqualifizierung zu nutzen und zu fördern.<br />

<strong>Die</strong> Anstrengungen <strong>für</strong> Nachqualifizierungen<br />

von ungelernten jungen Erwachsenen<br />

müssen erheblich verstärkt werden. Mehr<br />

Betriebe müssen dazu angehalten werden,<br />

An- und Ungelernte beim Nachholen von<br />

Berufsabschlüssen zu unterstützen. <strong>Die</strong> vorhandenen<br />

und erprobten Konzepte <strong>für</strong> eine<br />

abschlussbezogene berufliche Nachqualifizierung<br />

in berufsbegleitender Form stellen<br />

da<strong>für</strong> eine angemessene Grundlage dar.<br />

Da in Deutschland die Zugehörigkeit zu den<br />

Schultypen des dreigliedrigen Schulsystems<br />

stark vom sozialen Status der Eltern abhängt<br />

und sich dieser Selektionsprozess auch<br />

beim Übergang von der <strong>Schule</strong> in den Beruf<br />

niederschlägt, hat Chancengleichheit beim<br />

Zugang zur Berufsausbildung auch eine<br />

Reform des Schulsystems zur Bedingung:<br />

Von daher bedarf es erheblicher Investitionen<br />

in den Umbau eines allgemeinbildenden<br />

Schulsystems, das den Anteil der <strong>Jugendliche</strong>n<br />

ohne Schulabschluss weiter reduziert,<br />

die soziale Selektion der jungen<br />

Generation vermindert und damit berufliche<br />

und soziale Entwicklungsperspektiven unabhängig<br />

der sozialen Herkunft ermöglicht.<br />

Das schließt den Ausbau und die rechtzeitige,<br />

weit vor jedem erkennbaren Scheitern<br />

stattfindende Beanspruchung produktionsschulischer<br />

Ansätze unbedingt ein.<br />

Das duale System der Berufsausbildung ist<br />

seiner Betriebs- und Praxisnähe wegen nach<br />

wie vor ein äußerst attraktives Modell, um jungen<br />

Menschen langfristige Berufsperspektiven<br />

zu eröffnen. Es muss aber inzwischen nüchtern<br />

konstatiert werden, dass es ergänzt werden<br />

muss durch andere, vor allem schulische<br />

Ausbildungswege, um unversorgte Zielgruppen<br />

(zum Beispiel Benachteiligte beiderlei<br />

Geschlechts wie verstärkt junge Männer) zu<br />

integrieren. Das Übergangssystem dagegen<br />

muss mit aller Anstrengung so strukturiert und<br />

ausgerichtet werden, dass es seinen Namen<br />

auch verdient. Es muss aufhören, Auffangbecken<br />

all jener zu sein, die auf dem Ausbildungsmarkt<br />

(einstweilen) keinen Erfolg hatten.<br />

93


94 Vier Geschichten vom Überleben in der Warteschleife


Ralf Lorenzen ❘ Freier Journalist<br />

5 Vier Geschichten vom Überleben<br />

in der Warteschleife<br />

Weichenstellungen<br />

Bahnhöfe sind Orte der Entscheidung. In vielen<br />

Filmen kommt die Handlung hier zum dramatischen<br />

Höhepunkt. Wo lassen sich die Weichenstellungen<br />

des Lebens besser in Szene<br />

setzen als an Bahnsteig 10? Der 23-jährige<br />

Björn kann ein Lied davon singen. Anfang dieses<br />

Jahres stand er mit seiner Freundin auf<br />

dem Bremer Hauptbahnhof und wartete auf<br />

den Zug, der ihn zur Erfüllung seines Lebenstraumes<br />

bringen sollte.<br />

›Bleib bei mir‹, beschwor<br />

ihn das Mädchen, das ihn<br />

›<strong>Die</strong> Leute auf Juist haben nicht ziehen lassen wollte.<br />

mich als vermisst gemeldet, ›Und da habe ich den Zug<br />

so sehr hatten sie mir sausen lassen‹, sagt Björn<br />

vertraut – da kann ich mich heute. Den Zug zu seiner<br />

nicht mehr sehen lassen.‹<br />

Traum-Lehrstelle auf<br />

der Insel Juist. Er wusste,<br />

dass er sich mit dieser<br />

Entscheidung freiwillig<br />

aufs Abstellgleis stellte. Und dass er ein paar<br />

Menschen sehr enttäuschte. So sehr, dass<br />

ihm der Mut fehlte, ihnen persönlich abzusagen.<br />

Ein paar Stunden später stand die Polizei<br />

vor der Tür. ›<strong>Die</strong> Leute auf Juist haben mich<br />

als vermisst gemeldet, so sehr hatten sie<br />

mir vertraut‹, sagt er und fügt bitter hinzu:<br />

›Da kann ich mich nicht mehr sehen lassen.‹<br />

Ist es geschickt, eine Geschichte über den<br />

Überlebenskampf junger Menschen in Bremen<br />

so beginnen zu lassen? Ist doch selber schuld<br />

der Junge, könnte man sagen. Was hört er<br />

denn auf die egoistische Freundin, statt seine<br />

Ziele im Auge zu behalten? Hat doch seine<br />

Chance gehabt. Jeder der Protagonisten,<br />

die hier vorgestellt werden, würde sich strikt<br />

dagegen verwahren, irgendjemand anderem<br />

die Schuld <strong>für</strong> die eigene Lebenssituation<br />

zuzuweisen. So sehr der Interviewer auch<br />

versuchte, ihnen kritische Bemerkungen über<br />

Eltern, Lehrer, Unternehmer oder gar das Bildungssystem<br />

als Ganzes zu entlocken – meist<br />

hörte er Sätze wie: ›Da habe ich Mist gebaut.‹<br />

<strong>Die</strong> Produktion von Selbstverurteilungen –<br />

das ist der Subtext dieser Geschichten, deren<br />

Plots von Schulabschlüssen, Qualifizierungsmaßnahmen<br />

und Ausbildungsplätzen handeln.<br />

Wie im Leben der meisten anderen Menschen,<br />

sind auch bei Björn, Christian, Janine und<br />

Özkan die dramatischen Höhepunkte eher<br />

die Ausnahme. Tonangebend ist das Grau<br />

des Alltags, in dem die Konturen der Zukunft<br />

meist nur schwer zu erkennen sind.<br />

Gestrandet an der Waterfront<br />

Björn und Christian lerne ich am Torhaus<br />

Nord an der Gröpelinger Hafenkante kennen.<br />

Hier residiert das Projekt NAHlos, in dessen<br />

Namen sich Heimat, Fremde und Aufbruch<br />

so trefflich verbinden. Unter der Anleitung von<br />

drei Sozialpädagogen holen sich hier junge<br />

Erwachsene, die in ihrer beruflichen Entwicklung<br />

gestrandet sind, neue Orientierung und<br />

frisches Rüstzeug <strong>für</strong> einen neuen Anlauf.<br />

Christian bereitet sich hier seit ein paar Monaten<br />

auf einen In-Job vor. In der EDV-Abteilung<br />

betreibt er mit den anderen zusammen einen<br />

E-Bay-Shop, in dem sie gespendete Bücher,<br />

CDs und anderes versteigern. Björn ist erst<br />

seit ein paar Tagen hier, arbeitet sich langsam<br />

in die Küchengruppe ein, die <strong>für</strong> das tägliche<br />

gemeinsame Mittagessen sorgt. Daneben<br />

ist er auf Wohnungssuche, da er erst vor<br />

kurzem nach Bremen gezogen ist und noch<br />

in einer Pension wohnt.<br />

In dem Gewusel von knapp zwanzig Menschen<br />

ist an ein ruhiges Gespräch nicht<br />

zu denken, deshalb gehen wir raus auf die<br />

andere Straßenseite, wo einmal in Form des<br />

Space Parks Bremens Zukunft entstehen sollte.<br />

Doch in den 10.000 Quadratmetern des<br />

neuen Einkaufstempels ›Waterfront‹ ist es an<br />

diesem Montagmorgen gar nicht so einfach,<br />

sofort einen Platz zu bekommen – trotz gähnender<br />

Leere. Bei Starbucks, in das Björn<br />

und Christian gern gegangen wären, sind um<br />

zehn Uhr die Pforten erstaunlicherweise noch<br />

geschlossen. Also ab in ein Café, das zwar<br />

nicht so loungige Sessel hat, da<strong>für</strong> aber<br />

immerhin schon frischen Kaffee im Angebot.<br />

95


96 Vier Geschichten vom Überleben in der Warteschleife<br />

Christian<br />

›Ich bin in Lilienthal aufgewachsen‹, erzählt<br />

Christian und gibt gleich die Information, die<br />

er <strong>für</strong> die wichtigste hält, um sein jetziges<br />

Leben zu verstehen. ›Da musste ich weg, weil<br />

ich da ziemlich bekannt bin. Habe sehr früh<br />

ziemlich viel Mist gebaut.‹ Vielleicht betont er<br />

das so, weil er weiß, dass man diesen lustigen,<br />

spitzbübischen Augen zwar jede Menge<br />

Jungenstreiche zutraut, aber doch keine Einbrüche<br />

und <strong>Die</strong>bstähle. Stolz ist er bestimmt<br />

nicht drauf, aber er steht zu seiner Vergangenheit,<br />

da gibt es nichts zu beschönigen.<br />

Dabei ist er ganz schön hoch eingestiegen.<br />

›Ich hatte nach der Orientierungsstufe eine<br />

Empfehlung <strong>für</strong> die Realschule, bin aber aufs<br />

Gymnasium, weil meine Freunde auch dahin<br />

gegangen sind.‹ Und weil er einen Berufswunsch<br />

hatte, <strong>für</strong> den er das Abitur braucht.<br />

›Ich wollte immer Tierarzt werden, aber das<br />

hat sich schnell erledigt, als es den Bach runterging.‹<br />

Obwohl er nur in Mathe und Latein<br />

eine Fünf einfährt, merkt er, dass er am Gymnasium<br />

verkehrt ist, und geht nach einem Jahr<br />

freiwillig runter. ›Wenn ich mich angestrengt<br />

hätte, hätte ich es vielleicht<br />

schaffen können. Aber irgendwann<br />

kippte das um und<br />

›Ich bin zufrieden, es hat ich hatte nur noch Streit mit<br />

sich schon viel geändert. den Lehrern‹, erinnert sich<br />

Früher war ich im<br />

der heute 20-Jährige. ›In der<br />

Heim, habe nur gekifft siebten Klasse fing das dann<br />

und gesoffen.‹<br />

halt an.‹ Im Wörtchen ›das‹<br />

scheint der Schlüssel zum<br />

Verständnis seines bisherigen<br />

Lebens zu liegen. ›Das‹ – das<br />

ist der ganze Mist, den er dann machte, der<br />

ihn in Ausnüchterungszellen, vor Gerichte, zu<br />

Sozialdiensten und ins Heim brachte. ›Das‹ –<br />

ist aber auch der Abwärtsstrudel, der ihn<br />

erfasste, ohne dass er die Gründe da<strong>für</strong> richtig<br />

kapierte.<br />

Doch benennen lassen sich die runterziehenden<br />

Kräfte: getrennte Eltern, schlechter<br />

Umgang, verständnislose Lehrer. ›<strong>Die</strong> haben<br />

sich nur gezeigt, wenn es Probleme gab.‹ In<br />

der Realschule hagelt es <strong>für</strong> den aufmüpfigen<br />

Jungen Schulverweise, bis er schließlich ohne<br />

Abschluss auf der Straße steht. ›Wenn es<br />

nicht auf so einer Bahn geht, dann muss ich<br />

mein Geld eben anders machen‹, denkt er<br />

sich. Trotzdem geht er nicht völlig unter. Ein<br />

Teil seiner heranwachsenden Persönlichkeit<br />

wehrt sich gegen das Ertrinken. Auf einer<br />

berufsbildenden <strong>Schule</strong> in Osterholz-Scharmbeck<br />

macht er seinen Hauptschulabschluss<br />

nach, jobbt nebenbei in einem Futtermittelbetrieb<br />

und schreibt Bewerbungen <strong>für</strong> eine<br />

Ausbildung im Einzelhandel.<br />

Und tatsächlich – nach einer Reihe von<br />

Absagen gibt ihm der Betrieb, in dem er<br />

neben der <strong>Schule</strong> gejobbt hat, einen Ausbildungsplatz<br />

zur Fachkraft <strong>für</strong> Lagerlogistik. Leider<br />

lassen ihn die Menschen aus seinem anderen<br />

Leben, in dem ›das‹ immer wieder passiert,<br />

nicht aus ihren Klauen. Und so hat auch<br />

Christians Leben einen dramatischen Höhepunkt:<br />

Er wird mit fünf Messerstichen schwer<br />

verletzt. Von den Wunden hat er sich zwar<br />

schon erholt, als er seine Lehrstelle antritt,<br />

dennoch bittet ihn sein Chef noch vor Ende<br />

der Probezeit zu einem Gespräch. ›Angeblich<br />

soll ich nicht richtig auf die Kunden zugegangen<br />

sein‹, sagt Christian und hält das lediglich<br />

<strong>für</strong> einen Vorwand. ›Mein Chef hat mich<br />

rausgeschmissen, weil er von anderen Leuten<br />

erfahren hat, dass ich früher viel Scheiße<br />

gebaut habe.‹<br />

Danach ist <strong>für</strong> ihn endgültig klar, dass sich<br />

etwas grundsätzlich ändern muss. In Bremen<br />

versucht er nun, die Schatten seiner Vergangenheit<br />

hinter sich zu lassen. Bisher mit<br />

Erfolg. ›Ich bin zufrieden, es hat sich schon<br />

viel geändert. Früher war ich im Heim, habe<br />

nur gekifft und gesoffen.‹ Bis zu zehnmal im<br />

Monat bewirbt er sich, meist als Lagerlogistiker<br />

– einmal ist er bisher zum Eignungstest<br />

durchgedrungen. Bei NAHlos bereitet er sich<br />

auf ein Praktikum im Gesamthafenbetrieb und<br />

einen In-Job vor, bewirbt sich aber gleichzeitig<br />

auch <strong>für</strong> Jobs als Lagerarbeiter. ›Das würde<br />

sich im Lebenslauf gut machen.‹ In Bremen<br />

hat er eine eigene Wohnung, einen guten<br />

Freund und ein paar kleine Träume gefunden.<br />

›Arbeit, ein bisschen Geld und die richtige<br />

Frau. Da<strong>für</strong> braucht man Glück, aber ich bin ja<br />

noch jung.‹


Björn<br />

Bis jetzt hat Björn den Erzählungen seines<br />

Kollegen ruhig zugehört. Aber jetzt greift er<br />

ein. ›Mit 20 bist du nicht mehr jung, mein<br />

Freund. Was Ausbildung angeht, ist das alt.<br />

Einige Firmen nehmen vielleicht auch Ältere,<br />

weil die gestandener sind. Aber die meisten<br />

denken doch: wer es mit 16, 17 nicht gepackt<br />

hat, der packt das auch mit 20, 22 nicht.<br />

Und über 25 wird sowieso keiner genommen.‹<br />

Schon mit dem ersten Satz wird klar, dass<br />

bei Björn von euphorischer Aufbruchstimmung<br />

nicht die Rede sein kann. ›Ich fange mal<br />

wieder bei null an.‹<br />

Björn ist mit seinen 23 Jahren zwar nur<br />

drei Jahre älter als Christian, mit dem, was er<br />

zu erzählen hat, könnte er aber bereits zwei<br />

Leben füllen. Auch bei ihm fällt es schwer,<br />

hinter dem ernsthaften, zurückhaltenden<br />

Gesichtsausdruck jemanden zu erkennen, der<br />

als Teenager das Bremer Umland unsicher<br />

gemacht hat. ›Mein erster Berufswunsch war<br />

Polizist, davon kann heute keine Rede mehr<br />

sein‹, sagt er mit einer gehörigen Portion<br />

Selbstironie.<br />

Als Grundschüler in Bruchhausen-Vilsen war<br />

er den Lehrern eher zu still. ›Das lag daran,<br />

dass mein leiblicher Vater uns geschlagen hat,<br />

da habe ich schon aufgepasst, dass keine<br />

Beschwerden aus der <strong>Schule</strong> kamen.‹ Als<br />

seine Mutter sich trennt und die Familie zum<br />

Stiefvater nach Weyhe zieht, ist das <strong>für</strong> Björn<br />

keine wirkliche Verbesserung. ›Mit meinem<br />

Stiefvater hat es nie wirklich funktioniert.‹<br />

Zur Katastrophe kommt es dann, als Björn in<br />

Weyhe auf die Hauptschule geht und die<br />

Mutter einen Schlaganfall bekommt. ›Ich bin<br />

nachts unterwegs gewesen, um zu meiner<br />

Mutter in die Reha zu fahren. Und tagsüber<br />

musste ich zu Hause alles machen. Mein Stiefvater<br />

hat gearbeitet und fing an zu saufen.‹<br />

Als die Mutter nach Hause kommt, wird die<br />

Situation noch schlimmer. ›Ich habe im Pflegevertrag<br />

mit der Krankenkasse unterschrieben,<br />

dass ich meine Mutter zu Hause pflege –<br />

da war ich 14. Ich habe das Essen gemacht,<br />

meine Mutter umgezogen und geduscht, alles<br />

was man halt bei jemandem macht, die halbseitig<br />

gelähmt ist.‹ Danken tut ihm das niemand<br />

– im Gegenteil. ›Für mich hat sich kei-<br />

ner interessiert. Ich war zwar da, aber ich<br />

hätte auch sterben können, das wäre egal<br />

gewesen.‹<br />

Aber irgendwo muss der Dampf raus, und<br />

da<strong>für</strong> ist die <strong>Schule</strong> wie geschaffen. ›Ich<br />

wurde zum Klassenclown und habe ziemlich<br />

viel Stress gemacht. Dazu kam, dass ich in<br />

der schlimmsten Klasse war, aus der die Lehrerinnen<br />

teilweise heulend rausgelaufen sind.<br />

Dann haben sie ganz schlimm aussortiert.‹<br />

Obwohl Björn gar nicht so ein schlechtes<br />

Zeugnis hat, finden die Lehrer einen Kniff, ihn<br />

loszuwerden. ›Sie haben<br />

rausgekriegt, dass ich in<br />

der ersten Klasse zurückgestuft<br />

worden war und ›Sie haben rausgekriegt,<br />

gesagt: Es reicht, du hast dass ich in der ersten Klasse<br />

deine neun Jahre jetzt voll.‹ zurückgestuft worden<br />

In all den familiären und war und gesagt: Es reicht,<br />

schulischen Dramen dieser du hast deine neun<br />

Zeit gibt es einen Licht- Jahre jetzt voll.‹<br />

blick, der Björn bis heute<br />

durchs Leben führt. Er entdeckt<br />

bei der Pflege seiner<br />

Mutter die Leidenschaft <strong>für</strong>s Kochen. ›Seitdem<br />

ist <strong>für</strong> mich klar, dass ich Koch werden will.‹<br />

In der Diakonie Freistatt, wo Björn den Hauptschulabschluss<br />

nachholt, stößt er mit dieser<br />

Neigung allerdings zunächst auf taube Ohren.<br />

›Sie haben alle gesagt: Du hast nur Hauptschule,<br />

das reicht nicht. Bewerb dich mal<br />

lieber auf was Einfaches.‹ So wird auch Björn<br />

auf die Lager-Logistik-Schiene gesetzt und<br />

absolviert sein Praktikum bei einem großen<br />

Logistikunternehmen in der Region. ›Da hatte<br />

ich dann einen Arbeitsunfall aufgrund von<br />

Sicherheitsmängeln. Deshalb haben sie mir<br />

einen Ausbildungsplatz gegeben, aber nach<br />

drei Monaten kam die Industrie- und Handelskammer<br />

und hat ihnen die Ausbildungslizenz<br />

entzogen, weil die Azubis teilweise 14<br />

Stunden am Tag arbeiten mussten.‹<br />

Doch Björn ist inzwischen so an Rückschläge<br />

gewöhnt, dass er schnell eine neue<br />

Lehrstelle in einem Großhandel <strong>für</strong> Bäder<br />

bekommt.<br />

97


98 Vier Geschichten vom Überleben in der Warteschleife<br />

<strong>Die</strong>smal scheint alles glatt zu laufen, der<br />

Betrieb will ihn sogar übernehmen – da verpatzt<br />

er selbst die Sache. ›Drei Monate vor<br />

der Prüfung bin ich einfach nicht mehr hingegangen.‹<br />

Der Grund da<strong>für</strong> ist mal wieder<br />

eine private Katastrophe. Blauäugig hat Björn<br />

den Handyvertrag seiner damaligen Freundin<br />

unterschrieben und sammelt innerhalb kurzer<br />

Zeit einen Berg Schulden. ›Da habe ich den<br />

Kopf einfach in den Sand gesteckt.‹ Er verliert<br />

seine eigene Wohnung und kommt mit Drogen<br />

in Berührung. Einen vorübergehenden Ausweg<br />

bietet die Bundeswehr, zu der er sich<br />

gleich zwei Jahre verpflichtet. Aber nach drei<br />

Wochen kommt die Krankenkasse und pocht<br />

auf den mit 14 Jahren unterschriebenen<br />

Pflegevertrag, weil der alkoholkranke Vater<br />

die Mutter nicht mehr pflegen kann. Björn sitzt<br />

wieder zu Hause fest und lässt sich das<br />

erste Mal in seinem Leben richtig hängen.<br />

Das Blatt wendet sich, als eine neue Freundin<br />

ihn unterstützt, eine Drogentherapie zu<br />

machen. Und in der Diakonie Freistatt, die ihn<br />

wieder aufnimmt, darf er endlich das machen,<br />

was er am liebsten tut: kochen. ›Ich habe<br />

teilweise den ganzen Laden geschmissen.<br />

Einmal habe ich <strong>für</strong> Ministerpräsident Wulff<br />

gekocht: ein malaysisches Reisgericht. Hat<br />

ihm geschmeckt.‹ Und als Björn dann in einem<br />

der besten Hotels auf Juist ein Praktikum in<br />

der Küche macht, zieht er das große Los:<br />

›Der Koch auf Juist hat mich in den höchsten<br />

Tönen gelobt, in meinen Praktikumsbeurteilungen<br />

habe ich fast nur Einsen. <strong>Die</strong> haben alle<br />

zu mir gesagt: Koch, das ist dein Beruf!‹ Doch<br />

Liebe geht nicht immer durch den Magen<br />

und Freundinnen, die einem helfen von den<br />

Drogen wegzukommen, haben manchmal auch<br />

Angst, allein gelassen zu werden. Und so entscheidet<br />

sich Björn am Bremer Hauptbahnhof<br />

<strong>für</strong> die Liebe und gegen die Traumlehrstelle.<br />

Das nächste verlockende Angebot lässt<br />

zum Glück nicht lange auf sich warten. Nachdem<br />

er wiederum im Praktikum überzeugt hat,<br />

bietet ein Lokal im Bremer Umland Björn einen<br />

Ausbildungsplatz an. Perfekt, jetzt kann er beides<br />

haben, den Job und die Freundin. Denkste,<br />

wie Christian wird auch Björn irgendwann<br />

von seinem Ruf eingeholt. ›Meine Chefin hat<br />

gesagt, dass sie einiges über mich gehört hat<br />

und ich den Ausbildungsvertrag vergessen<br />

kann. <strong>Die</strong> Leute sagen sich: Wenn der einmal<br />

so ist, wird der sein Leben lang so sein und<br />

geben einem keine Chance.‹ Dann macht sich<br />

auch noch die Freundin aus dem Staub und<br />

Björn auf den Weg nach Bremen, um seinen<br />

Ruf endlich hinter sich zu lassen.<br />

›Ich will meine Ausbildung zum Koch auf<br />

jeden Fall noch machen‹, sagt er auf dem<br />

Rückweg von der Waterfront zu NAHlos. ›Ich<br />

werde alles da<strong>für</strong> tun, aber euphorisch bin<br />

ich im Moment nicht.‹ Außerdem ärgert er sich<br />

noch ein bisschen, dass ihm letzten Freitag<br />

der Flammkuchen nicht richtig gelungen ist.<br />

›Ich bin es nicht gewohnt, nach Rezept<br />

zu kochen, ich mache das lieber nach Gefühl‹,<br />

sagt er. Als nächstes Gericht wird er mal<br />

einen malaysischen Reistopf vorschlagen.


Janine<br />

<strong>Die</strong> 18-jährige Janine hat sich <strong>für</strong> unser Treffen<br />

das Alex am Domshof gewünscht. Sie ist<br />

nicht allein gekommen, als Unterstützung sitzt<br />

ihre Lehrerin mit am Tisch auf der Terrasse.<br />

Obwohl sich schnell herausstellt, dass Janine<br />

die Unterstützung gar nicht braucht, jedenfalls<br />

nicht bei diesem Interview.<br />

Auch Janines Leben hatte einen dramatischen<br />

Wendepunkt. Dessen Ergebnis turnt<br />

fröhlich um den Tisch herum und wird<br />

während des Gesprächs von der Lehrerin<br />

bespaßt: die dreijährige Nathalie. ›Als ich<br />

erfahren habe, dass ich ein Kind bekomme,<br />

habe ich mich erschrocken‹, sagt Janine. Was<br />

sie damals noch nicht wusste: Eigentlich hätte<br />

sie nach Meinung der Ärzte gar keine Kinder<br />

bekommen können, da sie bereits als kleines<br />

Kind Leukämie bekam und eine Chemotherapie<br />

machen musste. ›Ich habe trotzdem eins<br />

bekommen‹, sagt sie stolz lachend. ›Es war<br />

zwar ein blöder Zeitpunkt, aber im Nachhinein<br />

war es glücklich.‹ Und dann legt sie ihr bisheriges<br />

Leben in einen Stoßseufzer offen:<br />

›Ich mag gar nicht dran denken, was ohne<br />

Nathalie aus meinem Leben geworden wäre.‹<br />

Aufgewachsen ist Janine, wie sie selbst<br />

sagt, ›in den Ghettos Bremens‹: Huchting,<br />

Woltmershausen, Gröpelingen, Kattenturm,<br />

Osterholz-Tenever. <strong>Die</strong> dazugehörigen Stichworte<br />

liefert sie gleich mit: Kriminalität und<br />

Drogen. ›Ich habe mich mitreißen lassen.‹<br />

<strong>Die</strong> Eltern sind beide berufstätig und mit ihrer<br />

pubertierenden Tochter überfordert. Mit 13<br />

landet Janine im Heim. Von ihrem Leistungsniveau<br />

sei sie eigentlich immer Realschülerin<br />

gewesen, sagt sie, aber <strong>Schule</strong> war Nebensache<br />

und so wird sie in die Hauptschule<br />

zurückgesetzt. Zu dem Zeitpunkt steckt nicht<br />

mehr viel Hoffnung in dem jungen Leben.<br />

Dann kommt Nathalie. Der Teenager reißt<br />

sich zusammen und schafft in den ersten<br />

Schwangerschaftsmonaten sogar noch den<br />

Hauptschulabschluss. Doch im Heim bekommt<br />

sie solche Probleme, dass sie <strong>für</strong> ein paar<br />

Monate wieder zu ihren Eltern geht. In einem<br />

Haus <strong>für</strong> minderjährige Mütter, dem Casa<br />

Luna, findet sie schließlich Ruhe, Unterstützung<br />

und die Zeit, sich um ihr Kind zu kümmern.<br />

Aber es ist zu viel passiert und ihre<br />

Situation empfindet sie als Sackgasse. Janine<br />

wird depressiv, isst und wiegt immer weniger.<br />

Von einer Mutter-Kind-Kur kommt sie mit<br />

einem Entschluss zurück.<br />

Oft hatte sie gehört, dass sie nicht auf<br />

eigenen Beinen stehen könne, doch dann<br />

mischt sich der Vormund ihrer Tochter ein.<br />

Janine gibt dessen Worte wieder: ›Ich vertraue<br />

der jungen Frau, lassen sie sie in eine eigene<br />

Wohnung ziehen, wenn es nicht funktioniert,<br />

kann man sie immer noch wieder in ein Heim<br />

stecken.‹ Seit einem halben Jahr lebt Janine<br />

nun in einer eigenen Wohnung, und wenn sie<br />

darüber spricht, spürt man die große Kraft<br />

dieser zierlichen jungen Frau. ›Nun kann ich<br />

zeigen, dass ich das kann, und nicht in einem<br />

Heim leben muss.‹ Zweimal<br />

in der Woche kommt zwar<br />

noch eine Betreuerin der reisenden<br />

Werkschule, die sie ›Für meine Tochter ist mir<br />

selbst <strong>für</strong> sich organisiert das so wichtig, dass ich<br />

hat, aber das Fazit ist eindeu- einen Ausbildungsplatz und<br />

tig: ›Seitdem geht es mir gut, eine Arbeit bekomme.‹<br />

weil ich alles allein schaffe,<br />

ohne Einschränkungen.‹<br />

Jetzt findet sie auch die<br />

Kraft, sich um ihre berufliche Zukunft zu<br />

kümmern. ›Für meine Tochter ist mir das so<br />

wichtig, dass ich einen Ausbildungsplatz<br />

und eine Arbeit bekomme.‹ Im Projekt BeLeM<br />

des Zentrums <strong>für</strong> <strong>Schule</strong> und Beruf macht<br />

sie nun ihren erweiterten Hautschulabschluss,<br />

während ihre Tochter ein paar Räume weiter<br />

betreut wird. Früher wollte sie mal Krankenschwester<br />

auf der Onkologie werden, aber<br />

während eines von BeLeM organisierten<br />

Praktikums in der Werkstatt eines großen Verkehrsbetriebes<br />

hat sie ihre wahre Bestimmung<br />

gefunden. ›Ich möchte Industriemechatronikerin<br />

werden, da kann ich Autos und Busse<br />

von innen auseinanderpflücken und wieder<br />

zusammenbauen.‹ Dann öffnet sich ihr Gesicht<br />

zu einem ganz breiten Lachen: ›Das hat mir<br />

so einen Spaß gebracht.‹ <strong>Die</strong> Firma habe ihr<br />

sogar schon einen Ausbildungsplatz in Aussicht<br />

gestellt, dann aber wieder einen Rückzieher<br />

gemacht. ›Das hat mich ganz schön<br />

runtergezogen.‹<br />

99


100 Vier Geschichten vom Überleben in der Warteschleife<br />

Viele Betriebe empfangen Frauen und junge<br />

Mütter nicht gerade mit offenen Armen. ›Bei<br />

verschiedenen Autohäusern haben sie mir<br />

gesagt, ich könne die Bewerbungsunterlagen<br />

schicken, aber es würde schwer, weil ich eine<br />

Frau bin. Sie bräuchten dann ja auch noch<br />

Frauentoiletten und deshalb sind sie bei Frauen<br />

immer vorsichtiger.‹ Doch entmutigen lässt<br />

sich Janine dadurch nicht. ›Irgendwann wird<br />

es klappen, ich bin zuverlässig und ich lerne<br />

sehr, sehr gerne.‹ Bei diesen Worten kommen<br />

gar keine Zweifel auf, dass Janine sich in<br />

zehn Jahren ihren Lebenstraum erfüllt hat. ›Ich<br />

möchte meine eigene Werkstatt haben und<br />

selber jemanden ausbilden.‹ Dann kann sie<br />

endlich das selbst machen, was sie heute<br />

vermisst. ›Ich fände es gut, wenn sich jemand<br />

da<strong>für</strong> stark macht, dass junge Mütter die<br />

gleichen Chancen wie Männer haben.‹<br />

Özkan<br />

Szenenwechsel an die andere Ecke der Stadt,<br />

in ein anderes Einkaufszentrum. In einem<br />

Café im Weserpark sitzt Özkan, 22, und<br />

erzählt. ›Man muss wissen, was man wert ist.<br />

Als mein Trainer mich nicht in der ersten<br />

Mannschaft aufgestellt hat, habe ich den Verein<br />

gewechselt.‹ Özkan ist ein Kämpfer.<br />

Aufgewachsen in der Vahr. Als er im Flugzeug<br />

einmal den türkischen Fußballnationaltrainer<br />

erkannt hat, verfolgte er ihn bis in die erste<br />

Klasse und durfte trotz Protests des Personals<br />

neben ihm sitzen bleiben. Durch seine<br />

Liebe zum Fußball habe es im ersten Anlauf<br />

allerdings auch nur zum erwei-<br />

terten Hauptschulabschluss<br />

gereicht, gibt Özkan selbst- ›Bei meinen deutschen<br />

kritisch zu.<br />

Freunden kriege ich mit,<br />

Und auch da<strong>für</strong>, dass er dass die Eltern ganz andere<br />

anschließend im Bildungszen- Beziehungen und Kontakte<br />

trum Mitte den Realschulab- haben. <strong>Die</strong> haben wir nicht.‹<br />

schluss nicht gepackt hat, gibt<br />

er niemandem anderen die<br />

Schuld. Den Stolz geraubt hat<br />

ihm diese Schlappe nicht. Als er sich von<br />

einem Ausbilder im Bildungszentrum ungerecht<br />

behandelt fühlt, schmeißt er die Ausbildung<br />

hin. ›Danach war ich ganz schön unten,<br />

50 bis 60 Bewerbungen habe ich geschrieben,<br />

vorstellen durfte ich mich vielleicht drei<br />

Mal.‹ Immerhin schafft er es bei Daimler, wo<br />

sein Vater am Band arbeitet, zum Einstellungstest,<br />

den er aber vergeigt.<br />

Der eine oder andere Arbeitgeber habe ihn<br />

bestimmt auch wegen seiner türkischen<br />

Herkunft nicht eingeladen, vermutet Özkan,<br />

die eigentliche Benachteiligung sieht er aber<br />

woanders. ›Bei meinen deutschen Freunden<br />

kriege ich mit, dass die Eltern ganz andere<br />

Beziehungen und Kontakte haben. <strong>Die</strong> haben<br />

wir nicht.‹ Da<strong>für</strong> gibt es Sozialarbeiter im Bürgerzentrum<br />

Vahr, die bei den Bewerbungen<br />

helfen und ihn aufbauen. ›Drei Monate lang bin<br />

ich jeden Morgen zur Arbeitsagentur gegangen<br />

und habe die genervt.‹ Zuerst wird er<br />

noch mit einer verwirrend dicken Mappe mit<br />

allen möglichen Maßnahmen abgespeist.<br />

Doch dann kommt das entscheidende Angebot:<br />

ein Berufsorientierungsjahr an der Berufsschule<br />

Reiherstraße. Nach dem Jahr bekommt<br />

er einen Platz in der Verbundausbildung zum<br />

Konstruktionsmechaniker und findet großen<br />

Spaß an der Arbeit. ›Es ist eine ganz andere<br />

Welt, in einem richtigen Betrieb zu arbeiten.‹<br />

Vor ein paar Tagen hat er seine Freisprechung<br />

bekommen. ›Meine Kumpel sind mächtig stolz<br />

auf mich‹, sagt Özkan mit leuchtenden Augen.<br />

›Aber die Zukunft wird schwer. <strong>Die</strong> einzige<br />

Chance ist erstmal Zeitarbeit.‹ Das nervt ihn<br />

zwar, aber die Alternative, noch die Fachhochschulreife<br />

zu machen, verwirft er schnell.<br />

›Ich will nicht mehr zur <strong>Schule</strong>, ich kenne<br />

viele, die sind schon völlig überqualifiziert.‹


Bürden und Blockaden<br />

Alles also halb so wild? Ein <strong>Jugendliche</strong>r aus<br />

einer stabilen Familie, mit exzellenter Kommunikationsfähigkeit,<br />

klarer Selbsteinschätzung<br />

und starkem Willen braucht einen unbändigen<br />

Kampfgeist, um sich an die Schwelle eines<br />

Zeitarbeitsverhältnisses vorzuboxen!<br />

Und Björn, Christian, Janine? Schleppen mit<br />

20 Jahren immer noch mit dem herum, was<br />

sie als Teenager in verzweifelten Lebenslagen<br />

verbockt haben. Immerhin, sie sind in sinnvollen<br />

Maßnahmen gelandet, die weitere Türen<br />

aufstoßen können. Noch kann ihr berufliches<br />

Leben gelingen, wenn jemand das in ihnen<br />

erkennt, was sie heute sind: Bis in die Haarspitzen<br />

motiviert, aufgeweckt, wissbegierig.<br />

Ein Wunder, nach diesen Erfahrungen.<br />

Als ›Bürden und Blockaden‹ bezeichnet eine<br />

Untersuchung der Arbeitnehmerkammer das,<br />

was benachteiligte <strong>Jugendliche</strong> an der Schwelle<br />

zum Beruf vorfinden. Das Muster wiederholt<br />

sich: In entscheidenden Momenten schleppen<br />

diese <strong>Jugendliche</strong>n einen Packen Probleme,<br />

mit dem sie nicht durch die schmalen Türen<br />

unseres selektionswütigen Bildungssystems<br />

passen. Und wenn sie dann nach jahrelangem<br />

Kampf wieder eine Perspektive entwickelt<br />

haben, erkennen nur wenige die vielen kleinen<br />

Siege und außergewöhnlichen Fähigkeiten, die<br />

sie auf diesem Weg errungen haben. Stattdessen<br />

werden ihnen die alten Niederlagen häufig<br />

als neue Stolpersteine in den Weg gelegt.<br />

<strong>Die</strong> Geschichten zeigen aber auch, wie viel<br />

ein funktionierendes Netzwerk, professionelle<br />

Beratung und solidarische Unterstützung<br />

ausmachen können, seien es die <strong>für</strong>sorgliche<br />

Familie, die bewundernden Freunde, der aufmunternde<br />

Trainer, der wache Sozialarbeiter,<br />

der Vormund der Tochter, die Berufsberaterin<br />

mit dem entscheidenden Tipp, die engagierte<br />

Berufsschullehrerin oder der verantwortungsbewusste<br />

Unternehmer. Manchmal gelingt<br />

eben doch, was Franz Jentschke, Leiter der<br />

Gesamtschule Ost, fordert: ›Man muss die<br />

<strong>Jugendliche</strong>n in ihrem Bildungsweg begleiten,<br />

statt sie von einer Institution in die nächste<br />

zu schicken.‹ Missmatching lauert nicht nur<br />

an einer Nahtstelle der notdürftig zusammengeflickten<br />

Bildungsbiografie. Oder wie es<br />

Manfred Mollenhauer, Lehrer an der Allgemeinen<br />

Berufsschule, ausdrückt: ›Unterschiedliche<br />

Individuen gab es schon immer, nur<br />

früher waren sie als Gruppe geschlossener.‹<br />

101


102<br />

Zahlen, Daten, Fakten


Paul M. Schröder ❘ Bremer Institut <strong>für</strong> Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe<br />

6 Zahlen, Daten, Fakten<br />

65.000<br />

60.000<br />

55.000<br />

50.000<br />

45.000<br />

40.000<br />

35.000<br />

30.000<br />

25.000<br />

20.000<br />

15.000<br />

10.000<br />

5.000<br />

0<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Abbildung 1.1:<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen Stadt Bremen revidierte Daten*<br />

55.651 55.406 55.015 55.142 55.594 55.701 55.400 55.086 54.921<br />

27.755<br />

27.896<br />

Oktober 2006<br />

27.654<br />

27.752<br />

November 2006<br />

27.481<br />

27.534<br />

Dezember 2006<br />

27.571<br />

27.571<br />

Januar 2007<br />

27.758<br />

27.836<br />

Februar 2007<br />

* nach einer Wartezeit von drei Monaten<br />

Quelle: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA).<br />

27.848<br />

27.853<br />

März 2007<br />

27.782<br />

27.618<br />

April 2007<br />

27.717<br />

27.369<br />

Mai 2007<br />

27.670<br />

27.251<br />

Juni 2007<br />

54.794 54.281 53.870 53.512 53.098 53.054 53.515 53.814 53.713<br />

Abbildung 1.2: Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen*<br />

Stadt Bremen März 2008 (revidierte Daten)<br />

pro tausend<br />

148 145 150<br />

15 bis unter<br />

65 Jahre<br />

154 145<br />

15 bis unter<br />

25 Jahre<br />

162<br />

*Einwohner/innen Ende 2007<br />

Quellen: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA);<br />

Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.<br />

206 206 208<br />

15 bis unter<br />

18 Jahre<br />

27.653<br />

27.141<br />

Juli 2007<br />

137 124<br />

18 bis unter<br />

25 Jahre<br />

148<br />

27.431<br />

26.850<br />

August 2007<br />

27.320<br />

26.550<br />

September 2007<br />

163 155<br />

27.192<br />

26.320<br />

Oktober 2007<br />

25 bis unter<br />

50 Jahre<br />

171<br />

26.931<br />

26.167<br />

November 2007<br />

129<br />

26.931<br />

26.123<br />

Dezember 2007<br />

139<br />

50 bis unter<br />

55 Jahre<br />

27.169<br />

26.346<br />

Januar 2008<br />

119<br />

27.292<br />

26.522<br />

Februar 2008<br />

106<br />

27.255<br />

26.458<br />

März 2008<br />

116<br />

55 bis unter<br />

65 Jahre<br />

Frauen<br />

Männer<br />

95<br />

Insgesamt<br />

Männer<br />

Frauen<br />

103


104<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Zu Abbildung 1.1:<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen (SGB II)<br />

Stadt Bremen<br />

Im März 2008, dem bisher letzten Berichtsmonat<br />

mit vorliegenden revidierten Daten,<br />

waren in der Stadt Bremen insgesamt 53.713<br />

Frauen und Männer im Alter von 15 bis unter<br />

65 Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen.<br />

<strong>Die</strong>s waren 3,6 Prozent (1.988) weniger<br />

als ein Jahr zuvor und 5,5 Prozent (3.110)<br />

weniger als im Mai 2006, als in der Stadt<br />

Bremen mit 56.823 die (bisher) größte Zahl<br />

erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne<br />

des SGB II (Hartz IV) 1 registriert wurde.<br />

<strong>Die</strong> Zahl der im Rechtskreis SGB II registrierten<br />

Arbeitslosen sank in der Stadt<br />

Bremen von März 2007 bis März 2008 um<br />

6,3 Prozent (1.580) auf 23.319 und damit<br />

deutlich stärker als die Zahl der Empfängerinnen<br />

und Empfänger von Arbeitslosengeld II. 2<br />

Von den insgesamt 53.713 Empfängerinnen<br />

und Empfängern von Arbeitslosengeld II im<br />

März 2008 waren 27.255 Frauen, lediglich<br />

2,1 Prozent (593) weniger als ein Jahr zuvor<br />

und lediglich 2,7 Prozent (754) weniger als im<br />

Mai 2006.<br />

Der Anteil der Frauen an den erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen ist dementsprechend<br />

auch im Untersuchungszeitraum weiter leicht<br />

gestiegen. Im März 2008 waren über die<br />

Hälfte (50,7 Prozent) der erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen Frauen. Ein Jahr zuvor, im<br />

März 2007, waren dies 50,0 Prozent und im<br />

Mai 2006 49,3 Prozent.<br />

.<br />

Nachrichtlich: 3 In der Stadt Bremen erhielten<br />

im März 2008 insgesamt 1.060 Menschen<br />

Hilfen zum Lebensunterhalt außerhalb von<br />

Einrichtungen gemäß Kapitel 3 SGB XII (Sozialhilfe).<br />

167 davon waren Kinder im Alter von<br />

unter 18 Jahren, 832 waren 18 bis unter<br />

65 Jahre alt und 61 waren 65 Jahre und älter.<br />

Von den 832 Menschen im Alter von 18 bis<br />

unter 65 Jahren waren 461 (55,4 Prozent)<br />

Frauen. Informationen über Bewegungen<br />

zwischen dem Rechtskreis SGB II einerseits<br />

und Kapitel 3 SGB XII andererseits liegen<br />

zurzeit noch keine vor.<br />

1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung <strong>für</strong><br />

Arbeitsuchende.<br />

2 Vgl. Tabelle 3.1.<br />

3 Quelle: Senator <strong>für</strong> Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und<br />

Soziales. Da die Auswertungsroutinen <strong>für</strong> Auswertungen aus<br />

dem neuen Verfahren OPEN PROSOZ noch nicht ganz sicher<br />

programmiert sind, kann es nachträglich noch zu Korrekturen<br />

kommen.


Zu Abbildung 1.2:<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro<br />

1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen<br />

Stadt Bremen<br />

In der Stadt Bremen 4 waren im März 2008 von<br />

1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter<br />

65 Jahren 148 auf Arbeitslosengeld II angewiesen<br />

(März 2007: 153). Von 1.000 Männern im<br />

entsprechenden Alter waren dies 145 (März<br />

2007: 152), von 1.000 Frauen 150 (März 2007:<br />

153).<br />

<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Dichte, die Zahl der<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen pro 1.000 Einwohner/innen,<br />

liegt in den Altersgruppen der 15bis<br />

unter 25-Jährigen und insbesondere der 25bis<br />

unter 50-Jährigen über diesem Durchschnitt,<br />

in den Altersgruppen der 50- bis unter 55-<br />

Jährigen und 55- bis unter 65-Jährigen darunter.<br />

Im März 2008 waren in der Altersgruppe<br />

der 15- bis unter 25-Jährigen 154 von 1.000<br />

Einwohner/innen auf Arbeitslosengeld II angewiesen<br />

(März 2007: 160). <strong>Die</strong> altersdifferenzierte<br />

Betrachtung dieser Altersgruppe zeigt: <strong>Die</strong><br />

Arbeitslosengeld-II-Dichte unter den 15- bis unter<br />

18-Jährigen ist mit 206 wesentlich höher als<br />

unter den 18- bis unter 25-Jährigen. Von 1.000<br />

Einwohner/innen im Alter von 18 bis unter 25<br />

Jahre waren 137 auf Arbeitslosengeld II angewiesen<br />

(Männer: 124; Frauen: 148). <strong>Die</strong> relativ<br />

geringe Arbeitslosengeld-II-Dichte in der Altersgruppe<br />

der 18- bis unter 25-Jährigen in der<br />

Stadt Bremen (vergleiche Bremerhaven) dürfte in<br />

erster Linie auf den hohen Teil von Studentinnen<br />

und Studenten in dieser Altersgruppe zurückzuführen<br />

sein.<br />

In der Altersgruppe der 25- bis unter 50-Jährigen<br />

waren im März 2008 163 von 1.000 Einwohner/innen<br />

Empfänger/innen von Arbeitslosengeld<br />

II (März 2007: 170). In der Altersgruppe der<br />

50- bis unter 55-Jährigen waren dies 129 (März<br />

2007: 134) und in der Altersgruppe der 55-<br />

bis unter 65-Jährigen – die Altersgruppe mit der<br />

trotz Anstieg immer noch niedrigsten Arbeitslosengeld-II-Dichte<br />

– 106 (März 2007: 102).<br />

In den Altersgruppen von 15 bis unter 25 und<br />

von 25 bis unter 50 Jahren ist die Arbeitslosengeld-II-Dichte<br />

bei den Frauen höher als bei den<br />

Männern: 162 von 1.000 bei den Frauen im<br />

Alter von unter 25 Jahren (Männer: 145 von<br />

1.000) und 171 von 1.000 bei den Frauen im<br />

Alter von 25 bis unter 50 Jahren (Männer: 155<br />

von 1.000). In den Altersgruppen von 50 bis<br />

unter 55 und 55 bis unter 65 Jahren liegt<br />

die Arbeitslosengeld-II-Dichte bei den Frauen<br />

dagegen deutlich unter der bei den Männern:<br />

119 von 1.000 bei den Frauen im Alter von 50<br />

bis unter 55 Jahren (Männer: 139 von 1.000),<br />

95 von 1.000 bei den Frauen im Alter von 55<br />

bis unter 65 Jahren (Männer: 116 von 1.000).<br />

4 <strong>Die</strong> Quoten im März 2008 beziehen sich auf die Zahl der Einwohner/innen<br />

Ende 2007. In der Stadt Bremen lebten Ende 2007<br />

insgesamt 364.132 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter<br />

65 Jahren, darunter 181.567 Frauen. Von den 364.132 Einwohner/innen<br />

im Alter von 15 bis unter 65 Jahren waren 62.921<br />

15 bis unter 25 Jahre (darunter 32.078 Frauen), 199.829<br />

25 bis unter 50 Jahre (darunter 97.722 Frauen), 36.093 50 bis<br />

unter 55 Jahre (darunter 18.415 Frauen) und 65.289 55 bis<br />

unter 65 Jahre alt (darunter 33.352 Frauen). Von den 62.921<br />

Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 25 Jahre waren<br />

15.492 unter 18 Jahre (darunter 7.454 Frauen) und 47.429<br />

18 Jahre und älter (darunter 24.624 Frauen).<br />

105


106<br />

20.000<br />

18.000<br />

16.000<br />

14.000<br />

12.000<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

2.000<br />

0<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Abbildung 2.1:<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen Stadt Bremerhaven revidierte Daten*<br />

17.046 16.972 16.899 17.072 17.106 17.130 17.021 16.900 16.841<br />

8.400<br />

8.646<br />

Oktober 2006<br />

8.362<br />

8.610<br />

November 2006<br />

8.354<br />

8.545<br />

Dezember 2006<br />

8.449<br />

8.623<br />

Januar 2007<br />

8.461<br />

8.645<br />

Februar 2007<br />

* nach einer Wartezeit von drei Monaten<br />

Quelle: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA).<br />

8.465<br />

8.665<br />

März 2007<br />

8.430<br />

8.591<br />

April 2007<br />

8.386<br />

8.514<br />

Mai 2007<br />

8.370<br />

8.471<br />

Juni 2007<br />

16.870 16.759 16.552 16.547 16.442 16.379<br />

8.424<br />

8.446<br />

Juli 2007<br />

8.363<br />

8.396<br />

August 2007<br />

8.274<br />

8.278<br />

September 2007<br />

8.272<br />

8.275<br />

Oktober 2007<br />

8.223<br />

8.219<br />

November 2007<br />

8.180<br />

8.199<br />

Dezember 2007<br />

16.598 16.627 16.602<br />

Abbildung 2.2: Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen*<br />

Stadt Bremerhaven März 2008 (revidierte Daten)<br />

pro tausend<br />

222 215 229<br />

15 bis unter<br />

65 Jahre<br />

248<br />

228<br />

15 bis unter<br />

25 Jahre<br />

268<br />

*Einwohner/innen Ende 2007<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA);<br />

Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.<br />

277<br />

291<br />

15 bis unter<br />

18 Jahre<br />

263<br />

236<br />

204<br />

18 bis unter<br />

25 Jahre<br />

270<br />

252<br />

239<br />

25 bis unter<br />

50 Jahre<br />

266<br />

181<br />

193<br />

50 bis unter<br />

55 Jahre<br />

8.304<br />

8.294<br />

Januar 2008<br />

170<br />

8.314<br />

8.313<br />

Februar 2008<br />

138<br />

8.315<br />

8.287<br />

März 2008<br />

147<br />

55 bis unter<br />

65 Jahre<br />

Frauen<br />

Männer<br />

129<br />

Insgesamt<br />

Männer<br />

Frauen


Zu Abbildung 2.1:<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen (SGB II)<br />

Stadt Bremerhaven<br />

In der Stadt Bremerhaven waren im März 2008,<br />

dem bisher letzten Berichtsmonat mit vorliegenden<br />

revidierten Daten, insgesamt 16.602<br />

Frauen und Männer im Alter von 15 bis unter<br />

65 Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen.<br />

<strong>Die</strong>s waren 3,1 Prozent (528) weniger als<br />

ein Jahr zuvor und 4,6 Prozent (803) weniger<br />

als im März 2006, als in der Stadt Bremerhaven<br />

mit 17.405 die (bisher) größte Zahl<br />

erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne des<br />

SGB II (Hartz IV) 5 registriert wurde.<br />

<strong>Die</strong> Zahl der im Rechtskreis SGB II registrierten<br />

Arbeitslosen sank in der Stadt Bremerhaven<br />

von März 2007 bis März 2008 lediglich um<br />

0,4 Prozent (38) auf 8.717 und damit wesentlich<br />

schwächer als die Zahl der Empfängerinnen<br />

und Empfänger von Arbeitslosengeld II. 6<br />

<strong>Die</strong> Zahl der Frauen, die auf Arbeitslosengeld<br />

II angewiesen waren, erreichte in der<br />

Stadt Bremerhaven erst im März 2007 den bisher<br />

höchsten Stand (8.465) und sank bis März<br />

2008 lediglich um 1,8 Prozent (150) auf 8.315.<br />

Nachrichtlich: 7 In der Stadt Bremerhaven<br />

erhielten im März 2008 insgesamt 270 Menschen<br />

Hilfen zum Lebensunterhalt außerhalb<br />

von Einrichtungen gemäß Kapitel 3 SGB XII<br />

(Sozialhilfe). 32 davon waren Kinder im Alter<br />

von unter 18 Jahren, 238 waren 18 bis unter<br />

65 Jahre alt und keiner war 65 Jahre und<br />

älter. Von den 238 Menschen im Alter von 18<br />

bis unter 65 Jahren waren 104 (43,7 Prozent)<br />

Frauen. Informationen über Bewegungen<br />

zwischen dem Rechtskreis SGB II einerseits<br />

und Kapitel 3 SGB XII andererseits liegen<br />

zurzeit noch keine vor.<br />

Zu Abbildung 2.2:<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro<br />

1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen<br />

Stadt Bremerhaven<br />

In der Stadt Bremerhaven 8 waren im März<br />

2008 von 1.000 Einwohner/innen im Alter<br />

von 15 bis unter 65 Jahren 222 auf Arbeitslosengeld<br />

II angewiesen (März 2007: 227):<br />

Männer 215 (März 2007: 223), Frauen 229<br />

(März 2007: 231).<br />

<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Dichte, die Zahl der<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen pro 1.000<br />

Einwohner/innen, lag damit in der Stadt<br />

Bremerhaven um 50,2 Prozent über der in der<br />

Stadt Bremen. 9 Bei den Männern betrug<br />

die negative Abweichung 48,4 Prozent, bei<br />

den Frauen 52,2 Prozent.<br />

<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Dichte liegt in den<br />

Altersgruppen der 15- bis unter 25-Jährigen<br />

und der 25- bis unter 50-Jährigen deutlich<br />

über dem Durchschnitt, in den Altersgruppen<br />

der 50- bis unter 55-Jährigen und 55- bis<br />

unter 65-Jährigen deutlich darunter.<br />

In der Altersgruppe der 15- bis unter 25-<br />

Jährigen waren dies 248 (März 2007: 260).<br />

<strong>Die</strong> altersdifferenzierte Betrachtung dieser<br />

Altersgruppe zeigt: <strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-<br />

Dichte unter den 15- bis unter 18-Jährigen ist<br />

mit 277 höher als unter den 18- bis unter<br />

25-Jährigen (236). <strong>Die</strong> gilt nicht <strong>für</strong> die Frauen.<br />

Von 1.000 Frauen im Alter von 15 bis<br />

unter 18 Jahren waren 263 auf Arbeitslosengeld<br />

II angewiesen (Männer: 291), von 1.000<br />

Frauen im Alter von 18 bis unter 25 Jahren<br />

270 (Männer: 204).<br />

In der Altersgruppe der 25- bis unter 50-<br />

Jährigen waren dies 252 (März 2007: 260).<br />

In der Altersgruppe der 50- bis unter 55-Jährigen<br />

181 (März 2007: 185) und in der Altersgruppe<br />

der 55- bis unter 65-Jährigen –<br />

die Altersgruppe mit der trotz Anstieg immer<br />

noch niedrigsten Arbeitslosengeld-II-Dichte –<br />

138 (März 2007: 129).<br />

In den Altersgruppen von 15 bis unter 25<br />

und von 25 bis unter 50 Jahren ist die Arbeitslosengeld-II-Dichte<br />

bei den Frauen höher als<br />

bei den Männern: 268 (Männer: 228) bzw.<br />

266 (Männer: 239). In den Altersgruppen von<br />

50 bis unter 55 und 55 bis unter 65 Jahren<br />

liegt die Arbeitslosengeld-II-Dichte bei den<br />

Frauen dagegen deutlich darunter: 170 bzw.<br />

129 (Männer: 193 bzw. 147).<br />

5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung <strong>für</strong> Arbeitsuchende.<br />

6 Vgl. Tabelle 3.2.<br />

7 Quelle: Senator <strong>für</strong> Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales.<br />

Da die Auswertungsroutinen <strong>für</strong> Auswertungen aus dem<br />

neuen Verfahren OPEN PROSOZ noch nicht ganz sicher programmiert<br />

sind, kann es nachträglich noch zu Korrekturen kommen.<br />

8 <strong>Die</strong> Quoten im März 2008 beziehen sich auf die Zahl der Einwohner/innen<br />

Ende 2007. In der Stadt Bremer-haven lebten Ende<br />

2007 insgesamt 74.918 Einwohner/innen im Alter von 15 bis<br />

unter 65 Jahren, darunter 36.386 Frauen. Von den 74.918 Einwohner/innen<br />

im Alter von 15 bis unter 65 Jahren waren 14.242<br />

15 bis unter 25 Jahre (darunter 6.952 Frauen), 38.139 25 bis<br />

unter 50 Jahre (darunter 18.131 Frauen), 8.288 50 bis unter<br />

55 Jahre (darunter 4.218 Frauen) und 14.249 55 bis unter 65<br />

Jahre alt (darunter 7.085 Frauen). Von den 14.242 Einwohner/innen<br />

im Alter von 15 bis unter 25 Jahre waren 4.018 unter<br />

18 Jahre (darunter 1.997 Frauen) und 10.224 18 Jahre und älter<br />

(darunter 4.955 Frauen).<br />

9 Der relative Abstand der Arbeitslosengeld-II-Dichte zwischen den<br />

beiden bremischen Städten im März 2008 (50,2 Prozent) ist<br />

höher als im März 2007 (48,7 Prozent) und höher als der relative<br />

Abstand der Sozialhilfedichte in der Stadt Bremerhaven von der<br />

Sozialhilfedichte in der Stadt Bremen Ende 2004: 45,9 Prozent<br />

(vergleiche Armutsbericht 2005, Seite 118).<br />

107


108<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 1.1: Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II –<br />

Stadt Bremen<br />

revidierte Daten<br />

März in % von Juni in % von September in % von Dezember in % von März in % von<br />

2007 eHb 2007 eHb 2007 eHb 2007 eHb 2008 eHb<br />

Personen insgesamt (eHb und nEf) 1 77.545 76.529 75.393 74.359 75.167<br />

Personen pro Bedarfsgemeinschaft<br />

darunter (Personen insgesamt)<br />

1,91 1,91 1,91 1,91 1,91<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 2 55.701 54.921 53.870 53.054 53.713<br />

eHb pro Bedarfsgemeinschaft 1,37 1,37 1,37 1,37 1,37<br />

■ Männer 27.853 27.251 26.550 26.123 26.458<br />

■ Frauen<br />

Altersstruktur erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb)<br />

27.848 50,0% 27.670 50,4% 27.320 50,7% 26.931 50,8% 27.255 50,7%<br />

15 bis unter 25 Jahre 10.159 18,2% 10.090 18,4% 9.739 18,1% 9.475 17,9% 9.675 18,0%<br />

■ Männer (15 bis unter 25) 4.722 4.636 4.467 4.395 4.482<br />

■ Frauen (15 bis unter 25) 5.437 53,5% 5.454 54,1% 5.272 54,1% 5.080 53,6% 5.193 53,7%<br />

25 bis unter 50 Jahre 34.078 61,2% 33.460 60,9% 32.790 60,9% 32.195 60,7% 32.482 60,5%<br />

■ Männer (25 bis unter 50) 16.980 16.531 16.017 15.641 15.798<br />

■ Frauen (25 bis unter 50) 17.098 50,2% 16.929 50,6% 16.773 51,2% 16.554 51,4% 16.684 51,4%<br />

50 bis unter 55 Jahre 4.770 8,6% 4.643 8,5% 4.595 8,5% 4.587 8,6% 4.657 8,7%<br />

■ Männer (50 bis unter 55) 2.519 2.425 2.422 2.412 2.458<br />

■ Frauen (50 bis unter 55) 2.251 47,2% 2.218 47,8% 2.173 47,3% 2.175 47,4% 2.199 47,2%<br />

55 bis unter 65 Jahre 6.694 12,0% 6.728 12,3% 6.746 12,5% 6.797 12,8% 6.899 12,8%<br />

■ Männer (55 bis unter 65) 3.632 3.659 3.644 3.675 3.720<br />

■ Frauen (55 bis unter 65) 3.062 45,7% 3.069 45,6% 3.102 46,0% 3.122 45,9% 3.179 46,1%<br />

1 erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Arbeitslosengeld II) und<br />

nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Sozialgeld)<br />

2 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Arbeitslosengeld II<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 1.1:<br />

Empfängerinnen und Empfänger<br />

von Arbeitslosengeld II<br />

Stadt Bremen<br />

In der Stadt Bremen lebten im März 2008 insgesamt<br />

75.167 Menschen im Alter von unter<br />

65 Jahren in 39.314 sogenannten SGB-II-<br />

Bedarfsgemeinschaften 10 , darunter 53.713<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des<br />

SGB II 11 . <strong>Die</strong>s waren insgesamt 2.378 (3,1 Prozent)<br />

weniger als ein Jahr zuvor – 1.988 weniger<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige und 390<br />

weniger nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />

Im März 2008 lag die Zahl der erwerbsfähigen<br />

hilfebedürftigen Männer 1.395 (5,0 Prozent),<br />

die der erwerbsfähigen hilfebedürftigen<br />

Frauen lediglich 593 (2,1 Prozent) unter dem<br />

entsprechenden Bestand ein Jahr zuvor. Der<br />

Anteil der Frauen an den 53.713 erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen im März 2008 betrug<br />

50,7 Prozent (27.255), 0,7 Prozentpunkte<br />

mehr als ein Jahr zuvor.<br />

In den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in der<br />

Stadt Bremen lebten im März 2008, wie ein<br />

Jahr zuvor, durchschnittlich 1,91 Personen,<br />

davon 1,37 erwerbsfähige Hilfebedürftige und<br />

0,54 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />

18,0 Prozent der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

(Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />

im März 2008 waren 15 bis unter 25 Jahre<br />

(März 2007: 18,2 Prozent), 60,5 Prozent waren<br />

25 bis unter 50 Jahre (März 2007: 61,2 Prozent),<br />

8,7 Prozent waren 50 bis unter 55 Jahre<br />

(März 2007: 8,6 Prozent) und 12,8 Prozent<br />

waren 55 bis unter 65 Jahre alt (März 2007:<br />

12,0 Prozent). <strong>Die</strong> Zahl der 55- bis unter 65-<br />

Jährigen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und<br />

deren Anteil an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

insgesamt ist im Vergleich zum März<br />

2007 weiter gestiegen (März 2008: 6.899<br />

beziehungsweise 12,8 Prozent; März 2007:<br />

6.694 beziehungsweise 12,0 Prozent).<br />

Der Anteil der Frauen an den Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

ist in der Altersgruppe<br />

der 15- bis unter 25-Jährigen am höchsten. Im<br />

März 2008 waren in der Stadt Bremen 53,7<br />

Prozent der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

Frauen (März 2007: 53,5 Prozent). Anders<br />

betrachtet: Von den 27.255 Arbeitslosengeld-II-<br />

Empfängerinnen waren 19,1 Prozent unter 25<br />

Jahre alt, von den 26.458 Arbeitslosengeld-II-<br />

Empfängern (männlich) waren dies dagegen<br />

›nur‹ 16,9 Prozent.<br />

Auch in der Altersgruppe der 25- bis unter<br />

50-Jährigen lag der gegenüber dem Vorjahr<br />

(März 2007: 50,2 Prozent) deutlich gestiegene<br />

Anteil der Frauen an den Arbeitslosengeld-II-<br />

Empfänger/innen im März 2008 mit 51,4 Prozent<br />

über dem Durchschnitt von 50,7 Prozent. 12<br />

In den Altersgruppen der 50- bis unter 55und<br />

55- bis unter 65-Jährigen lag der Anteil der<br />

Frauen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

im März 2008 mit 47,2 beziehungsweise 46,1<br />

Prozent deutlich unter dem Anteil der Frauen an<br />

den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt.<br />

10 Zu den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in der Stadt Bremen<br />

vergleiche Tabelle 2.1.<br />

11 Neben den 53.713 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (= Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />

lebten in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />

21.454 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (Sozialgeld-<br />

Empfänger/innen), darunter 20.564 Kinder im Alter von unter<br />

15 Jahren. Vergleiche dazu Tabelle 6.<br />

12 Eine differenzierte Betrachtung der Altersstruktur der Altersgruppe<br />

der 25- bis unter 50-Jährigen (zum Beispiel in Fünf-Jahres-<br />

Altersgruppen) würde vermutlich zeigen, dass der Frauenanteil<br />

insbesondere in den Altersgruppen der 25- bis unter 30- und<br />

30- bis unter 35-Jährigen über diesen 51,4 Prozent liegt. <strong>Die</strong><br />

einseitige Verteilung der Betreuungspflichten <strong>für</strong> Kinder dürfte –<br />

in Verbindung mit fehlenden öffentlichen Betreuungsangeboten –<br />

der wesentliche Grund da<strong>für</strong> sein.<br />

109


110<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 1.2: Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II –<br />

Stadt Bremerhaven<br />

revidierte Daten<br />

März in % von Juni in % von September in % von Dezember in % von März in % von<br />

2007 eHb 2007 eHb 2007 eHb 2007 eHb 2008 eHb<br />

Personen insgesamt (eHb und nEf) 1 23.825 23.472 23.096 22.849 23.107<br />

Personen pro Bedarfsgemeinschaft<br />

darunter (Personen insgesamt)<br />

1,96 1,97 1,97 1,96 1,97<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 2 17.130 16.841 16.552 16.379 16.602<br />

eHb pro Bedarfsgemeinschaft 1,41 1,42 1,41 1,41 1,41<br />

■ Männer 8.665 8.471 8.278 8.199 8.287<br />

■ Frauen<br />

Altersstruktur erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb)<br />

8.465 49,4% 8.370 49,7% 8.274 50,0% 8.180 49,9% 8.315 50,1%<br />

15 bis unter 25 Jahre 3.722 21,7% 3.678 21,8% 3.548 21,4% 3.447 21,0% 3.528 21,3%<br />

■ Männer (15 bis unter 25) 1.766 1.745 1.666 1.630 1.663<br />

■ Frauen (15 bis unter 25) 1.956 52,6% 1.933 52,6% 1.882 53,0% 1.817 52,7% 1.865 52,9%<br />

25 bis unter 50 Jahre 10.058 58,7% 9.794 58,2% 9.626 58,2% 9.508 58,0% 9.604 57,8%<br />

■ Männer (25 bis unter 50) 5.111 4.922 4.809 4.740 4.786<br />

■ Frauen (25 bis unter 50) 4.947 49,2% 4.872 49,7% 4.817 50,0% 4.768 50,1% 4.818 50,2%<br />

50 bis unter 55 Jahre 1.506 8,8% 1.495 8,9% 1.475 8,9% 1.474 9,0% 1.502 9,0%<br />

■ Männer (50 bis unter 55) 805 801 787 783 786<br />

■ Frauen (50 bis unter 55) 701 46,5% 694 46,4% 688 46,6% 691 46,9% 716 47,7%<br />

55 bis unter 65 Jahre 1.844 10,8% 1.874 11,1% 1.903 11,5% 1.950 11,9% 1.968 11,9%<br />

■ Männer (55 bis unter 65) 983 1.003 1.016 1.046 1.052<br />

■ Frauen (55 bis unter 65) 861 46,7% 871 46,5% 887 46,6% 904 46,4% 916 46,5%<br />

1 erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Arbeitslosengeld II) und<br />

nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Sozialgeld)<br />

2 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Arbeitslosengeld II<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 1.2:<br />

Empfängerinnen und Empfänger<br />

von Arbeitslosengeld II<br />

Stadt Bremerhaven<br />

In der Stadt Bremerhaven lebten im März 2008<br />

insgesamt 23.107 Menschen im Alter von<br />

unter 65 Jahren in 11.751 sogenannten SGB-II-<br />

Bedarfsgemeinschaften 13 , darunter 16.602<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des<br />

SGB II. 14 <strong>Die</strong>s waren insgesamt 718 (3,0 Prozent)<br />

Hilfebedürftige weniger als ein Jahr zuvor<br />

– 528 weniger erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

und 190 weniger nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />

Im März 2008 lag die Zahl der erwerbsfähigen<br />

hilfebedürftigen Männer 378 (4,4 Prozent)<br />

und die der erwerbsfähigen hilfebedürftigen<br />

Frauen 150 (1,8 Prozent) unter dem entsprechenden<br />

Bestand ein Jahr zuvor. Der Anteil der<br />

Frauen an den 16.602 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

im März 2008 betrug 50,1 Prozent<br />

(8.315), 0,7 Prozentpunkte mehr als ein Jahr<br />

zuvor.<br />

In den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in der<br />

Stadt Bremerhaven lebten im März 2008, nahezu<br />

unverändert gegenüber dem entsprechenden<br />

Vorjahresmonat, durchschnittlich 1,97 Personen,<br />

davon 1,41 erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

und 0,56 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />

21,3 Prozent der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

(Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />

im März 2008 waren 15 bis unter 25 Jahre<br />

(März 2007: 21,7 Prozent), 57,8 Prozent waren<br />

25 bis unter 50 Jahre (März 2007: 58,7 Prozent),<br />

9,0 Prozent waren 50 bis unter 55 Jahre<br />

(März 2007: 8,8 Prozent) und 11,9 Prozent<br />

waren 55 bis unter 65 Jahre alt (März 2007:<br />

10,8 Prozent). <strong>Die</strong> Zahl der 55- bis unter 65-<br />

Jährigen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und<br />

deren Anteil an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

insgesamt ist im Vergleich zum März<br />

2007 weiter gestiegen (März 2008: 1.968<br />

beziehungsweise 11,9 Prozent; März 2007:<br />

1.844 beziehungsweise 10,8 Prozent).<br />

Beim Vergleich mit den entsprechenden<br />

Daten <strong>für</strong> die Stadt Bremen fällt auf: Der Anteil<br />

der 15- bis unter 25-Jährigen erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen ist auch im März 2008 in der<br />

Stadt Bremerhaven noch immer deutlich größer<br />

als in der Stadt Bremen. 15<br />

Der Anteil der Frauen an den Arbeitslosengeld-<br />

II-Empfänger/innen ist in der Altersgruppe<br />

der 15- bis unter 25-Jährigen am höchsten. Im<br />

März 2008 waren in der Stadt Bremerhaven<br />

52,9 Prozent der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

im Alter von 15 bis unter 25 Jahren Frauen<br />

(März 2007: 52,6 Prozent). Anders betrachtet:<br />

Von den 8.315 Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen<br />

waren 22,4 Prozent unter 25 Jahre<br />

alt, von den 8.287 Arbeitslosengeld-II-Empfängern<br />

(männlich) waren dies dagegen ›nur‹ 20,1<br />

Prozent.<br />

In der Altersgruppe der 25- bis unter 50-<br />

Jährigen entsprach der Anteil der Frauen an<br />

den Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen im<br />

März 2008 mit 50,2 Prozent in etwa dem Anteil<br />

der Frauen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

insgesamt. 16 Der Anteil der Frauen an den<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Alter von<br />

25 bis unter 50 Jahren lag damit im März 2008<br />

um einen Prozentpunkt über dem entsprechenden<br />

Anteil ein Jahr zuvor.<br />

In den Altersgruppen der 50- bis unter 55und<br />

55- bis unter 65-Jährigen lag der Anteil der<br />

Frauen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

im März 2008 mit 47,7 beziehungsweise 46,5<br />

Prozent deutlich unter dem Anteil der Frauen an<br />

den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt.<br />

Allerdings ist der Frauenanteil in der Altersgruppe<br />

der 50- bis unter 55-Jährigen im Vergleich<br />

zum März 2007 deutlich gestiegen: von 46,5<br />

auf 47,7 Prozent. In der Altersgruppe der 55bis<br />

unter 65-Jährigen sank der Frauenanteil<br />

geringfügig von 46,7 Prozent auf 46,5 Prozent.<br />

13 Zu den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in der Stadt Bremerhaven<br />

vergleiche Tabelle 2.2.<br />

14 Neben den 16.602 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (= Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />

lebten in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />

6.505 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (Sozialgeld-<br />

Empfänger/innen), darunter 6.329 Kinder im Alter von unter<br />

15 Jahren. Vergleiche dazu Tabelle 6.<br />

15 Vgl. Tabelle 1.1.<br />

16 Eine differenzierte Betrachtung der Altersstruktur der Altersgruppe<br />

der 25- bis unter 50-Jährigen (zum Beispiel in Fünf-<br />

Jahres-Altersgruppen) würde vermutlich zeigen, dass der Frauenanteil<br />

insbesondere in den Altersgruppen der 25- bis unter<br />

30- und 30- bis unter 35-Jährigen über diesen 50,2 Prozent liegt.<br />

<strong>Die</strong> einseitige Verteilung der Betreuungspflichten <strong>für</strong> Kinder<br />

dürfte – in Verbindung mit fehlenden öffentlichen Betreuungsangeboten<br />

– der wesentliche Grund da<strong>für</strong> sein.<br />

111


112<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 2.1:<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften – Stadt Bremen<br />

revidierte Daten<br />

März Juni Sept. Dez. März<br />

2007 2007 2007 2007 2008<br />

Bedarfsgemeinschaften (BG)<br />

davon (BG = 100%)<br />

40.685 40.067 39.390 38.840 39.314<br />

■ mit einer Person 1<br />

22.543 22.123 21.690 21.368 21.716<br />

mit einer Person 1 (in % von BG) 55,4% 55,2% 55,1% 55,0% 55,2%<br />

■ mit zwei Personen 2<br />

7.864 7.807 7.688 7.639 7.673<br />

mit zwei Personen 2 (in % von BG) 19,3% 19,5% 19,5% 19,7% 19,5%<br />

■ mit drei Personen 2<br />

5.137 5.060 5.006 4.908 4.963<br />

mit drei Personen 2 (in % von BG) 12,6% 12,6% 12,7% 12,6% 12,6%<br />

■ mit vier Personen 2<br />

3.146 3.071 2.991 2.915 2.905<br />

mit vier Personen 2 (in % von BG) 7,7% 7,7% 7,6% 7,5% 7,4%<br />

■ mit fünf und mehr Personen 2<br />

1.995 2.006 2.015 2.010 2.057<br />

mit fünf und mehr Personen 2 (in % von BG) 4,9% 5,0% 5,1% 5,2% 5,2%<br />

davon (BG = 100%)<br />

28.862 28.420 28.039 27.714 28.044<br />

mit einer/einem eHb 3 (in % von BG) 70,9% 70,9% 71,2% 71,4% 71,3%<br />

9.389 9.213 8.965 8.763 8.814<br />

mit zwei eHb 3 (in % von BG) 23,1% 23,0% 22,8% 22,6% 22,4%<br />

1.797 1.787 1.761 1.745 1.782<br />

mit drei eHb 3 (in % von BG) 4,4% 4,5% 4,5% 4,5% 4,5%<br />

637 647 625 618 674<br />

mit vier und mehr eHb 3 (in % von BG) 1,6% 1,6% 1,6% 1,6% 1,7%<br />

■ mit einer/einem eHb 3<br />

■ mit zwei eHb 3<br />

■ mit drei eHb 3<br />

■ mit vier und mehr eHb 3<br />

darunter (BG = 100%)<br />

■ mit Kindern (unter 15 Jahre) (BG mit Kindern) 12.567 12.395 12.336 12.202 12.300<br />

mit Kindern (unter 15 Jahre) (in % von BG)<br />

davon (BG mit Kindern = 100%)<br />

30,9% 30,9% 31,3% 31,4% 31,3%<br />

■ mit einem Kind 6.845 6.750 6.672 6.606 6.692<br />

mit einem Kind (in % von BG mit Kindern) 54,5% 54,5% 54,1% 54,1% 54,4%<br />

■ mit zwei Kindern 3.852 3.782 3.817 3.761 3.739<br />

mit zwei Kindern (in % von BG mit Kindern) 30,7% 30,5% 30,9% 30,8% 30,4%<br />

■ mit drei Kindern 1.301 1.296 1.288 1.280 1.308<br />

mit drei Kindern (in % von BG mit Kindern) 10,4% 10,5% 10,4% 10,5% 10,6%<br />

■ mit vier und mehr Kindern 569 567 559 555 561<br />

mit vier und mehr Kindern (in % von BG mit Kindern) 4,5% 4,6% 4,5% 4,5% 4,6%<br />

1 eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Arbeitslosengeld II<br />

2 darunter mindestens eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Arbeitslosengeld II<br />

3 erwerbsfähige Hilfebedürftige (15 bis unter 65 Jahre) (= Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II)<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 2.1:<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

Stadt Bremen<br />

In der Stadt Bremen gab es im März 2008<br />

insgesamt 39.314 sogenannte Bedarfsgemeinschaften<br />

im Sinne des SGB II 17 , 1.371 (3,4<br />

Prozent) weniger als im März 2007.<br />

In 55,2 Prozent (21.716) dieser Bedarfsgemeinschaften<br />

lebte jeweils lediglich eine Person<br />

– eine erwerbsfähige Hilfebedürftige oder ein<br />

erwerbsfähiger Hilfebedürftiger (März 2007:<br />

55,4 Prozent beziehungsweise 22.543).<br />

In 19,5 Prozent (7.673) der Bedarfsgemeinschaften<br />

lebten zwei, in 12,6 Prozent (4.963)<br />

drei, in 7,4 Prozent (2.905) vier und in 5,2 Prozent<br />

(2.057) fünf und mehr Personen – immer<br />

mindestens eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

oder ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger und<br />

weitere erwerbsfähige oder nicht erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige.<br />

71,3 Prozent (28.044) der insgesamt<br />

39.314 Bedarfsgemeinschaften in der Stadt<br />

Bremen waren Bedarfsgemeinschaften, in<br />

denen lediglich eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

oder ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger<br />

lebte (März 2007: 70,9 Prozent beziehungsweise<br />

28.862).<br />

Da in 21.716 Bedarfsgemeinschaften lediglich<br />

eine Person, eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

oder ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger<br />

lebte 18 , heißt dies auch: In 6.328 der<br />

Bedarfsgemeinschaften mit nur einer oder<br />

einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lebte<br />

diese oder dieser mit einer nicht erwerbsfähigen<br />

oder einem nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

zusammen (März 2007: 6.319). In der<br />

Regel handelt es sich bei diesen Bedarfsgemeinschaften<br />

um Alleinerziehende mit einem<br />

Kind im Alter von unter 15 Jahren. Der Vergleich<br />

mit dem März 2007 zeigt: <strong>Die</strong> Zahl der<br />

Bedarfsgemeinschaften mit nur einer oder<br />

einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und<br />

mindestens einer nicht erwerbsfähigen oder<br />

einem nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist<br />

im Vorjahresvergleich, anders als die Zahl<br />

der Bedarfsgemeinschaften insgesamt, nicht<br />

gesunken.<br />

In den Bedarfsgemeinschaften mit einem oder<br />

einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lebten<br />

52,2 Prozent der insgesamt 53.713 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

(März 2007: 51,8<br />

Prozent).<br />

Zwei erwerbsfähige Hilfebedürftige lebten in<br />

22,4 Prozent (8.814) der Bedarfsgemeinschaften.<br />

Das heißt, in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />

mit zwei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

lebten insgesamt 17.628 beziehungsweise<br />

32,8 Prozent der Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

in der Stadt Bremen (März 2007:<br />

23,1 Prozent der Bedarfsgemeinschaften beziehungsweise<br />

33,7 Prozent der erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen).<br />

8.041 (15,0 Prozent) der erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen lebten in 2.456 Bedarfsgemeinschaften<br />

mit drei und mehr erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen beziehungsweise in 6,2 Prozent<br />

der Bedarfsgemeinschaften insgesamt<br />

(März 2007: 14,5 Prozent der erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen beziehungsweise 6,0 Prozent<br />

der Bedarfsgemeinschaften).<br />

Im März 2008 lebten in 31,3 Prozent<br />

(12.300) der SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in<br />

der Stadt Bremen Kinder im Alter von unter<br />

15 Jahren (März 2007: 30,9 Prozent).<br />

In 54,4 Prozent (6.692) dieser 12.300<br />

Bedarfsgemeinschaften lebte ein Kind im Alter<br />

von unter 15 Jahren. In 30,4 Prozent (3.739)<br />

der Bedarfsgemeinschaften mit Kindern lebten<br />

zwei, in 10,6 Prozent (1.308) drei und in<br />

4,6 Prozent (561) vier und mehr Kinder im Alter<br />

von unter 15 Jahren.<br />

17 Vgl. § 7 Abs. 3 SGB II.<br />

18 Siehe oben.<br />

113


114<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 2.2:<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften – Stadt Bremerhaven<br />

revidierte Daten<br />

März Juni Sept. Dez. März<br />

2007 2007 2007 2007 2008<br />

Bedarfsgemeinschaften (BG)<br />

davon (BG = 100%)<br />

12.125 11.885 11.727 11.654 11.751<br />

■ mit einer Person 1<br />

6.457 6.306 6.219 6.247 6.288<br />

mit einer Person 1 (in % von BG) 53,3% 53,1% 53,0% 53,6% 53,5%<br />

■ mit zwei Personen 2<br />

2.451 2.385 2.398 2.361 2.340<br />

mit zwei Personen 2 (in % von BG) 20,2% 20,1% 20,4% 20,3% 19,9%<br />

■ mit drei Personen 2<br />

1.546 1.538 1.490 1.463 1.521<br />

mit drei Personen 2 (in % von BG) 12,8% 12,9% 12,7% 12,6% 12,9%<br />

■ mit vier Personen 2<br />

968 955 941 893 899<br />

mit vier Personen 2 (in % von BG) 8,0% 8,0% 8,0% 7,7% 7,7%<br />

■ mit fünf und mehr Personen 2<br />

703 701 679 690 703<br />

mit fünf und mehr Personen 2 (in % von BG) 5,8% 5,9% 5,8% 5,9% 6,0%<br />

davon (BG = 100%)<br />

8.291 8.113 8.012 8.047 8.039<br />

mit einer/einem eHb 3 (in % von BG) 68,4% 68,3% 68,3% 69,0% 68,4%<br />

2.935 2.866 2.854 2.752 2.841<br />

mit zwei eHb 3 (in % von BG) 24,2% 24,1% 24,3% 23,6% 24,2%<br />

675 677 653 636 652<br />

mit drei eHb 3 (in % von BG) 5,6% 5,7% 5,6% 5,5% 5,5%<br />

224 229 208 219 219<br />

mit vier und mehr eHb 3 (in % von BG) 1,8% 1,9% 1,8% 1,9% 1,9%<br />

■ mit einer/einem eHb 3<br />

■ mit zwei eHb 3<br />

■ mit drei eHb 3<br />

■ mit vier und mehr eHb 3<br />

darunter (BG = 100%)<br />

■ mit Kindern (unter 15 Jahre) (BG mit Kindern) 3.831 3.766 3.718 3.656 3.670<br />

mit Kindern (unter 15 Jahre) (in % von BG)<br />

davon (BG mit Kindern = 100%)<br />

31,6% 31,7% 31,7% 31,4% 31,2%<br />

■ mit einem Kind 2.088 2.034 2.010 1.965 1.948<br />

mit einem Kind (in % von BG mit Kindern) 54,5% 54,0% 54,1% 53,7% 53,1%<br />

■ mit zwei Kindern 1.141 1.123 1.108 1.090 1.120<br />

mit zwei Kindern (in % von BG mit Kindern) 29,8% 29,8% 29,8% 29,8% 30,5%<br />

■ mit drei Kindern 401 406 394 390 384<br />

mit drei Kindern (in % von BG mit Kindern) 10,5% 10,8% 10,6% 10,7% 10,5%<br />

■ mit vier und mehr Kindern 201 203 206 211 218<br />

mit vier und mehr Kindern (in % von BG mit Kindern) 5,2% 5,4% 5,5% 5,8% 5,9%<br />

1 eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Arbeitslosengeld II<br />

2 darunter mindestens eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Arbeitslosengeld II<br />

3 erwerbsfähige Hilfebedürftige (15 bis unter 65 Jahre) (= Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II)<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 2.2:<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

Stadt Bremerhaven<br />

In der Stadt Bremerhaven gab es im März<br />

2008 insgesamt 11.751 sogenannte Bedarfsgemeinschaften<br />

im Sinne des SGB II 19 , 374<br />

(3,1 Prozent) weniger als im März 2007.<br />

In 53,5 Prozent (6.288) dieser Bedarfsgemeinschaften<br />

lebte jeweils lediglich eine Person<br />

– eine erwerbsfähige Hilfebedürftige oder ein<br />

erwerbsfähiger Hilfebedürftiger (März 2007:<br />

53,3 Prozent beziehungsweise 6.457).<br />

In 19,9 Prozent (2.340) der Bedarfsgemeinschaften<br />

lebten zwei, in 12,9 Prozent (1.521)<br />

drei, in 7,7 Prozent (899) vier und in 6,0 Prozent<br />

(703) fünf und mehr Personen – immer<br />

mindestens eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

oder ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger und<br />

weitere erwerbsfähige oder nicht erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige.<br />

68,4 Prozent (8.039) der insgesamt 11.751<br />

Bedarfsgemeinschaften in der Stadt Bremerhaven<br />

waren Bedarfsgemeinschaften, in denen<br />

lediglich eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

oder ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger lebte<br />

(März 2007: ebenfalls 68,4 Prozent beziehungsweise<br />

8.291).<br />

Da in 6.288 Bedarfsgemeinschaften lediglich<br />

eine Person, also eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

oder ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger<br />

lebte 20 , heißt dies auch: in 1.751 der<br />

Bedarfsgemeinschaften mit nur einer oder<br />

einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lebte<br />

diese oder dieser mit einer nicht erwerbsfähigen<br />

oder einem nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

zusammen (März 2007: 1.834). In<br />

der Regel handelt es sich bei diesen 1.751<br />

Bedarfsgemeinschaften um Alleinerziehende<br />

mit einem Kind im Alter von unter 15 Jahren.<br />

In den Bedarfsgemeinschaften mit einem<br />

oder einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

lebten, wie im März 2007, 48,4 Prozent<br />

(8.039) der insgesamt 16.602 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen.<br />

Zwei erwerbsfähige Hilfebedürftige lebten in<br />

24,2 Prozent (2.841) der Bedarfsgemeinschaften.<br />

Das heißt, in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />

mit zwei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

lebten insgesamt 5.682 beziehungsweise<br />

34,2 Prozent der Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

in der Stadt Bremerhaven (März<br />

2007: 24,2 Prozent der Bedarfsgemeinschaften<br />

beziehungsweise 34,3 Prozent der erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen).<br />

2.881 (17,4 Prozent) der erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen lebten in den 871 Bedarfsgemeinschaften<br />

mit drei und mehr erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen beziehungsweise in 7,4 Prozent<br />

der Bedarfsgemeinschaften insgesamt<br />

(März 2007: 17,3 Prozent der erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen beziehungsweise 7,4 Prozent<br />

der Bedarfsgemeinschaften).<br />

Im März 2008 lebten in 31,2 Prozent (3.670)<br />

der SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in der Stadt<br />

Bremerhaven Kinder im Alter von unter 15<br />

Jahren (März 2007: 31,6 Prozent beziehungsweise<br />

3.831).<br />

In 53,1 Prozent (1.948) dieser 3.670<br />

Bedarfsgemeinschaften lebte ein Kind im Alter<br />

von unter 15 Jahren. In 30,5 Prozent (1.120)<br />

der Bedarfsgemeinschaften mit Kindern lebten<br />

zwei, in 10,5 Prozent (384) drei und in 5,9<br />

Prozent (218) vier und mehr Kinder im Alter<br />

von unter 15 Jahren.<br />

19 Vgl. § 7 Abs. 3 SGB II.<br />

20 Siehe oben.<br />

115


116<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 3.1: Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

und registrierte Arbeitslose im Rechtskreis SGB II – Stadt Bremen<br />

Alg II: revidierte Daten<br />

März Juni Sept. Dez. März<br />

2007 2007 2007 2007 2008<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 1 55.701 54.921 53.870 53.054 53.713<br />

■ Männer 27.853 27.251 26.550 26.123 26.458<br />

■ Frauen 27.848 27.670 27.320 26.931 27.255<br />

Arbeitslose im Rechtskreis SGB II 24.899 24.525 23.914 23.110 23.319<br />

in % von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 44,7% 44,7% 44,4% 43,6% 43,4%<br />

■ Männer 14.085 13.654 13.157 12.763 12.920<br />

Männer (in % von eHb – Männer) 50,6% 50,1% 49,6% 48,9% 48,8%<br />

■ Frauen 10.814 10.871 10.757 10.347 10.399<br />

Frauen (in % von eHb – Frauen) 38,8% 39,3% 39,4% 38,4% 38,2%<br />

eHb – 15 bis unter 25 Jahre 10.159 10.090 9.739 9.475 9.675<br />

■ Männer (15 bis unter 25) 4.722 4.636 4.467 4.395 4.482<br />

■ Frauen (15 bis unter 25) 5.437 5.454 5.272 5.080 5.193<br />

Arbeitslose (SGB II) – unter 25 Jahre 1.929 1.829 1.820 1.706 1.748<br />

in % von eHb – 15 bis unter 25 Jahre 19,0% 18,1% 18,7% 18,0% 18,1%<br />

■ Männer (15 bis unter 25) 1.083 1.005 961 937 961<br />

Männer (in % von eHb – Männer – unter 25) 22,9% 21,7% 21,5% 21,3% 21,4%<br />

■ Frauen (15 bis unter 25) 846 824 859 769 787<br />

Frauen (in % von eHb – Frauen – unter 25) 15,6% 15,1% 16,3% 15,1% 15,2%<br />

eHb – 25 bis unter 55 Jahre 38.848 38.103 37.385 36.782 37.139<br />

■ Männer (25 bis unter 55) 19.499 18.956 18.439 18.053 18.256<br />

■ Frauen (25 bis unter 55) 19.349 19.147 18.946 18.729 18.883<br />

Arbeitslose (SGB II) – 25 bis unter 55 Jahre 20.800 20.505 20.001 19.404 19.487<br />

in % von eHb – 25 bis unter 55 Jahre 53,5% 53,8% 53,5% 52,8% 52,5%<br />

■ Männer (25 bis unter 55) 11.762 11.397 11.010 10.709 10.796<br />

Männer (in % von eHb – Männer – 25 bis unter 55) 60,3% 60,1% 59,7% 59,3% 59,1%<br />

■ Frauen (25 bis unter 25) 9.038 9.108 8.991 8.695 8.691<br />

Frauen (in % von eHb – Frauen – 25 bis unter 55) 46,7% 47,6% 47,5% 46,4% 46,0%<br />

eHb – 55 bis unter 65 Jahre 6.694 6.728 6.746 6.797 6.899<br />

■ Männer (55 bis unter 65) 3.632 3.659 3.644 3.675 3.720<br />

■ Frauen (55 bis unter 65) 3.062 3.069 3.102 3.122 3.179<br />

Arbeitslose (SGB II) – 55 bis unter 65 Jahre 2.170 2.191 2.093 2.000 2.084<br />

in % von eHb – 55 bis unter 65 Jahre 32,4% 32,6% 31,0% 29,4% 30,2%<br />

■ Männer (55 bis unter 65) 1.260 1.255 1.186 1.117 1.163<br />

Männer (in % von eHb – Männer – 55 bis unter 65) 34,7% 34,3% 32,5% 30,4% 31,3%<br />

■ Frauen (55 bis unter 65) 910 936 907 883 921<br />

Frauen (in % von eHb – Frauen – 55 bis unter 65) 29,7% 30,5% 29,2% 28,3% 29,0%<br />

1 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Arbeitslosengeld II.<br />

Zahl der registrierten Arbeitslosen im März 2007 gegenüber Armutsbericht 2007 von der BA teilweise korrigiert.<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); Senator <strong>für</strong> Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales; eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 3.1:<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen und<br />

registrierte Arbeitslose im Rechtskreis SGB II<br />

Stadt Bremen<br />

Von den 53.713 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

in der Stadt Bremen im März<br />

2008 waren 43,4 Prozent (23.319) als Arbeitslose<br />

im Rechtskreis SGB II registriert, 21 (März<br />

2006 51,3 Prozent /März 2007 44,7 Prozent).<br />

Demnach waren 30.394 (56,6 Prozent)<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen nicht<br />

arbeitslos beziehungsweise nicht als Arbeitslose<br />

registriert, 408 (1,3 Prozent) weniger als ein<br />

Jahr zuvor. <strong>Die</strong> Gründe sind im Wesentlichen:<br />

Schulbesuch, Erwerbstätigkeit von mindestens<br />

15 Wochenstunden, Teilnahme an einer Maßnahme<br />

zur ›Eingliederung in Arbeit‹ oder ›fehlende<br />

Verfügbarkeit‹ wegen der Betreuung von<br />

Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen.<br />

Eine (veröffentlichte) statistische Auswertung<br />

der Gründe <strong>für</strong> die (zunehmende) Nichterfassung<br />

von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen als<br />

Arbeitslose gibt es bisher – anders als beim<br />

beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld 22 – immer<br />

noch nicht.<br />

Der Anteil der arbeitslos registrierten<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen an den<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt,<br />

differiert regional, alters- und geschlechtsspezifisch<br />

erheblich.<br />

<strong>Die</strong>s gilt auch <strong>für</strong> die Ortsteile der Stadt Bremen.<br />

23 Bei einem Durchschnitt von 41,2 Prozent<br />

24 reicht der Anteil der arbeitslos registrierten<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen an den<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt von<br />

52,7 Prozent im Ortsteil Hohentor bis lediglich<br />

30,8 Prozent im Ortsteil Neue Vahr Südost.<br />

48,8 Prozent der Arbeitslosengeld-II-Empfänger<br />

(männlich), aber nur 38,2 Prozent der<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen waren als<br />

Arbeitslose registriert 25 (März 2007: 50,6 Prozent<br />

beziehungsweise 38,8 Prozent). <strong>Die</strong> erheblich<br />

niedrigere Quote bei den Arbeitslosengeld-<br />

II-Empfängerinnen dürfte im Wesentlichen auf<br />

die ›fehlende Verfügbarkeit‹ wegen der Betreuung<br />

von (kleinen) Kindern zurückzuführen sein. 26<br />

In der Altersgruppe der 15- bis unter 25-<br />

Jährigen waren lediglich 18,1 Prozent als<br />

Arbeitslose registriert (Männer: 21,4 Prozent;<br />

Frauen lediglich 15,2 Prozent). <strong>Die</strong>se Quoten<br />

sind im Vergleich zum März 2007 weiter gesunken.<br />

<strong>Die</strong> höchste Registrier-Quote wurde <strong>für</strong> die<br />

Altersgruppe der 25- bis unter 55-Jährigen<br />

errechnet: 52,5 Prozent (März 2007: 53,5<br />

Prozent). Männer: 59,1 Prozent (März 2007:<br />

60,3 Prozent); Frauen: lediglich 46,0 Prozent<br />

(März 2007: 46,7 Prozent).<br />

Eine sehr niedrige Quote wurde <strong>für</strong> die Altersgruppe<br />

der 55- bis unter 65-Jährigen ermittelt:<br />

30,2 Prozent (März 2007: 32,4 Prozent).<br />

Männer: 31,3 Prozent (März 2007: 34,7<br />

Prozent); Frauen lediglich 29,0 Prozent (März<br />

2007: 29,7 Prozent). 27<br />

21 Spätere integrierte Auswertungen zu Leistungsbezug und<br />

registrierter Arbeitslosigkeit im Rechtskreis SGB II zeigen, dass<br />

diese Quoten noch unter den auf Grundlage der Zahl der Arbeitslosen<br />

im Rechtskreis SGB II und der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

berechneten Quoten liegen; im April 2008 wurde <strong>für</strong> die<br />

Stadt Bremen eine Quote von 43,4 Prozent ermittelt (Arbeitslose<br />

im Rechtskreis SGB II im Verhältnis zu den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

insgesamt), die dann später auf eine Quote von 41,2<br />

Prozent (arbeitslose erwerbsfähige Hilfebedürftige im Verhältnis<br />

zu den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt) reduziert<br />

wurde. <strong>Die</strong> Gründe <strong>für</strong> diese Abweichungen: zeitverzögert erfasste<br />

Rechtskreiswechsel und kurzzeitige Leistungsunterbrechungen.<br />

(Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit.)<br />

22 <strong>Die</strong> Erfassung der Gründe stellt sich beim Arbeitslosengeld II<br />

allerdings schwieriger dar, da <strong>für</strong> den Bezug von Arbeitslosengeld<br />

II – anders als beim Arbeitslosengeld – Arbeitslosigkeit<br />

keine Voraussetzung <strong>für</strong> den Bezug dieser Leistung ist. Auch<br />

insofern ist der Begriff ›Arbeitslosengeld II‹ irreführend.<br />

23 Hier ohne die bevölkerungsarmen Ortsteile Blockland,<br />

Seehausen, Strom, Hohweg, In den Hufen, Werderland und den<br />

Stadtteil Häfen.<br />

24 Vgl. Fußnote 21.<br />

25 <strong>Die</strong>se geschlechtsspezifischen Quoten beziehen sich auf die<br />

registrierten Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II und die erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen, da <strong>für</strong> die aus arbeitslosen erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen und erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

insgesamt zu ermittelnde, in der Regel niedrigere Quote die<br />

entsprechenden geschlechtsspezifischen Daten nicht vorlagen.<br />

26 <strong>Die</strong> ›fehlende Verfügbarkeit‹ wegen der Betreuung von Kindern<br />

sollte jedoch in der Regel nur dann gegeben sein, wenn die<br />

Kinder noch nicht das dritte Lebensjahr vollendet haben. Gemäß<br />

§ 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II sollen die zuständigen kommunalen<br />

Träger darauf hinwirken, ›dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig<br />

ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird,<br />

...‹. <strong>Die</strong>s wird vermutlich oft so interpretiert, dass diese Plätze<br />

erst dann angeboten werden, wenn erwerbsfähige Erziehende<br />

einen Arbeitsplatz in Aussicht haben.<br />

27 In dieser Altersgruppe bot bis Ende 2007 der Verweis auf § 428<br />

SGB III in § 65 Abs. 4 SGB II die Möglichkeit, 58-jährige und<br />

ältere erwerbsfähige arbeitslose Hilfebedürftige wegen eingeschränkter<br />

Verfügbarkeit nicht als Arbeitslose zu registrieren. Für<br />

Neufälle im Rechtskreis SGB II gilt seit dem 1. Januar 2008 der<br />

Absatz 2 im neu eingefügten § 53a SGB II: ›Erwerbsfähige Hilfebedürftige,<br />

die nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens<br />

<strong>für</strong> die Dauer von zwölf Monaten Leistungen der Grundsicherung<br />

<strong>für</strong> Arbeitsuchende bezogen haben, ohne dass ihnen<br />

eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten<br />

worden ist, gelten nach Ablauf dieses Zeitraums <strong>für</strong> die Dauer<br />

des jeweiligen Leistungsbezugs nicht als arbeitslos.‹<br />

117


118<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 3.2: Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

und registrierte Arbeitslose im Rechtskreis SGB II – Stadt Bremerhaven<br />

Alg II: revidierte Daten<br />

März Juni Sept. Dez. März<br />

2007 2007 2007 2007 2008<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 1 17.130 16.841 16.552 16.379 16.602<br />

■ Männer 8.665 8.471 8.278 8.199 8.287<br />

■ Frauen 8.465 8.370 8.274 8.180 8.315<br />

Arbeitslose im Rechtskreis SGB II 8.755 8.769 8.716 8.684 8.717<br />

in % von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 51,1% 52,1% 52,7% 53,0% 52,5%<br />

■ Männer 4.914 4.866 4.798 4.805 4.784<br />

Männer (in % von eHb – Männer) 56,7% 57,4% 58,0% 58,6% 57,7%<br />

■ Frauen 3.841 3.903 3.918 3.879 3.933<br />

Frauen (in % von eHb – Frauen) 45,4% 46,6% 47,4% 47,4% 47,3%<br />

eHb – 15 bis unter 25 Jahre 3.722 3.678 3.548 3.447 3.528<br />

■ Männer (15 bis unter 25) 1.766 1.745 1.666 1.630 1.663<br />

■ Frauen (15 bis unter 25) 1.956 1.933 1.882 1.817 1.865<br />

Arbeitslose (SGB II) – unter 25 Jahre 875 903 880 820 800<br />

in % von eHb – 15 bis unter 25 Jahre 23,5% 24,6% 24,8% 23,8% 22,7%<br />

■ Männer (15 bis unter 25) 523 507 504 482 451<br />

Männer (in % von eHb – Männer – unter 25) 29,6% 29,1% 30,3% 29,6% 27,1%<br />

■ Frauen (15 bis unter 25) 352 396 376 338 349<br />

Frauen (in % von eHb – Frauen – unter 25) 18,0% 20,5% 20,0% 18,6% 18,7%<br />

eHb – 25 bis unter 55 Jahre 11.564 11.289 11.101 10.982 11.106<br />

■ Männer (25 bis unter 55) 5.916 5.723 5.596 5.523 5.572<br />

■ Frauen (25 bis unter 55) 5.648 5.566 5.505 5.459 5.534<br />

Arbeitslose (SGB II) – 25 bis unter 55 Jahre 7.161 7.116 7.096 7.143 7.172<br />

in % von eHb – 25 bis unter 55 Jahre 61,9% 63,0% 63,9% 65,0% 64,6%<br />

■ Männer (25 bis unter 55) 4.026 3.958 3.891 3.931 3.915<br />

Männer (in % von eHb – Männer – 25 bis unter 55) 68,1% 69,2% 69,5% 71,2% 70,3%<br />

■ Frauen (25 bis unter 25) 3.135 3.158 3.205 3.212 3.257<br />

Frauen (in % von eHb – Frauen – 25 bis unter 55) 55,5% 56,7% 58,2% 58,8% 58,9%<br />

eHb – 55 bis unter 65 Jahre 1.844 1.874 1.903 1.950 1.968<br />

■ Männer (55 bis unter 65) 983 1.003 1.016 1.046 1.052<br />

■ Frauen (55 bis unter 65) 861 871 887 904 916<br />

Arbeitslose (SGB II) – 55 bis unter 65 Jahre 719 750 740 721 745<br />

in % von eHb – 55 bis unter 65 Jahre 39,0% 40,0% 38,9% 37,0% 37,9%<br />

■ Männer (55 bis unter 65) 382 401 403 392 418<br />

Männer (in % von eHb – Männer – 55 bis unter 65) 38,9% 40,0% 39,7% 37,5% 39,7%<br />

■ Frauen (55 bis unter 65) 337 349 337 329 327<br />

Frauen (in % von eHb – Frauen – 55 bis unter 65) 39,1% 40,1% 38,0% 36,4% 35,7%<br />

1 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Arbeitslosengeld II,<br />

Zahl der registrierten Arbeitslosen im März 2007 gegenüber Armutsbericht 2007 von der BA teilweise korrigiert.<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); Senator <strong>für</strong> Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales; eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 3.2:<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen und<br />

registrierte Arbeitslose im Rechtskreis SGB II<br />

Stadt Bremerhaven<br />

Von den 16.602 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

in der Stadt Bremerhaven im März<br />

2008 waren 52,5 Prozent (8.717) als Arbeitslose<br />

im Rechtskreis SGB II registriert, 1,4<br />

Prozentpunkte mehr als ein Jahr zuvor. 28 <strong>Die</strong>se<br />

Quote lag in der Stadt Bremerhaven sehr<br />

deutlich – 9,1 Prozentpunkte – über der<br />

entsprechenden Quote in der Stadt Bremen.<br />

Im März 2008 waren demnach 47,5 Prozent<br />

(7.885) der Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

nicht arbeitslos beziehungsweise<br />

nicht als Arbeitslose registriert. 29<br />

Der Anteil der arbeitslos registrierten<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen an den<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt,<br />

differiert auch in der Stadt Bremerhaven<br />

alters- und geschlechtsspezifisch erheblich.<br />

In der Stadt Bremerhaven waren im März<br />

2008 57,7 Prozent der Arbeitslosengeld-II-<br />

Empfänger (männlich), aber nur 47,3 Prozent<br />

der Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen als<br />

Arbeitslose registriert 30 (März 2007: 56,7<br />

Prozent beziehungsweise 45,4 Prozent).<br />

In der Altersgruppe der 15- bis unter 25-<br />

Jährigen waren im März 2008 in der Stadt<br />

Bremerhaven lediglich 22,7 Prozent der<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen als Arbeitslose<br />

registriert – 27,1 Prozent der männlichen<br />

und lediglich 18,7 Prozent der weiblichen<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (März 2007:<br />

Altersgruppe insgesamt 23,5 Prozent; Männer<br />

29,6 Prozent; Frauen 18,0 Prozent).<br />

<strong>Die</strong> höchste Quote wurde <strong>für</strong> die Altersgruppe<br />

der 25- bis unter 55-jährigen errechnet.<br />

Sie betrug im März 2008 64,6 Prozent bei<br />

den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dieser<br />

Altersgruppe insgesamt (März 2007: 61,9<br />

Prozent). Von den Arbeitslosengeld-II-Empfängern<br />

(männlich) dieser Altersgruppe waren im<br />

März 2008 70,3 Prozent als Arbeitslose<br />

registriert (März 2007: 68,1 Prozent), von den<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen lediglich<br />

58,9 Prozent (März 2007: 55,5 Prozent).<br />

In der Altersgruppe der 55- bis unter 65-Jährigen<br />

waren in der Stadt Bremerhaven im<br />

März 2008 nur 37,9 Prozent der erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen dieser Altersgruppe als<br />

Arbeitslose registriert 31 (März 2007: 39,0<br />

Prozent). Von den Arbeitslosengeld-II-Empfängern<br />

(männlich) dieser Altersgruppe waren<br />

im März 2008 39,7 Prozent als Arbeitslose<br />

registriert (März 2007: 38,9 Prozent), von<br />

den Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen 35,7<br />

Prozent 32 (März 2007: 39,1 Prozent).<br />

28 Spätere integrierte Auswertungen zu Leistungsbezug und<br />

registrierter Arbeitslosigkeit im Rechtskreis SGB II zeigen, dass<br />

diese Quoten noch unter den auf Grundlage der Zahl der Arbeitslosen<br />

im Rechtskreis SGB II und der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

berechneten Quoten liegen; im April 2008 wurde <strong>für</strong> die<br />

Stadt Bremerhaven eine Quote von 52,5 Prozent ermittelt<br />

(Arbeitslose im Rechtskreis SGB II im Verhältnis zu den erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen insgesamt), die dann später auf eine<br />

Quote von 50,7 Prozent (arbeitslose erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

im Verhältnis zu den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt)<br />

reduziert wurde. <strong>Die</strong> Gründe <strong>für</strong> diese Abweichungen:<br />

zeitverzögert erfasste Rechtskreiswechsel und kurzzeitige<br />

Leistungsunterbrechungen. (Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit.)<br />

29 Zu den Gründen siehe die Anmerkungen zu Tabelle 3.1.<br />

30 Zu den Gründen <strong>für</strong> die erheblich niedrigere Registrier-Quote bei<br />

den Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen siehe die Anmerkungen<br />

zu Tabelle 3.1.<br />

31 <strong>Die</strong>se Quote liegt allerdings deutlich (7,6 Prozentpunkte) über<br />

der entsprechenden Quote in der Stadt Bremen.<br />

32 In dieser Altersgruppe bot bis Ende 2007 der Verweis auf § 428<br />

SGB III in § 65 Abs. 4 SGB II die Möglichkeit, 58-jährige und<br />

ältere erwerbsfähige arbeitslose Hilfebedürftige wegen eingeschränkter<br />

Verfügbarkeit nicht als Arbeitslose zu registrieren. Für<br />

Neufälle im Rechtskreis SGB II gilt seit dem 1. Januar 2008 der<br />

Absatz 2 im neu eingefügten § 53a SGB II: ›Erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige, die nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens<br />

<strong>für</strong> die Dauer von zwölf Monaten Leistungen der Grundsicherung<br />

<strong>für</strong> Arbeitsuchende bezogen haben, ohne dass ihnen<br />

eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten<br />

worden ist, gelten nach Ablauf dieses Zeitraums <strong>für</strong> die Dauer<br />

des jeweiligen Leistungsbezugs nicht als arbeitslos.‹<br />

119


120<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 4: Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen in den 15 Großstädten<br />

mit mehr als 400.000 Einwohnerinnen und Einwohnern<br />

revidierte Daten<br />

EW 15-64 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

20071 03/2007 06/2007 09/2007 12/2007 03/2008<br />

Großstädte (> 400.000 EW) in 1.000 insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt<br />

Berlin 2.382,9 460.694 459.437 455.828 449.188 453.641<br />

Bremen 364,1 55.701 54.921 53.870 53.054 53.713<br />

Dortmund 386,4 62.479 61.969 60.862 60.204 60.587<br />

Dresden 342,4 47.324 46.936 46.413 45.672 46.552<br />

Duisburg 321,5 53.437 52.929 52.426 51.865 52.094<br />

Düsseldorf 393,6 47.529 47.578 47.077 46.565 46.760<br />

Essen 378,4 57.377 57.221 56.950 56.983 57.975<br />

Frankfurt am Main 459,9 52.304 51.948 51.443 50.385 51.200<br />

Hamburg 1.215,2 151.044 149.561 147.748 145.939 147.591<br />

Hannover (Region) 743,9 87.098 86.401 85.554 85.014 86.453<br />

Köln 684,9 88.843 88.531 88.061 86.921 87.354<br />

Leipzig 345,7 66.438 66.881 66.326 64.440 65.581<br />

München 918,7 54.092 53.419 52.436 51.593 52.503<br />

Nürnberg 338,0 39.943 38.911 37.569 36.645 36.915<br />

Stuttgart 411,0 30.555 30.210 29.729 29.348 29.534<br />

EW 15-64 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />

20071 03/2007 06/2007 09/2007 12/2007 03/2008<br />

Großstädte (> 400.000 EW) in 1.000 pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang<br />

Berlin 2.382,9 193 1 193 2 191 2 189 1 190 1<br />

Leipzig 345,7 192 2 193 1 192 1 186 2 190 2<br />

Duisburg 321,5 166 3 165 3 163 3 161 3 162 3<br />

Dortmund 386,4 162 4 160 4 158 4 156 4 157 4<br />

Essen 378,4 152 6 151 5 150 5 151 5 153 5<br />

Bremen 364,1 153 5 151 6 148 6 146 6 148 6<br />

Dresden 342,4 138 7 137 7 136 7 133 7 136 7<br />

Köln 684,9 130 8 129 8 129 8 127 8 128 8<br />

Hamburg 1.215,2 124 9 123 9 122 9 120 9 121 9<br />

Düsseldorf 393,6 121 10 121 10 120 10 118 10 119 10<br />

Hannover (Region) 743,9 117 12 116 11 115 11 114 11 116 11<br />

Frankfurt am Main 459,9 114 13 113 13 112 12 110 12 111 12<br />

Nürnberg 338,0 118 11 115 12 111 13 108 13 109 13<br />

Stuttgart 411,0 74 14 74 14 72 14 71 14 72 14<br />

München 918,7 59 15 58 15 57 15 56 15 57 15<br />

Deutschland 54.417,4 100 98 95 94 95<br />

Westdeutschland 43.232,2 81 79 77 76 77<br />

1 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren (Ende 2006)<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 4:<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen in<br />

den 15 Großstädten mit mehr als 400.000<br />

Einwohnern und Einwohnerinnen<br />

Im März 2008 waren in der Stadt Berlin und in<br />

der Stadt Leipzig 190 von 1.000 Einwohnern<br />

und Einwohnerinnen 33 im Alter von 15 bis unter<br />

65 Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen –<br />

die höchste Zahl im Großstadtvergleich. <strong>Die</strong><br />

Quote der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

(pro 1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis<br />

unter 65 Jahren) nahm in der Stadt Berlin im<br />

Vergleich zum März 2007 um 3 Punkte und in<br />

der Stadt Leipzig um 2 Punkte ab.<br />

Hinter den Städten Berlin, Leipzig, Duisburg,<br />

Dortmund und Essen belegte die Stadt Bremen<br />

im März 2008 mit 148 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

pro 1.000 Einwohner/innen im Alter<br />

von 15 bis unter 65 Jahren Rang 6. Ein Jahr<br />

zuvor belegte die Stadt Bremen (den schlechteren)<br />

Rang 5. <strong>Die</strong> Stadt Essen hat die Stadt<br />

Bremen auf Rang 5 abgelöst. <strong>Die</strong> Quote der<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (pro 1.000<br />

Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65<br />

Jahren) nahm in der Stadt Essen im Vergleich<br />

zum März 2007 um einen Punkt zu. 34 In der<br />

Stadt Bremen nahm sie dagegen um 5 Punkte<br />

ab.<br />

Hinter der Stadt Bremen folgten im März<br />

2008 auf Rang 7 bis 13 die Städte Dresden<br />

(136), Köln (128), Hamburg (121), Düsseldorf<br />

(119), die Region Hannover (116) und die<br />

Städte Frankfurt am Main (111) und Nürnberg<br />

(109).<br />

In diesen 13 Städten lag die Quote der<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (pro 1.000<br />

Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65<br />

Jahren) nicht nur über dem Durchschnitt von 77<br />

pro 1.000 in Westdeutschland, sondern auch<br />

über dem deutlich höheren Durchschnitt von<br />

95 pro 1.000 in der Bundesrepublik Deutschland<br />

insgesamt.<br />

Auch im März 2008 waren in nur zwei der<br />

15 Großstädte weniger als 100 von 1.000<br />

Ein-wohner/innen im Alter von 15 bis unter 65<br />

Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen.<br />

In den Städten Stuttgart und München lag die<br />

Quote der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

(pro 1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis<br />

unter 65 Jahren) mit 72 beziehungsweise 57<br />

unter dem westdeutschen Durchschnitt von<br />

77 pro 1.000.<br />

In der Rangfolge der 15 Großstädte hat sich<br />

von März 2007 bis März 2008 insgesamt nur<br />

wenig verändert: Bremen verbesserte sich um<br />

einen, Nürnberg um zwei Ränge – von 5 auf<br />

6 beziehungsweise von 11 auf 13 – Essen,<br />

Hannover (Region) und Frankfurt am Main<br />

verschlechterten sich um einen Rang – von 6<br />

auf 5, von 12 auf 11 beziehungsweise von 13<br />

auf 12.<br />

33 Anders ausgedrückt: 19,0 Prozent. <strong>Die</strong> Quoten in diesem Abschnitt<br />

beziehen sich auf die Zahl der Einwohner/innen im Alter von 15<br />

bis unter 65 Jahren am Ende des Jahres 2007.<br />

34 <strong>Die</strong> Stadt Essen ist die einzige Großstadt, in der im März 2008<br />

der Anteil der Menschen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren,<br />

die auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren, höher war als ein<br />

Jahr zuvor.<br />

121


122<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Abbildung 3: Arbeitslosengeld- und Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro 100<br />

Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren 1 im Vergleich zur Arbeitslosenquote 2<br />

alle 15 Großstädte (>400.000 EW), März 2008 (revidierte Daten)<br />

Arbeitslosenquote bezogen auf abhängige Erwerbspersonen<br />

22 % 22<br />

21 % 21<br />

20 % 20<br />

19 % 19<br />

18 % 18<br />

17 % 17<br />

16 % 16<br />

15 % 15<br />

14 % 14<br />

13 % 13<br />

12 % 12<br />

11 % 11<br />

10 % 10<br />

9 % 9<br />

8 % 8<br />

7 % 7<br />

6 % 6<br />

5 % 5<br />

4 % 4<br />

3 % 3<br />

2 % 2<br />

1 % 1<br />

0 % 0<br />

S M HH N F H* D HB K DD E DU DO B L<br />

Arbeitslosenquote (bezogen auf abhängige Erwerbspersonen) (linke Skala)<br />

Arbeitslosengeld-Empfänger/innen (SGB III) pro 100 EW (15-64) (rechte Skala)<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen (SGB II/›Hartz IV‹) pro 100 EW (15-64) (rechte Skala)<br />

* Region Hannover<br />

1 Ende 2007<br />

2 bezogen auf die abhängigen Erwerbspersonen<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; Statistische Landesämter (Bevölkerung); eigene Berechnungen.<br />

Alg- und Alg-II-Empfänger/innen pro 100 EW


Zu Abbildung 3:<br />

Arbeitslosengeld- und Arbeitslosengeld-II-<br />

Empfänger/innen pro 100 Einwohner/innen<br />

im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />

im Vergleich zur Arbeitslosenquote<br />

alle 15 Großstädte<br />

Der Vergleich der Zahl der Arbeitslosengeldund<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro<br />

100 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter<br />

65 Jahren mit der Arbeitslosenquote in den 15<br />

Großstädten mit mehr als 400.000 Einwohner/<br />

-innen (März 2008) zeigt:<br />

<strong>Die</strong> Arbeitslosenquote, bezogen auf die<br />

abhängigen Erwerbspersonen, reichte in den<br />

15 Großstädten von 6,0 Prozent in Stuttgart<br />

bis 18,0 Prozent in Leipzig (März 2007:<br />

von 7,7 Prozent in München bis 19,8 Prozent<br />

in Leipzig).<br />

<strong>Die</strong> großen Unterschiede in der Höhe der<br />

Arbeitslosenquote haben (in diesem Querschnittsvergleich)<br />

offensichtlich kaum einen Einfluss<br />

auf die Höhe der Zahl der Personen mit<br />

einem Anspruch auf das beitragsfinanzierte<br />

Arbeitslosengeld (SGB III). Lediglich die Höhe<br />

der Zahl der Personen, die auf das steuerfinanzierte<br />

Arbeitslosengeld II (erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige) angewiesen sind, ist in Städten<br />

mit einer höheren Arbeitslosenquote wesentlich<br />

höher als in Städten mit einer niedrigeren<br />

Arbeitslosenquote.<br />

Der Anteil der arbeitslosen 35 Frauen und<br />

Männer mit einem Anspruch auf das beitragsfinanzierte<br />

Arbeitslosengeld reicht in den<br />

15 Großstädten von 1,2 Prozent der Einwohner/innen<br />

im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />

in Stuttgart (Minimum) bis 1,9 Prozent in<br />

Nürnberg (Maximum in den 12 westdeutschen<br />

Großstädten) und 2,3 beziehungsweise 2,4<br />

Prozent in Leipzig und Dresden (Maximum aller<br />

15 Großstädte). (März 2007: von 1,7 Prozent<br />

in Stuttgart bis 2,7 Prozent in Dresden und<br />

Leipzig.)<br />

In der Stadt Bremen hatten bei einer Arbeitslosenquote<br />

36 von 11,8 Prozent (März 2007:<br />

13,2 Prozent) lediglich 1,6 Prozent (März 2007:<br />

2,0 Prozent) der Einwohner/innen im Alter von<br />

15 bis unter 65 Jahren einen Anspruch auf<br />

Arbeitslosengeld (SGB III).<br />

Der Anteil der Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

an den Einwohnern und Einwohnerin-<br />

nen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren reicht<br />

dagegen von 5,7 Prozent in München bis 19,0<br />

Prozent in Berlin und Leipzig (März 2007:<br />

von 6,0 Prozent in München bis 19,3 Prozent in<br />

Berlin). In der Stadt Bremen waren 14,8 Prozent<br />

der Einwohner/innen im Alter von 15<br />

bis unter 65 Jahren auf Arbeitslosengeld II<br />

angewiesen (März 2007: 15,3 Prozent).<br />

In den Städten Berlin, Hamburg und insbesondere<br />

Bremen ist diese ›Arbeitslosengeld-II-<br />

Quote‹ im Vergleich zur registrierten Arbeitslosenquote<br />

besonders hoch. Und anders noch<br />

als ein Jahr zuvor: In nahezu allen Städten liegt<br />

diese ›Arbeitslosengeld-II-Quote‹ inzwischen<br />

über der registrierten Arbeitslosenquote.<br />

Ausnahme: München.<br />

Das Verhältnis der Zahl der Arbeitslosengeld-<br />

II-Empfänger/innen zur Zahl der Arbeitslosengeld-Empfänger/innen<br />

reichte von 3,7 in München<br />

bis 9,0 in der Stadt Bremen, 9,7 in der<br />

Stadt Duisburg und 10,0 in Berlin (März 2007:<br />

von 3,0 in München bis 8,5 in Berlin; Bremen:<br />

7,8). Das heißt, während in München 3,7-mal so<br />

viele Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

gezählt wurden wie Arbeitslosengeld-Empfänger/innen,<br />

waren dies in der Stadt Bremen<br />

9,0-, in Duisburg 9,7- und in Berlin 10,0-mal so<br />

viele. 37<br />

35 Registrierte und nicht registrierte Arbeitslose.<br />

36 Hier immer die Arbeitslosenquote bezogen auf die abhängigen<br />

zivilen Erwerbspersonen.<br />

37 Hierbei ist zu beachten, dass beim beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld<br />

nur jene Personen erfasst werden, die einen individuellen<br />

Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Erwerbsfähige Angehörige<br />

werden nur dann als Arbeitslosengeld-Empfänger/innen gezählt,<br />

wenn sie ebenfalls einen individuellen Anspruch auf diese Leistung<br />

haben. Beim Arbeitslosengeld II werden alle erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen in der entsprechenden Bedarfsgemeinschaft als<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen gezählt. Zudem ist darauf<br />

hinzuweisen, dass ein (kleiner) Teil der Arbeitslosengeld-<br />

Empfänger/innen zugleich Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat<br />

und dementsprechend sowohl als Arbeitslosengeld- als auch als<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen gezählt wird.<br />

123


124<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Das Arbeitslosengeld nach dem SGB III (Sozialgesetzbuch<br />

Drittes Buch – Arbeitsförderung)<br />

hat offensichtlich keine oder kaum eine (finanziell)<br />

ausgleichende Wirkung zwischen den Städten<br />

mit einer hohen und denen mit einer niedrigen<br />

Arbeitslosenquote. Der Ausgleich zwischen<br />

den Städten mit hoher und niedriger Arbeitslosigkeit<br />

erfolgt nahezu ausschließlich durch<br />

das in der Regel wesentlich geringere Arbeitslosengeld<br />

II, das zudem zu einem erheblichen<br />

Teil 38 von den Kommunen zu finanzieren ist.<br />

Mit der ›Hartz-Gesetzgebung‹ 39 wurde nicht<br />

nur die Arbeitslosenhilfe abgeschafft, sondern<br />

es wurde auch die Versicherungsleistung<br />

›Arbeitslosengeld während Arbeitslosigkeit‹<br />

weiter ausgehöhlt. Im Rahmen der ›Hartz-<br />

Gesetzgebung‹ wurde unter anderem<br />

der Zugang zum beitragsfinanzierten<br />

Arbeitslosengeld bei Eintritt von Arbeitslosigkeit<br />

erschwert durch die Verkürzung der<br />

Rahmenfrist, in der die Anwartschaftszeit<br />

erfüllt werden kann (§ 124 SGB III);<br />

die Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld<br />

verkürzt (§ 127 SGB III);<br />

die Tatbestände erweitert, die die<br />

Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld<br />

mindern (§ 128 SGB III);<br />

die Versicherungspflicht (SGB III) bei<br />

geförderter Beschäftigung in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />

abgeschafft;<br />

eine besondere ›Zumutbarkeit‹ <strong>für</strong> erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige im Sinne des SGB II<br />

geschaffen (§ 10 SGB II), die die Lohnentwicklung<br />

nach unten und die Ausweitung<br />

versicherungsfreier Beschäftigung (SGB III)<br />

beschleunigt;<br />

Strukturen in der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit<br />

(BA) geschaffen, die die Durchsetzung<br />

der ›betriebswirtschaftlichen Steuerung‹<br />

(›McKinsey‹; ›Wie teuer ist der Arbeitslose?‹;<br />

›Produkteinsatzlogik‹) in der Arbeitsförderung<br />

erleichtert haben.<br />

Zudem wurde die Förderung von öffentlicher<br />

Beschäftigung im Rahmen des SGB II faktisch<br />

weitgehend von versicherungspflichtiger<br />

Beschäftigung (bis 2004: Arbeitsbeschaffungs-<br />

und Strukturanpassungsmaßnahmen im<br />

Rahmen des SGB III und Arbeitsgelegenheiten<br />

in der Entgeltvariante im Rahmen der ›Hilfen<br />

zur Arbeit‹ gemäß Bundessozialhilfegesetz)<br />

auf versicherungsfreie Arbeitsgelegenheiten<br />

umgestellt.<br />

<strong>Die</strong>se weitere Aushöhlung der Versicherungsleistung<br />

›Arbeitslosengeld während<br />

Arbeitslosigkeit‹ dürfte sich gerade in den<br />

Städten mit überdurchschnittlich hoher<br />

Arbeitslosigkeit besonders negativ ausgewirkt<br />

haben.<br />

38 Insbesondere die zurzeit 71,4 Prozent der Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft<br />

und Heizung (Stuttgart: 67,4 Prozent). Siehe dazu auch die<br />

Anmerkungen zu Tabelle 9.1.<br />

39 <strong>Die</strong>se umfasst neben dem Ersten bis Vierten Gesetz <strong>für</strong> moderne<br />

<strong>Die</strong>nstleistungen am Arbeitsmarkt unter anderem auch das Gesetz<br />

zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, durch<br />

das unter anderem die Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld<br />

verkürzt wurde.


125


126<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 5: Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen in Bremerhaven<br />

und 11 Vergleichsstädten<br />

revidierte Daten<br />

EW 15-64 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

Bremerhaven und 20071 03/2007 06/2007 09/2007 12/2007 03/2008<br />

11 Vergleichsstädte in 1.000 insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt<br />

Bottrop 77,8 8.747 8.519 8.355 8.344 8.517<br />

Bremerhaven 74,9 17.130 16.841 16.552 16.379 16.602<br />

Darmstadt 97,3 9.376 9.285 9.379 9.114 9.271<br />

Gera 67,7 12.744 12.377 12.111 11.954 12.138<br />

Heilbronn 79,9 6.807 6.583 6.306 6.333 6.365<br />

Offenbach am Main 80,1 13.748 13.560 13.255 13.015 13.123<br />

Oldenburg (Oldb.) 109,5 13.535 13.199 12.999 12.849 13.066<br />

Osnabrück 110,4 11.540 11.332 11.326 11.159 11.446<br />

Regensburg 91,6 7.814 7.620 7.230 7.051 7.241<br />

Rostock 136,7 27.265 26.515 26.240 25.479 25.698<br />

Wilhelmshaven 52,8 9.171 8.962 8.748 8.644 8.752<br />

Wolfsburg 76,5 6.875 6.794 6.702 6.588 6.681<br />

EW 15-64 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />

Bremerhaven und 20071 03/2007 06/2007 09/2007 12/2007 03/2008<br />

11 Vergleichsstädte in 1.000 pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang<br />

Bremerhaven 74,9 229 1 225 1 221 1 219 1 222 1<br />

Rostock 136,7 199 2 194 2 192 2 186 2 188 2<br />

Gera 67,7 188 3 183 3 179 3 177 3 179 3<br />

Wilhelmshaven 52,8 174 4 170 4 166 4 164 4 166 4<br />

Offenbach am Main 80,1 172 5 169 5 166 5 163 5 164 5<br />

Oldenburg (Oldb.) 109,5 124 6 121 6 119 6 117 6 119 6<br />

Bottrop 77,8 112 7 110 7 107 7 107 7 109 7<br />

Osnabrück 110,4 105 8 103 8 103 8 101 8 104 8<br />

Darmstadt 97,3 96 9 95 9 96 9 94 9 95 9<br />

Wolfsburg 76,5 90 10 89 10 88 10 86 10 87 10<br />

Heilbronn 79,9 85 12 82 12 79 12 79 11 80 11<br />

Regensburg 91,6 85 11 83 11 79 11 77 12 79 12<br />

Deutschland 54.417,4 100 98 95 94 95<br />

Westdeutschland 43.232,2 81 79 77 76 77<br />

1 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren (Ende 2007)<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 5:<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

in der Stadt Bremerhaven und 11<br />

Vergleichsstädten 40<br />

Der Vergleich der Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

pro 1.000 Einwohner/innen im Alter<br />

von 15 bis unter 65 Jahren (Arbeitslosengeld-II-<br />

Dichte) in der Stadt Bremerhaven und den<br />

11 Vergleichsstädten (März 2008) zeigt:<br />

<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Dichte in der Stadt<br />

Bremerhaven nahm im Vergleich zum März<br />

2007 um 7 Punkte ab, war aber weiterhin die<br />

bei weitem höchste dieser 12 Vergleichsstädte. 41<br />

Im März 2008 waren hier 222 von 1.000<br />

Einwohner/innen 42 im Alter von 15 bis unter<br />

65 Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen.<br />

Auch in den Vergleichsmonaten März, Juni,<br />

September und Dezember 2007 war die Stadt<br />

Bremerhaven die Stadt mit den meisten<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen pro 1.000<br />

Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65<br />

Jahren.<br />

Hinter der Stadt Bremerhaven belegten die<br />

Städte Rostock (188), Gera (179), Wilhelmshaven<br />

(166) und Offenbach am Main (164) Rang 2<br />

bis 5. Mit deutlichem Abstand und einer<br />

Arbeitslosengeld-II-Dichte zwischen 100 und<br />

120 folgen die Städte Oldenburg (119), Bottrop<br />

(109) und Osnabrück (104). In vier der 11 Vergleichsstädte<br />

waren weniger als 100 von 1.000<br />

Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter<br />

65 Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen:<br />

Darmstadt (95), Wolfsburg (87), Heilbronn (80)<br />

und Regensburg (79).<br />

<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Dichte lag im März<br />

2008 in drei Vergleichsstädten unter dem<br />

Bundesdurchschnitt von 95 Arbeitslosengeld-II-<br />

Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen<br />

im Alter von 15 bis unter 65 Jahren. In keiner<br />

dieser 12 Vergleichsstädte lag die Arbeitslosengeld-II-Dichte<br />

im März 2008 unter dem Durchschnitt<br />

von 77 pro 1.000 in Westdeutschland.<br />

<strong>Die</strong> Rangfolge dieser 12 Städte hat sich von<br />

März 2007 bis März 2008 kaum verändert.<br />

Nur die Städte Regensburg und Heilbronn mit<br />

nahezu gleich hoher Arbeitslosengeld-II-Dichte<br />

veränderten sich von Rang 12 auf 11 (Heilbronn)<br />

beziehungsweise von Rang 11 auf 12<br />

(Regensburg).<br />

40 Als Vergleichsstädte wurden hier die sogenannten Benchmark-<br />

Städte der Stadt Bremerhaven übernommen. <strong>Die</strong> elf Städte wurden<br />

vom Magistrat nach zwei Kriterien ausgewählt: a) Städte mit ähnlichen<br />

Bevölkerungszahlen wie Bremerhaven, die eine zentralörtliche<br />

Funktion erfüllen (Bottrop, Darmstadt, Gera, Heilbronn, Oldenburg,<br />

Osnabrück, Offenbach am Main, Regensburg, Wolfsburg) und<br />

b) Küstenstädte, die aufgrund ihrer Küstenrandlage <strong>für</strong> Bremerhaven-Vergleiche<br />

von Bedeutung sind, wobei die Bevölkerungszahl<br />

nachrangig ist (Rostock, Wilhelmshaven). Eine Prüfung, ob sich<br />

diese Städte tatsächlich <strong>für</strong> den Vergleich der Arbeitslosengeld-II-<br />

Dichte eignen, wurde nicht vorgenommen.<br />

41 Im Vergleich mit allen anderen kreisfreien Städten in der Bundesrepublik<br />

Deutschland belegt die Stadt Bremerhaven im März 2008<br />

hinter den Städten Görlitz und Hoyerswerda (mit einer Arbeitslosengeld-II-Dichte<br />

von 247 beziehungsweise 222 pro 1.000) weiterhin<br />

Rang 3.<br />

42 Anders ausgedrückt: 22,2 Prozent. <strong>Die</strong> Quoten in diesem<br />

Abschnitt beziehen sich auf die Zahl der Einwohner/innen im Alter<br />

von 15 bis unter 65 Jahren am Ende des Jahres 2007.<br />

127


128<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 6: Kinder und andere nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (SGB II)<br />

Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

revidierte Daten<br />

März Juni Sept. Dez. März<br />

Stadt Bremen 2007 2007 2007 2007 2008<br />

nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf) 1 21.844 21.608 21.523 21.305 21.454<br />

nEf pro Bedarfsgemeinschaft<br />

davon (nEf)<br />

0,54 0,54 0,55 0,55 0,55<br />

15 Jahre und älter2 877 906 900 897 890<br />

15 Jahre und älter (in % von nEf)<br />

darunter<br />

4,0% 4,2% 4,2% 4,2% 4,1%<br />

■ Frauen (15 Jahre und älter) 493 502 503 502 493<br />

Frauen (in % von nEf – 15 Jahre und älter) 56,2% 55,4% 55,9% 56,0% 55,4%<br />

Kinder unter 15 Jahre 20.967 20.702 20.623 20.408 20.564<br />

unter 15 Jahre (in % von nEf) 96,0% 95,8% 95,8% 95,8% 95,9%<br />

Kinder (unter 15 Jahre) pro Bedarfsgemeinschaft<br />

darunter in Bedarfsgemeinschaften mit ...<br />

0,52 0,52 0,52 0,53 0,52<br />

■ einem Kind 6.845 6.750 6.672 6.606 6.692<br />

einem Kind (in % von Kindern unter 15 Jahren) 32,6% 32,6% 32,4% 32,4% 32,5%<br />

■ zwei Kindern 7.704 7.564 7.634 7.522 7.478<br />

zwei Kindern (in % von Kindern unter 15 Jahren) 36,7% 36,5% 37,0% 36,9% 36,4%<br />

■ drei Kindern 3.903 3.888 3.864 3.840 3.924<br />

drei Kindern (in % von Kindern unter 15 Jahren) 18,6% 18,8% 18,7% 18,8% 19,1%<br />

■ vier und mehr Kindern 2.515 2.500 2.453 2.440 2.470<br />

vier und mehr Kindern (in % von Kindern unter 15 J.) 12,0% 12,1% 11,9% 12,0% 12,0%<br />

März Juni Sept. Dez. März<br />

Stadt Bremerhaven 2007 2007 2007 2007 2008<br />

nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf) 1 6.695 6.631 6.544 6.470 6.505<br />

nEf pro Bedarfsgemeinschaft<br />

davon (nEf)<br />

0,55 0,56 0,56 0,56 0,55<br />

15 Jahre und älter2 200 198 196 187 176<br />

15 Jahre und älter (in % von nEf)<br />

darunter<br />

3,0% 3,0% 3,0% 2,9% 2,7%<br />

■ Frauen (15 Jahre und älter) 112 110 105 99 91<br />

Frauen (in % von nEf – 15 Jahre und älter) 56,0% 55,6% 53,6% 52,9% 51,7%<br />

Kinder unter 15 Jahre 6.495 6.433 6.348 6.283 6.329<br />

unter 15 Jahre (in % von nEf) 97,0% 97,0% 97,0% 97,1% 97,3%<br />

Kinder (unter 15 Jahre) pro Bedarfsgemeinschaft<br />

darunter in Bedarfsgemeinschaften mit ...<br />

0,54 0,54 0,54 0,54 0,55<br />

■ einem Kind 2.088 2.034 2.010 1.965 1.948<br />

einem Kind (in % von Kindern unter 15 Jahren) 32,1% 31,6% 31,7% 31,3% 30,8%<br />

■ zwei Kindern 2.282 2.246 2.216 2.180 2.240<br />

zwei Kindern (in % von Kindern unter 15 Jahren) 35,1% 34,9% 34,9% 34,7% 35,4%<br />

■ drei Kindern 1.203 1.218 1.182 1.170 1.152<br />

drei Kindern (in % von Kindern unter 15 Jahren) 18,5% 18,9% 18,6% 18,6% 18,2%<br />

■ vier und mehr Kindern 922 935 940 968 989<br />

vier und mehr Kindern (in % von Kindern unter 15 J.) 14,2% 14,5% 14,8% 15,4% 15,6%<br />

1 nicht erwerbsfähige Hillfebedürftige (eEf – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Sozialgeld)<br />

2 ermittelt aus nEf insgesamt und nEf im Alter von unter 15 Jahren (kleinere Abweichungen von den BA-Daten möglich)<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 6:<br />

Kinder und andere nicht<br />

erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

Stadt Bremen<br />

In den 39.314 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

in der Stadt Bremen in März 2008 lebten mit<br />

den 53.713 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

(Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen) insgesamt<br />

21.454 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

im Sinne des SGB II (Sozialgeld-Empfänger/innen),<br />

kaum weniger als ein Jahr zuvor<br />

(390 beziehungsweise 1,8 Prozent).<br />

Nur ein sehr kleiner Teil der nicht erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen war älter als 15 Jahre.<br />

In der Stadt Bremen waren dies im März 2008<br />

insgesamt lediglich 890 (4,1 Prozent), darunter<br />

überdurchschnittlich viele Frauen (55,4 Prozent).<br />

Der weit überwiegende Teil der nicht<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sind Kinder im<br />

Alter von unter 15 Jahren: 20.564 beziehungsweise<br />

95,9 Prozent der nicht erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen. <strong>Die</strong>s waren lediglich 403 (1,9<br />

Prozent) weniger als im März 2007. 43<br />

32,5 Prozent (6.692) dieser Kinder im Alter<br />

von unter 15 Jahren lebten im März 2008 in<br />

Bedarfsgemeinschaften mit einem Kind unter<br />

15 Jahren, 36,4 Prozent (7.478) in Bedarfsgemeinschaften<br />

mit zwei Kindern unter 15 Jahren.<br />

19,1 Prozent (3.924) dieser Kinder lebten in<br />

Bedarfsgemeinschaften mit drei und 12,0 Prozent<br />

(2.470) in Bedarfsgemeinschaften mit vier<br />

und mehr Kindern im Alter von unter 15 Jahren.<br />

<strong>Die</strong> Zahl der Kinder in Bedarfsgemeinschaften<br />

mit weniger als drei Kindern im Alter von<br />

unter 15 Jahren hat in der Stadt Bremen im<br />

Vorjahresvergleich (März 2007 – März 2008)<br />

um 2,6 Prozent (379) abgenommen, die Zahl<br />

der Kinder in Bedarfsgemeinschaften mit<br />

drei und mehr Kindern dagegen lediglich um<br />

0,4 Prozent (24).<br />

Stadt Bremerhaven<br />

Im März 2008 lebten in den 11.751 SGB-II-<br />

Bedarfsgemeinschaften in der Stadt Bremerhaven<br />

mit den 16.602 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

(Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />

insgesamt 6.505 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

im Sinne des SGB II (Sozialgeld-Empfänger/innen),<br />

190 (2,8 Prozent) weniger als<br />

ein Jahr zuvor.<br />

Nur ein sehr kleiner Teil der nicht erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen war älter als 15 Jahre.<br />

In der Stadt Bremerhaven waren dies im März<br />

2008 insgesamt lediglich 176 (2,7 Prozent),<br />

darunter 51,7 Prozent Frauen.<br />

Der weit überwiegende Teil der nicht<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sind Kinder im<br />

Alter von unter 15 Jahren: 6.329 beziehungsweise<br />

97,3 Prozent der nicht erwerbsfähigen<br />

Hilfebedürftigen. <strong>Die</strong>s waren 166 (2,6 Prozent)<br />

weniger als ein Jahr zuvor. 44<br />

30,8 Prozent (1.948) dieser Kinder im Alter<br />

von unter 15 Jahren lebten im März 2008 in<br />

Bedarfsgemeinschaften mit einem Kind unter<br />

15 Jahren, 35,4 Prozent (2.240) in Bedarfsgemeinschaften<br />

mit zwei Kindern unter 15 Jahren.<br />

18,2 Prozent (1.152) dieser Kinder lebten in<br />

Bedarfsgemeinschaften mit drei und 15,6 Prozent<br />

(989) in Bedarfsgemeinschaften mit vier<br />

und mehr Kindern im Alter von unter 15 Jahren.<br />

<strong>Die</strong> Zahl der Kinder in Bedarfsgemeinschaften<br />

mit weniger als drei Kindern im Alter von<br />

unter 15 Jahren hat in der Stadt Bremerhaven<br />

im Vorjahresvergleich (März 2007 – März 2008)<br />

um 4,2 Prozent (182) abgenommen, die Zahl<br />

der Kinder in Bedarfsgemeinschaften mit drei<br />

und mehr Kindern hat dagegen um 0,8 Prozent<br />

(16) zugenommen.<br />

43 Vgl. dazu auch die Tabelle und Anmerkungen zu den SGB-II-<br />

Bedarfsgemeinschaften mit Kindern (Tabelle 2.1) und die<br />

Anmerkungen zu Abbildung 4.<br />

44 Vgl. dazu auch die Tabelle und Anmerkungen zu den SGB-II-<br />

Bedarfsgemeinschaften mit Kindern (Tabelle 2.2) und die<br />

Anmerkungen zu Abbildung 4.<br />

129


130<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 7: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften mit Kindern im Alter von unter 18 Jahren<br />

Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

März 2008 – revidierte Daten<br />

Bremen Bremerhaven<br />

Bedarfsgemeinschaften insgesamt<br />

darunter<br />

39.314 11.751<br />

Ehepaare/Lebensgemeinschaften mit Kindern (unter 18 Jahre) 6.243 2.004<br />

mit Kindern (unter 18 Jahre) (in % von BG insgesamt)<br />

darunter<br />

(Ehepaare/Lebensgemeinschaften mit Kindern)<br />

15,9% 17,1%<br />

■ mit einem Kind unter 18 Jahre 2.528 835<br />

(in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kindern) 40,5% 41,7%<br />

■ mit zwei Kindern unter 18 Jahre 2.106 636<br />

(in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kindern) 33,7% 31,7%<br />

■ mit drei Kindernunter 18 Jahre 995 328<br />

(in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kindern) 15,9% 16,4%<br />

■ mit vier Kindern unter 18 Jahre 405 129<br />

(in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kindern) 6,5% 6,4%<br />

■ mit fünf und mehr Kindern unter 18 Jahre 209 76<br />

(in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kindern) 3,3% 3,8%<br />

Alleinerziehende mit Kindern (unter 18 Jahre) 7.480 2.146<br />

(in % von BG insgesamt)<br />

darunter<br />

(Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahre)<br />

19,0% 18,3%<br />

■ mit einem Kind unter 18 Jahre 4.484 1.269<br />

(in % von Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahre) 59,9% 59,1%<br />

■ mit zwei Kindern unter 18 Jahre 2.150 616<br />

(in % von Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahre) 28,7% 28,7%<br />

■ mit drei Kindern unter 18 Jahre 621 180<br />

(in % von Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahre) 8,3% 8,4%<br />

■ mit vier Kindern unter 18 Jahre 167 52<br />

(in % von Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahre) 2,2% 2,4%<br />

■ mit fünf und mehr Kindern unter 18 Jahre 58 29<br />

(in % von Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahre) 0,8% 1,4%<br />

Kinder im Alter von unter 18 Jahren1 darunter<br />

24.039 7.398<br />

in Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender 1<br />

11.615 3.399<br />

in Bedarfsgemein. Alleinerziehender (in % von Kindern unter 18 Jahre) 48,3% 45,9%<br />

1 <strong>Die</strong> Zahl der Kinder wurde aus der Zahl der BG mit ein, zwei, drei, vier, fünf und mehr Kindern ermittelt.<br />

Bei den BG mit fünf und mehr Kindern wurden durchschnittlich 5,166 Kinder unterstellt.<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 7:<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften mit Kindern<br />

im Alter von unter 18 Jahren<br />

Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

Stadt Bremen<br />

Von den 39.314 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

im März 2008 waren 6.243 (15,9 Prozent)<br />

Ehepaare beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />

mit Kindern im Alter von unter 18 Jahren<br />

(März 2007: 6.545) und 7.480 (19,0 Prozent)<br />

Alleinerziehende mit Kindern im Alter von<br />

unter 18 Jahren (März 2007: 7.487).<br />

In diesen insgesamt 13.723 Bedarfsgemeinschaften<br />

beziehungsweise 34,9 Prozent der<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften insgesamt (März<br />

2007: 34,5 Prozent) lebten etwa 24.039 Kinder<br />

im Alter von unter 18 Jahren, davon 11.615<br />

(48,3 Prozent) in Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender.<br />

45 Ein Jahr zuvor, im März 2007,<br />

lebten etwa 24.443 Kinder im Alter von unter<br />

18 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften,<br />

darunter 11.691 (47,8 Prozent) in Bedarfsgemeinschaften<br />

Alleinerziehender.<br />

Von den 6.243 auf Arbeitslosengeld II angewiesenen<br />

Ehepaaren beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />

mit Kindern unter 18 Jahre<br />

hatten 40,5 Prozent (2.528) ein Kind, 33,7 Prozent<br />

(2.106) zwei Kinder und 15,9 Prozent<br />

(995) drei Kinder im Alter von unter 18 Jahren.<br />

In 6,5 Prozent (405) dieser Bedarfsgemeinschaften<br />

lebten vier Kinder und in 3,3 Prozent<br />

(209) fünf und mehr Kinder im Alter von unter<br />

18 Jahren.<br />

Im Durchschnitt lebten mit diesen 6.243 auf<br />

Arbeitslosengeld II angewiesenen Ehepaaren<br />

beziehungsweise Lebensgemeinschaften etwa<br />

1,99 Kinder pro Bedarfsgemeinschaft (März<br />

2007: 1,95).<br />

Von den 7.480 Alleinerziehenden – davon<br />

etwa 95,3 Prozent Frauen 46 – hatten 59,9 Prozent<br />

(4.484) ein Kind und 28,7 Prozent (2.150)<br />

zwei Kinder im Alter von unter 18 Jahren. 8,3<br />

Prozent (621) hatten drei, 2,2 Prozent (167)<br />

vier und 0,8 Prozent (58) fünf und mehr Kinder<br />

im Alter von unter 18 Jahren.<br />

Im Durchschnitt lebten mit den 7.480 auf<br />

Arbeitslosengeld II angewiesenen Alleinerziehenden<br />

etwa 1,55 Kinder pro Bedarfsgemeinschaft<br />

– deutlich weniger als bei den Ehepaaren<br />

beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />

mit Kindern im Alter von unter 18 Jahren (März<br />

2007: 1,56).<br />

Stadt Bremerhaven<br />

Von den 11.751 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

im März 2008 waren 2.004 (17,1 Prozent)<br />

Ehepaare beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />

mit Kindern im Alter von unter 18<br />

Jahren (März 2007: 2.106) und 2.146 (18,3<br />

Prozent) Alleinerziehende mit Kindern im Alter<br />

von unter 18 Jahren (März 2007: 2.207).<br />

In diesen insgesamt 4.150 Bedarfsgemeinschaften<br />

beziehungsweise 35,3 Prozent der<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften insgesamt (März<br />

2007: 35,6 Prozent) lebten etwa 7.398 Kinder<br />

im Alter von unter 18 Jahren, davon 3.399<br />

(45,9 Prozent) in Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender.<br />

47 Ein Jahr zuvor, im März 2007,<br />

lebten etwa 7.618 Kinder im Alter von unter<br />

18 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften,<br />

darunter 3.483 (45,7 Prozent) in Bedarfsgemeinschaften<br />

Alleinerziehender.<br />

Von den 2.004 auf Arbeitslosengeld II angewiesenen<br />

Ehepaaren beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />

mit Kindern unter 18 Jahre<br />

hatten 41,7 Prozent (835) ein Kind, 31,7 Prozent<br />

(636) zwei Kinder und 16,4 Prozent (328)<br />

drei Kinder im Alter von unter 18 Jahren. In 6,4<br />

Prozent (129) dieser Bedarfsgemeinschaften<br />

lebten vier Kinder und in 3,8 Prozent (76) fünf<br />

und mehr Kinder im Alter von unter 18 Jahren.<br />

Im Durchschnitt lebten mit diesen 2.004<br />

auf Arbeitslosengeld II angewiesenen Ehepaaren<br />

beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />

etwa 2,00 Kinder pro Bedarfsgemeinschaft<br />

(März 2007: 1,96).<br />

Von den 2.146 Alleinerziehenden hatten<br />

59,1 Prozent (1.269) ein Kind und 28,7 Prozent<br />

(616) zwei Kinder im Alter von unter 18<br />

Jahren. 8,4 Prozent (180) hatten drei, 2,4<br />

Prozent (52) vier und 1,4 Prozent (29) fünf und<br />

mehr Kinder im Alter von unter 18 Jahren.<br />

Im Durchschnitt lebten mit den 2.146 auf<br />

Arbeitslosengeld II angewiesenen Alleinerziehen-den<br />

etwa 1,58 Kinder pro Bedarfsgemeinschaft<br />

– deutlich weniger als bei den Ehepaaren<br />

beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />

mit Kindern im Alter von unter 18 Jahren<br />

(März 2007: ebenfalls 1,58).<br />

45 Neben diesen 24.039 Kindern in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

lebten noch 167 Kinder im Alter von unter 18 Jahren in SGB-XII-<br />

Bedarfsgemeinschaften (Sozialhilfe außerhalb von Einrichtungen).<br />

Im Vorjahr waren dies 279.<br />

46 Anteil der Frauen an den Alleinerziehenden im Land Bremen wie im<br />

März 2007; in der amtlichen Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit<br />

sind die geschlechtsspezifischen Daten zu den Alleinerziehenden<br />

nur bis auf die Landesebene veröffentlicht.<br />

47 Neben diesen 7.398 Kindern in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

lebten noch 32 Kinder im Alter von unter 18 Jahren in SGB-XII-<br />

Bedarfsgemeinschaften (Sozialhilfe außerhalb von Einrichtungen).<br />

131


132<br />

550<br />

500<br />

450<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Abbildung 4: Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (SGB II)<br />

im Alter von unter 15 Jahren pro 1.000 Kinder im entsprechenden Alter* –<br />

Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

März 2008 (revidierte Daten)<br />

pro tausend<br />

365<br />

unter<br />

3 Jahre<br />

Stadt Bremen<br />

322<br />

3 bis unter<br />

7 Jahre<br />

7 bis unter<br />

15 Jahre<br />

* Einwohner/innen Ende 2007<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.<br />

265<br />

299<br />

unter 15 Jahre<br />

insgesamt<br />

508<br />

unter<br />

3 Jahre<br />

Stadt Bremerhaven<br />

457<br />

3 bis unter<br />

7 Jahre<br />

357<br />

7 bis unter<br />

15 Jahre<br />

411<br />

unter 15 Jahre<br />

insgesamt


Zu Abbildung 4:<br />

Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (SGB II)<br />

im Alter von unter 15 Jahren<br />

pro 1.000 Kinder im entsprechenden Alter<br />

Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

Stadt Bremen<br />

Im März 2008 lebten in der Stadt Bremen<br />

299 von 1.000 Kindern im Alter von unter 15<br />

Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (März<br />

2007: 302). Zur Erinnerung: Ende 2004, dem<br />

letzten Jahr vor Inkrafttreten des SGB II, lebten<br />

in der Stadt Bremen 206 von 1.000 Kindern im<br />

Alter unter 15 Jahren in Familien (Haushalten),<br />

die auf Sozialhilfe angewiesen waren. 48<br />

<strong>Die</strong> Quote der Kinder in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

nimmt mit zunehmendem Alter<br />

ab. Von jeweils 1.000 Kindern im Alter von<br />

unter 3 Jahren lebten 365 (März 2007: 382),<br />

von jeweils 1.000 Kindern im Alter von 3 bis<br />

unter 7 Jahren 322 (März 2007: 317) und von<br />

jeweils 1.000 Kindern im Alter von 7 bis unter<br />

15 Jahren 265 in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

(März 2007: 267).<br />

Stadt Bremerhaven<br />

In der Stadt Bremerhaven lebten im März<br />

2008 411 von 1.000 Kindern im Alter von unter<br />

15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

(März 2007: 415). Zur Erinnerung: Ende 2004,<br />

dem letzten Jahr vor Inkrafttreten des SGB II,<br />

lebten in der Stadt Bremerhaven 287 von<br />

1.000 Kindern im Alter unter 15 Jahren in Familien<br />

(Haushalten), die auf Sozialhilfe angewiesen<br />

waren. 49<br />

<strong>Die</strong> Quote der Kinder in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

nimmt mit zunehmendem Alter ab.<br />

Von jeweils 1.000 Kindern im Alter von unter<br />

3 Jahren lebten 508 (März 2007: 520), von<br />

jeweils 1.000 Kindern im Alter von 3 bis unter<br />

7 Jahren 457 (März 2007: ebenfalls 457) und<br />

von jeweils 1.000 Kindern im Alter von 7 bis<br />

unter 15 Jahren 357 in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

(März 2007: 362).<br />

Der Anteil der Kinder im Alter von unter 15<br />

Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften lag in<br />

der Stadt Bremerhaven 37,3 Prozent (nicht Prozentpunkte)<br />

über dem entsprechenden Anteil in<br />

der Stadt Bremen (März 2007: 37,7 Prozent).<br />

<strong>Die</strong> Quote der Kinder im Alter von unter 15<br />

Jahren in der Stadt Bremerhaven (41,1 Prozent)<br />

wurde im März 2008 im Vergleich von 426<br />

Kreisen (der insgesamt 429 Kreise) in der<br />

Bundesrepublik Deutschland 50 nur noch in drei<br />

ostdeutschen kreisfreien Städten übertroffen:<br />

Hoyerswerda (43,1 Prozent), Görlitz (42,9<br />

Prozent) und Schwerin (41,8 Prozent). <strong>Die</strong><br />

zweithöchste Quote aller 326 westdeutschen<br />

Kreise wurde <strong>für</strong> die kreisfreie Stadt Offenbach<br />

am Main errechnet. Im hessischen Offenbach<br />

am Main lebten im März 2008 34,9 Prozent der<br />

Kinder im Alter von unter 15 Jahren in SGB-II-<br />

Bedarfsgemeinschaften.<br />

48 Vgl. Armutsbericht 2005, Seite 117 und Tabelle 2.2/2004 (Seite<br />

96). Inwieweit Ende 2004 Arbeitslosenhilfe-Empfänger/innen mit<br />

Kindern im entsprechenden Alter einen gegebenenfalls bestehenden<br />

Anspruch auf Sozialhilfe (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt<br />

außerhalb von Einrichtungen) nicht geltend machten, ist nicht<br />

bekannt. <strong>Die</strong> Kinder von Arbeitslosenhilfeempfänger/innen, die<br />

Ende 2004 ergänzende Sozialhilfe erhielten, sind jedoch in der<br />

Zahl der Sozialhilfeempfänger/innen enthalten.<br />

49 Vgl. Armutsbericht 2005, Seite 118 und Tabelle 2.3/2004 (Seite<br />

98). Inwieweit Ende 2004 Arbeitslosenhilfe-Empfänger/innen mit<br />

Kindern im entsprechenden Alter einen gegebenenfalls bestehenden<br />

Anspruch auf Sozialhilfe (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt<br />

außerhalb von Einrichtungen) nicht geltend machten, ist nicht<br />

bekannt. <strong>Die</strong> Kinder von Arbeitslosenhilfeempfänger/innen, die<br />

Ende 2004 ergänzende Sozialhilfe erhielten, sind jedoch in der<br />

Zahl der Sozialhilfeempfänger/innen enthalten.<br />

50 Für die Landkreise Nordfriesland, Minden-Lübbecke, Uckermark<br />

lagen keine entsprechenden Daten vor. (Anmerkung: <strong>Die</strong> Gesamtzahl<br />

der Kreise hat sich gegenüber März 2007 um 10 von 439 auf<br />

429 verringert.)<br />

133


134<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 8.1: Anteil der Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen (unter 15 Jahre)<br />

an der Bevölkerung im entsprechenden Alter – Stadt- und Ortsteile Bremen<br />

März 2008<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro Sozialgeld-Empfänger/innen<br />

Einwohner/in im Alter von 15 bis unter 65 Jahren unter 15 Jahre<br />

Stadt / Stadtteil / Ortsteil ingesamt Männer Frauen pro Einwohner/in unter 15 2<br />

Stadt Bremen insgesamt<br />

darunter Stadtteile und ausgewählte Ortsteile<br />

14,8% 14,5% 15,0% 29,9%<br />

1<br />

11 Stadtteil Mitte 13,4% 15,3% 11,2% 27,1%<br />

21 Stadtteil Neustadt 13,7% 14,4% 12,9% 30,9%<br />

213 Neustadt 10,4% 10,9% 9,9% 24,9%<br />

215 Gartenstadt Süd 16,5% 14,9% 18,0% 39,1%<br />

23 Stadtteil Obervieland 12,9% 11,8% 14,0% 27,1%<br />

231 Habenhausen 2,7% 2,6% 2,9% 6,2%<br />

233 Kattenturm 24,1% 22,2% 26,0% 48,0%<br />

24 Stadtteil Huchting 19,4% 16,9% 21,8% 39,5%<br />

244 Grolland 3,6% 3,7% 3,6% 3,5%<br />

25 Stadtteil Woltmershausen 17,5% 17,0% 17,9% 33,4%<br />

251 Woltmershausen 19,3% 18,4% 20,3% 37,5%<br />

252 Rablinghausen 10,1% 11,4% 8,8% 18,6%<br />

31 Stadtteil Östliche Vorstadt 10,2% 11,4% 9,0% 18,5%<br />

32 Stadtteil Schwachhausen 4,7% 4,9% 4,6% 9,0%<br />

33 Stadtteil Vahr 22,8% 20,3% 25,1% 46,0%<br />

331 Gartenstadt Vahr 11,7% 11,0% 12,2% 22,4%<br />

332 Neue Vahr Nord 28,8% 24,9% 32,1% 58,7%<br />

34 Stadtteil Horn-Lehe 6,3% 6,0% 6,6% 13,2%<br />

351 Borgfeld3 1,7% 1,8% 1,6% 2,1%<br />

361 Oberneuland 3<br />

3,5% 3,8% 3,3% 4,2%<br />

37 Stadtteil Osterholz 20,6% 19,4% 21,8% 41,8%<br />

373 Tenever 34,9% 32,1% 37,8% 58,8%<br />

374 Osterholz 4,9% 5,0% 4,8% 8,5%<br />

38 Stadtteil Hemelingen 14,2% 14,0% 14,3% 28,2%<br />

383 Hemelingen 21,6% 20,5% 22,7% 39,1%<br />

384 Arbergen 6,6% 5,7% 7,4% 17,3%<br />

42 Stadtteil Findorff 10,7% 11,2% 10,1% 19,5%<br />

43 Stadtteil Walle 18,5% 18,4% 18,1% 34,6%<br />

44 Stadtteil Gröpelingen 26,2% 25,0% 27,3% 46,5%<br />

442 Gröpelingen 30,5% 28,5% 32,3% 54,4%<br />

445 Oslebshausen4 18,6% 17,0% 20,2% 39,4%<br />

51 Stadtteil Burglesum 14,0% 13,3% 14,7% 28,3%<br />

513 Burgdamm 20,3% 18,5% 22,2% 38,6%<br />

515 St. Magnus 6,4% 6,4% 6,4% 11,6%<br />

52 Stadtteil Vegesack 16,8% 16,3% 17,4% 31,8%<br />

523 Schönebeck 9,6% 9,4% 9,6% 18,7%<br />

525 Fähr-Lobbendorf 18,8% 19,0% 18,5% 34,2%<br />

53 Stadtteil Blumenthal 18,9% 17,7% 20,1% 34,2%<br />

533 Lüssum-Bockhorn 22,2% 20,7% 23,7% 39,7%<br />

535 Rekum 8,7% 7,4% 10,1% 19,5%<br />

Maximum (Ortsteile) 34,9% 32,1% 37,8% 58,8%<br />

Minimum (Ortsteile) 1,7% 1,8% 1,6% 2,1%<br />

1Ohne Stadtteil Häfen und ohne die Ortsteile Blockland, Seehausen und Strom.<br />

2Stadt- und Ortsteildaten auf Basis der nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt errechnet (geschätzt).<br />

Anteil der Kinder unter 15 an den nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in der Stadt Bremen: 95,85%.<br />

3Ortsteile, die keinem Stadtteil zugeordnet sind.<br />

4Inklusive Ortsteil In den Wischen.<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 8.1:<br />

Anteil der Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen<br />

(unter 15 Jahre)<br />

an der Bevölkerung im entsprechenden Alter<br />

Stadt Bremen: Stadtteile und<br />

ausgewählte Ortsteile<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

(erwerbsfähige Hilfebedürftige)<br />

Im März 2008 waren im stadtbremischen<br />

Durchschnitt 14,8 Prozent der Bevölkerung im<br />

Alter von 15 bis unter 65 Jahren (März 2007:<br />

15,3 Prozent) beziehungsweise 14,5 Prozent<br />

der Männer (März 2007: 15,2 Prozent) und<br />

15,0 Prozent der Frauen (März 2007: 15,3<br />

Prozent) im entsprechenden Alter auf Arbeitslosengeld<br />

II angewiesen (erwerbsfähige Hilfebedürftige).<br />

<strong>Die</strong> entsprechenden Anteile (Quoten) in den<br />

Stadtteilen (ohne die Ortsteile, die keinem<br />

Stadtteil zugeordnet sind) reichten bei der<br />

Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65<br />

Jahren insgesamt von 4,7 Prozent im Stadtteil<br />

Schwachhausen (März 2007: 5,1 Prozent) bis<br />

26,2 Prozent im Stadtteil Gröpelingen (März<br />

2007: 27,0 Prozent). <strong>Die</strong> drei Stadtteile mit der<br />

höchsten Arbeitslosengeld-II-Quote sind, wie im<br />

März 2007, neben dem Stadtteil Gröpelingen<br />

(26,2 Prozent) die Stadtteile Vahr (22,8 Prozent;<br />

März 2007: 23,5 Prozent) und Osterholz<br />

(20,6 Prozent; März 2007: 21,1 Prozent).<br />

<strong>Die</strong> entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />

reichten bei der Bevölkerung im Alter von 15<br />

bis unter 65 Jahren von 1,7 Prozent in Borgfeld<br />

(März 2007: 1,9 Prozent) bis 34,9 Prozent in<br />

Tenever (März 2007: 35,6 Prozent). <strong>Die</strong> drei<br />

Ortsteile mit der höchsten Arbeitslosengeld-II-<br />

Quote sind, wie ein Jahr zuvor, neben Tenever<br />

(34,9 Prozent) die Ortsteile Gröpelingen (30,5<br />

Prozent; März 2007: 31,9 Prozent) und Neue<br />

Vahr Nord (28,8 Prozent; März 2007: 30,6<br />

Prozent).<br />

<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Quoten der Frauen<br />

reichen auf Stadtteilebene von 4,6 Prozent in<br />

Schwachhausen (März 2007: 4,8 Prozent)<br />

bis 27,3 Prozent in Gröpelingen (März 2007:<br />

28,1 Prozent), die der Männer von 4,9 Prozent<br />

in Schwachhausen (März 2007: 5,4 Prozent)<br />

bis 25,0 Prozent in Gröpelingen (März 2007:<br />

26,0 Prozent).<br />

Auf Ortsteilebene reichen die Arbeitslosengeld-<br />

II-Quoten bei den Frauen von 1,6 Prozent in<br />

Borgfeld (wie im März 2007) bis 37,8 Prozent<br />

in Tenever (März 2007: 38,3 Prozent), bei den<br />

Männern von 1,8 Prozent in Borgfeld (März<br />

2007: 2,2 Prozent) bis 32,1 Prozent in Tenever<br />

(März 2007: 32,9 Prozent).<br />

In Stadt- und Ortsteilen mit einer unterdurchschnittlichen<br />

bis durchschnittlichen Arbeitslosengeld-II-Quote<br />

ist die Arbeitslosengeld-II-Quote<br />

der Männer in der Regel höher als die der<br />

Frauen. Andererseits ist die Arbeitslosengeld-II-<br />

Quote der Frauen in Stadt- und Ortsteilen mit<br />

einer deutlich überdurchschnittlichen Arbeitslosengeld-II-Quote<br />

in der Regel höher als die<br />

der Männer. Im Vergleich zum Vorjahr haben<br />

sich die Arbeitslosengeld-II-Quoten der Frauen<br />

in den meisten Stadt- und Ortsteilen weniger<br />

positiv entwickelt als die der Männer.<br />

Sozialgeld-Empfänger/innen unter 15 Jahre<br />

(nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

unter 15 Jahre)<br />

Im März 2008 lebten im stadtbremischen<br />

Durchschnitt 29,9 Prozent der Kinder im Alter<br />

von unter 15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

(März 2007: 30,2 Prozent). Das<br />

heißt, ihre Mütter und/oder Väter waren – ganz<br />

oder ergänzend – auf Arbeitslosengeld II<br />

angewiesen.<br />

<strong>Die</strong> entsprechenden Quoten reichten in den<br />

Stadtteilen (ohne die Ortsteile, die keinem<br />

Stadtteil zugeordnet sind) von 9,0 Prozent im<br />

Stadtteil Schwachhausen (März 2007: 9,4 Prozent)<br />

bis 46,5 Prozent im Stadtteil Gröpelingen<br />

(März 2007: 47,1 Prozent). <strong>Die</strong> drei Stadtteile<br />

mit der höchsten Quote von Kindern unter 15<br />

in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften sind neben<br />

dem Stadtteil Gröpelingen (46,5 Prozent) die<br />

Stadtteile Vahr (46,0 Prozent; März 2007: 45,8<br />

Prozent) und Osterholz (41,8 Prozent; März<br />

2007: 41,4 Prozent).<br />

<strong>Die</strong> entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />

reichten von 2,1 Prozent in Borgfeld (März<br />

2007: 2,0 Prozent) bis 58,8 Prozent in Tenever<br />

(März 2007: 60,0 Prozent). <strong>Die</strong> drei Ortsteile<br />

mit der höchsten Quote von Kindern unter 15 in<br />

SGB-II-Bedarfsgemeinschaften sind neben Tenever<br />

(58,8 Prozent) die Ortsteile Neue Vahr Nord<br />

(58,7 Prozent; wie im März 2007) und Gröpelingen<br />

(54,4 Prozent; März 2007: 56,3 Prozent).<br />

135


136<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 8.2: Anteil der Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen (unter 15 Jahre)<br />

an der Bevölkerung im entsprechenden Alter – Stadt- und Ortsteile Bremerhaven<br />

März 2008<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro Sozialgeld-Empfänger/innen<br />

Einwohner/in im Alter von 15 bis unter 65 Jahren unter 15 Jahre<br />

Stadt / Stadtteil / Ortsteil ingesamt Männer Frauen pro Einwohner/in unter 15 2<br />

Stadt Bremerhaven insgesamt 22,2% 21,5% 22,9% 41,1%<br />

darunter Stadtteile und ausgewählte Ortsteile<br />

11 Stadtteil Weddewarden 5,2% 6,6% 3,8% 12,2%<br />

12 Stadtteil Leherheide 21,6% 19,1% 23,9% 39,5%<br />

121 Königsheide 7,8% 8,0% 7,7% 14,2%<br />

122 Fehrmoor 4,0% 3,2% 4,9% 9,4%<br />

123 Leherheide-West 38,7% 34,2% 42,8% 62,7%<br />

13 Stadtteil Lehe 25,3% 25,4% 25,1% 43,4%<br />

131 Speckenbüttel 3,7% 3,1% 4,2% 6,3%<br />

132 Eckernfeld 10,8% 10,9% 10,7% 21,0%<br />

133 Twischkamp 30,2% 31,3% 29,0% 53,5%<br />

134 Goethestraße 42,3% 40,5% 44,0% 64,7%<br />

135 Klushof 32,2% 31,4% 32,9% 59,4%<br />

136 Schierholz 13,4% 14,0% 12,7% 27,0%<br />

137 Buschkämpen 8,4% 8,8% 8,0% 30,5%<br />

14 Stadtteil Mitte 22,9% 22,8% 23,1% 50,9%<br />

141 Mitte-Süd 21,4% 22,2% 20,5% 47,1%<br />

142 Mitte-Nord 23,9% 23,2% 24,6% 52,2%<br />

21 Geestemünde 25,7% 25,1% 26,3% 48,9%<br />

211 Geestemünde-Nord 18,2% 18,4% 18,0% 39,1%<br />

212 Geestendorf 28,1% 27,2% 28,9% 54,6%<br />

213 Geestemünde-Süd 20,8% 18,9% 22,6% 39,9%<br />

214 Bürgerpark 19,9% 19,4% 20,5% 39,8%<br />

215 Grünhöfe 36,0% 35,3% 36,6% 56,8%<br />

22 Stadtteil Schiffdorferdamm 5,9% 6,3% 5,5% 9,7%<br />

23 Stadtteil Surheide 4,0% 3,9% 4,0% 8,7%<br />

24 Stadtteil Wulsdorf 12,8% 12,8% 12,8% 24,7%<br />

241 Dreibergen 17,5% 17,1% 17,9% 29,6%<br />

242 Jedutenberg 8,3% 8,6% 8,0% 19,1%<br />

25 Stadtteil Fischereihafen 7,6% 6,9% 8,8% 24,2%<br />

Maximum (Ortsteile) 42,3% 40,5% 44,0% 64,7%<br />

Minimum (Ortsteile) 3,7% 3,1% 3,8% 6,3%<br />

1Stadt- und Ortsteildaten auf Basis der nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt errechnet (geschätzt).<br />

Anteil der Kinder unter 15 an den nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in der Stadt Bremerhaven: 97,29%.<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; Magistrat Bremerhaven; eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 8.2.:<br />

Anteil der Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen<br />

(unter 15 Jahre)<br />

an der Bevölkerung im entsprechenden Alter<br />

Stadt Bremerhaven: Stadtteile und Ortsteile<br />

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />

(erwerbsfähige Hilfebedürftige)<br />

Im März 2008 waren in der Stadt Bremerhaven<br />

durchschnittlich 22,2 Prozent der Bevölkerung<br />

im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />

(März 2007: 22,7 Prozent) beziehungsweise<br />

21,5 Prozent der Männer (März 2007: 22,3<br />

Prozent) und 22,9 Prozent der Frauen (März<br />

2007: 23,1 Prozent) im entsprechenden Alter<br />

auf Arbeits-losengeld II angewiesen (erwerbsfähige<br />

Hilfebedürftige).<br />

<strong>Die</strong> entsprechenden Anteile (Quoten) in den<br />

Stadtteilen reichten bei der Bevölkerung im<br />

Alter von 15 bis unter 65 Jahren insgesamt von<br />

5,2 Prozent im Stadtteil Weddewarden (März<br />

2007: 4,9 Prozent) bis 25,7 Prozent im Stadtteil<br />

Geestemünde (März 2007: 26,2 Prozent).<br />

<strong>Die</strong> drei Stadtteile mit der höchsten Arbeitslosengeld-II-Quote<br />

sind neben dem Stadtteil<br />

Geestemünde (25,7 Prozent) die Stadtteile<br />

Lehe (25,3 Prozent; März 2007: 25,8 Prozent)<br />

und Mitte (22,9 Prozent; März 2007: 23,8<br />

Prozent).<br />

<strong>Die</strong> entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />

reichten bei der Bevölkerung im Alter von<br />

15 bis unter 65 Jahren von 3,7 Prozent in<br />

Speckenbüttel (März 2007: 4,0 Prozent) bis<br />

42,3 Prozent im Ortsteil Goethestraße (März<br />

2007: 43,4 Prozent). <strong>Die</strong> drei Ortsteile mit<br />

der höchsten Arbeitslosengeld-II-Quote sind<br />

neben dem Ortsteil Goethestraße (42,3 Prozent)<br />

die Ortsteile Leherheide-West (38,7 Prozent;<br />

März 2007: 39,3 Prozent) und Grünhöfe<br />

(36,0 Prozent; März 2007: 36,5 Prozent).<br />

<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Quoten der Frauen<br />

reichen auf Stadtteilebene von 3,8 Prozent in<br />

Weddewarden (März 2007: 3,9 Prozent) bis<br />

26,3 Prozent in Geestemünde (März 2007:<br />

ebenfalls 26,3 Prozent), die der Männer von<br />

3,9 Prozent in Surheide (März 2007: 5,3<br />

Prozent) bis 25,4 Prozent in Lehe (März 2007:<br />

26,1 Prozent).<br />

Auf Ortsteilebene reichen die Arbeitslosengeld-<br />

II-Quoten bei den Frauen von 3,8 Prozent in<br />

Weddewarden (Stadtteil und zugleich Ortsteil;<br />

März 2007: 3,9 Prozent) bis 44,0 Prozent<br />

im Ortsteil Goethestraße (März 2007: 44,4<br />

Prozent), bei den Männern von 3,1 Prozent in<br />

Speckenbüttel (März 2007: 4,1 Prozent) bis<br />

40,5 Prozent im Ortsteil Goethestraße (März<br />

2007: 42,4 Prozent).<br />

Sozialgeld-Empfänger/innen unter 15 Jahre<br />

(nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

unter 15 Jahre)<br />

Im März 2008 lebten in der Stadt Bremerhaven<br />

41,1 Prozent der Kinder im Alter von unter<br />

15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

(März 2007: 41,5 Prozent). Das heißt, ihre Mütter<br />

und/oder Väter waren – ganz oder ergänzend<br />

– auf Arbeitslosengeld II angewiesen.<br />

<strong>Die</strong> entsprechenden Quoten reichten in den<br />

Stadtteilen von 8,7 Prozent im Stadtteil<br />

Surheide (März 2007: 9,2 Prozent) bis 50,9<br />

Prozent im Stadtteil Mitte (März 2007: 53,6<br />

Prozent). <strong>Die</strong> drei Stadtteile mit der höchsten<br />

Quote von Kindern unter 15 in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

sind neben dem Stadtteil Mitte<br />

(50,9 Prozent) die Stadtteile Geestemünde<br />

(48,9 Prozent; März 2007: 48,6 Prozent) und<br />

Lehe (43,4 Prozent; März 2007: 43,3 Prozent).<br />

<strong>Die</strong> entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />

reichten von 6,3 Prozent in Speckenbüttel<br />

(März 2007: 7,4 Prozent) bis 64,7 Prozent im<br />

Ortsteil Goethestraße (März 2007: 64,6 Prozent).<br />

<strong>Die</strong> drei Ortsteile mit der höchsten Quote<br />

von Kindern unter 15 in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />

sind neben dem Ortsteil Goethestraße<br />

(64,7 Prozent) die Ortsteile Leherheide-West<br />

(62,7 Prozent; März 2007: 63,5 Prozent)<br />

und Klushof (59,4 Prozent; März 2007: 58,9<br />

Prozent).<br />

137


138<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 9.1: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (BG):<br />

Ausgaben <strong>für</strong> Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Bund und Kommunen) pro Monat – Stadt Bremen<br />

revidierte Daten nach Wartezeit von drei Monaten<br />

insgesamt (brutto) Arbeitslosengeld II Sozialgeld ohne Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft SV-Beiträge Sonstige<br />

ohne LfU (netto) LfU (netto) und Heizung (LfU) Leistungen<br />

Mio. Euro/ Euro/ Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Euro/ Mio Euro/ Mio. Euro/<br />

Euro BG LE* Alg-II-E** Euro Alg-II-E** Euro SG-E Euro BG LE* Euro Alg-II-E** Euro LE*<br />

- 1 - - 2 - - 3 - - 4 - - 5 - - 6 - - 7 - - 8 - - 9 - - 10 - - 11 - - 12 - - 13 - - 14 - -15 -<br />

2005 35,8 877 492 684 14,0 267 0,7 36 12,4 305 171 8,5 161 0,2 3<br />

2006 37,7 877 484 672 14,7 262 0,8 35 13,4 313 172 8,6 153 0,2 3<br />

2007 33,8 849 444 620 13,8 253 0,7 33 13,1 328 172 6,0 111 0,2 3<br />

1.Qua. 07 34,5 851 446 622 14,0 253 0,7 34 13,3 328 172 6,2 112 0,2 3<br />

1.Qua. 08 33,5 853 445 624 13,5 251 0,7 33 13,0 332 173 6,0 113 0,2 3<br />

Jan 2006 37,8 876 491 681 14,8 267 0,8 35 13,2 306 171 8,9 160 0,2 2<br />

Feb 2006 38,2 876 492 682 14,9 266 0,8 36 13,4 306 172 9,0 160 0,2 2<br />

Mrz 2006 38,7 879 494 684 15,1 266 0,8 35 13,5 307 172 9,1 161 0,3 3<br />

Apr 2006 38,5 871 490 678 15,1 265 0,8 35 13,6 307 173 8,8 155 0,3 3<br />

Mai 2006 38,6 872 490 679 15,1 265 0,8 35 13,6 308 173 8,8 155 0,3 4<br />

Jun 2006 38,3 867 487 675 14,9 263 0,8 35 13,6 308 173 8,8 155 0,3 3<br />

Jul 2006 37,9 865 482 667 14,8 261 0,8 34 13,6 310 173 8,5 150 0,2 3<br />

Aug 2006 37,6 870 480 665 14,7 260 0,7 34 13,5 314 173 8,4 149 0,2 2<br />

Sep 2006 37,3 878 478 664 14,5 259 0,8 35 13,4 316 172 8,4 149 0,2 3<br />

Okt 2006 36,9 887 476 663 14,3 257 0,8 35 13,4 321 173 8,3 148 0,2 2<br />

Nov 2006 36,7 892 475 662 14,2 256 0,8 34 13,3 324 172 8,2 149 0,2 2<br />

Dez 2006 36,2 897 472 659 14,0 254 0,7 34 13,2 326 171 8,2 149 0,2 2<br />

Jan 2007 34,3 850 446 622 14,0 253 0,7 34 13,2 328 172 6,2 112 0,2 3<br />

Feb 2007 34,5 850 446 621 14,1 253 0,7 34 13,3 327 172 6,2 112 0,2 3<br />

Mrz 2007 34,7 852 447 622 14,1 253 0,7 34 13,4 329 172 6,2 112 0,2 3<br />

Apr 2007 34,4 849 446 620 14,0 252 0,7 34 13,3 328 172 6,2 111 0,3 3<br />

Mai 2007 34,2 851 446 621 13,9 253 0,7 33 13,2 328 172 6,1 111 0,3 4<br />

Jun 2007 34,0 848 444 618 13,8 251 0,7 33 13,1 327 171 6,1 111 0,2 3<br />

Jul 2007 33,9 848 443 618 13,8 252 0,7 33 13,1 327 171 6,1 110 0,2 3<br />

Aug 2007 33,6 845 443 618 13,7 252 0,7 33 13,0 327 171 6,0 111 0,2 3<br />

Sep 2007 33,4 849 443 621 13,6 253 0,7 33 13,0 330 172 5,9 110 0,2 2<br />

Okt 2007 33,3 849 444 622 13,5 253 0,7 33 13,0 331 173 5,9 109 0,2 3<br />

Nov 2007 33,0 849 444 622 13,4 253 0,7 33 12,9 331 173 5,8 110 0,2 3<br />

Dez 2007 32,8 844 441 618 13,3 252 0,7 33 12,8 329 172 5,8 109 0,2 2<br />

Jan 2008 33,3 852 444 623 13,4 251 0,7 33 12,9 331 173 6,0 113 0,2 3<br />

Feb 2008 33,6 853 446 624 13,5 251 0,7 33 13,1 332 173 6,1 112 0,2 3<br />

Mrz 2008 33,5 853 446 624 13,5 250 0,7 33 13,1 333 174 6,0 112 0,3 4<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; eigene Berechnungen.<br />

* LE = Leistungsempfänger/in (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld)<br />

** E = Empfänger/in


Zu Tabelle 9.1:<br />

Ausgaben <strong>für</strong> SGB-II-Leistungen zur<br />

Sicherung des Lebensunterhaltes pro Monat<br />

Stadt Bremen<br />

Im ersten Quartal 2008 wurden in der Stadt<br />

Bremen vom Bund und der Stadt Bremen<br />

durchschnittlich 33,5 Millionen Euro pro Monat<br />

(brutto) <strong>für</strong> SGB-II-Leistungen zur Sicherung des<br />

Lebensunterhaltes ausgegeben. <strong>Die</strong>s waren<br />

etwa eine Million Euro pro Monat weniger als im<br />

ersten Quartal 2007.<br />

Von den durchschnittlich 33,5 Millionen Euro<br />

im ersten Quartal 2008 entfielen 13,5 Millionen<br />

Euro (40,2 Prozent) auf das Arbeitslosengeld II,<br />

0,7 Millionen Euro (2,1 Prozent) auf das Sozialgeld<br />

(jeweils ohne die Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft<br />

und Heizung), 13,0 Millionen Euro (38,9 Prozent)<br />

auf die Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft und<br />

Heizung, 6,0 Millionen Euro (18,1 Prozent) auf<br />

die Beiträge zur Sozialversicherung und 0,2<br />

Millionen Euro (0,7 Prozent) auf die sonstigen<br />

Leistungen. 51<br />

Der Vergleich der SGB-II-Leistungen zur<br />

Sicherung des Lebensunterhalts pro Bedarfsge-meinschaft,<br />

pro Leistungsempfänger/in 52<br />

beziehungsweise pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in<br />

im ersten Quartal der Jahre 2008 und<br />

2007 zeigt: Sowohl die monatlichen Ausgaben<br />

pro Bedarfsgemeinschaft (853 Euro im ersten<br />

Quartal 2008, 851 Euro im ersten Quartal<br />

2007) als auch die Ausgaben pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in<br />

(624 Euro im ersten<br />

Quartal 2008, 622 Euro im ersten Quartal<br />

2007) haben sich im Vorjahresvergleich kaum<br />

verändert.<br />

<strong>Die</strong> Nettoausgaben <strong>für</strong> Arbeitslosengeld II<br />

(ohne die Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft und<br />

Heizung) pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in<br />

sanken im Vergleich des ersten Quartals 2008<br />

mit dem ersten Quartal 2007 um etwa zwei<br />

Euro auf 251 Euro pro Monat.<br />

<strong>Die</strong> monatlichen Ausgaben <strong>für</strong> Unterkunft<br />

und Heizung stiegen pro Bedarfsgemeinschaft<br />

um 4,10 Euro (1,3 Prozent) auf 332 Euro.<br />

Pro Leistungsempfänger/in stiegen diese Ausgaben<br />

jedoch lediglich um 1,37 Euro (0,8<br />

Prozent) – von 172,01 Euro auf 173,38 Euro.<br />

Von den Ausgaben im ersten Quartal 2008<br />

hatte der Bund etwa 71,5 Prozent (23,9 Millionen<br />

Euro) und die Stadt Bremen 28,5 Prozent<br />

(9,5 Millionen Euro) zu tragen. 53 Der Anteil<br />

der Stadt Bremen an den Ausgaben <strong>für</strong> SGB-II-<br />

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes<br />

ist damit weiter gestiegen – im Wesentlichen<br />

wegen des von 31,2 Prozent auf 28,6<br />

Prozent reduzierten Anteils des Bundes an den<br />

kommunalen Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft und<br />

Heizung.<br />

Hinweis: <strong>Die</strong> in dieser Tabelle dargestellte<br />

Entwicklung der Ausgaben <strong>für</strong> Leistungen zur<br />

Sicherung des Lebensunterhaltes gibt keine<br />

Auskunft über die in den Antragsverfahren anerkannten<br />

Bedarfe der SGB-II-Bedarfsgemeinschaften.<br />

Im März 2008 wurden in der Stadt Bremen<br />

bei 22.660 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (57,6<br />

Prozent der Bedarfsgemeinschaften insgesamt)<br />

Einkommen in Höhe von insgesamt über 10,0<br />

Millionen Euro angerechnet, etwa 255 Euro pro<br />

Bedarfsgemeinschaft (März 2007: 242 Euro)<br />

beziehungsweise 442 Euro pro Bedarfsgemeinschaft<br />

mit anrechenbarem Einkommen (März<br />

2007: 422 Euro). 54 Unter den insgesamt 39.314<br />

Bedarfsgemeinschaften waren unter anderem<br />

15.191 (38,6 Prozent; März 2007: 37,8 Prozent)<br />

Bedarfsgemeinschaften mit anrechenbarem<br />

Einkommen aus Kindergeld und 10.372<br />

(26,4 Prozent) Bedarfsgemeinschaften mit anrechenbarem<br />

Einkommen aus Erwerbstätigkeit –<br />

deutlich mehr als ein Jahr zuvor (März 2007:<br />

22,1 Prozent). In 2.468 (6,3 Prozent; März<br />

2007: 6,0 Prozent) Bedarfsgemeinschaften<br />

wurden Sozialleistungen angerechnet, darunter<br />

in 1.063 Bedarfsgemeinschaften Arbeitslosengeld<br />

gemäß SGB III (Arbeitsförderung).<br />

51 Als sonstige Leistungen werden von der Statistik der Bundesagentur<br />

<strong>für</strong> Arbeit insbesondere die nicht von der Regelleistung umfassten<br />

kommunalen Leistungen zusammengefasst: Leistungen <strong>für</strong><br />

Erstausstattungen <strong>für</strong> die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte,<br />

<strong>für</strong> Erstausstattungen <strong>für</strong> Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft<br />

und Geburt sowie <strong>für</strong> mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen<br />

der schulrechtlichen Bestimmungen (§ 23 SGB II).<br />

52 Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen zusammen.<br />

53 <strong>Die</strong> Kommunen haben gemäß § 46 SGB II in Verbindung mit § 6<br />

Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II die Aufwendungen <strong>für</strong> Unterkunft und<br />

Heizung zu tragen. Der Bund trug gemäß § 46 Abs. 6 SGB II in<br />

den Jahren 2005 und 2006 29,1 Prozent und im Jahr 2007 im<br />

Land Bremen und 13 weiteren Ländern 31,2 Prozent dieser Ausgaben<br />

(Baden-Württemberg 2007: 35,2 Prozent; Rheinland-Pfalz<br />

2007: 41,2 Prozent). Im Jahr 2008 sank dieser Anteil im Land<br />

Bremen und 13 weiteren Ländern auf 28,6 Prozent (Baden-Württemberg<br />

2008: 32,6 Prozent; Rheinland-Pfalz 2008: 38,6 Prozent).<br />

54 Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA): Statistik der Grundsicherung<br />

<strong>für</strong> Arbeitsuchende nach SGB II, Report <strong>für</strong> Kreise und<br />

kreisfreie Städte, Berichtsmonat März 2008, Nürnberg;<br />

139


140<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 9.2: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (BG): Ausgaben <strong>für</strong> Leistungen zur Sicherung<br />

des Lebensunterhaltes (Bund und Kommunen) pro Monat – Stadt Bremerhaven<br />

revidierte Daten nach Wartezeit von drei Monaten<br />

insgesamt (brutto) Arbeitslosengeld II Sozialgeld ohne Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft SV-Beiträge Sonstige<br />

ohne LfU (netto) LfU (netto) und Heizung (LfU) Leistungen<br />

Mio. Euro/ Euro/ Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Euro/ Mio Euro/ Mio. Euro/<br />

Euro BG LE* Alg-II-E** Euro Alg-II-E** Euro SG-E Euro BG LE* Euro Alg-II-E** Euro LE*<br />

- 1 - - 2 - - 3 - - 4 - - 5 - - 6 - - 7 - - 8 - - 9 - - 10 - - 11 - - 12 - - 13 - - 14 - -15 -<br />

2005 - - - - - - - - - - - - - - -<br />

2006 11,1 865 465 645 4,4 258 0,2 31 3,8 298 160 2,6 149 0,1 3<br />

2007 10,1 847 431 600 4,2 251 0,2 30 3,8 317 161 1,8 108 0,1 3<br />

1.Qua. 07 10,2 846 430 599 4,3 250 0,2 30 3,8 317 161 1,9 109 0,1 3<br />

1.Qua. 08 10,0 853 434 604 4,2 252 0,2 31 3,7 315 160 1,9 113 0,1 3<br />

Jan 2006 11,1 861 469 651 4,5 262 0,2 31 3,7 290 158 2,6 154 0,1 2<br />

Feb 2006 11,2 862 469 651 4,5 262 0,2 32 3,8 290 158 2,7 155 0,1 3<br />

Mrz 2006 11,4 864 471 654 4,6 262 0,2 32 3,8 292 159 2,7 155 0,1 3<br />

Apr 2006 11,3 856 468 650 4,5 261 0,2 31 3,9 293 160 2,6 150 0,1 3<br />

Mai 2006 11,3 856 469 649 4,5 262 0,2 31 3,8 291 159 2,6 150 0,1 4<br />

Jun 2006 11,2 853 469 649 4,5 260 0,2 31 3,8 292 160 2,6 150 0,1 4<br />

Jul 2006 11,1 851 464 642 4,5 259 0,2 31 3,8 294 160 2,5 146 0,1 2<br />

Aug 2006 11,0 856 461 639 4,4 258 0,2 30 3,8 297 160 2,5 145 0,1 2<br />

Sep 2006 10,9 864 459 636 4,4 255 0,2 30 3,8 301 160 2,5 145 0,1 3<br />

Okt 2006 10,8 874 457 636 4,3 253 0,2 31 3,8 307 160 2,5 145 0,1 2<br />

Nov 2006 10,9 890 462 641 4,3 252 0,2 31 3,9 317 164 2,5 145 0,1 3<br />

Dez 2006 10,8 902 462 641 4,2 251 0,2 31 3,9 323 165 2,5 145 0,0 2<br />

Jan 2007 10,2 846 430 599 4,3 250 0,2 30 3,8 318 161 1,9 109 0,1 2<br />

Feb 2007 10,2 846 431 598 4,3 251 0,2 30 3,8 315 161 1,9 109 0,1 3<br />

Mrz 2007 10,3 846 431 599 4,3 251 0,2 30 3,8 317 161 1,9 109 0,1 2<br />

Apr 2007 10,2 843 429 597 4,2 249 0,2 30 3,8 316 161 1,8 108 0,1 3<br />

Mai 2007 10,1 848 431 600 4,2 250 0,2 30 3,8 319 162 1,8 108 0,1 4<br />

Jun 2007 10,1 848 429 598 4,2 249 0,2 30 3,8 319 161 1,8 108 0,1 3<br />

Jul 2007 10,1 849 430 600 4,2 251 0,2 30 3,8 319 162 1,8 108 0,1 3<br />

Aug 2007 10,0 842 428 597 4,2 249 0,2 30 3,7 316 160 1,8 108 0,1 3<br />

Sep 2007 10,0 849 431 601 4,2 253 0,2 31 3,7 317 161 1,8 108 0,1 2<br />

Okt 2007 9,9 848 431 601 4,2 253 0,2 31 3,7 317 161 1,8 108 0,1 3<br />

Nov 2007 9,9 851 433 605 4,2 254 0,2 31 3,7 319 163 1,8 109 0,0 2<br />

Dez 2007 9,9 849 433 604 4,1 253 0,2 31 3,7 318 162 1,8 109 0,0 2<br />

Jan 2008 10,0 852 433 603 4,2 252 0,2 31 3,7 315 160 1,9 113 0,1 3<br />

Feb 2008 10,1 853 434 604 4,2 253 0,2 31 3,7 315 160 1,9 113 0,1 3<br />

Mrz 2008 10,0 855 435 605 4,2 251 0,2 30 3,7 317 161 1,9 113 0,1 3<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; eigene Berechnungen.<br />

* LE = Leistungsempfänger/in (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld)<br />

** E = Empfänger/in


Zu Tabelle 9.2:<br />

Ausgaben <strong>für</strong> SGB-II-Leistungen zur<br />

Sicherung des Lebensunterhaltes pro Monat<br />

Stadt Bremerhaven<br />

Im ersten Quartal 2008 wurden in der Stadt<br />

Bremerhaven vom Bund und der Stadt Bremerhaven<br />

durchschnittlich 10,0 Millionen Euro pro<br />

Monat (brutto) <strong>für</strong> SGB-II-Leistungen zur Sicherung<br />

des Lebensunterhaltes ausgegeben.<br />

<strong>Die</strong>s waren etwa 0,2 Millionen Euro pro Monat<br />

weniger als im ersten Quartal 2007.<br />

Von den durchschnittlich 10,0 Millionen Euro<br />

im ersten Quartal 2008 entfielen 41,7 Prozent<br />

(4,2 Millionen Euro) auf das Arbeitslosengeld II,<br />

2,0 Prozent (0,2 Millionen Euro) auf das Sozialgeld<br />

(jeweils ohne die Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft<br />

und Heizung), 37,0 Prozent (3,7 Millionen Euro)<br />

auf die Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft und Heizung,<br />

18,7 Prozent (1,9 Millionen Euro) auf die Beiträge<br />

zur Sozialversicherung und 0,7 Prozent (0,1<br />

Millionen Euro) auf die sonstigen Leistungen. 55<br />

Der Vergleich der SGB-II-Leistungen zur<br />

Sicherung des Lebensunterhalts pro Bedarfsgemeinschaft,<br />

pro Leistungsempfänger/in 56<br />

beziehungsweise pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in<br />

im ersten Quartal der Jahre 2007<br />

und 2008 zeigt: <strong>Die</strong> monatlichen Ausgaben pro<br />

Bedarfsgemeinschaft stiegen im Vergleich zum<br />

ersten Quartal 2007 geringfügig um etwa 7<br />

Euro (0,9 Prozent) auf 853 Euro, die Ausgaben<br />

pro Leistungsempfänger/in um etwa 4 Euro<br />

(0,8 Prozent) auf 434 Euro und die Ausgaben<br />

pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in um 5 Euro<br />

(1,0 Prozent) auf 604 Euro.<br />

<strong>Die</strong> Ausgaben pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in<br />

lagen in der Stadt Bremerhaven im<br />

ersten Quartal 2008 mit 604 Euro etwa 20<br />

Euro (3,1 Prozent) unter den entsprechenden<br />

Ausgaben in der Stadt Bremen – insbesondere<br />

wegen der geringeren Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft<br />

und Heizung (niedrigere Mieten).<br />

<strong>Die</strong> Nettoausgaben <strong>für</strong> Arbeitslosengeld II<br />

(ohne die Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft und Heizung)<br />

pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in<br />

stiegen im Vergleich des ersten Quartals 2008<br />

mit dem ersten Quartal 2007 um 1,58 Euro<br />

(0,6 Prozent) auf 252 Euro pro Monat.<br />

<strong>Die</strong> monatlichen Ausgaben <strong>für</strong> Unterkunft<br />

und Heizung sanken geringfügig, um 1,27 Euro<br />

(0,4 Prozent) auf 315 Euro pro Bedarfsgemeinschaft<br />

beziehungsweise um 0,81 Euro (0,5 Prozent)<br />

auf 160 Euro pro Leistungsempfänger/in.<br />

Von den Ausgaben im ersten Quartal 2008<br />

hatte der Bund etwa 72,9 Prozent (7,3 Millionen<br />

Euro) und die Stadt Bremerhaven 27,1<br />

Prozent (2,7 Millionen Euro) zu tragen. 57<br />

Der Anteil der Stadt Bremerhaven an den<br />

Ausgaben <strong>für</strong> SGB-II-Leistungen zur Sicherung<br />

des Lebensunterhaltes ist damit weiter gestiegen<br />

– im Wesentlichen wegen des von 31,2<br />

Prozent auf 28,6 Prozent reduzierten Anteils<br />

des Bundes an den kommunalen Leistungen <strong>für</strong><br />

Unterkunft und Heizung.<br />

Hinweis: <strong>Die</strong> in dieser Tabelle dargestellte Entwicklung<br />

der Ausgaben <strong>für</strong> Leistungen zur Sicherung<br />

des Lebensunterhaltes gibt keine Auskunft<br />

über die in den Antragsverfahren anerkannten<br />

Bedarfe der SGB-II-Bedarfsgemeinschaften. Im<br />

März 2008 wurden in der Stadt Bremerhaven bei<br />

6.705 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (57,1 Prozent<br />

der Bedarfsgemeinschaften insgesamt) Einkommen<br />

in Höhe von insgesamt 3,0 Millionen<br />

Euro angerechnet, etwa 253 Euro pro Bedarfsgemeinschaft<br />

(März 2007: 251 Euro) beziehungsweise<br />

443 Euro pro Bedarfs-gemeinschaft mit<br />

anrechenbarem Einkommen (März 2007: 427<br />

Euro). 58 Unter den insgesamt 11.751 Bedarfsgemeinschaften<br />

waren unter anderem 4.720<br />

Bedarfsgemeinschaften (40,2 Prozent; März<br />

2007: 40,5 Prozent) mit anrechenbarem Einkommen<br />

aus Kindergeld und 2.874 Bedarfsgemeinschaften<br />

(24,5 Prozent) mit anrechenbarem Einkommen<br />

aus Erwerbstätigkeit – mehr als ein Jahr<br />

zuvor (März 2007: 22,3 Prozent). In 855 (7,3<br />

Prozent; März 2007: 7,2 Prozent) Bedarfsgemeinschaften<br />

wurden Sozialleistungen angerechnet,<br />

darunter in 313 Bedarfsgemeinschaften<br />

Arbeitslosengeld gemäß SGB III (Arbeitsförderung).<br />

55 Als sonstige Leistungen werden von der Statistik der Bundesagentur<br />

<strong>für</strong> Arbeit insbesondere die nicht von der Regelleistung umfassten<br />

kommunalen Leistungen zusammengefasst: Leistungen <strong>für</strong><br />

Erstausstattungen <strong>für</strong> die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte,<br />

<strong>für</strong> Erstausstattungen <strong>für</strong> Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft<br />

und Geburt sowie <strong>für</strong> mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen<br />

der schulrechtlichen Bestimmungen (§ 23 SGB II).<br />

56 Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen zusammen.<br />

57 <strong>Die</strong> Kommunen haben gemäß § 46 SGB II in Verbindung mit § 6<br />

Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II die Aufwendungen <strong>für</strong> Unterkunft und<br />

Heizung zu tragen. Der Bund trägt gemäß § 46 Abs. 6 SGB II in<br />

den Jahren 2005 und 2006 29,1 Prozent und im Jahr 2007 im<br />

Land Bremen und 13 weiteren Ländern 31,2 Prozent dieser Ausgaben<br />

(Baden-Württemberg 2007: 35,2 Prozent; Rheinland-Pfalz<br />

2007: 41,2 Prozent). Im Jahr 2008 sank dieser Anteil im Land<br />

Bremen und 13 weiteren Ländern auf 28,6 Prozent (Baden-Württemberg<br />

2008: 32,6 Prozent; Rheinland-Pfalz 2008: 38,6 Prozent).<br />

58 Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA): Statistik der Grundsicherung<br />

<strong>für</strong> Arbeitsuchende nach SGB II, Report <strong>für</strong> Kreise und<br />

kreisfreie Städte, Berichtsmonat März 2008; eigene Berechnungen.<br />

141


142<br />

Zahlen, Daten, Fakten<br />

Tabelle 10: Vergleich der zeitnah berichteten und nach einer Wartezeit<br />

von drei Monaten rierten Daten: Erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

(Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen) – Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />

Stadt Bremen Stadt Bremerhaven<br />

Alg-II-E Alg-II-E Differenz Alg-II-E Alg-II-E Alg-II-E Differenz Alg-II-E<br />

vorläufig revidiert revidiert – vorläufig vorläufig revidiert revidiert – vorläufig<br />

insgesamt insgesamt absolut in v. H. insgesamt insgesamt absolut in v. H.<br />

Jan 2007 53.167 55.142 +1.975 +3,7% 16.715 17.072 +357 +2,1%<br />

Feb 2007 53.883 55.594 +1.711 +3,2% 16.755 17.106 +351 +2,1%<br />

Mrz 2007 54.071 55.701 +1.630 +3,0% 16.760 17.130 +370 +2,2%<br />

Apr 2007 54.030 55.400 +1.370 +2,5% 16.633 17.021 +388 +2,3%<br />

Mai 2007 53.796 55.086 +1.290 +2,4% 16.619 16.900 +281 +1,7%<br />

Jun 2007 53.356 54.921 +1.565 +2,9% 16.440 16.841 +401 +2,4%<br />

Jul 2007 53.549 54.794 +1.245 +2,3% 16.647 16.870 +223 +1,3%<br />

Aug 2007 52.970 54.281 +1.311 +2,5% 16.446 16.759 +313 +1,9%<br />

Sep 2007 52.047 53.870 +1.823 +3,5% 16.146 16.552 +406 +2,5%<br />

Okt 2007 51.984 53.512 +1.528 +2,9% 16.124 16.547 +423 +2,6%<br />

Nov 2007 51.697 53.098 +1.401 +2,7% 16.103 16.442 +339 +2,1%<br />

Dez 2007 51.045 53.054 +2.009 +3,9% 15.862 16.379 +517 +3,3%<br />

Jan 2008 51.748 53.515 +1.767 +3,4% 16.209 16.598 +389 +2,4%<br />

Feb 2008 52.162 53.814 +1.652 +3,2% 16.300 16.627 +327 +2,0%<br />

Mrz 2008 51.836 53.713 +1.877 +3,6% 16.170 16.602 +432 +2,7%<br />

Apr 2008 52.367 . . . 16.153 . . .<br />

Mai 2008 51.965 . . . 15.982 . . .<br />

Jun 2008 51.390 . . . 15.621 . . .<br />

Jul 2008 51.768 . . . 15.727 . . .<br />

Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; eigene Berechnungen.


Zu Tabelle 10:<br />

Vergleich der zeitnah berichteten und nach<br />

einer Wartezeit von drei Monaten revidierten<br />

Daten: Erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

(Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />

<strong>Die</strong> Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit veröffentlicht<br />

die Daten zur ›Grundsicherung <strong>für</strong><br />

Arbeitsuchende‹ zunächst vorläufig. <strong>Die</strong> zeitnahe<br />

Berichterstattung – etwa zwei Wochen<br />

nach dem jeweiligen Stichtag (Monatsmitte) –<br />

wird nach einer Wartezeit von drei Monaten<br />

korrigiert. Begründung: ›Für einen Teil der Fälle<br />

können von den Trägern der Grundsicherung<br />

<strong>für</strong> Arbeitsuchende die Leistungen erst nach<br />

Beginn des Zeitraumes bewilligt werden, <strong>für</strong><br />

den die Hilfsbedürftigen einen Anspruch haben.<br />

Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn zu<br />

spät eingereichte Antragsunterlagen zu einer<br />

nachträglichen Bewilligung führen. Andersherum<br />

kann eine zeitintensive Klärung sowie<br />

Überprüfung grundlegender Sachverhalte eine<br />

nachträgliche Aufhebung notwendig machen.<br />

<strong>Die</strong>se Fälle können bei der statistischen Auswertung<br />

der Verwaltungsdaten im aktuellen<br />

Monat noch nicht berücksichtigt werden. Nach<br />

einer gewissen Wartezeit führt eine erneute<br />

statistische Auswertung dann zu einem korrigierten<br />

Bild auf einer sichereren Grundlage.‹ 59<br />

Der Vergleich der zeitnah berichteten Daten<br />

mit den nach einer Wartezeit von drei Monaten<br />

korrigierten Daten – hier am Beispiel der<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen – zeigt: <strong>Die</strong><br />

nach einer Wartezeit korrigierten Daten lagen<br />

bisher immer deutlich über den zeitnah berichteten<br />

Daten. Der absolute Korrekturbedarf<br />

schwankte in den letzten sechs Monaten des<br />

Berichtszeitraums mit revidierten Daten<br />

(Oktober 2007 bis März 2008) in der Stadt<br />

Bremen zwischen +1.401 (November 2007)<br />

und +2.009 (Dezember 2007) und in der Stadt<br />

Bremerhaven von +327 (Februar 2008) und<br />

+517 (Dezember 2007). Der relative Korrekturbedarf<br />

schwankte in den letzten sechs Monaten<br />

des Berichtszeitraums mit revidierten Daten<br />

(Oktober 2007 bis März 2008) in der Stadt<br />

Bremen zwischen +2,7 Prozent (November<br />

2007) und +3,9 Prozent (Dezember 2007) und<br />

in der Stadt Bremerhaven von +2,0 Prozent<br />

(Februar 2008) und +3,3 Prozent (Dezember<br />

2007).<br />

59 Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit, Statistik der Grundsicherung<br />

<strong>für</strong> Arbeitsuchende nach dem SGB II: Bedarfsgemeinschaften<br />

und deren Mitglieder – Juni 2006 – Daten nach einer Wartezeit<br />

von drei Monaten, Seite 4.<br />

143


<strong>Die</strong> Tatsache ist uns schon beinahe zu vertraut, als dass sie uns noch aufrütteln<br />

würde: Viele <strong>Jugendliche</strong> finden nach der <strong>Schule</strong> keinen direkten Weg ins Berufsleben.<br />

Mal gibt es mehr, mal weniger Ausbildungsplätze – je nach konjunktureller<br />

Lage – aber <strong>für</strong> alle reicht es schon lange nicht mehr. Sofern es doch einmal rechnerisch<br />

hinkommt, alle Bremer Schulabsolventen auch mit einem Ausbildungsplatz<br />

zu versorgen, werden in der Regel diejenigen vergessen, die sich ein oder mehrere<br />

Jahre in den sogenannten Übergangssystemen befinden. Von diesen <strong>Jugendliche</strong>n,<br />

die im ersten Anlauf keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, handelt der<br />

Schwerpunkt unseres diesjährigen Armutsberichts.<br />

Es gibt eine Fülle von Maßnahmen, die vonseiten des Staates ergriffen werden,<br />

um diese <strong>Jugendliche</strong>n zu fördern und ihnen den Weg ins Arbeitsleben zu bereiten.<br />

Unser Bericht wie auch überregionale Studien zeigen aber, dass es trotz eines<br />

breit angelegten Übergangssystems oft nicht gelingt, die Ausbildungswünsche <strong>für</strong> alle<br />

einzulösen. Selbst eine erfolgreiche Teilnahme an den Maßnahmen ist längst keine<br />

Garantie <strong>für</strong> den Beginn einer qualifizierenden Berufsausbildung.<br />

Eine ›Zwischenstation‹ wie das Übergangssystem kann nur erfolgreich sein, wenn<br />

die <strong>Jugendliche</strong>n am Ende <strong>für</strong> ihr Warten und ihre Bildungsanstrengungen auch<br />

belohnt werden: Da<strong>für</strong> braucht es mehr Ausbildungsplätze, insbesondere auch <strong>für</strong><br />

diejenigen mit Hauptschulabschluss beziehungsweise leistungsschwächere<br />

Absolventen, die heute allzu oft leer ausgehen.<br />

Was das Übergangssystem auf keinen Fall sein darf (<strong>für</strong> einen Teil der dort Betreuten<br />

aber faktisch schon ist!): ein Wartesaal der Armut. Schon jetzt beziehen 18 Prozent<br />

der 15- bis 25-Jährigen in Bremen Arbeitslosengeld II. Mit dieser Zahl zeigt sich<br />

deutlich, dass unter den Jüngeren massive Probleme bestehen, die Schwelle zur<br />

Arbeitswelt und in einen existenzsichernden Beruf zu nehmen.<br />

Aus Sicht der Arbeitnehmerkammer muss das gesellschaftliche Versprechen, dass<br />

jede/r <strong>Jugendliche</strong> einen Ausbildungsplatz bekommt, dringend erneuert werden. <strong>Die</strong><br />

Bremer Vereinbarung ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung. Verantwortlich sind<br />

hier alle: Wirtschaft und Staat. Keine Finanzkrise, keine Rezession darf dazu führen,<br />

dass sich die beteiligten Akteure aus dieser Verantwortung wieder herausstehlen.<br />

Arbeitnehmerkammer<br />

Bremen<br />

›<strong>Jugendliche</strong> zwischen<br />

<strong>Schule</strong> und Beruf‹<br />

Armut in Bremen Bericht 2008 > Schwerpunkt: ›<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf‹

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