ANK_Jugendliche_Schule_Beruf2008.18878.pdf - Die Senatorin für ...
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Bericht 2008<br />
> Schwerpunkt ›<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf‹<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen<br />
<strong>Schule</strong> und Beruf<br />
Armutsbericht:<br />
Daten zu Armut und Arbeitslosigkeit im Land Bremen<br />
Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen
Bericht 2008 > Schwerpunkt<br />
›<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf‹<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen<br />
<strong>Schule</strong> und Beruf<br />
Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen
Armut in Bremen<br />
Herausgeber<br />
Verfasser/innen<br />
Redaktion<br />
Gestaltung<br />
Fotos<br />
Druck<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Bürgerstraße 1<br />
28195 Bremen<br />
Telefon 0421·36301-0<br />
Telefax 0421·36301-89<br />
Info@arbeitnehmerkammer.de<br />
www.arbeitnehmerkammer.de<br />
Michael Galuske, Christiane Koch,<br />
Ralf Lorenzen, Volker Pusch,<br />
Peer Rosenthal, Paul M. Schröder<br />
Elke Heyduck, Martina Kedenburg,<br />
Volker Pusch<br />
Designbüro Möhlenkamp,<br />
Marlis Schuldt, Jörg Möhlenkamp<br />
Kay Michalak<br />
müllerDITZEN, Bremerhaven<br />
Abgeschlossen im November 2008
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort<br />
Volker Pusch<br />
1 Einleitung:<br />
Christiane Koch / Peer Rosenthal<br />
2 Ausbildung – der Markt lässt viele Wünsche offen<br />
2.1 Von der <strong>Schule</strong> in den Beruf: viele Wege – alle zum Ziel?<br />
2.2 Wen betrifft die Entwicklung des Berufsbildungssystems in Bremen<br />
in welcher Weise? – das Bremer Bewerber/innenpotenzial<br />
2.3 Der Umfang des Bremer Ausbildungssystems<br />
2.4 <strong>Die</strong> Angebots-/Bewerber/innen-Relation in Bremen<br />
2.5 Ausbildungsabbrüche<br />
2.6 <strong>Die</strong> Hartz-Reform und der Umgang mit Jugendarbeitslosigkeit<br />
2.7 Zielgruppen und Probleme<br />
Michael Galuske<br />
3 die Pädagogik der Hartz-Gesetze – über den<br />
aktivierenden Umgang mit Jugendarbeitslosigkeit<br />
3.1 Arbeitslosigkeit und (Sozial-)Pädagogik – eine Vorbemerkung<br />
3.2 Aktivierender Sozialstaat und Hartz-Gesetze<br />
3.3 Hartz IV und die Jugend<br />
3.4 <strong>Jugendliche</strong> und Heranwachsende im Geltungsbereich<br />
des SGB II zwischen Selektion und Verfolgungsbetreuung<br />
3.5 Schlussbemerkungen<br />
Christiane Koch / Peer Rosenthal<br />
4 <strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf:<br />
Wohin führt der Weg, der im Übergangssystem beginnt?<br />
4.1 Was ist das Übergangssystem und wie entstand es?<br />
4.2 Aufblähung des Übergangssystems durch das Phänomen Altbewerber/innen<br />
4.3 Übergangssystem: Quantitative Entwicklung, Teilnehmerstruktur und Maßnahmen<br />
4.4 Einstiegsqualifizierung (EQJ/EQ) als Beispiel<br />
einer Fördermaßnahme des Übergangssystems<br />
4.5 Unübersichtlichkeit des Übergangsystems<br />
4.6 Ausbildungslosigkeit trotz Übergangssystems<br />
4.7 Mögliche Handlungslinien: ›Bremer Vereinbarungen 2008–2010‹<br />
und ›Bremer Netzwerk Nachqualifizierung‹<br />
4.8 Schlussfolgerungen<br />
Ralf Lorenzen<br />
5 Vier Geschichten vom Überleben in der Warteschleife<br />
Paul M. Schröder<br />
6 Zahlen, Daten, Fakten<br />
Arbeitslosengeld II (SGB II) nach Altersgruppen, im Verhältnis zur Arbeitslosenquote,<br />
in Bedarfsgemeinschaften und im Städtevergleich<br />
Kinder und andere nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige und SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen nach Stadt- und Ortsteilen<br />
SGB-II Bedarfsgemeinschaften: Ausgaben <strong>für</strong> Leistungen zur Sicherung<br />
des Lebensunterhaltes (Bund und Kommunen) pro Monat<br />
Vergleich der zeitnahen und der revidierten Daten zum Arbeitslosengeld II<br />
4<br />
6<br />
14<br />
48<br />
66<br />
94<br />
102
4<br />
Vorwort
Vorwort<br />
<strong>Die</strong> Tatsache ist uns schon beinahe zu vertraut, als dass sie uns noch aufrütteln würde:<br />
Viele <strong>Jugendliche</strong> finden nach der <strong>Schule</strong> keinen direkten Weg ins Berufsleben. Mal gibt es<br />
mehr, mal weniger Ausbildungsplätze – je nach konjunktureller Lage – aber <strong>für</strong> alle reicht es<br />
schon lange nicht mehr. Sofern es doch einmal rechnerisch hinkommt, alle Bremer Schulabsolventen<br />
auch mit einem Ausbildungsplatz zu versorgen, werden in der Regel diejenigen<br />
vergessen, die sich ein oder mehrere Jahre in den sogenannten Übergangssystemen befinden.<br />
Von diesen <strong>Jugendliche</strong>n, die im ersten Anlauf keinen Ausbildungsplatz bekommen<br />
haben, handelt der Schwerpunkt unseres diesjährigen Armutsberichts. Damit sie nicht ›unter<br />
den Tisch fallen‹ hat die Arbeitnehmerkammer die Bremer Vereinbarung mit unterzeichnet,<br />
die es sich zur Aufgabe macht, gerade die benachteiligten Gruppen auf dem Ausbildungsmarkt<br />
zu integrieren.<br />
Es gibt eine Fülle von Maßnahmen, die vonseiten des Staates ergriffen werden, um<br />
diese <strong>Jugendliche</strong>n zu fördern und ihnen den Weg ins Arbeitsleben zu bereiten. Eine jüngst<br />
erschienene Studie des Deutschen Jugendinstituts kommt bezogen auf diese Maßnahmen<br />
zu zwiespältigen Ergebnissen. So finden sich in den Übergangssystemen viele <strong>Jugendliche</strong>,<br />
deren Schulnoten beziehungsweise Abschlüsse einen zusätzlichen Förderbedarf gar nicht<br />
nötig machen. Für sie ist einfach kein Platz auf dem Ausbildungsmarkt. Für Migranten und<br />
<strong>Jugendliche</strong> ohne Schulabschluss lässt sich tatsächlich eine Chancenverbesserung ausmachen.<br />
Für wieder andere, insbesondere diejenigen, die im Elternhaus wenig oder gar keine<br />
Unterstützung erfahren, ›leitet die einmalige oder gar mehrmalige Teilnahme an Berufsvorbereitung<br />
den Ausstieg aus Bildung und Ausbildung ein‹ – so heißt es in der Studie.<br />
Damit wären wir – leider – beim zweiten Teil dieses Berichts angelangt: den Daten zur<br />
Entwicklung von Armut und Arbeitslosigkeit im Land Bremen, den Sie im hinteren Teil dieser<br />
Veröffentlichung finden. <strong>Die</strong>ser Datenteil ist fester Bestandteil unserer Armutsberichterstattung,<br />
die wir seit sieben Jahren erstellen. Im vorliegenden Bericht halten wir eine Zahl<br />
<strong>für</strong> besonders besorgniserregend: Von den in Bremen lebenden <strong>Jugendliche</strong>n zwischen<br />
15 und 18 Jahren erhalten 206 von 1.000 Arbeitslosengeld II. <strong>Die</strong>se Zahl liegt deutlich über<br />
dem bundesdeutschen Durchschnitt. Und sie zeigt, dass unter den Jüngeren massive Probleme<br />
existieren, die erste und zweite Schwelle zur Berufswelt zu überschreiten und einen<br />
angemessenen, anständig bezahlten Platz in der Berufswelt einzunehmen. <strong>Die</strong> erwartete<br />
Rezession wird hier sicherlich eher zur Verschärfung des Problems beitragen.<br />
Aus Sicht der Arbeitnehmerkammer muss das gesellschaftliche Versprechen, dass<br />
jeder <strong>Jugendliche</strong> einen Ausbildungsplatz bekommt, dringend erneuert werden. <strong>Die</strong> Bremer<br />
Vereinbarung ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung. Verantwortlich sind hier alle:<br />
Wirtschaft und Staat. Keine Finanzkrise, keine Rezession darf dazu führen, dass sich die<br />
beteiligten Akteure aus dieser Verantwortung wieder herausstehlen.<br />
Hans Driemel Dr. Hans-L. Endl<br />
Präsident Hauptgeschäftsführer<br />
5
6<br />
Einleitung<br />
Wir bedanken uns herzlich<br />
bei ›NAHlos – Berufliche Qualifizierung <strong>für</strong> junge Erwachsene‹<br />
und den dort beschäftigten <strong>Jugendliche</strong>n <strong>für</strong> die Möglichkeit zu<br />
fotografieren. NAHlos ist eine vorqualifizierende Maßnahme <strong>für</strong><br />
<strong>Jugendliche</strong> und junge Erwachsene unter 25 Jahre im Bremer<br />
Westen. Ob mit oder ohne Schulabschluss – junge Menschen,<br />
die Arbeitslosengeld II beziehen und aus unterschiedlichen Gründen<br />
nicht in der Lage sind einen In-Job anzutreten beziehungsweise<br />
durchzuhalten, werden dort gefördert. Sie sammeln berufliche<br />
Erfahrung durch praktische Tätigkeiten als Handwerker,<br />
haben Schulunterricht und werden von den Lehrern und Pädagogen<br />
unterstützt bei der Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche.<br />
Auch finden sie hier Beratung in akuten Krisensituationen.<br />
NAHlos wird in Trägerschaft des Deutschen Roten Kreuzes<br />
(DRK) Kreisverband Bremen e. V. im Rahmen der kooperativen<br />
Einrichtung Zentrum <strong>für</strong> <strong>Schule</strong> und Beruf (zsb) realisiert.
Volker Pusch ❘ Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
1 Einleitung<br />
Wer in der Bundesrepublik Deutschland<br />
Überlegungen zu den Themen ›Armut‹ oder<br />
›Armutsbekämpfung‹ anstellt und veröffentlicht,<br />
der kommt an den Forderungen nach<br />
einem gesetzlichen Mindestlohn, nach Steuererleichterungen,<br />
vor allem aber nach einer<br />
massiven Verstärkung der Bildungsanstrengungen<br />
von Bund und Ländern nicht vorbei. Der<br />
neue Armutsbericht 2008 der Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen macht in dieser Hinsicht<br />
keine Ausnahme, denn er behandelt die Lage<br />
von <strong>Jugendliche</strong>n und jungen Erwachsenen im<br />
Alter von 15 bis 25 Jahren, die keine reguläre<br />
berufliche Ausbildung erhalten, sondern die<br />
zu Absolventinnen und Absolventen des sogenannten<br />
›Übergangssystems‹ geworden sind.<br />
Ein ›System‹, das inzwischen ein fester<br />
Bestandteil unseres Bildungswesens geworden<br />
ist und das <strong>für</strong> viele seiner Absolventinnen<br />
und Absolventen wie eine nicht enden<br />
wollende Warteschleife funktioniert.<br />
Bevor wir uns diesem neuen Bildungsbereich<br />
zuwenden, wollen wir ein paar Anmerkungen<br />
zum Verhältnis von ›Armut und Bildung‹<br />
machen – um Missverständnissen vorzubeugen<br />
und auch, um aus Sicht einer Arbeitnehmer/inneninstitution<br />
zu klären, worin ein rationeller<br />
Beitrag der Bildung bei der Bekämpfung<br />
von Armut bestehen kann.<br />
›Bildung, Bildung, Bildung!‹ – das<br />
neue Mantra der Armutsbekämpfung<br />
Der dritte Armuts- und Reichtumsbericht der<br />
Bundesregierung fordert vehement eine Verbesserung<br />
der ›Teilhabe- und Verwirklichungschancen‹<br />
armer Bevölkerungsgruppen, insbesondere<br />
armer Kinder, ein und sieht die<br />
Bildungsarbeit als ›Schlüssel <strong>für</strong> Teilhabe und<br />
Integration‹ schlechthin an. Mit dieser Zielvorgabe<br />
hat der Bericht – der ebenso viel<br />
Zuspruch wie Kritik erntete – immerhin eines<br />
erreicht: ›Bildung, Bildung, Bildung‹ ist inzwischen<br />
das durchgehende ›Mantra‹ deutscher<br />
Spitzenpolitiker aller Parteien geworden, das<br />
in jedes Rededuell geworfen wird, sobald es<br />
um Vorschläge zur nachhaltigen Bekämpfung<br />
der Kinder- und <strong>Jugendliche</strong>narmut geht.<br />
<strong>Die</strong>se bemerkenswerte Übereinkunft politisch<br />
Verantwortlicher ist nicht selbstverständlich,<br />
mehr noch, sie hat ihre Tücken:<br />
Ohne Zweifel wird im 21. Jahrhundert niemand<br />
ernsthaft bestreiten wollen, dass Armut<br />
mehr ist als fehlendes Geld zur Finanzierung<br />
des Lebensunterhalts. Dass die materielle<br />
Armut nur zu oft einhergeht mit einem Mangel<br />
an Bildung, mit kulturellen und gesundheitlichen<br />
Beschränkungen und mit Benachteiligungen<br />
im sozialen Wohnumfeld oder bei der<br />
Freizeitgestaltung, dies ist mehr als gewiss<br />
und durch Dutzende von Untersuchungen<br />
seriös belegt. Aber – wenn Armut zwangsläufig<br />
zu Bildungs- oder Kulturferne der Armen<br />
führt und weitere Sozialisationsdefizite hervorruft<br />
– ist dann tatsächlich auch der Umkehrschluss<br />
zulässig, dass mit der Bekämpfung<br />
dieser Defizite gleichzeitig auch die Ursachen<br />
<strong>für</strong> Armut zu überwinden sind?<br />
Soviel steht fest: Eine fehlende Schul- oder<br />
Berufsausbildung verhindert häufig, dass<br />
<strong>Jugendliche</strong> oder junge Erwachsene zügig auf<br />
dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. Dennoch dürfte<br />
dies all die Heranwachsenden wenig ängstigen,<br />
die das Glück haben, Kinder vermögender<br />
Eltern zu sein. Ihnen bleibt nämlich die<br />
Sicherheit, dass ihr individueller Mangel an<br />
Bildung oder Qualifikation keineswegs ein<br />
unauslöschbarer Makel bleiben muss, vor<br />
allem aber haben sie die Gewissheit, dass ihre<br />
Bildungsdefizite gerade nicht automatisch<br />
zu einem Leben in Armut führen. Wer mithin<br />
die ›soziale Vererbung‹ von Armut politisch<br />
kritisiert, der sollte sich bei der Ursachenforschung<br />
nicht allein auf das Moment<br />
›Bildungsferne‹ konzentrieren. Deshalb nicht,<br />
weil dieses Argument nur zu oft auf eine<br />
Schuldzuweisung hinausläuft – und zwar<br />
immer dann, wenn die Gründe <strong>für</strong> ›Bildungsarmut‹<br />
bei den Betroffenen selber gesucht<br />
werden und im Gegenzug die Gesamtverantwortung<br />
von Staat und Wirtschaft <strong>für</strong> die<br />
Qualität des (Aus-)Bildungswesens gewollt<br />
oder ungewollt unter den Tisch fällt.<br />
7
8<br />
Einleitung<br />
Dass die ›soziale Vererbung‹ von Armut nicht<br />
durch mangelnde Bildung verursacht wird,<br />
sondern dass vielmehr die Bildungs- und<br />
Sozialisationsdefizite der verarmten Bevölkerung<br />
ein aufschlussreiches Indiz ihrer prekären<br />
materiellen Lage sind, ist an sich nicht schwer<br />
zu verstehen:<br />
›Zu fragen wäre nämlich, weshalb die<br />
Bedeutung des Geldes <strong>für</strong> die Teilhabe der<br />
Menschen am gesellschaftlichen Leben ausgerechnet<br />
zu einer Zeit gesunken sein soll, wo<br />
es in sämtlichen Lebensbereichen wichtiger<br />
als früher, aber auch ungleicher denn je verteilt<br />
ist. Je stärker Bildung, Freizeit und Kultur<br />
ökonomisiert, privatisiert beziehungsweise<br />
kommerzialisiert werden, umso mehr manifestiert<br />
sich (Kinder-)Armut in fehlender Chancengleichheit.<br />
Um durch Nachhilfeunterricht in<br />
der <strong>Schule</strong> mithalten und mit der ganzen<br />
Familie das Theater, den Zoo oder die Oper<br />
besuchen zu können, braucht man nun mal<br />
finanzielle Mittel. Geld ist weiß Gott nicht<br />
alles, aber ohne Geld sind die meisten kulturellen<br />
und Bildungsambitionen nicht viel wert!‹ 1<br />
Mit anderen Worten – wenn die tiefer<br />
werdende soziale und materielle Spaltung der<br />
Gesellschaft mit ihren inzwischen auch in<br />
Deutschland bekannten Armenspeisungen auf<br />
der einen Seite und den abgeschotteten<br />
Reichenghettos auf der anderen Seite aufgehalten<br />
oder gar rückgängig gemacht werden<br />
soll, dann sind da<strong>für</strong> massive finanzielle<br />
Investitionen erforderlich:<br />
Investitionen in den Umbau eines allgemeinbildenden<br />
Schulsystems, das bis dato –<br />
und im Widerspruch zu den vorliegenden<br />
PISA-Resultaten – die soziale Selektion der<br />
jungen Generation weiter vorantreibt durch<br />
eine hierarchische Gliederung, in der die<br />
privilegierten Gymnasien weiterhin dem<br />
Nachwuchs der ›Besserverdienenden‹<br />
vorbehalten bleiben.<br />
Investitionen in eine schlagkräftige Infrastruktur<br />
<strong>für</strong> lebenslanges Lernen, die als<br />
quartärer Sektor nicht nur borniert die<br />
willkürlich entstehenden, kurzfristigen, technologieninduzierten<br />
Qualifikationsbedarfe<br />
der Unternehmen abdeckt, sondern die<br />
den Bildungsadressaten und -adressatinnen<br />
Möglichkeiten verschafft, individuelle Bildungsinteressen<br />
zu verfolgen und sich auf<br />
wechselnde gesellschaftliche und berufliche<br />
Herausforderungen systematisch neu<br />
einzustellen.<br />
<strong>Die</strong> ›Mythologisierung‹ der Bildung und ihre<br />
Stilisierung zu einem universellen Heilmittel <strong>für</strong><br />
nahezu alle gesellschaftlichen Probleme, die<br />
aus der Armut resultieren können, wird zu<br />
nichts Greifbarem führen. Damit eine bessere<br />
Bildungsarbeit Wirkungen erzielen kann, muss<br />
parallel zu ihr politisch mehr soziale Gleichheit,<br />
vor allem aber mehr Verteilungsgerechtigkeit<br />
herbeigeführt werden. <strong>Die</strong>s ist ohne<br />
massiven Mitteleinsatz und eine entsprechende<br />
politische Zielfassung nicht denkbar:<br />
›Ohne entsprechende materielle Ressourcen<br />
steht etwa die Chance <strong>für</strong> Erwerbslose,<br />
an Fortbildungskursen teilzunehmen und ihre<br />
persönlichen Arbeitsmarktchancen zu verbessern,<br />
nur auf dem Papier. Es ist pure Heuchlerei,<br />
den Armen Bildet Euch! zu predigen,<br />
im Regelsatz <strong>für</strong> Hartz-IV-Empfänger/innen<br />
da<strong>für</strong> jedoch keinen Cent vorzusehen. Kinder<br />
unter 14 Jahren erhalten 1,79 Euro im Monat<br />
<strong>für</strong> Schulmaterialien und 2,72 Euro pro Tag<br />
<strong>für</strong> Nahrung. Wer seinen Bildungshunger<br />
stillen will, muss indes zunächst einmal satt<br />
zu essen haben.‹ 2<br />
1 Butterwegge, Christoph u.a. (2008):<br />
Kinderarmut in Ost- und Westdeutschland.<br />
2 Butterwegge, Christoph u.a. (2008): a.a.O.
<strong>Die</strong> duale Ausbildung – hoch gelobt<br />
und seit Jahren in der Krise<br />
Was <strong>für</strong> das Verhältnis von ›Bildung und<br />
Armut‹ im Allgemeinen gilt, das gilt in besonderem<br />
Maße <strong>für</strong> den Ausbildungsektor. <strong>Die</strong><br />
Berufsausbildung in der Bundesrepublik soll –<br />
einerseits – die Qualifikationsnachfrage von<br />
Wirtschaft und Staat befriedigen, damit ein<br />
effektives und effizientes Wirtschaften und<br />
Verwalten in einer globalisierten Ökonomie<br />
möglich wird. Andererseits soll sie die heranwachsende<br />
Generation zu diesem Zweck mit<br />
Qualifikationen ausstatten, die es ihr ermöglicht,<br />
eine auch subjektiv als angemessen<br />
empfundene Stellung in der Hierarchie gesellschaftlicher<br />
Berufe einzunehmen. Der Erfolg<br />
dieser Operation besteht mithin darin, sich<br />
aufgrund der erworbenen Qualifikation in der<br />
Konkurrenz um Arbeitsplätze behaupten zu<br />
können. In diesem Sinne ist die Ausbildung<br />
eine Voraussetzung <strong>für</strong> die Übernahme einer<br />
Berufsrolle, die Einkommen garantiert und<br />
Schutz vor materiellem und sozialem Abstieg<br />
gewährt.<br />
Das bundesdeutsche duale Ausbildungssystem<br />
mit seinen Lernorten <strong>Schule</strong> und<br />
Betrieb gilt vielen Experten und Expertinnen<br />
immer noch als das richtungsweisende Muster<br />
<strong>für</strong> die bestmögliche Heranführung der jungen<br />
Generation an die Anforderungen moderner<br />
Erwerbsarbeit. Besonders die Rolle des Lernortes<br />
›Betrieb‹ gegenüber der <strong>Schule</strong> firmiert<br />
im internationalen Vergleich als herausragende<br />
Stärke des deutschen Systems. Belegt wird<br />
diese Stärke vor allem mit der hohen Übergangsquote<br />
junger Menschen aus dem Ausbildungssystem<br />
in den regulären Arbeitsmarkt<br />
sowie mit dem zentralen Beitrag der Qualifikation<br />
der Beschäftigten zum enormen<br />
rfolg der deutschen Exportwirtschaft in den<br />
vergangenen 30 Jahren. Allerdings muss der<br />
Ehrlichkeit halber angefügt werden: Es gibt im<br />
Ausbildungssektor keinen den PISA-Studien<br />
auch nur annähernd ähnlichen internationalen<br />
Qualitätsvergleich, der die behauptete Überlegenheit<br />
des dualen Systems wissenschaftlich<br />
erhärten könnte.<br />
Immerhin bleibt festzuhalten, dass die duale<br />
Ausbildung idealtypisch die Nachfrage von<br />
Wirtschaft und Staat nach Qualifikationen mit<br />
den individuellen Bedürfnissen der Qualifizierten<br />
nach einer auskömmlichen Erwerbstätigkeit<br />
in Einklang bringen will. In diesem Sinne<br />
ist es daher sicher berechtigt davon zu<br />
sprechen, dass die berufliche Qualifizierung<br />
nach wie vor eine Schlüsselstellung beim<br />
Übergang der nachwachsenden Generationen<br />
in die Arbeitswelt einnimmt und durch diese<br />
Funktion – quasi gratis – einen entscheidenden<br />
Beitrag zur präventiven Bekämpfung<br />
von Armut und sozialem Abstieg leistet.<br />
Aus diesem Grund ist der Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen die seit einigen Jahren<br />
unübersehbare Krise der dualen Ausbildung<br />
Anlass, sie im diesjährigen Armutsbericht zum<br />
Thema zu machen. Dabei rücken – wie eingangs<br />
bereits angedeutet – die sogenannten<br />
›Übergangsprogramme‹ in das Zentrum<br />
unserer Analyse. Sie sind samt und sonders<br />
als Reaktionen auf eine Situation entstanden,<br />
die einen bislang unlösbaren Widerspruch<br />
markiert:<br />
Im vergangenen Jahrzehnt hat die Nachfrage<br />
nach Ausbildungsplätzen deutlich zugenommen;<br />
gleichzeitig nahm das Angebot an Ausbildungsplätzen<br />
ab. Das Ergebnis: 2006 fanden<br />
in Deutschland nur noch 43 Prozent aller<br />
Anwärter/innen auf einen Ausbildungsplatz<br />
den Weg in das duale Ausbildungssystem.<br />
Etwa 40 Prozent der Neuzugänge der beruflichen<br />
Bildung landeten im ›Übergangssystem‹:<br />
9
10<br />
Einleitung<br />
›<strong>Die</strong>s betrifft etwa 84 Prozent der Schulabsolventen<br />
ohne und etwa 52 Prozent der Absolventen<br />
mit Hauptabschluss. Bezogen auf die<br />
aktuellen Absolventenzahlen bedeutet dies,<br />
dass derzeit knapp 200.000 <strong>Jugendliche</strong> aus<br />
dem Kreis der Schulabsolventen eines Entlassjahrgangs<br />
in das Übergangssystem wechseln.<br />
Bei der derzeitigen Jahrgangsstärke der<br />
Sechzehnjährigen von etwa 970.000 ist dies<br />
ungefähr ein Fünftel (21 Prozent) eines Altersjahrgangs,<br />
das nach der <strong>Schule</strong> auf dem direkten<br />
Weg in dieses Übergangssystem wechselt.<br />
Das Übergangssystem zwischen schulischer<br />
und beruflicher Ausbildung ist in seinem<br />
Umfang <strong>für</strong> zu viele Betroffene zur Warteschleife<br />
geworden.‹ 3<br />
Das Übergangssystem –<br />
Übergänge ins Ungewisse<br />
Leider führt das Übergangssystem seinen<br />
bildungspolitischen Anspruch nur im Titel:<br />
Einen Übergang in eine reguläre Berufsausbildung<br />
bietet es nicht einmal 40 Prozent seiner<br />
Teilnehmer/innen. Für fast zwei Drittel seiner<br />
Absolventen und Absolventinnen eröffnen die<br />
Maßnahmen wenig berufliche Perspektiven,<br />
stattdessen aber hohe Risiken auf dem<br />
regulären Arbeitsmarkt. Objektiv führen sie<br />
zu einer tief greifenden Verunsicherung einer<br />
ganzen Generation von Nachfragern und Nachfragerinnen<br />
nach Ausbildung, der zu allem<br />
Überfluss trotz jahrelanger ›Maßnahmekarrieren‹<br />
das Herausfallen aus regulärer Erwerbstätigkeit<br />
und einem materiell gesicherten<br />
Leben droht. Angesichts dieser Resultate ist<br />
es fast ›makaber‹ zu nennen, wenn ein derart<br />
ineffektives System mit jährlich rund 8 Milliarden<br />
Euro unterhalten werden muss!<br />
Es ist und bleibt deshalb besorgniserregend,<br />
dass das Übergangssystem allein aus<br />
dem bloßen Umstand resultiert, dass nicht<br />
einmal mehr ein Fünftel der Ausbildungsanfänger/innen<br />
ohne und nur noch zwei Fünftel<br />
mit Hauptschulabschluss den Weg ins duale<br />
System finden. Selbst die Realschulabsolventen<br />
und -absolventinnen landen zu mehr als<br />
einem Viertel vorerst in diesem Bereich. Ganz<br />
dramatisch ist die Situation ausländischer<br />
<strong>Jugendliche</strong>r. Sie stellen einen enormen Anteil<br />
an Teilnehmern und Teilnehmerinnen im Über-<br />
gangssystem. <strong>Die</strong> einstige Stärke der dualen<br />
Ausbildung, gerade durch die Verbindung von<br />
praktischen und theoretischen Elementen bildungsschwächere<br />
<strong>Jugendliche</strong>, aber durchaus<br />
auch normale Hauptschulabgänger/innen zu<br />
integrieren, greift also immer weniger. Damit<br />
aber nicht genug: Der Rückgang der Ausbildungsplätze<br />
geht vonseiten der Ausbildungsbetriebe<br />
mit immer höheren Ansprüchen an<br />
die Formalqualifikation der <strong>Jugendliche</strong>n einher.<br />
Mittlerweile haben die ausbildenden Unternehmen<br />
durch ihre Rekrutierungsstrategien<br />
das verlangte Durchschnittsniveau ihrer Auszubildenden<br />
auf Realschulabschluss angehoben.<br />
<strong>Die</strong>se Entwicklung wurde und wird vonseiten<br />
der Unternehmen mit einer Reihe von<br />
Schuldzuweisungen ›garniert‹: <strong>Die</strong> Veränderung<br />
in den Rekrutierungsstrategien hat aus<br />
Sicht der Wirtschaft nichts mit den Verwerfungen<br />
zwischen Angebot und Nachfrage bei<br />
den Ausbildungsplätzen zu tun, sondern einzig<br />
und allein mit den gravierenden Bildungsdefiziten<br />
der Ausbildungsplatzsuchenden. Folgt<br />
man den Aussagen der Ausbildungsunternehmen<br />
und der prüfenden Kammern oder hält<br />
man sich gar an die inzwischen grassierenden,<br />
einschlägigen ›Soaps‹ zum Thema, dann<br />
muss man den Eindruck gewinnen, dass<br />
einem ausbildenden Unternehmen heute kaum<br />
noch ein <strong>Jugendliche</strong>r mit einem normalen<br />
Hauptschulabschluss zuzumuten ist.<br />
Eine interessante, streitbare Gegenposition<br />
formuliert in dem nachfolgend zitierten Beitrag<br />
die Mutter eines Hauptschülers, die sich<br />
gegenüber dem Weser-Kurier zu der von<br />
Prof. Dr. Ch. Pfeiffer erhobenen Forderung<br />
nach flächendeckender Einführung von Ganztagsschulen<br />
äußert:<br />
3 Catenhusen, Wolf-Michael (2007): <strong>Die</strong> Zukunftsfähigkeit des<br />
deutschen Bildungssystems sichern. Politische Stellungnahme im<br />
Namen des Netzwerk Bildung vom 26. Januar 2007.
›... Nachdem in den Medien der Eindruck<br />
erweckt wurde, Hauptschüler könnten<br />
weder rechnen, lesen noch schreiben,<br />
wissen wir dank ihrer Zeitung und Herrn<br />
Pfeiffer, dass Hauptschüler auch noch<br />
kriminell sind.<br />
Als Mutter eines solchen Hauptschülers<br />
wehre ich mich entschieden dagegen, diese<br />
<strong>Jugendliche</strong>n so pauschal abzuurteilen. <strong>Die</strong><br />
soziale Ächtung, die Menschen und ihren<br />
Familien bei diesem Bildungslevel begegnet,<br />
ist fundamental und präjudizierend.<br />
Unser Problem sind nicht die <strong>Jugendliche</strong>n,<br />
sondern unsere Gesellschaft, die einen<br />
geringeren Bildungshorizont als nicht wieder<br />
gutzumachenden Makel betrachtet.<br />
<strong>Die</strong> Quote von <strong>Jugendliche</strong>n mit Hauptschulabschluss,<br />
die erhebliche Schwierigkeiten<br />
mit den Grundfertigkeiten haben, liegt bei<br />
10 bis 15 Prozent. Aber was kümmern uns<br />
die restlichen 85 bis 90 Prozent, die all<br />
dies in einem Normalmaß beherrschen.<br />
Ich möchte gern mit manchem, der die<br />
Qualifikationen dieser <strong>Jugendliche</strong>n<br />
schlechtredet, einen Deutsch- oder Mathetest<br />
auf dem heutigen Level machen.<br />
Unser Problem sind nicht die <strong>Jugendliche</strong>n,<br />
die laut den Medienberichten nicht mal<br />
genügend Qualifikationen <strong>für</strong> eine Lehre im<br />
Gastronomiebereich oder im Einzelhandel<br />
mitbringen, sondern die völlig überzogenen<br />
Vorstellungen der Wirtschaft. Wohlgemerkt<br />
– es geht um die Ausbildung <strong>für</strong> Arbeitsstellen,<br />
die im Betriebsalltag von ungelernten<br />
400-Euro-Kräften ausgeübt werden.<br />
In den Tagen zur Berufsorientierung können<br />
sie zuhauf in die entsetzten Gesichter<br />
unserer Realschüler schauen, die sich zu<br />
Recht fragen, wozu sie Englisch, Französisch,<br />
Physik und Biologie et cetera gelernt<br />
haben, um dann als Zimmermädchen<br />
Betten zu beziehen oder als Koch Möhren<br />
<strong>für</strong> den Salat zu putzen. <strong>Die</strong> Manie, jeden<br />
Beruf mit einer hochkomplexen Ausbildung<br />
zu versehen, die weit über dem tatsächlichen<br />
späteren Anforderungsprofil liegt,<br />
hat völlig unnötig zur Ausgrenzung vieler<br />
<strong>Jugendliche</strong>r geführt.<br />
<strong>Jugendliche</strong> und ihr Bildungspotenzial<br />
ändern sich nicht, indem der Name ihrer<br />
<strong>Schule</strong> von Haupt- in Realschule umgewandelt<br />
wird, unter Ausdehnung des herkömmlichen<br />
Unterrichts auf den gesamten Tag.‹ 4<br />
<strong>Die</strong>se Position mag von Zorn und Enttäuschung<br />
geprägt sein – eines bringt sie sehr<br />
präzise auf den Punkt: <strong>Die</strong> gebetsmühlenartig<br />
wiederholte Behauptung der Wirtschaft, dass<br />
eine große Anzahl der ausbildungsplatznachfragenden<br />
<strong>Jugendliche</strong>n trotz Schulabschluss<br />
so große Bildungsdefizite habe, dass ihre<br />
Ausbildung faktisch unmöglich sei, ist und<br />
bleibt eine bloße Behauptung. Ob sich tatsächlich<br />
das allgemeine Qualifikationsniveau der<br />
<strong>Jugendliche</strong>n drastisch verschlechtert hat<br />
oder ob nicht stattdessen die von der Wirtschaft<br />
selbst herbeigeführte Verknappung der<br />
Ausbildungsplätze – bei steigenden Bewerber/innenzahlen<br />
– von den Akteuren in den<br />
Unternehmen ausgenutzt wird, um die Selektion<br />
der <strong>Jugendliche</strong>n immer weiter zu verschärfen,<br />
ob dabei schließlich der nüchterne<br />
Blick auf das tatsächliche Anforderungsprofil<br />
einer Vielzahl moderner Berufe längst auf<br />
der Strecke geblieben ist – all dies steht aus<br />
Sicht der Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
weiterhin zur Klärung an.<br />
Jenseits aller Schuldzuweisungen bleibt<br />
jedoch grundsätzlich festzuhalten, dass die<br />
Krise der dualen Ausbildung einfach nicht wegdiskutiert<br />
werden kann. Ebenso dürfte auch<br />
feststehen, dass sich ›Übergangsmaßnahmen‹<br />
selbst in Frage stellen, die, ihrem Anspruch<br />
zum Trotz, einer erheblichen Anzahl von Teilnehmern<br />
und Teilnehmerinnen keinen Übergang<br />
in Ausbildung ermöglichen werden –<br />
besonders in Zeiten, in denen davon ausgegangen<br />
werden muss, dass der Fachkräftebedarf<br />
in den wichtigsten Industrie- und <strong>Die</strong>nstleistungsberufen<br />
schon in Kürze nicht mehr<br />
durch den Arbeitsmarkt zu decken sein wird.<br />
Soviel steht also immerhin fest: Das Paradoxon,<br />
dass die Akteure des Arbeits- und<br />
Ausbildungsstellenmarktes sich im Grundsatz<br />
immer noch darin einig sind, dass die duale<br />
4 Weser-Kurier, Juli 2008.<br />
11
12<br />
Einleitung<br />
Ausbildung Garant <strong>für</strong> die Güte des Standortfaktors<br />
›Qualifikation‹ ist, der Ausbildungsstellenmarkt<br />
aber nicht einmal mehr die Hälfte<br />
eines Nachwuchsjahrgangs aufnimmt, ist nicht<br />
dadurch aufzulösen, dass dem dualen System<br />
Übergangsmaßnahmen zugeordnet werden,<br />
die in ihrer Majorität eben keine Übergänge<br />
schaffen, sondern die sich mehr und mehr<br />
verselbstständigen und ein dubioses arbeitsmarktliches<br />
Eigenleben zu führen beginnen.<br />
Mit all diesen sperrigen, unbefriedigenden<br />
und zum Teil hoch widersprüchlichen Entwicklungen<br />
wollen wir uns nun im Folgenden intensiv<br />
auseinandersetzen, um Antworten auf die<br />
Frage zu finden, von welcher Qualität die<br />
Wege sind, die heute von der <strong>Schule</strong> in Ausbildung<br />
und später in den Beruf führen sollen,<br />
und wie hoch das Gefahrenpotenzial zu veranschlagen<br />
ist, dass zumindest einige dieser<br />
Wege zielstrebig in die Armut führen.<br />
Dr. Christiane Koch und Peer Rosenthal<br />
von der Arbeitnehmerkammer Bremen, zuständig<br />
<strong>für</strong> die Arbeitsbereiche Arbeitsmarkt-<br />
und Ausbildungspolitik, stellen einleitend dar,<br />
was <strong>für</strong> eine herausragende Bedeutung<br />
Berufsabschlüsse <strong>für</strong> die Stellung auf dem<br />
Arbeitsmarkt haben. Darüber hinaus setzen<br />
sie sich dezidiert mit der quantitativen und<br />
qualitativen Entwicklung des Ausbildungssystems<br />
im Lande Bremen auseinander und<br />
gehen der Frage nach, wie sich Übergangsprozesse<br />
<strong>für</strong> bestimmte Gruppen von <strong>Jugendliche</strong>n<br />
im Marktprozess gestalten.<br />
Prof. Dr. Michael Galuske von der Universität<br />
Kassel, am dortigen Institut <strong>für</strong> Sozialpädagogik<br />
und Soziologie der Lebensalter<br />
zuständig <strong>für</strong> das Fachgebiet Sozialpädagogik,<br />
setzt sich mit der ›Pädagogik der Hartz-<br />
Gesetze‹ auseinander. Er erklärt zunächst in<br />
knapper Form die neue Philosophie des<br />
aktivierenden Sozialstaats, um dann, im Kern<br />
seiner Analyse, die Frage zu beantworten,<br />
welches pädagogische Programm eben dieser<br />
aktivierende Sozialstaat insbesondere im<br />
Hinblick auf die <strong>Jugendliche</strong>n entfaltet, die<br />
den steigenden Anforderungen der Ökonomie<br />
immer hilfloser gegenüberstehen.<br />
Wie sich die weiteren Berufsverläufe von<br />
<strong>Jugendliche</strong>n darstellen, die nach der <strong>Schule</strong><br />
in das Übergangssystem wechseln, beschreiben<br />
Dr. Christiane Koch und Peer Rosenthal in<br />
ihrem zweiten Beitrag. Sie stellen das Übergangssystem<br />
und die Teilnehmerstruktur im<br />
Land Bremen dar, verdeutlichen an einem<br />
Maßnahmebeispiel problematische steuerungspolitische<br />
Fragen und konstatieren am Ende<br />
einen massiven politischen Handlungsbedarf<br />
vor dem Hintergrund, dass ein Fünftel der<br />
<strong>Jugendliche</strong>n mit maximal mittlerem Schulabschluss<br />
langwierige beziehungsweise keine<br />
gelungenen Übergänge in Ausbildung aufweisen.<br />
Abschließend stellen sie zentrale Forderungen<br />
aus Sicht der Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen zusammen.<br />
Ralf Lorenzen, freier Journalist und Mitautor<br />
der Veranstaltungsreihe ›Das rote Fenster‹<br />
in der Arbeitnehmerkammer Bremen, setzt<br />
sich in seinem Beitrag mit dem Überleben in<br />
der Warteschleife auseinander. Er zeichnet die<br />
Lebensgeschichte von vier <strong>Jugendliche</strong>n nach,<br />
deren individuelle Bürden und Blockaden sie<br />
zunächst zu ›Objekten‹ des pädagogischen<br />
Fallmanagements machten und die sich<br />
dennoch, gegen alle äußeren Widerstände,<br />
soviel Stärke und Zielstrebigkeit erhalten<br />
haben, dass ihnen ihr Weg durch das Ausbildungs-<br />
und Übergangssystem nicht aus dem<br />
Blick geriet.<br />
Wie in jedem Jahr beschließt Paul M.<br />
Schröder, Leiter des Bremer Instituts <strong>für</strong><br />
Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe,<br />
mit seinem Beitrag unseren Armutsbericht.<br />
Er bereitet Zahlen, Daten und Fakten zur<br />
Armutsentwicklung im Bundesland Bremen auf<br />
und liefert damit das sachliche Gerüst <strong>für</strong><br />
unsere Berichterstattung.<br />
Wir haben das berufliche Übergangssystem im<br />
Lande Bremen in diesem Armutsbericht in den<br />
Mittelpunkt unserer Betrachtungen gestellt,<br />
weil es die Chancen auf eine Berufsausbildung<br />
<strong>für</strong> seine Teilnehmer/innen verbessern<br />
kann – zumindest im Verhältnis zu den jungen<br />
Erwachsenen, die nicht an ihm teilnehmen.<br />
Allerdings – es ist nicht zu übersehen, dass<br />
dieses System auch auf Hilf- und Ratlosigkeit
eruht, auf einer bildungs- und ordnungspolitisch<br />
schwachen Reaktion des Bundes und<br />
der Länder gegenüber der Ausbildungsunwilligkeit<br />
der Wirtschaft und auf Ineffektivität und<br />
mangelhafter Effizienz:<br />
Wenn <strong>für</strong> ein Fünftel der <strong>Jugendliche</strong>n mit<br />
maximal mittlerem Schulabschluss das Übergangssystem<br />
zu einer Warteschleife wird und<br />
sie ausbildungslos in Jobs einmünden, deren<br />
Löhne und Gehälter nicht ›armutsfest‹ sind,<br />
dann bereitet das System zumindest <strong>für</strong> diese<br />
Zielgruppen keine Ausbildungs-, sondern<br />
Hartz-IV-Karrieren vor. Weder das eine, noch<br />
das andere kann Sinn eines Programms sein,<br />
dass es mit den Interessen der heranwachsenden<br />
Generation an (Aus-)Bildung und mit dem<br />
Angewiesensein der Wirtschaft, des Staates<br />
und der semistaatlichen Einrichtungen auf<br />
gute Qualifikationen wirklich ernst meint.<br />
Vor diesem Hintergrund stehen Bund und<br />
Länder aus Sicht der Arbeitnehmerkammer<br />
vor enormen Herausforderungen, wenn das<br />
Kanzlerinnen-Wort von der ›Bildungsrepublik<br />
Deutschland‹ Realität werden soll.<br />
Unverzichtbar wären dann:<br />
Investitionen in den Umbau eines allgemeinbildenden<br />
Schulsystems, das die soziale<br />
Selektion der jungen Generation vermindert<br />
und den Anteil der <strong>Jugendliche</strong>n ohne<br />
Schulabschluss weiter reduziert.<br />
<strong>Die</strong> Generierung von mehr Ausbildungsplätzen<br />
im dualen System, insbesondere auch<br />
<strong>für</strong> leistungsschwächere Absolventen, unter<br />
anderem über eine Ausbildungsplatzumlage<br />
und die Förderung von Verbundausbildungen,<br />
um die Ausbildungsbetriebsquote<br />
zu erhöhen.<br />
Verstärkte Ausrichtung des Schulberufssystems<br />
auf <strong>Jugendliche</strong> mit niedrigeren<br />
Schulabschlüssen mit dem Ziel, sie bestmöglich<br />
zu fördern und zügig in vollqualifizierende<br />
Ausbildungen zu integrieren.<br />
Verbesserung der Koordination, Steuerung<br />
und Strukturierung des weitverzweigten<br />
Übergangssystems, mit der Zielsetzung,<br />
dass erbrachte Leistungen der <strong>Jugendliche</strong>n<br />
– wo immer möglich – durch Qualifizierungsbausteine<br />
auf die Ausbildungszeit<br />
anerkannt werden.<br />
Erhebliche Verstärkung aller Anstrengungen<br />
zur Nachqualifizierung von ungelernten<br />
jungen Erwachsenen, bei gleichzeitiger Einbeziehung<br />
der ausbildenden Betriebe in<br />
eine Strategie, die auch An- und Ungelernte<br />
beim Nachholen von Berufsabschlüssen<br />
effektiv begleitet.<br />
Kein Zweifel, dies sind Mindestanforderungen,<br />
die aus Sicht der Arbeitnehmer/innen und<br />
ihrer Kinder vom Ausbildungssystem zu<br />
gewährleisten sind. Nur wenn an diesen<br />
Schnittstellen des Systems Verlässlichkeit einkehrt,<br />
dann wird der heute vielfach zu beobachtende<br />
›Wettbewerb um Unzuständigkeit<br />
und Unverbindlichkeit‹ endlich überwunden<br />
sein.<br />
13
14<br />
Ausbildung
Christiane Koch, Peer Rosenthal ❘ Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
2 Ausbildung – der Markt lässt<br />
viele Wünsche offen<br />
2.1 Von der <strong>Schule</strong> in den Beruf:<br />
viele Wege – alle zum Ziel?<br />
Ausbildung in einer Marktwirtschaft hat <strong>für</strong><br />
die beteiligten Akteure zwei Funktionen – die<br />
durchaus nicht deckungsgleich sind:<br />
a) Sie versorgt die private Wettbewerbswirtschaft<br />
ebenso wie staatliche Einrichtungen<br />
mit aktueller Qualifikation und gewährleistet<br />
damit effektives Wirtschaften und Verwalten<br />
in der globalisierten Wirtschaft.<br />
b) Sie versorgt die heranwachsenden<br />
Individuen dieser Gesellschaft mit Qualifikation,<br />
mit deren Hilfe sich diese im<br />
Beschäftigungssystem platzieren sollen.<br />
<strong>Die</strong> Versorgung beider Seiten – der Arbeitgeber<br />
wie der Arbeitnehmer/innen – mit der<br />
aktuell notwendigen (beruflichen) Bildung wird<br />
auf dem Ausbildungsmarkt abgewickelt, das<br />
heißt: Angebot und Nachfrage an Qualifikation<br />
treffen aufeinander, beäugen sich sozusagen<br />
wechselseitig, wobei je nach Konjunktur und<br />
demografischer Lage sowie Qualifikationsbedarf<br />
und -angebot mal die eine, mal die andere<br />
Seite ihre Bedarfe realisieren kann – oder<br />
eben auch nicht. Häufiger in diesem Spiel hat<br />
die Beschäftigtenseite das Nachsehen und findet<br />
keinen Platz in der Arbeitsgesellschaft,<br />
dann herrscht ›Ausbildungsplatzmangel‹; seltener<br />
kommt es vor, dass die Arbeitgeberseite<br />
wegen ihres großen Arbeitshungers nicht ausreichend<br />
mit dem erforderlichen Nachwuchs<br />
versorgt werden kann, dann herrscht ›Fachkräftemangel‹.<br />
Oft befinden sich aber auch<br />
noch ausreichend viele junge Leute auf Ausbildungsplatzsuche,<br />
ohne dass die Unternehmen<br />
ihren Azubi-Bedarf mit ihnen zu decken gedenken.<br />
Sie attestieren den Bewerbern und<br />
Bewerberinnen ›mangelnde Ausbildungsreife‹ 1<br />
und lassen Ausbildungsplätze unbesetzt. Wie<br />
sind solche widersprüchlichen Phänomene zu<br />
erklären und vor allem: Welche Konsequenzen<br />
hat dies <strong>für</strong> die Seite der ›abhängigen<br />
Variablen‹, <strong>für</strong> die <strong>Jugendliche</strong>n auf der Suche<br />
nach einer dauerhaften Beschäftigungsperspektive?<br />
<strong>Die</strong> Zugänge zum Arbeitssystem finden in<br />
einem Ausleseprozess statt. <strong>Die</strong>se Selektion –<br />
das heißt das Zulassen oder Verweigern von<br />
Positionen – erfolgt in Deutschland wesentlich<br />
über Bildungsabschlüsse. Bei aller kritischen<br />
Diskussion wird das Prinzip der Sortierung in<br />
unterschiedliche schulische (wie nachschulische)<br />
Bildungsgänge dauerhaft beibehalten.<br />
<strong>Die</strong> Höhe des Bildungsabschlusses entscheidet<br />
über die individuelle Berufsbiografie.<br />
Wer Zutritt zu den höheren Bildungsgängen<br />
erhält, kann sich im Beschäftigungssystem<br />
platzieren, wer nicht, hat es schwer, einen<br />
Weg in eine autonome ökonomische Existenz<br />
zu finden. Sie oder er bleibt im Sozialsystem<br />
hängen, bleibt auf staatliche Transferleistungen<br />
angewiesen und wird doch gleichzeitig<br />
zeit seines Lebens dazu ›aufgefordert‹,<br />
diesem circulus vitiosus eigenständig – ›aktiv‹<br />
– zu entfliehen. 2<br />
An diesem Ausgrenzungssystem ändert<br />
auch die derzeitig geplante Zusammenlegung<br />
von Haupt- und Realschule nichts; sie verschiebt<br />
nur die Grenzziehung, verändert aber<br />
nicht die Tatsache, dass die untere Schulstufe<br />
eben die ›Restschule‹ bleibt, deren Absolventen<br />
und Absolventinnen wenig Perspektive<br />
auf dem Ausbildungsmarkt haben.<br />
Der Zutritt ins Arbeitssystem erfolgt in zwei<br />
Schritten, die durch sogenannte biografische<br />
›Schwellen‹ markiert sind:<br />
die erste Schwelle: von der <strong>Schule</strong><br />
in eine Ausbildung;<br />
die zweite Schwelle: von der Ausbildung<br />
in eine Beschäftigung.<br />
1 Vgl. hierzu ausführlicher Abschnitt vier.<br />
2 Zur Aktivierungspolitik der Hartz-Gesetzgebung vergleiche<br />
Abschnitt drei und den Beitrag von Michael Galuske in diesem<br />
Bericht.<br />
15
16<br />
Ausbildung<br />
Abbildung 1:<br />
Pfade der beruflichen Bildung in Deutschland<br />
*Bundesländerspezifische Besonderheiten sind nicht berücksichtigt<br />
Quelle: Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus (2007):<br />
Berufsbildung im Umbruch, Signale eines überfälligen Aufbruchs, S. 15.
Der Mechanismus von Versorgung der Arbeitsgesellschaft<br />
mit Qualifikation auf der einen bei<br />
gleichzeitiger Verweigerung individueller Einstiegschancen<br />
auf der anderen Seite wirkt in<br />
Deutschland im schulischen wie im Berufsausbildungssystem.<br />
Beide Schwellen müssen <strong>für</strong><br />
einen erfolgreichen Einstieg ins Arbeitsleben<br />
überschritten werden, wobei die Höhe der Hürden<br />
sich historisch und insbesondere in den<br />
letzten Jahren, erheblich verändert hat, hat<br />
sich doch dieses Berufsbildungssystem in den<br />
letzten zwei Jahrzehnten elementar gewandelt.<br />
Ohne Ausbildung sind die Aussichten<br />
auf langfristige Beschäftigung gering<br />
Deutschland hat ein Berufsbildungssystem,<br />
das heißt, es wird davon ausgegangen, dass<br />
jeder junge Mensch nach Beendigung der<br />
Schulpflicht eine berufliche Qualifizierung<br />
absolviert. Hier unterscheidet man, abgesehen<br />
vom Hochschulbereich, der uns in diesem<br />
Kontext nur marginal interessiert, drei Pfade<br />
beruflicher Bildung:<br />
das duale Ausbildungssystem im Betrieb<br />
das Schulberufssystem,<br />
das Übergangssystem.<br />
Dass Berufsbildung in Deutschland systematisiert<br />
ist, heißt sogleich, dass, wer sich dort<br />
nicht getummelt hat, auch keine Eintrittskarte<br />
ins Berufsleben erworben hat, nicht mitspielen<br />
beziehungsweise allenfalls als Reserve auf<br />
der Bank sitzen darf und auf gelegentliche<br />
Einwechslungen warten kann. Wer also keinen<br />
beruflichen Abschluss erworben hat, dessen<br />
Chancen auf eine dauerhafte Beschäftigung<br />
nehmen deutlich ab.<br />
<strong>Die</strong> Arbeitslosenquote von Personen ohne<br />
anerkannte berufliche Qualifikation liegt<br />
bei etwa einem Viertel und ist damit fast<br />
dreimal so hoch wie bei Personen mit<br />
abgeschlossener Ausbildung und mehr als<br />
sechsmal so hoch wie bei Akademiker/innen.<br />
Gelingt trotz fehlender Ausbildung die Integration<br />
in den Arbeitsmarkt, sind die Beschäftigungsverhältnisse<br />
zumeist prekär. 20 bis gut<br />
40 Prozent aller ungelernten Erwerbstätigen<br />
Abbildung 2: Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten<br />
in Deutschland 2005<br />
11,8%<br />
26,0%<br />
insgesamt ohne Berufsabschluss<br />
9,7%<br />
Lehre/<br />
Fachschule<br />
4,1%<br />
Hoch-/<br />
Fachhochschule<br />
Quelle: Reinberg, Alexander/Hummel, Markus (2007): Schwierige Fortschreibung:<br />
Der Trend bleibt – Geringqualifizierte sind häufiger arbeitslos, IAB-Kurzbericht 18/2007, S. 1.<br />
sind nur noch geringfügig beschäftigt (Mini-<br />
Jobs) und auch im expandierenden Niedriglohnsektor<br />
bei Vollzeitbeschäftigung sind<br />
Arbeitnehmer/innen ohne Ausbildung überproportional<br />
vertreten. 3 Da zudem die Aufwärtsmobilität<br />
in den letzten Jahren gesunken ist,<br />
das heißt immer weniger Arbeitnehmern und<br />
Arbeitnehmerinnen auch über einen längeren<br />
Zeitraum der finanzielle Aufstieg gelingt, 4<br />
ergibt sich daraus insbesondere <strong>für</strong> Un- und<br />
Angelernte eine kritische Perspektive.<br />
3 Vgl. Reinberg, Alexander/Hummel, Markus (2005): Vertrauter<br />
Befund: Höhere Bildung schützt auch in der Krise vor Arbeitslosigkeit,<br />
IAB-Kurzbericht 9/2005, S. 3.<br />
4 Nur jeder achte vollzeitbeschäftigte Niedriglöhner schafft innerhalb<br />
von sechs Jahren den Sprung über die Niedriglohnschwelle.<br />
Vgl. Schank, Thorsten/Schnabel, Claus/Stephani, Jens/Bender,<br />
Stephan (2008): Niedriglohnbeschäftigung: Sackgasse oder<br />
Chance zum Aufstieg?, IAB-Kurzbericht 8/2008. Ende der<br />
1980er Jahre gelang es in Westdeutschland noch fast jedem<br />
fünften vollzeitbeschäftigten Niedriglohnbeziehenden, bereits im<br />
Folgejahr einen besser bezahlten Job zu finden, heute nur noch<br />
jedem achten. Vgl. Institut <strong>für</strong> Arbeit und Qualifikation (2008):<br />
Einmal Niedriglohn, immer Niedriglohn, Pressemitteilung vom<br />
04. März 2008.<br />
17
18<br />
Ausbildung<br />
<strong>Die</strong> Höhe des Schulabschlusses<br />
entscheidet über Berufszugänge<br />
Für jede der beiden Schwellen gibt es eine<br />
Minimalvoraussetzung, eine Eintrittskarte, die<br />
darüber bestimmt, in welcher Klasse man mitspielen<br />
darf. Eine abgeschlossene Ausbildung<br />
bildet, wie gesagt, die Basis <strong>für</strong> den Eintritt in<br />
ein langfristiges, leidlich kalkulierbares Berufsleben.<br />
<strong>Die</strong> Grundvoraussetzung <strong>für</strong> den Eintritt<br />
in ein Ausbildungsverhältnis, also <strong>für</strong> das<br />
Überspringen der ersten Schwelle, ist ein<br />
Schulabschluss 5 , gleichgültig ob es um duale<br />
oder Fachschul-Ausbildung oder um ein Studium<br />
geht. Wer einen solchen nicht erlangt hat,<br />
hat heutzutage kaum eine Chance auf einen<br />
regulären Berufsabschluss im Rahmen<br />
der marktwirtschaftlichen Bildungsangebote.<br />
Knapp unter 10 Prozent eines <strong>Schule</strong>ntlassjahrganges<br />
bleiben seit Jahrzehnten<br />
konstant ohne Schulabschluss.<br />
Der Schulabschluss bestimmt zudem darüber,<br />
welche Tore sich öffnen. Hierbei hat es mit<br />
Zunahme der Zahl der Schulabgänger/innen<br />
und Abnahme der Anzahl der Ausbildungsplätze<br />
die größten Veränderungen im Laufe<br />
der letzten zwei Jahrzehnte gegeben:<br />
Bis in die 1980er Jahre hinein standen<br />
Hauptschulabsolventen und -absolventinnen<br />
die gewerblich-technischen Berufe aus Industrie<br />
und Handwerk offen. Je nach Berufsfeld<br />
und konjunktureller Nachfrage hatten hier<br />
sogar <strong>Jugendliche</strong> ohne Schulabschluss ihre<br />
Chancen.<br />
<strong>Die</strong>ser Qualifikationsbereich wurde<br />
hauptsächlich von männlichen Bewerbern<br />
besetzt; den jungen Frauen standen (wie übrigens<br />
heute auch) hier nur wenige Betätigungsfelder<br />
zur Verfügung.<br />
Schulabgänger/innen mit mittlerer Reife<br />
orientierten sich in die dualen <strong>Die</strong>nstleistungsbereiche,<br />
etwa Banken und Versicherungen<br />
sowie den öffentlichen <strong>Die</strong>nst und in fachschulische<br />
Ausbildungsgänge, insbesondere<br />
im sozialen, Pflege- und Erziehungsbereich.<br />
<strong>Die</strong> Mehrzahl der Schulabgänger/innen<br />
mit Abitur oder Fachhochschulreife wählte ein<br />
Studium, bisweilen auch schulische Ausbildungsgänge.<br />
Eine duale Ausbildung – meist im<br />
tertiären Sektor – entwickelte sich zur Studienalternative<br />
erst mit verschärften Zugangsbedingungen<br />
durch den Numerus clausus<br />
in den 1980er Jahren.<br />
<strong>Die</strong>se recht zuverlässige Verteilung der<br />
Absolventen und Absolventinnen des<br />
deutschen Schulsystems auf bestimmte Ausbildungssektoren<br />
hat sich gründlich geändert:<br />
Der Strukturwandel in der Wirtschaft führt zu<br />
einer zunehmenden Tertiarisierung und Akademisierung<br />
der Arbeitskräftenachfrage; es<br />
gibt immer weniger produzierende und immer<br />
mehr dienstleistungsorientierte Arbeitsplätze.<br />
Zudem stellt mit der technologischen und<br />
arbeitsorganisatorischen Umgestaltung der<br />
Unternehmen die Wirtschaft andere, gehobene<br />
Anforderungen an ihr Personal. Sie benötigt<br />
heutzutage mehr schlüsselqualifizierte Generalisten,<br />
die sich flexibel und rasch auf die stetigen<br />
Neuerungen des Arbeitsprozesses einstellen<br />
können. Daher werden deutlich weniger in<br />
der Betriebspraxis qualifizierte und mehr<br />
akademisch ausgebildete Beschäftigte rekrutiert.<br />
Tendenziell beschäftigt die Wirtschaft<br />
damit um einer potenziellen Flexibilität willen<br />
in vielen Bereichen deutlich über dem real<br />
erforderlichen Qualifikationsniveau. Sie grenzt<br />
damit geringer Qualifizierte aus und verbilligt<br />
zugleich Teile des akademischen Beschäftigtenpotenzials,<br />
das nunmehr auf dem Niveau<br />
der früheren Fachkräftearbeit agiert.<br />
<strong>Die</strong> strukturelle Konsequenz aus dieser Entwicklung<br />
ist, dass die Zahl der betrieblichen<br />
Ausbildungsplätze generell und speziell in den<br />
Bereichen <strong>für</strong> schulisch geringer Qualifizierte<br />
– im Handwerk und in der Industrieproduktion<br />
– deutlich abgenommen hat. <strong>Die</strong> Einstiegschancen<br />
<strong>für</strong> junge Leute ohne oder lediglich<br />
mit Hauptschulabschluss sind mit der Wirtschaftsumstrukturierung<br />
kontinuierlich gesunken.<br />
<strong>Die</strong> Chancenverteilung der Absolventen<br />
und Absolventinnen der drei Schultypen unterscheidet<br />
sich deutlich: 6<br />
5 Das ist ein Resultat der betrieblichen Rekrutierungspraxis, formell<br />
gibt es keine Zugangsvoraussetzung im dualen Ausbildungssystem.<br />
6 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): Bildung in<br />
Deutschland 2008. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer<br />
Analyse zu Übergängen im Anschluss an den Sekundarbereich I,<br />
S. 157.
Nur ein Fünftel der <strong>Jugendliche</strong>n ohne<br />
Schulabschluss erhält im Anschluss an den<br />
Schulbesuch einen Ausbildungsplatz im<br />
dualen System. Das Schulberufssystem<br />
bleibt ihnen praktisch ganz verschlossen.<br />
Über 80 Prozent müssen sich im Übergangssystem<br />
platzieren.<br />
Nur zwei Fünftel der Hauptschulabsolventen<br />
und -absolventinnen finden nach Schulabschluss<br />
einen Ausbildungsplatz und<br />
nur acht Prozent münden in schulische<br />
Ausbildung ein. <strong>Die</strong> Hälfte findet sich im<br />
Übergangssystem wieder.<br />
2000 15,8 %<br />
2004 15,2%<br />
2005 20,8%<br />
2000 0,3%<br />
2004 0,5%<br />
2005 0,5%<br />
2000 83,9%<br />
2004 84,3%<br />
ohne<br />
Hauptschulabschluss<br />
2005 78,7%<br />
2000 7,5%<br />
2004 8,0%<br />
mit<br />
Hauptschulabschluss<br />
Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />
Bildung in Deutschland 2008. Ein indikatorengestützter Bericht<br />
mit einer Analyse zu Übergängen im Anschluss<br />
an den Sekundarbereich I, S. 158.<br />
Selbst Realschulabsolventen und -absolventinnen<br />
tun sich an der ersten Schwelle<br />
zunehmend schwer: Immerhin mehr als ein<br />
Viertel mündet zunächst ins Übergangssystem.<br />
Etwa die Hälfte findet einen dualen<br />
Ausbildungsplatz, ein weiteres Viertel<br />
einen Platz im Schulberufssystem.<br />
Für junge Leute mit Abitur oder Fachhochschulreife<br />
sieht die Lage deutlich anders<br />
aus: Wer kein Studium beginnt, kann<br />
wählen. Zwei Drittel der nicht Studierenden<br />
entscheiden sich <strong>für</strong> eine duale Ausbildung,<br />
ein Drittel <strong>für</strong> eine schulische Qualifizierung.<br />
Im Übergangssystem finden sich nur<br />
wenige aus dieser Zielgruppe.<br />
Abbildung 3: Verteilung der Neuzugänge auf die drei Sektoren des beruflichen<br />
Ausbildungssystems 2000, 2004 und 2005 nach schulischer Vorbildung in Deutschland in Prozent<br />
2000 47,3%<br />
2004 39,4%<br />
2005 41,2%<br />
2005 8,0%<br />
2000 45,2%<br />
2004 52,7%<br />
2005 50,8%<br />
2000 54,1%<br />
2004 48,1%<br />
2005 47,4%<br />
2000 20,4%<br />
2004 24,6%<br />
2005 24,4%<br />
2000 25,5%<br />
2004 27,3%<br />
2005 28,2%<br />
mit mittlerem<br />
Schulabschluss<br />
2000 69,7%<br />
2004 67,5%<br />
2005 67,4%<br />
2000 24,8%<br />
2004 28,7%<br />
2005 28,5%<br />
2000 5,4%<br />
mit Hochschul- oder<br />
Fachhochschulreife<br />
2004 3,8%<br />
2005 4,1%<br />
duales System<br />
Schulberufssystem<br />
Übergangssystem<br />
19
20<br />
Ausbildung<br />
<strong>Die</strong> Soziologin und Soziologen Martin Baethge,<br />
Heike Solga und Markus Wieck stellen<br />
hierzu fest: ›Damit ist die einstige Stärke der<br />
dualen Ausbildung, durch die Verbindung von<br />
praktischer und theoretischer Berufsausbildung<br />
auch bildungsschwächere <strong>Jugendliche</strong><br />
beruflich zu integrieren, in Frage gestellt.‹ 7<br />
Auf dem Ausbildungsmarkt hat ein erheblicher<br />
Verdrängungsprozess von oben nach<br />
unten stattgefunden. Der Realschulabschluss<br />
ist zwischenzeitlich zum Durchschnittsabschluss<br />
geworden, der Hauptschulabschluss<br />
damit zum Nichtabschluss. <strong>Die</strong> auch in Bremen<br />
angestrebte Zusammenlegung des unteren<br />
und mittleren Schulabschlusses reagiert<br />
auf diese Entwicklung zwar bildungsökonomisch<br />
konsequent, löst aber keineswegs das<br />
Problem der mangelhaften Zugänge zur<br />
Berufsbildung <strong>für</strong> die schlechter vorqualifizierten<br />
Schulabgänger/innen. Im Gegenteil: <strong>Die</strong><br />
Selektionsprozesse während und nach der<br />
<strong>Schule</strong> werden <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> mit niedrigem<br />
Schulabschluss weiter deutlich verschärft.<br />
<strong>Die</strong>se insbesondere <strong>für</strong> den schwächsten<br />
Teil der Jugend negative Entwicklung ist strukturell<br />
bedingt und auch durch Konjunkturaufschwünge<br />
kaum wettzumachen. Es fehlen<br />
eben nicht einfach Ausbildungsplätze, sondern<br />
immer mehr Kandidatinnen und Kandidaten<br />
können den Ansprüchen des Beschäftigungssystems<br />
mangels ausreichender Vorbildung<br />
nicht genügen. Es fehlt also an flexibler<br />
Bildung auf der Angebots- und an einer entsprechenden<br />
Einebnung des Anspruchsniveaus<br />
auf der Nachfrageseite.<br />
Das Übergangssystem seinerseits nimmt<br />
die unversorgten jungen Leute zwar zu einem<br />
Großteil auf, es ist in den letzten Jahren quantitativ<br />
erheblich angeschwollen. 8 Das heißt<br />
aber nicht automatisch, dass die dort Betreuten<br />
daraus gestärkt <strong>für</strong> den Arbeitsmarkt hervorgehen.<br />
Verbleibsstudien zum Maßnahmeinstrumentarium<br />
der Arbeitsagentur zeigen,<br />
dass nicht einmal die Hälfte dieser Teilnehmer/innen<br />
des Übergangssystems Zugang zu<br />
Ausbildung oder Arbeit findet. 9 Hinzu kommt,<br />
dass die neuen Förderstrukturen des Übergangssystems<br />
nicht mehr primär auf (Berufs-)<br />
Bildung setzen, also auf die Verbesserung der<br />
Integrationsvoraussetzungen in einem bildungsgesteuerten<br />
Selektionssystem, sondern<br />
seit etwa 2004 mehr und mehr versuchen,<br />
sich den kostenträchtigen Umweg einer nachgeholten<br />
fundamentalen Bildungsförderung,<br />
die auf das Absolvieren einer Ausbildung<br />
abzielt, zu sparen und gleich auf Vermittlung<br />
in Arbeit setzen. 10 Und dies ausgerechnet <strong>für</strong><br />
solche Personengruppen, die es aus eigener<br />
Kraft schon nicht über die erste Schwelle in<br />
Ausbildung geschafft haben. Zu meinen, dass<br />
ausgerechnet diese Personengruppen den<br />
Sprung über die zweite Schwelle ohne Überschreiten<br />
der ersten schaffen, ist ein bildungsökonomischer<br />
Widersinn, der zwar viel Geld<br />
und erhebliche Förderanstrengungen einspart,<br />
sich <strong>für</strong> die Betroffenen aber ein Leben<br />
lang negativ auswirkt.<br />
7 Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus (2007): Berufsbildung<br />
im Umbruch, Signale eines überfälligen Aufbruchs, S. 41.<br />
8 Mehr zum Übergangssystem, seiner Struktur und Problematik im<br />
dazugehörigen Kapitel in diesem Bericht.<br />
9 <strong>Die</strong> Übrigen verbleiben entweder im Übergangssystem oder<br />
münden frühzeitig in Arbeitslosigkeit. Hinzu kommt, dass die verfügbaren<br />
Wirksamkeitsstudien die Abbrecher/innen zahlenmäßig<br />
nicht berücksichtigen und deren Verbleib auch nicht verfolgen.<br />
<strong>Die</strong> Zahl der letztlich Unversorgten ist also noch höher.<br />
Vgl. Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus (2007):<br />
a.a.O., S. 53.<br />
10 Zur neuen Pädagogik der Aktivierungspolitik der Hartz-IV-Praxis<br />
und zur Realität des Case-Managements vergleiche den Beitrag<br />
von Michael Galuske in diesem Bericht.
2.2 Wen betrifft die Entwicklung<br />
des Berufsbildungssystems in Bremen<br />
in welcher Weise? – das Bremer<br />
Bewerber/innenpotenzial<br />
<strong>Jugendliche</strong> ohne Schulabschluss<br />
Das Thema Schulverweigerung und Schulversagen,<br />
beides Ursachen da<strong>für</strong>, dass junge<br />
Menschen das Schulsystem ohne Abschluss<br />
verlassen, beschäftigt die Bildungspolitik<br />
schon seit nunmehr drei Jahrzehnten. In der<br />
Praxis haben sich trotz vielfacher Ansätze<br />
kaum Veränderungen ergeben. <strong>Die</strong> Quote der<br />
abschlusslosen Schulabgänger/innen sinkt<br />
trotz immer neuer Förderprogramme nur langsam<br />
und lag 2006 bundesweit bei 8 Prozent.<br />
Dabei variiert die regionale Verteilung sehr.<br />
So ist der Anteil in Ostdeutschland mit knapp<br />
10 Prozent deutlich höher als im Westen<br />
(7,4 Prozent), insgesamt schwankt er zwischen<br />
6,3 Prozent in Baden-Württemberg und<br />
über 12 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern.<br />
Der Anteil in Bremen liegt mit knapp 9 Prozent<br />
über dem Durchschnitt der westlichen Bundesländer<br />
und weist nach Hamburg und Schleswig-Holstein<br />
den schlechtesten Wert auf.<br />
Allerdings muss konstatiert werden, dass die<br />
Bremer Situation sich gegenüber 2004, als<br />
die Quote noch bei 12 Prozent lag, merklich<br />
verbessert hat. 11 Dennoch bleiben hier immer<br />
noch 580 <strong>Jugendliche</strong> betroffen. <strong>Die</strong>se Situation<br />
führt <strong>für</strong> die betroffenen <strong>Jugendliche</strong>n<br />
dazu, dass ihnen eine Vielzahl der Übergangsmöglichkeiten<br />
verschlossen bleibt. Nur einem<br />
Fünftel gelingt es, einen Ausbildungsplatz<br />
im dualen Ausbildungssystem zu erreichen,<br />
die übrigen vier Fünftel landen im Übergangssystem.<br />
12<br />
Abbildung 4: Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss<br />
2006 nach Ländern (in % der 15- bis unter 17-Jährigen)<br />
ohne ohne Bevölkerung im Alter von<br />
Hauptschulabschluss Hauptschulabschluss 15 bis unter 17 Jahren<br />
insgesamt insgesamt in %<br />
Deutschland 75.897 7,9 961.100<br />
West 56.071 7,4 761.807<br />
Ost 19.826 9,9 199.293<br />
Bremen 580 8,9 6.545<br />
Baden-Württemberg 7.932 6,3 126.831<br />
Bayern 10.463 7,2 144.902<br />
Berlin 3.390 9,9 34.271<br />
Brandenburg 3.555 10,7 33.364<br />
Hamburg 1.802 11,2 16.025<br />
Hessen 5.435 8,1 66.790<br />
Mecklenburg-Vorpommern 2.768 12,1 22.928<br />
Niedersachsen 7.749 8,2 94.629<br />
Nordrhein-Westfalen 14.444 6,8 212.696<br />
Rheinland-Pfalz 3.613 7,4 48.545<br />
Saarland 889 7,4 11.966<br />
Sachsen 4.316 8,7 49.700<br />
Sachsen-Anhalt 3.486 11,3 30.729<br />
Schleswig-Holstein 3.164 9,6 32.881<br />
Thüringen 2.311 8,2 28.302<br />
Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 272.<br />
11 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 251 ff.<br />
12 Vgl. ebenda, S. 157.<br />
21
22<br />
Ausbildung<br />
Schulabgänger/innen und Ausbildungsplatzbewerber/innen<br />
in Bremen<br />
<strong>Die</strong> Zahl der <strong>Jugendliche</strong>n in Bremen, die<br />
wegen geringer schulischer Vorbildung Gefahr<br />
laufen, von beruflichen Perspektiven ausgeschlossen<br />
zu bleiben, ist nicht unerheblich. Im<br />
Jahr 2006 blieben insgesamt 580 Schulabgänger/innen<br />
ohne Schulabschluss, 417 in<br />
Bremen und 163 in Bremerhaven. 13 Mit einem<br />
Abschluss der Sekundarstufe I verließen<br />
4.956 das Bremer Schulsystem, davon hatten<br />
1.694 einen Haupt- und 3.262 einen Realschulabschluss.<br />
Weitere 2.469 besaßen bei<br />
Beendigung ihrer Schulkarriere die (Fach-)<br />
Hochschulreife. Insgesamt verließen 8.005<br />
<strong>Jugendliche</strong> in Bremen die <strong>Schule</strong>.<br />
Abbildung 5:<br />
Schulabgänger/innen nach Schulabschlüssen im Lande Bremen 2006<br />
Ein erheblicher Teil dieser Schulabsolventen<br />
und -absolventinnen stellt neben anderen<br />
unversorgten <strong>Jugendliche</strong>n die Ausbildungsplatzinteressentinnen<br />
und -interessenten in<br />
Bremen.<br />
Wie im vorhergehenden Abschnitt erläutert,<br />
sind es insbesondere die <strong>Jugendliche</strong>n mit<br />
Haupt- und Realschulabschluss, die sich<br />
um einen dualen Ausbildungsplatz bewerben<br />
und die auch keine andere Alternative haben.<br />
Hinzu kommen diejenigen, die gar keinen<br />
Abschluss gemacht haben. Damit haben wir<br />
<strong>für</strong> das genannte Schulabgangsjahr 2006<br />
allein 5.536 junge Menschen, die neu auf den<br />
Ausbildungsmarkt treten. Dazu gesellt sich<br />
der Teil der Schulabsolventen und -absolventinnen<br />
mit Hochschulreife, der (vorerst) kein<br />
Studium aufnehmen will.<br />
Und es kommt noch eine große Zahl an jungen<br />
Leuten hinzu, die in der vorhergehenden<br />
Bewerbungsperiode (aus unterschiedlichen<br />
Gründen) nicht zum Zuge gekommen sind, das<br />
sind die sogenannten ›Altbewerber/innen‹. 14<br />
Sie machen, wie die nachfolgende Tabelle<br />
zeigt, mittlerweile etwa 60 Prozent der Bewerber/innen<br />
15 auf dem dualen Ausbildungsstellenmarkt<br />
aus. Im Ausbildungsjahr 2006/07<br />
waren dies 3.267, das waren 59,3 Prozent<br />
aller gemeldeten Bewerber/innen.<br />
Land Bremen Stadt Bremen Bremerhaven<br />
weiblich männlich insgesamt weiblich männlich insgesamt weiblich männlich insgesamt<br />
insgesamt 4.057 3.948 8.005 3.133 3.082 6.215 924 866 1.790<br />
ohne Schulabschluss 220 360 580 149 268 417 71 92 163<br />
Hauptschulabschluss 786 908 1.694 600 707 1.307 186 201 387<br />
Realschulabschluss 1.701 1.561 3.262 1.361 1.220 2.581 340 341 681<br />
(Fach-)Hochschulreife 1.350 1.119 2.469 1.023 887 1.910 327 232 559<br />
Quelle: Statistisches Landesamt Bremen:<br />
http://www.statistik-bremen.de/bremendat/abfrage_resultat.cfm?tabelle=19271<br />
13 Vgl. Statistisches Landesamt Bremen: http://www.statistikbremen.de/bremendat/abfrage_resultat.cfm?tabelle=19271.<br />
<strong>Die</strong> Zahlen von 2007 lagen zum Zeitpunkt der Berichtserstellung<br />
noch nicht vor.<br />
14 Mehr zur Problematik der Altbewerber/innen in Bremen im<br />
Kapitel 4 zum Übergangssystem in diesem Bericht.<br />
15 Im Berichtsjahr 2007/2008 hatten von 5.033 Bewerbern und<br />
Bewerberinnen insgesamt 3.067 bereits in den Vorjahren die<br />
<strong>Schule</strong> verlassen, das sind 60,9 Prozent. <strong>Die</strong> Tendenz war also<br />
bisher steigend. In Bremerhaven lag die Quote der<br />
Altbewerber/innen 2006/07 mit 51,4 Prozent deutlich niedriger<br />
als in Bremen-Stadt (58,9 Prozent).
Abbildung 6:<br />
Bewerber/innenpotenzial im Bundesland Bremen 2006/07<br />
Merkmale 2006/2007 Veränderungen<br />
gegenüber Vorjahr<br />
absolut in % männlich weiblich absolut in %<br />
nach Schulabschluss<br />
ohne Hauptschulabschluss 91 1,7 76 15 -67 -42,4<br />
Hauptschulabschluss 1.772 32,2 1.070 702 -317 -15,2<br />
Realschulabschluss 2.161 39,2 1.108 1.053 -558 -20,5<br />
Fachhochschulabschluss 725 13,2 303 422 242 50,1<br />
Abitur 649 11,8 274 375 -42 -6,1<br />
keine Angaben<br />
nach Nationalität*<br />
108 2,0 53 55 49 83,1<br />
Deutsche 4.878 88,6 2.567 2.311 -576 -10,6<br />
Ausländer 620 11,3 311 309 -112 -15,3<br />
davon: Türken 365 6,6 178 187 -55 -13,1<br />
Griechen 7 0,1 5 * -4 -36,4<br />
Italiener 9 0,2 3 6 -1 -10,0<br />
nach Schulabgangsjahr<br />
im Berichtsjahr 1.988 36,1 990 998 -382 -16,1<br />
im Vorjahr 1.283 23,3 643 640 -140 -9,8<br />
in früheren Jahren 1.984 36.0 1.110 874 -370 -15,7<br />
keine Angaben 251 4,6 141 110 200 x<br />
insgesamt 5.506 100,0 2.884 2.622 -692 -11,2<br />
*Fehlende Bewerber/innen nicht zuzuordnen.<br />
Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit.<br />
Damit sind allerdings immer noch nicht alle<br />
möglichen Konkurrentinnen und Konkurrenten<br />
um Ausbildungsplätze in Bremen erfasst. In<br />
einer Stadt wie Bremen gibt es außerdem eine<br />
hohe Zahl an Einpendlerinnen und Einpendlern,<br />
die in Anbetracht des größeren und teilweise<br />
attraktiveren Angebots aus dem Umland in die<br />
Stadt kommen und nach einem entsprechenden<br />
Ausbildungsplatz suchen. Fast 40 Prozent<br />
der Auszubildenden kamen 2006 aus dem<br />
Umland, deutlich weniger verlassen umgekehrt<br />
die Bremer Landesgrenzen.<br />
23
24<br />
Ausbildung<br />
Abbildung 7:<br />
Pendlerdaten von Auszubildenden 1 nach ausgewählten Bundesländern 2006<br />
Bundesländer Einpendler Auspendler Pendlersaldo<br />
absolut Quote2 in % absolut Quote3 in % absolut gewichtet4 Bremen 6.482 39,6 1.412 12,5 5.070 309<br />
Hamburg 13.131 34,7 3.337 11,9 9.794 259<br />
Berlin 10.980 18,8 4.906 9,4 6.074 104<br />
Niedersachsen 13.399 8,2 14.958 9,0 -1.559 -9<br />
Schleswig-Holstein 5.713 9,8 7.162 12,0 -1.449 -25<br />
Nordrhein-Westfalen 11.846 3,4 7.377 2,1 4.469 13<br />
1 Sozialversicherungspflichtige Ausbildungsverhältnisse am 30. September 2008.<br />
2 Einpendlerquote = Anteil der Einpendler an den Auszubildenden am Arbeitsort.<br />
3 Auspendlerquote = Anteil der Auspendler an den Auszubildenden am Wohnort.<br />
4 Gewichteter Pendlersaldo = Einpendler – Auspendler / Auszubildende am Arbeitsort x 1.000.<br />
Quelle: Bogai, <strong>Die</strong>ter/Seibert, Holger/Wiethölter, Doris (2008): Duale Ausbildung in Deutschland:<br />
<strong>Die</strong> Suche nach Lehrstellen macht junge Menschen mobil,<br />
IAB-Kurzbericht 09/2008, S. 2.<br />
Statistisch lässt sich nicht zuverlässig beziffern,<br />
wie hoch letztlich die Zahl der Bewerber/innen<br />
um die in Bremen existenten Ausbildungsplätze<br />
ist. Addiert man aber beispielsweise<br />
<strong>für</strong> das Jahr 2006 die Schulabgänger/innen<br />
unterhalb der Hochschulreife, die<br />
Altbewerber/innen und etwa ein Drittel der<br />
(saldierten) Einpendler, so kommt man auf<br />
eine Zahl von etwa 10.000 möglicher Bewerber/innen<br />
auf Ausbildungsstellen in Bremen.<br />
Auf welches Ausbildungsplatzangebot treffen<br />
diese Bewerber/innen?<br />
2.3 Der Umfang des Bremer<br />
Ausbildungssystems<br />
Der Bremer Ausbildungsmarkt<br />
insgesamt<br />
Auch wenn sich die Negativentwicklung auf<br />
dem Ausbildungsplatzmarkt in den letzten beiden<br />
Jahren in Bremen nicht fortgesetzt hat, so<br />
kann doch von Entwarnung keine Rede sein.<br />
<strong>Die</strong>s vor allem wegen des oben beschriebenen<br />
Strukturwandels der Wirtschaft. Der Ausbildungsplatzabbau<br />
des vorletzten Jahrzehnts<br />
wird schon aus strukturellen Gründen nicht<br />
ausgeglichen werden können. Wirtschaft und<br />
Staat haben damals kräftig rationalisiert,<br />
daher als Arbeitgeber und Ausbilder insgesamt<br />
einen geringeren Personal- 16 und damit<br />
auch einen niedrigeren Ausbildungsbedarf.<br />
Zwischen 1985 und 1996 nahm die Zahl der<br />
Ausbildungsneuabschlüsse in Westdeutschland<br />
um mehr als ein Drittel (-35,5 Prozent) ab.<br />
Bis 2007 wurde dieser Verlust nicht mehr aufgeholt;<br />
nach wie vor gibt es immer noch fast<br />
200.000 Ausbildungsplätze weniger als im<br />
Jahre 1985 und dies angesichts einer nach<br />
wie vor hohen Zahl an Bewerbern und Bewerberinnen.<br />
17<br />
In Bremen stellt sich diese Entwicklung<br />
noch dramatischer dar: Insgesamt verlor das<br />
Land zwischen 1984 (dem Höchststand an<br />
neu kontraktierten Ausbildungsplätzen) und<br />
1996, dem Jahr mit dem tiefsten Stand, fast<br />
die Hälfte (-46,8 Prozent) aller Ausbildungsplätze.<br />
Insgesamt 4.685 Plätze verschwanden<br />
in dieser Zeit laut Landesstatistik. Industrie<br />
und Handel reduzierten ihr Ausbildungsangebot<br />
von 1986 bis 1996 um 49,5 Prozent<br />
(-2.908 Plätze), das Handwerk zwischen 1983<br />
16 <strong>Die</strong> Beschäftigtenstatistiken verschleiern diesen Sachverhalt<br />
bisweilen, wenn sie Beschäftigte, das heißt, Köpfe zählen und<br />
nicht das abgeforderte Arbeitsvolumen. Während die Zahl der<br />
Beschäftigten nämlich durchaus stieg, reduzierte sich volkswirtschaftlich<br />
gleichzeitig das entlohnte Arbeitspensum. Das<br />
manifestiert sich vor allem in der steigenden Quote der Teilzeitund<br />
geringfügigen Beschäftigung.<br />
17 Vgl. Berufsbildungsbericht 1997, S. 209.
und 1998 (Höchst- und Tiefststand im Vergleichszeitraum)<br />
um 49,7 Prozent (-1.436<br />
Plätze). 18 Der öffentliche <strong>Die</strong>nst erhöhte bis<br />
1992 seine Auszubildendenzahlen, reduzierte<br />
danach aber seine diesbezüglichen Aktivitäten<br />
auf weniger als ein Drittel: 1992 wurden 366<br />
neue Verträge in Bremens Verwaltung abgeschlossen,<br />
1995 und 2002 waren es nur<br />
noch ganze 113, das ist ein Minus von 69,1<br />
Prozent. 19<br />
Der Ausbildungsmarkt erholte sich in den<br />
letzten Jahren – mit Schwankungen und erneut<br />
deutlichen Abbrüchen in der Krisenperiode<br />
2000 bis 2003. In Bremen nahm die Zahl der<br />
Ausbildungsplätze mit 8,1 Prozent sogar<br />
deutlich mehr zu als in Gesamtdeutschland<br />
(+0,3 Prozent). Dennoch bleibt festzuhalten,<br />
dass sich der Ausbildungsmarkt auch in Bremen<br />
nicht annähernd von dem krisen- und<br />
rationalisierungsbedingten Abbau der Ausbildungskapazitäten<br />
seit Mitte der 1980er Jahre<br />
erholt hat; nach wie vor gibt es etwa 40 Prozent<br />
weniger Ausbildungsplätze als damals.<br />
<strong>Die</strong> Ausbildungsplatzzahlen in Bremen<br />
oszillieren seit 10 Jahren um dieses relativ<br />
niedrige Niveau, mal steigen sie sehr langsam,<br />
mal sinken sie wieder. Kräftigere Anstiege,<br />
die den Niedrigstand von 1996 übersteigen,<br />
sind erst seit 2006 zu verzeichnen.<br />
Das Angebot entspricht aber ganz und gar<br />
nicht den Bewerber/innenzahlen der geburtenstarken<br />
Jahrgänge.<br />
Ausbildungssektoren –<br />
Ausbildung im Bremer Handwerk<br />
Hinzu kommen sektorale Verwerfungen, die<br />
erhebliche Konsequenzen <strong>für</strong> die verschiedenen<br />
jugendlichen Zielgruppen haben: Auch<br />
im Bremer Ausbildungssektor verschieben<br />
sich die Strukturen, so dass immer weniger<br />
Ausbildungsplätze <strong>für</strong> gering vorqualifizierte<br />
<strong>Jugendliche</strong> zur Verfügung stehen. 20<br />
Zum Beispiel das Handwerk: Es deckt<br />
seinen Nachwuchs zu knapp 60 Prozent mit<br />
jungen Leuten ohne oder nur mit Hauptschulabschluss,<br />
ist also das wichtigste Rekrutierungsbecken<br />
<strong>für</strong> bildungsschwache Ausbildungsplatzbewerber/innen.<br />
Das Handwerk in<br />
Bremen hat zwischen 1997 und 2007 12<br />
Prozent an Ausbildungsstellen abgebaut.<br />
2005 war sogar ein Einbruch um fast ein<br />
Viertel (-22,5 Prozent) gegenüber 1997 zu verzeichnen.<br />
Das ist deutlich mehr als in derselben<br />
Zeit in Westdeutschland. 21 Erst seit 2006<br />
bessert sich die Situation in diesem Bereich<br />
etwas. Das Ausbildungsplatzangebot des<br />
Handwerks ist seitdem bis 2007 um 13,6 Prozent<br />
gestiegen, scheint damit aber seine<br />
vorläufige Kapazitätsgrenze erreicht zu haben,<br />
denn die aktuellen Meldungen der Handwerkskammer<br />
gehen lediglich davon aus, dass das<br />
Vorjahresniveau gehalten werden kann. <strong>Die</strong><br />
Konkurrenz von <strong>Jugendliche</strong>n mit maximal<br />
Hauptschulabschluss um die weiterhin knappen<br />
Ausbildungsplätze im Handwerk wird<br />
also anhalten.<br />
18 Der bisherige Tiefststand der Ausbildungsplatzangebote im<br />
Bremer Handwerk war 2005 mit – laut Statistischem Landesamt<br />
Bremen – 1.148 Ausbildungsplätzen, das sind 60,3 Prozent<br />
weniger als zur Höchstzeit 1983.<br />
19 Vgl. Statistisches Landesamt Bremen.<br />
20 Das hier<strong>für</strong> verfügbare nachfolgende Zahlenmaterial sind Daten<br />
der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit und des Bundesinstituts <strong>für</strong> Berufsbildung,<br />
die sich auf einen jeweils anderen Zeitpunkt im Ausbildungsjahr<br />
beziehen und daher von den Daten des Statistischen<br />
Landesamtes Bremen abweichen können. Da es uns aber auf die<br />
daraus ableitbaren Trendaussagen ankommt, sind diese Differenzen<br />
vertretbar.<br />
21 Abnahme handwerkliche Ausbildungsplätze Westdeutschland<br />
1997–2007: -7,6 Prozent. 1997–2003: 16,4 Prozent<br />
(vgl. Ausbildungsmarkt 1997– 2007, Statistik der Bundesagentur<br />
<strong>für</strong> Arbeit, Bundesinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung).<br />
25
26<br />
Ausbildung<br />
Abbildung 8: Angebot an Ausbildungsplätzen<br />
in ausgewählten Wirtschaftszweigen in Bremen<br />
in Tausend<br />
8,0<br />
7,5<br />
7,0<br />
6,5<br />
6,0<br />
5,5<br />
5,0<br />
4,5<br />
4,0<br />
3,5<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0<br />
6.599<br />
3.517<br />
2.014<br />
709<br />
6.548<br />
3.588<br />
6.918<br />
3.822<br />
2.035 2.095<br />
625<br />
651<br />
7.049<br />
3.863<br />
2.234<br />
6.841<br />
3.761<br />
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />
6.339<br />
3.537<br />
Quelle: Ausbildungsmarkt 1997 – 2007, Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit, Bundesinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung.<br />
666<br />
2.065<br />
687<br />
1.849<br />
626<br />
185 129<br />
165<br />
147<br />
163 153 159 152 172 141 127<br />
6.161<br />
3.581<br />
1.651<br />
587<br />
6.575<br />
3.880<br />
1.773<br />
579<br />
6.424<br />
3.913<br />
1.561<br />
566<br />
6.743<br />
4.185<br />
1.660<br />
557<br />
7.243<br />
4.537<br />
1.773<br />
576<br />
neu abgeschlossene Verträge<br />
Industrie/Handel<br />
Handwerk<br />
öffentlicher <strong>Die</strong>nst<br />
freie Berufe
Ausbildung in Bremen<br />
in einzelnen Berufsgruppen<br />
Schaut man sich die Entwicklung einzelner<br />
auch <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> mit niedrigen Schulabschlüssen<br />
in Frage kommender Berufsgruppen<br />
an, so zeigt sich <strong>für</strong> Bremen folgendes Bild:<br />
Grundsätzlich ist das duale Angebot in Berufen,<br />
die auch <strong>für</strong> schulisch gering qualifizierte<br />
<strong>Jugendliche</strong> geeignet sind, zwischen 1999 und<br />
2007 nicht gesunken, sondern geringfügig<br />
angestiegen (von circa 2.500 auf 2.600<br />
Plätze). 22 Allerdings haben ausgerechnet diejenigen<br />
Sparten abgenommen, die weitgehend<br />
stabile, ausbaufähige und Lebensunterhalt<br />
sichernde Beschäftigungsverhältnisse bieten.<br />
Dazu zählen zum Beispiel handwerkliche<br />
Bau- und Baunebenberufe (-14 Prozent), die<br />
Lebensmittelverarbeitung (-17,3 Prozent) und<br />
einfache kaufmännische und Büroberufe (-9,6<br />
Prozent). Zunahmen sind in Berufsfeldern mit<br />
hohem Prekarisierungsgrad zu verzeichnen,<br />
also etwa das Verkaufsgewerbe mit einer<br />
Abbildung 9: Entwicklung des Ausbildungsplatzangebots <strong>für</strong><br />
gering qualifizierte <strong>Jugendliche</strong> in Bremen 1999–2007<br />
Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit/Bundesinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung, eigene Berechnungen.<br />
Steigerungsrate von sagenhaften 120 Prozent<br />
sowie von 40 Prozent im Hotel- und Gastronomiebereich<br />
(HoGa). Auch die land- und hauswirtschaftlichen<br />
Ausbildungsangebote haben<br />
deutlich zugelegt (+38,8 Prozent), dies dürfte<br />
allerdings auf den Ausbau des Angebots<br />
an außerbetrieblicher dualer Ausbildung <strong>für</strong><br />
benachteiligte <strong>Jugendliche</strong> zurückzuführen<br />
sein, insbesondere <strong>für</strong> die Mädchen aus<br />
dieser Zielgruppe, <strong>für</strong> die es ausgesprochen<br />
wenige Marktangebote (abgesehen von den<br />
Verkäuferinnen) gibt. <strong>Die</strong> Anschlussbeschäftigungsmöglichkeiten<br />
in diesem letztgenannten<br />
Berufszweig sind nicht sonderlich hoch, so<br />
dass damit der Pfad in ständig wechselnde<br />
Einfacharbeit und in ungesicherte, prekäre<br />
Beschäftigung <strong>für</strong> Viele vorgezeichnet ist. In<br />
allen diesen Fällen zeigt sich, dass eine quantitativ<br />
positive Entwicklung der Ausbildungsplatzzahlen<br />
nicht automatisch begrüßenswert<br />
ist; man sollte schon genauer hinsehen, welche<br />
Wirtschaftsbereiche und welche Beschäftigungsentwicklungen<br />
damit verbunden sind.<br />
1999 2007 Veränderung Besonderheit<br />
absolut in %<br />
gesamt 2.459 2.601 +142 +5,8<br />
einfache Büroberufe 888 803 -85 -9,6 dauerhafte Beschäftigung/viele Frauen<br />
Verkäufer/in 147 324 +177 +120,4 Frauenbranche, Teilzeit,<br />
hohe Prekarisierung (Minijobs)<br />
Haus-/Landwirtschaft 121 168 +47 +38,8 Benachteiligtenausbildung, geringe<br />
Beschäftigungschancen, prekaritätsgefährdet<br />
Handwerk (besonders Bau 830 714 -116 -14,0 dauerhafte Beschäftigungschancen/<br />
und Baunebengewerbe) Männerbranche<br />
Lebensmittelverarbeitung 81 67 -14 +17,3 Chance auf dauerhafte Einfacharbeit<br />
Hotel- und Gastronomiebereich/ 392 525 +133 +33,9 prekäre Branche, viele Frauen<br />
inklusive Koch/Köchin und Migranten/Migrantinnen<br />
22 Hinzu kommen 2007 noch knapp 1.000 Plätze (+13,3 Prozent)<br />
in weiteren Handwerks- und gewerblichen Industrie-/Handelsberufen,<br />
die allerdings statistisch nicht spezifiziert und daher nicht<br />
den Zielgruppen zuzuordnen sind.<br />
27
28<br />
Ausbildung<br />
Betriebliche Ausbildungsbereitschaft<br />
in Bremen<br />
Wie in der gesamten deutschen Wirtschaft<br />
rekrutiert auch die Bremer Arbeitgeberseite<br />
mit den veränderten Kompetenzanforderungen<br />
zunehmend weniger Personal aus dem<br />
nichtakademischen Ausbildungssektor, so<br />
dass schlicht weniger Absolventen und Absolventinnen<br />
aus dem Berufsbildungssystem<br />
benötigt werden. Das macht sich unter<br />
anderem an einer deutlich gesunkenen Ausbildungsbetriebsquote<br />
fest, der Quote der<br />
Betriebe, die überhaupt ausbilden. <strong>Die</strong>s gilt<br />
auch <strong>für</strong> Bremen.<br />
Nicht einmal ein Viertel der Bremer Betriebe,<br />
das waren 2005 ganze 4.926 von 19.934<br />
Unternehmen, bildet selbst aus. Drei Viertel<br />
beschaffen sich ihr qualifiziertes Personal auf<br />
dem Arbeitsmarkt. Allerdings muss man festhalten,<br />
dass Fusionen und Pleitewellen zwar<br />
zu einer Reduktion der ausbildenden Betriebe<br />
(und damit des Gesamtangebots an Plätzen)<br />
führen, die verbleibenden Unternehmen bilden<br />
allerdings proportional mehr aus, was sich in<br />
einer leichten Erhöhung der Ausbildungsquote<br />
niederschlägt.<br />
Abbildung 10:<br />
Ausbildungsbetriebsquoten in Bremen<br />
2004 2005 Differenz<br />
Betriebe gesamt 20.210 19.934 - 276<br />
Ausbildungsbetriebe 4.950 4.926 - 24<br />
Ausbildungsbetriebsquote 24,5 % 24,7 % + 0,2 % -Punkte<br />
Quelle: Bundesinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung. 23<br />
Im Vergleich mit Westdeutschland und anderen<br />
westlichen Bundesländern kommt Bremen<br />
leider nicht allzu gut weg: Geringfügig mehr<br />
als ein Viertel aller westdeutschen Betriebe<br />
leistet sich eine eigene Berufsausbildung.<br />
Bremen liegt etwas unter dem Schnitt auch<br />
anderer Bundesländer, ist allerdings deutlich<br />
aktiver als Hamburg.<br />
23 BIBB-Sonderauswertung Länder:<br />
Zahlen von 2005/Stand Juli 2007.
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
-5<br />
-10<br />
Abbildung 11:<br />
Ausbildungsbetriebsquoten in ausgewählten Bundesländern und Westdeutschland 2005<br />
in Prozent<br />
24,7<br />
-0,5<br />
+5,1<br />
18,8<br />
Bremen Hamburg Berlin Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Westdeutschland<br />
Quelle: Bundesinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung.<br />
+2,5<br />
+11,6<br />
15,8<br />
-1,3<br />
Bei den Ausbildungsaktivitäten spielt die<br />
Betriebsgröße die entscheidende Rolle.<br />
<strong>Die</strong> Mehrzahl der Großbetriebe bildet regelmäßig<br />
aus, in Bremen knapp unter 90 Prozent.<br />
Bei den großen Mittelbetrieben bis 500<br />
Beschäftigten sind es schon deutlich weniger,<br />
nämlich unter 70 Prozent. Bei den kleinen Mittelbetrieben<br />
engagiert sich nur noch weniger<br />
als die Hälfte, von den Kleinbetrieben mit<br />
weniger als 10 Beschäftigten nicht einmal<br />
mehr ein Fünftel im Ausbildungssektor. In<br />
allen Betriebsgrößen schneidet Bremen damit<br />
schlechter ab als der Bundesdurchschnitt.<br />
-9,3<br />
26,5<br />
0,0<br />
-2,6<br />
25,7<br />
+0,1 +1,0<br />
25,3<br />
-0,8<br />
-3,4<br />
Ausbildungsbetriebsquote<br />
Veränderung Zahl der Ausbildungsbetriebe gegenüber Vorjahr<br />
Veränderung Zahl der Ausbildungsbetriebe gegenüber 1999<br />
29
30<br />
Ausbildung<br />
Abbildung 12:<br />
Ausbildungsbereitschaft nach Betriebsgrößen in Bremen 2005<br />
Bremen Entwicklung Westdeutschland<br />
über 500 Mitarbeiter 88,7 % höchste Ausbildungsbetriebsquote, Zunahme 91,7 %<br />
50–499 Mitarbeiter 67,5 % Abnahme der Betriebe, Zunahme der Azubis bei<br />
gleichzeitiger Abnahme der Mitarbeiterzahl<br />
71,5 %<br />
10–49 Mitarbeiter 48,7 % Zunahme bei gleichzeitigem Beschäftigungsplus 49,1 %<br />
1–9 Mitarbeiter 16,8 % Zunahme bei Abnahme der Azubis 18,4 %<br />
Quelle: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_ausbildungs-betriebs-quoten_HB_2004-und-2005.pdf und<br />
http://www.bibb.de/dokumente/pdf/ausbildungsbetriebsquote_d_2005_2006.pdf<br />
<strong>Die</strong> unterschiedliche Ausbildungsbereitschaft<br />
großer und kleiner Betriebe wirkt sich markant<br />
auf die Perspektiven der <strong>Jugendliche</strong>n ohne<br />
oder mit niedrigem Schulabschluss aus, denn<br />
die <strong>Jugendliche</strong>n mit den geringsten Marktchancen<br />
werden überwiegend in kleinen<br />
Betrieben – beispielsweise im Handwerk –<br />
ausgebildet, und eben dies sind die Betriebe<br />
mit der niedrigsten Ausbildungsbeteiligung.<br />
<strong>Die</strong> überwiegende Zahl kleiner Betriebe bildet<br />
eben normalerweise gar nicht aus.<br />
Damit sind junge Leute mit niedrigen oder<br />
keinen Schulabschlüssen also doppelt benachteiligt<br />
und mehrfach chancenlos: Ihnen fehlt<br />
das Ticket ins Berufsleben und diejenigen,<br />
die sie vielleicht trotzdem einlassen würden,<br />
spielen im Ausbildungsspiel gar nicht mit.<br />
Auszubildende, wenn vorhanden, spielen <strong>für</strong><br />
kleine Betriebe eine erhebliche Rolle, denn bei<br />
nur wenigen Beschäftigten stellen sie einen<br />
bedeutsamen Teil des Mitarbeiter/innenstabes.<br />
Daher haben Kleinbetriebe, wenn sie ausbilden,<br />
die höchste Ausbildungsquote, nämlich<br />
fast 10 Prozent. Größere Betriebe betreuen<br />
zwar absolut mehr Auszubildende, ihr Anteil<br />
an der Belegschaft ist aber – naturgemäß –<br />
fast halb so hoch wie bei den Kleinbetrieben.
Abbildung 13:<br />
Ausbildungsquoten in Bremen<br />
2004 Anzahl 2005 Anzahl Entwicklung<br />
Azubis Azubis<br />
Bremen gesamt 5,9 % 18.353 6,1 % 18.509 Abnahme Mitarbeiter um 3.650, Zunahme Azubis<br />
Großbetriebe ab 500 Mitarbeiter 4,5 % 3.280 4,6 % 3.234 Abnahme Mitarbeiter um 1.891, Abnahme Azubis<br />
große Mittelbetriebe<br />
bis 499 Mitarbeiter<br />
5,4 % 6.630 5,7 % 6.816 Abnahme Mitarbeiter, Zunahme Azubis<br />
kleine Mittelbetriebe<br />
bis 49 Mitarbeiter<br />
6,9 % 4.699 7,0 % 4.831 Zunahme Mitarbeiter und Azubis<br />
Kleinbetriebe unter<br />
10 Mitarbeiter<br />
8,1 % 3.744 8,0 % 3.628 Abnahme Mitarbeiter und Azubis<br />
Quelle: http://www.bibb.de/de/wlk8250.htm<br />
Auch bei den Ausbildungsquoten liegt das<br />
Engagement in Bremen etwas unter dem westdeutschen<br />
Schnitt, aber deutlich über der<br />
Quote der anderen Stadtstaaten, insbesondere<br />
der sehr niedrigen Quote in Hamburg. In<br />
Berlin fällt der hohe Anteil außerbetrieblicher<br />
dualer Ausbildungsstrukturen auf, der typisch<br />
<strong>für</strong> die ostdeutschen Regionen ist. Auch<br />
weisen die großstädtischen Regionen, und<br />
eben auch Bremen, einen etwas höheren<br />
Anteil an außerbetrieblichen Ausbildungskapazitäten<br />
auf als die Flächenstaaten.<br />
Abbildung 14: Ausbildungsquoten<br />
2005 im Bundesländervergleich<br />
insgesamt betrieblich<br />
Bremen 6,1 5,8<br />
Hamburg 4,9 4,6<br />
Berlin 5,7 4,4<br />
Niedersachsen 7,0 6,8<br />
Nordrhein-Westfalen 6,2 6,0<br />
Westdeutschland 6,3 6,1<br />
Quelle: http://www.bibb.de/de/wlk8250.htm<br />
Ausbildung ist nicht nur ein regionales,<br />
sondern auch ein sektorales Geschehen. Wirtschaftssektoren<br />
und Branchen sind in sehr<br />
unterschiedlichem Maße als Ausbildungsbetriebe<br />
in Bremen beteiligt. <strong>Die</strong> Verwerfungen<br />
gehen hier quer durch die Sektoren, das heißt,<br />
es gibt Industriebereiche, die viel, andere,<br />
die wenig ausbilden. Ebenso ist es in den<br />
<strong>Die</strong>nstleistungsbranchen. <strong>Die</strong> Abbildung 15<br />
zeigt die stark sowie die wenig engagierten<br />
Branchen in Bremen <strong>für</strong> das Jahr 2005 auf.<br />
31
32<br />
Ausbildung<br />
Abbildung 15:<br />
Ausbildungsquoten in Bremen 2005 nach Wirtschaftssektoren<br />
Ausbildungsbetriebsquoten über 30 % Ausbildungsbetriebsquoten 10 % und weniger<br />
Industrieproduktion mit großbetrieblichen Strukturen<br />
wie Metallverarbeitung und Nahrungsmittelherstellung<br />
Bau<br />
Kfz-Reparatur etc.<br />
Gesundheitswesen etc.<br />
haushaltsnahe und personenbezogene <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
Gebietskörperschaften, Sozialversicherung<br />
Quelle: http://www.bibb.de/de/wlk8250.htm, eigene Berechnungen.<br />
Schulische und außerbetriebliche<br />
Ausbildungsbildungsangebote<br />
in Bremen<br />
Das schulische Ausbildungssystem bildet die<br />
zweite Säule des hiesigen Berufsausbildungssystems.<br />
<strong>Die</strong> Zahl der verfügbaren Plätze ist<br />
nicht unerheblich. Für das hier analysierte Ausbildungsjahr<br />
2007/08 lag sie bei immerhin<br />
1.204 Plätzen. Dabei lassen sich vier relevante<br />
Berufsfelder unterscheiden: Pflege und Erziehung<br />
nehmen den breitesten Raum ein, insgesamt<br />
700 Plätze. Naturwissenschaftlich-technische<br />
und produktionstechnische Assistenzberufe<br />
stehen an zweiter Stelle mit 328 Plätzen<br />
in Bremen. Das Feld Gestaltung bietet 66, das<br />
Feld Wirtschaft schließlich 110 Schulplätze.<br />
Nachrichtenwesen<br />
Wohnungswirtschaft<br />
Non Profit und private Haushalte<br />
Ausbildungsquoten 10 % und mehr Ausbildungsquoten 4 % und weniger<br />
Landwirtschaft<br />
Produktion<br />
Bau<br />
Kfz-Reparatur<br />
Hotel- und Gastronomiebereich<br />
haushaltsnahe und personenbezogene <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
Fahrzeugbau<br />
Software/Datenverarbeitung<br />
Forschung und Entwicklung<br />
<strong>Die</strong> schulischen Ausbildungsberufe sind deutlich<br />
geschlechterdominiert. 66,4 Prozent der<br />
dortigen Plätze sind insgesamt von jungen<br />
Frauen besetzt, darunter der Pflege- und Erziehungssektor<br />
mit 84,4 Prozent. In den Feldern<br />
Gestaltung und Wirtschaft sind ebenfalls<br />
überwiegend Frauen (72,7 Prozent und 62,7<br />
Prozent) vertreten. <strong>Die</strong> sogenannten MINT-<br />
Berufe 24 , also naturwissenschaftlich-technische<br />
Berufe, sind dagegen insgesamt männerorientiert,<br />
allerdings auch dies nur bedingt, denn<br />
die naturwissenschaftlichen Assistenzberufe,<br />
die in diesem Tätigkeitsfeld Zuarbeit leisten,<br />
haben klassischerweise ein leichtes Frauenübergewicht<br />
mit 57,1 Prozent.<br />
24 MINT steht <strong>für</strong> Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften,<br />
Technik.
Abbildung 16: Vollschulische Ausbildungsplätze im Bundesland Bremen<br />
im Schuljahr 2007/2008, Schüler/innen 1. Ausbildungsjahr<br />
PFLEGE<br />
■ Altenpfleger/in<br />
gesamt männlich weiblich<br />
■ Altenpflegehelfer/in 45 7 38<br />
■ Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/in<br />
■ Gesundheits- und Kinderkrankenpflegehelfer/in<br />
■ Gesundheits- und Krankenpflegehelfer/in<br />
47 0 47<br />
■ Gesundheits- und Krankenpfleger/in 234 44 190<br />
■ Kinderpflege<br />
■ Hebamme/Entbindungspfleger<br />
ERZIEHUNG<br />
89 5 84<br />
■ Erzieher/in 262 46 216<br />
■ Heilerziehungspfleger/in<br />
■ Heilerziehungspflegehelfer/in<br />
NATURWISSENSCHAFTLICH-TECHNISCHE ASSISTENZ<br />
23 7 16<br />
■ Biologisch-technische/r Assistent/in 19 5 14<br />
■ Chemisch-technische/r Assistent/in 20 8 12<br />
■ Mathematisch-technische/r Assistent/in (staatl. geprüft) 53 44 9<br />
■ Medizinisch-technische/r Laboratoriumsassistent/in 21 9 12<br />
■ Medizinisch-technische/r Radiologieassistent/in 19 5 14<br />
■ Pharmazeutisch-technische/r Assistent/in 20 1 19<br />
■ Physikalisch-technische/r Assistent/in<br />
(PROD.) TECHNISCHE ASSISTENZ<br />
16 15 1<br />
■ Staatl. gepr. Techniker/in Elektrotechnik 29 29 0<br />
■ Staatl. gepr. Techniker/in Lebensmitteltechnik 26 20 6<br />
■ Staatl. gepr. Techniker/in Maschinen-/Schiffbau 28 27 1<br />
■ Techn. Assistent/in Informatik 77 73 4<br />
GESTALTUNG<br />
■ Assistent/in <strong>für</strong> Mode und Design, SP Bekleidung 23 2 21<br />
■ Gestaltungstechnische/r Assistent/in 43 16 27<br />
WIRTSCHAFTS-ASSISTENZ<br />
■ Wirtschaftsassistent/in – Fachbereich Fremdsprachen 55 10 45<br />
■ Wirtschaftsassistent/in – Fachbereich Informationsverarbeitung 55 31 24<br />
Gesamt 1.204 404 800<br />
Quelle: <strong>Senatorin</strong> <strong>für</strong> Bildung und Wissenschaft Bremen, eigene Berechnungen.<br />
Nicht systematisiert werden können hier die<br />
vielen privatschulischen Angebote, etwa<br />
im medizinisch-therapeutischen oder gestalterischen<br />
Bereich. Sie erweitern das bisher<br />
dargestellte Spektrum, insbesondere <strong>für</strong><br />
Mädchen. Allerdings sind die meisten dieser<br />
Ausbildungsgänge kostspielig und kommen <strong>für</strong><br />
die hier ins Auge gefasste Problemgruppe der<br />
Kinder unterprivilegierter Herkunft kaum in<br />
Betracht. Eine Ausbildung zur Physiotherapeutin<br />
in einer staatlich anerkannten Fachschule<br />
in Bremen beispielsweise dauert drei Jahre<br />
und kostet rund 15.000 Euro. Zum Vergleich:<br />
ein acht-semestriges Studium kostet in Bundesländern<br />
mit Studiengebühren durchschnittlich<br />
4.000 Euro.<br />
Neben den betrieblichen und schulischen<br />
Ausbildungsstellen gibt es seit Anfang der<br />
1980er Jahre in nicht unbeträchtlichem Maße<br />
auch außerbetriebliche Ausbildungsplätze. Sie<br />
werden ergänzt durch ausbildungsbegleitende<br />
Hilfen (abH) und andere betriebsnahe Begleitmaßnahmen.<br />
Ursprünglich waren diese Angebote<br />
im außerbetrieblichen Schonraum explizit<br />
<strong>für</strong> benachteiligte <strong>Jugendliche</strong> vorgesehen,<br />
also <strong>Jugendliche</strong>, die mehr Defizite haben als<br />
›nur‹ keinen Ausbildungsplatz und ohne eine<br />
solche Förderung vermutlich nicht zu einem<br />
regulären Ausbildungserfolg kommen würden.<br />
25 Nicht ganz 950 weitere Ausbildungsplätze<br />
kommen im Land Bremen unter dieser<br />
Rubrik zu den regulären, marktgängigen<br />
Angeboten hinzu.<br />
25 Zwischenzeitlich haben die durch die Agenturen initialisierte<br />
Fokussierung auf spätere erfolgreiche Vermittlung und damit verbundene<br />
Creamingeffekte dazu geführt, dass auch besser vorqualifizierte,<br />
lediglich unversorgte <strong>Jugendliche</strong> solche Plätze<br />
besetzen und die tatsächlich Förderungsbedürftigen ein weiteres<br />
Mal ohne Versorgung bleiben.<br />
33
34<br />
Ausbildung<br />
Abbildung 17: Berufsausbildung Benachteiligter 26<br />
Berichtsmonat November 2007<br />
Bestand Veränderung zum Vorjahr<br />
absolut in %<br />
Stadt Bremen 453 19 4,4<br />
Bremerhaven 487 39 8,7<br />
Land Bremen<br />
Regionaldirektion<br />
940 58 6,6<br />
Niedersachsen-Bremen<br />
Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit.<br />
10.374 1.322 14,6<br />
Der Anteil der öffentlich geförderten Ausbildungsplätze<br />
an allen dualen Ausbildungsplätzen<br />
beträgt in Bremen 10,9 Prozent,<br />
in Niedersachsen 8,5 Prozent und in Westdeutschland<br />
10,2 Prozent.<br />
Abbildung 18: Verhältnis betrieblicher/<br />
außerbetrieblicher Ausbildungsstellen<br />
Berichtsmonat September 2007<br />
betrieblich außerbetrieblich in % aller Plätze<br />
Bremen 4.588 564 10,9%<br />
Niedersachsen 43.204 4.405 9,3%<br />
Westdeutschland 355.763 40.326 10,2%<br />
Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit.<br />
Aus den verfügbaren Quellen ergibt sich <strong>für</strong><br />
das Ausbildungsjahr 2007 eine Ausbildungsplatzbilanz<br />
in etwa der folgenden Höhe 27 .<br />
Abbildung 19:<br />
Bremer Ausbildungsplatzbilanz 2007 gesamt<br />
neu abgeschlossene Ausbildungsplätze 7.243<br />
■ davon betriebliche Ausbildungsplätze 6.303<br />
■ davon außerbetriebliche Ausbildungsplätze 940<br />
schulische Ausbildungsplätze 1.204<br />
vollqualifizierende Ausbildungsplätze gesamt: 8.447<br />
Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit, Statistisches Landesamt Bremen,<br />
Bundesinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung, eigene Berechnungen.<br />
Wie viele Bewerber/innen müssen um<br />
einen Platz im Bremer Ausbildungssystem<br />
konkurrieren?<br />
26 Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE),<br />
ausbildungsbegleitende Hilfen (abH), Übergangshilfen,<br />
Aktivierungshilfen.<br />
27 <strong>Die</strong> Daten sind aus den diversen vorhandenen Statistiken<br />
aggregiert. Da sie aus divergierenden Berichtsmonaten stammen,<br />
sind es nur Näherungswerte, geben aber durchaus ein Bild<br />
der Gesamtsituation ab. Nicht eingeschlossen sind privatschulische<br />
Ausbildungsplätze, die aber die Gesamtsituation kaum<br />
wesentlich verändern dürften und zudem <strong>für</strong> die Problemgruppen<br />
des Ausbildungsmarktes ohnehin nicht relevant sind.
2.4 <strong>Die</strong> Angebots-/<br />
Bewerber/innen-Relation in Bremen<br />
Das Verhältnis von angebotenen Plätzen zu<br />
vorhandenen Ausbildungsplatzbewerbern und<br />
-bewerberinnen wird von den Arbeitsagenturen<br />
offiziell in der Regel zu Beginn des Ausbildungsjahres<br />
Ende September, also noch in<br />
der intensiven Suchphase, festgehalten.<br />
<strong>Die</strong> Statistiken späterer Zeitpunkte verzerren<br />
die tatsächlichen quantitativen Verhältnisse,<br />
da dann bereits die Angebote des Übergangssystems<br />
greifen. Für 2007 sah die entsprechende<br />
Situation wie folgt aus:<br />
Abbildung 20: Bewerber/innen <strong>für</strong> Berufsausbildungsstellen<br />
Berichtsmonat September 2007<br />
gemeldet seit Veränderung mit bekannter unversorgt/ohne<br />
Beginn des zum Vorjahr Alternative bekannte<br />
Berichtsjahres zum 30.9. Alternative<br />
absolut in %<br />
Bremen 28<br />
5.506 -692 -11,2 739 198<br />
■ Stadt Bremen 5.134 -12,2 795 181<br />
■ Bremerhaven 2.353 -11,5 291 225<br />
Niedersachsen 29<br />
70.932 -252 -0,4 10.162 2.471<br />
Westdeutschland 547.542 -11.516 -2,1 70.331 20.546<br />
Abbildung 21: Gemeldete Berufsausbildungsstellen<br />
Berichtsmonat September 2007<br />
gemeldet seit Veränderung unbesetzte Stellen<br />
Beginn des zum Vorjahr September Vergleich<br />
Berichtsjahres 2007 zum Vorjahr<br />
absolut in % absolut in %<br />
Bremen 30<br />
5.152 278 5,7 90 23 34,3<br />
Niedersachsen 31<br />
47.609 2.985 6,7 1.325 -796 -37,5<br />
Westdeutschland 396.089 36.073 10,0 15.953 2.397 17,7<br />
Abbildung 22: Differenz Ausbildungsstellen/Bewerber/innen<br />
Berichtsmonat September 2007<br />
Differenz betriebliche<br />
Ausbildungsstellen/<br />
absolut in % Bewerber<br />
Bremen -354 -6,4 0,94<br />
Niedersachsen -23.323 -32,9 0,67<br />
Westdeutschland -151.453 -27,7 0,72<br />
Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit.<br />
Verglichen mit dem niedersächsischen<br />
Umland, das sich in den Statistiken der letzten<br />
Jahre durch ein relativ geringes Angebot an<br />
betrieblichen Ausbildungsplätzen und ein ebenfalls<br />
niedriges Niveau an außerbetrieblicher<br />
Förderung auszeichnete, und ebenfalls gemessen<br />
am westdeutschen Durchschnitt, schneidet<br />
Bremen in der offiziellen Vermittlungsstatistik<br />
der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit mit<br />
seinem Angebot an Ausbildungsplätzen zu<br />
Ausbildungsjahresbeginn noch relativ gut ab.<br />
Schaut man sich das realistischere Verhältnis<br />
der Schulabgänger/innen des jeweiligen<br />
Jahrganges, das heißt der neuen potenziellen<br />
Bewerber/innen, zu den vorhandenen dualen<br />
Ausbildungsplätzen an, so ergeben sich<br />
andere – deutlich ungünstigere – Relationen.<br />
28 Ohne die Geschäftsstellen der Arbeitsagentur Bremerhaven<br />
in Niedersachsen.<br />
29 Mit den Geschäftsstellen der Arbeitsagentur Bremerhaven<br />
in Niedersachsen.<br />
30 Ohne die Geschäftsstellen der Arbeitsagentur Bremerhaven<br />
in Niedersachsen.<br />
31 Mit den Geschäftsstellen der Arbeitsagentur Bremerhaven<br />
in Niedersachsen.<br />
35
3636<br />
Ausbildung<br />
Abbildung 23: Verhältnis Bremer Schulabgänger/innen zu dualen Ausbildungsstellen<br />
Zahlen des Berichtsmonats September 2007<br />
Abgänger/innen 32<br />
Stellen Stellen/potenzielle<br />
Bewerber/innen<br />
ohne Schulabschluss 580 564 (außerbetrieblich) 0,97<br />
Sekundarstufe I 4.694 4.588 (betrieblich) 0,98<br />
zusammen 5.274 5.152 0,98<br />
(Fach-)Hochschulreife 2.331<br />
mit Schulabschluss insgesamt 7.025 4.588 (betrieblich) 0,65<br />
Abgänger/innen gesamt 7.605 5.152 0,68<br />
Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit, Statistisches Landesamt Bremen, eigene Berechnungen.<br />
Pro Bremer Schulabgänger/in steht, statistisch<br />
gesehen, nur etwas mehr als ein halber<br />
Ausbildungsplatz zur Verfügung. Rechnet man<br />
nur die klassische Klientel, die keine anderen<br />
Bildungswege als duale oder fachschulische<br />
Optionen hat, so kommt auf einen Abgänger/<br />
eine Abgängerin nicht ganz eine Stelle.<br />
Zusammen mit den Plätzen des Schulberufssystems<br />
wären die Optionen <strong>für</strong> den aktuellen<br />
Schulabgänger/innenjahrgang also nicht gar<br />
zu schlecht. Der Markt agiert aber überregional,<br />
so dass den Bremer Schulabgängerinnen<br />
und Schulabgängern ein hohes Maß an Kon-<br />
Abbildung 24: Verhältnis Bremer Bewerber/innen zu<br />
dualen Ausbildungsstellen (Zahlen des Berichtsmonats September 2007)<br />
Quelle: Statistisches Landesamt Bremen, Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit, eigene Berechnungen.<br />
Selbst wenn alle Elemente des Berufsbildungssystems<br />
in Bremen komplett genutzt würden,<br />
steht angesichts dieser Zahlen eines fest:<br />
Der Ausbildungsmarkt in Bremen kann<br />
in absehbarer Zeit nicht ausgeglichen sein<br />
und bedarf daher trotz Zunahme an<br />
Ausbildungsplätzen weiterhin intensiver<br />
politischer Behandlung.<br />
kurrenz von auswärts gegenübersteht. Und<br />
mit der enormen Bugwelle der Altbewerber/innen<br />
wird der Bewerber/innenpool ein weiteres<br />
Mal erheblich vergrößert.<br />
Selbst wenn man alle vorhandenen vollqualifizierenden<br />
Ausbildungsstellen zusammenrechnet,<br />
ergibt sich <strong>für</strong> die Gesamtheit der<br />
ausbildungsbedürftigen jungen Leute kein<br />
besseres Bild: Es steht <strong>für</strong> alle maximal etwas<br />
mehr als ein halber Platz pro Bewerber/in<br />
zur Verfügung. Der oben beschriebene Druck<br />
auf diejenigen, die die schlechtesten Chancen<br />
im alljährlichen Auswahlverfahren haben,<br />
entwickelt sich damit gewaltig.<br />
Abgänger/innen 33<br />
vollqualifizierende Stellen/potenzielle<br />
Ausbildungsstellen Bewerber/innen<br />
engere Ausbildungsplatz-<br />
Bewerber/innen<br />
5.274<br />
Altbewerber/innen<br />
(Berichtsjahr 2007/08)<br />
3.067<br />
Einpendler/innen 5.070<br />
gesamt 13.411 8.447<br />
0,63<br />
32 Land Bremen Schulabgänger/innen 2006 (also Verhältnis fiktiv).<br />
33 Land Bremen Schulabgänger/innen 2006 (also Verhältnis fiktiv).
2.5 Ausbildungsabbrüche<br />
Wer einen Ausbildungsplatz gefunden hat,<br />
behält ihn längst nicht immer oder führt das<br />
Ausbildungsverhältnis zu Ende. <strong>Die</strong> Quote der<br />
Ausbildungsabbrüche schwankt zwar konjunkturell,<br />
ist aber regelmäßig beachtlich. In<br />
Bremen lag sie in den besonders schwierigen<br />
Ausbildungsjahren 2002 und 2003 bei rund<br />
einem Viertel und ist bis 2006, dem letztverfügbaren<br />
Auswertungsdatum, auf knapp ein<br />
Fünftel gesunken. Bremen liegt damit unter<br />
den Stadtstaaten noch recht gut und weist<br />
partiell sogar geringere Quoten als einige der<br />
großen westdeutschen Flächenstaaten auf.<br />
Dennoch waren im Jahr 2006 insgesamt<br />
1.174 vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge<br />
in Bremen zu verzeichnen. Geht man davon<br />
aus, dass etwa die Hälfte der Betroffenen<br />
einen anderen Ausbildungsplatz findet, einige<br />
Abbildung 25: Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge<br />
in Prozent der jährlichen Neuabschlüsse 2002 bis 2006<br />
Quelle: Berufsbildungsbericht 2008, S. 151.<br />
sich auf andere Bildungsgänge umorientieren<br />
und ein nicht genau bezifferbarer Rest von<br />
fast einem Drittel allerdings ausbildungslos<br />
bleibt 34 , so sind dies allein in Bremen 2006<br />
circa 350 <strong>Jugendliche</strong>, die als ehemalige<br />
Abbrecher ohne eine abgeschlossene Ausbildung<br />
bleiben.<br />
<strong>Die</strong> meisten Ausbildungsverträge werden in<br />
den ohnehin schwierigen Wirtschafts- und<br />
Berufsbereichen gelöst: im Jahr 2006 die<br />
meisten im Handwerk mit seinen kleinbetrieblichen<br />
Strukturen mit knapp 25 Prozent (23,7<br />
Prozent) und den freien Berufen mit 20,8<br />
Prozent, gefolgt von Industrie und Handel mit<br />
18,1 Prozent. <strong>Die</strong> geringste Abbruchquote<br />
hat der öffentliche <strong>Die</strong>nst mit 6,4 Prozent. 35<br />
Auch die Lösungsquoten in kaufmännischen<br />
Berufen sind gering. Frauen brechen häufiger<br />
(21,1 Prozent) eine Ausbildung ab als Männer<br />
(18,9 Prozent), vermutlich weil sie häufiger<br />
in kleinbetrieblichen Strukturen und in privaten<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen (Friseurin, Verkauf, Gastgewerbe<br />
et cetera) unterkommen, wo<br />
die Abbruchquoten wegen unterschiedlicher<br />
Problemlagen besonders hoch sind.<br />
2002 2003 2004 2005 2006<br />
Westdeutschland 23,5 21,6 20,4 19,3 18,9<br />
Bremen 25,9 24,7 20,7 21,4 19,6<br />
Hamburg 25,1 22,4 21,3 19,8 20,7<br />
Hessen 23,6 21,1 20,1 18,1 19,3<br />
Nordrhein-Westfalen 26,1 23,3 21,8 21,0 20,0<br />
Bayern 20,5 18,6 18,4 17,4 16,8<br />
34 Vgl. die BIBB-Befragung aus dem Jahre 2003: 62 Prozent<br />
treten eine andere Ausbildung (duale, schulische oder Studium)<br />
an, 28 Prozent wurden arbeitslos oder arbeiten in einer nicht<br />
beschriebenen Tätigkeit, 9 Prozent sind erwerbstätig, da ohne<br />
Ausbildung vermutlich unqualifiziert.<br />
Vgl. Althoff, Heinrich u.a. (2003): Vorzeitige Lösung von<br />
Lehrverträgen und Ausbildungsabbruch. Problemaufriss und<br />
Untersuchung der methodisch-statistischen Grundlagen.<br />
35 Vgl. Datenbank Aus- und Weiterbildung des BIBB auf Basis<br />
der Daten der Berufsbildungsstatistik des Statistischen<br />
Bundesamtes.<br />
37
38<br />
Ausbildung<br />
2.6 <strong>Die</strong> Hartz-Reform und der<br />
Umgang mit Jugendarbeitslosigkeit<br />
Mit den Hartz-Gesetzen haben sich die Ziele<br />
der bundesdeutschen Arbeitsmarkt- und<br />
Berufsbildungspolitik grundsätzlich verändert.<br />
Das zeigen schon die Begrifflichkeiten, wenn<br />
statt wie zuvor von einer ›aktiven‹ nun von der<br />
›aktivierenden‹ Arbeitsmarktpolitik die Rede<br />
ist. Hier hat der Akteur klar vom handelnden<br />
Staat zum behandelten Individuum gewechselt.<br />
Welche Folgen hat dieser Wandel speziell<br />
<strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> und Erwachsene?<br />
<strong>Die</strong> aktivierende Arbeitsmarktpolitik lässt<br />
sich in drei zentrale Zieldimensionen unterteilen:<br />
36<br />
›Verfügbarkeit‹, das heißt Arbeitsbereitschaft.<br />
Sie soll entweder über fordernde<br />
oder sanktionierende Instrumente hergestellt<br />
werden oder aber über fördernde<br />
Elemente, sofern eine individuelle Arbeitsbereitschaft<br />
unterstellt wird, aber durch<br />
spezielle Hemmnisse eingeschränkt wird.<br />
›Eigenverantwortung‹, das heißt das Prinzip<br />
der Selbstvermarktung der (arbeitslosen)<br />
Arbeitskraft. Auch hier sind fordernde,<br />
sanktionierende sowie fördernde Elemente<br />
im Falle individueller Defizite und Barrieren<br />
vorgesehen.<br />
›Beschäftigungsfähigkeit‹, das heißt das<br />
permanent anzupassende individuelle Vermögen,<br />
den sich wandelnden Anforderungen<br />
des Arbeitsmarktes nachzukommen.<br />
An den Zieldimensionen der aktivierenden<br />
Arbeitsmarktpolitik lassen sich die zentralen<br />
Unterschiede zur ›alten‹ aktiven Arbeitsmarktpolitik,<br />
wie sie <strong>für</strong> den klassischen Sozialstaat<br />
charakteristisch war, identifizieren. <strong>Die</strong> aktive<br />
Arbeitsmarktpolitik beruhte auf dem Grundwert<br />
der Solidarität mit den Zielen Chancengleichheit<br />
und Durchsetzung eines ›Rechts auf<br />
Arbeit‹. Dagegen fokussiert die aktivierende<br />
Arbeitsmarktpolitik die Verwirklichung der<br />
unterschiedlichen individuellen Chancen. Sie<br />
wandelt damit das ›Recht auf Arbeit‹ um in<br />
ein ›Recht auf Hilfe zur Arbeit‹. Im Falle einer<br />
unterstellten fehlenden Mitwirkung der Adressaten<br />
entwickelt sich aus dem ›Recht auf<br />
Hilfe zur Arbeit‹ die ›Pflicht zur Aktivierung‹. 37<br />
Das freilich unterstellt und behauptet, es stünden<br />
jederzeit Ausbildungs- und Arbeitsplatzangebote<br />
zur Verfügung. Dass dies nicht der<br />
Fall ist, hat der vorangegangene Abschnitt<br />
gezeigt. <strong>Die</strong> Wirkung von Arbeitsmarktpolitik<br />
ändert sich mit dieser neuen Setzung fundamental:<br />
Während die aktive zu einem Ausgleich<br />
von Angebot und Nachfrage auf dem<br />
Arbeitsmarkt beitragen will, zielt die aktivierende<br />
Arbeitsmarktpolitik auf eine Verhaltensänderung<br />
der Arbeits- und Ausbildungsplatzsuchenden<br />
ab. 38 Dass sich daraus auch<br />
Konsequenzen <strong>für</strong> die Bereitstellung arbeitsmarktbezogener<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen ergeben,<br />
versteht sich damit von selbst. 39<br />
Auch der Übergang von der <strong>Schule</strong> ins<br />
Arbeitsleben ist von der arbeitsmarktpolitischen<br />
Reform betroffen. <strong>Die</strong> Altersgruppe der<br />
15- bis 25-Jährigen ist eine der Zielgruppen<br />
der neuen Politik. Laut Gesetz müssen sie<br />
unverzüglich nach Antragstellung in Arbeit,<br />
Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit (Ein-<br />
Euro-Job) vermittelt werden. Findet sich keine<br />
Ausbildung, so sollen die vermittelte Arbeit<br />
oder die Arbeitsgelegenheit zur Verbesserung<br />
der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten<br />
beitragen (§ 3 SGB II). Der Leistungsträger<br />
(BAgIS/Bremer Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> Integration<br />
und Soziales beziehungsweise ARGE<br />
Job-Center Bremerhaven) sieht sich also nicht<br />
verpflichtet, eine Ausbildungsförderung zu<br />
betreiben oder eine solche aus eigenen Mitteln<br />
zu finanzieren. Der bisher gültige gesellschaftliche<br />
Konsens einer ›Ausbildung <strong>für</strong> alle‹<br />
ist also in der Praxis aufgehoben.<br />
36 Vgl. Marquardsen, Kai (2007): Was ist ›Aktivierung‹ in der<br />
Arbeitsmarktpolitik?; in: WSI-Mitteilungen 5/2007, S. 259–265.<br />
37 Vgl. Knuth, Matthias/Schweer, Oliver/Siemes, Sabine (2006):<br />
Drei Menüs und kein Rezept? <strong>Die</strong>nstleistungen am Arbeitsmarkt<br />
in Großbritannien, den Niederlanden und Dänemark, S. 489;<br />
in: Siller, Peter/Dückert, Thea/Baumann, Arne (Hrsg.): Arbeit<br />
der Zukunft. Neue Wege einer gerechten und emanzipativen<br />
Arbeitspolitik, S. 419–509.<br />
38 Ausführlich dazu der Beitrag von Michael Galuske in diesem<br />
Bericht.<br />
39 Vgl. Bartelheimer, Peter (2005): Moderne <strong>Die</strong>nstleistungen und<br />
Erwerbs<strong>für</strong>sorge, Fallbearbeitung nach SGB II als Gegenstand<br />
soziologischer Forschung; in: SOFI-Mitteilungen 33/2005,<br />
S. 55–79.
<strong>Die</strong> Perspektivlosigkeit, mit der insbesondere<br />
(bildungs-)benachteiligte <strong>Jugendliche</strong> kämpfen,<br />
kontert die Hartz-Reform mit einem drastischen<br />
und speziell <strong>für</strong> die Zielgruppe junger<br />
Menschen radikalisierten Sanktionsinstrumentarium<br />
bis hin zum kompletten Wegfall sämtlicher<br />
Leistungen. 40 Schon eine erstmalige<br />
Pflichtverletzung, etwa die Ablehnung einer<br />
Eingliederungsvereinbarung, die Nichterfüllung<br />
von dort festgelegten Pflichten, die Ablehnung<br />
eines Arbeits-, Ausbildungs- oder Ein-Euro-Job-<br />
Angebots sowie einer sonstigen Maßnahme<br />
beschränkt das Arbeitslosengeld II auf Leistungen<br />
<strong>für</strong> Unterkunft und Heizung. Bei weiteren<br />
Pflichtverletzungen innerhalb eines Jahres entfällt<br />
die gesamte Leistung einschließlich der<br />
Kosten der Unterkunft. <strong>Die</strong> Dauer des Sanktionszeitraumes<br />
beträgt drei Monate, kann<br />
allerdings bei Verhaltensänderung im Einzelfall<br />
auf sechs Wochen verkürzt werden. 41<br />
<strong>Die</strong> Reformen der Arbeitsmarkt- und Berufsbildungspolitik<br />
delegieren die Verantwortung<br />
<strong>für</strong> den eigenen arbeitsmarktlichen Erfolg an<br />
die zu betreuende Zielgruppe und ernennen<br />
ausgerechnet diejenigen, die am Anfang einer<br />
Berufslaufbahn stehen und denen das dazu<br />
notwendige elementare Rüstzeug (Schulabschluss<br />
und/oder Berufsabschluss) fehlt, zu<br />
Unternehmern ihrer eigenen Übergänge. Der<br />
generell verschärfte Wettbewerb um eine<br />
Position im Arbeitssystem ist damit im Jugendalter<br />
angekommen und stellt <strong>Jugendliche</strong><br />
vor die – nicht zu bewältigende – Herausforderung,<br />
ihre eigenen individuellen Wettbewerbsnachteile<br />
selbst beheben zu müssen. Ausgerechnet<br />
in dieser biografisch elementaren<br />
Situation treffen sie auf ein System, in dem<br />
die Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit<br />
dominieren und Unterstützungsangebote<br />
sich verstärkt an einer Integration in<br />
bestehende ökonomische Rahmenbedingungen<br />
und weniger an biografischen Selbstbestimmungsmöglichkeiten<br />
orientieren. 42<br />
2.7 Zielgruppen und Probleme<br />
Ausbildungsreife<br />
Mit der beschriebenen Reformpolitik zur<br />
Jugendarbeitslosigkeit wurde eine verstärkte<br />
Diskussion darüber geführt, dass viele<br />
<strong>Jugendliche</strong> deshalb ohne Ausbildungsplatz<br />
bleiben, weil sie nicht ›ausbildungsreif‹ seien.<br />
Gleichgültig, wie dieses Defizit im Einzelnen<br />
bebildert wird, fest steht, dass ihre Ausbildungslosigkeit<br />
diesen jungen Menschen selbst<br />
zugeschrieben wird. Sie haben versagt, indem<br />
sie sich den Leistungsansprüchen des Marktes<br />
verweigert haben. Daneben stehen aber<br />
auch Institutionen wie die allgemeinbildenden<br />
<strong>Schule</strong>n in der Kritik, insbesondere nach den<br />
Ergebnissen der PISA-Studien. <strong>Die</strong> <strong>Schule</strong>n<br />
wiederum reichen die Verantwortung einerseits<br />
an die Elternhäuser weiter und beklagen<br />
andererseits die unzureichenden strukturellen<br />
und finanziellen Rahmenbedingungen ihrer<br />
Arbeit. All dies mag im individuellen Falle<br />
so oder so vorkommen und zutreffend sein;<br />
ein politisches Argument zur strukturellen<br />
Beschaffenheit und den Mängeln des Ausbildungsmarktes<br />
ist dies keineswegs.<br />
Jenseits dieser Schuldzuschreibungen lohnt<br />
sich aber ein genauerer Blick auf diesen<br />
Begriff fehlender ›Ausbildungsreife‹. Was ist<br />
damit überhaupt gemeint und wie haltbar ist<br />
die These von der mangelhaften Ausbildungsfähigkeit<br />
der ausbildungslosen Jugend?<br />
In der politischen Debatte wird der Begriff<br />
Ausbildungsreife uneinheitlich benutzt und verstanden.<br />
Sofern sich überhaupt jemand die<br />
Mühe macht, den Begriff der Ausbildungsreife<br />
mit Bildern zu füllen, fallen darunter allein<br />
diejenigen Fähigkeiten und Arbeitstugenden,<br />
40 Vgl. Lauterbach, Klaus (2008): Das Sanktionensystem im SGB II,<br />
S. 247; in: Neue Justiz 6/2008, S. 241–248.<br />
41 Vgl. ebenda, S. 248.<br />
42 Vgl. Karl, Ute/Schröer, Wolfgang (2006): Fördern und Fordern.<br />
Sozialpädagogische Herausforderungen im Jugendalter angesichts<br />
sozialpolitischer Umstrukturierungen, S. 48 f.;<br />
in: Spies, Anke/Tredop, <strong>Die</strong>tmar (Hrsg.): ›Risikobiographien‹ –<br />
Benachteiligte <strong>Jugendliche</strong> zwischen Ausgrenzung und<br />
Förderprojekten, S. 42–56.<br />
39
40<br />
Ausbildung<br />
die <strong>für</strong> Ausbildungsberufe auf den unteren<br />
beruflichen Niveauebenen wichtig sind. Darüber<br />
hinaus können unter ›ausbildungsreif‹<br />
schlichtweg – fast tautologisch – nur diejenigen<br />
Anforderungen eingeordnet werden, die<br />
schon zu Beginn der Berufsausbildung vorhanden<br />
sein müssen und bei Schulabgängern<br />
und Schulabgängerinnen auch vorausgesetzt<br />
werden können. 43<br />
Theoretisch ist der Begriff also äußerst<br />
unergiebig. Aber auch praktisch ist er wenig<br />
zielführend, denn das Anforderungsniveau des<br />
Ausbildungssystems selbst kann hier, kurzfristig<br />
betrachtet, kaum der Maßstab sein, da<br />
ein Schulsystem nur auf lange Sicht etwaig<br />
veränderten Ansprüchen der Wirtschaftsseite<br />
genügen könnte. In einer Befragung des<br />
Bundesinstituts <strong>für</strong> Berufsbildung (BIBB) unter<br />
Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaftlern/Wissenschaftlerinnen<br />
wurde versucht,<br />
sich dem Begriff der Ausbildungsreife<br />
pragmatisch zu nähern. Ergebnis: Zur Ausbildungsreife<br />
im engeren Sinne zählen allgemeine<br />
Arbeits-, Leistungs- und Sozialtugenden wie<br />
Zuverlässigkeit, Lernbereitschaft, Leistungsbereitschaft,<br />
Konzentrationsfähigkeit und<br />
Durchhaltevermögen. Schulwissen, mit<br />
Ausnahme der Kulturtechniken, zählen <strong>für</strong><br />
die meisten Experten/innen nicht dazu. 44<br />
Vor diesem Hintergrund drängt sich der Eindruck<br />
auf, dass die Debatte um fehlende Ausbildungsreife<br />
bei <strong>Jugendliche</strong>n in der Öffentlichkeit<br />
verstärkt interessenpolitisch geführt<br />
wird und rationalen betrieblichen Anforderungslogiken<br />
folgt. Interessenpolitisch, indem<br />
mit der Debatte und der Schuldverschiebung<br />
von der Unterversorgung mit Ausbildungsplätzen<br />
abzulenken versucht wird. Rational<br />
betrieblich vor allem deshalb, weil die Ausbildungsbetriebe<br />
bei ihrer Bewerber/innenauswahl<br />
möglichst wenig Risiken eingehen wollen<br />
45 und ihre betriebsspezifischen Anforderungen<br />
an fachliche und Schlüsselqualifikationen<br />
als Maßstab <strong>für</strong> ›Ausbildungsreife‹ setzen und<br />
damit weit über das grundlegende Verständnis<br />
von Ausbildungsfähigkeit hinausgehen. Anders<br />
gesagt: Betriebliche Einstellungsverfahren<br />
sind keinesfalls darauf ausgerichtet, eine<br />
Mindesteignung zu überprüfen, sondern zielen<br />
auf Bestenauswahl <strong>für</strong> den Betrieb ab. 46<br />
<strong>Die</strong>ser Prozess kann sich bei Bewerber/innenüberhang<br />
noch verstärken, da Unternehmen,<br />
wenn sie unter vielen wählen können,<br />
ihre Ansprüche an die geforderten Fähigkeiten<br />
weiter steigern und neue Maßstäbe etablieren.<br />
Eine solche Entwicklung schränkt die berufliche<br />
Perspektive derjenigen <strong>Jugendliche</strong>n<br />
weiter ein, die wegen ihrer nicht mitgewachsenen<br />
Fähigkeiten ans Ende der Bewerber/innenschlange<br />
verwiesen werden. 47<br />
Es bleibt festzuhalten: Sicherlich müssen<br />
Bewerber/innen heute Wissen und Fähigkeiten<br />
mitbringen, die sie früher erst während der<br />
Ausbildung erworben haben, sicherlich sind<br />
auch eklatante Bildungsdefizite bei etlichen<br />
<strong>Jugendliche</strong>n nicht von der Hand zu weisen.<br />
Wer aber im aktuellen Perspektivnotstand<br />
von fehlender Ausbildungsreife spricht (im<br />
schlimmsten Fall, um sich damit der eigenen<br />
Verantwortung zu entziehen), vergisst, dass<br />
eben diese <strong>Jugendliche</strong>n in dieser Gesellschaft<br />
aufgewachsen und damit deren eigenes<br />
Produkt sind. <strong>Die</strong> wachsende Schar derer,<br />
die den Elitebedürfnissen der Unternehmen<br />
nicht gewachsen ist, kann damit nicht gleichzeitig<br />
ausbildungslos in Arbeitslosenkarrieren<br />
verschickt werden.<br />
43 Vgl. Ehrenthal, Bettina/Eberhard, Verena/Ulrich, Joachim-Gerd<br />
(2005): Ausbildungsreife – auch unter den Fachleuten ein heißes<br />
Eisen, Ergebnisse des BIBB-Expertenmonitors, S. 2, http://<br />
deposit.ddb.de/ep/netpub/49/87/72/977728749/_data_stat/e<br />
k151231hu.pdf; Müller-Kohlenberg/Schober, Karen/Hilke, Reinhard<br />
(2005): Ausbildungsreife – Numerus clausus <strong>für</strong> Azubis?<br />
Ein Diskussionsbeitrag zur Klärung von Sachverhalten und Begriffen,<br />
S. 20; in: BWP 3/2005, S. 19–23.<br />
44 Vgl. Ehrenthal, Bettina/Eberhard, Verena/Ulrich, Joachim-Gerd<br />
(2005): a.a.O., S. 3.<br />
45 Vgl. Müller-Kohlenberg/Schober, Karen/Hilke, Reinhard (2005):<br />
a.a.O., S. 19.<br />
46 Dass das Verfahren unternehmensseitig auch anders aussehen<br />
kann, zeigt sich historisch: Vor den Zeiten der Lean-Ausbildung<br />
bis etwa Ende der 1980er Jahre betrachteten ausbildende<br />
Betriebe es als ihre eigene Aufgabe, ihre <strong>Jugendliche</strong>n, auch<br />
die schwächeren, mittels betrieblicher Unterstützung bis hin zur<br />
persönlichen Nachhilfe durch den Ausbildungsmeister zu einem<br />
erfolgreichen Abschluss zu bringen.<br />
47 Vgl. Rebmann, Karin/Tredop, <strong>Die</strong>tmar (2006): Fehlende<br />
›Ausbildungsreife‹, Hemmnis <strong>für</strong> den Übergang von der <strong>Schule</strong> in<br />
das Berufsleben?, S. 94; in: Spies, Anke/Tredop, <strong>Die</strong>tmar<br />
(Hrsg.): a.a.O., S. 86–100.
Mobilitätsbereitschaft<br />
Ob ein junger Mensch einen Ausbildungsplatz<br />
ergattert, ist allerdings nur ein relevanter<br />
Ausschnitt des Themas. Von Bedeutung ist<br />
auch, inwieweit <strong>Jugendliche</strong> beim Übergang<br />
<strong>Schule</strong>/Beruf ihre Berufsvorstellungen realisieren<br />
können. Schließlich entscheidet sich an<br />
dieser Stelle nicht nur die Frage nach dem<br />
Zugang zu einer qualifizierten Berufslaufbahn<br />
sondern auch, in welchem Berufsbereich ein<br />
Mensch den Großteil seines Lebens verbringt.<br />
Auch angesichts der heute durchaus üblichen<br />
unsteten Berufsverläufe ist eine einmal getroffene<br />
Berufswahl biografisch nachhaltig und<br />
prägend. <strong>Die</strong> Frage, ob <strong>Jugendliche</strong> heute in<br />
relevantem Maße selbstbestimmt entscheiden<br />
können, mit welchem Beruf sie ihr Leben lang<br />
ein auskömmliches Einkommen erzielen wollen,<br />
ist im Angesicht der Ausbildungsplatznot fast<br />
völlig aus dem Fokus der politischen Diskussion<br />
geraten. Im Gegenteil: <strong>Jugendliche</strong> werden<br />
häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, dass<br />
sie unflexibel bei der Wahl ihres Ausbildungszieles<br />
und -ortes seien und nicht bereit,<br />
sich den modernen ökonomischen Zwängen<br />
anzupassen.<br />
Der Vorwurf der beruflichen wie räumlichen<br />
Immobilität ist nach vorliegenden Erkenntnissen<br />
nicht haltbar. Was die berufliche Mobilität<br />
angeht, so zeigt die Berufswahlforschung,<br />
dass Ausbildungsplatzbewerber/innen sich<br />
dem Markt sehr und geradezu antizipativ<br />
anpassen und frühzeitig von ihren ursprünglichen<br />
Berufswünschen Abstand nehmen. 48 So<br />
geben in der BA/BIBB-Bewerberbefragung 49<br />
aus dem Jahr 2006 nur 29 Prozent an, dass<br />
ihre jetzige Situation schon immer ihr Wunsch<br />
gewesen sei. Richtet man den Blick nur auf<br />
die <strong>Jugendliche</strong>n, die eine Lehre machen, verweisen<br />
11 Prozent darauf, dass der Verzicht<br />
auf den Wunschberuf einen entscheidenden<br />
Ausschlag gegeben hat, dass sie ihre Ausbildung<br />
überhaupt beginnen konnten.<br />
Auch die räumliche Mobilität erweist sich als<br />
äußerst flexibel. Nach der BA/BIBB-Bewerberbefragung<br />
bewerben sich im Schnitt 23 Prozent<br />
der <strong>Jugendliche</strong>n auch in einem Umkreis<br />
von mehr als 100 Kilometern außerhalb ihres<br />
Heimatortes. Der Anteil steigt, je schlechter<br />
sich die Ausbildungssituation in der Heimat-<br />
region gestaltet: In Regionen mit weniger<br />
als 60 betrieblichen Ausbildungsstellen pro<br />
100 Bewerber/innen steigt das überregionale<br />
Bewerbungsverhalten auf 44 Prozent. 50 Es<br />
zeigt sich, dass <strong>Jugendliche</strong> demnach sehr<br />
wohl bereit sind, <strong>für</strong> einen Ausbildungsplatz<br />
den Wohnort zu wechseln.<br />
Über Kreisgrenzen hinweg pendelt in den<br />
westlichen Bundesländern ein Drittel, in Ostdeutschland<br />
nehmen mehr als 40 Prozent der<br />
<strong>Jugendliche</strong>n <strong>für</strong> einen Ausbildungsplatz weite<br />
Wege in Kauf und pendeln auch häufig nach<br />
Westdeutschland. Das Pendeln auf Kreisebene<br />
ist vor allem durch die Stadt-Umland-Verflechtungen<br />
geprägt, während zwischen den westdeutschen<br />
Flächenländern nur geringe Ausbildungsmobilität<br />
zu verzeichnen ist. <strong>Die</strong> Stadtstaaten,<br />
und hier vor allem Bremen, sind dagegen<br />
›Pendlermagneten‹. Insgesamt tragen<br />
<strong>Jugendliche</strong> mit ihrer hohen Mobilitätsbereitschaft<br />
dazu bei, unzureichende Angebots-Nachfrageverhältnisse<br />
auszugleichen. 51 <strong>Die</strong>s wird<br />
zudem durch Ergebnisse der BA/BIBB-Bewerberbefragung<br />
gestützt. So gaben lediglich drei<br />
Prozent der Befragten, die aktuell keine Ausbildung<br />
absolvieren, an, dass die angebotenen<br />
Lehrstellen zu weit entfernt gewesen seien.<br />
48 <strong>Die</strong> Orientierung auf das reale Marktangebot beispielsweise ist<br />
ein Grund <strong>für</strong> die hohe Konzentration weiblicher Bewerber auf<br />
nur wenige Ausbildungsberufe. Vgl. Liesering, Sabine/Rauch,<br />
Angela (Hrsg.) (2006): Hürden im Erwerbsleben, Aspekte beruflicher<br />
Segregation nach Geschlecht, Beiträge zur Arbeitsmarktund<br />
Berufsforschung 198.<br />
49 Bei der BA/BIBB-Bewerberbefragung handelt es sich um eine<br />
repräsentative, hochgerechnete schriftlich-postalische Stichprobenuntersuchung<br />
von <strong>Jugendliche</strong>n, die bei der Berufsberatung<br />
als Ausbildungsstellenbewerber/innen registriert waren. Das<br />
BIBB führt die Untersuchung in unregelmäßigen Abständen<br />
gemeinsam mit der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit durch. <strong>Die</strong> Befragung<br />
findet nach Abschluss des Vermittlungsjahres am 30.<br />
September statt. <strong>Die</strong> letzte Befragung fand im Jahr 2006 statt.<br />
50 Vgl. Ulrich, Joachim Gerd (2006): Übergänge in das duale<br />
System der beruflichen Bildung, Ergebnisse der BA/BIBB-<br />
Bewerberbefragung 2004, S. 26; in: Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
(Hrsg.): Übergänge zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf und darauf<br />
bezogene Hilfesysteme in Deutschland, S. 21-36.<br />
51 Vgl. Bogai, <strong>Die</strong>ter/Seibert, Holger/Wiethölter, Doris (2008):<br />
<strong>Die</strong> Suche nach Lehrstellen macht junge Menschen mobil,<br />
IAB-Kurzbericht 9/2008, S. 1 und 8.<br />
41
42<br />
Ausbildung<br />
Recht auf einen Hauptschulabschluss?<br />
Obgleich also die Frage nach fehlender Ausbildungsfähigkeit<br />
zuallererst eine interessengeleitete<br />
zu sein scheint, ist nicht von der Hand<br />
zu weisen, dass das allgemeinbildende Schulsystem<br />
Reformbedarf aufweist; zu viele – in<br />
Bremen wie dargestellt 9 Prozent – verlassen<br />
die <strong>Schule</strong>n ohne Schulabschluss. Fast 80<br />
Prozent münden nicht in Ausbildung, sondern<br />
ins Übergangssystem ein.<br />
Es werden deutliche Anstrengungen unternommen,<br />
diesen Missstand zu bereinigen.<br />
Im vergangenen Jahr hat die Kultusministerkonferenz<br />
einen Handlungsrahmen vereinbart,<br />
dessen Ziel die Reduzierung der Zahl der<br />
<strong>Jugendliche</strong>n ohne Schulabschluss ist. Bundesweit<br />
wird über verstärkte Fördermaßnahmen<br />
diskutiert. So sieht der aktuelle Gesetzentwurf<br />
der Bundesregierung zur Neuordnung<br />
der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vor,<br />
dass unter bestimmten Zugangsvoraussetzungen<br />
das Nachholen des Hauptschulabschlusses<br />
auch aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung<br />
finanziert werden kann. 52<br />
Was die damit verbundenen Perspektiven<br />
der betroffenen <strong>Jugendliche</strong>n angeht, so muss<br />
nach der bereits dargelegten Analyse der<br />
Übergangsprozesse nüchtern konstatiert<br />
werden, dass angesichts der modernen<br />
Selektionsprinzipien des Berufsbildungs- und<br />
Arbeitssystems mit dem Nachholen des<br />
Hauptschulabschlusses noch nicht allzu viel<br />
gewonnen ist. Junge Menschen ohne Schulabschluss<br />
sind nahezu chancenlos auf dem<br />
Ausbildungsmarkt (nur ein Fünftel mündet in<br />
Ausbildung), aber auch mit dem modernen<br />
Restschulabschluss gelten sie auf dem Markt<br />
längst nicht als ausbildungsreif. Nicht einmal<br />
der Hälfte (41 Prozent) der Hauptschulabsolventen<br />
und -absolventinnen gelingt der Sprung<br />
ins duale System, über die Hälfte (51 Prozent)<br />
landet im Übergangssystem. 53<br />
Schaut man sich die Entwicklungsverläufe<br />
von Hauptschulabsolventen und -absolventinnen<br />
zweieinhalb Jahre nach <strong>Schule</strong>nde genauer<br />
an, stechen folgende Ergebnisse ins Auge:<br />
Von denjenigen, die sechs Monate nach <strong>Schule</strong>nde<br />
eine betriebliche Ausbildung begonnen<br />
haben (28 Prozent), üben 90 Prozent diese<br />
immer noch aus, drei Prozent verbleiben in<br />
nichtbetrieblicher Berufsausbildung oder im<br />
Übergangssystem, sieben Prozent sind nicht<br />
in Ausbildung. <strong>Die</strong> Abbrecherquote ist also<br />
äußerst gering.<br />
Auch zwei Drittel derjenigen, die eine nichtbetriebliche<br />
Berufsausbildung begonnen haben<br />
(das waren 16 Prozent der Hauptschulabsolventinnen<br />
und -absolventen), befinden sich<br />
nach 30 Monaten weiterhin dort, jeweils drei<br />
Prozent sind ins duale System beziehungsweise<br />
Übergangssystem gewechselt; 27 Prozent<br />
sind nicht mehr in Ausbildung. <strong>Die</strong> Verläufe<br />
sind also auch in diesem Segment relativ<br />
stabil, obgleich die Abbrecherquote deutlich<br />
über der in betrieblicher Ausbildung liegt.<br />
Knapp der Hälfte der <strong>Jugendliche</strong>n, die sich<br />
sechs Monate nach Schulabschluss im Übergangssystem<br />
befindet (38 Prozent), gelingt<br />
es, in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren<br />
eine betriebliche oder nichtbetriebliche Ausbildung<br />
zu beginnen, ein knappes Drittel verharrt<br />
immer noch im Übergangssystem und ein<br />
Fünftel befindet sich nicht mehr im Ausbildungssystem.<br />
<strong>Jugendliche</strong>n, die sechs Monate nach <strong>Schule</strong>nde<br />
nicht im Berufsbildungssystem untergekommen<br />
sind – das trifft immerhin auf 19<br />
Prozent aller <strong>Jugendliche</strong>n mit maximal Hauptschulabschluss<br />
zu – gelingt nur selten (33<br />
Prozent) der Sprung in betriebliche oder nichtbetriebliche<br />
Ausbildung. 15 Prozent sind<br />
30 Monate später im Übergangssystem. Über<br />
die Hälfte aber bleibt weiter ohne Platz im<br />
Berufsbildungssystem und damit ohne Berufsabschluss.<br />
54<br />
52 Grundsätzlich ist es natürlich begrüßenswert, das Bildungsniveau<br />
generell zu erhöhen, es ist allerdings nicht nachvollziehbar,<br />
warum dies aus dem Beitragsaufkommen der<br />
Arbeitnehmer/innen und nicht aus Steuermitteln finanziert<br />
werden soll. <strong>Die</strong> Sozialversicherung droht an dieser Stelle in die<br />
Verantwortung <strong>für</strong> das Versagen des steuerfinanzierten Schulsystems<br />
genommen zu werden. Vgl. Rosenthal, Peer/Koch,<br />
Christiane (2008): Stellungnahme der Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen zum Referentenentwurf des Bundesministeriums <strong>für</strong><br />
Arbeit und Soziales (BMAS) ›Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen<br />
Instrumente‹, S. 5 f.<br />
53 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O.,<br />
S. 158.<br />
54 Vgl. ebenda, S. 163 ff.
Abbildung 26: <strong>Jugendliche</strong> mit maximal Hauptschulabschluss<br />
6 und 30 Monate nach Verlassen des allgemeinbildenden Schulsystems in Prozent<br />
Status nach 6 Monaten<br />
Status nach 30 Monaten bezogen<br />
auf den Status nach 6 Monaten<br />
90 %<br />
27,5 %<br />
Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 165.<br />
Der Hauptschulabschluss verbessert also die<br />
Einstiegschancen ins Ausbildungs-, mehrheitlich<br />
allerdings ins Übergangssystem. Vom<br />
Bedarf an systematischer staatlicher Förderung<br />
und Unterstützung befreit er allerdings<br />
nur einen Bruchteil der <strong>Jugendliche</strong>n.<br />
Migranten und Migrantinnen<br />
1 % 2 % 7 % 3 %<br />
Eine besonders verletzliche Gruppe beim<br />
Übergang von der <strong>Schule</strong> in den Beruf sind<br />
jugendliche Ausländer/innen beziehungsweise<br />
<strong>Jugendliche</strong> mit Migrationshintergrund.<br />
Das Ausmaß des Problems ist nur schwer<br />
auszumachen, da das Datenmaterial häufig<br />
nicht den präzisen Fokus des Migrationshintergrundes,<br />
sondern lediglich eine Differenzierung<br />
zwischen Ausländern und Ausländerinnen<br />
und Deutschen ermöglicht. Aus solch einer<br />
Betrachtung folgt, dass nur 40 Prozent der<br />
ausländischen <strong>Jugendliche</strong>n im Vergleich zu<br />
60 Prozent aller Neuzugänge eine duale oder<br />
15,7 %<br />
67 %<br />
3 %<br />
<strong>Schule</strong>nde<br />
27 %<br />
38 %<br />
38,2 %<br />
11 %<br />
31 %<br />
20 %<br />
schulische Ausbildung beginnen. Insgesamt<br />
landen 60 Prozent der ausländischen <strong>Jugendliche</strong>n<br />
im Übergangssystem. Sie sind also<br />
vor allem im dualen System, aber auch im<br />
Schulberufssystem unterdurchschnittlich vertreten,<br />
im Übergangssystem dagegen stark<br />
überrepräsentiert. 55<br />
Auch im Land Bremen 56 gestaltet sich die<br />
Situation ausländischer <strong>Jugendliche</strong>r kritisch.<br />
Nur ein gutes Drittel (38 Prozent) mündete<br />
im Jahr 2006 in eine vollqualifizierende Ausbildung<br />
im dualen System oder im Schulberufs-<br />
55 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O.,<br />
S. 159.<br />
56 <strong>Die</strong> hier angegebenen Werte weichen von den nicht zutreffenden<br />
Werten im Bericht der Autorengruppe Bildungsberichterstattung<br />
(2008) ab. Es handelt sich hierbei um die vom<br />
Statistischen Landesamt Bremen auf Nachfrage neu berechneten<br />
und korrigierten Werte.<br />
18,7 %<br />
11 %<br />
15 %<br />
22 %<br />
52 %<br />
betriebliche Berufsausbildung<br />
nichtbetriebliche Berufsausbildung (einschließlich Studium)<br />
Übergangssystem<br />
nicht in Ausbildung<br />
43
44<br />
Ausbildung<br />
system ein. Dagegen konnten knapp 70<br />
Prozent aller Neuzugänge im Land Bremen<br />
eine vollqualifizierende Ausbildung beginnen.<br />
Ein umgekehrtes Bild ergibt sich bei den<br />
Einmündungsquoten in das bremische Übergangssystem:<br />
So gehen 62 Prozent der ausländischen<br />
<strong>Jugendliche</strong>n zunächst ins Übergangssystem.<br />
<strong>Die</strong>ser Anteil ist im Vergleich zu<br />
allen Neuzugängen nahezu doppelt so hoch.<br />
Abbildung 27: Anteil von Neuzugängen insgesamt und mit<br />
ausländischer Staatsangehörigkeit in den Sektoren des beruflichen<br />
Ausbildungssystems 2006 im Land Bremen in Prozent<br />
Übergänge davon: davon: Übergangssystem<br />
in Ausbildung duales System Schulberufsinsgesamt<br />
system<br />
insgesamt 68,5 56,3 12,2 31,5<br />
ausländische <strong>Jugendliche</strong> 38,2 27,1 11,1 61,8<br />
Quelle: Auskunft des Statistischen Landesamtes Bremen.<br />
In einer Langfristbetrachtung wird deutlich,<br />
dass seit Mitte der 1990er Jahre in Deutschland<br />
von einem negativen Trend bei der Ausbildungsteilhabe<br />
ausländischer <strong>Jugendliche</strong>r<br />
gesprochen werden muss. War ihr Anteil an<br />
allen Auszubildenden bis zu diesem Zeitpunkt<br />
auf 8 Prozent angestiegen, so nahm er seit<br />
der Ausbildungsbaisse bis heute auf 4 Prozent<br />
ab. 57 Ausländische <strong>Jugendliche</strong> spüren die<br />
Lehrstellenkrise also überdeutlich.<br />
Differenziert man weiter nach Migrationshintergrund<br />
und nicht nach Staatsangehörigkeit<br />
und erweitert auf diesem Wege die Personengruppe,<br />
lassen sich die unterschiedlichen<br />
Übergangschancen weiter präzisieren. Obwohl<br />
<strong>Jugendliche</strong> mit und ohne Migrationshintergrund<br />
nach der <strong>Schule</strong> zu einem gleich<br />
großen Anteil eine betriebliche Ausbildung<br />
anstreben, ist der Übergangserfolg bei<br />
<strong>Jugendliche</strong>n mit Migrationshintergrund deutlich<br />
geringer. So erreichen 50 Prozent von<br />
ihnen erst 17 Monate nach dem Verlassen der<br />
allgemeinbildenden <strong>Schule</strong>n einen Ausbildungsplatz,<br />
50 Prozent der <strong>Jugendliche</strong>n ohne<br />
Migrationshintergrund gelingt dies bereits<br />
nach 3 Monaten – also fünfmal schneller. 58<br />
57 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />
a.a.O., S. 159.<br />
58 Vgl. ebenda, S. 163.
Da<strong>für</strong> können verschiedene Gründe mitverantwortlich<br />
sein. So verfügen <strong>Jugendliche</strong> mit<br />
Migrationshintergrund häufiger über lediglich<br />
einen Hauptschulabschluss, ihre Noten sind im<br />
Schnitt etwas schlechter und informelle<br />
Zugänge (Netzwerke) zu möglichen Ausbildungsplätzen<br />
nicht so stark ausgeprägt. Als<br />
alleinige Begründungen reichen diese Faktoren<br />
allerdings nicht aus. 59 So ist bei gleichem<br />
Leistungsniveau von <strong>Jugendliche</strong>n mit und<br />
ohne Migrationshintergrund die Chance auf<br />
eine betriebliche Ausbildung von <strong>Jugendliche</strong>n<br />
ohne Migrationshintergrund deutlich höher und<br />
kann unter bestimmten Bedingungen doppelt<br />
so groß sein. 60 Daraus lässt sich kein anderer<br />
Schluss ziehen, als dass ein Migrationshintergrund<br />
<strong>für</strong> sich genommen bei der Suche nach<br />
einer betrieblichen Ausbildung bereits ein<br />
Nachteil ist und ethnische Diskriminierungen<br />
vorliegen. 61<br />
<strong>Die</strong>se Diskriminierungstendenzen setzen sich<br />
offenbar auch an der zweiten Schwelle, dem<br />
Übergang in Arbeit nach Ausbildung, fort.<br />
Zwar zeigen sich <strong>für</strong> Absolventen und Absolventinnen<br />
betrieblicher Ausbildung beim Übergang<br />
in Erwerbstätigkeit kaum noch Unterschiede<br />
zwischen Deutschen und Ausländern<br />
und Ausländerinnen. 62 Bezieht man aber die<br />
Absolventen und Absolventinnen von schulischen<br />
Ausbildungsgängen ein und schaut nach<br />
der langfristigen Positionierung im Erwerbssystem,<br />
verdüstern sich die Aussichten zumindest<br />
<strong>für</strong> bestimmte Gruppen von <strong>Jugendliche</strong>n<br />
nichtdeutscher Herkunft. 63 Zwar bleibt festzuhalten,<br />
dass ein Ausbildungsabschluss die<br />
Chancen auf qualifizierte Beschäftigung <strong>für</strong><br />
<strong>Jugendliche</strong> mit Migrationshintergrund erhöht,<br />
vor Benachteiligung schützt er aber nicht in<br />
jedem Fall.<br />
59 Vgl. Beicht, Ursula/Friedrich, Michael/Ulrich, Joachim Gerd<br />
(2007): Schulabsolventen auf Lehrstellensuche: Deutlich<br />
längere Dauer bis zum Ausbildungseinstieg, BIBB-Report<br />
2/2007, S. 5.<br />
60 Vgl. Ulrich, Joachim Gerd (2006): a.a.O., S. 31 ff.<br />
61 Vgl. Färber, Christine/Arslan, Nurcan/Köhnen, Manfred/Parlar,<br />
Renée (2008): Migration, Geschlecht und Arbeit, Probleme<br />
und Potenziale von Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt, S. 51.<br />
62 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />
a.a.O., S. 182.<br />
63 Vgl. Seibert, Holger (2008): Junge Migranten am Arbeitsmarkt:<br />
Bildung und Einbürgerung verbessern die Chancen, IAB-Kurzbericht<br />
17/2008 und Seibert, Holger/Solga, Heike (2005):<br />
Gleiche Chancen dank einer abgeschlossenen Berufsausbildung?<br />
Zum Signalwert von Ausbildungsabschlüssen bei ausländischen<br />
und deutschen jungen Erwachsenen; in: Zeitschrift<br />
<strong>für</strong> Soziologie 5/2005, S. 364–382.<br />
45
46<br />
Ausbildung<br />
Junge Männer an der ersten Schwelle,<br />
das benachteiligte Geschlecht?<br />
Wie alle arbeitsmarktabhängigen Fragen ist<br />
auch das Thema Ausbildung eine Geschlechterfrage.<br />
Junge Frauen und Männer verfügen<br />
nicht über dieselben Zugänge zum<br />
Berufsbildungssystem. Daran hat sich auch<br />
nach mehreren Jahrzehnten fachlicher<br />
Diskussion und immer wieder unternommener<br />
praktischer Anlaufversuche nichts geändert.<br />
Es hat allerdings mit den beschriebenen<br />
Umstrukturierungsprozessen im<br />
Beschäftigungssystem in den letzten Jahren<br />
spürbare Verschiebungen gegeben, die insbesondere<br />
die jungen Männer betreffen.<br />
Junge Männer dominieren traditionell das<br />
duale System, da hier mehr produzierende<br />
und handwerkliche Berufsfelder – die klassischen<br />
sogenannten ›Männerberufe‹ – angesiedelt<br />
sind. Damit sind sie natürlich auch<br />
überproportional vom allgemeinen Rückgang<br />
der dualen Ausbildungsplätze betroffen.<br />
Es stehen ihnen deutlich weniger Marktangebote<br />
in ihrem angestammten Sektor zur<br />
Verfügung.<br />
Von der parallel stattfindenden Zunahme<br />
der dienstleistungsorientierten Ausbildungsbereiche<br />
profitieren die jungen Frauen,<br />
und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zum einen<br />
natürlich schon in quantitativer Dimension,<br />
da Frauen sich überproportional in den<br />
tertiären Sektor orientieren. Zum anderen<br />
verlassen junge Frauen die <strong>Schule</strong>n durchschnittlich<br />
sowohl mit höherwertigen als<br />
auch den im Notenschnitt besseren Schulabschlüssen,<br />
haben also bessere Karten im<br />
Bewerbungsverfahren in jenen Bereichen,<br />
die von beiden Geschlechtern gleichermaßen<br />
besetzt werden. Drittens sind sie<br />
zwar im dualen System unterrepräsentiert,<br />
belegen aber deutlich mehr Plätze im vollqualifizierenden<br />
Schulberufssystem, das<br />
weite Teile der personenbezogenen <strong>Die</strong>nstleistungsberufe<br />
ausbildet. <strong>Die</strong>se schulischen<br />
Ausbildungsangebote sind zum einen expansiv,<br />
zum anderen auch deutlich wenig<br />
konjunkturabhängig. Sie unterliegen also<br />
in erheblich geringerem Maße den <strong>für</strong> das<br />
duale System charakteristischen Marktschwankungen.<br />
64<br />
Zwar wanderten mit dem Rückgang der<br />
betrieblichen Ausbildungskapazitäten mehr<br />
junge Männer ins Schulberufssystem ab.<br />
Zwischen 1995 und 2004 wuchs der<br />
Männeranteil dort von etwa 25 auf 30 Prozent.<br />
Eine quantitative Kompensation <strong>für</strong><br />
den Rückgang im betrieblichen Ausbildungssektor<br />
konnte damit aber nicht stattfinden.<br />
Zudem ist das Schulberufssystem deutlich<br />
geschlechtsspezifisch ausgerichtet: Hier<br />
werden soziale, Pflegeberufe und vor allem<br />
der gesamte Bereich der Kleinkinderziehung<br />
ausgebildet. <strong>Die</strong>se Berufe werden nur<br />
in geringem Maße von jungen Männern<br />
frequentiert.<br />
64 Vgl. Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus (2007):<br />
a.a.O., S. 47.
All das führte dazu, dass der Frauenanteil<br />
an den vollqualifizierenden Ausbildungsplätzen<br />
zwischen 1995 und 2004 insgesamt<br />
von 46,1 auf 51,1 Prozent gestiegen ist,<br />
Frauen also inzwischen die Mehrzahl aller<br />
verfügbaren Plätze einnehmen. 65<br />
Insgesamt sind männliche <strong>Jugendliche</strong><br />
mit niedrigen Schulabschlüssen unbestreitbar<br />
die Verlierer der Ausbildungsplatzentwicklung<br />
der letzten Jahre. Sie münden mit<br />
einem deutlich höheren Anteil als junge<br />
Frauen in das Übergangssystem ein. Allerdings<br />
bedeuten diese Entwicklungen keinesfalls,<br />
dass junge Frauen an der ersten<br />
Schwelle nun ausschließlich Vorteile davontragen.<br />
Alle Zahlen weisen darauf hin, dass<br />
sie nach wie vor im betrieblichen Ausbildungssektor<br />
unterrepräsentiert sind 66 – mit<br />
der Konsequenz, dass die Genderdichotomie<br />
der Ausbildungsberufe auch künftig<br />
kaum aufgebrochen werden wird. Außerdem<br />
ist der quantitative Aspekt der beschriebenen<br />
Entwicklung nur die halbe Wahrheit,<br />
wenn man nicht parallel dazu die qualitativen<br />
Gesichtspunkte mitbedenkt: Denn nach<br />
wie vor bleibt der Umstand relevant, dass<br />
die typischen Frauenberufe, insbesondere<br />
die im Pflege-, Kleinkinderziehungs- und<br />
Sozialbereich, solche sind, die nicht die<br />
Frau, geschweige denn eine Familie ernähren.<br />
Das traditionelle Familienbild, die<br />
allenthalben und zu Recht beklagte ›Persistenz<br />
des traditionellen Rollenbilds des<br />
Familienernährers‹ 67 , kann sich auf diese<br />
Weise überhaupt nicht überleben, da das<br />
Gros der berufstätigen Frauen nach wie vor<br />
gar keine ökonomische Autonomie besitzt.<br />
So muss man die Redeweise vom ›Elend<br />
der jungen Männer‹ 68 doch deutlich relativieren<br />
und zumindest ein differenziertes<br />
Elend der jungen Leute beiderlei Geschlechts<br />
konstatieren.<br />
65 Vgl. Ebenda, S. 45.<br />
66 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />
a.a.O., S. 162.<br />
67 Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus (2007):<br />
a.a.O., S. 44.<br />
68 Ebenda, S. 44.<br />
47
48<br />
<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze
Michael Galuske ❘ Universität Kassel, Fachbereich Sozialwesen<br />
3 <strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze – über den<br />
aktivierenden Umgang mit Jugendarbeitslosigkeit<br />
3.1 Arbeitslosigkeit und (Sozial-)<br />
Pädagogik – eine Vorbemerkung<br />
Obwohl Arbeitslosigkeit ohne Zweifel in erster<br />
Linie ein ökonomisch bedingtes Problem war<br />
und ist, wurde sie zu keiner Zeit als rein ökonomisches<br />
Phänomen wahrgenommen und<br />
bearbeitet. Wenn von Arbeitslosigkeit die Rede<br />
ist, so schwingt in öffentlichen und politischen<br />
Diskursen immer die Sorge um die Stabilität<br />
der gesellschaftlichen Ordnung und um die<br />
Akzeptanz des um Arbeit zentrierten Lebensund<br />
Normalitätsentwurfs mit. Arbeitslosigkeit<br />
zerstört nicht nur die materielle Basis selbständiger<br />
Lebensführung, Arbeitslosigkeit ist<br />
verweigerte gesellschaftliche Anerkennung,<br />
Ausweis fehlender gesellschaftlicher Nützlichkeit,<br />
aber auch Verdachtsmoment im Hinblick<br />
auf fehlende Motivation und/oder Qualifikation<br />
des Betroffenen. Es ist deshalb naheliegend,<br />
dass die gesellschaftlichen Reaktionen auf<br />
Arbeitslosigkeit in modernen Arbeitsgesellschaften<br />
1 mehr umfassen, als die basale Absicherung<br />
der materiellen Risiken, zumal die<br />
finanzielle Sicherung des Risikos Arbeitslosigkeit<br />
immer unter dem Verdacht stand und<br />
steht, eine ›Hängemattenmentalität‹ zu erzeugen<br />
und den ›Willen zur Selbständigkeit‹ der<br />
Betroffenen zu schwächen. <strong>Die</strong>s gilt verstärkt<br />
bei jugendlichen Arbeitslosen, die gerade erst<br />
dabei sind, ihren arbeitsgesellschaftlichen<br />
Habitus (›arbeite, um zu leben, arbeite mehr,<br />
um besser zu leben‹) auszubilden.<br />
Es ist deshalb naheliegend, dass Arbeitslosigkeit<br />
und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit<br />
immer auch zum Gegenstand (sozial-)<br />
pädagogischer Bemühungen wurde und wird.<br />
Schon der 40. Deutsche Fürsorgetag in<br />
Hamburg 1927 widmete sich dem Thema der<br />
Arbeits<strong>für</strong>sorge ›als Gesamtheit der Maßnahmen,<br />
die Erwerbsschwachen entweder<br />
Fürsorge in Gestalt von Arbeitsmöglichkeiten<br />
gewähren oder sie zu selbständigen Arbeitsleistungen<br />
zu befähigen sucht‹ 2 , mit dem<br />
Ziel ›berufsfähige Personen wieder in die Wirtschaft<br />
einzugliedern‹ 3 .<br />
Besonderes Augenmerk legt die Arbeits<strong>für</strong>sorge<br />
auf Hilfen <strong>für</strong> berufsschwache <strong>Jugendliche</strong><br />
aus Hilfs- und Volksschulen, die zur ›Schlüssel<strong>für</strong>sorge<br />
<strong>für</strong> die gesamte Arbeit an der schulentlassenen<br />
gefährdeten Jugend‹ 4 erklärt<br />
wurde. <strong>Die</strong> in der Weimarer Republik entwickelte<br />
Palette an schulischen und außerschulischen<br />
Bildungs- und Arbeits›angeboten‹<br />
ist quasi die Geburtsstunde der – in modernen<br />
Worten gesprochen – Jugendberufshilfe als<br />
Teilbereich der Jugendsozialarbeit, die sich<br />
vor allem seit der Nachkriegszeit und im<br />
Gefolge der Massenarbeitslosigkeit ab den<br />
1970er Jahren zu einem ausdifferenzierten<br />
System beratender, berufsvorbereitender und<br />
(aus-)bildender und beschäftigungsorientierter<br />
Hilfen entwickelt hat. 5<br />
1 ›Eine Arbeitsgesellschaft ist eine Gesellschaft, in der soziale<br />
Zugehörigkeit wesentlich daran geknüpft ist, dass man seinen<br />
Arbeitsbeitrag leistet. Wir leben in einer Arbeitsgesellschaft.<br />
Das Recht auf soziale Zugehörigkeit nimmt bei uns die Form<br />
eines Rechtes auf Arbeit an.‹ Krebs, A. (2002): Arbeit und<br />
Liebe. <strong>Die</strong> philosophischen Grundlagen sozialer Gerechtigkeit,<br />
S. 18.<br />
2 Wunderlich 1927, zitiert nach Hermanns, M. (2001): Ursprünge<br />
der Jugendsozialarbeit in der Weimarer Republik, S. 30;<br />
in: Fülbier, P./Münchmeier, R. (Hrsg.): Handbuch Jugendsozialarbeit,<br />
Band 1.<br />
3 Ebenda, S. 30.<br />
4 Ebenda, S. 30.<br />
5 Vgl. Galuske, M. (1993): Das Orientierungsdilemma.<br />
Jugendberufshilfe, sozialpädagogische Selbstvergewisserung<br />
und die modernisierte Arbeitsgesellschaft.<br />
49
50<br />
<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />
Dabei waren die berufsbezogenen Hilfen – so<br />
selbstverständlich wie sie mittlerweile zur<br />
Angebotspalette der Sozialen Arbeit gehören<br />
– in der Fachdiskussion nie unumstritten, weil<br />
sie in Verdacht standen, ein ökonomisches<br />
Problem zu einem Bildungsproblem umzudefinieren<br />
und damit zur Individualisierung der<br />
Ursachen eines zutiefst gesellschaftlichen<br />
Problems beizutragen. Anders ausgedrückt:<br />
Arbeitslosigkeit als Bildungsproblem anzugehen<br />
trägt dazu bei, die Betroffenen zu Schuldigen<br />
zu erklären, die über zu geringe Qualifikation,<br />
Flexibilität, Motivation und so weiter<br />
verfügen. <strong>Die</strong> Kritik an den etablierten Strategien<br />
des (sozial-)pädagogischen Umgangs mit<br />
Jugendarbeitslosigkeit zielte dabei insbesondere<br />
auf das Selbstverständnis der Jugendberufshilfe<br />
als ›Brücke zur Arbeitswelt‹, dass<br />
sich in der Praxis angesichts der wachsenden<br />
Arbeitslosigkeit der 1980er und 1990er Jahre<br />
und der voranschreitenden Flexibilisierung<br />
der Arbeitsmärkte zunehmend als unrealistisch<br />
erwies. 6 Aus pädagogischer Perspektive<br />
wurden Konzepte des Umgangs mit der<br />
›vergessenen Jugend der Arbeitsgesellschaft‹ 7<br />
eingefordert, die nicht nur auf die zunehmend<br />
unsicherere Arbeitsmarktintegration abzielen,<br />
sondern umfassend die lebensweltlichen Kompetenzen<br />
und Ressourcen des Klienten zur<br />
Bewältigung ihres Alltags in den Blick nehmen<br />
und stärken 8 . Und in der Tat schienen die<br />
Gedanken Ende der 1990er Jahre auch die<br />
Träger der Jugendsozialarbeit erreicht zu<br />
haben, die in einem Grundsatzpapier der mittlerweile<br />
aufgelösten Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
Jugendsozialarbeit e.V. (BAG JAW) feststellen:<br />
›Da aber unter den gegebenen Rahmenbedingungen<br />
eine Vollbeschäftigung nicht<br />
zu erreichen ist, wird es auch nicht gelingen,<br />
alle jungen Menschen durchgängig in Erwerbsarbeit<br />
zu integrieren. Den betroffenen jungen<br />
Frauen und Männern müssen deshalb über<br />
die Maßnahmen zur Berufsorientierung und<br />
der beruflichen Ausbildung oder Qualifizierung<br />
hinaus Angebote gemacht werden, die ihre<br />
Chancen sichern helfen, ihnen eine Perspektive<br />
eröffnen und ihrem Leben einen Rahmen<br />
geben. So verstehen sich die nachfolgenden<br />
Gedanken nicht als eine Alternative zu einer<br />
aktiven Arbeitsmarktpolitik <strong>für</strong> junge Menschen,<br />
sondern als Anregung <strong>für</strong> notwendige<br />
Erweiterungen der bisherigen Antworten der<br />
Jugendsozialarbeit.‹ 9<br />
<strong>Die</strong>ser Blick zurück auf die ›pädagogische<br />
Seite‹ der gesellschaftlichen Reaktionen auf<br />
(Jugend-)Arbeitslosigkeit ist als Einstieg notwendig,<br />
um sich zu vergegenwärtigen, dass<br />
der Ausschluss vom Arbeitsmarkt – zumindest<br />
in modernen, wohlfahrtsstaatlich verfassten<br />
Arbeitsgesellschaften immer auch Gegenstand<br />
schulischer und außerschulischer pädagogischer<br />
Bemühungen war und ist. Der Blick<br />
zurück ist aber auch deshalb notwendig, weil<br />
wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts in eine<br />
neue Ära des pädagogischen Umgangs mit<br />
Arbeitslosigkeit getreten sind. Anders ausgedrückt:<br />
<strong>Die</strong> kurzen, lebensweltorientierten<br />
Blütenträume am Ende des 20. Jahrhunderts<br />
waren angesichts der sozialpolitischen Stürme<br />
zu Beginn des 21. Jahrhunderts schnell ausgeträumt<br />
und wurden ersetzt durch die effizienzschwangeren<br />
Ordnungsphantasien der<br />
aktivierenden Sozialstaatsmodernisierer. Mit<br />
der Agenda 2010 und insbesondere den<br />
Hartz-Gesetzen zur Reform der Arbeits- und<br />
Sozialverwaltung ist ein sozialpolitischer Paradigmenwechsel<br />
vollzogen worden, ein fundamentaler<br />
Bruch mit den Prinzipien wohlfahrtsstaatlichen<br />
Handelns im ›goldenen Zeitalter‹ 10 .<br />
Für Ulrich Beck sind die Hartz-Reformen<br />
deshalb ›nichts weniger als eine Verfassungsänderung‹<br />
11 .<br />
6 Vgl. Galuske, M. (2002): Flexible Sozialpädagogik. Aspekte einer<br />
Theorie Sozialer Arbeit in der modernen Arbeitsgesellschaft.<br />
7 Krafeld, F.J. (2000): <strong>Die</strong> überflüssige Jugend der Arbeitsgesellschaft.<br />
Eine Herausforderung an die Pädagogik.<br />
8 Vgl. Galuske, M. (2004): Lebensweltorientierte Jugendsozialarbeit;<br />
in: Grundwald, K./Thiersch, H. (Hrsg.): Praxis lebensweltorientierter<br />
Sozialer Arbeit und Krafeld, F.J. (2000): a.a.O.<br />
9 BAG JAW (1999): Jugendsozialarbeit und (Erwerbs-)Arbeit.<br />
Diskussionspapier des Fachausschusses II ›Grundsatzfragen der<br />
Jugendsozialarbeit‹, S. 1.<br />
10 Lessenich, S. (2008): <strong>Die</strong> Neuerfindung des Sozialen.<br />
Der Sozialstaat im flexiblen Kapitalismus, S. 59.<br />
11 Beck, U. (2005): Was zur Wahl steht, S. 45.
Sie stehen beispielhaft <strong>für</strong> einen fundamentalen,<br />
neoliberalen Paradigmenwechsel in der<br />
Sozialpolitik 12 , den die internationale Sozialstaatsforschung<br />
in fast allen industrie- beziehungsweise<br />
dienstleistungskapitalistischen<br />
Gesellschaften beobachtet und der in Deutschland<br />
im Konzept des aktivierenden Sozialstaats<br />
seine Zuspitzung findet.<br />
<strong>Die</strong>ser aktivierende Sozialstaat und seine<br />
Parole vom ›Fördern und Fordern‹ ist im Kern<br />
nichts anderes als ein gigantisches Programm<br />
der Verhaltensmodifikation, der Förderung des<br />
›unternehmerischen Selbst‹ 13 , des flexiblen<br />
Menschen, der sich auch in den Stürmen der<br />
globalen Ökonomie behauptet, selbst in den<br />
Randzonen der Arbeitsgesellschaft. <strong>Die</strong>se<br />
These zu veranschaulichen und zu plausibilisieren<br />
ist Gegenstand des folgenden Beitrags.<br />
Nach einführenden Bemerkungen zur (pädagogischen)<br />
Philosophie des aktivierenden Sozialstaats<br />
wird am Beispiel der Hartz-Gesetze im<br />
Allgemeinen und der Sonderrolle der <strong>Jugendliche</strong>n<br />
im Besonderen herausgearbeitet, welches<br />
pädagogische Programm der aktivierende<br />
Sozialstaat insbesondere im Hinblick auf<br />
diejenigen entfaltet, die den steigenden Anforderungen<br />
der Ökonomie nicht gewachsen<br />
sind. <strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze findet<br />
dabei ihren prototypischen Ausdruck in der<br />
Figur des Fallmanagers, der mit ›Zuckerbrot<br />
und Peitsche‹ den hürdenreichen Weg in die<br />
arbeitsmarktabhängige Selbstständigkeit der<br />
Betroffenen managen soll. 14<br />
3.2 Aktivierender Sozialstaat<br />
und Hartz-Gesetze<br />
›Ich werd Hartz IV‹, so die Antwort eines türkischen<br />
Hauptschülers der im Sommer 2006<br />
kurzzeitig zu trauriger Popularität gelangten<br />
Berliner Rütli-<strong>Schule</strong> auf die Frage eines Fernsehreporters,<br />
wie er sich seine Zukunft vorstelle<br />
– und jeder weiß, was gemeint ist. Ob<br />
›Hartz IV – <strong>Die</strong> Kneipe‹ oder ›Hartz IV – Das<br />
Musical‹ (um nur einige Beispiele zu nennen),<br />
wohl kaum eine sozialpolitische Innovation der<br />
letzten dreißig Jahre hat so nachdrückliche<br />
und eindringliche Spuren im Alltagsbewusstsein<br />
der Menschen hinterlassen, wie die Reformen<br />
der Arbeits- und Sozialverwaltung der<br />
letzten Jahre, die sogenannten Hartz-Refor-<br />
men. Insbesondere die Einführung der Grundsicherung<br />
<strong>für</strong> Arbeitslose im Rahmen des<br />
SGB II – alltagssprachlich als Hartz IV bezeichnet<br />
– ist zum vielschichtigen Symbol geworden:<br />
Hartz IV steht da<strong>für</strong>, dass <strong>für</strong> eine wachsende<br />
Gruppe der Bevölkerung eine planbare,<br />
sichere und ausreichend alimentierte<br />
Perspektive auf dem Arbeitsmarkt mehr und<br />
12 Stephan Lessenich (2008, a.a.O., 13 f.) hat sich vehement<br />
gegen eine Charakterisierung des Reformprozesses als neoliberal<br />
gewandt, da sie entgegen der neoliberalen Ideologie nicht zu<br />
weniger Staatstätigkeit, sondern lediglich zu einer Verlagerung<br />
führt. Lessenich plädiert vielmehr da<strong>für</strong>, den Prozess als neosozial<br />
zu bezeichnen, da er im Wesentlichen auf eine Neudefinition<br />
des Sozialen zielt. So berechtigt der Einwand sein mag, so<br />
übersieht er eventuell, dass der Abbau von Staatstätigkeit<br />
zwar zum ideologischen Gebäude des Neoliberalismus gehört,<br />
er aber in der Realität immer Verlagerung (zum Beispiel vom<br />
Sozial- in das Justiz- und Strafrechtssystem wie in den USA)<br />
praktiziert, wie Naomi Klein dies in ihrer internationalen Studie<br />
eindrucksvoll nachgezeichnet hat (vgl. Klein, N. (2007): <strong>Die</strong><br />
Schockstrategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus).<br />
13 Vgl. Bröckling, U. (2007): Das unternehmerische Selbst.<br />
Soziologie einer Subjektivierungsform.<br />
14 Vgl. dazu ausführlich Galuske, M. (2007): Case Management<br />
und aktivierender Sozialstaat. Kritische Anmerkungen zu einer<br />
Erfolgsgeschichte; in: Soziale Arbeit 11+12/2007, S. 409–417.<br />
Wenn im Folgenden die Pädagogik des aktivierenden Sozialstaats<br />
am Beispiel der Hartz-Gesetze und ihres Umgangs mit<br />
arbeitslosen <strong>Jugendliche</strong>n rekonstruiert wird, so geschieht<br />
dies vor allem im Hinblick auf die Strukturen und Philosophien<br />
der (pädagogischen) Programme und Angebote, weniger aus<br />
der Perspektive ihrer (Aus-)Wirkungen auf die Betroffenen, weil<br />
in diesem Punkt verlässliche Studien bislang fehlen.<br />
51
52<br />
<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />
mehr zur Illusion wird. 15 Hartz IV steht <strong>für</strong> eine<br />
neue Klasse, die ›Hartz-IV-Klasse‹ 16 , die neue<br />
soziale Unterschicht, das ›abgehängte Prekariat‹,<br />
das nicht mehr am wachsenden Reichtum<br />
der Gesellschaft partizipiert, sondern sich<br />
dauerhaft in den Randzonen der Unsicherheit<br />
einrichten muss. Hartz IV steht darüber hinaus<br />
da<strong>für</strong>, dass der sozialpolitische Wind im Lande<br />
kälter geworden ist: Arbeitslose sollen sich<br />
nicht mehr in der sozialen Hängematte zur<br />
Ruhe legen, sondern sie sollen sich angespornt<br />
durch eine minimalste Absicherung und<br />
angetrieben durch die neue, radikalisierte<br />
›Fördern-und-Fordern‹-Philosophie in Bewegung<br />
halten und sich den ständig wechselnden<br />
Erfordernissen der Märkte stellen.<br />
In der Tat repräsentieren die Hartz-Gesetze<br />
in idealtypischer Form die Philosophie des<br />
neuen, aktivierenden Sozialstaats, der sich<br />
weltweit als Antwort auf die Herausforderungen<br />
der globalisierten Moderne durchgesetzt<br />
hat. <strong>Die</strong> den Modernisierungsprozess prägende<br />
Ideologie basiert im Wesentlichen auf<br />
zwei aufeinander bezogenen Prinzipien: mehr<br />
Markt und mehr Eigenverantwortung. So ist<br />
die unhinterfragte Basisideologie die, dass<br />
der Markt das grundsätzlich leistungsfähigere<br />
Steuerungsinstrument ist, egal ob es sich um<br />
die Organisation der Familie, eines Altenheimes,<br />
einer Kommune oder einer Imbissbude<br />
handelt. Konkurrenz, und sei sie inszeniert,<br />
fördert die Effizienz und Leistungsfähigkeit bei<br />
der Anfertigung eines Personalausweises, bei<br />
der Inhaftierung eines Strafgefangenen sowie<br />
bei der Beratung von Arbeitslosen. 17 Lebenszusammenhänge,<br />
Organisationen, Probleme,<br />
Handlungen, Übergänge und so weiter müssen<br />
folgerichtig ›gemanagt‹ werden. So werden<br />
die ›Hausfrau‹ zur ›Familienmanagerin‹,<br />
die Bundeskanzlerin zur Vorstandsvorsitzenden<br />
der Deutschland-AG und die sozialpädagogische<br />
Einzelfallhilfe zum Fallmanagement.<br />
Um in dieser Marktgesellschaft mehr oder<br />
minder gedeihlich zu überleben, bedarf es<br />
allerdings einer neuen Haltung der Menschen,<br />
einer Abkehr von der ›Vollkaskomentalität‹ des<br />
gewährleistenden Sozialstaats und der Stärkung<br />
der Eigenverantwortung des Einzelnen. 18<br />
Das neue Leitbild des aktivierenden Staates<br />
zielt darauf ab, die Subjekte mit dem nötigen<br />
Startkapital in Form von ›Bildungsgütern‹<br />
auszustatten und er ›fördert und fordert‹<br />
vor allem diejenigen, die beim Marktspiel nicht<br />
in der ersten Reihe stehen.<br />
15 Ulrich Beck betont in diesem Sinne zusammenfassend: ›Das Herausragende<br />
ist vielmehr die Ausbreitung des Prekären, Diskontinuierlichen,<br />
Flockigen, Informellen hinter den Fassaden der<br />
immer gespenstischer werdenden offiziellen Beschäftigungsstatistik.<br />
Im Zentrum Deutschlands breitet sich ein sozialstruktureller<br />
Flickenteppich aus, will sagen: die Vielfalt, Unübersichtlichkeit<br />
und Unsicherheit von Arbeits-, Biographie- und Lebensformen,<br />
wie sie <strong>für</strong> den südlichen Teil unseres Globus charakteristisch<br />
ist. Sind in Brasilien ambulante Verkäufer, Kleinhändler, Kleinhandwerker,<br />
<strong>Die</strong>nstboten aller Art typisch, sind es bei uns<br />
Arbeits-Nomaden, die zwischen verschiedenen Tätigkeiten,<br />
Beschäftigungsformen und Ausbildungen hin und her pendeln.‹<br />
Beck, U. (2005): a.a.O., S. 33. Vergleiche dazu die Befunde der<br />
vorliegenden Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung.<br />
Darüber hinaus Lessenich, S./Nullmeier, F. (2006):<br />
Deutschland – eine gespaltene Gesellschaft; Klinger, N./König, J.<br />
(2006): Einfach abgehängt. Ein wahrer Bericht über die neue<br />
Armut in Deutschland; Bude, H./Willisch, A. (2008): Exklusion.<br />
<strong>Die</strong> Debatte über die ›Überflüssigen‹.<br />
16 Klinger, N./König, J. (2006): a.a.O., S. 113.<br />
17 ›Der Neoliberalismus ersetzt ein begrenzendes und äußerliches<br />
durch ein regulatorisches und inneres Prinzip: Es ist die Form<br />
des Marktes, die als Organisationsprinzip des Staates und der<br />
Gesellschaft dient.‹ Lemke, T./Krasmann, S./Bröckling, U.<br />
(2000): Gouvernementalität, Neoliberalismus und Selbsttechnologien.<br />
Eine Einleitung, S. 15; in: Bröckling, U./Krasmann,<br />
S./Lemke, T. (Hrsg.) (2000): Gouvernementalität der Gegenwart.<br />
Studien zur Ökonomisierung des Sozialen.<br />
18 ›Sozialpolitik (so Heribert Prantl) war der Tribut, den das Kapital<br />
im Interesse möglichst reibungslosen Wirtschaftens über hundert<br />
Jahre lang nolens volens zu entrichten bereit war. Weil heute der<br />
Gegner keine Kraft mehr hat, ist es damit vorbei. Es heißt jetzt<br />
Eigenverantwortung, wenn die Schwächeren sich selbst überlassen<br />
bleiben.‹ Prantl, H. (2005): Kein schöner Land. <strong>Die</strong> Zerstörung<br />
der sozialen Gerechtigkeit, S. 18. Peter Bofinger betont<br />
in diesem Sinne: ›Und da Sozialabbau nicht besonders gut<br />
klingt, spricht man heute gern davon, dass die Eigenverantwortung<br />
gestärkt werden muss.‹ Bofinger, P. (2006):<br />
Wir sind besser, als wir glauben. Wohlstand <strong>für</strong> alle, S. 15.
Ansonsten ist entscheidend, wie der Einzelne<br />
seine Verantwortung wahrnimmt und sich<br />
auf dem Markt behauptet. 19 Dahinter verbirgt<br />
sich ein neues Menschen- und Leitbild: <strong>Die</strong><br />
Subjekte sollen sich wie Unternehmer verhalten,<br />
stets bedacht auf die optimale Pflege der<br />
eigenen Marktgängigkeit und den Abbau von<br />
Markt- und Mobilitätshemmnissen. 20<br />
Der Anspruch einer gesteigerten Selbstverantwortung<br />
wird nirgendwo deutlicher als im<br />
Zentralbegriff der Aktivierung. Sozialpolitische<br />
Maßnahmen sollen nicht mehr Untätigkeit<br />
absichern, sondern, so der Kern des Aktivierungsbegriffes,<br />
die Menschen fördern und<br />
fordern, sich besser auf die Erfordernisse des<br />
Arbeitsmarktes einstellen zu können, um<br />
perspektivisch ein selbständiges Leben führen<br />
zu können. <strong>Die</strong>ser Kerngedanke des aktivierenden<br />
Sozialstaats wird nirgends deutlicher<br />
als in den Regelungen zur Grundsicherung <strong>für</strong><br />
Arbeitsuchende. Demnach sind Arbeitsuchende<br />
bei Androhung von Sanktionen in Form<br />
von Leistungskürzungen und Sperrzeiten dazu<br />
verpflichtet, ihre Beziehungs-, Wohn- und finanziellen<br />
Verhältnisse offenzulegen, sich permanent<br />
nachweislich um eine Beschäftigung<br />
zu bemühen, wobei (fast) jede Beschäftigung<br />
zumutbar ist. Sie müssen jedes angebotene<br />
Qualifizierungs- oder Beschäftigungsangebot<br />
annehmen, einen Eingliederungsvertrag abschließen<br />
(sonst kann er als Verwaltungsakt<br />
erlassen werden) und sich nachweislich an<br />
die dort getroffenen Vereinbarungen halten.<br />
Anhand der Regelungen zur Grundsicherung<br />
<strong>für</strong> Arbeitsuchende lassen sich drei Strukturprinzipien<br />
des Aktivierungsgedankens veranschaulichen:<br />
Erstens sind die Hartz-Gesetze prototypisch<br />
<strong>für</strong> den Wandel von ›welfare‹ zu ›workfare‹,<br />
das heißt zu einem sozialpolitischen Modell,<br />
das nicht die selbstverständliche Sicherung<br />
eines Minimums an soziokultureller Teilhabe<br />
ins Zentrum der Bemühungen stellt, sondern<br />
die Förderung der Arbeitsfähigkeit, der<br />
›employability‹ der Bürger. ›Aktivierungspolitik<br />
und investive Sozialpolitik sind Strategien zur<br />
Herstellung beziehungsweise Wiederherstellung<br />
individueller Wettbewerbsfähigkeit und<br />
deshalb spricht man auch verschiedentlich<br />
offen davon, dass das alte Sozialstaatspostulat<br />
von der ›Hilfe zur Selbsthilfe‹ zu ersetzen<br />
sei durch das neue Sozialstaatspostulat ›Hilfe<br />
im Wettbewerb‹.‹ 21 <strong>Die</strong> Erzeugung von Humankapital<br />
wird zum Kern aller sozialpolitischen<br />
Bemühungen des aktivierenden Staates und<br />
zum alleinigen Erfolgsindikator vom Kindergarten<br />
über <strong>Schule</strong> und Universität bis hin zur<br />
Arbeitsförderung.<br />
Zweitens zeigen die Hartz-Gesetze nachdrücklich,<br />
dass die Strategien des aktivierenden<br />
Sozialstaats in erster Linie verhaltensund<br />
nicht verhältnisorientiert sind. Nicht<br />
(Arbeits-)Märkte werden reguliert, sondern die<br />
Menschen sollen fit gemacht werden <strong>für</strong> den<br />
Wettbewerb, <strong>für</strong> das Ergebnis sind sie letztlich<br />
allein verantwortlich – im Erfolg wie im Scheitern.<br />
Deswegen verlagern sich die Aktivitäten<br />
des Sozialstaats von der materiellen Unterstützung<br />
hin zur personenbezogenen <strong>Die</strong>nstleistung.<br />
19 Der ehemalige Arbeits- und Sozialminister der Kohl-Regierung,<br />
Norbert Blüm, hat die Koordinaten des neuen, aktivierenden<br />
Gesellschaftsmodells anschaulich zusammengefasst: ›Wir haben<br />
es mit einer Wirtschaft zu tun, die sich anschickt, totalitär zu<br />
werden, weil sie alles unter den Befehl einer ökonomischen Ratio<br />
zu zwingen sucht. (…) Aus Marktwirtschaft soll Marktgesellschaft<br />
werden. (…) Er erobert nicht mehr Gebiete, sondern macht sich<br />
auf, Hirn und Herz der Menschen einzunehmen. Sein Besatzungsregime<br />
verzichtet auf körperliche Gewalt und besetzt die Zentralen<br />
der Innensteuerung des Menschen. (…) Aus der menschlichen<br />
Person wird eine ›Ich-AG‹, aus Bildung ›Humankapital‹.<br />
Was sich nicht in ökonomischer Terminologie ausdrücken lässt,<br />
gibt es nicht mehr.‹ Blüm, N. (2006): Gerechtigkeit. Eine Kritik<br />
des Homo oeconomicus, S. 81.<br />
20 Vgl. Bröckling, U. (2007): a.a.O.<br />
In den Worten der Grundwertekommission der SPD: ›Der Staat<br />
schafft die Rahmenbedingungen, deren faire Chancen dann die<br />
Bürger in individueller Verantwortung wahrnehmen sollen. Danach<br />
gilt <strong>für</strong> die Verteilung das (meritokratische) Prinzip des Marktes‹.<br />
Grundwertekommission beim Parteivorstand der SPD (1999):<br />
Dritte Wege – Neue Mitte, sozialdemokratische Markierungen <strong>für</strong><br />
Reformpolitik im Zeitalter der Globalisierung, S. 11.<br />
21 Dahme, H.J./Wohlfahrt, N. (2005): Sozialinvestitionen. Zur Selektivität<br />
der neuen Sozialpolitik und den Folgen <strong>für</strong> die Soziale<br />
Arbeit, S. 13; in: Dahme, H.J./Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Aktivierende<br />
Soziale Arbeit.<br />
53
54<br />
<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />
Hier schlägt das Herz des aktivierenden<br />
Staates, sein ›pädagogisches Programm‹, die<br />
Formung der Menschen nach den Erfordernissen<br />
der Ökonomie durch Prävention,<br />
Bildung, Qualifizierung, Beratung und Betreuung.<br />
22 Auf diesem Hintergrund erklärt sich<br />
auch die geradezu wundersame Karriere der<br />
Bildung im öffentlichen und politischen Diskurs<br />
der letzten Jahre. Oder wie es Angela Merkel<br />
in ihrer Regierungserklärung vom 16.09.2008<br />
formulierte: ›Es geht um die Zukunft der<br />
Menschen in unserem Land; denn Bildung <strong>für</strong><br />
alle ist die entscheidende Voraussetzung <strong>für</strong><br />
Einstieg in Arbeit und Aufstieg durch Arbeit,<br />
und zwar <strong>für</strong> jeden, der in diesem Land lebt,<br />
egal, aus welchem Elternhaus er kommt. (…)<br />
Einfach mehr Geld umzuverteilen, schafft<br />
nämlich Abhängigkeit vom Staat und zementiert<br />
die Menschen in ihrer Situation, die heute<br />
nicht das schaffen können, was sie wollen.<br />
Bildung <strong>für</strong> alle ermöglicht es dagegen allen,<br />
sich eigenen Wohlstand zu erarbeiten. Daraus<br />
folgt, in einem Satz gesagt: <strong>Die</strong> Bildungsrepublik<br />
ist der beste Sozialstaat.‹ 23 Ob Prävention<br />
oder Intervention, ob Fettleibigkeit oder<br />
Arbeitslosigkeit, das Allheilmittel scheint<br />
gefunden: <strong>Die</strong> ›Bildung‹ des Einzelnen.<br />
<strong>Die</strong> Kehrseite der Förderung ist allerdings<br />
die Forderung, die insbesondere dort zum Tragen<br />
kommt, wo der Einzelne die als erwartbar<br />
geltenden Anforderungen nicht erfüllt. Drittens<br />
ist deshalb der aktivierende Sozialstaat durch<br />
eine zunehmende Paternalisierung gekennzeichnet,<br />
das heißt durch eine sanktionsflankierte<br />
Verknüpfung von Rechten und Pflichten,<br />
wie sie auch und gerade die Regelungen der<br />
Grundsicherung <strong>für</strong> Arbeitsuchende kennzeichnet,<br />
auf die noch einzugehen sein wird. <strong>Die</strong><br />
neue Kontroll- und Sanktionsorientierung des<br />
Sozialstaates, die sich in seiner präventiven<br />
Grundhaltung ebenso manifestiert, wie im<br />
Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in Rufen<br />
nach geschlossener Unterbringung und härteren<br />
Strafen <strong>für</strong> jugendliche Rechtsbrecher 24 ,<br />
beschert auch der Pädagogik längst überwunden<br />
geglaubte Debatten über das ›Lob der<br />
Disziplin‹ 25 und ähnliche Irrwege. Anders ausgedrückt:<br />
<strong>Die</strong> Soziale Arbeit erlebt ein kaum<br />
<strong>für</strong> möglich gehaltenes Comeback der ›<strong>für</strong>sorglichen<br />
Belagerung‹ als methodisches Prinzip,<br />
das von der Politik eingefordert wird. 26<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass<br />
der aktivierende Sozialstaat ein durch und<br />
durch pädagogisches Programm präsentiert,<br />
dass die Lösung der Gegenwarts- und<br />
Zukunftsfragen der globalen Arbeitsgesellschaft<br />
in der verbesserten Subjektausstattung<br />
findet, zur Not mit Zwang, Druck und Sanktionen.<br />
Olaf Behrend hat in diesem Sinne die<br />
Typik des Umgangs mit Arbeitslosen unter<br />
der Ägide der Hartz-Reformen beschrieben als<br />
›fallspezifische Durchsetzung der standardisierten<br />
Verfahrensweisen und der verschärften<br />
Gangart der Kontrolle und Durchsetzung von<br />
Motivation und Akzeptanz von Arbeit jeglicher<br />
Art. Das Handlungsprogramm weiß immer<br />
schon, was der ›Kunde‹ will, der Vermittler<br />
muss jedem ›Kunden nur noch klar machen,<br />
dass er es auch will‹. 27<br />
Im Folgenden gilt es diese Merkmale am<br />
Beispiel des Umgangs mit arbeitslosen<br />
<strong>Jugendliche</strong>n zu konkretisieren.<br />
22 Gabrielle Gillen spricht noch etwas deutlicher von der<br />
›Abrichtung des Volkes auf die Bedürfnisse der Wirtschaft‹.<br />
Gillen, G. (2004): Hartz IV. Eine Abrechnung, S. 85.<br />
23 Dass der aktuelle Bildungsbegriff außer der Worthülse nichts<br />
mehr mit seinem traditionellen Gehalt, nämlich der Förderung<br />
der individuellen Kraft und Selbstständigkeit der Subjekte zu tun<br />
hat, sei an dieser Stelle nur erwähnt. Vgl. dazu ausführlich<br />
Liessmann, K.P. (2006): Theorie der Unbildung.<br />
24 Vgl. Brumlik, M. (2008): Ab nach Sibirien? Wie gefährlich ist<br />
unsere Jugend?<br />
25 Vgl. kritisch Brumlik, M. (Hrsg.) (2007): Vom Missbrauch der<br />
Disziplin: Antworten der Wissenschaften auf Bernhard Bueb.<br />
26 So forderte etwa der aktuelle nordrhein-westfälische Arbeitsminister<br />
Karl-Josef Laumann in einem Thesenpapier <strong>für</strong> die CDU-<br />
Fraktion aus dem Jahr 2001, dass sozialarbeiterische Unterstützung<br />
von Arbeitslosen als eine Art ›<strong>für</strong>sorgliche Belagerung‹<br />
organisiert werden müsse, um zu verhindern, dass sich Menschen<br />
dauerhaft in der Sozialhilfe einrichten (vgl. Kessel, F.<br />
(2005): Soziale Arbeit als aktivierungspädagogischer Transformationsriemen,<br />
S. 35; in: Dahme, H.J./Wohlfahrt, N. (Hrsg.)<br />
(2005): Aktivierende Soziale Arbeit) – und schon hat sich eine<br />
ehemals kritisch-analytische Kategorie zur Programmformel<br />
entwickelt.<br />
27 Behrend, O. (2007): ›... das geht zu Lasten eigener Emotionalität‹<br />
– Instrumente zur Kundensteuerung in Arbeitsverwaltungen<br />
aus Sicht von Arbeitsvermittlern, S. 115; in: Ludwig-Mayerhofer,<br />
W./Behrend, O./Sondermann, A. (Hrsg.): Fallverstehen und Deutungsmacht.<br />
Akteure in der Sozialverwaltung und ihre Klienten.
3.3 Hartz IV und die Jugend<br />
Nach Maßgabe des SGB II gilt als erwerbsfähiger<br />
Hilfebedürftiger, wer älter als 15 Jahre<br />
ist und mindestens drei Stunden täglich einer<br />
Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Im Jahr<br />
2007 waren demnach rund eine Million<br />
Empfänger von Grundsicherung im Alter von<br />
15 bis 24 Jahren, mithin fast jeder fünfte<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige im Rechtskreis<br />
des SGB II, davon war circa ein Drittel arbeitslos<br />
gemeldet.<br />
Zunächst unterliegen <strong>Jugendliche</strong> und<br />
Heranwachsende im Rechtskreis des SGB II<br />
denselben Pflichten wie alle erwerbsfähigen<br />
Hilfesuchenden: Sie müssen ihre persönlichen<br />
Lebensverhältnisse offenlegen, sich in ausreichendem<br />
Maße bemühen, den Zustand der<br />
Arbeitslosigkeit zu überwinden (zum Beispiel<br />
durch dokumentierte Bewerbungen, Teilnahme<br />
an Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsgelegenheiten<br />
et cetera) und den Vorgaben und<br />
Absprachen unverzüglich nachkommen.<br />
<strong>Jugendliche</strong> und Heranwachsende sind allerdings<br />
eine Zielgruppe, die von den Hartz-<br />
Gesetzen in besonderer Weise ins Visier<br />
genommen wird. So bestimmt § 3Absatz 2<br />
SGB II ›erwerbsfähige Hilfebedürftige, die das<br />
25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,<br />
sind unverzüglich nach Antragstellung auf<br />
Leistungen nach diesem Buch in eine Arbeit,<br />
eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit<br />
zu vermitteln.‹ <strong>Die</strong> Job-Center unterliegen<br />
mithin in Bezug auf <strong>Jugendliche</strong> und Heranwachsende<br />
einem Vermittlungsdiktat. ›<strong>Die</strong> Vorschrift<br />
zwingt das Job-Center, ohne vermeidbaren<br />
Zeitverzug irgendwas – also Ausbildung,<br />
Arbeit oder zumindest eine Arbeitsgelegenheit<br />
– in jedem Einzelfall anzubieten, sie stellt<br />
somit eine unbedingte Handlungs- beziehungsweise<br />
Aufgabenverpflichtung dar.‹ 28<br />
Konkret bedeutet ›unverzüglich‹ nach<br />
Vorgaben der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA),<br />
dass die Erstberatung eines arbeitslosen<br />
<strong>Jugendliche</strong>n mit Profiling innerhalb von einer<br />
Woche nach Antragstellung erfolgen soll, der<br />
Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung<br />
innerhalb von drei Wochen nach Antragstellung<br />
sowie ein konkretes Angebot an Arbeit,<br />
Arbeitsgelegenheit oder Qualifizierung innerhalb<br />
von vier Wochen nach Abschluss der<br />
Eingliederungsvereinbarung. 29 Politisches Ziel<br />
ist es, dass jeder <strong>Jugendliche</strong> innerhalb von<br />
drei Monaten in irgendeiner Art und Weise<br />
›versorgt‹ sein soll oder anders ausgedrückt:<br />
Er soll nicht länger als drei Monate untätig<br />
herumsitzen und ›Stütze‹ beziehen, was in der<br />
Realität fast erreicht wurde. Nach Angaben<br />
der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit sank die durchschnittliche<br />
Dauer der Arbeitslosigkeit bei<br />
15- bis 24-Jährigen von 4,5 Monate auf 3,9<br />
Monate im Jahr 2007. 30<br />
Wie gestaltet sich nun der Prozess der<br />
Fallbearbeitung bei <strong>Jugendliche</strong>n konkret?<br />
Eine erste Neuerung ist die, dass der<br />
Prozess der Fallbearbeitung einer Standardisierung<br />
unterworfen wird. Der Leitfaden der<br />
Projektgruppe <strong>Jugendliche</strong> gibt Handlungsanweisungen<br />
und -hilfen <strong>für</strong> die persönlichen<br />
Ansprechpartner der arbeitslosen <strong>Jugendliche</strong>n.<br />
Er gliedert den Hilfeprozess in drei<br />
Phasen mit je spezifischen Zielsetzungen:<br />
›1. Kundengruppendifferenzierung auf der<br />
Basis einer fundierten Standortbestimmung;<br />
2. daraus abgeleitet die Feststellung des<br />
spezifischen Unterstützungsbedarfs des<br />
<strong>Jugendliche</strong>n zur Entwicklung individueller<br />
Integrationsstrategien, die in der Eingliederungsvereinbarung<br />
<strong>für</strong> beide Seiten<br />
verbindlich festgelegt werden;<br />
3. Erfolgsbeobachtung und operative<br />
Steuerung vor Ort durch regelmäßige<br />
Analyse wesentlicher Prozesskennzahlen.‹ 31<br />
28 Rietzke, T. (2006): Jugendberufshilfe und Hartz. Anmerkungen<br />
zu den Auswirkungen aktivierender Arbeitsmarktpolitik auf die<br />
Praxis der Jugendberufshilfe, S. 197; in: Schweppe C./Sting, S.<br />
(Hrsg.): Sozialpädagogik im Übergang.<br />
29 Vgl. Poetzsch, J. (2006): Auswirkungen von Hartz IV auf benachteiligte<br />
<strong>Jugendliche</strong>, S. 16; in: E&C Fachforum: Kinder- und<br />
Jugendhilfe im Prozess der Arbeitsmarktreform. Dokumentation<br />
der Veranstaltung vom 16. und 17. Februar 2006.<br />
30 Vgl. Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (2008): SGB II. Jahresbericht<br />
2007, S. 12.<br />
31 Vgl. Projektgruppe <strong>Jugendliche</strong> (o.J.): Leitfaden <strong>für</strong> arbeitsuchende<br />
<strong>Jugendliche</strong> unter 25 Jahren im Rechtskreis des SGB II, S. 2.<br />
www.harald-thome.de/media/files/SGB ProzentII<br />
Prozent20DA/Leitfaden_<strong>Jugendliche</strong>.pdf<br />
55
56<br />
<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />
Zu 1:<br />
Ausgangspunkt des Hilfeprozesses ist<br />
mithin eine ›Standortbestimmung‹ oder neudeutsch<br />
ein ›profiling‹ des Klienten, eine<br />
Bestandsaufnahme der Stärken, aber auch<br />
der Hürden auf dem Weg in eine Beschäftigung.<br />
›Um Strategien einzusetzen, die im weitesten<br />
Sinne die Veränderung von Dispositionen,<br />
Einstellungen und Verhaltensweisen von<br />
Personen zum Ziel haben, muss zuvor<br />
definiert sein, welche die zu bearbeitenden<br />
Probleme auf der Ebene von Individuen sind.<br />
Daraus leitet sich dann ab, wer, mit welchen<br />
Mitteln, welche Ziele erreichen kann – und<br />
soll.‹ 32 Zu diesem Zweck werden die <strong>Jugendliche</strong>n<br />
auf der Basis von Einschätzungshilfen<br />
und Profilingbögen in vier Dimensionen<br />
analysiert 33 , wobei die Dimensionen<br />
1. Fähigkeiten/Qualifikationen (Frage:<br />
Besteht Handlungsbedarf in Hinblick auf die<br />
Qualifikationen des <strong>Jugendliche</strong>n einschließlich<br />
der Sprachkompetenz Deutsch?<br />
Fehlt die Berufspraxis?) und<br />
2. berufsbezogene Hemmnisse/sozialer<br />
Kontext (Frage: Welche objektiven Hemmnisse<br />
reduzieren die Arbeitsmarktchancen,<br />
zum Beispiel fehlende Mobilität, hohe<br />
Verschuldung?)<br />
der Ebene des Förderns zugeordnet werden,<br />
die Dimensionen<br />
3. Engagement/Motivation/Einstellungen<br />
(Frage: Besteht Handlungsbedarf in Hinblick<br />
auf die Bereitschaft des <strong>Jugendliche</strong>n,<br />
sich aktiv im Integrationsprozess zu<br />
beteiligen?) und<br />
4. spezifische Arbeitsbedingungen (Frage:<br />
Wie ist die Arbeitsmarktsituation im Zielberuf<br />
beziehungsweise in den Zielberufen?)<br />
der Ebene des Forderns.<br />
Ziel der Ermittlung in den vier Dimensionen<br />
ist eine Einteilung der Klienten in Fallgruppen<br />
mit je unterschiedlichem Bedarf an Förderung<br />
und Forderung. Als Fallgruppen werden<br />
unterschieden: 34<br />
Marktkunden ohne Handlungsbedarf mit<br />
hohen Integrationschancen;<br />
Beratungskunden ›aktivieren‹ mit einem<br />
›Problem‹ in den Dimensionen 2, 3 oder 4,<br />
deren Integrationschancen ›durch Perspektiven-/Einstellungsänderung<br />
des <strong>Jugendliche</strong>n<br />
und/oder Abbau von Beschäftigungshürden)<br />
erhöht werden können;<br />
Beratungskunden ›fördern‹ mit einem<br />
›Problem‹ in den Dimensionen 1 oder 2,<br />
deren Integrationschancen durch Qualifizierung<br />
und/oder den Abbau von Beschäftigungshürden<br />
erhöht werden kann und<br />
Betreuungskunden ›mit Handlungsbedarf<br />
in mehreren Dimensionen und geringen<br />
Integrationschancen.<br />
Sinn und Zweck dieses standardisierten Verfahrens<br />
der Eingangsanalyse ist eine Rationalisierung<br />
und Effektivierung der passgenauen<br />
Zuordnung von Hilfen (auch ›Produkte‹<br />
genannt) zu spezifischen Bedarfslagen, sein<br />
Effekt <strong>für</strong> die ›Kunden‹ ist zunächst ein selektiver:<br />
Je nach Zuordnung zu unterschiedlichen<br />
›Kundengruppen‹ sind ihnen bestimmte Hilfen<br />
und Unterstützungen zugänglich, andere<br />
hingegen nicht – doch dazu später. Der Prozess<br />
des Profilings weist dabei alle Insignien<br />
eines klassischen Diagnoseprozesses auf:<br />
32 Polutta, A. (2005): Passgenaue Integrationsstrategien.<br />
Was die reformierten arbeitsmarktpolitischen Instrumente in den<br />
Blick nehmen; in: Sozial Extra, Heft 5/2005, S. 24.<br />
33 Vgl. Projektgruppe <strong>Jugendliche</strong> (o.J.): a.a.O., S. 4 und Polutta,<br />
A. (2005): a.a.O., S. 25.<br />
34 Vgl. Projektgruppe <strong>Jugendliche</strong> (o.J.): a.a.O., S. 4 f.
Ein mit entsprechender Macht ausgestatteter<br />
Fachmann diagnostiziert und klassifiziert einen<br />
›Laien‹ auf der Basis einer (standardisierten)<br />
Anamnese, ein Modell, das in der Sozialen<br />
Arbeit in den letzten Jahren zwar wieder an<br />
Popularität gewonnen hat, sich gleichwohl der<br />
fachlichen Kritik aussetzen muss, dass die<br />
Entwicklung tragfähiger Hilfebeziehungen in<br />
psychosozialen Unterstützungsprozessen<br />
einer gemeinsam erarbeiteten und getragenen<br />
Problemdefinition bedarf – in Abgrenzung<br />
etwa zu ärztlichen Diagnosen, die selten das<br />
Produkt der Aushandlung von Patient und Arzt<br />
sind. Im vorliegenden Fall sind die Machtverhältnisse<br />
klar: Der persönliche Ansprechpartner<br />
besitzt die Definitionsmacht. 35<br />
Zu 2.:<br />
Ist der Kunde in seine Gruppe eingeordnet,<br />
so erfolgt der zweite Schritt, der Abschluss<br />
einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15<br />
SGB II, in der auf der Basis des Profilings<br />
Leistungen und Forderungen an den Kunden<br />
festgehalten werden. <strong>Die</strong> Eingliederungsvereinbarung<br />
wird <strong>für</strong> sechs Monate geschlossen<br />
und danach gegebenenfalls erneuert. Sie<br />
umfasst Leistungen der BA, Pflichten des Kunden<br />
und gegebenenfalls auch Hinweise auf<br />
Schadensersatzforderungen bei nicht Beenden<br />
einer vereinbarten Leistung (§ 15 Absatz 3<br />
SGB II). Der sich schon im Profiling andeutende<br />
hoheitliche Charakter der ›Beratung‹ im<br />
SGB II bestätigt sich hinsichtlich der Eingliederungsvereinbarung,<br />
die im Falle des Widerstands<br />
des Kunden von der BA als Verwaltungsakt<br />
erlassen werden kann und <strong>für</strong> den<br />
Kunden verbindlich ist – insofern er wert<br />
darauf legt beziehungsweise angewiesen ist<br />
auf eine weitere (finanzielle) Unterstützung.<br />
Doch welche fördernden Leistungen<br />
offeriert SGB II <strong>für</strong> die <strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden?<br />
In der Tat ist zu belegen, dass<br />
<strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden die Segnungen<br />
der Hartz-Gesetze in ganz besonderer<br />
Weise zuteilwerden. So lag die Arbeitslosenquote<br />
bei den unter 24-Jährigen im September<br />
2007 bei 8,8 Prozent, ihr Anteil bei den Nutzerinnen<br />
und Nutzern arbeitsmarktpolitischer<br />
Maßnahmen liegt hingegen bei 24,5 Prozent. 36<br />
Mithin richtet sich jede vierte arbeitsmarktpolitische<br />
Maßnahme an <strong>Jugendliche</strong> und Heran-<br />
wachsende. Dem entspricht, dass 2007 die<br />
Aktivierungsquote bei 15- bis 24-Jährigen mit<br />
38,5 Prozent deutlich höher lag als im<br />
Durchschnitt aller erwerbsfähiger Hilfebedürftiger,<br />
der bei 22,7 Prozent lag.<br />
In Bezug auf die Frage, in welche Maßnahmen<br />
<strong>Jugendliche</strong> vermittelt werden, stellt<br />
Senius von der BA fest: ›<strong>Die</strong> Förderstruktur,<br />
der Maßnahmenmix, liegt in der Verantwortung<br />
der ARGE vor Ort. Von den 160.000 <strong>Jugendliche</strong>n,<br />
die sich im Juni 2006 in Maßnahmen<br />
aktiver Arbeitsmarktpolitik befanden, waren<br />
mehr als ein Drittel in Arbeitsgelegenheiten,<br />
ein weiterer hoher Anteil betraf Maßnahmen im<br />
Bereich der sonstigen Leistungen (22 Prozent),<br />
Maßnahmen der Berufsberatung und<br />
Förderung der Ausbildung (15 Prozent), Maßnahmen<br />
zur Verbesserung auf dem ersten<br />
Arbeitsmarkt (18 Prozent), Einstiegsgeld und<br />
Eingliederungszuschüsse (8 Prozent). <strong>Die</strong><br />
Struktur des Angebots spiegelt die Struktur<br />
der Leistungsempfänger unter 25 Jahren im<br />
SGB II wider. Ein Großteil der Klienten ist<br />
demnach nicht ausbildungsreif und auch nicht<br />
direkt in den ersten Arbeitsmarkt integrierbar.‹<br />
37 Unabhängig von der letzten Feststellung,<br />
die quasi im Umkehrschluss die Rationalität<br />
des Verfahrens und die Logik der Maßnahmezuweisung<br />
legitimiert, ist zunächst einmal<br />
festzuhalten, dass das bevorzugte Instrument<br />
der Förderung von <strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden<br />
die Arbeitsgelegenheiten – im<br />
Volksmund Ein-Euro-Jobs genannt – sind, was<br />
schon überrascht, da diese vom Gesetzgeber<br />
eher als letztes Mittel der Wahl vorgesehen<br />
waren.<br />
35 Nach dem derzeit diskutierten Referentenentwurf zur Neuausrichtung<br />
der arbeitsmarktpolitischen Instrumente soll das<br />
Verfahren des Profilings und der Eingliederungsvereinbarung<br />
demnächst auch im Rechtskreis des SGB III verbindlich werden.<br />
Vgl. Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit (13.06.2008):<br />
Stellungnahme Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung<br />
der arbeitsmarktpolitischen Instrumente – Stellungnahme<br />
zum Gesetzentwurf, insbesondere zu den wesentlichen Neuregelungen<br />
<strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> im SGB II und SGB III, 13.06.2008.<br />
36 Vgl. Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (2008): a.a.O., S. 45.<br />
37 Senius, K. (2007): Hartz IV und die Arbeit mit <strong>Jugendliche</strong>n unter<br />
25, S. 10; in: Friedrich-Ebert-Stiftung: Jugendarbeitslosigkeit:<br />
<strong>Jugendliche</strong> und Hartz IV: Was macht das Fördern?<br />
57
58<br />
<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />
Nach Poetzsch von der Bundesagentur <strong>für</strong><br />
Arbeit ist ›festgelegt, dass Ausbildung und<br />
Qualifizierung Vorrang vor ungelernter Tätigkeit<br />
haben – eine Arbeitsgelegenheit kann in<br />
diesem Zusammenhang nur das letzte Mittel<br />
der Wahl in der Integrationsarbeit mit <strong>Jugendliche</strong>n<br />
sein‹. 38 Von dieser Verpflichtung scheinen<br />
die Fallmanager vor Ort allerdings nicht allzu<br />
viel mitbekommen zu haben. Sie würde allerdings<br />
Sinn machen, da eine Studie des Deutschen<br />
Jugendinstituts belegt, dass nur jede<br />
dritte Arbeitsgelegenheit <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> einen<br />
Qualifikationsanteil beinhaltet 39 , weshalb der<br />
Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit<br />
fordert: ›<strong>Die</strong> bisherige Praxis, <strong>Jugendliche</strong><br />
ohne Ausbildungschancen quasi automatisch<br />
in Arbeitsgelegenheiten zu vermitteln, sollte<br />
in jedem Fall unterbunden werden.‹ 40 Darüber<br />
hinaus eröffnen Arbeitsgelegenheiten in<br />
der Mehraufwandsvariante mit einer Eingliederungsquote<br />
von 16 Prozent die deutlich<br />
geringsten Chancen auf eine Integration in<br />
den Arbeitsmarkt. 41<br />
Zu 3.:<br />
Das Fördern ist aber bekanntlich nur die<br />
eine Seite der Hartz-Medaille. § 2 SGB II<br />
formuliert im Absatz 1 den Grundsatz des Forderns,<br />
der schlicht besagt, dass der Kunde<br />
alles tun muss, um die Hilfebedürftigkeit aus<br />
eigener Kraft schnellstmöglich zu beenden.<br />
Das heißt insbesondere: ›Der erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige muss aktiv an allen Maßnahmen<br />
zu seiner Eingliederung in Arbeit mitwirken,<br />
insbesondere eine Eingliederungsvereinbarung<br />
abschließen. Wenn eine Erwerbstätigkeit<br />
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in<br />
absehbarer Zeit nicht möglich ist, hat der<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige eine ihm angebotene<br />
zumutbare Arbeitsgelegenheit zu<br />
übernehmen.‹ Kommt der Kunde dieser Anforderung<br />
nicht nach, konkreter,<br />
weigert er sich, eine Eingliederungsvereinbarung<br />
abzuschließen oder<br />
den im Eingliederungsvertrag (auch gegen<br />
seinen Willen) festgeschriebenen Pflichten<br />
(zum Beispiel Anzahl wöchentlicher<br />
Bewerbungen, Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahme<br />
oder Arbeitsgelegenheit)<br />
nachzukommen, insbesondere<br />
eine zumutbare (und zumutbar ist fast<br />
jede Arbeit zu jedem Preis an jedem Ort)<br />
Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit<br />
aufzunehmen oder fortzuführen oder<br />
eine Maßnahme abbricht oder einen<br />
Abbruch provoziert,<br />
muss er als Erwachsener mit einer Kürzung<br />
seines Regelsatzes um 30 Prozent rechnen,<br />
einem <strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden<br />
hingegen droht der Wegfall sämtlicher Leistungen<br />
(mit Ausnahme der Leistungen nach § 22<br />
SGB II), während die Verletzung der Meldepflicht<br />
oder das Nichterscheinen bei ärztlichen<br />
oder psychologischen Untersuchungen ›lediglich‹<br />
mit einer Absenkung der Leistungen<br />
um 10 Prozent sanktioniert wird. 42 Insgesamt<br />
sind die <strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden<br />
zusätzlichem Sanktionierungsdruck ausgesetzt.<br />
So kann jungen Menschen bis 25 Jahre<br />
wie angedeutet bereits bei einer einzigen<br />
Pflichtverletzung das Arbeitslosengeld II <strong>für</strong><br />
drei Monate gestrichen werden. Unterkunftskosten<br />
können dann gegebenenfalls direkt<br />
an den Vermieter gezahlt werden, während<br />
der Leistungsempfänger selbst nur noch<br />
38 Poetzsch, J. (2006): a.a.O., S. 15.<br />
39 Vgl. Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit (01.09.2008):<br />
Positionspapier. Vorrang <strong>für</strong> Ausbildung – Positionen des Kooperationsverbundes<br />
Jugendsozialarbeit zu den Ausbildungschancen<br />
von <strong>Jugendliche</strong>n im Rechtskreis SBG II, 01.09.2008, S. 3.<br />
40 Ebenda, S. 5.<br />
41 Vgl. Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (2008): a.a.O., S. 53.<br />
42 Vgl. Projektgruppe <strong>Jugendliche</strong> (o.J.): a.a.O., S. 8.
ausschließlich Sachleistungen erhält. In einer<br />
weiteren Novellierung des SGB II wurde <strong>für</strong><br />
erwachsene Arbeitslosengeld-II-Empfänger<br />
bis 25 Jahre zudem ein Regel-Auszugsverbot<br />
aus dem Elternhaus beschlossen und der<br />
Anspruch von Regelleistungen dieser Personengruppe<br />
in der familiären Bedarfsgemeinschaft<br />
um 20 Prozent reduziert.<br />
Das Prinzip ist deutlich: Das Programm und<br />
sein Stellvertreter, der Fallmanager, wissen<br />
im Zweifelsfall, was gut und richtig <strong>für</strong> den<br />
Klienten ist. Ist der Klient einsichtig, vollzieht<br />
sich der Prozess scheinbar kooperativ, ist<br />
der Klient allerdings anderer Meinung als der<br />
Fallmanager oder hat andere Vorstellungen<br />
von seinem Leben, drohen Sanktionen bis hin<br />
zum Entzug der Unterstützung.<br />
Im April 2007 hat die BA eine repräsentative<br />
Erhebung über den Einsatz der Sanktionen<br />
veröffentlicht, demzufolge im Oktober<br />
2006 insgesamt rund 100.000 erwerbsfähige<br />
Hilfe-bedürftige mit circa 131.000 Sanktionen<br />
belastet waren, was einer Sanktionsquote<br />
<strong>für</strong> arbeitslose erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
von 2,4 Prozent entspricht. ›Unterschiede<br />
zeigen sich, wenn man die Sanktionen nach<br />
soziodemografischen Merkmalen differenziert.<br />
So weisen Jüngere einen deutlich höheren<br />
Anteil an Sanktionen auf als Ältere. 3,2 Prozent<br />
der jüngeren erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
zwischen 15 und 25 Jahren waren<br />
wenigsten mit einer Sanktion belastet (Anteil<br />
bei den arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
dieser Gruppe: 7,2 Prozent), im<br />
Vergleich zu 1,9 Prozent (beziehungsweise<br />
2,3 Prozent) bei den 25- bis unter 50-Jährigen<br />
sowie 0,6 Prozent (beziehungsweise 0,8 Prozent)<br />
bei den 50- bis unter 65-jährigen. <strong>Die</strong>s<br />
könnte zum Teil eine Folge davon sein, dass<br />
15- bis unter 25-Jährige in der Grundsicherung<br />
<strong>für</strong> Arbeitsuchende intensiver betreut werden<br />
als andere Altersgruppen.‹ 43 Der häufigste<br />
Grund <strong>für</strong> Sanktionen sind allerdings Meldeversäumnisse<br />
mit über 50 Prozent, gefolgt von<br />
Weigerungen, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung<br />
oder Arbeitsgelegenheit et cetera anzunehmen<br />
mit 22 Prozent und der Weigerung,<br />
eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen<br />
mit 18 Prozent. Der Abbruch einer<br />
Eingliederungsmaßnahme wird in 4,6 Prozent<br />
der Fälle als Grund angegeben. 44 Der Trend,<br />
dass <strong>Jugendliche</strong> deutlich häufiger von Sanktionen<br />
betroffen sind als andere Altersgruppen,<br />
hat sich seit Oktober 2006 noch verschärft.<br />
So berichtet die BA <strong>für</strong> den Zeitraum<br />
von Januar bis Dezember 2007 von einer<br />
Sanktionsquote von insgesamt 3,4 Prozent.<br />
›<strong>Die</strong> Sanktionsquote bei den Jüngeren unter<br />
25 Jahren liegt mit 10,0 Prozent fast viermal<br />
so hoch wie bei den Erwachsenen ab 25<br />
Jahren (2,7 Prozent). <strong>Die</strong> niedrigste Sanktionsquote<br />
wiesen mit 1,2 Prozent die älteren eHb<br />
ab 50 Jahren auf.‹ 45<br />
<strong>Jugendliche</strong> werden aber nicht nur häufiger,<br />
sondern aufgrund der oben skizzierten gesetzlichen<br />
Bestimmungen auch härter sanktioniert<br />
als Erwachsene: ›Während <strong>für</strong> Jüngere die<br />
Regelleistung im Durchschnitt um 63 Prozent<br />
reduziert wurde, betrug die Kürzung <strong>für</strong><br />
25- bis unter 50-Jährige und <strong>für</strong> 50- bis unter<br />
65-Jährige nur 28 Prozent beziehungsweise<br />
26 Prozent.‹ 46<br />
Ohne Zweifel: <strong>Jugendliche</strong> und Heranwachsende<br />
bekommen die Philosophie des Förderns<br />
und Forderns im Rahmen der Grundsicherung<br />
<strong>für</strong> Arbeitsuchende in ganz besonderer<br />
Weise zu spüren. Um dem ganzen Prozess<br />
auch den Anstrich der Rationalität zu verleihen,<br />
soll der ›Erfolg‹ in Form von Kennzahlen<br />
erfasst werden, wobei die Projektgruppe<br />
<strong>Jugendliche</strong> vorschlägt, ›die Gesamtaktivie-<br />
43 Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (2007): Grundsicherung <strong>für</strong> Arbeitsuchende.<br />
Sanktionen gegenüber erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,<br />
S. 8.<br />
44 Vgl. ebenda, S. 10.<br />
45 Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (2008): a.a.O., S. 56.<br />
46 Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (2007): a.a.O., S. 12.<br />
59
60<br />
<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />
rung anhand von drei Kennzahlen zu messen‹:<br />
a) die Aktivierungsquote, die alle mit Maßnahmen<br />
versorgten <strong>Jugendliche</strong>n ins Verhältnis<br />
zur Gesamtzahl der Hilfesuchenden setzt und<br />
die bei <strong>Jugendliche</strong>n 52 Prozent betragen soll,<br />
b) die Abgangsrate in Erwerbstätigkeit und<br />
c) die Sanktionsquote. 47 Sanktionsquote als<br />
Indikator <strong>für</strong> den Erfolg der Gesamtaktivierung<br />
ist nicht nur zynisch, sondern lässt auch<br />
unschwer erkennen, aus welcher Richtung der<br />
pädagogische Wind weht.<br />
3.4 <strong>Jugendliche</strong> und Heranwachsende<br />
im Geltungsbereich des SGB II<br />
zwischen Selektion und Verfolgungsbetreuung<br />
Auf fünf Aspekte einer Kritik der Pädagogik<br />
der Hartz-Gesetze möchte ich im Folgenden<br />
etwas näher eingehen.<br />
1. Der erste Punkt betrifft die work-first-Orientierung<br />
der Hartz-Gesetze, die nur ein Ziel<br />
kennt, die Integration des Kunden in den<br />
Arbeitsmarkt, an jedem Ort, zu jedem Preis<br />
und unter (fast) allen Bedingungen. Das Handlungsdiktat<br />
der BA in Bezug auf <strong>Jugendliche</strong><br />
und Heranwachsende, diese umgehend in<br />
Arbeit, Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit<br />
zu vermitteln, missachtet die Erfahrung<br />
der Jugendberufshilfe, dass viele der von<br />
ihnen unterstützten <strong>Jugendliche</strong>n noch gar<br />
nicht an dem biografischen Punkt sind, an<br />
denen sie den Anforderungen von Arbeit oder<br />
Ausbildung gewachsen sind, weil sie zum<br />
Teil ganz andere Entwicklungsaufgaben und<br />
Belastungen zu bewältigen haben. In der<br />
Logik der Hartz-Gesetze geraten diese aber<br />
nur als ›Hürden‹ auf dem Weg zum Arbeitsmarkt<br />
in den Blick. ›Eine solche work-first-Orientierung<br />
kann unter Umständen den Blick auf<br />
andere notwendige Unterstützungen verstellen.<br />
Insbesondere <strong>für</strong> junge Menschen mit<br />
spezifischem Förderbedarf besteht die Gefahr<br />
der Einengung und Reduzierung von Entwicklungsräumen.‹<br />
48 <strong>Die</strong>se Annahme wird gestützt<br />
durch Befunde des Instituts <strong>für</strong> Arbeitsmarktund<br />
Berufsforschung (IAB) 49 , das zu dem<br />
Ergebnis kommt, dass viele der jungen<br />
Erwachsenen im Rechtskreis des SGB II im<br />
Sinne der Arbeitsmarktintegration aufgrund<br />
ihrer multiplen Hilfebedürftigkeit noch gar<br />
nicht aktiviert werden können. Das Risiko der<br />
hier beschriebenen ›work-first‹-Orientierung<br />
<strong>für</strong> sozialpädagogische Hilfen liegt dabei auf<br />
der Hand: Steht ausschließlich die Vermittlung<br />
in Ausbildung, Arbeit und Arbeitsgelegenheiten<br />
beziehungsweise ausschließlich die Verbesserung<br />
berufsrelevanter Kenntnisse und Fähigkeiten<br />
im Mittelpunkt der Bemühungen, kann<br />
dies unter Umständen den Blick auf andere<br />
notwendige Unterstützungen verstellen. <strong>Die</strong><br />
Konzentration auf eine einzige Dimension<br />
gesellschaftlicher Teilhabe – nämlich der<br />
Arbeitsmarktintegration – führt in ihrer Konsequenz<br />
dazu, dass Soziale Arbeit und Jugendberufshilfe<br />
gesellschaftliche Inklusion gar nicht<br />
erst hinreichend befördern kann. Vielmehr<br />
besteht die Gefahr, dass eine gesellschaftliche<br />
Inklusion gerade derjenigen <strong>Jugendliche</strong>n<br />
und jungen Erwachsenen, die zur Erlangung<br />
gleichberechtigter Teilhabe auf professionelle<br />
sozialpädagogische Unterstützung jenseits<br />
einer reinen Arbeitsmarktorientierung angewiesen<br />
sind, gänzlich vernachlässigt wird. 50<br />
Anders formuliert: Insbesondere <strong>für</strong> junge<br />
Menschen mit spezifischem Förderbedarf ist<br />
vor dem Hintergrund einer rein erwerbsarbeitszentrierten<br />
Jugendberufshilfe eine Einengung<br />
und Reduzierung von Entwicklungsräumen<br />
zu be<strong>für</strong>chten. 51<br />
47 Vgl. Projektgruppe <strong>Jugendliche</strong> (o.J.): a.a.O., S. 9.<br />
48 Rietzke, T. (2006): a.a.O., S, 197.<br />
49 Vgl. Popp, S./Schels, B./Wenzel, U. (2006): Viele können noch<br />
gar nicht aktiviert werden, IAB-Kurzbericht 26/20.12.2006.<br />
50 Vgl. Möhring-Hesse, M. (2006): Wie die Faust aufs Auge –<br />
Jugendsozialarbeit im aktivierenden Sozialstaat; in: Jugend,<br />
Beruf, Gesellschaft, Heft 1/2006, S. 12 f.<br />
51 Vgl. Wende, L. (2005): 4 Thesen zu Möglichkeiten und Risiken<br />
der Integration benachteiligter junger Menschen im Kontext der<br />
Hartz-Gesetzgebung, S. 39; in: Jugend, Beruf, Gesellschaft.<br />
Dokumentation der Jahrestagung: Jugendsozialarbeit im<br />
Spannungsverhältnis aktueller Arbeitsmarktpolitik vom 13.–14.<br />
Oktober 2004 in Magdeburg.
2. <strong>Die</strong> Workfare-Orientierung hat darüber<br />
hinaus einen nicht zu unterschätzenden Effekt<br />
<strong>für</strong> die öffentliche Wahrnehmung der von<br />
Arbeitslosigkeit Betroffenen. Andre Gorz hat<br />
darauf hingewiesen, dass die Stigmatisierung<br />
der Arbeitslosen ein Strukturelement aller<br />
Workfare-Ansätze darstellt. ›Alle Formen von<br />
Workfare stigmatisieren die Arbeitslosen als<br />
Versager und Faulenzer, die von der Gesellschaft<br />
berechtigterweise und zu deren eigenen<br />
Besten zur Arbeit zu zwingen sind. <strong>Die</strong><br />
Gesellschaft überzeugt sich so selbst von der<br />
Ursache der Arbeitslosigkeit: <strong>Die</strong>se Ursache<br />
seien die Arbeitslosen selbst. Sie besäßen<br />
weder die Qualifikationen noch die sozialen<br />
Kompetenzen, noch den notwendigen Willen,<br />
um einen Arbeitsplatz zu erhalten.‹ 52<br />
Nicht zufällig leitete der ehemalige Bundeskanzler<br />
Gerhard Schröder den radikalen<br />
Umbau des Sozialstaats mit dem Hinweis ein,<br />
es gäbe in Deutschland kein Recht auf Faulheit.<br />
<strong>Die</strong> damit implizierte ›Sündenbock-Theorie‹<br />
wurde zur ›Grundlage der Hartz-IV-Politik‹.<br />
53 Und in der Tat sind die Strukturen von<br />
Hartz IV und die dort konstituierten Zwangsverhältnisse,<br />
Offenlegungspflichten und<br />
Verhaltenserwartungen nichts weniger als der<br />
Ausdruck des institutionalisierten Verdachts,<br />
Arbeitslose würden nicht genug tun, um <strong>für</strong><br />
sich selbst zu sorgen. 54<br />
3. Problematisch ist auch das standardisierte<br />
Verfahren des Profilings und der Einordnung<br />
in Kundengruppen, da sie ebenfalls einen<br />
Selektions- und Stigmatisierungseffekt mit<br />
sich bringen. Stellt bereits die Benachteiligung<br />
an sich eine Stigmatisierung dar, werden nunmehr<br />
einzelne Formen der Benachteiligung<br />
identifiziert. In der Folge werden die betroffenen<br />
<strong>Jugendliche</strong>n dementsprechend unterschiedlich<br />
›klassifiziert‹ und behandelt, womit<br />
faktisch ein Stufensystem von Benachteiligung<br />
eingeführt wird. 55 Mit Lutz Wende gesprochen:<br />
›<strong>Die</strong> Leistungen der Benachteiligtenförderung<br />
erfolgen nicht mehr unter dem Aspekt der<br />
Benachteiligung als solcher, sondern unter<br />
dem Aspekt der Zugehörigkeit zu einer<br />
Bedarfsgemeinschaft. Darüber hinaus werden<br />
Maßnahmenpakete der jeweiligen Kundensteuerung<br />
zugeordnet, so dass nicht Jedem<br />
beziehungsweise Jeder alle Maßnahmemöglichkeiten<br />
offenstehen, sondern diese der<br />
Zuordnung als Beratungs- beziehungsweise<br />
als Betreuungskunde unterliegen.‹ 56 Besonders<br />
anschaulich ist die selektive Wirkung der Kundengruppenzuordnung<br />
am Beispiel der Betreuungskunden<br />
mit multiplen Problemlagen und<br />
geringen Integrationschancen, denen per<br />
Zuordnung eine berufliche Integration in den<br />
ersten Arbeitsmarkt oder die Vermittlung in<br />
ein sozialpädagogisch betreutes Ausbildungsverhältnis<br />
verwehrt bleibt. Mit der Einordnung<br />
in Kundengruppen ›erfolgt eine Differenzierung<br />
›am unteren Rand‹, die <strong>für</strong> jedes Niveau<br />
gesellschaftlicher Partiellintegration noch<br />
passende Aktivierungsschleifen vorsieht und<br />
dabei sogar das Herausfallen aus Leistungen<br />
bei Sanktionen als Fordern versteht‹ 57 .<br />
52 Gorz, A. (2000): Arbeit zwischen Misere und Utopie, S. 114.<br />
53 Vgl. Klinger, N./König, J. (2006): a.a.O., S. 113.<br />
54 Deshalb wunderte es auch nicht, dass der Schuldige schnell<br />
gefunden war, als die ersten Berichte über höhere Betroffenenzahlen<br />
als erwartet und massive Kostensteigerungen <strong>für</strong> Unruhe<br />
sorgten: die ›faulen‹ Arbeitslosen. So veröffentlichte Ex-Wirtschaftsminister<br />
Clement in einer der letzten von ihm verantworteten<br />
Schriften seines Hauses mit dem Titel ›Vorrang den Anständigen‹<br />
eine ›journalistische Studie‹ über die Hintergründe der<br />
Kostenexplosion, die er anhand von ausgewählten Beispielen im<br />
Leistungsmissbrauch lokalisierte. In diesem Zusammenhang<br />
stellt der Bericht fest: ›Biologen verwenden <strong>für</strong> ›Organismen, die<br />
zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen<br />
auf Kosten anderer Lebewesen – ihren Wirten – leben‹<br />
übereinstimmend die Bezeichnung ›Parasiten‹. Natürlich ist<br />
es völlig unstatthaft, Begriffe aus dem Tierreich auf Menschen zu<br />
übertragen. Schließlich ist Sozialbetrug nicht durch die Natur<br />
bestimmt, sondern vom Willen des Einzelnen gesteuert‹<br />
(BMWA/Bundesministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und Arbeit (2005):<br />
Vorrang den Anständigen, S. 10).<br />
55 Vgl. Wende, L. (2005): a.a.O., S. 41.<br />
56 Ebenda, S. 41.<br />
57 Polutta, A. (2005): a.a.O., S. 28.<br />
61
62<br />
<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />
Darüber hinaus ist das standardisierte Verfahren<br />
des Profilings und der Zuordnung zu Kundengruppen<br />
nicht geeignet, die individuellen<br />
Problemlagen der Betroffenen angemessen<br />
zu berücksichtigen, wie Andreas Polutta zu<br />
Recht hervorhebt. 58 Angesichts der skizzierten<br />
Strukturen ›ist zu erwarten, dass keineswegs<br />
eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen<br />
der jugendlichen Adressaten möglich wird,<br />
sondern eher distanziertes Steuern, Überprüfung<br />
von Motivationen und Einbindung in Normierungs-<br />
und Sanktionsaufgaben, was ein<br />
Einlassen auf den Einzelfall tendenziell verunmöglicht.<br />
In diesem Sinne laufen die von den<br />
Agenturen eingesetzten Dritten Gefahr –<br />
selbst zu Agenten … im sozialpädagogischen<br />
Gewand zu werden‹ 59 .<br />
4. Das System des Förderns und Forderns<br />
ist bei <strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden<br />
erkennbar darauf angelegt, Betroffene durch<br />
verstärkten materiellen Druck in Bewegung zu<br />
setzen. Der ›Zwang zum Überleben‹ soll flexibel<br />
und gefügig machen 60 , aber was ist mit<br />
jenen, die ›aussanktioniert‹ werden oder die<br />
sich die Betreuung erst gar nicht zumuten?<br />
Bislang gibt es keine gesicherten Zahlen<br />
darüber, wie viele <strong>Jugendliche</strong> allein durch die<br />
autoritäre Struktur der Betreuung ›vertrieben‹<br />
werden. Münch 61 berichtet <strong>für</strong> das Modell<br />
der JobBörse Junges Köln, die die Prinzipien<br />
der Hartz-Gesetze schon 1999 im Bereich der<br />
Sozialhilfe <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> und Heranwachsende<br />
erprobte und praktizierte, dass nach Einführung<br />
der neuen Regel ein Drittel der hilfesuchenden<br />
<strong>Jugendliche</strong>n und jungen Erwachsenen<br />
schlichtweg verschwanden. Eine Analyse<br />
der Übergangsquoten des Kölner Modells<br />
zeigt, ›dass die Quoten im Vergleich zu den<br />
klassischen Instrumenten der Arbeitsförderung<br />
… hinsichtlich der gleichen Zielgruppen keine<br />
neue Qualität aufweisen. Eine neue Qualität<br />
kann aber in der Abschreckungsquote<br />
gesehen werden‹ 62 . Was passiert mit diesen<br />
<strong>Jugendliche</strong>n? Welche Lebenswege sind hier<br />
vorprogrammiert, welche möglichen Hilfen<br />
werden vorenthalten?<br />
5. Während die vorherigen Punkte in erster<br />
Linie die Konsequenzen der neuen Pädagogik<br />
der Hartz-Gesetze <strong>für</strong> die Klienten und das<br />
Betreuungsverhältnis in den Blick nehmen,<br />
konzentriert sich der letzte hier anzuführende<br />
Punkt auf die professionellen Ansprechpartner<br />
der Arbeitsagenturen und Arbeitsgemeinschaften,<br />
die im Prozess der Modernisierung der<br />
Arbeitsverwaltung scheinbar eine Aufwertung<br />
erfahren durch geringere Fallzahlen und die<br />
Implementierung des Fallmanagements als<br />
professioneller Methode. Zur Unterstützung<br />
der Betroffenen sieht § 14 SGB II einen persönlichen<br />
Ansprechpartner vor, der die<br />
Arbeitslosen auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt<br />
begleiten soll. Methodisch soll der<br />
Hilfeprozess als ›beschäftigungsorientiertes<br />
Fallmanagement‹ gestaltet werden, <strong>für</strong> dessen<br />
Fachkonzept unter anderem Claus Reis,<br />
Vorstandsmitglied der DGCC (Deutsche Gesellschaft<br />
<strong>für</strong> Care und Case Management), als<br />
Mitglied der Arbeitsgruppe verantwortlich<br />
zeichnet und deren Ausbildungsgang von der<br />
DGCC zertifiziert ist.<br />
58 Vgl. ebenda, S. 28.<br />
59 Ebenda, S. 28.<br />
60 Vgl. Spindler, H. (2003): Aktivierende Ansätze in der Sozialhilfe,<br />
S. 236; in: Dahme, H.-J. u.a. (Hrsg.): Soziale Arbeit <strong>für</strong> den<br />
aktivierenden Staat.<br />
61 Vgl. Münch, T. (2001): Der aktivierte Hilfeempfänger – Erfahrungen<br />
und kritische Reflexionen aus der Sicht der Arbeitslosenarbeit;<br />
in: Boeßenecker, K.-H./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.):<br />
Verwaltungsreform von unten? Lokaler Sozialstaat im Umbruch<br />
aus verschiedenen Perspektiven.<br />
62 Ebenda, S. 196. Vgl. auch Scholz, J.: 5 Jahre ›Fördern und<br />
Fordern‹ in der Stadt Köln. Vorbild <strong>für</strong> die Umsetzung von ›Hartz<br />
IV‹; in: neue Praxis 4/2004, S. 396– 402.
Im Kern veranschaulicht das ›Fachkonzept<br />
beschäftigungsorientiertes Fallmanagement im<br />
SGB II‹ die Widersprüche von Programmatik<br />
und Praxis offen. So widersprechen schon die<br />
rechtlichen Konstitutionsbedingungen des<br />
Fallmanagements allen Prinzipien sozialpädagogischer<br />
Beratungsarbeit (im Übrigen<br />
auch der des ›klassischen‹ Case Managements,<br />
das Freiwilligkeit und Problemoffenheit<br />
zum Ausgangspunkt erklärt). <strong>Die</strong> Beratungsund<br />
Steuerungsarbeit des Fallmanagers wird<br />
vom Klienten weder freiwillig in Anspruch<br />
genommen, noch ist sie ergebnisoffen. <strong>Die</strong><br />
rechtliche Konstruktion des Verhältnisses von<br />
Fallmanager und Kunde ist im Kern asymmetrisch<br />
und autoritär angelegt. <strong>Die</strong>s wird besonders<br />
deutlich am Beispiel des zentralen Instruments,<br />
des Eingliederungsvertrages, der im<br />
besten Fall das Produkt eines Aushandlungsprozesses<br />
ist, im schlechtesten wird er durch<br />
den Fallmanager als Verwaltungsakt erlassen,<br />
flankiert von Sanktionen wegen mangelnder<br />
Bereitschaft zur Mitarbeit aufseiten der Betroffenen.<br />
Wie diese Konstruktion einer autoritären,<br />
bevormundenden Fürsorglichkeit mit der von<br />
Vertretern des Case Managements 63 reklamierten<br />
›anwaltschaftlichen Funktion‹ in Einklang<br />
zu bringen ist, ist ebenso wenig nachvollziehbar,<br />
wie ihre Vereinbarkeit mit den so häufig<br />
beschworenen nationalen und internationalen<br />
ethischen Codes der Sozialen Arbeit. <strong>Die</strong>se<br />
Form der ›Begleitung von Hilfesuchenden‹, an<br />
der man mittlerweile in diversen Dokumentationen<br />
und Reportagen von Stern TV bis RTL<br />
Explosiv teilhaben kann, mag dem amerikanischen<br />
Modell des Case Managers als ›teacher,<br />
preacher, friend and cop‹ 64 , als Lehrer,<br />
Prediger, Freund und Polizist entsprechen,<br />
aber sie ist eine böse Karikatur dialogischer,<br />
auf die Autonomie der Klienten abzielende<br />
Bildung, Beratung und Unterstützung, wie sie<br />
einmal das Selbstverständnis einer lebensweltorientierten<br />
Sozialen Arbeit prägte.<br />
Schon 2003 kursierte in der Arbeitsverwaltung<br />
ein Begriff, mit dem Mitarbeiter der<br />
Arbeitsverwaltung versuchten, die neue Philosophie<br />
des Umgangs mit Arbeitslosen zu<br />
charakterisieren: die Verfolgungsbetreuung 65 .<br />
In einem offenen Brief beschwerten sich<br />
Mitarbeiter der Arbeitsverwaltung, dass der<br />
Vorstand erhebliche Einsparungen einfordert.<br />
›Dabei schätzen die Verantwortlichen der<br />
BA zu Recht ein, dass mit einer gutwilligen<br />
Rückgabe der Gelder durch die Arbeitslosen<br />
nicht zu rechnen ist. Also verpflichtet man die<br />
Arbeitsämter, die Summen einzutreiben. Das<br />
Einsparzauberwort heißt Sperrzeiten und<br />
die dazu notwendigen Maßnahmen werden im<br />
BA-Unwort des Jahres zusammengefasst: Den<br />
Arbeitslosen droht die ›Verfolgungsbetreuung‹.<br />
Konkret bedeutet das, jede mögliche und<br />
unmögliche Gelegenheit zur Verhängung einer<br />
Sperrzeit wird genutzt. Der Druck auf die<br />
Arbeitslosen macht auch vor den Kolleginnen<br />
und Kollegen in den Ämtern nicht halt. Es<br />
werden Hitlisten eingerichtet, mit dem Ziel zu<br />
schauen, wer in welcher Zeit wie viele Sperrzeiten<br />
verhängt.‹ 66 All dies ist kein Auswuchs,<br />
sondern strukturell intendiert und auch mit<br />
gutem Willen nicht ins Gegenteil zu verkehren.<br />
63 Vgl. dazu ausführlicher Galuske (2007): a.a.O.<br />
64 Bertelsmann Stiftung u.a. (Hrsg.) (2002): Handbuch Beratung<br />
und Integration. Fördern und Fordern – Eingliederungsstrategien<br />
in der Beschäftigungsförderung, S. 161.<br />
65 Vgl. Fetzer, D. (2006): Verfolgungsbetreuung, Schikanen und<br />
Verletzung der Privat- und Intimsphäre; in: Agenturschluss (Hrsg.)<br />
(2006): Schwarzbuch Hartz IV. Sozialer Angriff und Widerstand –<br />
Eine Zwischenbilanz, S. 31-45.<br />
66 Verdi in Team, Landesfachgruppe Arbeitsverwaltung NRW, März<br />
2003.<br />
63
64<br />
<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />
Aus professionstheoretischer Sicht ist die<br />
Einführung des Fallmanagements in der<br />
Arbeits- und Sozialverwaltung auch nicht zweifelsfrei<br />
als ›Gewinn‹ zu verbuchen. So engt<br />
der hohe Grad an Standardisierung und Formalisierung<br />
des Verfahrens und Dichte an<br />
rechtsverbindlichen Vorgaben den Grad der<br />
Entscheidungsfreiheit – ein wesentlicher Indikator<br />
professionalisierter Tätigkeiten – deutlich<br />
ein und degradiert die Fachkräfte an vielen<br />
Stellen zu ausführenden Organen der<br />
Bestimmungen ohne Ermessensspielraum. In<br />
diesem Sinne betont Polutta: ›<strong>Die</strong>ses Verfahren<br />
ist in sich fraglos rational organisiert, das<br />
Entscheidende aus der Sicht der Sozialen<br />
Arbeit ist jedoch, dass es die professionelle<br />
Entscheidungsautonomie von Fachkräften<br />
obsolet macht. Ziele, Zielgruppen und Maßnahmen<br />
sind in ihrem manageriellen Zirkelschluss<br />
nicht hinterfragbar.‹ 67 Erste empirische<br />
Befunde über die Auswirkungen der<br />
Verwaltungsmodernisierung deuten auf diesem<br />
Hintergrund durchaus verständlich an, dass<br />
viele der Fachkräfte die neuen Verwaltungsregeln<br />
als ›eine Kränkung ihrer beruflichen<br />
Kompetenzen ›empfinden‹ (der Verfasser), da<br />
nun Dinge gesteuert werden sollen, die zuvor<br />
in ihrer Entscheidungsbefugnis lagen. <strong>Die</strong>se<br />
Kränkung trifft vor allem erfahrene Mitarbeiter‹<br />
68 . Allerdings zeigt die Untersuchung<br />
auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
um ihre Entscheidungsspielräume kämpfen<br />
und die Vorgaben in Form durchaus unterschiedlicher<br />
Stile alltagspädagogisch<br />
realisieren. 69<br />
3.5 Schlussbemerkungen<br />
<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze vermittelt<br />
den Charakter einer überwunden geglaubten<br />
autoritären Fürsorglichkeit im modernistischen<br />
Gewand der Managementsprache von Profiling,<br />
Assessment, Produkten, Kunden und<br />
Fallmanagement, mit der sie ihren bevormundenden<br />
Gestus allerdings nicht überdecken<br />
kann. Helga Spindler hat in Bezug auf aktivierende<br />
Ansätze in der Sozialhilfe zu Recht<br />
betont: ›Wer mittels Aktivierung den hoheitlichen<br />
Eingriff nur kommunikativ verbrämt, das<br />
klassische Über- und Unterordnungsverhältnis<br />
wegdefiniert statt aufhebt – ohne dass die<br />
vorher existierende rechtliche Kontrolle und<br />
das vorgeschriebene Verfahren als Schutz<br />
existiert oder durch neue Kontrollverfahren<br />
abgelöst wird – der verändert alles: Beratung<br />
wird zu Erziehung und Bevormundung, Methoden<br />
der Steuerung von sozialen Hilfeprozessen<br />
verwandeln sich in dirigierende Sozialtechnik.<br />
(…) <strong>Die</strong> Hilfevereinbarung wird zum<br />
Angebot, das man nicht ablehnen kann,<br />
Beschäftigungsangebote bieten keine Perspektiven,<br />
Qualifizierung wird zu disziplinierendem<br />
Anpassungstraining; statt Eigenaktivität<br />
wird passiver Gehorsam gefordert und sogar<br />
noch gefördert, eine Arbeitsstelle wird hoheitlich<br />
zugewiesen, aus Hilfe zur Arbeit wird<br />
Arbeit als Gegenleistung <strong>für</strong> die Sozialhilfe.‹ 70<br />
67 Polutta, A. (2005), a.a.O., S. 28.<br />
68 Behrend, O. (2007), a.a.O., S. 9.<br />
69 Vgl. ebenda sowie Behrend, O u.a. (2006): Im Schatten der<br />
Aufmerksamkeit – die Arbeitsvermittler; in: IAB-Kurzbericht<br />
21/4.12.2006.<br />
70 Spindler, H. (2003): a.a.O., S. 235.
Dabei ist die Situation paradox: Einerseits ist<br />
die Nachfrage nach sozialpädagogischen<br />
›Produkten‹ im Zuge des aktivierenden<br />
Umbaus der Gesellschaft deutlich gestiegen:<br />
Beratung, Betreuung, Qualifizierung und<br />
Begleitung sind wie ausgeführt im Kern des<br />
verhaltensorientierten Programms der Hartz-<br />
Gesetze gefordert. Allerdings ist es eine<br />
sozialtechnologisch gewendete Soziale Arbeit,<br />
die hier gewünscht ist, ›nicht mehr gefragt ist<br />
die emanzipatorische Seite, die parteiliche<br />
Seite der Sozialarbeit, das klassische Berufsethos<br />
der Helferberufe, das Menschenbild,<br />
das bei aller Einsicht in die gesellschaftlichen<br />
Anforderungen und der irgendwo begrenzten<br />
Finanzierungsmöglichkeiten öffentlicher Hilfen,<br />
das einzelne Individuum akzeptiert und ihm<br />
hilft sich zu entfalten‹ 71 . Mit der Pädagogik der<br />
Hartz-Gesetze, die ja nicht nur die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter von Arbeitsverwaltungen<br />
und Arbeitsgemeinschaften betrifft,<br />
sondern auch die Vielzahl der in den schulischen<br />
und außerschulischen Projekten tätigen<br />
Sozialpädagoginnen und Sozialarbeiter, wird<br />
derzeit der nicht gerade armen Geschichte<br />
der schwarzen Pädagogik ein neues Kapitel<br />
hinzugefügt und es würde der Profession gut<br />
zu Gesichte stehen, wenn sie sich sperrig<br />
erweist und den Pfad der sozialtechnologischen<br />
Umsetzung der neuen Philosophie nicht<br />
beschreitet – auch und gerade im Interesse<br />
der <strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden.<br />
Aus wissenschaftlicher Perspektive wäre es<br />
notwendig, eine qualitative Wirkungsforschung<br />
zu entwickeln, die sich nicht auf die Abfrage<br />
quantifizierbarer Indikatoren wie Übergangsoder<br />
Sanktionsquoten beschränkt, sondern<br />
nachhaltig die biografischen Wirkungen der<br />
Interventionen aus der Perspektive der Betroffenen<br />
in den Blick nimmt. 72<br />
71 Ebenda, S. 239 f.<br />
72 Erste Ansätze finden sich bei Dörre u.a. (2008): Der Einfluss<br />
strenger Zumutbarkeit auf die Erwerbsorientierung Arbeitsloser<br />
und prekär Beschäftigter, SFB-Mitteilungen 580.<br />
65
66<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf
Christiane Koch, Peer Rosenthal | Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
4 <strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf:<br />
Wohin führt der Weg, der im Übergangssystem beginnt?<br />
Probleme beim biografischen Übergang von<br />
der <strong>Schule</strong> ins Berufssystem gibt es in den<br />
meisten modernen postindustriellen Gesellschaften:<br />
So hat beispielsweise die Europäische<br />
Kommission 2005 im Zuge der Realisierung<br />
der Lissabonstrategie einen Pakt <strong>für</strong> die<br />
Jugend geschlossen, der unter anderem die<br />
Jugendarbeitslosigkeit reduzieren soll. 1 Auch<br />
Deutschland ist seit der Abnahme der betrieblichen<br />
Ausbildungskapazitäten in zuvor unbekanntem<br />
Maße von diesem Problem betroffen.<br />
Lösungsansätze sah man insbesondere darin,<br />
das zuvor ausschließlich <strong>für</strong> die Klientel<br />
der benachteiligten <strong>Jugendliche</strong>n installierte<br />
Förderinstrumentarium <strong>für</strong> ausbildungs- und<br />
arbeitslose <strong>Jugendliche</strong> insgesamt aufzuschließen<br />
und auszubauen. Es hat sich mittlerweile<br />
zu einem weit verzweigten Geflecht sehr<br />
unterschiedlicher Unterstützungsangebote<br />
sowohl finanzieller als auch pädagogischer<br />
Art entwickelt. <strong>Die</strong> begleitende Wissenschaft<br />
spricht mittlerweile sogar von einem regelrechten<br />
Übergangs-›System‹. Inwieweit dieser<br />
Begriff seine Berechtigung hat, wird sich<br />
im Laufe dieses Abschnittes zu klären haben.<br />
4.1 Was ist das Übergangssystem<br />
und wie entstand es?<br />
Der Begriff ›Übergangssystem‹ ist dementsprechend<br />
neu. Bis vor wenigen Jahren gab<br />
es in der Fachterminologie der Berufsbildungsforschung<br />
und -praxis keinen identifizierbaren<br />
Teil des hiesigen Erstausbildungssystems,<br />
der sozusagen die ›Zwischenräume‹ der<br />
Unversorgten managt. Wenn es um die Angebots-<br />
und Fördersystematik ging, sprach man<br />
von ›Benachteiligtenförderung‹, die Teil der<br />
sogenannten ›Integrationsförderung‹ war. Allerdings<br />
galt dieses Instrumentarium der Förderung<br />
benachteiligter <strong>Jugendliche</strong>r insgesamt,<br />
einschließlich der Berufsausbildungsförderung<br />
mit anerkanntem Abschluss. In der Literatur<br />
gilt das Instrumentarium des Übergangssystems<br />
mittlerweile als fester Bestandteil<br />
des hiesigen Berufsausbildungssystems, das<br />
neben der betrieblichen dualen Ausbildung,<br />
dem Schulberufssystem und der Hochschul-<br />
ausbildung – also den Abschluss orientierten<br />
Bildungsgängen – seinen festen Platz hat. 2<br />
Allein dieser Umstand sollte aufmerken lassen<br />
und ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass<br />
niemand mit einem raschen Ende der Jugendberufsnot<br />
rechnet.<br />
Unter das Übergangssystem im heutigen<br />
Sinne werden alle nicht Abschluss bezogenen<br />
Maßnahmen und Instrumente <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong><br />
ohne Ausbildungsplatz subsumiert, gleichgültig<br />
wie sie finanziert werden und wer die<br />
Trägerschaft hat. ›Maßnahmen außerschulischer<br />
Träger und schulische Bildungsgänge,<br />
sofern sie keinen qualifizierenden Berufsabschluss<br />
anbieten, sind dem Übergangssystem<br />
zugeordnet. Hierunter fallen auch teilqualifizierende<br />
Angebote, die auf eine anschließende<br />
Ausbildung als erstes Jahr angerechnet werden<br />
können oder Voraussetzung zur Aufnahme<br />
einer vollqualifizierenden Ausbildung sind.‹ 3<br />
<strong>Die</strong> Angebote des Übergangssystems sollen<br />
die Chancen Einzelner auf dem Bildungsmarkt<br />
erhöhen. Vor allem füllen sie aber<br />
auch schlicht die nachschulischen bildungsund<br />
arbeitsfreien Zeiten. Das ist allein an<br />
den Zwangsangeboten junger Hartz-IV-Empfänger/innen<br />
zu erkennen 4 und daran, dass<br />
wer Arbeit hat, und sei es auch vorübergehend,<br />
auch kein Ausbildungsangebot erhält. 5<br />
<strong>Die</strong> ursprüngliche Idee, arbeits- und ausbildungslosen<br />
jungen Leuten den Übergang ins<br />
Berufsbildungssystem zu ermöglichen, ist<br />
1 Vgl. Pohl, Axel/Walther, Andreas (2006): Benachteiligte <strong>Jugendliche</strong><br />
in Europa, S. 26; in: Aus Politik und Zeitgeschichte (ApuZ) – die<br />
Beilage zur Wochenzeitung ›Das Parlament‹ 47/2006, S. 26–36.<br />
2 Vgl. beispielsweise Autorengruppe Bildungsberichterstattung<br />
(2008): Bildung in Deutschland 2008: Ein indikatorengestützter<br />
Bericht mit einer Analyse zu Übergängen im Anschluss an den<br />
Sekundarbereich I und Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus<br />
(2007): Berufsbildung im Umbruch, Signale eines überfälligen<br />
Aufbruchs.<br />
3 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 99.<br />
4 Vgl. Kapitel 3 von Michael Galuske in diesem Bericht.<br />
5 <strong>Die</strong> Möglichkeit der Nachqualifizierung <strong>für</strong> Einfacharbeiter/innen<br />
einmal außer Acht gelassen.<br />
67
68<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />
zwar in den Angeboten konzeptionell angelegt,<br />
das Ziel allerdings keineswegs gewährleistet,<br />
da es auf einen in Kapitel 2 (Koch/Rosenthal)<br />
beschriebenen freien Markt zielt, der keine<br />
›Garantie auf Aufnahme‹ gewährt. Ein Recht<br />
auf Ausbildung besteht in Deutschland eben<br />
nicht.<br />
4.2 Aufblähung des Übergangssystems<br />
durch das Phänomen<br />
Altbewerber/innen 6<br />
<strong>Die</strong> oben beschriebene notorische Ausbildungsplatzknappheit<br />
der vergangenen zwei<br />
Jahrzehnte hat eine neue Jugendklientel hervorgebracht,<br />
deren rasante Zunahme die Entwicklung<br />
und Ausgestaltung des Übergangssystems<br />
erheblich befördert hat. Es handelt<br />
sich um die sogenannten ›Altbewerber/innen‹.<br />
Das sind Ausbildungsplatzsuchende aus vergangenen<br />
<strong>Schule</strong>ntlassjahrgängen, im engeren<br />
Sinne all jene <strong>Jugendliche</strong>, die sich nach dem<br />
Schulabgang vergeblich um einen Ausbildungsplatz<br />
bemüht haben und dies im folgenden<br />
Ausbildungsjahr erneut versuchen.<br />
Weil die Zahl der Ausbildungsplätze in den<br />
letzten Jahren nie ausgereicht hat, ist der<br />
Anteil der Altbewerber/innen in Deutschland<br />
kontinuierlich gestiegen. 2006 hatten erstmals<br />
mehr als 50 Prozent der bei der Bundesagentur<br />
<strong>für</strong> Arbeit (BA) gemeldeten Bewerber/innen<br />
um einen Berufsausbildungsplatz, die <strong>Schule</strong><br />
bereits im Vorjahr oder noch früher verlassen.<br />
Im Land Bremen ist die Quote der Ausbildungsplatzbewerber/innen,<br />
welche die <strong>Schule</strong><br />
schon in Vorjahren beendet hatten, mit 63<br />
Prozent in der Stadt Bremen und 54 Prozent<br />
in Bremerhaven besonders hoch. 7<br />
Studien zufolge haben es Altbewerber/innen<br />
auf dem Ausbildungsstellenmarkt<br />
besonders schwer, einen Ausbildungsplatz zu<br />
finden. 8 Sie befinden sich häufiger in einer<br />
außerbetrieblichen Ausbildung, sie jobben<br />
öfter als sonstige Bewerber/innen als An- und<br />
Ungelernte und sind vermehrt von Arbeitslosigkeit<br />
betroffen. Besonders prekär ist die<br />
Situation <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong>, die sich vor mehr<br />
als zwei Jahren schon einmal um einen Ausbildungsplatz<br />
bemüht haben und <strong>für</strong> diejenigen,<br />
die sich im sogenannten ›Übergangssystem‹<br />
befinden. 9<br />
<strong>Die</strong> genaue Zahl der Altbewerber/innen ist<br />
schwer zu messen, da nicht jeder/jede Bewerber/in<br />
mit länger zurückliegendem Schulabschluss<br />
zuvor vergebens nach einem Ausbildungsplatz<br />
gesucht hat. Ein Beispiel sind<br />
Wehr- oder Zivildienstleistende, die erst nach<br />
<strong>Die</strong>nstbeendigung erstmals auf den Ausbildungsmarkt<br />
treten. Umgekehrt können<br />
<strong>Jugendliche</strong> als aktuelle Schulabgänger/innen<br />
auftreten, die ihren Schulbesuch nur fortgesetzt<br />
haben, weil sie zuvor keine Ausbildungsstelle<br />
gefunden haben. 10<br />
6 <strong>Die</strong> folgenden Ausführungen und Einschätzungen erfolgen, soweit<br />
nicht anders gekennzeichnet, auf der Basis von Ergebnissen<br />
einer Kurzstudie im Auftrag der Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
zur Situation der Altbewerber/innen im Lande Bremen, die im<br />
Sommer 2008 durch das Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW)<br />
Universität/Arbeitnehmerkammer und Projekt EQUIB durchgeführt<br />
wurde. Ausgewertet wurden in diesem Zusammenhang unter<br />
anderem die verfügbaren Datensätze der Bundesagentur <strong>für</strong><br />
Arbeit und des Bundesinstituts <strong>für</strong> Berufsbildung sowie das<br />
vorhandene Material zum Phänomen der Altbewerber/innen.<br />
Vgl. Hammer, Gerlinde/Knuth, Jutta (2008): Zur Situation der<br />
Altbewerber/innen im Land Bremen im Auftrag der Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen.<br />
7 Vgl. Bremische Bürgerschaft, Drucksache 16/1379. Mitteilung<br />
des Senats vom 17.04.2007: Zukunftsperspektiven <strong>für</strong> alle<br />
<strong>Jugendliche</strong>n: ausreichend Ausbildungsplätze sicherstellen,<br />
Warteschleifen abschaffen, Altbewerbern und Altbewerberinnen<br />
Chancen geben!<br />
8 Vgl. Ulrich, Joachim Gerd/Krekel, Elisabeth M. (2007): Welche<br />
Ausbildungschancen haben ›Altbewerber‹?; in: BWP 2/2007,<br />
S. 11–13.<br />
9 Vgl. auch BA/BIBB-Bewerberbefragung 2006,<br />
http://www.bibb.de/de/wlk30081.htm<br />
10 Insbesondere die Fachoberschulen werden von <strong>Jugendliche</strong>n mit<br />
mittlerem Schulabschluss infolge vergeblicher Ausbildungsplatzsuche<br />
angewählt. <strong>Die</strong>sen <strong>Jugendliche</strong>n geht es weniger darum,<br />
nach dem Erwerb der Fachhochschulreife zu studieren als<br />
vielmehr darum, über diesen Abschluss ihre Chancen auf eine<br />
Ausbildungsstelle im dualen System zu erhöhen. Unter den<br />
Bewerbern und Bewerberinnen mit Fachhochschulreife ist der<br />
Altbewerber/innenanteil dementsprechend hoch (vgl. Ulrich,<br />
Joachim Gerd/Krekel, Elisabeth M. (2007): a.a.O.).
All jene, die sich in Maßnahmen des Übergangssystems<br />
begeben haben oder die<br />
Interimszeit anderweitig verbringen, tauchen<br />
im Folgejahr dann wieder auf, wenn und falls<br />
sie sich wieder als Bewerber/innen melden.<br />
Bildungsforscher/innen und Statistiker/<br />
-innen unterscheiden daher mittlerweile<br />
zwischen ›echten‹, also jenen, die sich schon<br />
einmal zu einem früheren Zeitpunkt auf Ausbildungsplätze<br />
beworben haben 11 , und ›unechten‹<br />
Altbewerbern und Altbewerberinnen 12 ,<br />
das heißt solche, deren Schulabgang schon<br />
ein oder mehr Jahre zurückliegt. Landesspezifische<br />
Daten können allerdings nur der<br />
Ausbildungsmarktstatistik der BA entnommen<br />
werden, weshalb hier mit diesem höheren<br />
Satz an Ausbildungssuchenden argumentiert<br />
werden muss. 13<br />
Abbildung 1: Gemeldete Bewerber/innen<br />
<strong>für</strong> Berufsausbildungsstellen nach<br />
<strong>Schule</strong>ntlassjahrgängen: Westdeutschland<br />
Berichtszeitraum Oktober 2006 bis September 2007<br />
Schulabgangsjahre 2007 2007<br />
Anzahl in %<br />
im Berichtsjahr<br />
aus früheren Jahren<br />
249.875 43<br />
(Altbewerber/innen)<br />
darunter<br />
306.486 53<br />
aus dem Vorjahr 133.427 23<br />
aus noch früheren Jahren 173.059 30<br />
keine Angabe 26.616 4<br />
Bewerber/innen insgesamt 582.977 100<br />
Quelle: Hammer, Gerlinde/Knuth, Jutta (2008): Zur Situation der<br />
Altbewerber/innen im Land Bremen im Auftrag der Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen, S. 6.<br />
<strong>Die</strong> Zahl der Altbewerber/innen ist zwischen<br />
2006 und 2007 minimal um ein Prozent auf<br />
53 Prozent gestiegen, während im gleichen<br />
Zeitraum die Anzahl der Schulabgänger/innen<br />
um 6 Prozent zurückgegangen ist. Das zeigt<br />
deutlich die seit 2000 feststellbare Stagnation<br />
der Altbewerberzahlen auf hohem Niveau. 14<br />
Der Anteil der Altbewerber/innen an der<br />
Bewerbergesamtzahl <strong>für</strong> Berufsausbildungsstellen<br />
liegt in Westdeutschland trotz der dort<br />
günstigeren betrieblichen Ausbildungsplatzsituation<br />
um ein Prozent höher als in Ostdeutschland.<br />
In Bremen stellt sich die Lage<br />
noch einmal deutlich ungünstiger dar: Im<br />
Berichtsjahr 2006/2007 betrug der Anteil an<br />
Altbewerberinnen und Altbewerbern an der<br />
Gesamtzahl der gemeldeten Bewerber/innen<br />
im Land Bremen 56 Prozent. Davon sind<br />
23 Prozent Bewerber/innen aus dem Vorjahr,<br />
33 Prozent kommen aus noch früheren<br />
<strong>Schule</strong>ntlassjahrgängen. Im Vergleich zu Westdeutschland<br />
liegt das Bundesland Bremen<br />
damit um 3 Prozent höher. Möglicherweise ist<br />
die Problemlage in den Großstädten besonders<br />
gravierend, zumindest stellt sich die<br />
Lage in Hamburg im Vergleich noch schlechter<br />
dar: Hier errechnet die Statistik sogar einen<br />
Anteil von 64 Prozent Altbewerbern und<br />
Altbewerberinnen.<br />
Abbildung 2: Gemeldete Bewerber/innen<br />
auf Berufsausbildungsstellen nach <strong>Schule</strong>ntlassjahrgängen:<br />
Bundesland Bremen*<br />
Berichtszeitraum Oktober 2006 bis September 2007<br />
Schulabgangsjahre 2007 2007<br />
Anzahl in %<br />
im Berichtsjahr<br />
aus früheren Jahren<br />
2.996 40<br />
(Altbewerber/innen)<br />
darunter<br />
4.188 56<br />
aus dem Vorjahr 1.718 23<br />
aus noch früheren Jahren 2.470 33<br />
keine Angabe 303 4<br />
Bewerber/innen insgesamt 7.487 100<br />
* <strong>Die</strong> Agentur <strong>für</strong> Arbeit Bremen umfasst den Agenturbezirk Bremen-Stadt<br />
und Landkreis Osterholz. <strong>Die</strong> Agentur <strong>für</strong> Arbeit Bremerhaven umfasst<br />
den Agenturbezirk Bremerhaven-Stadt und den Altkreis Wesermünde.<br />
Quelle: Hammer, Gerlinde/Knuth, Jutta (2008): a.a.O., S. 6.<br />
11 Sie wurden in der BA/BIBB-Bewerberbefragung von 2006<br />
erhoben.<br />
12 <strong>Die</strong> in der Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit geführt werden.<br />
13 Das eigentliche Problem der Altbewerber/innen, dass ihre<br />
Bewerbungserfolge geringer sind als die der<br />
Erstbewerber/innen, dürfte auch auf einen Teil derjenigen<br />
zutreffen, die sich aus anderen Gründen später bewerben.<br />
14 Vgl. Bundesministerium <strong>für</strong> Forschung und Bildung (2008):<br />
Berufsbildungsbericht 2008, Vorversion,<br />
http://www.bmbf.de/pub/bbb_08.pdf<br />
69
70<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />
Zwischen Bremen-Stadt und Bremerhaven<br />
tun sich erhebliche Differenzen auf, was den<br />
Bestand an Altbewerbern und Altbewerberinnen<br />
und dessen Entwicklung angeht. Bremen-<br />
Stadt weist eine sehr hohe Altbewerber/innen-<br />
Quote von fast zwei Drittel der Gesamtbewerber/innen<br />
auf. Allerdings hat sowohl eine<br />
absolute als auch eine prozentuale Abnahme<br />
in den letzten darstellbaren Berichtszeiträumen<br />
stattgefunden.<br />
Abbildung 3: Agenturbezirk Bremen-Stadt: Gemeldete Bewerber/innen und<br />
Altbewerber/innen <strong>für</strong> Berufsausbildungsstellen (Bewerber/innen gesamt)<br />
2007/2008 2006/2007 Anteil Veränderung der Veränderung der<br />
Altbewerber/innen Altbewerber/innen Gesamtbewerber/innen<br />
in % gegenüber Vorjahr gegenüber Vorjahr<br />
Bewerber/ Altbewerber/ Bewerber/ Altbewerber/ 2007/ 2006/ absolut in % absolut in %<br />
innen gesamt innen innen gesamt innen 2008 2007<br />
3.137 1.965 3.625 2.317 62,6 63,9 -352 -15,2 -488 -13,5<br />
Quelle: Hammer, Gerlinde/ Knuth, Jutta (2008): a.a.O., S. 9.<br />
In Bremerhaven dagegen liegt der Anteil der<br />
Altbewerber/innen erheblich niedriger, nämlich<br />
bei etwas mehr als 50 Prozent. Da<strong>für</strong> lässt<br />
sich aber absolut wie relativ eine deutliche<br />
Steigerung in den letzten beiden Berichtsjahren<br />
feststellen. Ob dies nun Zufall oder Trend<br />
ist, lässt sich anhand der verfügbaren Datenlage<br />
nur schwer beurteilen. In jedem Fall muss<br />
sich Bremerhaven mit seiner ohnehin angespannteren<br />
Ausbildungsplatzlage auch künftig<br />
auf ein kaum reduziertes Altbewerber/innen-<br />
Potenzial einstellen und entsprechend größere<br />
Kapazitäten im Übergangssystem bereithalten.<br />
Ob dies nun Zufall oder Trend ist, lässt sich<br />
anhand der verfügbaren Datenlage nur schwer<br />
beurteilen. In jedem Fall muss sich Bremerhaven<br />
mit seiner ohnehin angespannteren Ausbildungsplatzlage<br />
auch künftig auf ein kaum<br />
reduziertes Altbewerber/innen-Potenzial einstellen<br />
und entsprechend größere Kapazitäten<br />
im Übergangssystem bereithalten.<br />
Abbildung 4: Agentur <strong>für</strong> Arbeit Bremerhaven: Gemeldete Bewerber/innen und<br />
Altbewerber/innen <strong>für</strong> Berufsausbildungsstellen (Bewerber/innen gesamt)<br />
2007/2008 2006/2007 Anteil Veränderung der Veränderung der<br />
Altbewerber/innen Altbewerber/innen Gesamtbewerber/innen<br />
in % gegenüber Vorjahr gegenüber Vorjahr<br />
Bewerber/ Altbewerber/ Bewerber/ Altbewerber/ 2007/ 2006/ absolut in % absolut in %<br />
innen gesamt innen innen gesamt innen 2008 2007<br />
2.145 1.161 2.132 1.090 54,1 51,1 +71 +6,5 +13 +0,6<br />
Quelle: Hammer, Gerlinde/Knuth, Jutta (2008): a.a.O., S. 11.
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
4.3 Übergangssystem:<br />
Quantitative Entwicklung,<br />
Teilnehmerstruktur und Maßnahmen<br />
<strong>Die</strong> quantitative Bedeutung des Übergangssystems<br />
ist in den letzten gut 15 Jahren deutlich<br />
gestiegen. Während 1995 bundesweit<br />
gut 30 Prozent der Neuzugänge in das Übergangssystem<br />
einmündeten, waren es 2006<br />
bereits 40 Prozent. <strong>Die</strong>s sind über 500.000<br />
<strong>Jugendliche</strong>. Eine ähnliche Entwicklung ist<br />
auch <strong>für</strong> das Land Bremen zu verzeichnen,<br />
allerdings auf niedrigerem Niveau. Im Jahr<br />
2006 traten 32 Prozent aller Neuzugänge in<br />
das Übergangssystem ein. Das sind im Land<br />
Bremen über 3.400 junge Männer und Frauen.<br />
Abbildung 5: Verteilung der Neuzugänge auf die drei Sektoren des beruflichen Ausbildungssystems<br />
2006 in Deutschland, Flächenländer, Stadtstaaten und ausgewählten Bundesländern<br />
43,5%<br />
551.139<br />
16,6%<br />
210.259<br />
39,9%<br />
504.452<br />
43,2%<br />
512.535<br />
16,4%<br />
195.090<br />
40,4%<br />
Deutschland Flächenländer Stadtstaaten Bremen Hamburg Berlin<br />
Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 98.<br />
Bei den vom im Bildungsbericht abweichenden Werten handelt es sich um vom<br />
Statistischen Landesamt Bremen auf Anfrage der Arbeitnehmerkammer korrigierte<br />
Werte. <strong>Die</strong>s betrifft die Angaben zu Deutschland, den Stadtstaaten und das<br />
Bundesland Bremen.<br />
43,5%<br />
479.017<br />
48,7%<br />
38.604<br />
19,2%<br />
15.169<br />
32,1%<br />
25.435<br />
<strong>Die</strong>se Entwicklung verdeutlicht die ›Verfestigung<br />
von Passungsproblemen an der Schwelle<br />
zwischen allgemeinbildenden <strong>Schule</strong>n und<br />
qualifizierter beruflicher Ausbildung‹ 15 , auch<br />
wenn sich die Verteilung der Neuzugänge im<br />
Land Bremen aufgrund der hohen Einmündungsquote<br />
von über 56 Prozent in das duale<br />
System noch als relativ günstig darstellt.<br />
56,3%<br />
6.165<br />
12,2%<br />
1.338<br />
31,5%<br />
3.445<br />
45,6%<br />
11.815<br />
17,4%<br />
4.494<br />
37,0%<br />
9.593<br />
48,7%<br />
20.624 16<br />
15 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />
a.a.O., S. 99.<br />
16 Einschließlich Berufsgrundbildungsjahr (BGJ).<br />
22,0%<br />
9.337<br />
29,3%<br />
12.397<br />
38,4%<br />
53.899<br />
13,0%<br />
18.268<br />
Niedersachsen<br />
duales System<br />
Schulberufssystem<br />
Übergangssystem<br />
71<br />
48,6%<br />
68.360
72<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />
Ein Blick hinter diese Zahlen im Ländervergleich<br />
verdeutlicht die strukturellen Merkmale<br />
der Teilnehmer/innen von Maßnahmen des<br />
Übergangssystems. Männliche <strong>Jugendliche</strong><br />
sind im Übergangssystem überproportional<br />
vertreten. Bundesweit stellen sie 57 Prozent<br />
aller Neuzugänge, im Land Bremen 55 Prozent.<br />
<strong>Die</strong>s ist darauf zurückzuführen, dass die<br />
Kapazitäten im dualen Ausbildungssystem <strong>für</strong><br />
männliche Bewerber mit niedrigem Schulabschluss<br />
in den letzten Jahren überproportional<br />
zurückgegangen sind. 17<br />
Abbildung 6: Neuzugänge in das Übergangssystem<br />
nach Geschlecht in Deutschland<br />
und im Land Bremen im Jahr 2006<br />
100%<br />
503.401<br />
57,3%<br />
288.266<br />
42,7%<br />
215.135<br />
100%<br />
3.445<br />
Deutschland Bremen<br />
55,0%<br />
1.894<br />
Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />
a.a.O., S. 320; Statistisches Landesamt Bremen;<br />
eigene Berechnungen.<br />
45,0%<br />
1.551<br />
gesamt<br />
Männer<br />
Frauen<br />
Des Weiteren ist der hohe Anteil von <strong>Jugendliche</strong>n<br />
ohne oder mit Hauptschulabschluss im<br />
Übergangssystem auffällig. Bundesweit stellt<br />
diese Gruppe mit mehr als 308.000 Teilnehmern<br />
und Teilnehmerinnen über 60 Prozent an<br />
allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen. Damit<br />
beginnen 79 Prozent der <strong>Jugendliche</strong>n ohne<br />
und 51 Prozent der <strong>Jugendliche</strong>n mit Hauptschulabschluss<br />
ihre Berufskarriere im Übergangssystem.<br />
Für das Land Bremen können<br />
keine genauen Zahlen ermittelt werden. Es<br />
ist aber davon auszugehen, dass sich auch<br />
hier die gleichen Übergangsprobleme zeigen.<br />
17 Vgl. auch Kapitel 2 von Christiane Koch und Peer Rosenthal<br />
in diesem Bericht.
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Abbildung 7: Neuzugänge in das Übergangssystem<br />
nach schulischer Vorbildung in Deutschland im Jahr 2006<br />
ohne Hauptschulabschluss mittlerer Hochschul- oder sonstiger<br />
Hauptschulabschluss Schulabschluss Fachhochschulreife Abschluss<br />
Deutschland 112.575 195.670 157.582 5.733 31.841<br />
in Prozent 22,4 38,9 31,3 1,1 6,3<br />
Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 320.<br />
Werden die Teilnehmer/innen des Übergangssystems<br />
nach Staatsangehörigkeit differenziert,<br />
wird deutlich, dass ausländische <strong>Jugendliche</strong><br />
im Übergangssystem stark überrepräsentiert<br />
sind. Bundesweit stellen sie 8 Prozent<br />
aller Neuzugänge, aber über 12 Prozent im<br />
Übergangssystem. 18 <strong>Die</strong>se Entwicklung zeigt<br />
sich auch im Land Bremen, wo der Anteil ausländischer<br />
<strong>Jugendliche</strong>r an den Neuzugängen<br />
insgesamt bei 10 Prozent liegt und sich dann<br />
in der dualen Berufsausbildung auf unter 6<br />
Prozent reduziert. Im Übergangssystem liegt<br />
ihr Anteil mit 23 Prozent mehr als doppelt<br />
so hoch.<br />
Abbildung 8: Anteil von Neuzugängen mit<br />
ausländischer Staatsangehörigkeit in<br />
den Sektoren des beruflichen Ausbildungssystems<br />
in Deutschland und im Land<br />
Bremen im Jahr 2006 in Prozent<br />
8,0<br />
5,2<br />
5,5<br />
12,2<br />
10,4<br />
Deutschland Bremen<br />
Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung<br />
(2008): a.a.O., S. 322; Statistisches<br />
Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.<br />
5,6<br />
10,5<br />
22,7<br />
insgesamt<br />
duales System<br />
Schulberufssystem<br />
Übergangssystem<br />
Den Großteil der Angebote im Übergangssystem<br />
stellten im Jahr 2006 mit knapp<br />
190.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen die<br />
Berufsfachschulen, die in ein oder zwei Jahren<br />
berufliche Grundkenntnisse oder das Nachholen<br />
eines allgemeinbildenden Schulabschlusses<br />
vermitteln. Daneben existieren als zweitgrößte<br />
Gruppe die Maßnahmen der Arbeitsagentur<br />
(berufsvorbereitende Maßnahmen der<br />
Bundesagentur), die darauf abzielen, die individuellen<br />
Voraussetzungen der <strong>Jugendliche</strong>n<br />
<strong>für</strong> die Aufnahme einer Ausbildung zu verbessern.<br />
Darüber hinaus bestehen Angebote der<br />
Berufsschulen <strong>für</strong> Schüler/innen ohne Ausbildungsvertrag,<br />
das Berufsvorbereitungsjahr<br />
(BVJ), das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) und<br />
die Einstiegsqualifizierung <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong><br />
(EQJ). Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung<br />
konstatieren die Autorinnen und Autoren<br />
des Berichts ›Bildung in Deutschland 2008‹,<br />
dass in der jüngsten Vergangenheit keine hohe<br />
Dynamik in der Angebotsstruktur des Übergangssystems<br />
zu erkennen ist. Auffällig ist<br />
aber der seit 2004 stark gewachsene Anteil<br />
der Berufsschüler/innen ohne Ausbildungsvertrag<br />
bei gleichzeitigem Rückgang der<br />
berufsvorbereitenden Maßnahmen der Bundesagentur<br />
<strong>für</strong> Arbeit. 19<br />
18 Vgl. auch Kapitel 2 von Christiane Koch und Peer Rosenthal<br />
in diesem Bericht.<br />
19 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008):<br />
a.a.O., S. 98 f.<br />
73
74<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />
Abbildung 9: Verteilung der Neuzugänge auf die Bereiche des Übergangssystems<br />
1995, 2000, 2004, 2005 und 2006 in Deutschland<br />
EQJ Jugend Berufsvorbe- sonstige Berufsschulen- schulisches Berufsfachschulen, schulisches<br />
sofort- reitende Maß- schulische Schüler ohne Berufsvorbe- die keinen beruf- Berufsvorbeprogramm<br />
nahmen Bildungsgänge Ausbildungs- reitungsjahr lichen Abschluss reitungsjahr<br />
der BA vertrag (BVJ) vermitteln (BGJ), Vollzeit<br />
1995 0 0 67.448 30.746 29.209 44.118 134.638 34.978<br />
2000 0 60.908 98.614 43.975 26.317 53.500 141.420 35.373<br />
2004 8.329 0 125.184 49.763 33.064 63.335 182.361 43.161<br />
2005 18.751 0 115.724 12.773 83.285 53.177 189.522 37.751<br />
2006 22.793 0 110.778 11.861 83.126 50.001 188.230 36.612<br />
Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O., S. 97.<br />
Für das Land Bremen ergeben sich auf der<br />
Basis von Auswertungen <strong>für</strong> das Ausbildungsjahr<br />
2006/2007 die in Abbildung 10 aufgeführten<br />
Werte. Es dominieren eindeutig die<br />
schulischen Maßnahmen mit über 5.400 Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmern, während an<br />
den berufsvorbereitenden Maßnahmen der<br />
Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (berufsvorbereitende<br />
Maßnahmen der BA und Einstiegsqualifizierungen)<br />
705 Personen teilnahmen.<br />
Abbildung 10: Teilnehmer/innen an<br />
berufsvorbereitenden Maßnahmen im<br />
Land Bremen (Stichtag: 31.12.2006)<br />
ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge Teilzeit 424<br />
ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge Vollzeit 517<br />
Berufsgrundbildungsjahr 12<br />
Berufseingangsstufen/Berufsfachschulen 582<br />
Berufsfachschulen ohne qualifizierenden Abschluss 3.879<br />
berufsvorbereitende BA-Maßnahmen 553<br />
Einstiegsqualifizierung 152<br />
Quelle: Hammer, Gerlinde/Knuth, Jutta (2008): a.a.O., S. 17 f.<br />
Im Verlauf der Ausbildungsplatzkrise und des<br />
wachsenden Bedarfes an Plätzen im Übergangssystem<br />
wurde im Zuge des ›Nationalen<br />
Ausbildungspaktes‹ ein neues Instrument entwickelt,<br />
das kostengünstig und unaufwendig<br />
praktikabel sein sollte und dadurch imstande,<br />
in kurzer Zeit hohe Betreuungsplatzzahlen und<br />
durch seine Betriebsnähe neue Anknüpfungspunkte<br />
an verlorene Ausbildungsstrukturen<br />
zu sichern: die Einstiegsqualifizierung <strong>für</strong><br />
<strong>Jugendliche</strong> (EQJ beziehungsweise neuerdings<br />
EQ). Eine genauere Betrachtung dieses<br />
modernen Übergangs-Instruments soll im<br />
folgenden Abschnitt stattfinden.
4.4 Einstiegsqualifizierung (EQJ/EQ)<br />
als Beispiel einer Fördermaßnahme<br />
des Übergangssystems<br />
Einstiegsqualifizierungen sind betriebliche<br />
Praktika und werden erstmalig seit Oktober<br />
2004 durchgeführt. Das Programm ›Einstiegsqualifizierung<br />
<strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> (EQJ)‹ wurde im<br />
Rahmen des ›Nationalen Pakts <strong>für</strong> Ausbildung<br />
und Fachkräftenachwuchs in Deutschland‹<br />
beschlossen. 20 <strong>Die</strong> Mittel <strong>für</strong> das Sonderprogramm<br />
›EQJ‹ wurden zunächst vom Bund<br />
bereitgestellt, im Sommer 2007 beschloss<br />
die Bundesregierung, Einstiegsqualifizierungen<br />
als Regelangebot zu verstetigen. Seit Oktober<br />
letzten Jahres werden sie als arbeitsmarktpolitisches<br />
Instrument der Bundesagentur <strong>für</strong><br />
Arbeit angeboten. 21 <strong>Die</strong>s wurde mit dem<br />
großen ›Erfolg‹ von EQJ als ›wichtiger Türöffner<br />
<strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong>‹ in Ausbildung begründet. 22<br />
Das Programm ist zugeschnitten auf<br />
<strong>Jugendliche</strong>, die als ›bedingt ausbildungstauglich‹<br />
eingestuft sind, aber bisher trotz ihrer<br />
aktiven Bemühungen noch keinen betrieblichen<br />
Ausbildungsplatz gefunden haben. Zum förderfähigen<br />
Personenkreis zählen<br />
<strong>Jugendliche</strong> ›mit aus individuellen Gründen<br />
eingeschränkten Vermittlungsperspektiven,<br />
die auch nach den bundesweiten Nachvermittlungsaktionen<br />
keinen Ausbildungsplatz<br />
haben‹,<br />
Auszubildende, die noch nicht in vollem<br />
Maße über die erforderliche<br />
Ausbildungs-befähigung verfügen‹ sowie<br />
lernbeeinträchtigte und sozial<br />
benachteiligte Auszubildende‹.<br />
<strong>Die</strong> Vermittlung in Einstiegsqualifizierungen<br />
erfolgt nachrangig. Es nehmen ausschließlich<br />
junge Frauen und Männer teil, die ihre<br />
Schulpflicht beendet haben und – von Ausnahmefällen<br />
abgesehen – solche, die als Bewerber/innen<br />
bei der Agentur <strong>für</strong> Arbeit registriert<br />
sind, die bis zum Stichtag 30. September<br />
noch keinen Ausbildungsplatz haben und die<br />
sich an der Nachvermittlungsaktion beteiligen.<br />
<strong>Die</strong> Vermittlung in EQ erfolgt über die Arbeitsverwaltung,<br />
die auch <strong>für</strong> die Ausstellung der<br />
Verträge zuständig ist.<br />
Über die Eignung der Betriebe entscheiden<br />
die zuständigen Kammern.<br />
Im Unterschied zu anderen betrieblichen<br />
Praktika werden EQ-Maßnahmen öffentlich<br />
subventioniert: <strong>Die</strong> Praktikanten und Praktikantinnen<br />
erhalten von der Arbeitsverwaltung<br />
(Agentur <strong>für</strong> Arbeit beziehungsweise SGB-II-<br />
Träger) einen Unterhaltszuschuss bis zu einer<br />
Höhe von 192 Euro monatlich zuzüglich eines<br />
pauschalierten Anteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag.<br />
<strong>Die</strong> betrieblichen Einstiegsqualifizierungen<br />
können in der Regel frühestens<br />
ab 1. Oktober jeden Ausbildungsjahres<br />
– das heißt mit Beginn der jährlichen Nachvermittlungsaktion<br />
–, spätestens aber bis<br />
März des darauf folgenden Jahres beginnen.<br />
<strong>Die</strong> Laufzeit der Praktika beträgt zwischen<br />
sechs und zwölf Monaten.<br />
20 Vgl. Krewer, Gabriele (2008): EQJ – ein Türöffner zur Berufsausbildung,<br />
S. 53; in: Loebe, Herbert/Severing, Eckart (Hrsg.):<br />
Berufsausbildung im Umbruch, Ansätze zur Modernisierung des<br />
dualen Systems.<br />
21 § 235b SGB III.<br />
22 Vgl. Bundesministerium <strong>für</strong> Arbeit und Soziales (2006): Einstiegsqualifizierung<br />
ist wichtiger Türöffner <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong>, Pressemitteilung<br />
vom 25. April 2006; Bundesministerium <strong>für</strong> Arbeit<br />
und Soziales (2007): Verbesserung von Qualifizierung und<br />
Beschäftigungschancen, Pressemitteilung vom 13. Juni 2007.<br />
75
76<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />
Erfahrungen mit Einstiegsqualifizierungen<br />
im Land Bremen 23<br />
Einstiegsqualifizierungen haben sich in den<br />
letzten Jahren zu einem wichtigen Angebot im<br />
›Instrumentenkasten‹ der Arbeitsverwaltung<br />
entwickelt. Nach der erstmaligen Einführung<br />
von EQJ im Ausbildungsjahr 2004/2005 pendelte<br />
sich in den Folgejahren die Anzahl der<br />
EQ-Praktika bei 330 in der Stadt Bremen und<br />
knapp 100 in Bremerhaven ein. Im Vergleich<br />
mit den anderen von der Bundesagentur<br />
geförderten Maßnahmen <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong>/junge<br />
Erwachsene (berufsvorbereitende Maßnahmen<br />
und außerbetriebliche Ausbildung) erweist<br />
sich der Stellenwert von EQ durchgehend als<br />
recht hoch: Im Ausbildungsjahr 2006/2007<br />
standen <strong>für</strong> berufs- und ausbildungsvorbereitende<br />
Maßnahmen (Angebote der Arbeitsverwaltung)<br />
559 Plätze zur Verfügung, <strong>für</strong> eine<br />
Berufsausbildung in außerbetrieblichen Maßnahmen<br />
620 Plätze und <strong>für</strong> die Einstiegsqualifizierung<br />
<strong>Jugendliche</strong>r wurden 436 Plätze<br />
angeboten. Auch im Jahr 2007/2008 sahen<br />
die Relationen ähnlich aus: So begannen in<br />
der Stadt Bremen 308 <strong>Jugendliche</strong> eine<br />
berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme, 220<br />
eine außerbetriebliche Ausbildung und 330<br />
eine Einstiegsqualifizierung.<br />
Abbildung 11: Anzahl der<br />
Teilnehmer/innen in EQJ seit 2004 in den<br />
Städten Bremen und Bremerhaven<br />
152<br />
51<br />
317<br />
90<br />
360<br />
2004/2005 2005/2006 2006/2007 2007/2008<br />
98<br />
Quelle: Kühnlein, Gertrud (i.E.): Bestandsaufnahme<br />
und Analyse der Entwicklung des beruflichen<br />
Übergangssystems in Bremen unter besonderer<br />
Berücksichtigung der Erfahrungen mit dem<br />
Instrument Einstiegsqualifizierung (EQ), Bremen.<br />
329<br />
ca.<br />
100<br />
Bremen<br />
Bremerhaven<br />
Über alle Jahre hinweg zeigt sich, dass die<br />
Anzahl der von den Betrieben angebotenen<br />
Plätze die tatsächlich realisierten EQ-Praktika<br />
bei Weitem übersteigt. Das gilt <strong>für</strong> alle<br />
Bundesländer. Für das Land Bremen sieht das<br />
Verhältnis wie folgt aus: von 510 bei den<br />
Agenturen <strong>für</strong> Arbeit gemeldeten EQ-Stellen<br />
waren im Januar 2008 noch 302 unbesetzt.<br />
<strong>Die</strong>s entspricht einem Anteil von 60 Prozent.<br />
Entscheidend <strong>für</strong> die Beurteilung des Instruments<br />
Einstiegsqualifizierung ist unter anderem<br />
natürlich die Frage, welche <strong>Jugendliche</strong>n<br />
ein solches Praktikum absolvieren, weil es<br />
eben nicht nur marktbenachteiligte, sondern<br />
auch lern- und sozial benachteiligte <strong>Jugendliche</strong><br />
erreichen soll. Von daher ist es äußerst<br />
bedauerlich, dass aktuelle Daten zur Zusammensetzung<br />
der Praktikantinnen und Praktikanten<br />
nach sozialstatistischen Merkmalen wie<br />
Geschlecht, Alter, Schulabschluss oder<br />
nationale Herkunft <strong>für</strong> das Land Bremen nicht<br />
vorliegen. Allerdings ist einer Mitteilung des<br />
Bremer Senats vom Januar 2007 zu entnehmen,<br />
dass die meisten EQ-Teilnehmer/innen<br />
über einen (erweiterten) Hauptschulabschluss<br />
oder mittleren Schulabschluss verfügen.<br />
14 Prozent in Bremen und 5 Prozent in<br />
Bremerhaven haben sogar die Hochschulreife<br />
erreicht und lediglich 0,5 Prozent (Bremen)<br />
beziehungsweise 6 Prozent (Bremerhaven)<br />
sind ohne Schulabschluss.<br />
23 <strong>Die</strong> folgenden Ausführungen und Einschätzungen erfolgen,<br />
soweit nicht anders gekennzeichnet, auf der Basis von Ergebnissen<br />
einer Kurzstudie im Auftrag der Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen zu Umsetzungserfahrungen des Instruments Einstiegsqualifizierung<br />
in Bremen und Bremerhaven, die im Sommer<br />
2008 durchgeführt worden ist. Ausgewertet wurden in diesem<br />
Zusammenhang die verfügbaren Datensätze, außerdem wurden<br />
Gespräche mit Expertinnen und Experten geführt, die <strong>für</strong> die<br />
Gestaltung des beruflichen Übergangssystems in Bremen und<br />
Bremerhaven zuständig sind (Vertreter/innen der Industrieund<br />
Handelskammer und der Handwerkskammer, der Arbeitsverwaltung,<br />
der <strong>Senatorin</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend<br />
und Soziales, der <strong>Senatorin</strong> <strong>für</strong> Bildung und Wissenschaft sowie<br />
des DGB). <strong>Die</strong> Studie wird demnächst erscheinen: Kühnlein,<br />
Gertrud (im Erscheinen/i.E.): Bestandsaufnahme und Analyse der<br />
Entwicklung des beruflichen Übergangssystems in Bremen<br />
unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen mit dem<br />
Instrument Einstiegsqualifizierung (EQ), Bremen.
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Damit ist vom durchschnittlichen Schulniveau<br />
her die Zielgruppe der EQ-Praktikantinnen und<br />
-Praktikanten viel eher den Auszubildenden<br />
im ersten Lehrjahr vergleichbar als den Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmern an berufsausbildungsvorbereitenden<br />
Maßnahmen. <strong>Die</strong>ser<br />
Befund entspricht in der Tendenz auch den<br />
Ergebnissen einer bundesweiten Evaluation. 24<br />
Auffallend ist allerdings in der Stadt Bremen<br />
der vergleichsweise sehr hohe Anteil von<br />
EQ-Praktikantinnen und -Praktikanten mit Hochschulreife<br />
und der besonders geringe Anteil<br />
von Teilnehmerinnen und Teilnehmern ohne<br />
Schulabschluss.<br />
<strong>Die</strong> weitaus meisten EQ-Praktika werden in<br />
den Zuständigkeitsbereichen der Handelskammer<br />
Bremen und der Industrie- und Handelskammer<br />
Bremerhaven sowie der Handwerkskammer<br />
angeboten. Einen deutlichen Schwerpunkt<br />
bildet der <strong>Die</strong>nstleistungssektor. Von<br />
allen Einstiegsqualifizierungen liegen Verkaufsberufe<br />
im Einzelhandel an erster Stelle. An<br />
zweiter Stelle steht das Hotel- und Gaststättengewerbe.<br />
Weitere Berufsgruppen im<br />
Zuständigkeitsbereich der Handelskammer<br />
Bremen und der Industrie- und Handelskammer<br />
(IHK) Bremerhaven sind mit deutlichem<br />
Abstand Bürokaufleute sowie der Metallbereich<br />
(Industriemechaniker).<br />
Bei den Handwerksberufen liegt der Ausbildungsberuf<br />
Friseur/in weit vorne (nach<br />
Auskunft der Handwerkskammer etwa jede<br />
vierte EQ-Stelle). Einen weiteren Schwerpunkt<br />
(etwa 15 Prozent) nimmt hier das Kraftfahrzeuggewerbe<br />
ein (Mechaniker, Mechatroniker)<br />
sowie – mit geringeren Anteilen – Fachverkäufer/innen<br />
im Nahrungsmittelhandwerk.<br />
Zudem gibt es EQ-Plätze in den Berufen Maler<br />
und Lackierer, Dachdecker, Anlagenmechaniker<br />
und Tischler.<br />
Abbildung 12:<br />
Schulabschlüsse der EQ-Teilnehmer/innen in Bremen und Bremerhaven 2004 bis 2006<br />
0,5 %<br />
3,0 %<br />
4,5 %<br />
ohne Schulabschluss<br />
0,0 %<br />
Quelle: Kühnlein, Gertrud (i.E.): a.a.O.<br />
3,0 %<br />
0,0 %<br />
Sonderschulabschluss<br />
54,0 %<br />
45,0 %<br />
46,0 %<br />
Hauptschulabschluss<br />
31,0 %<br />
44,0 % 42,0 %<br />
mittlerer Schulabschluss<br />
14,0 %<br />
5,0 %<br />
Hochschulreife<br />
7,5 %<br />
Bremen<br />
Bremerhaven<br />
Bund<br />
24 Vgl. (GIB) Gesellschaft <strong>für</strong> Innovationsforschung und Beratung<br />
mbH (2008): Begleitforschung des Sonderprogramms des<br />
Bundes zur Einstiegsqualifizierung <strong>Jugendliche</strong>r im Auftrag des<br />
Bundesministeriums <strong>für</strong> Arbeit und Soziales, Abschlussbericht,<br />
Berlin.<br />
77
78<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />
<strong>Die</strong> Übernahmequoten von EQ in Ausbildung<br />
sind seit Beginn der Maßnahme unverändert<br />
hoch: Etwa 50 bis 70 Prozent der EQ-Praktikantinnen<br />
und Praktikanten finden im<br />
Anschluss einen (betrieblichen) Ausbildungsplatz.<br />
<strong>Die</strong> Angaben hierzu differieren je nach<br />
Zählweise. Während die Kammern lediglich<br />
die Teilnehmer/innen einrechnen, die die<br />
EQ-Maßnahme erfolgreich absolviert haben,<br />
erfasst die Arbeitsverwaltung alle Teilnehmer/innen,<br />
die eine Einstiegsqualifizierung<br />
begonnen haben.<br />
Über spezifische Unterschiede im Übernahmeverhalten<br />
der Betriebe hinsichtlich Betriebsgröße,<br />
Branchen und Berufen sowie Schulniveau,<br />
Herkunft und Geschlecht der Teilnehmer/innen<br />
liegen keine Erhebungen vor. Hier<br />
kann allenfalls unter Bezug auf die Ergebnisse<br />
der bundesweiten Evaluation die Vermutung<br />
angestellt werden, dass die Teilnehmer/innen<br />
mit höheren Schulabschlüssen im Durchschnitt<br />
bessere Übernahmechancen haben.<br />
<strong>Die</strong> Inhalte der Einstiegsqualifizierung sollen<br />
sich an den Qualifizierungsbausteinen orientieren,<br />
die vonseiten der zuständigen Kammern<br />
in den letzten Jahren <strong>für</strong> eine Vielzahl von Ausbildungsberufen<br />
entwickelt worden sind. <strong>Die</strong>se<br />
sind jeweils den Ausbildungsinhalten aus dem<br />
ersten Ausbildungsjahr entnommen und werden<br />
den Betrieben zur Verfügung gestellt. Ob<br />
die Betriebe von dieser Möglichkeit tatsächlich<br />
Gebrauch machen, wird von keiner Seite<br />
systematisch überprüft. Weder die Arbeitsverwaltung<br />
noch die Kammern sehen solche Qualitätskontrollen<br />
als ihre originäre Aufgabe an.<br />
Da <strong>für</strong> EQ keine Kammerprüfungen vorgesehen<br />
sind und da ausdrücklich auch solche<br />
Betriebe angesprochen sind, die bisher noch<br />
nicht ausgebildet haben, ist zu vermuten,<br />
dass die Ausbildungsqualität im Einzelfall sehr<br />
unterschiedlich ausfällt. Ob und inwieweit der<br />
Einsatz der Praktikantinnen und Praktikanten<br />
im Betriebsalltag jeweils ›lernhaltige‹ Elemente<br />
enthält, dürfte nach Branchen und Berufen<br />
relativ stark differieren. Kritisch zu beobachten<br />
wären unter diesem Aspekt zum Beispiel<br />
Unternehmen aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe,<br />
Teile des Einzelhandels (insbesondere<br />
Filialbetriebe) sowie das Friseurhandwerk.<br />
Das EQ-Praktikum kann anteilig auf die<br />
Ausbildung angerechnet werden und damit zu<br />
einer entsprechenden Verkürzung der Ausbildungszeit<br />
führen. 25 In der Praxis findet eine<br />
solche Anrechnung allerdings offenbar nur<br />
selten statt: Im Bereich der (Industrie- und)<br />
Handelskammern scheint dies den ›absoluten<br />
Ausnahmefall‹ darzustellen. Bei der Handwerkskammer<br />
geht man dagegen davon aus,<br />
dass ungefähr ein Drittel der Betriebe sechs<br />
EQ-Monate auf die reguläre Ausbildungszeit<br />
anerkennen, wenn sowohl der fachpraktische<br />
als auch der fachtheoretische Teil mit Erfolg<br />
abgelegt worden ist. Zwingende Voraussetzung<br />
da<strong>für</strong> ist allerdings der regelmäßige<br />
Berufsschulbesuch.<br />
<strong>Die</strong> EQ-Praktikantinnen und -Praktikanten<br />
haben in Bremen die Möglichkeit, die Berufsschule<br />
zu besuchen. Sie werden dann in die<br />
entsprechenden Fachklassen (erstes Ausbildungsjahr)<br />
integriert. 26 Wie hoch der Anteil<br />
derer ist, die tatsächlich am Berufsschulunterricht<br />
teilnehmen, wird allerdings von keiner<br />
Institution systematisch erfasst. Auch bei<br />
optimistischer Schätzung muss davon ausgegangen<br />
werden, dass maximal die Hälfte der<br />
EQ-Teilnehmer/innen den Lernort Berufsschule<br />
besucht. 27<br />
Eine Beschulung am dritten Lernort, den<br />
überbetrieblichen Lehrwerkstätten des Handwerks,<br />
ist allein den beteiligten Betrieben<br />
überlassen und müsste gegebenenfalls auch<br />
von diesen finanziert werden. <strong>Die</strong>s geschieht<br />
allerdings nach Auskunft der Handwerkskammer<br />
in den seltensten Fällen.<br />
Gesetzlich vorgesehen ist die Ausstellung<br />
von Bescheinigungen durch die Betriebe sowie<br />
darauf basierend Zertifikate der Kammern:<br />
›<strong>Die</strong> vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten<br />
25 Nach § 8 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) und § 27b Abs. 1<br />
Handwerksordnung.<br />
26 <strong>Die</strong>s entspricht den Regelungen in den meisten anderen<br />
Bundesländern. Nur in Ausnahmefällen ist ein Berufsschulbesuch<br />
<strong>für</strong> EQ-Teilnehmer/innen nicht vorgesehen.<br />
27 Hierzu existiert lediglich eine punktuelle Erhebung der <strong>Senatorin</strong><br />
<strong>für</strong> Bildung und Wissenschaft: So wurden Anfang November<br />
2007 an den Berufsschulen der Stadt Bremen 77 EQ-<br />
Schüler/innen gezählt. Insgesamt begannen im Ausbildungsjahr<br />
2007/2008 330 <strong>Jugendliche</strong> eine EQ-Maßnahme – allerdings zu<br />
jeweils individuell unterschiedlichen Einstiegszeitpunkten<br />
zwischen Oktober 2007 und Februar/März 2008.
80<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />
sind vom Betrieb zu bescheinigen. <strong>Die</strong> zuständige<br />
Stelle stellt über die erfolgreich durchgeführte<br />
betriebliche Einstiegsqualifizierung<br />
ein Zertifikat aus.‹ 28<br />
Solche Zertifikate werden allerdings nach<br />
Auskunft der zuständigen Kammern in der Praxis<br />
nur <strong>für</strong> bis zu 40 Prozent der Praktikantinnen<br />
und Praktikanten ausgestellt (Handelskammer<br />
beziehungsweise IHK), im Bereich der<br />
Handwerkskammer sind es nach deren Angaben<br />
sogar lediglich 10 bis 15 Prozent. <strong>Die</strong><br />
IHK begründet dies damit, dass die Kammer<br />
lediglich dann agiere, wenn der Betrieb oder<br />
der/die Praktikant/in die notwendige Initiative<br />
ergreifen. Zudem sollen vor allem Kleinbetriebe<br />
von dem Anspruch, die erbrachten Ausbildungsleistungen<br />
zu bescheinigen, schlicht<br />
überfordert sein.<br />
Bewertung des Instruments<br />
Einstiegsqualifizierung<br />
Zweifellos: Teilnehmer/innen von EQ weisen<br />
eine hohe Übergangswahrscheinlichkeit in<br />
betriebliche Ausbildung auf und auch der<br />
erhoffte Klebeeffekt, also die Übernahme<br />
durch den Betrieb, in dem das Praktikum<br />
absolviert wurde, tritt in vielen Fällen ein.<br />
Doch reicht das als alleiniger Erfolgsmaßstab<br />
aus? Mit Sicherheit nicht.<br />
Hohe Übergangsquoten sind das eine, sich<br />
aus diesen Übergängen ergebende Zukunftsperspektiven<br />
das andere. So stehen einige<br />
der am meisten frequentierten Berufe <strong>für</strong><br />
›schlechte Ausbildungsqualität‹ 29 , hohe<br />
Abbruchquoten und vor allem auch geringe<br />
Übernahmequoten nach der Ausbildung in<br />
Erwerbstätigkeit. Daher droht nach dem staatlich<br />
geförderten Einstieg in die Berufsausbildung<br />
schon wieder der nächste erzwungene<br />
Ausstieg.<br />
Das Instrument EQ wurde vom Gesetzgeber<br />
sehr offen angelegt, so dass einerseits erhebliche<br />
einzelbetriebliche Gestaltungsspielräume<br />
bestehen, andererseits auch wichtige<br />
Steuerungs-, Umsetzungs- und Kontrollfunktionen<br />
unklar sind. So fühlen sich weder die<br />
Arbeitsverwaltung noch die Kammern <strong>für</strong> die<br />
systematische Überprüfung der betrieblichen<br />
Umsetzung der Praktika zuständig. 30<br />
Äußerst bedenklich stimmt der geringe Anteil<br />
von <strong>Jugendliche</strong>n ohne Schulabschluss an den<br />
Einstiegsqualifizierungen. <strong>Die</strong>s macht deutlich,<br />
dass auch <strong>für</strong> betriebliche Praktika das Prinzip<br />
der Bestenauslese zur Anwendung kommt und<br />
leistungsschwächere <strong>Jugendliche</strong> wieder an<br />
das Ende der Warteschlange verwiesen werden.<br />
Symptomatisch ist denn auch, dass nur<br />
ein Bruchteil der Unternehmen vom Angebot<br />
Gebrauch macht, eine sozialpädagogische<br />
Begleitung in Anspruch zu nehmen: An jungen<br />
Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf<br />
haben die Betriebe in der Regel eben<br />
leider kein Interesse.<br />
Da zudem die Anrechnung der erworbenen<br />
Teilqualifikationen in der Praxis so gut wie<br />
nicht vorkommt und damit die Ausbildungszeit<br />
nicht verkürzt wird, steht die gesamte politische<br />
Zielsetzung der Reduzierung von Warteschleifen<br />
zur Disposition. Es bedarf daher der<br />
verbindlichen Anrechnungsregelungen und des<br />
verpflichtenden Berufsschulbesuches, da das<br />
Praktikum <strong>für</strong> die Teilnehmer/innen ansonsten<br />
ein ›Ausbildungsjahr Null‹ 31 bedeutet und der<br />
Einstieg in das Berufsleben trotz erbrachter<br />
Leistungen und staatlicher Subventionierung<br />
der Betriebe weiter verlängert wird.<br />
4.5 Unübersichtlichkeit<br />
des Übergangssystems<br />
Das Übergangssystem ist außerordentlich<br />
unübersichtlich. Als ›System‹ lässt es sich<br />
eigentlich gar nicht bezeichnen, vielmehr stellt<br />
es sich teilweise als Sammelsurium von<br />
wechselnden Angeboten dar, deren Kontinuität<br />
nicht gewährleistet ist, deren Angebotsteile<br />
über keine innere Struktur verfügen und an<br />
dem ganz unterschiedliche Geldgeber beteiligt<br />
28 § 235 Abs. 3 SGB III.<br />
29 Vgl. DGB-Jugend (2008): Ausbildungsreport 2008, Berlin.<br />
30 Gewisse Hoffnungen sind mit der neuen Geschäftsanweisung<br />
der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit vom November letzten Jahres<br />
verbunden, die den örtlichen Agenturen <strong>für</strong> Arbeit eine höhere<br />
Verantwortung zuweist.<br />
31 Vgl. Kühnlein, Gertrud (i.E.): a.a.O.
sind. 32 <strong>Die</strong> Bildungspolitik in dieser Sphäre,<br />
sofern man von einer solchen überhaupt<br />
sprechen kann, ist ausschließlich reaktiv, das<br />
heißt, es werden auf Basis des alljährlichen,<br />
unkalkulierten Bewerber/innen-Überhangs in<br />
den verschiedenen Sektoren des Übergangssystems<br />
– den schulischen wie den durch freie<br />
Träger getragenen – Kapazitäten bereitgestellt,<br />
um die unversorgten <strong>Jugendliche</strong>n ›vom<br />
Markt zu nehmen‹. Infolgedessen ist das Übergangssystem<br />
›faktisch zum Ausdehnungsraum<br />
<strong>für</strong> den Nachfrageüberhang nach betrieblichen<br />
Ausbildungsplätzen geworden‹. 33 <strong>Die</strong> Hauptträgerschaft<br />
teilen sich die diversen Schultypen<br />
vor Ort und freie Träger, die überwiegend<br />
durch Mittel der Arbeitsagentur finanziert<br />
werden. Da alljährlich die Mär vom ausgeglichenen<br />
Ausbildungsmarkt gesungen wird, die<br />
Matchingprozesse in einem freien Markt auch<br />
kaum steuer- und planbar sind, verläuft dieser<br />
Bereitstellungsprozess notwendigerweise<br />
mehr oder weniger spontan. Das heißt, es<br />
zeigt sich erst nach Beginn des Ausbildungsjahres<br />
im September, welchen Übergangsbedarf<br />
eine Region wie Bremen hat, was dazu<br />
führt, dass entweder in guten Ausbildungsjahren<br />
vorgehaltene Kapazitäten frei bleiben (und<br />
Bildungsträger Personal freisetzen müssen)<br />
oder aber nicht vorhandene Kapazitäten noch<br />
schnell aus dem Boden gestampft werden<br />
müssen – was in der Regel nicht zielgerichtet<br />
geschehen kann und mit den entsprechenden<br />
qualitativen Abstrichen verbunden ist. Verschärft<br />
wurde diese Tatsache durch die<br />
Umstellung der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit auf<br />
das Instrument des zentralen Einkaufs von<br />
Maßnahmen, der eine längerfristige Planbarkeit<br />
der Zusammenarbeit mit regionalen<br />
Trägern massiv erschwert hat. 34<br />
Im Prinzip gibt es kein bildungspolitisches<br />
und daraus resultierendes pädagogisches<br />
Konzept <strong>für</strong> den Bereich des Übergangssystems.<br />
35 Angebot schaffen, unterbringen,<br />
Statistik bereinigen lautet die Devise: Man hat<br />
das Übergangssystem mit der Jugendberufsnot<br />
einfach wachsen lassen und es in relativer<br />
Strukturlosigkeit belassen. Das führt dazu,<br />
dass mit nahezu jeder Änderung der Förderstrukturen,<br />
gleichgültig ob diese schulisch<br />
(Landesebene) oder außerschulisch (Arbeitsagentur-Ebene)<br />
stattfindet, sich auch die<br />
Instrumente des Übergangssystems ändern.<br />
Eine Reduzierung der Maßnahmeangebote der<br />
Arbeitsagentur beispielsweise führt – wie in<br />
den letzten Jahren geschehen – zu einem notwendigen<br />
Ausbau der schulischen Angebote,<br />
ohne dass die <strong>Schule</strong>n auf diese Anforderung<br />
von der Kapazität her, geschweige denn konzeptionell<br />
oder fachlich wirklich darauf eingestellt<br />
wären. 36 <strong>Die</strong> wenigsten Lehrer/innen,<br />
Berufsschulen einmal ausgenommen, besitzen<br />
ausgeprägte Fachkenntnisse in Berufsorientierung<br />
oder können berufsfachliche Grundbildung<br />
vermitteln. 37 <strong>Die</strong> betrieblichen Kontakte<br />
sind hier zudem vielfach noch sehr rudimentär.<br />
32 Vgl. Bosch, Gerhard (2008): Herausforderungen <strong>für</strong> das deutsche<br />
Berufsbildungssystem, S. 54; in: Zimmer, Gerhard/<br />
Dehnbostel, Peter (Hrsg.): Berufsausbildung in der Entwicklung –<br />
Positionen und Leitlinien. Duales System,schulische Ausbildung,<br />
Übergangssystem, Modularisierung, Europäisierung.<br />
33 Vgl. Dobischat, Rolf/Milolaza, Anita/Stender, Axel (2008):<br />
Vollzeitschulische Berufsausbildung – eine gleichwertige<br />
Alternative zur dualen Berufsausbildung, S. 129; in: Zimmer,<br />
Gerhard/Dehnbostel, Peter (Hrsg.): a.a.O.<br />
34 Vgl. Kühnlein, Gertrud (2008): Das berufliche Übergangssystem:<br />
Neues kommunales Handlungsfeld im Dreieck von Arbeitsmarkt-,<br />
Bildungs- und Jugendpolitik, S. 54; in: BWP 1/2008.<br />
35 Vgl. Molzberger, Gabriele (2008): Differenzielle Qualifizierungswege<br />
– neue Perspektiven <strong>für</strong> sozial benachteiligte junge Menschen,<br />
S. 156; in: Zimmer, Gerhard/Dehnbostel, Peter (Hrsg.):<br />
a.a.O. und Bojanowski, Arnulf (2006): Umriss einer beruflichen<br />
Förderpädagogik. Systematisierungsvorschlag zu einer Pädagogik<br />
<strong>für</strong> benachteiligte <strong>Jugendliche</strong>, S. 330-362; in: Bojanowski,<br />
Arnulf/Ratschinski, Günter/Straßer, Peter (Hrsg.): <strong>Die</strong>sseits<br />
vom Abseits, Studien zur beruflichen Benachteiligtenförderung.<br />
36 Vgl. Dobischat, Rolf/Milolaza, Anita/Stender, Axel (2008):<br />
a.a.O., S. 147 und Kampmeier, Anke u.a. (2008): Das Miteinander<br />
fördern, Ansätze <strong>für</strong> eine professionelle Benachteiligtenförderung,<br />
S. 7.<br />
37 Vgl. Walter, Sibylle/Walther, Andreas (2007): ›Context matters‹:<br />
Anforderungen, Risiken und Spielräume im deutschen Übergangssystem,<br />
S. 74; in: Stauber, Barbara/Pohl, Axel/Walther,<br />
Andreas (Hrsg.): Subjektorientierte Übergangsforschung,<br />
Rekonstruktion und Unterstützung biografischer Übergänge<br />
junger Erwachsener.<br />
81
82<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />
<strong>Die</strong> Angebote des Übergangssystems passen<br />
demnach auch nicht zusammen, können nicht<br />
ineinandergreifen und oft nicht aufeinander<br />
aufbauen. Erfolgreiche Strukturierungsansätze<br />
wie beispielsweise das Bremer schulische<br />
Angebot der B/BFS und der anschließenden<br />
BFSq 38 werden mit der aktuellen Schulreform<br />
zur Disposition gestellt. Zudem wurde über<br />
die Reduktion der BA-Mittel und ihrer Ausschreibungspraxis<br />
eine verstärkte Konkurrenz<br />
der Trägerschaften installiert. Lernortkooperation,<br />
ein zentrales Instrument der traditionellen<br />
Benachteiligtenförderung, mit deren Hilfe<br />
beispielsweise schulische und Trägerangebote<br />
kombinierbar würden und auch der Kontakt<br />
in die Wirtschaft leichter koordinierbar wäre,<br />
ist unter solchen Konkurrenzbedingungen<br />
nahezu ausgeschlossen. Zielgruppendifferenzierung<br />
und ein dementsprechender passgenauer<br />
Zuschnitt an Übergangsmaßnahmen sind<br />
in einem solchen diskontinuierlichen Sammelbecken<br />
äußerst komplex und teilweise nicht<br />
möglich. <strong>Die</strong> Konsequenz ist einfach oder<br />
nachhaltig negativ:<br />
Es lässt sich zwar konstatieren, dass sich<br />
durch die Bildungsangebote des Übergangsbereiches<br />
das Bildungsniveau der Teilnehmer/<br />
-innen verbessert, zudem bewerten die teilnehmenden<br />
<strong>Jugendliche</strong>n den Nutzen <strong>für</strong> die<br />
persönliche Entwicklung mehrheitlich positiv. 39<br />
<strong>Die</strong> Chancen auf Integration in Berufsausbildung<br />
werden aber nicht <strong>für</strong> alle Teilnehmer/innen<br />
größer. Das Übergangssystem ist <strong>für</strong><br />
diese <strong>Jugendliche</strong>n somit nicht einmal eine<br />
Warteschleife, sondern eine Sackgasse. Wie<br />
viele <strong>Jugendliche</strong> von solch einer Entwicklung<br />
betroffen sind, wird im Folgenden dargestellt.<br />
4.6 Ausbildungslosigkeit trotz<br />
Übergangssystems<br />
Obgleich die Thematik der Übergänge an der<br />
ersten Schwelle in den letzten Jahren (wieder)<br />
verstärkt in den wissenschaftlichen und politischen<br />
Fokus gerückt sind, ist die Datenlage<br />
teilweise noch unbefriedigend. 40 <strong>Die</strong>s ist darauf<br />
zurückzuführen, dass ein großer Teil der<br />
Studien bereits vor einigen Jahren erstellt worden<br />
ist. Deren Ergebnisse sind nicht auf die<br />
heutige Situation übertragbar, weil die Gestaltung<br />
von Übergängen stark von der jeweiligen<br />
Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt<br />
beeinflusst wird. Andere aktuelle Studien sind<br />
zwar bestens dazu geeignet, das unmittelbare<br />
Übergangsgeschehen querschnittsartig abzubilden<br />
(vergleiche BA/BIBB-Bewerberbefragung),<br />
Längsschnittaussagen lassen sich<br />
damit aber nicht treffen. 41 Einzige bundesweite<br />
Ausnahme ist die BIBB-Übergangsstudie 42<br />
38 B/BFS war in Bremen die Berufseingangsstufe/Berufsfachschule,<br />
ein Bildungsgang <strong>für</strong> noch schulpflichtige <strong>Jugendliche</strong>, an<br />
dessen Ende ein Schulabschluss sowie der Übergang entweder<br />
in eine duale Ausbildung stehen sollte oder, wenn dieser nicht<br />
gelang, die nahtlose Überleitung in die BFSq, die Berufsfachschule<br />
mit qualifizierendem Abschluss, eine vollqualifizierende<br />
schulische Ausbildung. <strong>Die</strong>ser Bildungsgang wird mit dem<br />
Schuljahr 2008/09 wegen der neuen Struktur der Schularten in<br />
Bremen eingestellt.<br />
39 Vgl. Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): Ergebnisse<br />
der BIBB-Übergangsstudie, S. 282 ff.; in: Beicht, Ursula/<br />
Friedrich, Michael/Ulrich, Joachim Gerd (Hrsg.): Ausbildungschancen<br />
und Verbleib von Schulabsolventen. Allerdings ist in<br />
diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass <strong>Jugendliche</strong><br />
dazu neigen, ihre berufliche Situation als selbstbestimmt zu<br />
begreifen. Da selbstbestimmte Entscheidungen aber nur dann<br />
sinnvoll sind, wenn sie zielführend und nützlich erscheinen,<br />
beurteilen auch ins Übergangssystem einmündende <strong>Jugendliche</strong><br />
ihre aktuelle Situation positiv, obgleich sie nach der <strong>Schule</strong><br />
eigentlich direkt in eine Ausbildung wechseln wollten (vgl. Beicht,<br />
Ursula/Friedrich, Michael/Ulrich, Gerd Joachim (2008): Zusammenfassung<br />
und Diskussion zentraler Ergebnisse, S. 306; in:<br />
Beicht, Ursula/Friedrich, Michael/Ulrich, Joachim Gerd (Hrsg.):<br />
Ausbildungschancen und Verbleib von Schulabsolventen<br />
und den Beitrag von Ralf Lorenzen in diesem Bericht).<br />
40 Beispielhaft genannt seien hier lediglich die Lebensverlaufsstudie<br />
des Max-Planck-Instituts <strong>für</strong> Bildungsforschung, die<br />
Studien zu Arbeit und Identität des Soziologischen Forschungsinstituts<br />
in Göttingen, die Studien auf Basis des Sozioökonomischen<br />
Panels (SOEP) sowie die auf die Übergänge von Bremer<br />
Hauptschüler/innen bezogene sogenannte Bremer Jugendstudie.<br />
Für einen Überblick vgl. Friedrich, Michael/Eberhard,<br />
Verena/Ulrich, Joachim Gerd (2008): Übergänge der <strong>Jugendliche</strong>n<br />
von der <strong>Schule</strong> in die Berufsausbildung: theoretische<br />
Bezüge und Ergebnisse bisheriger Studien, S. 63 ff.; in:<br />
Beicht, Ursula/Friedrich, Michael/Ulrich, Joachim Gerd (Hrsg.):<br />
Ausbildungschancen und Verbleib von Schulabsolventen.<br />
41 Vgl. Friedrich, Michael/Eberhard, Verena/Ulrich, Joachim<br />
Gerd (2008): a.a.O., S. 77 f.<br />
42 Vgl. Beicht, Ursula/Friedrich, Michael/Ulrich, Joachim Gerd<br />
(Hrsg.): Ausbildungschancen und Verbleib von Schulabsolventen.
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
(repräsentative, retrospektive Längsschnitterhebung),<br />
aus der sich allerdings keine regionalen<br />
Rückschlüsse ziehen lassen. Gleichwohl<br />
sind ihre Ergebnisse dazu geeignet, Schlussfolgerungen<br />
<strong>für</strong> die Bewertung des Übergangssystems<br />
und den politischen Handlungsbedarf<br />
zu ziehen. Das Übergangssystem muss sich<br />
letztlich daran messen lassen, ob und wenn<br />
ja, wie schnell es gelingt, <strong>Jugendliche</strong> in eine<br />
vollqualifizierende Ausbildung zu führen oder<br />
aber ob nur Maßnahmekarrieren begründet<br />
werden, an deren Ende der Eintritt als ausbildungslose/r<br />
Arbeitnehmer/in in das<br />
Beschäftigungssystem erfolgt.<br />
Dabei ist zunächst danach zu fragen, wie<br />
sich der Bestand an Maßnahmeteilnehmern<br />
und -teilnehmerinnen im Übergangssystem<br />
einer bestimmten Untersuchungsgruppe im<br />
Zeitverlauf entwickelt. Während sich drei<br />
Monate nach Schulabschluss fast ein Viertel<br />
im Übergangssystem befand, waren es nach<br />
einem Jahr noch 13 Prozent, nach 24 Monaten<br />
noch 7 Prozent und drei Jahre nach Schulabgang<br />
immer noch 5 Prozent. 43 Werden<br />
diese Anteile jetzt differenziert nach Schulabschlussniveau<br />
<strong>für</strong> nicht-studienberechtigte<br />
<strong>Jugendliche</strong> dargestellt, ergibt sich folgendes<br />
Bild: Während sich <strong>Jugendliche</strong> mit maximal<br />
Hauptschulabschluss nach Schulabgang zu 35<br />
Prozent im Übergangssystem befanden, war<br />
dieser Anteil bei Absolventen mit mittlerem<br />
Schulabschluss nur halb so groß (17 Prozent).<br />
<strong>Die</strong>se ungleichmäßige Verteilung wird im<br />
Zeitverlauf größer. So befanden sich ein Jahr<br />
nach <strong>Schule</strong>nde 21 Prozent der <strong>Jugendliche</strong>n<br />
mit maximal Hauptschulabschluss im Übergangssystem,<br />
dies traf noch auf 7 Prozent mit<br />
mittlerem Abschluss zu. Nach 24 Monaten<br />
nahmen noch 10 Prozent mit maximal Hauptschulabschluss<br />
an Maßnahmen des Übergangssystems<br />
teil, bei Absolventen mit mittlerem<br />
Abschluss war der Anteil halb so groß.<br />
Und schließlich lässt sich <strong>für</strong> den Zeitpunkt<br />
nach drei Jahren festhalten, dass sich bei<br />
mittlerem Schulabschluss 3 Prozent der Untersuchungsgruppe<br />
im Übergangssystem befanden,<br />
im Gegensatz zu 8 Prozent mit maximal<br />
Hauptschulabschluss. 44 <strong>Die</strong> Verteilung<br />
im Zeitverlauf ist in Abbildung 13 nochmals<br />
zusammenfassend dargestellt.<br />
Abbildung 13: Gesamtanteil an Maßnahmen des Übergangssystems nach Verlassen<br />
des allgemeinbildenden Schulsystems <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> insgesamt, mit maximal<br />
Hauptschulabschluss und mit mittlerem Schulabschluss in Deutschland im Zeitverlauf<br />
24 %<br />
3 Monate<br />
17 %<br />
35 %<br />
13 %<br />
Quelle: Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): Ergebnisse der BIBB-Übergangsstudie,<br />
S. 138 ff.; in: Beicht, Ursula/Friedrich, Michael/Ulrich, Joachim Gerd (Hrsg.):<br />
Ausbildungschancen und Verbleib von Schulabsolventen.<br />
7 %<br />
12 Monate<br />
21 %<br />
7 %<br />
5 %<br />
24 Monate<br />
10 %<br />
5 %<br />
3 %<br />
36 Monate<br />
8 %<br />
<strong>Jugendliche</strong> insgesamt<br />
<strong>Jugendliche</strong> mit mittlerem Schulabschluss<br />
<strong>Jugendliche</strong> mit maximal Hauptschulabschluss<br />
43 Vgl. Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008):<br />
Ergebnisse der BIBB-Übergangsstudie, a.a.O., S. 136 f.<br />
44 Vgl. ebenda, S. 138 ff.<br />
83
84<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />
Es zeigt sich also, dass die Übergänge in eine<br />
Berufsausbildung von <strong>Jugendliche</strong>n mit maximal<br />
Hauptschulabschluss im Vergleich zu<br />
<strong>Jugendliche</strong>n mit mittlerem Schulabschluss mit<br />
größeren Problemen behaftet sind. Selbst<br />
zwei beziehungsweise drei Jahre nach dem<br />
Verlassen der <strong>Schule</strong> sind 10 beziehungsweise<br />
8 Prozent der <strong>Jugendliche</strong>n mit maximal<br />
Hauptschulabschluss im Übergangssystem.<br />
Da aus der Darstellung aber keine individuellen<br />
Bildungs- und Berufsverläufe erkennbar<br />
sind und sich dadurch auch nicht sagen lässt,<br />
wie lange sich einzelne <strong>Jugendliche</strong> in bestimmten<br />
Lebenssituationen befanden, 45 wird<br />
nun im nächsten Schritt versucht, individuelle<br />
Entwicklungen biografisch aufzubereiten.<br />
Da<strong>für</strong> werden die <strong>Jugendliche</strong>n in verschiedenen<br />
Gruppen zusammengefasst. Danach zeigt<br />
sich bei denjenigen <strong>Jugendliche</strong>n, die langwierige<br />
beziehungsweise keine gelungenen Übergänge<br />
in eine qualifizierende Berufsausbildung<br />
aufweisen (Gruppe 1), dass knapp zwei Drittel<br />
von ihnen nach der <strong>Schule</strong> in das Übergangssystem<br />
eingemündet sind. <strong>Die</strong>se Gruppe<br />
umfasst 20 Prozent aller nicht-studienberechtigten<br />
<strong>Jugendliche</strong>n 46 – dies sind hochgerechnet<br />
im Land Bremen knapp 550 junge Männer<br />
und Frauen je Absolventenjahrgang.<br />
Als zweite in diesem Zusammenhang interessante<br />
Gruppe werden <strong>Jugendliche</strong> identifiziert,<br />
die einen verzögerten, am Ende aber<br />
erfolgreichen Übergang in Ausbildung aufweisen.<br />
47 <strong>Die</strong>s gilt <strong>für</strong> 14 Prozent aller <strong>Jugendliche</strong>n<br />
mit maximal mittlerem Schulabschluss<br />
und damit <strong>für</strong> ungefähr 380 <strong>Jugendliche</strong> eines<br />
jeden <strong>Schule</strong>ntlassjahres im Land Bremen.<br />
Von ihnen begannen knapp drei Viertel den<br />
Weg in eine Ausbildung mit einer Maßnahme<br />
des Übergangssystems.<br />
Abbildung 14:<br />
Lebenssituationen nach Verlassen des allgemeinbildenden Schulsystems<br />
ausgewählter Gruppen nicht-studienberechtigter <strong>Jugendliche</strong>r<br />
Quelle: Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): a.a.O., S. 175.<br />
Gruppe 1: Gruppe 2:<br />
langwierige oder nicht verzögerte, aber erfolgreiche<br />
gelungene Übergänge in Übergänge in eine betriebliche<br />
eine Berufsausbildung Berufsausbildung<br />
betriebliche Berufsausbildung 4 % 4 %<br />
nicht betriebliche Berufsausbildung<br />
Fachoberschule/-gymnasium;<br />
3 % -<br />
allgemeinbildende <strong>Schule</strong><br />
1 % 3 %<br />
Übergangssystem 57 % 72 %<br />
Wehr-/Zivildienst;<br />
FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr);<br />
FÖJ (Freiwilliges ökologisches Jahr)<br />
2 % 2 %<br />
Erwerbstätigkeit; jobben<br />
suchen nach/warten<br />
9 % 8 %<br />
auf Bildungsmöglichkeit<br />
arbeitslos; aus privaten Gründen<br />
9 % 5 %<br />
zu Hause; sonstiges<br />
17 % 5 %<br />
45 Vgl. ebenda, S. 135.<br />
46 Vgl. ebenda, S. 174.<br />
47 Vgl. ebenda.
Stellt man nun in den Mittelpunkt der Betrachtung,<br />
wie viele Monate von insgesamt 34<br />
Monaten nach <strong>Schule</strong>nde sich die <strong>Jugendliche</strong>n<br />
im Durchschnitt in den unterschiedlichen<br />
Lebenssituationen befanden, wird eine<br />
Spaltung in den beiden Gruppen deutlich.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Jugendliche</strong>n, deren Übergänge entweder<br />
langwierig sind oder am Ende nicht in<br />
eine Ausbildung führen, verbrachten knapp die<br />
Hälfte der Zeit im Übergangssystem, über ein<br />
Viertel der Zeit waren sie auf der Suche nach<br />
einer Bildungsmöglichkeit beziehungsweise<br />
waren arbeitslos oder aus privaten Gründen<br />
zu Hause. Dagegen ergibt sich bei der Gruppe<br />
mit verzögerten, letztlich aber erfolgreichen<br />
Übergängen in eine betriebliche Ausbildung<br />
die Verteilung von durchschnittlich zehn Monaten<br />
im Übergangssystem und die in dieser<br />
Gruppe anschließende duale Ausbildung mit<br />
20 Monaten.<br />
Daraus lässt sich der Schluss ziehen:<br />
Für die eine Gruppe der <strong>Jugendliche</strong>n, die<br />
zunächst nach der Sch#ule in das Übergangssystem<br />
einmündet und am Ende erfolgreich in<br />
qualifizierende Ausbildung übergeht, ergibt<br />
sich ein mittlerer verzögerter Eintritt um zehn<br />
Monate. Dagegen entfallen bei der Gruppe von<br />
Abbildung 15:<br />
Durchschnittliche Anzahl der Monate, die auf die jeweiligen<br />
Lebenssituationen entfielen (bis 34 Monate nach <strong>Schule</strong>nde)<br />
Quelle: Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): a.a.O., S. 176.<br />
Gruppe 1: Gruppe 2:<br />
<strong>Jugendliche</strong>n mit langwierigen oder gescheiterten<br />
Übergängen im Schnitt 26 Monate<br />
auf Maßnahmen des Übergangssystems oder<br />
auf einen Zustand jenseits des Erwerbs-<br />
und Ausbildungssystems.<br />
Welche <strong>Jugendliche</strong>n zählen jetzt aber zu<br />
welcher Gruppe? Bei einer Differenzierung<br />
nach Geschlecht, Schulabschluss und Migrationshintergrund<br />
wird deutlich, dass in Gruppe<br />
1 (langwierige oder nicht gelungene Übergänge)<br />
eine ausgewogene Verteilung nach<br />
Geschlecht vorliegt, <strong>Jugendliche</strong> mit maximal<br />
Hauptschulabschluss beziehungsweise Migrationshintergrund<br />
deutlich überrepräsentiert<br />
sind. In der zweiten Gruppe (verzögerte, aber<br />
erfolgreiche Übergänge) sind mehr junge<br />
Männer als Frauen zu finden. Der Anteil mit<br />
maximal Hauptschulabschluss beziehungsweise<br />
Migrationshintergrund ist hoch – allerdings<br />
nicht so überproportional wie in Gruppe 1.<br />
Des Weiteren zeigen vertiefte Analysen, dass<br />
in beiden Gruppen <strong>Jugendliche</strong> mit schlechteren<br />
Durchschnittsnoten und <strong>Jugendliche</strong><br />
aus bildungsschwächeren Elternhäusern im<br />
Vergleich zu <strong>Jugendliche</strong>n, denen ein<br />
bruch-loser Übergang in Ausbildung gelang,<br />
überproportional vertreten waren.<br />
langwierige oder nicht verzögerte, aber erfolgreiche<br />
gelungene Übergänge in Übergänge in eine betriebliche<br />
eine Berufsausbildung Berufsausbildung<br />
betriebliche Berufsausbildung 0,5 20,1<br />
nicht betriebliche Berufsausbildung<br />
Fachoberschule/-gymnasium;<br />
2,5 -<br />
allgemeinbildende <strong>Schule</strong><br />
0,6 0,4<br />
Übergangssystem<br />
Wehr-/Zivildienst;<br />
16,0 10,4<br />
FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr);<br />
FÖJ (Freiwilliges ökologisches Jahr)<br />
1,1 0,3<br />
Erwerbstätigkeit; jobben<br />
suchen nach/warten<br />
3,7 1,0<br />
auf Bildungsmöglichkeit<br />
arbeitslos; aus privaten Gründen<br />
3,3 0,8<br />
zu Hause; sonstiges<br />
6,3 1,1<br />
85
86<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />
Abbildung 16:<br />
Anteil nach Geschlecht, Schulabschluss und<br />
Migrationshintergrund<br />
Gruppe 1: Gruppe 2:<br />
langwierige oder nicht verzögerte, aber erfolgreiche<br />
gelungene Übergänge in Übergänge in eine betriebliche<br />
eine Berufsausbildung Berufsausbildung<br />
männlich 49 % 56 %<br />
weiblich<br />
maximal<br />
51 % 44 %<br />
Hauptschulabschluss<br />
mittlerer<br />
76 % 66 %<br />
Schulabschluss<br />
mit<br />
24 % 34 %<br />
Migrationshintergrund<br />
ohne<br />
34 % 26 %<br />
Migrationshintergrund<br />
66 % 74 %<br />
Quelle: Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): a.a.O., S. 177.<br />
In Bezug auf die Übergangschancen von<br />
<strong>Jugendliche</strong>n, die mehrheitlich zunächst in<br />
das Übergangssystem einmünden, lässt sich<br />
festhalten, dass bei einem erheblichen Anteil<br />
extrem langwierige oder nicht gelungene<br />
Übergänge zu erkennen sind.<br />
<strong>Die</strong>ses Ergebnis lässt die Vermutung zu,<br />
dass ein nicht unerheblicher Teil der ausbildungslosen<br />
<strong>Jugendliche</strong>n in Deutschland Maßnahmen<br />
des Übergangssystems durchlaufen<br />
hat, am Ende aber kein erfolgreicher Eintritt<br />
in eine qualifizierende Berufsausbildung zu<br />
verzeichnen ist. <strong>Die</strong>se Personen münden<br />
als ungelernte Arbeitnehmer/innen auf dem<br />
Arbeitsmarkt. <strong>Die</strong> Ungelerntenquote der<br />
20- bis 24-Jährigen mit maximal mittlerem<br />
Schulabschluss liegt in Deutschland seit Mitte<br />
der 1990er Jahre konstant bei ungefähr 15<br />
Prozent. 48 <strong>Die</strong>se <strong>Jugendliche</strong>n ohne Berufsabschluss<br />
lassen sich in vier relativ homogene<br />
Untergruppen aufteilen:<br />
In der ersten Gruppe sind die Fälle zusammengefasst,<br />
<strong>für</strong> die das Übergangssystem<br />
zur dauerhaften Warteschleife wurde. <strong>Die</strong><br />
<strong>Jugendliche</strong>n mündeten nach der <strong>Schule</strong> in<br />
das Übergangssystem ein und befinden<br />
sich nach drei Jahren immer noch in einer<br />
Maßnahme, obwohl 75 Prozent von ihnen<br />
auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz<br />
waren. <strong>Die</strong>se Gruppe stellt knapp 20<br />
Prozent aller ungelernten <strong>Jugendliche</strong>n<br />
zwischen 20 und 24 Jahren.<br />
In der zweiten Gruppe sammeln sich<br />
diejenigen <strong>Jugendliche</strong>n, die relativ bald<br />
nach <strong>Schule</strong>nde eine Ausbildung begonnen<br />
hatten, diese aber nach längerer Zeit<br />
abbrachen. 18 Prozent der ausbildungslosen<br />
<strong>Jugendliche</strong>n hatten einen solchen<br />
Werdegang.<br />
<strong>Die</strong> dritte Gruppe bilden <strong>Jugendliche</strong>, die<br />
nach der allgemeinbildenden <strong>Schule</strong> eine<br />
Fachoberschule oder ein Fachgymnasium<br />
besucht haben. Häufig sind hier <strong>Jugendliche</strong><br />
mit guten Schulnoten auf dem allgemeinen<br />
Abschlusszeugnis vertreten, so dass<br />
<strong>Jugendliche</strong> dieser Gruppe relativ große<br />
Chancen haben, noch eine Ausbildung zu<br />
beginnen. <strong>Die</strong>se Gruppe stellt 17 Prozent<br />
aller Ungelernten dieser Altersgruppe.<br />
48 Vgl. Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): Welche<br />
<strong>Jugendliche</strong>n bleiben ohne Berufsausbildung? Analyse wichtiger<br />
Einflussfaktoren unter besonderer Berücksichtigung der<br />
Bildungsbiografie, BIBB-Report 6/2008, S. 3.
<strong>Die</strong> letzte Gruppe bilden <strong>Jugendliche</strong>, deren<br />
Entwicklung nach dem Verlassen der allgemeinbildenden<br />
<strong>Schule</strong>n dadurch gekennzeichnet<br />
ist, dass die Aufnahme einer Ausbildung<br />
nach einer längeren Phase der<br />
Arbeitslosigkeit, des Zuhausebleibens oder<br />
einer arbeitsmarktpolitischen BA-Maßnahme<br />
nicht mehr gelang. <strong>Die</strong>s hatte auch Bestand,<br />
wenn eine Maßnahme des Übergangssystems<br />
vorgeschaltet war, was auf<br />
die Mehrheit dieser Gruppe zutrifft. Insgesamt<br />
weisen 46 Prozent der ausbildungslosen<br />
<strong>Jugendliche</strong>n diese Merkmale auf. 49<br />
Abbildung 17: Verteilung der nicht-studienberechtigten <strong>Jugendliche</strong>n<br />
ohne Berufsausbildung und der sonstigen <strong>Jugendliche</strong>n im Alter<br />
von 20 bis 24 Jahren nach Status im Befragungsmonat in Prozent<br />
noch im Bildungssystem*<br />
erneut im Bildungssystem*<br />
Wehr-/Zivildienst<br />
Erwerbstätigkeit ab 20 Wochenstunden<br />
Erwerbstätigkeit unter 20 Wochenstunden<br />
außerschulische Berufsvorbereitung, Praktikum, EQJ<br />
suchen nach/warten auf Bildungsmöglichkeit<br />
arbeitslos, Maßnahme der BA<br />
aus privaten Gründen zu Hause<br />
* Berufsausbildung, <strong>Schule</strong>, Studium, Fortbildung.<br />
Quelle: Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008):<br />
Welche <strong>Jugendliche</strong>n bleiben ohne Berufsausbildung?<br />
Analyse wichtiger Einflussfaktoren unter besonderer<br />
Berücksichtigung der Bildungsbiografie,<br />
BIBB-Report 6/2008, S. 11.<br />
Damit wird deutlich, dass sich ein großer Teil<br />
der ausbildungslosen <strong>Jugendliche</strong>n in teilweise<br />
intensiver Betreuung durch Maßnahmen des<br />
Übergangssystems befand, schlussendlich<br />
aber keine formal qualifizierende Ausbildung<br />
eingeleitet werden konnte. Und das, obwohl<br />
der zwischenzeitliche Abschluss eines<br />
Bildungsgangs im Übergangssystem die<br />
nachfolgende Übergangsdauer im Vergleich<br />
zu Nicht-Teilnehmerinnen/-teilnehmern<br />
und Abbrecherinnen/Abbrechern in eine<br />
Berufsausbildung spürbar verkürzt. 50<br />
0 10 20 30 40 50<br />
<strong>Jugendliche</strong> ohne Berufsausbildung<br />
<strong>Jugendliche</strong> mit Berufsausbildung oder aktuell<br />
noch im Bildungssystem oder Wehr-/Zivildienst<br />
49 Vgl. ebenda, S. 9 ff.<br />
50 Vgl. Ulrich, Joachim Gerd (2008): <strong>Jugendliche</strong> im<br />
Übergangssystem – eine Bestandsaufnahme, S. 12,<br />
http://www.bwpat.de/ht2008/ws12/ulrich_ws12-ht2008_<br />
spezial4.pdf, S. 1-21.<br />
87
88<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />
<strong>Die</strong> Folgen sind deutlich: Über die Hälfte der<br />
ausbildungslosen <strong>Jugendliche</strong>n befand sich<br />
weder im Bildungs- noch im Beschäftigungssystem,<br />
sondern war entweder aus privaten<br />
Gründen zu Hause, suchte immer noch<br />
nach einer Ausbildungsmöglichkeit oder war<br />
arbeitslos. Dahingegen war knapp die Hälfte<br />
der <strong>Jugendliche</strong>n der Vergleichsgruppe<br />
(mit Berufsausbildung, aktueller Bildungsbeteiligung<br />
beziehungsweise im Wehr- oder<br />
Zivildienst) mit mehr als 20 Wochenstunden<br />
erwerbstätig.<br />
Abbildung 18:<br />
Anteil der Personen* zwischen 20 und unter 30 Jahren, die über keinen beruflichen<br />
Bildungsabschluss verfügen und nicht an Bildung teilnehmen** im Jahr 2006 nach Ländern<br />
17,3<br />
Deutschland<br />
23,5<br />
Bremen<br />
15,9<br />
Baden-Württemberg<br />
14,8<br />
Bayern<br />
19,9<br />
Berlin<br />
13,9<br />
Brandenburg<br />
20,5<br />
Hamburg<br />
18,9<br />
Hessen<br />
14,4<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
17,5<br />
* Ohne Wehr- und Zivildienstleistende.<br />
** Personen, die zum Zeitpunkt der Befragung keine <strong>Schule</strong> oder Hochschule besucht haben.<br />
Quelle: http://bildungsbericht.de/daten2008/b3_2008.xls<br />
<strong>Die</strong> Situation dürfte sich im Land Bremen<br />
verschärft stellen, da bei höherer Einwohnerdichte<br />
die Gefahr, ausbildungslos zu bleiben,<br />
erhöht ist. 51 <strong>Die</strong>s zeigt sich auch bei den<br />
Ungelerntenquoten der Altersgruppe der 20bis<br />
unter 30-Jährigen im Jahr 2006. Während<br />
bundesweit 17 Prozent dieser Altersgruppe<br />
ohne Ausbildung ist, waren es in Bremen<br />
knapp 24 Prozent – bundesweit der höchste<br />
Wert.<br />
Niedersachsen<br />
21,8<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
17,9<br />
Rheinland-Pfalz<br />
23,1<br />
Saarland<br />
9,4<br />
51 Vgl. Beicht, Ursula/Ulrich, Joachim Gerd (2008): Welche <strong>Jugendliche</strong>n<br />
bleiben ohne Berufsausbildung?, a.a.O., S. 7.<br />
Sachsen<br />
12,0<br />
Sachsen-Anhalt<br />
20,5<br />
Schleswig-Holstein<br />
11,5<br />
Thüringen
4.7 Mögliche Handlungslinien: ›Bremer<br />
Vereinbarungen 2008–2010‹ und<br />
›Bremer Netzwerk Nachqualifizierung‹<br />
Ende 2007 wurde mit den ›Bremer Vereinbarungen<br />
2008–2010‹ die Fortführung des<br />
Pakts <strong>für</strong> Ausbildung beschlossen. 52 <strong>Die</strong> ›Bremer<br />
Vereinbarungen‹ wurden geschlossen<br />
zur Fortführung des Pakts <strong>für</strong> Ausbildung,<br />
zur Steigerung der Ausbildungsleistung,<br />
<strong>für</strong> Initiativen <strong>für</strong> besondere Zielgruppen<br />
des Ausbildungsmarktes,<br />
zur Verbesserung der Ausbildungsreife und<br />
Berufsorientierung,<br />
zur Förderung der Arbeitsmarktintegration<br />
von Altbewerbern,<br />
zur Begleitung des demografischen Wandels,<br />
zur Förderung der Arbeitsmarktintegration<br />
älterer Erwerbsloser und<br />
zur Sicherung der Erwerbsbeteiligung<br />
älterer Beschäftigter. 53<br />
Im Rahmen der ›Bremer Vereinbarungen<br />
2008–2010‹ wurden <strong>für</strong> den Themenbereich<br />
Ausbildung folgende Festlegungen getroffen:<br />
Erstes Ziel ist die Steigerung der Ausbildungsleistung.<br />
Damit soll nicht nur eine ausgeglichene<br />
Angebots-Nachfrage-Relation<br />
geschaffen werden, sondern sinnvollerweise<br />
›die Auswahl an Ausbildungsangeboten <strong>für</strong> die<br />
jungen Menschen größer‹ werden. Voraussetzung<br />
da<strong>für</strong> ist, dass der Anteil betrieblicher<br />
Ausbildungsplätze steigt, das heißt neue Ausbildungsbetriebe<br />
sowie neue Ausbildungsplätze<br />
gewonnen werden. <strong>Die</strong> Erhöhung der Ausbildungsbetriebsquote,<br />
die Einwerbung neuer<br />
Ausbildungsplätze und die Erhöhung außerbetrieblicher<br />
Ausbildungsplätze <strong>für</strong> benachteiligte<br />
<strong>Jugendliche</strong> durch die Arbeitsverwaltungen<br />
gehören also zu den Zielen der Partner der<br />
›Bremer Vereinbarungen‹. Großen Stellenwert<br />
<strong>für</strong> diejenigen <strong>Jugendliche</strong>n, die keinen Ausbildungsplatz<br />
finden können, erhält die Einstiegsqualifizierung<br />
<strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> (EQ/EQJ).<br />
Zum Zweiten werden besondere Initiativen<br />
<strong>für</strong> herausgehobene Zielgruppen des Ausbildungsmarktes<br />
formuliert: <strong>Die</strong> Integration<br />
von <strong>Jugendliche</strong>n mit Hauptschulabschluss<br />
soll verbessert werden. Frühzeitig sollen diese<br />
noch während der Schulzeit entsprechend<br />
ihrer Stärken und Interessen an die Bedarfe<br />
der Ausbildungsbetriebe herangeführt werden.<br />
Da<strong>für</strong> soll die Zusammenarbeit der Betriebe<br />
mit den <strong>Schule</strong>n und Berufsberatungen<br />
frühzeitig koordiniert und verbessert werden.<br />
<strong>Die</strong> Chancen von <strong>Jugendliche</strong>n mit Migrationshintergrund<br />
auf vollqualifizierende Ausbildung<br />
sollen gesteigert werden. <strong>Die</strong> Vereinbarungen<br />
betonen in diesem Zusammenhang, den Anteil<br />
an Migrantinnen und Migranten mit mittlerem<br />
Schulabschluss zu steigern und dem Aspekt der<br />
berufsbezogenen Sprachförderung besondere<br />
Aufmerksamkeit schenken zu wollen.<br />
Im dritten Block der Vereinbarung sind<br />
Übereinkommen festgelegt, die auf eine Verbesserung<br />
der Ausbildungsreife von <strong>Jugendliche</strong>n<br />
und eine Optimierung der Berufsorientierung<br />
abzielen. So wird die Verantwortung<br />
der allgemeinbildenden <strong>Schule</strong>n betont, was<br />
die Vermittlung der ›Ausbildungsreife‹ der<br />
<strong>Jugendliche</strong>n angeht. Neben der Verbesserung<br />
der nötigen Basiskenntnisse soll die Berufsorientierung<br />
in allen Schularten als Querschnittsaufgabe<br />
verankert werden.<br />
52 <strong>Die</strong> Vereinbarungen wurden unterzeichnet von der Ärztekammer<br />
Bremen, der Agentur <strong>für</strong> Arbeit Bremen, der Agentur <strong>für</strong> Arbeit<br />
Bremerhaven, der Apothekerkammer Bremen, dem Arbeitgeberverband<br />
Bremerhaven, dem Arbeitgeberverband Handwerk Bremen<br />
e.V., der Arbeitnehmerkammer Bremen, der ARGE Job-Center-Bremerhaven,<br />
der Bremer Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> Integration<br />
und Soziales (BAgIS), der Bremer Notarkammer, dem Deutschen<br />
Gewerkschaftsbund Land Bremen, der Gartenbaufachkammer<br />
Bremen, der Handelskammer Bremen, der Handwerkskammer<br />
Bremen, der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Bremen, der<br />
Hanseatischen Steuerberaterkammer Bremen, der IG Bauen-Agrar-<br />
Umwelt Bezirksverband Land Bremen und Umzu, der IG Metall<br />
Bremen, der Industrie- und Handelskammer Bremerhaven, der<br />
Kreishandwerkerschaft Bremen, der Kreishandwerkerschaft<br />
Bremerhaven-Wesermünde, der Landwirtschaftskammer Bremen,<br />
vom Oberbürgermeister der Stadt Bremerhaven, der <strong>Senatorin</strong> <strong>für</strong><br />
Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, der <strong>Senatorin</strong><br />
<strong>für</strong> Bildung und Wissenschaft, der <strong>Senatorin</strong> <strong>für</strong> Finanzen, der<br />
Tierärztekammer Bremen, den Unternehmensverbänden im Lande<br />
Bremen e.V., der Vereinten <strong>Die</strong>nstleistungsgewerkschaft Landesbezirk<br />
Niedersachsen-Bremen und der Zahnärztekammer Bremen.<br />
53 Senatskanzlei Bremen (2008): ›Bremer Vereinbarungen‹ <strong>für</strong><br />
die Dauer von drei Jahren geschlossen, Pressemitteilung<br />
vom 26. März 2008, http://senatspressestelle.bremen.de<br />
/detail.php?id=18795.<br />
89
90<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />
<strong>Die</strong> Berufsausbildungsvorbereitung soll verbessert<br />
werden, etwa durch eine engere Kooperation<br />
der drei relevanten Institutionen <strong>Schule</strong>,<br />
Wirtschaft, Berufsberatung und durch eine<br />
höhere Transparenz des Maßnahmeangebotes.<br />
Eine Anrechnung der Kenntnisse aus Maßnahmen<br />
der Berufsvorbereitung soll ›grundsätzlich‹<br />
erfolgen. Präzise Zielsetzungen werden<br />
allerdings erst nach dem Vorliegen der Ergebnisse<br />
der beschlossenen Evaluation der Berufsausbildungsvorbereitung<br />
des Landes festgelegt.<br />
<strong>Die</strong> Evaluationsergebnisse werden<br />
frühestens 2010 zur Verfügung stehen.<br />
<strong>Die</strong> mangelhafte Ausbildungsbereitschaft<br />
der Unternehmen soll unter anderem durch die<br />
verstärkte Installation eines externen Ausbildungsmanagements,<br />
das die Unternehmen<br />
bei der Ausbildungsverwaltung entlastet,<br />
reduziert werden. <strong>Die</strong> Förderanstöße hierzu<br />
geben Bundesprogramme wie ›Perspektive<br />
Berufsabschluss‹ und ›Jobstarter‹.<br />
Des Weiteren stehen die Altbewerber/innen<br />
im Fokus der ›Bremer Vereinbarungen‹. Es<br />
werden ›besondere Anstrengungen‹ <strong>für</strong> diese<br />
Zielgruppe in Aussicht gestellt. Dazu gehören<br />
in den Vereinbarungen die Abstimmung<br />
regionaler Aktivitäten mit Bundesprogrammen<br />
(Ausbildungsbonus) und Ausbildungspatenschaften<br />
<strong>für</strong> Altbewerber/innen.<br />
Darüber hinaus werden die Arbeitsverwaltung<br />
und die Arbeitgeber jährlich Nachvermittlungsaktionen<br />
<strong>für</strong> unversorgte Ausbildungsplatzbewerber/innen<br />
durchführen.<br />
Um eine grundsätzliche Bestandsaufnahme<br />
des regionalen Ausbildungsstellenmarktes im<br />
Land Bremen zu erreichen, sollen ›möglichst‹<br />
alle eingeworbenen Ausbildungs- und EQ-Stellen<br />
den Arbeitsagenturen mitgeteilt werden.<br />
<strong>Die</strong> Bremer Vereinbarungen weisen Zielsetzungen<br />
aus, die von der Grundrichtung her<br />
von der Arbeitnehmerkammer Bremen als<br />
beteiligter Institution als begrüßenswert und<br />
angemessen betrachtet werden. Inwieweit sich<br />
die ›Bremer Vereinbarungen‹ aber als Motor<br />
zur Lösung der Ausbildungskrise bewähren,<br />
wird zum einen daran zu messen sein, ob die<br />
gesetzten Ziele erreicht werden. Zum anderen<br />
wird es darum gehen, vor allem <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong><br />
mit Übergangsproblemen konkrete<br />
Lösungen zu entwickeln. Notwendig sind Fortschritte<br />
bei der Anerkennung der BVB/EQJ-<br />
Qualifizierungszeiten auf die Erstausbildung<br />
in regelhafter Form. Verstärkte Anstrengungen<br />
bedarf darüber hinaus die Integration von<br />
Hauptschulabsolventen/-absolventinnen, Altbewerbern/Altbewerberinnen<br />
und <strong>Jugendliche</strong>n<br />
mit Migrationshintergrund in das reguläre<br />
betriebliche Ausbildungsgeschehen. Vor dem<br />
Hintergrund der erwarteten negativen Konjunktur-<br />
und damit Ausbildungsplatzentwicklung im<br />
Jahr 2009 werden sicherlich grundsätzlichere<br />
strukturelle Maßnahmen notwendig sein.<br />
Den regionalen Bündnisaktivitäten sind<br />
ohnehin Grenzen gesetzt, zumal in einem<br />
Stadtstaat wie Bremen. Zum einen bildet eine<br />
Stadt wie Bremen in Kinder- und Jugendfragen<br />
per se immer wieder soziale Brennpunkte und<br />
führt zu einer Konzentration von Problemfeldern,<br />
die nur mit großem finanziellem und<br />
organisatorischem Aufwand reduzierbar sind.<br />
Zum anderen weckt aber gerade die größere<br />
Angebotspalette einer Großstadt wie Bremen<br />
unweigerlich Umlandbedarfe, die sozusagen<br />
›kostenlos‹ mitbedient werden müssen und die<br />
Kapazitäten <strong>für</strong> die Landeskinder immer wieder<br />
beschränken. Hinzu kommen bundesweite<br />
Regelungen und Vorgaben, die landesseitig<br />
nicht alleine lösbar sind, wie etwa die Regelungsmechanismen<br />
der dualen Ausbildung,<br />
die die Diskussion und Handhabung der Anerkennung<br />
von Qualifizierungsbestandteilen im<br />
Rahmen von berufsvorbereitenden Angeboten<br />
erschweren.<br />
Ein Beitrag zur Lösung der hier anstehenden<br />
Fragen kann das ›Bremer Netzwerk Nachqualifizierung‹<br />
54 sein, das seit Herbst dieses<br />
Jahres existiert. Das Ziel dieses Projektvorhabens<br />
besteht darin, im Land Bremen strukturelle<br />
Rahmenbedingungen zu schaffen, um die<br />
abschlussorientierte betriebliche Nachqualifizierung<br />
nachhaltig zu etablieren. Junge ausbildungslose<br />
Erwachsene, die <strong>für</strong> eine reguläre<br />
duale Ausbildung – sei es betrieblich oder<br />
außerbetrieblich – aus zum Beispiel Altersgründen<br />
oder bedingt durch ihre Lebensumstände<br />
nicht mehr zu gewinnen sind, sollen<br />
so eine ›zweite‹ Chance auf einen anerkannten<br />
Berufsabschluss erhalten. Damit verbunden<br />
ist die Erwartung, über die Nachqualifizierung<br />
zur Verringerung des Anteils von Ungelernten<br />
beizutragen.<br />
Um diese Ziele zu erreichen, verfolgt das<br />
Projektvorhaben einen mehrdimensionalen<br />
Ansatz mit folgenden Arbeitsaufgaben:<br />
Erschließung betrieblicher und regionaler<br />
Bedarfe zur Nachqualifizierung,<br />
Gewinnung von Unternehmen und von<br />
an- und ungelernten Beschäftigten wie<br />
Arbeitslosen <strong>für</strong> die abschlussorientierte<br />
Nachqualifizierung und ihre Beratung,<br />
54 Beim ›Bremer Netzwerk Nachqualifizierung‹ handelt sich um ein<br />
Kooperationsprojekt vom Institut <strong>für</strong> berufliche Bildung, Arbeitsmarkt-<br />
und Sozialpolitik (INBAS) und der Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen. Es wird im Rahmen des Programms ›Perspektive<br />
Berufsabschluss‹ in der Förderinitiative ›Abschlussorientierte<br />
modulare Nachqualifizierung‹ vom Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung<br />
und Forschung finanziert.
Entwicklung entsprechender modular<br />
gestalteter Nachqualifizierungsangebote<br />
<strong>für</strong> die unterschiedlichen Adressaten und<br />
Zielgruppen,<br />
Vernetzung und Ausbau regionaler<br />
Beratungs- und Kooperationsstrukturen,<br />
Anpassung der Konzepte der Nachqualifizierung<br />
an die regionalen Strukturen und<br />
dauerhafte Implementierung der Nachqualifizierung<br />
in das regionale Weiterbildungsangebot<br />
<strong>für</strong> Unternehmen, ihre Beschäftigten<br />
sowie die von Arbeitslosigkeit betroffenen<br />
Arbeitnehmer/innen.<br />
Ein verstärktes Engagement im Rahmen der<br />
modularen, abschlussorientierten Nachqualifizierung<br />
erscheint im Land Bremen vor allem<br />
vor dem Hintergrund des hohen Anteils junger<br />
Erwachsener ohne Berufsabschluss geboten.<br />
Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass<br />
die Zentralstelle <strong>für</strong> die Weiterbildung im Handwerk<br />
(ZWH) in Kooperation mit dem Zentralverband<br />
des Deutschen Handwerks (ZDH) die<br />
Unterstützung solch regionaler Projekte zugesagt<br />
hat und die Zulassung der Nachqualifizierungsteilnehmer/innen<br />
zur Externenprüfung<br />
verbessern will. 55 Es bleibt zu hoffen, dass<br />
sich der DIHK (Deutscher Industrie- und<br />
Handelskammertag) diesen Aktivitäten anschließen<br />
wird, denn die Anerkennung absolvierter<br />
Module eines Berufsbildes <strong>für</strong> die<br />
Zulassung zu einer Kammerprüfung ist eine<br />
zentrale Voraussetzung <strong>für</strong> eine stärkere Verbreitung<br />
der beruflichen Nachqualifizierung<br />
und die notwendige Etablierung eines zusätzlichen<br />
Wegs <strong>für</strong> junge ausbildungslose Erwachsene<br />
zu einem anerkannten Berufsabschluss.<br />
4.8 Schlussfolgerungen<br />
Das Übergangssystem ist in jüngster Zeit starker<br />
Kritik ausgesetzt. So wird es unter anderem<br />
als ein Sektor ›der Dequalifizierung und<br />
Exklusion innerhalb des Gesamt-Systems‹ 56<br />
bezeichnet, in dem zahlreiche <strong>Jugendliche</strong><br />
durch Maßnahmeschleifen geschleust werden<br />
und bereits vor dem Einstieg in den Beruf mit<br />
der Erfahrung konfrontiert werden, dass ›sie<br />
nicht gebraucht werden‹. 57 Dadurch entwickelt<br />
sich ein System, bei dem es sich weniger um<br />
die Einleitung einer qualifizierenden Ausbildung<br />
handelt als vielmehr ›um eine Phase der<br />
Unsicherheit, die oft von Maßnahmekarrieren<br />
geprägt ist‹. 58 Somit würde das Übergangssystem<br />
zum ›Wartesaal der Armut‹ mit wenig<br />
Chancen auf ein existenzsicherndes Erwerbseinkommen.<br />
59<br />
<strong>Die</strong> vorangegangenen Analysen haben gezeigt,<br />
dass es trotz eines breiten Übergangssystems<br />
nicht gelingt – und obwohl bei den <strong>Jugendliche</strong>n<br />
der Willen erkennbar ist, in eine Ausbildung<br />
einzumünden –, diese Ausbildungswünsche<br />
<strong>für</strong> alle einzulösen. <strong>Die</strong>s betrifft vor<br />
allem das Fünftel der <strong>Jugendliche</strong>n mit maximal<br />
mittlerem Schulabschluss, <strong>für</strong> die sich nur<br />
langwierige beziehungsweise keine gelungenen<br />
Übergänge ergeben. Somit handelt es<br />
sich beim gewachsenen Übergangssystem<br />
zweifellos um eine ›ernsthafte bildungspolitische<br />
Herausforderung‹, 60 da selbst eine erfolgreiche<br />
Teilnahme an Maßnahmen des Übergangssystems<br />
keine Garantie <strong>für</strong> den Beginn<br />
einer qualifizierenden Berufsausbildung bedeutet.<br />
61 Da<strong>für</strong> ist aber nicht nur das Übergangssystem<br />
verantwortlich zu machen. Zweifellos<br />
bestehen im aktuellen System Verbesserungsmöglichkeiten,<br />
die genutzt werden müssen,<br />
um ein funktionierendes ›Dreieck von Arbeitsmarkt-,<br />
Bildungs- und Jugendpolitik‹ auf lokaler<br />
Ebene zu organisieren, das <strong>Jugendliche</strong>n<br />
Zugangsmöglichkeiten zu vollqualifizierenden<br />
Ausbildungen eröffnet und dabei insbesondere<br />
aufgezeigte unterschiedliche Startvoraussetzungen<br />
erfolgreich bearbeitet: 62<br />
55 Vgl. Kramer, Beate (2008): ›Perspektive Berufsabschluss‹; in:<br />
zwh aktuell 5/2008, S. 1.<br />
56 Greinert, Wolf-<strong>Die</strong>trich (2008): Beschäftigungsfähigkeit und Beruflichkeit.<br />
Zwei konkurrierende Modelle der Erwerbsqualifizierung?,<br />
S. 12; in: BWP 4/2008, S. 9–12.<br />
57 Vgl. Euler, <strong>Die</strong>ter (2005): Das Bildungssystem in Deutschland:<br />
reformfreudig oder reformresistent?, S. 205; in: Bundesinstitut <strong>für</strong><br />
Berufsbildung (Hrsg.): ›Wir brauchen hier jeden, hoffnungslose Fälle<br />
können wir uns nicht erlauben.‹ Wege zur Sicherung der beruflichen<br />
Zukunft in Deutschland.<br />
58 Vgl. Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus (2007):<br />
a.a.O., S. 51 f.<br />
59 Vgl. Hekmann, Björn/Prager, Jens/Wieland, Clemens (2007):<br />
Berufliche Bildung vor neuen Herausforderungen, S. 14; in:<br />
Prager, Jens/Wieland, Clemens (Hrsg.): Duales Ausbildungssystem<br />
– Quo vadis?<br />
60 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2006): a.a.O., S. 82.<br />
61 Vgl. Friedrich, Michael/Eberhard, Verena/Ulrich,<br />
Joachim Gerd (2008): a.a.O., S. 59.<br />
62 Vgl. Kühnlein, Gertrud (2008): a.a.O., S. 55.<br />
91
92<br />
<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf<br />
Zwingend erforderlich erscheinen da<strong>für</strong> aus<br />
unserer Sicht eine verstärkte strategische<br />
Steuerung und Koordination durch die am<br />
Übergangssystem beteiligten Akteure, die<br />
unter einem gemeinsamen Leitbild und<br />
unter der Einführung einer regelmäßigen<br />
Berichterstattung über Übergangsprozesse<br />
von <strong>Jugendliche</strong>n, ein System effektiven<br />
Übergangsmanagements ins Leben rufen.<br />
Als ein Ort der verstärkten Kooperation<br />
und Steuerung bieten sich zum Beispiel die<br />
Jugendkonferenzen nach dem SGB II an.<br />
Allerdings müssen sie als eine kontinuierliche<br />
Institution mit dem Ziel, verbindliche<br />
Absprachen und Vereinbarungen zu treffen,<br />
genutzt werden.<br />
<strong>Die</strong>ser Prozess kann aber nur erfolgreich sein,<br />
wenn im Ergebnis die <strong>Jugendliche</strong>n <strong>für</strong> ihr<br />
Warten und ihre Bildungsanstrengungen letztlich<br />
belohnt werden. Anschlussperspektiven<br />
müssen also vorhanden sein beziehungsweise<br />
geschaffen werden.<br />
Es müssen mehr Ausbildungsplätze im<br />
dualen System, insbesondere auch <strong>für</strong><br />
leistungsschwächere Absolventen und<br />
Absolventinnen generiert werden, um der<br />
rückläufigen sozialen Integrationskraft des<br />
dualen Systems entgegenzuwirken. Der<br />
prognostizierte Fachkräftemangel kann<br />
nicht automatisch als Chance <strong>für</strong> leistungsschwächere<br />
Kandidaten und Kandidatinnen<br />
angesehen werden. Da<strong>für</strong> sind Maßnahmen<br />
ins Leben zu rufen, die die Ausbildungsbetriebsquoten<br />
erhöhen. <strong>Die</strong>s kann geschehen<br />
durch die Förderung von Verbundausbildungen<br />
bis hin zu einer Ausbildungsplatzumlage<br />
<strong>für</strong> Betriebe oder die Verknüpfung<br />
der betrieblichen Ausbildungsbereitschaft<br />
mit der öffentlichen Vergabepolitik.<br />
In diesem Zusammenhang muss auch die<br />
Anschlussfähigkeit der in der Berufsausbildungsvorbereitung<br />
erworbenen Kompetenzen<br />
erreicht werden. Dem liegt die Idee<br />
zugrunde, dass die jeweiligen Bausteine als<br />
Ausbildungsbestandteile anerkennungsfähig<br />
sein sollten und damit die Möglichkeit<br />
besteht, anschließende Ausbildungszeiten<br />
zu verkürzen. Arbeitsmarktliche Wartezeiten<br />
würden auf diese Weise <strong>für</strong> die Zielgruppe<br />
junger Menschen ohne Berufsabschluss<br />
sinnvoll gefüllt, anschließende Qualifizierungszeiten<br />
verkürzt und zugleich die<br />
Attraktivität der Ausbildungsaspirantinnen<br />
und -aspiranten <strong>für</strong> Betriebe durch fachliche<br />
Vorqualifizierung erhöht.<br />
<strong>Die</strong> Bundesregierung hat einen Ausbildungsbonus<br />
beschlossen, der Arbeitgeber durch<br />
finanzielle Förderung dazu veranlassen soll,<br />
zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze<br />
<strong>für</strong> junge Menschen, die bereits seit Längerem<br />
einen Ausbildungsplatz suchen (Altbewerber/innen),<br />
zu schaffen. Hier muss<br />
beobachtet werden, inwieweit die Ausbildungschancen<br />
von Altbewerberinnen und<br />
Altbewerbern tatsächlich steigen oder aber<br />
die Mitnahmeeffekte überwiegen. Zudem<br />
besteht die Gefahr, dass das Instrument<br />
vor allem von Betrieben genutzt wird, in<br />
denen die Auszubildenden nach kurzer Zeit<br />
zur Wertschöpfung beitragen (Gastgewerbe)<br />
und zudem unterdurchschnittliche<br />
Beschäftigungschancen nach der<br />
Ausbildung vorhanden sind.<br />
Das Instrumentarium der sozialpädagogischen<br />
Betreuung, das in vielen betrieblich<br />
orientierten Förderstrategien mittlerweile<br />
abrufbar ist, muss in der Wirtschaft zielgerichteter<br />
bekannt gemacht und beworben<br />
werden, so dass Unternehmen dies als<br />
zweckdienliche externe Unterstützung <strong>für</strong><br />
Krisen- und Risikolagen im Ausbildungsalltag<br />
entdecken können.<br />
Darüber hinaus zeigt sich auch im Land<br />
Bremen eine zwar zurückgehende, aber immer<br />
noch hohe Quote von Abbrecherinnen und<br />
Abbrechern in der dualen Ausbildung. Insbesondere<br />
<strong>Jugendliche</strong>, die zu einem relativ<br />
späten Zeitpunkt ihre Ausbildung vorzeitig<br />
beenden oder beenden müssen, sind nachhaltig<br />
von Ausbildungslosigkeit betroffen.<br />
Ausbildungsabbrecherinnen und -abbrecher<br />
sind in hohem Maße von Ausbildungslosigkeit<br />
bedroht. Von daher müssen alle<br />
Anstrengungen unternommen werden,<br />
Ausbildungsabbrüche zu verhindern. Bestehende<br />
und erfolgreiche Projekte sind weiter<br />
zu fördern und finanziell abzusichern.<br />
Wiedereinstiege, Seiteneinstiege und Anschlussmöglichkeiten,<br />
etwa im Rahmen der<br />
Nachqualifizierung, sind zu ermöglichen.<br />
In den letzten Jahren haben die Ausbildungsplätze<br />
im Schulberufssystem stark zugenommen<br />
und dabei teilweise den Rückgang<br />
betrieblicher Ausbildungsplätze kompensiert.<br />
Allerdings profitieren davon vor allem <strong>Jugendliche</strong><br />
mit mittlerem Schulabschluss. Hauptschulabsolventen<br />
finden aufgrund gesetzter<br />
Zugangsvoraussetzungen (mindestens Realschulabschluss)<br />
in diesem Segment beruflicher<br />
Bildung keine Ausbildungsmöglichkeiten.
Von daher steht auch das Schulberufssystem<br />
vor der Herausforderung, zukünftig<br />
verstärkt <strong>Jugendliche</strong> mit Hauptschulabschluss<br />
integrieren zu müssen. Zwar ist<br />
unter dieser Zielgruppe der Wunsch nach<br />
einer dualen Ausbildung besonders stark<br />
ausgeprägt, trotzdem ist der Zugang <strong>für</strong><br />
<strong>Jugendliche</strong> mit niedrigem Schulabschluss<br />
in das Schulberufssystem zu verbessern,<br />
wenn dieser von ihnen angestrebt wird.<br />
Um <strong>Jugendliche</strong> aus sozial schwachen Schichten<br />
aufnehmen zu können, ist es zudem<br />
unerlässlich, dass Berufsbildung im Schulberufssystem<br />
weitgehend kostenlos ist. Es<br />
müssen also Finanzierungsmodelle auch <strong>für</strong><br />
Privatschulen entwickelt werden, die einen<br />
breiteren Zugang <strong>für</strong> alle möglich machen.<br />
<strong>Jugendliche</strong> mit eigenen Kindern sind verstärkt<br />
von Ausbildungslosigkeit bedroht,<br />
da eine Ausbildung vom zeitlichen Umfang her<br />
einer Vollzeittätigkeit entspricht. Das ist<br />
<strong>für</strong> junge Eltern, meist die Mütter, oft nicht zu<br />
realisieren.<br />
Jungen Frauen mit Kindern darf der Weg zu<br />
einer qualifizierten Berufsausbildung nicht<br />
verschlossen werden. Es sind Anstrengungen<br />
zu unternehmen, die die Frage der<br />
Kinderbetreuung lösen und zudem <strong>für</strong> diesen<br />
Personenkreis Teilzeitberufsausbildungen<br />
zur Verfügung zu stellen. <strong>Die</strong> gesetzlichen<br />
Grundlagen da<strong>für</strong> sind mit der Modernisierung<br />
des Berufsausbildungsgesetzes<br />
gelegt worden.<br />
Für ausbildungslose junge Erwachsene, die<br />
die <strong>Schule</strong> schon vor längerer Zeit verlassen<br />
haben und infolgedessen auch kaum noch<br />
Chancen auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz<br />
besitzen, sind Möglichkeiten der<br />
Nachqualifizierung zu nutzen und zu fördern.<br />
<strong>Die</strong> Anstrengungen <strong>für</strong> Nachqualifizierungen<br />
von ungelernten jungen Erwachsenen<br />
müssen erheblich verstärkt werden. Mehr<br />
Betriebe müssen dazu angehalten werden,<br />
An- und Ungelernte beim Nachholen von<br />
Berufsabschlüssen zu unterstützen. <strong>Die</strong> vorhandenen<br />
und erprobten Konzepte <strong>für</strong> eine<br />
abschlussbezogene berufliche Nachqualifizierung<br />
in berufsbegleitender Form stellen<br />
da<strong>für</strong> eine angemessene Grundlage dar.<br />
Da in Deutschland die Zugehörigkeit zu den<br />
Schultypen des dreigliedrigen Schulsystems<br />
stark vom sozialen Status der Eltern abhängt<br />
und sich dieser Selektionsprozess auch<br />
beim Übergang von der <strong>Schule</strong> in den Beruf<br />
niederschlägt, hat Chancengleichheit beim<br />
Zugang zur Berufsausbildung auch eine<br />
Reform des Schulsystems zur Bedingung:<br />
Von daher bedarf es erheblicher Investitionen<br />
in den Umbau eines allgemeinbildenden<br />
Schulsystems, das den Anteil der <strong>Jugendliche</strong>n<br />
ohne Schulabschluss weiter reduziert,<br />
die soziale Selektion der jungen<br />
Generation vermindert und damit berufliche<br />
und soziale Entwicklungsperspektiven unabhängig<br />
der sozialen Herkunft ermöglicht.<br />
Das schließt den Ausbau und die rechtzeitige,<br />
weit vor jedem erkennbaren Scheitern<br />
stattfindende Beanspruchung produktionsschulischer<br />
Ansätze unbedingt ein.<br />
Das duale System der Berufsausbildung ist<br />
seiner Betriebs- und Praxisnähe wegen nach<br />
wie vor ein äußerst attraktives Modell, um jungen<br />
Menschen langfristige Berufsperspektiven<br />
zu eröffnen. Es muss aber inzwischen nüchtern<br />
konstatiert werden, dass es ergänzt werden<br />
muss durch andere, vor allem schulische<br />
Ausbildungswege, um unversorgte Zielgruppen<br />
(zum Beispiel Benachteiligte beiderlei<br />
Geschlechts wie verstärkt junge Männer) zu<br />
integrieren. Das Übergangssystem dagegen<br />
muss mit aller Anstrengung so strukturiert und<br />
ausgerichtet werden, dass es seinen Namen<br />
auch verdient. Es muss aufhören, Auffangbecken<br />
all jener zu sein, die auf dem Ausbildungsmarkt<br />
(einstweilen) keinen Erfolg hatten.<br />
93
94 Vier Geschichten vom Überleben in der Warteschleife
Ralf Lorenzen ❘ Freier Journalist<br />
5 Vier Geschichten vom Überleben<br />
in der Warteschleife<br />
Weichenstellungen<br />
Bahnhöfe sind Orte der Entscheidung. In vielen<br />
Filmen kommt die Handlung hier zum dramatischen<br />
Höhepunkt. Wo lassen sich die Weichenstellungen<br />
des Lebens besser in Szene<br />
setzen als an Bahnsteig 10? Der 23-jährige<br />
Björn kann ein Lied davon singen. Anfang dieses<br />
Jahres stand er mit seiner Freundin auf<br />
dem Bremer Hauptbahnhof und wartete auf<br />
den Zug, der ihn zur Erfüllung seines Lebenstraumes<br />
bringen sollte.<br />
›Bleib bei mir‹, beschwor<br />
ihn das Mädchen, das ihn<br />
›<strong>Die</strong> Leute auf Juist haben nicht ziehen lassen wollte.<br />
mich als vermisst gemeldet, ›Und da habe ich den Zug<br />
so sehr hatten sie mir sausen lassen‹, sagt Björn<br />
vertraut – da kann ich mich heute. Den Zug zu seiner<br />
nicht mehr sehen lassen.‹<br />
Traum-Lehrstelle auf<br />
der Insel Juist. Er wusste,<br />
dass er sich mit dieser<br />
Entscheidung freiwillig<br />
aufs Abstellgleis stellte. Und dass er ein paar<br />
Menschen sehr enttäuschte. So sehr, dass<br />
ihm der Mut fehlte, ihnen persönlich abzusagen.<br />
Ein paar Stunden später stand die Polizei<br />
vor der Tür. ›<strong>Die</strong> Leute auf Juist haben mich<br />
als vermisst gemeldet, so sehr hatten sie<br />
mir vertraut‹, sagt er und fügt bitter hinzu:<br />
›Da kann ich mich nicht mehr sehen lassen.‹<br />
Ist es geschickt, eine Geschichte über den<br />
Überlebenskampf junger Menschen in Bremen<br />
so beginnen zu lassen? Ist doch selber schuld<br />
der Junge, könnte man sagen. Was hört er<br />
denn auf die egoistische Freundin, statt seine<br />
Ziele im Auge zu behalten? Hat doch seine<br />
Chance gehabt. Jeder der Protagonisten,<br />
die hier vorgestellt werden, würde sich strikt<br />
dagegen verwahren, irgendjemand anderem<br />
die Schuld <strong>für</strong> die eigene Lebenssituation<br />
zuzuweisen. So sehr der Interviewer auch<br />
versuchte, ihnen kritische Bemerkungen über<br />
Eltern, Lehrer, Unternehmer oder gar das Bildungssystem<br />
als Ganzes zu entlocken – meist<br />
hörte er Sätze wie: ›Da habe ich Mist gebaut.‹<br />
<strong>Die</strong> Produktion von Selbstverurteilungen –<br />
das ist der Subtext dieser Geschichten, deren<br />
Plots von Schulabschlüssen, Qualifizierungsmaßnahmen<br />
und Ausbildungsplätzen handeln.<br />
Wie im Leben der meisten anderen Menschen,<br />
sind auch bei Björn, Christian, Janine und<br />
Özkan die dramatischen Höhepunkte eher<br />
die Ausnahme. Tonangebend ist das Grau<br />
des Alltags, in dem die Konturen der Zukunft<br />
meist nur schwer zu erkennen sind.<br />
Gestrandet an der Waterfront<br />
Björn und Christian lerne ich am Torhaus<br />
Nord an der Gröpelinger Hafenkante kennen.<br />
Hier residiert das Projekt NAHlos, in dessen<br />
Namen sich Heimat, Fremde und Aufbruch<br />
so trefflich verbinden. Unter der Anleitung von<br />
drei Sozialpädagogen holen sich hier junge<br />
Erwachsene, die in ihrer beruflichen Entwicklung<br />
gestrandet sind, neue Orientierung und<br />
frisches Rüstzeug <strong>für</strong> einen neuen Anlauf.<br />
Christian bereitet sich hier seit ein paar Monaten<br />
auf einen In-Job vor. In der EDV-Abteilung<br />
betreibt er mit den anderen zusammen einen<br />
E-Bay-Shop, in dem sie gespendete Bücher,<br />
CDs und anderes versteigern. Björn ist erst<br />
seit ein paar Tagen hier, arbeitet sich langsam<br />
in die Küchengruppe ein, die <strong>für</strong> das tägliche<br />
gemeinsame Mittagessen sorgt. Daneben<br />
ist er auf Wohnungssuche, da er erst vor<br />
kurzem nach Bremen gezogen ist und noch<br />
in einer Pension wohnt.<br />
In dem Gewusel von knapp zwanzig Menschen<br />
ist an ein ruhiges Gespräch nicht<br />
zu denken, deshalb gehen wir raus auf die<br />
andere Straßenseite, wo einmal in Form des<br />
Space Parks Bremens Zukunft entstehen sollte.<br />
Doch in den 10.000 Quadratmetern des<br />
neuen Einkaufstempels ›Waterfront‹ ist es an<br />
diesem Montagmorgen gar nicht so einfach,<br />
sofort einen Platz zu bekommen – trotz gähnender<br />
Leere. Bei Starbucks, in das Björn<br />
und Christian gern gegangen wären, sind um<br />
zehn Uhr die Pforten erstaunlicherweise noch<br />
geschlossen. Also ab in ein Café, das zwar<br />
nicht so loungige Sessel hat, da<strong>für</strong> aber<br />
immerhin schon frischen Kaffee im Angebot.<br />
95
96 Vier Geschichten vom Überleben in der Warteschleife<br />
Christian<br />
›Ich bin in Lilienthal aufgewachsen‹, erzählt<br />
Christian und gibt gleich die Information, die<br />
er <strong>für</strong> die wichtigste hält, um sein jetziges<br />
Leben zu verstehen. ›Da musste ich weg, weil<br />
ich da ziemlich bekannt bin. Habe sehr früh<br />
ziemlich viel Mist gebaut.‹ Vielleicht betont er<br />
das so, weil er weiß, dass man diesen lustigen,<br />
spitzbübischen Augen zwar jede Menge<br />
Jungenstreiche zutraut, aber doch keine Einbrüche<br />
und <strong>Die</strong>bstähle. Stolz ist er bestimmt<br />
nicht drauf, aber er steht zu seiner Vergangenheit,<br />
da gibt es nichts zu beschönigen.<br />
Dabei ist er ganz schön hoch eingestiegen.<br />
›Ich hatte nach der Orientierungsstufe eine<br />
Empfehlung <strong>für</strong> die Realschule, bin aber aufs<br />
Gymnasium, weil meine Freunde auch dahin<br />
gegangen sind.‹ Und weil er einen Berufswunsch<br />
hatte, <strong>für</strong> den er das Abitur braucht.<br />
›Ich wollte immer Tierarzt werden, aber das<br />
hat sich schnell erledigt, als es den Bach runterging.‹<br />
Obwohl er nur in Mathe und Latein<br />
eine Fünf einfährt, merkt er, dass er am Gymnasium<br />
verkehrt ist, und geht nach einem Jahr<br />
freiwillig runter. ›Wenn ich mich angestrengt<br />
hätte, hätte ich es vielleicht<br />
schaffen können. Aber irgendwann<br />
kippte das um und<br />
›Ich bin zufrieden, es hat ich hatte nur noch Streit mit<br />
sich schon viel geändert. den Lehrern‹, erinnert sich<br />
Früher war ich im<br />
der heute 20-Jährige. ›In der<br />
Heim, habe nur gekifft siebten Klasse fing das dann<br />
und gesoffen.‹<br />
halt an.‹ Im Wörtchen ›das‹<br />
scheint der Schlüssel zum<br />
Verständnis seines bisherigen<br />
Lebens zu liegen. ›Das‹ – das<br />
ist der ganze Mist, den er dann machte, der<br />
ihn in Ausnüchterungszellen, vor Gerichte, zu<br />
Sozialdiensten und ins Heim brachte. ›Das‹ –<br />
ist aber auch der Abwärtsstrudel, der ihn<br />
erfasste, ohne dass er die Gründe da<strong>für</strong> richtig<br />
kapierte.<br />
Doch benennen lassen sich die runterziehenden<br />
Kräfte: getrennte Eltern, schlechter<br />
Umgang, verständnislose Lehrer. ›<strong>Die</strong> haben<br />
sich nur gezeigt, wenn es Probleme gab.‹ In<br />
der Realschule hagelt es <strong>für</strong> den aufmüpfigen<br />
Jungen Schulverweise, bis er schließlich ohne<br />
Abschluss auf der Straße steht. ›Wenn es<br />
nicht auf so einer Bahn geht, dann muss ich<br />
mein Geld eben anders machen‹, denkt er<br />
sich. Trotzdem geht er nicht völlig unter. Ein<br />
Teil seiner heranwachsenden Persönlichkeit<br />
wehrt sich gegen das Ertrinken. Auf einer<br />
berufsbildenden <strong>Schule</strong> in Osterholz-Scharmbeck<br />
macht er seinen Hauptschulabschluss<br />
nach, jobbt nebenbei in einem Futtermittelbetrieb<br />
und schreibt Bewerbungen <strong>für</strong> eine<br />
Ausbildung im Einzelhandel.<br />
Und tatsächlich – nach einer Reihe von<br />
Absagen gibt ihm der Betrieb, in dem er<br />
neben der <strong>Schule</strong> gejobbt hat, einen Ausbildungsplatz<br />
zur Fachkraft <strong>für</strong> Lagerlogistik. Leider<br />
lassen ihn die Menschen aus seinem anderen<br />
Leben, in dem ›das‹ immer wieder passiert,<br />
nicht aus ihren Klauen. Und so hat auch<br />
Christians Leben einen dramatischen Höhepunkt:<br />
Er wird mit fünf Messerstichen schwer<br />
verletzt. Von den Wunden hat er sich zwar<br />
schon erholt, als er seine Lehrstelle antritt,<br />
dennoch bittet ihn sein Chef noch vor Ende<br />
der Probezeit zu einem Gespräch. ›Angeblich<br />
soll ich nicht richtig auf die Kunden zugegangen<br />
sein‹, sagt Christian und hält das lediglich<br />
<strong>für</strong> einen Vorwand. ›Mein Chef hat mich<br />
rausgeschmissen, weil er von anderen Leuten<br />
erfahren hat, dass ich früher viel Scheiße<br />
gebaut habe.‹<br />
Danach ist <strong>für</strong> ihn endgültig klar, dass sich<br />
etwas grundsätzlich ändern muss. In Bremen<br />
versucht er nun, die Schatten seiner Vergangenheit<br />
hinter sich zu lassen. Bisher mit<br />
Erfolg. ›Ich bin zufrieden, es hat sich schon<br />
viel geändert. Früher war ich im Heim, habe<br />
nur gekifft und gesoffen.‹ Bis zu zehnmal im<br />
Monat bewirbt er sich, meist als Lagerlogistiker<br />
– einmal ist er bisher zum Eignungstest<br />
durchgedrungen. Bei NAHlos bereitet er sich<br />
auf ein Praktikum im Gesamthafenbetrieb und<br />
einen In-Job vor, bewirbt sich aber gleichzeitig<br />
auch <strong>für</strong> Jobs als Lagerarbeiter. ›Das würde<br />
sich im Lebenslauf gut machen.‹ In Bremen<br />
hat er eine eigene Wohnung, einen guten<br />
Freund und ein paar kleine Träume gefunden.<br />
›Arbeit, ein bisschen Geld und die richtige<br />
Frau. Da<strong>für</strong> braucht man Glück, aber ich bin ja<br />
noch jung.‹
Björn<br />
Bis jetzt hat Björn den Erzählungen seines<br />
Kollegen ruhig zugehört. Aber jetzt greift er<br />
ein. ›Mit 20 bist du nicht mehr jung, mein<br />
Freund. Was Ausbildung angeht, ist das alt.<br />
Einige Firmen nehmen vielleicht auch Ältere,<br />
weil die gestandener sind. Aber die meisten<br />
denken doch: wer es mit 16, 17 nicht gepackt<br />
hat, der packt das auch mit 20, 22 nicht.<br />
Und über 25 wird sowieso keiner genommen.‹<br />
Schon mit dem ersten Satz wird klar, dass<br />
bei Björn von euphorischer Aufbruchstimmung<br />
nicht die Rede sein kann. ›Ich fange mal<br />
wieder bei null an.‹<br />
Björn ist mit seinen 23 Jahren zwar nur<br />
drei Jahre älter als Christian, mit dem, was er<br />
zu erzählen hat, könnte er aber bereits zwei<br />
Leben füllen. Auch bei ihm fällt es schwer,<br />
hinter dem ernsthaften, zurückhaltenden<br />
Gesichtsausdruck jemanden zu erkennen, der<br />
als Teenager das Bremer Umland unsicher<br />
gemacht hat. ›Mein erster Berufswunsch war<br />
Polizist, davon kann heute keine Rede mehr<br />
sein‹, sagt er mit einer gehörigen Portion<br />
Selbstironie.<br />
Als Grundschüler in Bruchhausen-Vilsen war<br />
er den Lehrern eher zu still. ›Das lag daran,<br />
dass mein leiblicher Vater uns geschlagen hat,<br />
da habe ich schon aufgepasst, dass keine<br />
Beschwerden aus der <strong>Schule</strong> kamen.‹ Als<br />
seine Mutter sich trennt und die Familie zum<br />
Stiefvater nach Weyhe zieht, ist das <strong>für</strong> Björn<br />
keine wirkliche Verbesserung. ›Mit meinem<br />
Stiefvater hat es nie wirklich funktioniert.‹<br />
Zur Katastrophe kommt es dann, als Björn in<br />
Weyhe auf die Hauptschule geht und die<br />
Mutter einen Schlaganfall bekommt. ›Ich bin<br />
nachts unterwegs gewesen, um zu meiner<br />
Mutter in die Reha zu fahren. Und tagsüber<br />
musste ich zu Hause alles machen. Mein Stiefvater<br />
hat gearbeitet und fing an zu saufen.‹<br />
Als die Mutter nach Hause kommt, wird die<br />
Situation noch schlimmer. ›Ich habe im Pflegevertrag<br />
mit der Krankenkasse unterschrieben,<br />
dass ich meine Mutter zu Hause pflege –<br />
da war ich 14. Ich habe das Essen gemacht,<br />
meine Mutter umgezogen und geduscht, alles<br />
was man halt bei jemandem macht, die halbseitig<br />
gelähmt ist.‹ Danken tut ihm das niemand<br />
– im Gegenteil. ›Für mich hat sich kei-<br />
ner interessiert. Ich war zwar da, aber ich<br />
hätte auch sterben können, das wäre egal<br />
gewesen.‹<br />
Aber irgendwo muss der Dampf raus, und<br />
da<strong>für</strong> ist die <strong>Schule</strong> wie geschaffen. ›Ich<br />
wurde zum Klassenclown und habe ziemlich<br />
viel Stress gemacht. Dazu kam, dass ich in<br />
der schlimmsten Klasse war, aus der die Lehrerinnen<br />
teilweise heulend rausgelaufen sind.<br />
Dann haben sie ganz schlimm aussortiert.‹<br />
Obwohl Björn gar nicht so ein schlechtes<br />
Zeugnis hat, finden die Lehrer einen Kniff, ihn<br />
loszuwerden. ›Sie haben<br />
rausgekriegt, dass ich in<br />
der ersten Klasse zurückgestuft<br />
worden war und ›Sie haben rausgekriegt,<br />
gesagt: Es reicht, du hast dass ich in der ersten Klasse<br />
deine neun Jahre jetzt voll.‹ zurückgestuft worden<br />
In all den familiären und war und gesagt: Es reicht,<br />
schulischen Dramen dieser du hast deine neun<br />
Zeit gibt es einen Licht- Jahre jetzt voll.‹<br />
blick, der Björn bis heute<br />
durchs Leben führt. Er entdeckt<br />
bei der Pflege seiner<br />
Mutter die Leidenschaft <strong>für</strong>s Kochen. ›Seitdem<br />
ist <strong>für</strong> mich klar, dass ich Koch werden will.‹<br />
In der Diakonie Freistatt, wo Björn den Hauptschulabschluss<br />
nachholt, stößt er mit dieser<br />
Neigung allerdings zunächst auf taube Ohren.<br />
›Sie haben alle gesagt: Du hast nur Hauptschule,<br />
das reicht nicht. Bewerb dich mal<br />
lieber auf was Einfaches.‹ So wird auch Björn<br />
auf die Lager-Logistik-Schiene gesetzt und<br />
absolviert sein Praktikum bei einem großen<br />
Logistikunternehmen in der Region. ›Da hatte<br />
ich dann einen Arbeitsunfall aufgrund von<br />
Sicherheitsmängeln. Deshalb haben sie mir<br />
einen Ausbildungsplatz gegeben, aber nach<br />
drei Monaten kam die Industrie- und Handelskammer<br />
und hat ihnen die Ausbildungslizenz<br />
entzogen, weil die Azubis teilweise 14<br />
Stunden am Tag arbeiten mussten.‹<br />
Doch Björn ist inzwischen so an Rückschläge<br />
gewöhnt, dass er schnell eine neue<br />
Lehrstelle in einem Großhandel <strong>für</strong> Bäder<br />
bekommt.<br />
97
98 Vier Geschichten vom Überleben in der Warteschleife<br />
<strong>Die</strong>smal scheint alles glatt zu laufen, der<br />
Betrieb will ihn sogar übernehmen – da verpatzt<br />
er selbst die Sache. ›Drei Monate vor<br />
der Prüfung bin ich einfach nicht mehr hingegangen.‹<br />
Der Grund da<strong>für</strong> ist mal wieder<br />
eine private Katastrophe. Blauäugig hat Björn<br />
den Handyvertrag seiner damaligen Freundin<br />
unterschrieben und sammelt innerhalb kurzer<br />
Zeit einen Berg Schulden. ›Da habe ich den<br />
Kopf einfach in den Sand gesteckt.‹ Er verliert<br />
seine eigene Wohnung und kommt mit Drogen<br />
in Berührung. Einen vorübergehenden Ausweg<br />
bietet die Bundeswehr, zu der er sich<br />
gleich zwei Jahre verpflichtet. Aber nach drei<br />
Wochen kommt die Krankenkasse und pocht<br />
auf den mit 14 Jahren unterschriebenen<br />
Pflegevertrag, weil der alkoholkranke Vater<br />
die Mutter nicht mehr pflegen kann. Björn sitzt<br />
wieder zu Hause fest und lässt sich das<br />
erste Mal in seinem Leben richtig hängen.<br />
Das Blatt wendet sich, als eine neue Freundin<br />
ihn unterstützt, eine Drogentherapie zu<br />
machen. Und in der Diakonie Freistatt, die ihn<br />
wieder aufnimmt, darf er endlich das machen,<br />
was er am liebsten tut: kochen. ›Ich habe<br />
teilweise den ganzen Laden geschmissen.<br />
Einmal habe ich <strong>für</strong> Ministerpräsident Wulff<br />
gekocht: ein malaysisches Reisgericht. Hat<br />
ihm geschmeckt.‹ Und als Björn dann in einem<br />
der besten Hotels auf Juist ein Praktikum in<br />
der Küche macht, zieht er das große Los:<br />
›Der Koch auf Juist hat mich in den höchsten<br />
Tönen gelobt, in meinen Praktikumsbeurteilungen<br />
habe ich fast nur Einsen. <strong>Die</strong> haben alle<br />
zu mir gesagt: Koch, das ist dein Beruf!‹ Doch<br />
Liebe geht nicht immer durch den Magen<br />
und Freundinnen, die einem helfen von den<br />
Drogen wegzukommen, haben manchmal auch<br />
Angst, allein gelassen zu werden. Und so entscheidet<br />
sich Björn am Bremer Hauptbahnhof<br />
<strong>für</strong> die Liebe und gegen die Traumlehrstelle.<br />
Das nächste verlockende Angebot lässt<br />
zum Glück nicht lange auf sich warten. Nachdem<br />
er wiederum im Praktikum überzeugt hat,<br />
bietet ein Lokal im Bremer Umland Björn einen<br />
Ausbildungsplatz an. Perfekt, jetzt kann er beides<br />
haben, den Job und die Freundin. Denkste,<br />
wie Christian wird auch Björn irgendwann<br />
von seinem Ruf eingeholt. ›Meine Chefin hat<br />
gesagt, dass sie einiges über mich gehört hat<br />
und ich den Ausbildungsvertrag vergessen<br />
kann. <strong>Die</strong> Leute sagen sich: Wenn der einmal<br />
so ist, wird der sein Leben lang so sein und<br />
geben einem keine Chance.‹ Dann macht sich<br />
auch noch die Freundin aus dem Staub und<br />
Björn auf den Weg nach Bremen, um seinen<br />
Ruf endlich hinter sich zu lassen.<br />
›Ich will meine Ausbildung zum Koch auf<br />
jeden Fall noch machen‹, sagt er auf dem<br />
Rückweg von der Waterfront zu NAHlos. ›Ich<br />
werde alles da<strong>für</strong> tun, aber euphorisch bin<br />
ich im Moment nicht.‹ Außerdem ärgert er sich<br />
noch ein bisschen, dass ihm letzten Freitag<br />
der Flammkuchen nicht richtig gelungen ist.<br />
›Ich bin es nicht gewohnt, nach Rezept<br />
zu kochen, ich mache das lieber nach Gefühl‹,<br />
sagt er. Als nächstes Gericht wird er mal<br />
einen malaysischen Reistopf vorschlagen.
Janine<br />
<strong>Die</strong> 18-jährige Janine hat sich <strong>für</strong> unser Treffen<br />
das Alex am Domshof gewünscht. Sie ist<br />
nicht allein gekommen, als Unterstützung sitzt<br />
ihre Lehrerin mit am Tisch auf der Terrasse.<br />
Obwohl sich schnell herausstellt, dass Janine<br />
die Unterstützung gar nicht braucht, jedenfalls<br />
nicht bei diesem Interview.<br />
Auch Janines Leben hatte einen dramatischen<br />
Wendepunkt. Dessen Ergebnis turnt<br />
fröhlich um den Tisch herum und wird<br />
während des Gesprächs von der Lehrerin<br />
bespaßt: die dreijährige Nathalie. ›Als ich<br />
erfahren habe, dass ich ein Kind bekomme,<br />
habe ich mich erschrocken‹, sagt Janine. Was<br />
sie damals noch nicht wusste: Eigentlich hätte<br />
sie nach Meinung der Ärzte gar keine Kinder<br />
bekommen können, da sie bereits als kleines<br />
Kind Leukämie bekam und eine Chemotherapie<br />
machen musste. ›Ich habe trotzdem eins<br />
bekommen‹, sagt sie stolz lachend. ›Es war<br />
zwar ein blöder Zeitpunkt, aber im Nachhinein<br />
war es glücklich.‹ Und dann legt sie ihr bisheriges<br />
Leben in einen Stoßseufzer offen:<br />
›Ich mag gar nicht dran denken, was ohne<br />
Nathalie aus meinem Leben geworden wäre.‹<br />
Aufgewachsen ist Janine, wie sie selbst<br />
sagt, ›in den Ghettos Bremens‹: Huchting,<br />
Woltmershausen, Gröpelingen, Kattenturm,<br />
Osterholz-Tenever. <strong>Die</strong> dazugehörigen Stichworte<br />
liefert sie gleich mit: Kriminalität und<br />
Drogen. ›Ich habe mich mitreißen lassen.‹<br />
<strong>Die</strong> Eltern sind beide berufstätig und mit ihrer<br />
pubertierenden Tochter überfordert. Mit 13<br />
landet Janine im Heim. Von ihrem Leistungsniveau<br />
sei sie eigentlich immer Realschülerin<br />
gewesen, sagt sie, aber <strong>Schule</strong> war Nebensache<br />
und so wird sie in die Hauptschule<br />
zurückgesetzt. Zu dem Zeitpunkt steckt nicht<br />
mehr viel Hoffnung in dem jungen Leben.<br />
Dann kommt Nathalie. Der Teenager reißt<br />
sich zusammen und schafft in den ersten<br />
Schwangerschaftsmonaten sogar noch den<br />
Hauptschulabschluss. Doch im Heim bekommt<br />
sie solche Probleme, dass sie <strong>für</strong> ein paar<br />
Monate wieder zu ihren Eltern geht. In einem<br />
Haus <strong>für</strong> minderjährige Mütter, dem Casa<br />
Luna, findet sie schließlich Ruhe, Unterstützung<br />
und die Zeit, sich um ihr Kind zu kümmern.<br />
Aber es ist zu viel passiert und ihre<br />
Situation empfindet sie als Sackgasse. Janine<br />
wird depressiv, isst und wiegt immer weniger.<br />
Von einer Mutter-Kind-Kur kommt sie mit<br />
einem Entschluss zurück.<br />
Oft hatte sie gehört, dass sie nicht auf<br />
eigenen Beinen stehen könne, doch dann<br />
mischt sich der Vormund ihrer Tochter ein.<br />
Janine gibt dessen Worte wieder: ›Ich vertraue<br />
der jungen Frau, lassen sie sie in eine eigene<br />
Wohnung ziehen, wenn es nicht funktioniert,<br />
kann man sie immer noch wieder in ein Heim<br />
stecken.‹ Seit einem halben Jahr lebt Janine<br />
nun in einer eigenen Wohnung, und wenn sie<br />
darüber spricht, spürt man die große Kraft<br />
dieser zierlichen jungen Frau. ›Nun kann ich<br />
zeigen, dass ich das kann, und nicht in einem<br />
Heim leben muss.‹ Zweimal<br />
in der Woche kommt zwar<br />
noch eine Betreuerin der reisenden<br />
Werkschule, die sie ›Für meine Tochter ist mir<br />
selbst <strong>für</strong> sich organisiert das so wichtig, dass ich<br />
hat, aber das Fazit ist eindeu- einen Ausbildungsplatz und<br />
tig: ›Seitdem geht es mir gut, eine Arbeit bekomme.‹<br />
weil ich alles allein schaffe,<br />
ohne Einschränkungen.‹<br />
Jetzt findet sie auch die<br />
Kraft, sich um ihre berufliche Zukunft zu<br />
kümmern. ›Für meine Tochter ist mir das so<br />
wichtig, dass ich einen Ausbildungsplatz<br />
und eine Arbeit bekomme.‹ Im Projekt BeLeM<br />
des Zentrums <strong>für</strong> <strong>Schule</strong> und Beruf macht<br />
sie nun ihren erweiterten Hautschulabschluss,<br />
während ihre Tochter ein paar Räume weiter<br />
betreut wird. Früher wollte sie mal Krankenschwester<br />
auf der Onkologie werden, aber<br />
während eines von BeLeM organisierten<br />
Praktikums in der Werkstatt eines großen Verkehrsbetriebes<br />
hat sie ihre wahre Bestimmung<br />
gefunden. ›Ich möchte Industriemechatronikerin<br />
werden, da kann ich Autos und Busse<br />
von innen auseinanderpflücken und wieder<br />
zusammenbauen.‹ Dann öffnet sich ihr Gesicht<br />
zu einem ganz breiten Lachen: ›Das hat mir<br />
so einen Spaß gebracht.‹ <strong>Die</strong> Firma habe ihr<br />
sogar schon einen Ausbildungsplatz in Aussicht<br />
gestellt, dann aber wieder einen Rückzieher<br />
gemacht. ›Das hat mich ganz schön<br />
runtergezogen.‹<br />
99
100 Vier Geschichten vom Überleben in der Warteschleife<br />
Viele Betriebe empfangen Frauen und junge<br />
Mütter nicht gerade mit offenen Armen. ›Bei<br />
verschiedenen Autohäusern haben sie mir<br />
gesagt, ich könne die Bewerbungsunterlagen<br />
schicken, aber es würde schwer, weil ich eine<br />
Frau bin. Sie bräuchten dann ja auch noch<br />
Frauentoiletten und deshalb sind sie bei Frauen<br />
immer vorsichtiger.‹ Doch entmutigen lässt<br />
sich Janine dadurch nicht. ›Irgendwann wird<br />
es klappen, ich bin zuverlässig und ich lerne<br />
sehr, sehr gerne.‹ Bei diesen Worten kommen<br />
gar keine Zweifel auf, dass Janine sich in<br />
zehn Jahren ihren Lebenstraum erfüllt hat. ›Ich<br />
möchte meine eigene Werkstatt haben und<br />
selber jemanden ausbilden.‹ Dann kann sie<br />
endlich das selbst machen, was sie heute<br />
vermisst. ›Ich fände es gut, wenn sich jemand<br />
da<strong>für</strong> stark macht, dass junge Mütter die<br />
gleichen Chancen wie Männer haben.‹<br />
Özkan<br />
Szenenwechsel an die andere Ecke der Stadt,<br />
in ein anderes Einkaufszentrum. In einem<br />
Café im Weserpark sitzt Özkan, 22, und<br />
erzählt. ›Man muss wissen, was man wert ist.<br />
Als mein Trainer mich nicht in der ersten<br />
Mannschaft aufgestellt hat, habe ich den Verein<br />
gewechselt.‹ Özkan ist ein Kämpfer.<br />
Aufgewachsen in der Vahr. Als er im Flugzeug<br />
einmal den türkischen Fußballnationaltrainer<br />
erkannt hat, verfolgte er ihn bis in die erste<br />
Klasse und durfte trotz Protests des Personals<br />
neben ihm sitzen bleiben. Durch seine<br />
Liebe zum Fußball habe es im ersten Anlauf<br />
allerdings auch nur zum erwei-<br />
terten Hauptschulabschluss<br />
gereicht, gibt Özkan selbst- ›Bei meinen deutschen<br />
kritisch zu.<br />
Freunden kriege ich mit,<br />
Und auch da<strong>für</strong>, dass er dass die Eltern ganz andere<br />
anschließend im Bildungszen- Beziehungen und Kontakte<br />
trum Mitte den Realschulab- haben. <strong>Die</strong> haben wir nicht.‹<br />
schluss nicht gepackt hat, gibt<br />
er niemandem anderen die<br />
Schuld. Den Stolz geraubt hat<br />
ihm diese Schlappe nicht. Als er sich von<br />
einem Ausbilder im Bildungszentrum ungerecht<br />
behandelt fühlt, schmeißt er die Ausbildung<br />
hin. ›Danach war ich ganz schön unten,<br />
50 bis 60 Bewerbungen habe ich geschrieben,<br />
vorstellen durfte ich mich vielleicht drei<br />
Mal.‹ Immerhin schafft er es bei Daimler, wo<br />
sein Vater am Band arbeitet, zum Einstellungstest,<br />
den er aber vergeigt.<br />
Der eine oder andere Arbeitgeber habe ihn<br />
bestimmt auch wegen seiner türkischen<br />
Herkunft nicht eingeladen, vermutet Özkan,<br />
die eigentliche Benachteiligung sieht er aber<br />
woanders. ›Bei meinen deutschen Freunden<br />
kriege ich mit, dass die Eltern ganz andere<br />
Beziehungen und Kontakte haben. <strong>Die</strong> haben<br />
wir nicht.‹ Da<strong>für</strong> gibt es Sozialarbeiter im Bürgerzentrum<br />
Vahr, die bei den Bewerbungen<br />
helfen und ihn aufbauen. ›Drei Monate lang bin<br />
ich jeden Morgen zur Arbeitsagentur gegangen<br />
und habe die genervt.‹ Zuerst wird er<br />
noch mit einer verwirrend dicken Mappe mit<br />
allen möglichen Maßnahmen abgespeist.<br />
Doch dann kommt das entscheidende Angebot:<br />
ein Berufsorientierungsjahr an der Berufsschule<br />
Reiherstraße. Nach dem Jahr bekommt<br />
er einen Platz in der Verbundausbildung zum<br />
Konstruktionsmechaniker und findet großen<br />
Spaß an der Arbeit. ›Es ist eine ganz andere<br />
Welt, in einem richtigen Betrieb zu arbeiten.‹<br />
Vor ein paar Tagen hat er seine Freisprechung<br />
bekommen. ›Meine Kumpel sind mächtig stolz<br />
auf mich‹, sagt Özkan mit leuchtenden Augen.<br />
›Aber die Zukunft wird schwer. <strong>Die</strong> einzige<br />
Chance ist erstmal Zeitarbeit.‹ Das nervt ihn<br />
zwar, aber die Alternative, noch die Fachhochschulreife<br />
zu machen, verwirft er schnell.<br />
›Ich will nicht mehr zur <strong>Schule</strong>, ich kenne<br />
viele, die sind schon völlig überqualifiziert.‹
Bürden und Blockaden<br />
Alles also halb so wild? Ein <strong>Jugendliche</strong>r aus<br />
einer stabilen Familie, mit exzellenter Kommunikationsfähigkeit,<br />
klarer Selbsteinschätzung<br />
und starkem Willen braucht einen unbändigen<br />
Kampfgeist, um sich an die Schwelle eines<br />
Zeitarbeitsverhältnisses vorzuboxen!<br />
Und Björn, Christian, Janine? Schleppen mit<br />
20 Jahren immer noch mit dem herum, was<br />
sie als Teenager in verzweifelten Lebenslagen<br />
verbockt haben. Immerhin, sie sind in sinnvollen<br />
Maßnahmen gelandet, die weitere Türen<br />
aufstoßen können. Noch kann ihr berufliches<br />
Leben gelingen, wenn jemand das in ihnen<br />
erkennt, was sie heute sind: Bis in die Haarspitzen<br />
motiviert, aufgeweckt, wissbegierig.<br />
Ein Wunder, nach diesen Erfahrungen.<br />
Als ›Bürden und Blockaden‹ bezeichnet eine<br />
Untersuchung der Arbeitnehmerkammer das,<br />
was benachteiligte <strong>Jugendliche</strong> an der Schwelle<br />
zum Beruf vorfinden. Das Muster wiederholt<br />
sich: In entscheidenden Momenten schleppen<br />
diese <strong>Jugendliche</strong>n einen Packen Probleme,<br />
mit dem sie nicht durch die schmalen Türen<br />
unseres selektionswütigen Bildungssystems<br />
passen. Und wenn sie dann nach jahrelangem<br />
Kampf wieder eine Perspektive entwickelt<br />
haben, erkennen nur wenige die vielen kleinen<br />
Siege und außergewöhnlichen Fähigkeiten, die<br />
sie auf diesem Weg errungen haben. Stattdessen<br />
werden ihnen die alten Niederlagen häufig<br />
als neue Stolpersteine in den Weg gelegt.<br />
<strong>Die</strong> Geschichten zeigen aber auch, wie viel<br />
ein funktionierendes Netzwerk, professionelle<br />
Beratung und solidarische Unterstützung<br />
ausmachen können, seien es die <strong>für</strong>sorgliche<br />
Familie, die bewundernden Freunde, der aufmunternde<br />
Trainer, der wache Sozialarbeiter,<br />
der Vormund der Tochter, die Berufsberaterin<br />
mit dem entscheidenden Tipp, die engagierte<br />
Berufsschullehrerin oder der verantwortungsbewusste<br />
Unternehmer. Manchmal gelingt<br />
eben doch, was Franz Jentschke, Leiter der<br />
Gesamtschule Ost, fordert: ›Man muss die<br />
<strong>Jugendliche</strong>n in ihrem Bildungsweg begleiten,<br />
statt sie von einer Institution in die nächste<br />
zu schicken.‹ Missmatching lauert nicht nur<br />
an einer Nahtstelle der notdürftig zusammengeflickten<br />
Bildungsbiografie. Oder wie es<br />
Manfred Mollenhauer, Lehrer an der Allgemeinen<br />
Berufsschule, ausdrückt: ›Unterschiedliche<br />
Individuen gab es schon immer, nur<br />
früher waren sie als Gruppe geschlossener.‹<br />
101
102<br />
Zahlen, Daten, Fakten
Paul M. Schröder ❘ Bremer Institut <strong>für</strong> Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe<br />
6 Zahlen, Daten, Fakten<br />
65.000<br />
60.000<br />
55.000<br />
50.000<br />
45.000<br />
40.000<br />
35.000<br />
30.000<br />
25.000<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
0<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Abbildung 1.1:<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen Stadt Bremen revidierte Daten*<br />
55.651 55.406 55.015 55.142 55.594 55.701 55.400 55.086 54.921<br />
27.755<br />
27.896<br />
Oktober 2006<br />
27.654<br />
27.752<br />
November 2006<br />
27.481<br />
27.534<br />
Dezember 2006<br />
27.571<br />
27.571<br />
Januar 2007<br />
27.758<br />
27.836<br />
Februar 2007<br />
* nach einer Wartezeit von drei Monaten<br />
Quelle: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA).<br />
27.848<br />
27.853<br />
März 2007<br />
27.782<br />
27.618<br />
April 2007<br />
27.717<br />
27.369<br />
Mai 2007<br />
27.670<br />
27.251<br />
Juni 2007<br />
54.794 54.281 53.870 53.512 53.098 53.054 53.515 53.814 53.713<br />
Abbildung 1.2: Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen*<br />
Stadt Bremen März 2008 (revidierte Daten)<br />
pro tausend<br />
148 145 150<br />
15 bis unter<br />
65 Jahre<br />
154 145<br />
15 bis unter<br />
25 Jahre<br />
162<br />
*Einwohner/innen Ende 2007<br />
Quellen: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA);<br />
Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.<br />
206 206 208<br />
15 bis unter<br />
18 Jahre<br />
27.653<br />
27.141<br />
Juli 2007<br />
137 124<br />
18 bis unter<br />
25 Jahre<br />
148<br />
27.431<br />
26.850<br />
August 2007<br />
27.320<br />
26.550<br />
September 2007<br />
163 155<br />
27.192<br />
26.320<br />
Oktober 2007<br />
25 bis unter<br />
50 Jahre<br />
171<br />
26.931<br />
26.167<br />
November 2007<br />
129<br />
26.931<br />
26.123<br />
Dezember 2007<br />
139<br />
50 bis unter<br />
55 Jahre<br />
27.169<br />
26.346<br />
Januar 2008<br />
119<br />
27.292<br />
26.522<br />
Februar 2008<br />
106<br />
27.255<br />
26.458<br />
März 2008<br />
116<br />
55 bis unter<br />
65 Jahre<br />
Frauen<br />
Männer<br />
95<br />
Insgesamt<br />
Männer<br />
Frauen<br />
103
104<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Zu Abbildung 1.1:<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen (SGB II)<br />
Stadt Bremen<br />
Im März 2008, dem bisher letzten Berichtsmonat<br />
mit vorliegenden revidierten Daten,<br />
waren in der Stadt Bremen insgesamt 53.713<br />
Frauen und Männer im Alter von 15 bis unter<br />
65 Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen.<br />
<strong>Die</strong>s waren 3,6 Prozent (1.988) weniger<br />
als ein Jahr zuvor und 5,5 Prozent (3.110)<br />
weniger als im Mai 2006, als in der Stadt<br />
Bremen mit 56.823 die (bisher) größte Zahl<br />
erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne<br />
des SGB II (Hartz IV) 1 registriert wurde.<br />
<strong>Die</strong> Zahl der im Rechtskreis SGB II registrierten<br />
Arbeitslosen sank in der Stadt<br />
Bremen von März 2007 bis März 2008 um<br />
6,3 Prozent (1.580) auf 23.319 und damit<br />
deutlich stärker als die Zahl der Empfängerinnen<br />
und Empfänger von Arbeitslosengeld II. 2<br />
Von den insgesamt 53.713 Empfängerinnen<br />
und Empfängern von Arbeitslosengeld II im<br />
März 2008 waren 27.255 Frauen, lediglich<br />
2,1 Prozent (593) weniger als ein Jahr zuvor<br />
und lediglich 2,7 Prozent (754) weniger als im<br />
Mai 2006.<br />
Der Anteil der Frauen an den erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen ist dementsprechend<br />
auch im Untersuchungszeitraum weiter leicht<br />
gestiegen. Im März 2008 waren über die<br />
Hälfte (50,7 Prozent) der erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen Frauen. Ein Jahr zuvor, im<br />
März 2007, waren dies 50,0 Prozent und im<br />
Mai 2006 49,3 Prozent.<br />
.<br />
Nachrichtlich: 3 In der Stadt Bremen erhielten<br />
im März 2008 insgesamt 1.060 Menschen<br />
Hilfen zum Lebensunterhalt außerhalb von<br />
Einrichtungen gemäß Kapitel 3 SGB XII (Sozialhilfe).<br />
167 davon waren Kinder im Alter von<br />
unter 18 Jahren, 832 waren 18 bis unter<br />
65 Jahre alt und 61 waren 65 Jahre und älter.<br />
Von den 832 Menschen im Alter von 18 bis<br />
unter 65 Jahren waren 461 (55,4 Prozent)<br />
Frauen. Informationen über Bewegungen<br />
zwischen dem Rechtskreis SGB II einerseits<br />
und Kapitel 3 SGB XII andererseits liegen<br />
zurzeit noch keine vor.<br />
1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung <strong>für</strong><br />
Arbeitsuchende.<br />
2 Vgl. Tabelle 3.1.<br />
3 Quelle: Senator <strong>für</strong> Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und<br />
Soziales. Da die Auswertungsroutinen <strong>für</strong> Auswertungen aus<br />
dem neuen Verfahren OPEN PROSOZ noch nicht ganz sicher<br />
programmiert sind, kann es nachträglich noch zu Korrekturen<br />
kommen.
Zu Abbildung 1.2:<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro<br />
1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen<br />
Stadt Bremen<br />
In der Stadt Bremen 4 waren im März 2008 von<br />
1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter<br />
65 Jahren 148 auf Arbeitslosengeld II angewiesen<br />
(März 2007: 153). Von 1.000 Männern im<br />
entsprechenden Alter waren dies 145 (März<br />
2007: 152), von 1.000 Frauen 150 (März 2007:<br />
153).<br />
<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Dichte, die Zahl der<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen pro 1.000 Einwohner/innen,<br />
liegt in den Altersgruppen der 15bis<br />
unter 25-Jährigen und insbesondere der 25bis<br />
unter 50-Jährigen über diesem Durchschnitt,<br />
in den Altersgruppen der 50- bis unter 55-<br />
Jährigen und 55- bis unter 65-Jährigen darunter.<br />
Im März 2008 waren in der Altersgruppe<br />
der 15- bis unter 25-Jährigen 154 von 1.000<br />
Einwohner/innen auf Arbeitslosengeld II angewiesen<br />
(März 2007: 160). <strong>Die</strong> altersdifferenzierte<br />
Betrachtung dieser Altersgruppe zeigt: <strong>Die</strong><br />
Arbeitslosengeld-II-Dichte unter den 15- bis unter<br />
18-Jährigen ist mit 206 wesentlich höher als<br />
unter den 18- bis unter 25-Jährigen. Von 1.000<br />
Einwohner/innen im Alter von 18 bis unter 25<br />
Jahre waren 137 auf Arbeitslosengeld II angewiesen<br />
(Männer: 124; Frauen: 148). <strong>Die</strong> relativ<br />
geringe Arbeitslosengeld-II-Dichte in der Altersgruppe<br />
der 18- bis unter 25-Jährigen in der<br />
Stadt Bremen (vergleiche Bremerhaven) dürfte in<br />
erster Linie auf den hohen Teil von Studentinnen<br />
und Studenten in dieser Altersgruppe zurückzuführen<br />
sein.<br />
In der Altersgruppe der 25- bis unter 50-Jährigen<br />
waren im März 2008 163 von 1.000 Einwohner/innen<br />
Empfänger/innen von Arbeitslosengeld<br />
II (März 2007: 170). In der Altersgruppe der<br />
50- bis unter 55-Jährigen waren dies 129 (März<br />
2007: 134) und in der Altersgruppe der 55-<br />
bis unter 65-Jährigen – die Altersgruppe mit der<br />
trotz Anstieg immer noch niedrigsten Arbeitslosengeld-II-Dichte<br />
– 106 (März 2007: 102).<br />
In den Altersgruppen von 15 bis unter 25 und<br />
von 25 bis unter 50 Jahren ist die Arbeitslosengeld-II-Dichte<br />
bei den Frauen höher als bei den<br />
Männern: 162 von 1.000 bei den Frauen im<br />
Alter von unter 25 Jahren (Männer: 145 von<br />
1.000) und 171 von 1.000 bei den Frauen im<br />
Alter von 25 bis unter 50 Jahren (Männer: 155<br />
von 1.000). In den Altersgruppen von 50 bis<br />
unter 55 und 55 bis unter 65 Jahren liegt<br />
die Arbeitslosengeld-II-Dichte bei den Frauen<br />
dagegen deutlich unter der bei den Männern:<br />
119 von 1.000 bei den Frauen im Alter von 50<br />
bis unter 55 Jahren (Männer: 139 von 1.000),<br />
95 von 1.000 bei den Frauen im Alter von 55<br />
bis unter 65 Jahren (Männer: 116 von 1.000).<br />
4 <strong>Die</strong> Quoten im März 2008 beziehen sich auf die Zahl der Einwohner/innen<br />
Ende 2007. In der Stadt Bremen lebten Ende 2007<br />
insgesamt 364.132 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter<br />
65 Jahren, darunter 181.567 Frauen. Von den 364.132 Einwohner/innen<br />
im Alter von 15 bis unter 65 Jahren waren 62.921<br />
15 bis unter 25 Jahre (darunter 32.078 Frauen), 199.829<br />
25 bis unter 50 Jahre (darunter 97.722 Frauen), 36.093 50 bis<br />
unter 55 Jahre (darunter 18.415 Frauen) und 65.289 55 bis<br />
unter 65 Jahre alt (darunter 33.352 Frauen). Von den 62.921<br />
Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 25 Jahre waren<br />
15.492 unter 18 Jahre (darunter 7.454 Frauen) und 47.429<br />
18 Jahre und älter (darunter 24.624 Frauen).<br />
105
106<br />
20.000<br />
18.000<br />
16.000<br />
14.000<br />
12.000<br />
10.000<br />
8.000<br />
6.000<br />
4.000<br />
2.000<br />
0<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Abbildung 2.1:<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen Stadt Bremerhaven revidierte Daten*<br />
17.046 16.972 16.899 17.072 17.106 17.130 17.021 16.900 16.841<br />
8.400<br />
8.646<br />
Oktober 2006<br />
8.362<br />
8.610<br />
November 2006<br />
8.354<br />
8.545<br />
Dezember 2006<br />
8.449<br />
8.623<br />
Januar 2007<br />
8.461<br />
8.645<br />
Februar 2007<br />
* nach einer Wartezeit von drei Monaten<br />
Quelle: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA).<br />
8.465<br />
8.665<br />
März 2007<br />
8.430<br />
8.591<br />
April 2007<br />
8.386<br />
8.514<br />
Mai 2007<br />
8.370<br />
8.471<br />
Juni 2007<br />
16.870 16.759 16.552 16.547 16.442 16.379<br />
8.424<br />
8.446<br />
Juli 2007<br />
8.363<br />
8.396<br />
August 2007<br />
8.274<br />
8.278<br />
September 2007<br />
8.272<br />
8.275<br />
Oktober 2007<br />
8.223<br />
8.219<br />
November 2007<br />
8.180<br />
8.199<br />
Dezember 2007<br />
16.598 16.627 16.602<br />
Abbildung 2.2: Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen*<br />
Stadt Bremerhaven März 2008 (revidierte Daten)<br />
pro tausend<br />
222 215 229<br />
15 bis unter<br />
65 Jahre<br />
248<br />
228<br />
15 bis unter<br />
25 Jahre<br />
268<br />
*Einwohner/innen Ende 2007<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA);<br />
Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.<br />
277<br />
291<br />
15 bis unter<br />
18 Jahre<br />
263<br />
236<br />
204<br />
18 bis unter<br />
25 Jahre<br />
270<br />
252<br />
239<br />
25 bis unter<br />
50 Jahre<br />
266<br />
181<br />
193<br />
50 bis unter<br />
55 Jahre<br />
8.304<br />
8.294<br />
Januar 2008<br />
170<br />
8.314<br />
8.313<br />
Februar 2008<br />
138<br />
8.315<br />
8.287<br />
März 2008<br />
147<br />
55 bis unter<br />
65 Jahre<br />
Frauen<br />
Männer<br />
129<br />
Insgesamt<br />
Männer<br />
Frauen
Zu Abbildung 2.1:<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen (SGB II)<br />
Stadt Bremerhaven<br />
In der Stadt Bremerhaven waren im März 2008,<br />
dem bisher letzten Berichtsmonat mit vorliegenden<br />
revidierten Daten, insgesamt 16.602<br />
Frauen und Männer im Alter von 15 bis unter<br />
65 Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen.<br />
<strong>Die</strong>s waren 3,1 Prozent (528) weniger als<br />
ein Jahr zuvor und 4,6 Prozent (803) weniger<br />
als im März 2006, als in der Stadt Bremerhaven<br />
mit 17.405 die (bisher) größte Zahl<br />
erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne des<br />
SGB II (Hartz IV) 5 registriert wurde.<br />
<strong>Die</strong> Zahl der im Rechtskreis SGB II registrierten<br />
Arbeitslosen sank in der Stadt Bremerhaven<br />
von März 2007 bis März 2008 lediglich um<br />
0,4 Prozent (38) auf 8.717 und damit wesentlich<br />
schwächer als die Zahl der Empfängerinnen<br />
und Empfänger von Arbeitslosengeld II. 6<br />
<strong>Die</strong> Zahl der Frauen, die auf Arbeitslosengeld<br />
II angewiesen waren, erreichte in der<br />
Stadt Bremerhaven erst im März 2007 den bisher<br />
höchsten Stand (8.465) und sank bis März<br />
2008 lediglich um 1,8 Prozent (150) auf 8.315.<br />
Nachrichtlich: 7 In der Stadt Bremerhaven<br />
erhielten im März 2008 insgesamt 270 Menschen<br />
Hilfen zum Lebensunterhalt außerhalb<br />
von Einrichtungen gemäß Kapitel 3 SGB XII<br />
(Sozialhilfe). 32 davon waren Kinder im Alter<br />
von unter 18 Jahren, 238 waren 18 bis unter<br />
65 Jahre alt und keiner war 65 Jahre und<br />
älter. Von den 238 Menschen im Alter von 18<br />
bis unter 65 Jahren waren 104 (43,7 Prozent)<br />
Frauen. Informationen über Bewegungen<br />
zwischen dem Rechtskreis SGB II einerseits<br />
und Kapitel 3 SGB XII andererseits liegen<br />
zurzeit noch keine vor.<br />
Zu Abbildung 2.2:<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro<br />
1.000 Einwohner/innen nach Altersgruppen<br />
Stadt Bremerhaven<br />
In der Stadt Bremerhaven 8 waren im März<br />
2008 von 1.000 Einwohner/innen im Alter<br />
von 15 bis unter 65 Jahren 222 auf Arbeitslosengeld<br />
II angewiesen (März 2007: 227):<br />
Männer 215 (März 2007: 223), Frauen 229<br />
(März 2007: 231).<br />
<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Dichte, die Zahl der<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen pro 1.000<br />
Einwohner/innen, lag damit in der Stadt<br />
Bremerhaven um 50,2 Prozent über der in der<br />
Stadt Bremen. 9 Bei den Männern betrug<br />
die negative Abweichung 48,4 Prozent, bei<br />
den Frauen 52,2 Prozent.<br />
<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Dichte liegt in den<br />
Altersgruppen der 15- bis unter 25-Jährigen<br />
und der 25- bis unter 50-Jährigen deutlich<br />
über dem Durchschnitt, in den Altersgruppen<br />
der 50- bis unter 55-Jährigen und 55- bis<br />
unter 65-Jährigen deutlich darunter.<br />
In der Altersgruppe der 15- bis unter 25-<br />
Jährigen waren dies 248 (März 2007: 260).<br />
<strong>Die</strong> altersdifferenzierte Betrachtung dieser<br />
Altersgruppe zeigt: <strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-<br />
Dichte unter den 15- bis unter 18-Jährigen ist<br />
mit 277 höher als unter den 18- bis unter<br />
25-Jährigen (236). <strong>Die</strong> gilt nicht <strong>für</strong> die Frauen.<br />
Von 1.000 Frauen im Alter von 15 bis<br />
unter 18 Jahren waren 263 auf Arbeitslosengeld<br />
II angewiesen (Männer: 291), von 1.000<br />
Frauen im Alter von 18 bis unter 25 Jahren<br />
270 (Männer: 204).<br />
In der Altersgruppe der 25- bis unter 50-<br />
Jährigen waren dies 252 (März 2007: 260).<br />
In der Altersgruppe der 50- bis unter 55-Jährigen<br />
181 (März 2007: 185) und in der Altersgruppe<br />
der 55- bis unter 65-Jährigen –<br />
die Altersgruppe mit der trotz Anstieg immer<br />
noch niedrigsten Arbeitslosengeld-II-Dichte –<br />
138 (März 2007: 129).<br />
In den Altersgruppen von 15 bis unter 25<br />
und von 25 bis unter 50 Jahren ist die Arbeitslosengeld-II-Dichte<br />
bei den Frauen höher als<br />
bei den Männern: 268 (Männer: 228) bzw.<br />
266 (Männer: 239). In den Altersgruppen von<br />
50 bis unter 55 und 55 bis unter 65 Jahren<br />
liegt die Arbeitslosengeld-II-Dichte bei den<br />
Frauen dagegen deutlich darunter: 170 bzw.<br />
129 (Männer: 193 bzw. 147).<br />
5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung <strong>für</strong> Arbeitsuchende.<br />
6 Vgl. Tabelle 3.2.<br />
7 Quelle: Senator <strong>für</strong> Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales.<br />
Da die Auswertungsroutinen <strong>für</strong> Auswertungen aus dem<br />
neuen Verfahren OPEN PROSOZ noch nicht ganz sicher programmiert<br />
sind, kann es nachträglich noch zu Korrekturen kommen.<br />
8 <strong>Die</strong> Quoten im März 2008 beziehen sich auf die Zahl der Einwohner/innen<br />
Ende 2007. In der Stadt Bremer-haven lebten Ende<br />
2007 insgesamt 74.918 Einwohner/innen im Alter von 15 bis<br />
unter 65 Jahren, darunter 36.386 Frauen. Von den 74.918 Einwohner/innen<br />
im Alter von 15 bis unter 65 Jahren waren 14.242<br />
15 bis unter 25 Jahre (darunter 6.952 Frauen), 38.139 25 bis<br />
unter 50 Jahre (darunter 18.131 Frauen), 8.288 50 bis unter<br />
55 Jahre (darunter 4.218 Frauen) und 14.249 55 bis unter 65<br />
Jahre alt (darunter 7.085 Frauen). Von den 14.242 Einwohner/innen<br />
im Alter von 15 bis unter 25 Jahre waren 4.018 unter<br />
18 Jahre (darunter 1.997 Frauen) und 10.224 18 Jahre und älter<br />
(darunter 4.955 Frauen).<br />
9 Der relative Abstand der Arbeitslosengeld-II-Dichte zwischen den<br />
beiden bremischen Städten im März 2008 (50,2 Prozent) ist<br />
höher als im März 2007 (48,7 Prozent) und höher als der relative<br />
Abstand der Sozialhilfedichte in der Stadt Bremerhaven von der<br />
Sozialhilfedichte in der Stadt Bremen Ende 2004: 45,9 Prozent<br />
(vergleiche Armutsbericht 2005, Seite 118).<br />
107
108<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 1.1: Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II –<br />
Stadt Bremen<br />
revidierte Daten<br />
März in % von Juni in % von September in % von Dezember in % von März in % von<br />
2007 eHb 2007 eHb 2007 eHb 2007 eHb 2008 eHb<br />
Personen insgesamt (eHb und nEf) 1 77.545 76.529 75.393 74.359 75.167<br />
Personen pro Bedarfsgemeinschaft<br />
darunter (Personen insgesamt)<br />
1,91 1,91 1,91 1,91 1,91<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 2 55.701 54.921 53.870 53.054 53.713<br />
eHb pro Bedarfsgemeinschaft 1,37 1,37 1,37 1,37 1,37<br />
■ Männer 27.853 27.251 26.550 26.123 26.458<br />
■ Frauen<br />
Altersstruktur erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb)<br />
27.848 50,0% 27.670 50,4% 27.320 50,7% 26.931 50,8% 27.255 50,7%<br />
15 bis unter 25 Jahre 10.159 18,2% 10.090 18,4% 9.739 18,1% 9.475 17,9% 9.675 18,0%<br />
■ Männer (15 bis unter 25) 4.722 4.636 4.467 4.395 4.482<br />
■ Frauen (15 bis unter 25) 5.437 53,5% 5.454 54,1% 5.272 54,1% 5.080 53,6% 5.193 53,7%<br />
25 bis unter 50 Jahre 34.078 61,2% 33.460 60,9% 32.790 60,9% 32.195 60,7% 32.482 60,5%<br />
■ Männer (25 bis unter 50) 16.980 16.531 16.017 15.641 15.798<br />
■ Frauen (25 bis unter 50) 17.098 50,2% 16.929 50,6% 16.773 51,2% 16.554 51,4% 16.684 51,4%<br />
50 bis unter 55 Jahre 4.770 8,6% 4.643 8,5% 4.595 8,5% 4.587 8,6% 4.657 8,7%<br />
■ Männer (50 bis unter 55) 2.519 2.425 2.422 2.412 2.458<br />
■ Frauen (50 bis unter 55) 2.251 47,2% 2.218 47,8% 2.173 47,3% 2.175 47,4% 2.199 47,2%<br />
55 bis unter 65 Jahre 6.694 12,0% 6.728 12,3% 6.746 12,5% 6.797 12,8% 6.899 12,8%<br />
■ Männer (55 bis unter 65) 3.632 3.659 3.644 3.675 3.720<br />
■ Frauen (55 bis unter 65) 3.062 45,7% 3.069 45,6% 3.102 46,0% 3.122 45,9% 3.179 46,1%<br />
1 erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Arbeitslosengeld II) und<br />
nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Sozialgeld)<br />
2 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Arbeitslosengeld II<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 1.1:<br />
Empfängerinnen und Empfänger<br />
von Arbeitslosengeld II<br />
Stadt Bremen<br />
In der Stadt Bremen lebten im März 2008 insgesamt<br />
75.167 Menschen im Alter von unter<br />
65 Jahren in 39.314 sogenannten SGB-II-<br />
Bedarfsgemeinschaften 10 , darunter 53.713<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des<br />
SGB II 11 . <strong>Die</strong>s waren insgesamt 2.378 (3,1 Prozent)<br />
weniger als ein Jahr zuvor – 1.988 weniger<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige und 390<br />
weniger nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />
Im März 2008 lag die Zahl der erwerbsfähigen<br />
hilfebedürftigen Männer 1.395 (5,0 Prozent),<br />
die der erwerbsfähigen hilfebedürftigen<br />
Frauen lediglich 593 (2,1 Prozent) unter dem<br />
entsprechenden Bestand ein Jahr zuvor. Der<br />
Anteil der Frauen an den 53.713 erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen im März 2008 betrug<br />
50,7 Prozent (27.255), 0,7 Prozentpunkte<br />
mehr als ein Jahr zuvor.<br />
In den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in der<br />
Stadt Bremen lebten im März 2008, wie ein<br />
Jahr zuvor, durchschnittlich 1,91 Personen,<br />
davon 1,37 erwerbsfähige Hilfebedürftige und<br />
0,54 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />
18,0 Prozent der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
(Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />
im März 2008 waren 15 bis unter 25 Jahre<br />
(März 2007: 18,2 Prozent), 60,5 Prozent waren<br />
25 bis unter 50 Jahre (März 2007: 61,2 Prozent),<br />
8,7 Prozent waren 50 bis unter 55 Jahre<br />
(März 2007: 8,6 Prozent) und 12,8 Prozent<br />
waren 55 bis unter 65 Jahre alt (März 2007:<br />
12,0 Prozent). <strong>Die</strong> Zahl der 55- bis unter 65-<br />
Jährigen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und<br />
deren Anteil an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
insgesamt ist im Vergleich zum März<br />
2007 weiter gestiegen (März 2008: 6.899<br />
beziehungsweise 12,8 Prozent; März 2007:<br />
6.694 beziehungsweise 12,0 Prozent).<br />
Der Anteil der Frauen an den Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
ist in der Altersgruppe<br />
der 15- bis unter 25-Jährigen am höchsten. Im<br />
März 2008 waren in der Stadt Bremen 53,7<br />
Prozent der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
Frauen (März 2007: 53,5 Prozent). Anders<br />
betrachtet: Von den 27.255 Arbeitslosengeld-II-<br />
Empfängerinnen waren 19,1 Prozent unter 25<br />
Jahre alt, von den 26.458 Arbeitslosengeld-II-<br />
Empfängern (männlich) waren dies dagegen<br />
›nur‹ 16,9 Prozent.<br />
Auch in der Altersgruppe der 25- bis unter<br />
50-Jährigen lag der gegenüber dem Vorjahr<br />
(März 2007: 50,2 Prozent) deutlich gestiegene<br />
Anteil der Frauen an den Arbeitslosengeld-II-<br />
Empfänger/innen im März 2008 mit 51,4 Prozent<br />
über dem Durchschnitt von 50,7 Prozent. 12<br />
In den Altersgruppen der 50- bis unter 55und<br />
55- bis unter 65-Jährigen lag der Anteil der<br />
Frauen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
im März 2008 mit 47,2 beziehungsweise 46,1<br />
Prozent deutlich unter dem Anteil der Frauen an<br />
den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt.<br />
10 Zu den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in der Stadt Bremen<br />
vergleiche Tabelle 2.1.<br />
11 Neben den 53.713 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (= Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />
lebten in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />
21.454 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (Sozialgeld-<br />
Empfänger/innen), darunter 20.564 Kinder im Alter von unter<br />
15 Jahren. Vergleiche dazu Tabelle 6.<br />
12 Eine differenzierte Betrachtung der Altersstruktur der Altersgruppe<br />
der 25- bis unter 50-Jährigen (zum Beispiel in Fünf-Jahres-<br />
Altersgruppen) würde vermutlich zeigen, dass der Frauenanteil<br />
insbesondere in den Altersgruppen der 25- bis unter 30- und<br />
30- bis unter 35-Jährigen über diesen 51,4 Prozent liegt. <strong>Die</strong><br />
einseitige Verteilung der Betreuungspflichten <strong>für</strong> Kinder dürfte –<br />
in Verbindung mit fehlenden öffentlichen Betreuungsangeboten –<br />
der wesentliche Grund da<strong>für</strong> sein.<br />
109
110<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 1.2: Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II –<br />
Stadt Bremerhaven<br />
revidierte Daten<br />
März in % von Juni in % von September in % von Dezember in % von März in % von<br />
2007 eHb 2007 eHb 2007 eHb 2007 eHb 2008 eHb<br />
Personen insgesamt (eHb und nEf) 1 23.825 23.472 23.096 22.849 23.107<br />
Personen pro Bedarfsgemeinschaft<br />
darunter (Personen insgesamt)<br />
1,96 1,97 1,97 1,96 1,97<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 2 17.130 16.841 16.552 16.379 16.602<br />
eHb pro Bedarfsgemeinschaft 1,41 1,42 1,41 1,41 1,41<br />
■ Männer 8.665 8.471 8.278 8.199 8.287<br />
■ Frauen<br />
Altersstruktur erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb)<br />
8.465 49,4% 8.370 49,7% 8.274 50,0% 8.180 49,9% 8.315 50,1%<br />
15 bis unter 25 Jahre 3.722 21,7% 3.678 21,8% 3.548 21,4% 3.447 21,0% 3.528 21,3%<br />
■ Männer (15 bis unter 25) 1.766 1.745 1.666 1.630 1.663<br />
■ Frauen (15 bis unter 25) 1.956 52,6% 1.933 52,6% 1.882 53,0% 1.817 52,7% 1.865 52,9%<br />
25 bis unter 50 Jahre 10.058 58,7% 9.794 58,2% 9.626 58,2% 9.508 58,0% 9.604 57,8%<br />
■ Männer (25 bis unter 50) 5.111 4.922 4.809 4.740 4.786<br />
■ Frauen (25 bis unter 50) 4.947 49,2% 4.872 49,7% 4.817 50,0% 4.768 50,1% 4.818 50,2%<br />
50 bis unter 55 Jahre 1.506 8,8% 1.495 8,9% 1.475 8,9% 1.474 9,0% 1.502 9,0%<br />
■ Männer (50 bis unter 55) 805 801 787 783 786<br />
■ Frauen (50 bis unter 55) 701 46,5% 694 46,4% 688 46,6% 691 46,9% 716 47,7%<br />
55 bis unter 65 Jahre 1.844 10,8% 1.874 11,1% 1.903 11,5% 1.950 11,9% 1.968 11,9%<br />
■ Männer (55 bis unter 65) 983 1.003 1.016 1.046 1.052<br />
■ Frauen (55 bis unter 65) 861 46,7% 871 46,5% 887 46,6% 904 46,4% 916 46,5%<br />
1 erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Arbeitslosengeld II) und<br />
nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Sozialgeld)<br />
2 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Arbeitslosengeld II<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 1.2:<br />
Empfängerinnen und Empfänger<br />
von Arbeitslosengeld II<br />
Stadt Bremerhaven<br />
In der Stadt Bremerhaven lebten im März 2008<br />
insgesamt 23.107 Menschen im Alter von<br />
unter 65 Jahren in 11.751 sogenannten SGB-II-<br />
Bedarfsgemeinschaften 13 , darunter 16.602<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des<br />
SGB II. 14 <strong>Die</strong>s waren insgesamt 718 (3,0 Prozent)<br />
Hilfebedürftige weniger als ein Jahr zuvor<br />
– 528 weniger erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
und 190 weniger nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />
Im März 2008 lag die Zahl der erwerbsfähigen<br />
hilfebedürftigen Männer 378 (4,4 Prozent)<br />
und die der erwerbsfähigen hilfebedürftigen<br />
Frauen 150 (1,8 Prozent) unter dem entsprechenden<br />
Bestand ein Jahr zuvor. Der Anteil der<br />
Frauen an den 16.602 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
im März 2008 betrug 50,1 Prozent<br />
(8.315), 0,7 Prozentpunkte mehr als ein Jahr<br />
zuvor.<br />
In den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in der<br />
Stadt Bremerhaven lebten im März 2008, nahezu<br />
unverändert gegenüber dem entsprechenden<br />
Vorjahresmonat, durchschnittlich 1,97 Personen,<br />
davon 1,41 erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
und 0,56 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige.<br />
21,3 Prozent der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
(Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />
im März 2008 waren 15 bis unter 25 Jahre<br />
(März 2007: 21,7 Prozent), 57,8 Prozent waren<br />
25 bis unter 50 Jahre (März 2007: 58,7 Prozent),<br />
9,0 Prozent waren 50 bis unter 55 Jahre<br />
(März 2007: 8,8 Prozent) und 11,9 Prozent<br />
waren 55 bis unter 65 Jahre alt (März 2007:<br />
10,8 Prozent). <strong>Die</strong> Zahl der 55- bis unter 65-<br />
Jährigen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und<br />
deren Anteil an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
insgesamt ist im Vergleich zum März<br />
2007 weiter gestiegen (März 2008: 1.968<br />
beziehungsweise 11,9 Prozent; März 2007:<br />
1.844 beziehungsweise 10,8 Prozent).<br />
Beim Vergleich mit den entsprechenden<br />
Daten <strong>für</strong> die Stadt Bremen fällt auf: Der Anteil<br />
der 15- bis unter 25-Jährigen erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen ist auch im März 2008 in der<br />
Stadt Bremerhaven noch immer deutlich größer<br />
als in der Stadt Bremen. 15<br />
Der Anteil der Frauen an den Arbeitslosengeld-<br />
II-Empfänger/innen ist in der Altersgruppe<br />
der 15- bis unter 25-Jährigen am höchsten. Im<br />
März 2008 waren in der Stadt Bremerhaven<br />
52,9 Prozent der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
im Alter von 15 bis unter 25 Jahren Frauen<br />
(März 2007: 52,6 Prozent). Anders betrachtet:<br />
Von den 8.315 Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen<br />
waren 22,4 Prozent unter 25 Jahre<br />
alt, von den 8.287 Arbeitslosengeld-II-Empfängern<br />
(männlich) waren dies dagegen ›nur‹ 20,1<br />
Prozent.<br />
In der Altersgruppe der 25- bis unter 50-<br />
Jährigen entsprach der Anteil der Frauen an<br />
den Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen im<br />
März 2008 mit 50,2 Prozent in etwa dem Anteil<br />
der Frauen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
insgesamt. 16 Der Anteil der Frauen an den<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Alter von<br />
25 bis unter 50 Jahren lag damit im März 2008<br />
um einen Prozentpunkt über dem entsprechenden<br />
Anteil ein Jahr zuvor.<br />
In den Altersgruppen der 50- bis unter 55und<br />
55- bis unter 65-Jährigen lag der Anteil der<br />
Frauen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
im März 2008 mit 47,7 beziehungsweise 46,5<br />
Prozent deutlich unter dem Anteil der Frauen an<br />
den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt.<br />
Allerdings ist der Frauenanteil in der Altersgruppe<br />
der 50- bis unter 55-Jährigen im Vergleich<br />
zum März 2007 deutlich gestiegen: von 46,5<br />
auf 47,7 Prozent. In der Altersgruppe der 55bis<br />
unter 65-Jährigen sank der Frauenanteil<br />
geringfügig von 46,7 Prozent auf 46,5 Prozent.<br />
13 Zu den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in der Stadt Bremerhaven<br />
vergleiche Tabelle 2.2.<br />
14 Neben den 16.602 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (= Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />
lebten in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />
6.505 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (Sozialgeld-<br />
Empfänger/innen), darunter 6.329 Kinder im Alter von unter<br />
15 Jahren. Vergleiche dazu Tabelle 6.<br />
15 Vgl. Tabelle 1.1.<br />
16 Eine differenzierte Betrachtung der Altersstruktur der Altersgruppe<br />
der 25- bis unter 50-Jährigen (zum Beispiel in Fünf-<br />
Jahres-Altersgruppen) würde vermutlich zeigen, dass der Frauenanteil<br />
insbesondere in den Altersgruppen der 25- bis unter<br />
30- und 30- bis unter 35-Jährigen über diesen 50,2 Prozent liegt.<br />
<strong>Die</strong> einseitige Verteilung der Betreuungspflichten <strong>für</strong> Kinder<br />
dürfte – in Verbindung mit fehlenden öffentlichen Betreuungsangeboten<br />
– der wesentliche Grund da<strong>für</strong> sein.<br />
111
112<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 2.1:<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften – Stadt Bremen<br />
revidierte Daten<br />
März Juni Sept. Dez. März<br />
2007 2007 2007 2007 2008<br />
Bedarfsgemeinschaften (BG)<br />
davon (BG = 100%)<br />
40.685 40.067 39.390 38.840 39.314<br />
■ mit einer Person 1<br />
22.543 22.123 21.690 21.368 21.716<br />
mit einer Person 1 (in % von BG) 55,4% 55,2% 55,1% 55,0% 55,2%<br />
■ mit zwei Personen 2<br />
7.864 7.807 7.688 7.639 7.673<br />
mit zwei Personen 2 (in % von BG) 19,3% 19,5% 19,5% 19,7% 19,5%<br />
■ mit drei Personen 2<br />
5.137 5.060 5.006 4.908 4.963<br />
mit drei Personen 2 (in % von BG) 12,6% 12,6% 12,7% 12,6% 12,6%<br />
■ mit vier Personen 2<br />
3.146 3.071 2.991 2.915 2.905<br />
mit vier Personen 2 (in % von BG) 7,7% 7,7% 7,6% 7,5% 7,4%<br />
■ mit fünf und mehr Personen 2<br />
1.995 2.006 2.015 2.010 2.057<br />
mit fünf und mehr Personen 2 (in % von BG) 4,9% 5,0% 5,1% 5,2% 5,2%<br />
davon (BG = 100%)<br />
28.862 28.420 28.039 27.714 28.044<br />
mit einer/einem eHb 3 (in % von BG) 70,9% 70,9% 71,2% 71,4% 71,3%<br />
9.389 9.213 8.965 8.763 8.814<br />
mit zwei eHb 3 (in % von BG) 23,1% 23,0% 22,8% 22,6% 22,4%<br />
1.797 1.787 1.761 1.745 1.782<br />
mit drei eHb 3 (in % von BG) 4,4% 4,5% 4,5% 4,5% 4,5%<br />
637 647 625 618 674<br />
mit vier und mehr eHb 3 (in % von BG) 1,6% 1,6% 1,6% 1,6% 1,7%<br />
■ mit einer/einem eHb 3<br />
■ mit zwei eHb 3<br />
■ mit drei eHb 3<br />
■ mit vier und mehr eHb 3<br />
darunter (BG = 100%)<br />
■ mit Kindern (unter 15 Jahre) (BG mit Kindern) 12.567 12.395 12.336 12.202 12.300<br />
mit Kindern (unter 15 Jahre) (in % von BG)<br />
davon (BG mit Kindern = 100%)<br />
30,9% 30,9% 31,3% 31,4% 31,3%<br />
■ mit einem Kind 6.845 6.750 6.672 6.606 6.692<br />
mit einem Kind (in % von BG mit Kindern) 54,5% 54,5% 54,1% 54,1% 54,4%<br />
■ mit zwei Kindern 3.852 3.782 3.817 3.761 3.739<br />
mit zwei Kindern (in % von BG mit Kindern) 30,7% 30,5% 30,9% 30,8% 30,4%<br />
■ mit drei Kindern 1.301 1.296 1.288 1.280 1.308<br />
mit drei Kindern (in % von BG mit Kindern) 10,4% 10,5% 10,4% 10,5% 10,6%<br />
■ mit vier und mehr Kindern 569 567 559 555 561<br />
mit vier und mehr Kindern (in % von BG mit Kindern) 4,5% 4,6% 4,5% 4,5% 4,6%<br />
1 eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Arbeitslosengeld II<br />
2 darunter mindestens eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Arbeitslosengeld II<br />
3 erwerbsfähige Hilfebedürftige (15 bis unter 65 Jahre) (= Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II)<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 2.1:<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
Stadt Bremen<br />
In der Stadt Bremen gab es im März 2008<br />
insgesamt 39.314 sogenannte Bedarfsgemeinschaften<br />
im Sinne des SGB II 17 , 1.371 (3,4<br />
Prozent) weniger als im März 2007.<br />
In 55,2 Prozent (21.716) dieser Bedarfsgemeinschaften<br />
lebte jeweils lediglich eine Person<br />
– eine erwerbsfähige Hilfebedürftige oder ein<br />
erwerbsfähiger Hilfebedürftiger (März 2007:<br />
55,4 Prozent beziehungsweise 22.543).<br />
In 19,5 Prozent (7.673) der Bedarfsgemeinschaften<br />
lebten zwei, in 12,6 Prozent (4.963)<br />
drei, in 7,4 Prozent (2.905) vier und in 5,2 Prozent<br />
(2.057) fünf und mehr Personen – immer<br />
mindestens eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
oder ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger und<br />
weitere erwerbsfähige oder nicht erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige.<br />
71,3 Prozent (28.044) der insgesamt<br />
39.314 Bedarfsgemeinschaften in der Stadt<br />
Bremen waren Bedarfsgemeinschaften, in<br />
denen lediglich eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
oder ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger<br />
lebte (März 2007: 70,9 Prozent beziehungsweise<br />
28.862).<br />
Da in 21.716 Bedarfsgemeinschaften lediglich<br />
eine Person, eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
oder ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger<br />
lebte 18 , heißt dies auch: In 6.328 der<br />
Bedarfsgemeinschaften mit nur einer oder<br />
einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lebte<br />
diese oder dieser mit einer nicht erwerbsfähigen<br />
oder einem nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
zusammen (März 2007: 6.319). In der<br />
Regel handelt es sich bei diesen Bedarfsgemeinschaften<br />
um Alleinerziehende mit einem<br />
Kind im Alter von unter 15 Jahren. Der Vergleich<br />
mit dem März 2007 zeigt: <strong>Die</strong> Zahl der<br />
Bedarfsgemeinschaften mit nur einer oder<br />
einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und<br />
mindestens einer nicht erwerbsfähigen oder<br />
einem nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist<br />
im Vorjahresvergleich, anders als die Zahl<br />
der Bedarfsgemeinschaften insgesamt, nicht<br />
gesunken.<br />
In den Bedarfsgemeinschaften mit einem oder<br />
einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lebten<br />
52,2 Prozent der insgesamt 53.713 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
(März 2007: 51,8<br />
Prozent).<br />
Zwei erwerbsfähige Hilfebedürftige lebten in<br />
22,4 Prozent (8.814) der Bedarfsgemeinschaften.<br />
Das heißt, in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />
mit zwei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
lebten insgesamt 17.628 beziehungsweise<br />
32,8 Prozent der Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
in der Stadt Bremen (März 2007:<br />
23,1 Prozent der Bedarfsgemeinschaften beziehungsweise<br />
33,7 Prozent der erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen).<br />
8.041 (15,0 Prozent) der erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen lebten in 2.456 Bedarfsgemeinschaften<br />
mit drei und mehr erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen beziehungsweise in 6,2 Prozent<br />
der Bedarfsgemeinschaften insgesamt<br />
(März 2007: 14,5 Prozent der erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen beziehungsweise 6,0 Prozent<br />
der Bedarfsgemeinschaften).<br />
Im März 2008 lebten in 31,3 Prozent<br />
(12.300) der SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in<br />
der Stadt Bremen Kinder im Alter von unter<br />
15 Jahren (März 2007: 30,9 Prozent).<br />
In 54,4 Prozent (6.692) dieser 12.300<br />
Bedarfsgemeinschaften lebte ein Kind im Alter<br />
von unter 15 Jahren. In 30,4 Prozent (3.739)<br />
der Bedarfsgemeinschaften mit Kindern lebten<br />
zwei, in 10,6 Prozent (1.308) drei und in<br />
4,6 Prozent (561) vier und mehr Kinder im Alter<br />
von unter 15 Jahren.<br />
17 Vgl. § 7 Abs. 3 SGB II.<br />
18 Siehe oben.<br />
113
114<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 2.2:<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften – Stadt Bremerhaven<br />
revidierte Daten<br />
März Juni Sept. Dez. März<br />
2007 2007 2007 2007 2008<br />
Bedarfsgemeinschaften (BG)<br />
davon (BG = 100%)<br />
12.125 11.885 11.727 11.654 11.751<br />
■ mit einer Person 1<br />
6.457 6.306 6.219 6.247 6.288<br />
mit einer Person 1 (in % von BG) 53,3% 53,1% 53,0% 53,6% 53,5%<br />
■ mit zwei Personen 2<br />
2.451 2.385 2.398 2.361 2.340<br />
mit zwei Personen 2 (in % von BG) 20,2% 20,1% 20,4% 20,3% 19,9%<br />
■ mit drei Personen 2<br />
1.546 1.538 1.490 1.463 1.521<br />
mit drei Personen 2 (in % von BG) 12,8% 12,9% 12,7% 12,6% 12,9%<br />
■ mit vier Personen 2<br />
968 955 941 893 899<br />
mit vier Personen 2 (in % von BG) 8,0% 8,0% 8,0% 7,7% 7,7%<br />
■ mit fünf und mehr Personen 2<br />
703 701 679 690 703<br />
mit fünf und mehr Personen 2 (in % von BG) 5,8% 5,9% 5,8% 5,9% 6,0%<br />
davon (BG = 100%)<br />
8.291 8.113 8.012 8.047 8.039<br />
mit einer/einem eHb 3 (in % von BG) 68,4% 68,3% 68,3% 69,0% 68,4%<br />
2.935 2.866 2.854 2.752 2.841<br />
mit zwei eHb 3 (in % von BG) 24,2% 24,1% 24,3% 23,6% 24,2%<br />
675 677 653 636 652<br />
mit drei eHb 3 (in % von BG) 5,6% 5,7% 5,6% 5,5% 5,5%<br />
224 229 208 219 219<br />
mit vier und mehr eHb 3 (in % von BG) 1,8% 1,9% 1,8% 1,9% 1,9%<br />
■ mit einer/einem eHb 3<br />
■ mit zwei eHb 3<br />
■ mit drei eHb 3<br />
■ mit vier und mehr eHb 3<br />
darunter (BG = 100%)<br />
■ mit Kindern (unter 15 Jahre) (BG mit Kindern) 3.831 3.766 3.718 3.656 3.670<br />
mit Kindern (unter 15 Jahre) (in % von BG)<br />
davon (BG mit Kindern = 100%)<br />
31,6% 31,7% 31,7% 31,4% 31,2%<br />
■ mit einem Kind 2.088 2.034 2.010 1.965 1.948<br />
mit einem Kind (in % von BG mit Kindern) 54,5% 54,0% 54,1% 53,7% 53,1%<br />
■ mit zwei Kindern 1.141 1.123 1.108 1.090 1.120<br />
mit zwei Kindern (in % von BG mit Kindern) 29,8% 29,8% 29,8% 29,8% 30,5%<br />
■ mit drei Kindern 401 406 394 390 384<br />
mit drei Kindern (in % von BG mit Kindern) 10,5% 10,8% 10,6% 10,7% 10,5%<br />
■ mit vier und mehr Kindern 201 203 206 211 218<br />
mit vier und mehr Kindern (in % von BG mit Kindern) 5,2% 5,4% 5,5% 5,8% 5,9%<br />
1 eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Arbeitslosengeld II<br />
2 darunter mindestens eine Empfängerin bzw. ein Empfänger von Arbeitslosengeld II<br />
3 erwerbsfähige Hilfebedürftige (15 bis unter 65 Jahre) (= Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II)<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 2.2:<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
Stadt Bremerhaven<br />
In der Stadt Bremerhaven gab es im März<br />
2008 insgesamt 11.751 sogenannte Bedarfsgemeinschaften<br />
im Sinne des SGB II 19 , 374<br />
(3,1 Prozent) weniger als im März 2007.<br />
In 53,5 Prozent (6.288) dieser Bedarfsgemeinschaften<br />
lebte jeweils lediglich eine Person<br />
– eine erwerbsfähige Hilfebedürftige oder ein<br />
erwerbsfähiger Hilfebedürftiger (März 2007:<br />
53,3 Prozent beziehungsweise 6.457).<br />
In 19,9 Prozent (2.340) der Bedarfsgemeinschaften<br />
lebten zwei, in 12,9 Prozent (1.521)<br />
drei, in 7,7 Prozent (899) vier und in 6,0 Prozent<br />
(703) fünf und mehr Personen – immer<br />
mindestens eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
oder ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger und<br />
weitere erwerbsfähige oder nicht erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige.<br />
68,4 Prozent (8.039) der insgesamt 11.751<br />
Bedarfsgemeinschaften in der Stadt Bremerhaven<br />
waren Bedarfsgemeinschaften, in denen<br />
lediglich eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
oder ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger lebte<br />
(März 2007: ebenfalls 68,4 Prozent beziehungsweise<br />
8.291).<br />
Da in 6.288 Bedarfsgemeinschaften lediglich<br />
eine Person, also eine erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
oder ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger<br />
lebte 20 , heißt dies auch: in 1.751 der<br />
Bedarfsgemeinschaften mit nur einer oder<br />
einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lebte<br />
diese oder dieser mit einer nicht erwerbsfähigen<br />
oder einem nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
zusammen (März 2007: 1.834). In<br />
der Regel handelt es sich bei diesen 1.751<br />
Bedarfsgemeinschaften um Alleinerziehende<br />
mit einem Kind im Alter von unter 15 Jahren.<br />
In den Bedarfsgemeinschaften mit einem<br />
oder einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
lebten, wie im März 2007, 48,4 Prozent<br />
(8.039) der insgesamt 16.602 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen.<br />
Zwei erwerbsfähige Hilfebedürftige lebten in<br />
24,2 Prozent (2.841) der Bedarfsgemeinschaften.<br />
Das heißt, in diesen Bedarfsgemeinschaften<br />
mit zwei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
lebten insgesamt 5.682 beziehungsweise<br />
34,2 Prozent der Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
in der Stadt Bremerhaven (März<br />
2007: 24,2 Prozent der Bedarfsgemeinschaften<br />
beziehungsweise 34,3 Prozent der erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen).<br />
2.881 (17,4 Prozent) der erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen lebten in den 871 Bedarfsgemeinschaften<br />
mit drei und mehr erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen beziehungsweise in 7,4 Prozent<br />
der Bedarfsgemeinschaften insgesamt<br />
(März 2007: 17,3 Prozent der erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen beziehungsweise 7,4 Prozent<br />
der Bedarfsgemeinschaften).<br />
Im März 2008 lebten in 31,2 Prozent (3.670)<br />
der SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in der Stadt<br />
Bremerhaven Kinder im Alter von unter 15<br />
Jahren (März 2007: 31,6 Prozent beziehungsweise<br />
3.831).<br />
In 53,1 Prozent (1.948) dieser 3.670<br />
Bedarfsgemeinschaften lebte ein Kind im Alter<br />
von unter 15 Jahren. In 30,5 Prozent (1.120)<br />
der Bedarfsgemeinschaften mit Kindern lebten<br />
zwei, in 10,5 Prozent (384) drei und in 5,9<br />
Prozent (218) vier und mehr Kinder im Alter<br />
von unter 15 Jahren.<br />
19 Vgl. § 7 Abs. 3 SGB II.<br />
20 Siehe oben.<br />
115
116<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 3.1: Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
und registrierte Arbeitslose im Rechtskreis SGB II – Stadt Bremen<br />
Alg II: revidierte Daten<br />
März Juni Sept. Dez. März<br />
2007 2007 2007 2007 2008<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 1 55.701 54.921 53.870 53.054 53.713<br />
■ Männer 27.853 27.251 26.550 26.123 26.458<br />
■ Frauen 27.848 27.670 27.320 26.931 27.255<br />
Arbeitslose im Rechtskreis SGB II 24.899 24.525 23.914 23.110 23.319<br />
in % von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 44,7% 44,7% 44,4% 43,6% 43,4%<br />
■ Männer 14.085 13.654 13.157 12.763 12.920<br />
Männer (in % von eHb – Männer) 50,6% 50,1% 49,6% 48,9% 48,8%<br />
■ Frauen 10.814 10.871 10.757 10.347 10.399<br />
Frauen (in % von eHb – Frauen) 38,8% 39,3% 39,4% 38,4% 38,2%<br />
eHb – 15 bis unter 25 Jahre 10.159 10.090 9.739 9.475 9.675<br />
■ Männer (15 bis unter 25) 4.722 4.636 4.467 4.395 4.482<br />
■ Frauen (15 bis unter 25) 5.437 5.454 5.272 5.080 5.193<br />
Arbeitslose (SGB II) – unter 25 Jahre 1.929 1.829 1.820 1.706 1.748<br />
in % von eHb – 15 bis unter 25 Jahre 19,0% 18,1% 18,7% 18,0% 18,1%<br />
■ Männer (15 bis unter 25) 1.083 1.005 961 937 961<br />
Männer (in % von eHb – Männer – unter 25) 22,9% 21,7% 21,5% 21,3% 21,4%<br />
■ Frauen (15 bis unter 25) 846 824 859 769 787<br />
Frauen (in % von eHb – Frauen – unter 25) 15,6% 15,1% 16,3% 15,1% 15,2%<br />
eHb – 25 bis unter 55 Jahre 38.848 38.103 37.385 36.782 37.139<br />
■ Männer (25 bis unter 55) 19.499 18.956 18.439 18.053 18.256<br />
■ Frauen (25 bis unter 55) 19.349 19.147 18.946 18.729 18.883<br />
Arbeitslose (SGB II) – 25 bis unter 55 Jahre 20.800 20.505 20.001 19.404 19.487<br />
in % von eHb – 25 bis unter 55 Jahre 53,5% 53,8% 53,5% 52,8% 52,5%<br />
■ Männer (25 bis unter 55) 11.762 11.397 11.010 10.709 10.796<br />
Männer (in % von eHb – Männer – 25 bis unter 55) 60,3% 60,1% 59,7% 59,3% 59,1%<br />
■ Frauen (25 bis unter 25) 9.038 9.108 8.991 8.695 8.691<br />
Frauen (in % von eHb – Frauen – 25 bis unter 55) 46,7% 47,6% 47,5% 46,4% 46,0%<br />
eHb – 55 bis unter 65 Jahre 6.694 6.728 6.746 6.797 6.899<br />
■ Männer (55 bis unter 65) 3.632 3.659 3.644 3.675 3.720<br />
■ Frauen (55 bis unter 65) 3.062 3.069 3.102 3.122 3.179<br />
Arbeitslose (SGB II) – 55 bis unter 65 Jahre 2.170 2.191 2.093 2.000 2.084<br />
in % von eHb – 55 bis unter 65 Jahre 32,4% 32,6% 31,0% 29,4% 30,2%<br />
■ Männer (55 bis unter 65) 1.260 1.255 1.186 1.117 1.163<br />
Männer (in % von eHb – Männer – 55 bis unter 65) 34,7% 34,3% 32,5% 30,4% 31,3%<br />
■ Frauen (55 bis unter 65) 910 936 907 883 921<br />
Frauen (in % von eHb – Frauen – 55 bis unter 65) 29,7% 30,5% 29,2% 28,3% 29,0%<br />
1 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Arbeitslosengeld II.<br />
Zahl der registrierten Arbeitslosen im März 2007 gegenüber Armutsbericht 2007 von der BA teilweise korrigiert.<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); Senator <strong>für</strong> Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales; eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 3.1:<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen und<br />
registrierte Arbeitslose im Rechtskreis SGB II<br />
Stadt Bremen<br />
Von den 53.713 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
in der Stadt Bremen im März<br />
2008 waren 43,4 Prozent (23.319) als Arbeitslose<br />
im Rechtskreis SGB II registriert, 21 (März<br />
2006 51,3 Prozent /März 2007 44,7 Prozent).<br />
Demnach waren 30.394 (56,6 Prozent)<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen nicht<br />
arbeitslos beziehungsweise nicht als Arbeitslose<br />
registriert, 408 (1,3 Prozent) weniger als ein<br />
Jahr zuvor. <strong>Die</strong> Gründe sind im Wesentlichen:<br />
Schulbesuch, Erwerbstätigkeit von mindestens<br />
15 Wochenstunden, Teilnahme an einer Maßnahme<br />
zur ›Eingliederung in Arbeit‹ oder ›fehlende<br />
Verfügbarkeit‹ wegen der Betreuung von<br />
Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen.<br />
Eine (veröffentlichte) statistische Auswertung<br />
der Gründe <strong>für</strong> die (zunehmende) Nichterfassung<br />
von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen als<br />
Arbeitslose gibt es bisher – anders als beim<br />
beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld 22 – immer<br />
noch nicht.<br />
Der Anteil der arbeitslos registrierten<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen an den<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt,<br />
differiert regional, alters- und geschlechtsspezifisch<br />
erheblich.<br />
<strong>Die</strong>s gilt auch <strong>für</strong> die Ortsteile der Stadt Bremen.<br />
23 Bei einem Durchschnitt von 41,2 Prozent<br />
24 reicht der Anteil der arbeitslos registrierten<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen an den<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt von<br />
52,7 Prozent im Ortsteil Hohentor bis lediglich<br />
30,8 Prozent im Ortsteil Neue Vahr Südost.<br />
48,8 Prozent der Arbeitslosengeld-II-Empfänger<br />
(männlich), aber nur 38,2 Prozent der<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen waren als<br />
Arbeitslose registriert 25 (März 2007: 50,6 Prozent<br />
beziehungsweise 38,8 Prozent). <strong>Die</strong> erheblich<br />
niedrigere Quote bei den Arbeitslosengeld-<br />
II-Empfängerinnen dürfte im Wesentlichen auf<br />
die ›fehlende Verfügbarkeit‹ wegen der Betreuung<br />
von (kleinen) Kindern zurückzuführen sein. 26<br />
In der Altersgruppe der 15- bis unter 25-<br />
Jährigen waren lediglich 18,1 Prozent als<br />
Arbeitslose registriert (Männer: 21,4 Prozent;<br />
Frauen lediglich 15,2 Prozent). <strong>Die</strong>se Quoten<br />
sind im Vergleich zum März 2007 weiter gesunken.<br />
<strong>Die</strong> höchste Registrier-Quote wurde <strong>für</strong> die<br />
Altersgruppe der 25- bis unter 55-Jährigen<br />
errechnet: 52,5 Prozent (März 2007: 53,5<br />
Prozent). Männer: 59,1 Prozent (März 2007:<br />
60,3 Prozent); Frauen: lediglich 46,0 Prozent<br />
(März 2007: 46,7 Prozent).<br />
Eine sehr niedrige Quote wurde <strong>für</strong> die Altersgruppe<br />
der 55- bis unter 65-Jährigen ermittelt:<br />
30,2 Prozent (März 2007: 32,4 Prozent).<br />
Männer: 31,3 Prozent (März 2007: 34,7<br />
Prozent); Frauen lediglich 29,0 Prozent (März<br />
2007: 29,7 Prozent). 27<br />
21 Spätere integrierte Auswertungen zu Leistungsbezug und<br />
registrierter Arbeitslosigkeit im Rechtskreis SGB II zeigen, dass<br />
diese Quoten noch unter den auf Grundlage der Zahl der Arbeitslosen<br />
im Rechtskreis SGB II und der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
berechneten Quoten liegen; im April 2008 wurde <strong>für</strong> die<br />
Stadt Bremen eine Quote von 43,4 Prozent ermittelt (Arbeitslose<br />
im Rechtskreis SGB II im Verhältnis zu den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
insgesamt), die dann später auf eine Quote von 41,2<br />
Prozent (arbeitslose erwerbsfähige Hilfebedürftige im Verhältnis<br />
zu den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt) reduziert<br />
wurde. <strong>Die</strong> Gründe <strong>für</strong> diese Abweichungen: zeitverzögert erfasste<br />
Rechtskreiswechsel und kurzzeitige Leistungsunterbrechungen.<br />
(Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit.)<br />
22 <strong>Die</strong> Erfassung der Gründe stellt sich beim Arbeitslosengeld II<br />
allerdings schwieriger dar, da <strong>für</strong> den Bezug von Arbeitslosengeld<br />
II – anders als beim Arbeitslosengeld – Arbeitslosigkeit<br />
keine Voraussetzung <strong>für</strong> den Bezug dieser Leistung ist. Auch<br />
insofern ist der Begriff ›Arbeitslosengeld II‹ irreführend.<br />
23 Hier ohne die bevölkerungsarmen Ortsteile Blockland,<br />
Seehausen, Strom, Hohweg, In den Hufen, Werderland und den<br />
Stadtteil Häfen.<br />
24 Vgl. Fußnote 21.<br />
25 <strong>Die</strong>se geschlechtsspezifischen Quoten beziehen sich auf die<br />
registrierten Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II und die erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen, da <strong>für</strong> die aus arbeitslosen erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen und erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
insgesamt zu ermittelnde, in der Regel niedrigere Quote die<br />
entsprechenden geschlechtsspezifischen Daten nicht vorlagen.<br />
26 <strong>Die</strong> ›fehlende Verfügbarkeit‹ wegen der Betreuung von Kindern<br />
sollte jedoch in der Regel nur dann gegeben sein, wenn die<br />
Kinder noch nicht das dritte Lebensjahr vollendet haben. Gemäß<br />
§ 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II sollen die zuständigen kommunalen<br />
Träger darauf hinwirken, ›dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig<br />
ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird,<br />
...‹. <strong>Die</strong>s wird vermutlich oft so interpretiert, dass diese Plätze<br />
erst dann angeboten werden, wenn erwerbsfähige Erziehende<br />
einen Arbeitsplatz in Aussicht haben.<br />
27 In dieser Altersgruppe bot bis Ende 2007 der Verweis auf § 428<br />
SGB III in § 65 Abs. 4 SGB II die Möglichkeit, 58-jährige und<br />
ältere erwerbsfähige arbeitslose Hilfebedürftige wegen eingeschränkter<br />
Verfügbarkeit nicht als Arbeitslose zu registrieren. Für<br />
Neufälle im Rechtskreis SGB II gilt seit dem 1. Januar 2008 der<br />
Absatz 2 im neu eingefügten § 53a SGB II: ›Erwerbsfähige Hilfebedürftige,<br />
die nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens<br />
<strong>für</strong> die Dauer von zwölf Monaten Leistungen der Grundsicherung<br />
<strong>für</strong> Arbeitsuchende bezogen haben, ohne dass ihnen<br />
eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten<br />
worden ist, gelten nach Ablauf dieses Zeitraums <strong>für</strong> die Dauer<br />
des jeweiligen Leistungsbezugs nicht als arbeitslos.‹<br />
117
118<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 3.2: Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
und registrierte Arbeitslose im Rechtskreis SGB II – Stadt Bremerhaven<br />
Alg II: revidierte Daten<br />
März Juni Sept. Dez. März<br />
2007 2007 2007 2007 2008<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) 1 17.130 16.841 16.552 16.379 16.602<br />
■ Männer 8.665 8.471 8.278 8.199 8.287<br />
■ Frauen 8.465 8.370 8.274 8.180 8.315<br />
Arbeitslose im Rechtskreis SGB II 8.755 8.769 8.716 8.684 8.717<br />
in % von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen 51,1% 52,1% 52,7% 53,0% 52,5%<br />
■ Männer 4.914 4.866 4.798 4.805 4.784<br />
Männer (in % von eHb – Männer) 56,7% 57,4% 58,0% 58,6% 57,7%<br />
■ Frauen 3.841 3.903 3.918 3.879 3.933<br />
Frauen (in % von eHb – Frauen) 45,4% 46,6% 47,4% 47,4% 47,3%<br />
eHb – 15 bis unter 25 Jahre 3.722 3.678 3.548 3.447 3.528<br />
■ Männer (15 bis unter 25) 1.766 1.745 1.666 1.630 1.663<br />
■ Frauen (15 bis unter 25) 1.956 1.933 1.882 1.817 1.865<br />
Arbeitslose (SGB II) – unter 25 Jahre 875 903 880 820 800<br />
in % von eHb – 15 bis unter 25 Jahre 23,5% 24,6% 24,8% 23,8% 22,7%<br />
■ Männer (15 bis unter 25) 523 507 504 482 451<br />
Männer (in % von eHb – Männer – unter 25) 29,6% 29,1% 30,3% 29,6% 27,1%<br />
■ Frauen (15 bis unter 25) 352 396 376 338 349<br />
Frauen (in % von eHb – Frauen – unter 25) 18,0% 20,5% 20,0% 18,6% 18,7%<br />
eHb – 25 bis unter 55 Jahre 11.564 11.289 11.101 10.982 11.106<br />
■ Männer (25 bis unter 55) 5.916 5.723 5.596 5.523 5.572<br />
■ Frauen (25 bis unter 55) 5.648 5.566 5.505 5.459 5.534<br />
Arbeitslose (SGB II) – 25 bis unter 55 Jahre 7.161 7.116 7.096 7.143 7.172<br />
in % von eHb – 25 bis unter 55 Jahre 61,9% 63,0% 63,9% 65,0% 64,6%<br />
■ Männer (25 bis unter 55) 4.026 3.958 3.891 3.931 3.915<br />
Männer (in % von eHb – Männer – 25 bis unter 55) 68,1% 69,2% 69,5% 71,2% 70,3%<br />
■ Frauen (25 bis unter 25) 3.135 3.158 3.205 3.212 3.257<br />
Frauen (in % von eHb – Frauen – 25 bis unter 55) 55,5% 56,7% 58,2% 58,8% 58,9%<br />
eHb – 55 bis unter 65 Jahre 1.844 1.874 1.903 1.950 1.968<br />
■ Männer (55 bis unter 65) 983 1.003 1.016 1.046 1.052<br />
■ Frauen (55 bis unter 65) 861 871 887 904 916<br />
Arbeitslose (SGB II) – 55 bis unter 65 Jahre 719 750 740 721 745<br />
in % von eHb – 55 bis unter 65 Jahre 39,0% 40,0% 38,9% 37,0% 37,9%<br />
■ Männer (55 bis unter 65) 382 401 403 392 418<br />
Männer (in % von eHb – Männer – 55 bis unter 65) 38,9% 40,0% 39,7% 37,5% 39,7%<br />
■ Frauen (55 bis unter 65) 337 349 337 329 327<br />
Frauen (in % von eHb – Frauen – 55 bis unter 65) 39,1% 40,1% 38,0% 36,4% 35,7%<br />
1 Empfängerinnen bzw. Empfänger von Arbeitslosengeld II,<br />
Zahl der registrierten Arbeitslosen im März 2007 gegenüber Armutsbericht 2007 von der BA teilweise korrigiert.<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); Senator <strong>für</strong> Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales; eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 3.2:<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen und<br />
registrierte Arbeitslose im Rechtskreis SGB II<br />
Stadt Bremerhaven<br />
Von den 16.602 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
in der Stadt Bremerhaven im März<br />
2008 waren 52,5 Prozent (8.717) als Arbeitslose<br />
im Rechtskreis SGB II registriert, 1,4<br />
Prozentpunkte mehr als ein Jahr zuvor. 28 <strong>Die</strong>se<br />
Quote lag in der Stadt Bremerhaven sehr<br />
deutlich – 9,1 Prozentpunkte – über der<br />
entsprechenden Quote in der Stadt Bremen.<br />
Im März 2008 waren demnach 47,5 Prozent<br />
(7.885) der Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
nicht arbeitslos beziehungsweise<br />
nicht als Arbeitslose registriert. 29<br />
Der Anteil der arbeitslos registrierten<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen an den<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt,<br />
differiert auch in der Stadt Bremerhaven<br />
alters- und geschlechtsspezifisch erheblich.<br />
In der Stadt Bremerhaven waren im März<br />
2008 57,7 Prozent der Arbeitslosengeld-II-<br />
Empfänger (männlich), aber nur 47,3 Prozent<br />
der Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen als<br />
Arbeitslose registriert 30 (März 2007: 56,7<br />
Prozent beziehungsweise 45,4 Prozent).<br />
In der Altersgruppe der 15- bis unter 25-<br />
Jährigen waren im März 2008 in der Stadt<br />
Bremerhaven lediglich 22,7 Prozent der<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen als Arbeitslose<br />
registriert – 27,1 Prozent der männlichen<br />
und lediglich 18,7 Prozent der weiblichen<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (März 2007:<br />
Altersgruppe insgesamt 23,5 Prozent; Männer<br />
29,6 Prozent; Frauen 18,0 Prozent).<br />
<strong>Die</strong> höchste Quote wurde <strong>für</strong> die Altersgruppe<br />
der 25- bis unter 55-jährigen errechnet.<br />
Sie betrug im März 2008 64,6 Prozent bei<br />
den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dieser<br />
Altersgruppe insgesamt (März 2007: 61,9<br />
Prozent). Von den Arbeitslosengeld-II-Empfängern<br />
(männlich) dieser Altersgruppe waren im<br />
März 2008 70,3 Prozent als Arbeitslose<br />
registriert (März 2007: 68,1 Prozent), von den<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen lediglich<br />
58,9 Prozent (März 2007: 55,5 Prozent).<br />
In der Altersgruppe der 55- bis unter 65-Jährigen<br />
waren in der Stadt Bremerhaven im<br />
März 2008 nur 37,9 Prozent der erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen dieser Altersgruppe als<br />
Arbeitslose registriert 31 (März 2007: 39,0<br />
Prozent). Von den Arbeitslosengeld-II-Empfängern<br />
(männlich) dieser Altersgruppe waren<br />
im März 2008 39,7 Prozent als Arbeitslose<br />
registriert (März 2007: 38,9 Prozent), von<br />
den Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen 35,7<br />
Prozent 32 (März 2007: 39,1 Prozent).<br />
28 Spätere integrierte Auswertungen zu Leistungsbezug und<br />
registrierter Arbeitslosigkeit im Rechtskreis SGB II zeigen, dass<br />
diese Quoten noch unter den auf Grundlage der Zahl der Arbeitslosen<br />
im Rechtskreis SGB II und der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
berechneten Quoten liegen; im April 2008 wurde <strong>für</strong> die<br />
Stadt Bremerhaven eine Quote von 52,5 Prozent ermittelt<br />
(Arbeitslose im Rechtskreis SGB II im Verhältnis zu den erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen insgesamt), die dann später auf eine<br />
Quote von 50,7 Prozent (arbeitslose erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
im Verhältnis zu den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt)<br />
reduziert wurde. <strong>Die</strong> Gründe <strong>für</strong> diese Abweichungen:<br />
zeitverzögert erfasste Rechtskreiswechsel und kurzzeitige<br />
Leistungsunterbrechungen. (Quelle: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit.)<br />
29 Zu den Gründen siehe die Anmerkungen zu Tabelle 3.1.<br />
30 Zu den Gründen <strong>für</strong> die erheblich niedrigere Registrier-Quote bei<br />
den Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen siehe die Anmerkungen<br />
zu Tabelle 3.1.<br />
31 <strong>Die</strong>se Quote liegt allerdings deutlich (7,6 Prozentpunkte) über<br />
der entsprechenden Quote in der Stadt Bremen.<br />
32 In dieser Altersgruppe bot bis Ende 2007 der Verweis auf § 428<br />
SGB III in § 65 Abs. 4 SGB II die Möglichkeit, 58-jährige und<br />
ältere erwerbsfähige arbeitslose Hilfebedürftige wegen eingeschränkter<br />
Verfügbarkeit nicht als Arbeitslose zu registrieren. Für<br />
Neufälle im Rechtskreis SGB II gilt seit dem 1. Januar 2008 der<br />
Absatz 2 im neu eingefügten § 53a SGB II: ›Erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige, die nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens<br />
<strong>für</strong> die Dauer von zwölf Monaten Leistungen der Grundsicherung<br />
<strong>für</strong> Arbeitsuchende bezogen haben, ohne dass ihnen<br />
eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten<br />
worden ist, gelten nach Ablauf dieses Zeitraums <strong>für</strong> die Dauer<br />
des jeweiligen Leistungsbezugs nicht als arbeitslos.‹<br />
119
120<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 4: Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen in den 15 Großstädten<br />
mit mehr als 400.000 Einwohnerinnen und Einwohnern<br />
revidierte Daten<br />
EW 15-64 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
20071 03/2007 06/2007 09/2007 12/2007 03/2008<br />
Großstädte (> 400.000 EW) in 1.000 insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt<br />
Berlin 2.382,9 460.694 459.437 455.828 449.188 453.641<br />
Bremen 364,1 55.701 54.921 53.870 53.054 53.713<br />
Dortmund 386,4 62.479 61.969 60.862 60.204 60.587<br />
Dresden 342,4 47.324 46.936 46.413 45.672 46.552<br />
Duisburg 321,5 53.437 52.929 52.426 51.865 52.094<br />
Düsseldorf 393,6 47.529 47.578 47.077 46.565 46.760<br />
Essen 378,4 57.377 57.221 56.950 56.983 57.975<br />
Frankfurt am Main 459,9 52.304 51.948 51.443 50.385 51.200<br />
Hamburg 1.215,2 151.044 149.561 147.748 145.939 147.591<br />
Hannover (Region) 743,9 87.098 86.401 85.554 85.014 86.453<br />
Köln 684,9 88.843 88.531 88.061 86.921 87.354<br />
Leipzig 345,7 66.438 66.881 66.326 64.440 65.581<br />
München 918,7 54.092 53.419 52.436 51.593 52.503<br />
Nürnberg 338,0 39.943 38.911 37.569 36.645 36.915<br />
Stuttgart 411,0 30.555 30.210 29.729 29.348 29.534<br />
EW 15-64 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />
20071 03/2007 06/2007 09/2007 12/2007 03/2008<br />
Großstädte (> 400.000 EW) in 1.000 pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang<br />
Berlin 2.382,9 193 1 193 2 191 2 189 1 190 1<br />
Leipzig 345,7 192 2 193 1 192 1 186 2 190 2<br />
Duisburg 321,5 166 3 165 3 163 3 161 3 162 3<br />
Dortmund 386,4 162 4 160 4 158 4 156 4 157 4<br />
Essen 378,4 152 6 151 5 150 5 151 5 153 5<br />
Bremen 364,1 153 5 151 6 148 6 146 6 148 6<br />
Dresden 342,4 138 7 137 7 136 7 133 7 136 7<br />
Köln 684,9 130 8 129 8 129 8 127 8 128 8<br />
Hamburg 1.215,2 124 9 123 9 122 9 120 9 121 9<br />
Düsseldorf 393,6 121 10 121 10 120 10 118 10 119 10<br />
Hannover (Region) 743,9 117 12 116 11 115 11 114 11 116 11<br />
Frankfurt am Main 459,9 114 13 113 13 112 12 110 12 111 12<br />
Nürnberg 338,0 118 11 115 12 111 13 108 13 109 13<br />
Stuttgart 411,0 74 14 74 14 72 14 71 14 72 14<br />
München 918,7 59 15 58 15 57 15 56 15 57 15<br />
Deutschland 54.417,4 100 98 95 94 95<br />
Westdeutschland 43.232,2 81 79 77 76 77<br />
1 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren (Ende 2006)<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 4:<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen in<br />
den 15 Großstädten mit mehr als 400.000<br />
Einwohnern und Einwohnerinnen<br />
Im März 2008 waren in der Stadt Berlin und in<br />
der Stadt Leipzig 190 von 1.000 Einwohnern<br />
und Einwohnerinnen 33 im Alter von 15 bis unter<br />
65 Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen –<br />
die höchste Zahl im Großstadtvergleich. <strong>Die</strong><br />
Quote der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
(pro 1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis<br />
unter 65 Jahren) nahm in der Stadt Berlin im<br />
Vergleich zum März 2007 um 3 Punkte und in<br />
der Stadt Leipzig um 2 Punkte ab.<br />
Hinter den Städten Berlin, Leipzig, Duisburg,<br />
Dortmund und Essen belegte die Stadt Bremen<br />
im März 2008 mit 148 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
pro 1.000 Einwohner/innen im Alter<br />
von 15 bis unter 65 Jahren Rang 6. Ein Jahr<br />
zuvor belegte die Stadt Bremen (den schlechteren)<br />
Rang 5. <strong>Die</strong> Stadt Essen hat die Stadt<br />
Bremen auf Rang 5 abgelöst. <strong>Die</strong> Quote der<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (pro 1.000<br />
Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65<br />
Jahren) nahm in der Stadt Essen im Vergleich<br />
zum März 2007 um einen Punkt zu. 34 In der<br />
Stadt Bremen nahm sie dagegen um 5 Punkte<br />
ab.<br />
Hinter der Stadt Bremen folgten im März<br />
2008 auf Rang 7 bis 13 die Städte Dresden<br />
(136), Köln (128), Hamburg (121), Düsseldorf<br />
(119), die Region Hannover (116) und die<br />
Städte Frankfurt am Main (111) und Nürnberg<br />
(109).<br />
In diesen 13 Städten lag die Quote der<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (pro 1.000<br />
Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65<br />
Jahren) nicht nur über dem Durchschnitt von 77<br />
pro 1.000 in Westdeutschland, sondern auch<br />
über dem deutlich höheren Durchschnitt von<br />
95 pro 1.000 in der Bundesrepublik Deutschland<br />
insgesamt.<br />
Auch im März 2008 waren in nur zwei der<br />
15 Großstädte weniger als 100 von 1.000<br />
Ein-wohner/innen im Alter von 15 bis unter 65<br />
Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen.<br />
In den Städten Stuttgart und München lag die<br />
Quote der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
(pro 1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis<br />
unter 65 Jahren) mit 72 beziehungsweise 57<br />
unter dem westdeutschen Durchschnitt von<br />
77 pro 1.000.<br />
In der Rangfolge der 15 Großstädte hat sich<br />
von März 2007 bis März 2008 insgesamt nur<br />
wenig verändert: Bremen verbesserte sich um<br />
einen, Nürnberg um zwei Ränge – von 5 auf<br />
6 beziehungsweise von 11 auf 13 – Essen,<br />
Hannover (Region) und Frankfurt am Main<br />
verschlechterten sich um einen Rang – von 6<br />
auf 5, von 12 auf 11 beziehungsweise von 13<br />
auf 12.<br />
33 Anders ausgedrückt: 19,0 Prozent. <strong>Die</strong> Quoten in diesem Abschnitt<br />
beziehen sich auf die Zahl der Einwohner/innen im Alter von 15<br />
bis unter 65 Jahren am Ende des Jahres 2007.<br />
34 <strong>Die</strong> Stadt Essen ist die einzige Großstadt, in der im März 2008<br />
der Anteil der Menschen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren,<br />
die auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren, höher war als ein<br />
Jahr zuvor.<br />
121
122<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Abbildung 3: Arbeitslosengeld- und Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro 100<br />
Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren 1 im Vergleich zur Arbeitslosenquote 2<br />
alle 15 Großstädte (>400.000 EW), März 2008 (revidierte Daten)<br />
Arbeitslosenquote bezogen auf abhängige Erwerbspersonen<br />
22 % 22<br />
21 % 21<br />
20 % 20<br />
19 % 19<br />
18 % 18<br />
17 % 17<br />
16 % 16<br />
15 % 15<br />
14 % 14<br />
13 % 13<br />
12 % 12<br />
11 % 11<br />
10 % 10<br />
9 % 9<br />
8 % 8<br />
7 % 7<br />
6 % 6<br />
5 % 5<br />
4 % 4<br />
3 % 3<br />
2 % 2<br />
1 % 1<br />
0 % 0<br />
S M HH N F H* D HB K DD E DU DO B L<br />
Arbeitslosenquote (bezogen auf abhängige Erwerbspersonen) (linke Skala)<br />
Arbeitslosengeld-Empfänger/innen (SGB III) pro 100 EW (15-64) (rechte Skala)<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen (SGB II/›Hartz IV‹) pro 100 EW (15-64) (rechte Skala)<br />
* Region Hannover<br />
1 Ende 2007<br />
2 bezogen auf die abhängigen Erwerbspersonen<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; Statistische Landesämter (Bevölkerung); eigene Berechnungen.<br />
Alg- und Alg-II-Empfänger/innen pro 100 EW
Zu Abbildung 3:<br />
Arbeitslosengeld- und Arbeitslosengeld-II-<br />
Empfänger/innen pro 100 Einwohner/innen<br />
im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />
im Vergleich zur Arbeitslosenquote<br />
alle 15 Großstädte<br />
Der Vergleich der Zahl der Arbeitslosengeldund<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro<br />
100 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter<br />
65 Jahren mit der Arbeitslosenquote in den 15<br />
Großstädten mit mehr als 400.000 Einwohner/<br />
-innen (März 2008) zeigt:<br />
<strong>Die</strong> Arbeitslosenquote, bezogen auf die<br />
abhängigen Erwerbspersonen, reichte in den<br />
15 Großstädten von 6,0 Prozent in Stuttgart<br />
bis 18,0 Prozent in Leipzig (März 2007:<br />
von 7,7 Prozent in München bis 19,8 Prozent<br />
in Leipzig).<br />
<strong>Die</strong> großen Unterschiede in der Höhe der<br />
Arbeitslosenquote haben (in diesem Querschnittsvergleich)<br />
offensichtlich kaum einen Einfluss<br />
auf die Höhe der Zahl der Personen mit<br />
einem Anspruch auf das beitragsfinanzierte<br />
Arbeitslosengeld (SGB III). Lediglich die Höhe<br />
der Zahl der Personen, die auf das steuerfinanzierte<br />
Arbeitslosengeld II (erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige) angewiesen sind, ist in Städten<br />
mit einer höheren Arbeitslosenquote wesentlich<br />
höher als in Städten mit einer niedrigeren<br />
Arbeitslosenquote.<br />
Der Anteil der arbeitslosen 35 Frauen und<br />
Männer mit einem Anspruch auf das beitragsfinanzierte<br />
Arbeitslosengeld reicht in den<br />
15 Großstädten von 1,2 Prozent der Einwohner/innen<br />
im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />
in Stuttgart (Minimum) bis 1,9 Prozent in<br />
Nürnberg (Maximum in den 12 westdeutschen<br />
Großstädten) und 2,3 beziehungsweise 2,4<br />
Prozent in Leipzig und Dresden (Maximum aller<br />
15 Großstädte). (März 2007: von 1,7 Prozent<br />
in Stuttgart bis 2,7 Prozent in Dresden und<br />
Leipzig.)<br />
In der Stadt Bremen hatten bei einer Arbeitslosenquote<br />
36 von 11,8 Prozent (März 2007:<br />
13,2 Prozent) lediglich 1,6 Prozent (März 2007:<br />
2,0 Prozent) der Einwohner/innen im Alter von<br />
15 bis unter 65 Jahren einen Anspruch auf<br />
Arbeitslosengeld (SGB III).<br />
Der Anteil der Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
an den Einwohnern und Einwohnerin-<br />
nen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren reicht<br />
dagegen von 5,7 Prozent in München bis 19,0<br />
Prozent in Berlin und Leipzig (März 2007:<br />
von 6,0 Prozent in München bis 19,3 Prozent in<br />
Berlin). In der Stadt Bremen waren 14,8 Prozent<br />
der Einwohner/innen im Alter von 15<br />
bis unter 65 Jahren auf Arbeitslosengeld II<br />
angewiesen (März 2007: 15,3 Prozent).<br />
In den Städten Berlin, Hamburg und insbesondere<br />
Bremen ist diese ›Arbeitslosengeld-II-<br />
Quote‹ im Vergleich zur registrierten Arbeitslosenquote<br />
besonders hoch. Und anders noch<br />
als ein Jahr zuvor: In nahezu allen Städten liegt<br />
diese ›Arbeitslosengeld-II-Quote‹ inzwischen<br />
über der registrierten Arbeitslosenquote.<br />
Ausnahme: München.<br />
Das Verhältnis der Zahl der Arbeitslosengeld-<br />
II-Empfänger/innen zur Zahl der Arbeitslosengeld-Empfänger/innen<br />
reichte von 3,7 in München<br />
bis 9,0 in der Stadt Bremen, 9,7 in der<br />
Stadt Duisburg und 10,0 in Berlin (März 2007:<br />
von 3,0 in München bis 8,5 in Berlin; Bremen:<br />
7,8). Das heißt, während in München 3,7-mal so<br />
viele Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
gezählt wurden wie Arbeitslosengeld-Empfänger/innen,<br />
waren dies in der Stadt Bremen<br />
9,0-, in Duisburg 9,7- und in Berlin 10,0-mal so<br />
viele. 37<br />
35 Registrierte und nicht registrierte Arbeitslose.<br />
36 Hier immer die Arbeitslosenquote bezogen auf die abhängigen<br />
zivilen Erwerbspersonen.<br />
37 Hierbei ist zu beachten, dass beim beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld<br />
nur jene Personen erfasst werden, die einen individuellen<br />
Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Erwerbsfähige Angehörige<br />
werden nur dann als Arbeitslosengeld-Empfänger/innen gezählt,<br />
wenn sie ebenfalls einen individuellen Anspruch auf diese Leistung<br />
haben. Beim Arbeitslosengeld II werden alle erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen in der entsprechenden Bedarfsgemeinschaft als<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen gezählt. Zudem ist darauf<br />
hinzuweisen, dass ein (kleiner) Teil der Arbeitslosengeld-<br />
Empfänger/innen zugleich Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat<br />
und dementsprechend sowohl als Arbeitslosengeld- als auch als<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen gezählt wird.<br />
123
124<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Das Arbeitslosengeld nach dem SGB III (Sozialgesetzbuch<br />
Drittes Buch – Arbeitsförderung)<br />
hat offensichtlich keine oder kaum eine (finanziell)<br />
ausgleichende Wirkung zwischen den Städten<br />
mit einer hohen und denen mit einer niedrigen<br />
Arbeitslosenquote. Der Ausgleich zwischen<br />
den Städten mit hoher und niedriger Arbeitslosigkeit<br />
erfolgt nahezu ausschließlich durch<br />
das in der Regel wesentlich geringere Arbeitslosengeld<br />
II, das zudem zu einem erheblichen<br />
Teil 38 von den Kommunen zu finanzieren ist.<br />
Mit der ›Hartz-Gesetzgebung‹ 39 wurde nicht<br />
nur die Arbeitslosenhilfe abgeschafft, sondern<br />
es wurde auch die Versicherungsleistung<br />
›Arbeitslosengeld während Arbeitslosigkeit‹<br />
weiter ausgehöhlt. Im Rahmen der ›Hartz-<br />
Gesetzgebung‹ wurde unter anderem<br />
der Zugang zum beitragsfinanzierten<br />
Arbeitslosengeld bei Eintritt von Arbeitslosigkeit<br />
erschwert durch die Verkürzung der<br />
Rahmenfrist, in der die Anwartschaftszeit<br />
erfüllt werden kann (§ 124 SGB III);<br />
die Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld<br />
verkürzt (§ 127 SGB III);<br />
die Tatbestände erweitert, die die<br />
Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld<br />
mindern (§ 128 SGB III);<br />
die Versicherungspflicht (SGB III) bei<br />
geförderter Beschäftigung in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />
abgeschafft;<br />
eine besondere ›Zumutbarkeit‹ <strong>für</strong> erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige im Sinne des SGB II<br />
geschaffen (§ 10 SGB II), die die Lohnentwicklung<br />
nach unten und die Ausweitung<br />
versicherungsfreier Beschäftigung (SGB III)<br />
beschleunigt;<br />
Strukturen in der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit<br />
(BA) geschaffen, die die Durchsetzung<br />
der ›betriebswirtschaftlichen Steuerung‹<br />
(›McKinsey‹; ›Wie teuer ist der Arbeitslose?‹;<br />
›Produkteinsatzlogik‹) in der Arbeitsförderung<br />
erleichtert haben.<br />
Zudem wurde die Förderung von öffentlicher<br />
Beschäftigung im Rahmen des SGB II faktisch<br />
weitgehend von versicherungspflichtiger<br />
Beschäftigung (bis 2004: Arbeitsbeschaffungs-<br />
und Strukturanpassungsmaßnahmen im<br />
Rahmen des SGB III und Arbeitsgelegenheiten<br />
in der Entgeltvariante im Rahmen der ›Hilfen<br />
zur Arbeit‹ gemäß Bundessozialhilfegesetz)<br />
auf versicherungsfreie Arbeitsgelegenheiten<br />
umgestellt.<br />
<strong>Die</strong>se weitere Aushöhlung der Versicherungsleistung<br />
›Arbeitslosengeld während<br />
Arbeitslosigkeit‹ dürfte sich gerade in den<br />
Städten mit überdurchschnittlich hoher<br />
Arbeitslosigkeit besonders negativ ausgewirkt<br />
haben.<br />
38 Insbesondere die zurzeit 71,4 Prozent der Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft<br />
und Heizung (Stuttgart: 67,4 Prozent). Siehe dazu auch die<br />
Anmerkungen zu Tabelle 9.1.<br />
39 <strong>Die</strong>se umfasst neben dem Ersten bis Vierten Gesetz <strong>für</strong> moderne<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen am Arbeitsmarkt unter anderem auch das Gesetz<br />
zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, durch<br />
das unter anderem die Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld<br />
verkürzt wurde.
125
126<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 5: Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen in Bremerhaven<br />
und 11 Vergleichsstädten<br />
revidierte Daten<br />
EW 15-64 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
Bremerhaven und 20071 03/2007 06/2007 09/2007 12/2007 03/2008<br />
11 Vergleichsstädte in 1.000 insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt insgesamt<br />
Bottrop 77,8 8.747 8.519 8.355 8.344 8.517<br />
Bremerhaven 74,9 17.130 16.841 16.552 16.379 16.602<br />
Darmstadt 97,3 9.376 9.285 9.379 9.114 9.271<br />
Gera 67,7 12.744 12.377 12.111 11.954 12.138<br />
Heilbronn 79,9 6.807 6.583 6.306 6.333 6.365<br />
Offenbach am Main 80,1 13.748 13.560 13.255 13.015 13.123<br />
Oldenburg (Oldb.) 109,5 13.535 13.199 12.999 12.849 13.066<br />
Osnabrück 110,4 11.540 11.332 11.326 11.159 11.446<br />
Regensburg 91,6 7.814 7.620 7.230 7.051 7.241<br />
Rostock 136,7 27.265 26.515 26.240 25.479 25.698<br />
Wilhelmshaven 52,8 9.171 8.962 8.748 8.644 8.752<br />
Wolfsburg 76,5 6.875 6.794 6.702 6.588 6.681<br />
EW 15-64 Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />
Bremerhaven und 20071 03/2007 06/2007 09/2007 12/2007 03/2008<br />
11 Vergleichsstädte in 1.000 pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang pro 1.000 Rang<br />
Bremerhaven 74,9 229 1 225 1 221 1 219 1 222 1<br />
Rostock 136,7 199 2 194 2 192 2 186 2 188 2<br />
Gera 67,7 188 3 183 3 179 3 177 3 179 3<br />
Wilhelmshaven 52,8 174 4 170 4 166 4 164 4 166 4<br />
Offenbach am Main 80,1 172 5 169 5 166 5 163 5 164 5<br />
Oldenburg (Oldb.) 109,5 124 6 121 6 119 6 117 6 119 6<br />
Bottrop 77,8 112 7 110 7 107 7 107 7 109 7<br />
Osnabrück 110,4 105 8 103 8 103 8 101 8 104 8<br />
Darmstadt 97,3 96 9 95 9 96 9 94 9 95 9<br />
Wolfsburg 76,5 90 10 89 10 88 10 86 10 87 10<br />
Heilbronn 79,9 85 12 82 12 79 12 79 11 80 11<br />
Regensburg 91,6 85 11 83 11 79 11 77 12 79 12<br />
Deutschland 54.417,4 100 98 95 94 95<br />
Westdeutschland 43.232,2 81 79 77 76 77<br />
1 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren (Ende 2007)<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA); eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 5:<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
in der Stadt Bremerhaven und 11<br />
Vergleichsstädten 40<br />
Der Vergleich der Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
pro 1.000 Einwohner/innen im Alter<br />
von 15 bis unter 65 Jahren (Arbeitslosengeld-II-<br />
Dichte) in der Stadt Bremerhaven und den<br />
11 Vergleichsstädten (März 2008) zeigt:<br />
<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Dichte in der Stadt<br />
Bremerhaven nahm im Vergleich zum März<br />
2007 um 7 Punkte ab, war aber weiterhin die<br />
bei weitem höchste dieser 12 Vergleichsstädte. 41<br />
Im März 2008 waren hier 222 von 1.000<br />
Einwohner/innen 42 im Alter von 15 bis unter<br />
65 Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen.<br />
Auch in den Vergleichsmonaten März, Juni,<br />
September und Dezember 2007 war die Stadt<br />
Bremerhaven die Stadt mit den meisten<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen pro 1.000<br />
Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65<br />
Jahren.<br />
Hinter der Stadt Bremerhaven belegten die<br />
Städte Rostock (188), Gera (179), Wilhelmshaven<br />
(166) und Offenbach am Main (164) Rang 2<br />
bis 5. Mit deutlichem Abstand und einer<br />
Arbeitslosengeld-II-Dichte zwischen 100 und<br />
120 folgen die Städte Oldenburg (119), Bottrop<br />
(109) und Osnabrück (104). In vier der 11 Vergleichsstädte<br />
waren weniger als 100 von 1.000<br />
Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter<br />
65 Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen:<br />
Darmstadt (95), Wolfsburg (87), Heilbronn (80)<br />
und Regensburg (79).<br />
<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Dichte lag im März<br />
2008 in drei Vergleichsstädten unter dem<br />
Bundesdurchschnitt von 95 Arbeitslosengeld-II-<br />
Empfänger/innen pro 1.000 Einwohner/innen<br />
im Alter von 15 bis unter 65 Jahren. In keiner<br />
dieser 12 Vergleichsstädte lag die Arbeitslosengeld-II-Dichte<br />
im März 2008 unter dem Durchschnitt<br />
von 77 pro 1.000 in Westdeutschland.<br />
<strong>Die</strong> Rangfolge dieser 12 Städte hat sich von<br />
März 2007 bis März 2008 kaum verändert.<br />
Nur die Städte Regensburg und Heilbronn mit<br />
nahezu gleich hoher Arbeitslosengeld-II-Dichte<br />
veränderten sich von Rang 12 auf 11 (Heilbronn)<br />
beziehungsweise von Rang 11 auf 12<br />
(Regensburg).<br />
40 Als Vergleichsstädte wurden hier die sogenannten Benchmark-<br />
Städte der Stadt Bremerhaven übernommen. <strong>Die</strong> elf Städte wurden<br />
vom Magistrat nach zwei Kriterien ausgewählt: a) Städte mit ähnlichen<br />
Bevölkerungszahlen wie Bremerhaven, die eine zentralörtliche<br />
Funktion erfüllen (Bottrop, Darmstadt, Gera, Heilbronn, Oldenburg,<br />
Osnabrück, Offenbach am Main, Regensburg, Wolfsburg) und<br />
b) Küstenstädte, die aufgrund ihrer Küstenrandlage <strong>für</strong> Bremerhaven-Vergleiche<br />
von Bedeutung sind, wobei die Bevölkerungszahl<br />
nachrangig ist (Rostock, Wilhelmshaven). Eine Prüfung, ob sich<br />
diese Städte tatsächlich <strong>für</strong> den Vergleich der Arbeitslosengeld-II-<br />
Dichte eignen, wurde nicht vorgenommen.<br />
41 Im Vergleich mit allen anderen kreisfreien Städten in der Bundesrepublik<br />
Deutschland belegt die Stadt Bremerhaven im März 2008<br />
hinter den Städten Görlitz und Hoyerswerda (mit einer Arbeitslosengeld-II-Dichte<br />
von 247 beziehungsweise 222 pro 1.000) weiterhin<br />
Rang 3.<br />
42 Anders ausgedrückt: 22,2 Prozent. <strong>Die</strong> Quoten in diesem<br />
Abschnitt beziehen sich auf die Zahl der Einwohner/innen im Alter<br />
von 15 bis unter 65 Jahren am Ende des Jahres 2007.<br />
127
128<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 6: Kinder und andere nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (SGB II)<br />
Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
revidierte Daten<br />
März Juni Sept. Dez. März<br />
Stadt Bremen 2007 2007 2007 2007 2008<br />
nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf) 1 21.844 21.608 21.523 21.305 21.454<br />
nEf pro Bedarfsgemeinschaft<br />
davon (nEf)<br />
0,54 0,54 0,55 0,55 0,55<br />
15 Jahre und älter2 877 906 900 897 890<br />
15 Jahre und älter (in % von nEf)<br />
darunter<br />
4,0% 4,2% 4,2% 4,2% 4,1%<br />
■ Frauen (15 Jahre und älter) 493 502 503 502 493<br />
Frauen (in % von nEf – 15 Jahre und älter) 56,2% 55,4% 55,9% 56,0% 55,4%<br />
Kinder unter 15 Jahre 20.967 20.702 20.623 20.408 20.564<br />
unter 15 Jahre (in % von nEf) 96,0% 95,8% 95,8% 95,8% 95,9%<br />
Kinder (unter 15 Jahre) pro Bedarfsgemeinschaft<br />
darunter in Bedarfsgemeinschaften mit ...<br />
0,52 0,52 0,52 0,53 0,52<br />
■ einem Kind 6.845 6.750 6.672 6.606 6.692<br />
einem Kind (in % von Kindern unter 15 Jahren) 32,6% 32,6% 32,4% 32,4% 32,5%<br />
■ zwei Kindern 7.704 7.564 7.634 7.522 7.478<br />
zwei Kindern (in % von Kindern unter 15 Jahren) 36,7% 36,5% 37,0% 36,9% 36,4%<br />
■ drei Kindern 3.903 3.888 3.864 3.840 3.924<br />
drei Kindern (in % von Kindern unter 15 Jahren) 18,6% 18,8% 18,7% 18,8% 19,1%<br />
■ vier und mehr Kindern 2.515 2.500 2.453 2.440 2.470<br />
vier und mehr Kindern (in % von Kindern unter 15 J.) 12,0% 12,1% 11,9% 12,0% 12,0%<br />
März Juni Sept. Dez. März<br />
Stadt Bremerhaven 2007 2007 2007 2007 2008<br />
nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (nEf) 1 6.695 6.631 6.544 6.470 6.505<br />
nEf pro Bedarfsgemeinschaft<br />
davon (nEf)<br />
0,55 0,56 0,56 0,56 0,55<br />
15 Jahre und älter2 200 198 196 187 176<br />
15 Jahre und älter (in % von nEf)<br />
darunter<br />
3,0% 3,0% 3,0% 2,9% 2,7%<br />
■ Frauen (15 Jahre und älter) 112 110 105 99 91<br />
Frauen (in % von nEf – 15 Jahre und älter) 56,0% 55,6% 53,6% 52,9% 51,7%<br />
Kinder unter 15 Jahre 6.495 6.433 6.348 6.283 6.329<br />
unter 15 Jahre (in % von nEf) 97,0% 97,0% 97,0% 97,1% 97,3%<br />
Kinder (unter 15 Jahre) pro Bedarfsgemeinschaft<br />
darunter in Bedarfsgemeinschaften mit ...<br />
0,54 0,54 0,54 0,54 0,55<br />
■ einem Kind 2.088 2.034 2.010 1.965 1.948<br />
einem Kind (in % von Kindern unter 15 Jahren) 32,1% 31,6% 31,7% 31,3% 30,8%<br />
■ zwei Kindern 2.282 2.246 2.216 2.180 2.240<br />
zwei Kindern (in % von Kindern unter 15 Jahren) 35,1% 34,9% 34,9% 34,7% 35,4%<br />
■ drei Kindern 1.203 1.218 1.182 1.170 1.152<br />
drei Kindern (in % von Kindern unter 15 Jahren) 18,5% 18,9% 18,6% 18,6% 18,2%<br />
■ vier und mehr Kindern 922 935 940 968 989<br />
vier und mehr Kindern (in % von Kindern unter 15 J.) 14,2% 14,5% 14,8% 15,4% 15,6%<br />
1 nicht erwerbsfähige Hillfebedürftige (eEf – Empfängerinnen bzw. Empfänger von Sozialgeld)<br />
2 ermittelt aus nEf insgesamt und nEf im Alter von unter 15 Jahren (kleinere Abweichungen von den BA-Daten möglich)<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 6:<br />
Kinder und andere nicht<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
Stadt Bremen<br />
In den 39.314 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
in der Stadt Bremen in März 2008 lebten mit<br />
den 53.713 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
(Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen) insgesamt<br />
21.454 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
im Sinne des SGB II (Sozialgeld-Empfänger/innen),<br />
kaum weniger als ein Jahr zuvor<br />
(390 beziehungsweise 1,8 Prozent).<br />
Nur ein sehr kleiner Teil der nicht erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen war älter als 15 Jahre.<br />
In der Stadt Bremen waren dies im März 2008<br />
insgesamt lediglich 890 (4,1 Prozent), darunter<br />
überdurchschnittlich viele Frauen (55,4 Prozent).<br />
Der weit überwiegende Teil der nicht<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sind Kinder im<br />
Alter von unter 15 Jahren: 20.564 beziehungsweise<br />
95,9 Prozent der nicht erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen. <strong>Die</strong>s waren lediglich 403 (1,9<br />
Prozent) weniger als im März 2007. 43<br />
32,5 Prozent (6.692) dieser Kinder im Alter<br />
von unter 15 Jahren lebten im März 2008 in<br />
Bedarfsgemeinschaften mit einem Kind unter<br />
15 Jahren, 36,4 Prozent (7.478) in Bedarfsgemeinschaften<br />
mit zwei Kindern unter 15 Jahren.<br />
19,1 Prozent (3.924) dieser Kinder lebten in<br />
Bedarfsgemeinschaften mit drei und 12,0 Prozent<br />
(2.470) in Bedarfsgemeinschaften mit vier<br />
und mehr Kindern im Alter von unter 15 Jahren.<br />
<strong>Die</strong> Zahl der Kinder in Bedarfsgemeinschaften<br />
mit weniger als drei Kindern im Alter von<br />
unter 15 Jahren hat in der Stadt Bremen im<br />
Vorjahresvergleich (März 2007 – März 2008)<br />
um 2,6 Prozent (379) abgenommen, die Zahl<br />
der Kinder in Bedarfsgemeinschaften mit<br />
drei und mehr Kindern dagegen lediglich um<br />
0,4 Prozent (24).<br />
Stadt Bremerhaven<br />
Im März 2008 lebten in den 11.751 SGB-II-<br />
Bedarfsgemeinschaften in der Stadt Bremerhaven<br />
mit den 16.602 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
(Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />
insgesamt 6.505 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
im Sinne des SGB II (Sozialgeld-Empfänger/innen),<br />
190 (2,8 Prozent) weniger als<br />
ein Jahr zuvor.<br />
Nur ein sehr kleiner Teil der nicht erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen war älter als 15 Jahre.<br />
In der Stadt Bremerhaven waren dies im März<br />
2008 insgesamt lediglich 176 (2,7 Prozent),<br />
darunter 51,7 Prozent Frauen.<br />
Der weit überwiegende Teil der nicht<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sind Kinder im<br />
Alter von unter 15 Jahren: 6.329 beziehungsweise<br />
97,3 Prozent der nicht erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen. <strong>Die</strong>s waren 166 (2,6 Prozent)<br />
weniger als ein Jahr zuvor. 44<br />
30,8 Prozent (1.948) dieser Kinder im Alter<br />
von unter 15 Jahren lebten im März 2008 in<br />
Bedarfsgemeinschaften mit einem Kind unter<br />
15 Jahren, 35,4 Prozent (2.240) in Bedarfsgemeinschaften<br />
mit zwei Kindern unter 15 Jahren.<br />
18,2 Prozent (1.152) dieser Kinder lebten in<br />
Bedarfsgemeinschaften mit drei und 15,6 Prozent<br />
(989) in Bedarfsgemeinschaften mit vier<br />
und mehr Kindern im Alter von unter 15 Jahren.<br />
<strong>Die</strong> Zahl der Kinder in Bedarfsgemeinschaften<br />
mit weniger als drei Kindern im Alter von<br />
unter 15 Jahren hat in der Stadt Bremerhaven<br />
im Vorjahresvergleich (März 2007 – März 2008)<br />
um 4,2 Prozent (182) abgenommen, die Zahl<br />
der Kinder in Bedarfsgemeinschaften mit drei<br />
und mehr Kindern hat dagegen um 0,8 Prozent<br />
(16) zugenommen.<br />
43 Vgl. dazu auch die Tabelle und Anmerkungen zu den SGB-II-<br />
Bedarfsgemeinschaften mit Kindern (Tabelle 2.1) und die<br />
Anmerkungen zu Abbildung 4.<br />
44 Vgl. dazu auch die Tabelle und Anmerkungen zu den SGB-II-<br />
Bedarfsgemeinschaften mit Kindern (Tabelle 2.2) und die<br />
Anmerkungen zu Abbildung 4.<br />
129
130<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 7: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften mit Kindern im Alter von unter 18 Jahren<br />
Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
März 2008 – revidierte Daten<br />
Bremen Bremerhaven<br />
Bedarfsgemeinschaften insgesamt<br />
darunter<br />
39.314 11.751<br />
Ehepaare/Lebensgemeinschaften mit Kindern (unter 18 Jahre) 6.243 2.004<br />
mit Kindern (unter 18 Jahre) (in % von BG insgesamt)<br />
darunter<br />
(Ehepaare/Lebensgemeinschaften mit Kindern)<br />
15,9% 17,1%<br />
■ mit einem Kind unter 18 Jahre 2.528 835<br />
(in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kindern) 40,5% 41,7%<br />
■ mit zwei Kindern unter 18 Jahre 2.106 636<br />
(in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kindern) 33,7% 31,7%<br />
■ mit drei Kindernunter 18 Jahre 995 328<br />
(in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kindern) 15,9% 16,4%<br />
■ mit vier Kindern unter 18 Jahre 405 129<br />
(in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kindern) 6,5% 6,4%<br />
■ mit fünf und mehr Kindern unter 18 Jahre 209 76<br />
(in % von Ehepaaren/Lebensgemeinschaften mit Kindern) 3,3% 3,8%<br />
Alleinerziehende mit Kindern (unter 18 Jahre) 7.480 2.146<br />
(in % von BG insgesamt)<br />
darunter<br />
(Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahre)<br />
19,0% 18,3%<br />
■ mit einem Kind unter 18 Jahre 4.484 1.269<br />
(in % von Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahre) 59,9% 59,1%<br />
■ mit zwei Kindern unter 18 Jahre 2.150 616<br />
(in % von Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahre) 28,7% 28,7%<br />
■ mit drei Kindern unter 18 Jahre 621 180<br />
(in % von Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahre) 8,3% 8,4%<br />
■ mit vier Kindern unter 18 Jahre 167 52<br />
(in % von Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahre) 2,2% 2,4%<br />
■ mit fünf und mehr Kindern unter 18 Jahre 58 29<br />
(in % von Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahre) 0,8% 1,4%<br />
Kinder im Alter von unter 18 Jahren1 darunter<br />
24.039 7.398<br />
in Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender 1<br />
11.615 3.399<br />
in Bedarfsgemein. Alleinerziehender (in % von Kindern unter 18 Jahre) 48,3% 45,9%<br />
1 <strong>Die</strong> Zahl der Kinder wurde aus der Zahl der BG mit ein, zwei, drei, vier, fünf und mehr Kindern ermittelt.<br />
Bei den BG mit fünf und mehr Kindern wurden durchschnittlich 5,166 Kinder unterstellt.<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 7:<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften mit Kindern<br />
im Alter von unter 18 Jahren<br />
Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
Stadt Bremen<br />
Von den 39.314 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
im März 2008 waren 6.243 (15,9 Prozent)<br />
Ehepaare beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />
mit Kindern im Alter von unter 18 Jahren<br />
(März 2007: 6.545) und 7.480 (19,0 Prozent)<br />
Alleinerziehende mit Kindern im Alter von<br />
unter 18 Jahren (März 2007: 7.487).<br />
In diesen insgesamt 13.723 Bedarfsgemeinschaften<br />
beziehungsweise 34,9 Prozent der<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften insgesamt (März<br />
2007: 34,5 Prozent) lebten etwa 24.039 Kinder<br />
im Alter von unter 18 Jahren, davon 11.615<br />
(48,3 Prozent) in Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender.<br />
45 Ein Jahr zuvor, im März 2007,<br />
lebten etwa 24.443 Kinder im Alter von unter<br />
18 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften,<br />
darunter 11.691 (47,8 Prozent) in Bedarfsgemeinschaften<br />
Alleinerziehender.<br />
Von den 6.243 auf Arbeitslosengeld II angewiesenen<br />
Ehepaaren beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />
mit Kindern unter 18 Jahre<br />
hatten 40,5 Prozent (2.528) ein Kind, 33,7 Prozent<br />
(2.106) zwei Kinder und 15,9 Prozent<br />
(995) drei Kinder im Alter von unter 18 Jahren.<br />
In 6,5 Prozent (405) dieser Bedarfsgemeinschaften<br />
lebten vier Kinder und in 3,3 Prozent<br />
(209) fünf und mehr Kinder im Alter von unter<br />
18 Jahren.<br />
Im Durchschnitt lebten mit diesen 6.243 auf<br />
Arbeitslosengeld II angewiesenen Ehepaaren<br />
beziehungsweise Lebensgemeinschaften etwa<br />
1,99 Kinder pro Bedarfsgemeinschaft (März<br />
2007: 1,95).<br />
Von den 7.480 Alleinerziehenden – davon<br />
etwa 95,3 Prozent Frauen 46 – hatten 59,9 Prozent<br />
(4.484) ein Kind und 28,7 Prozent (2.150)<br />
zwei Kinder im Alter von unter 18 Jahren. 8,3<br />
Prozent (621) hatten drei, 2,2 Prozent (167)<br />
vier und 0,8 Prozent (58) fünf und mehr Kinder<br />
im Alter von unter 18 Jahren.<br />
Im Durchschnitt lebten mit den 7.480 auf<br />
Arbeitslosengeld II angewiesenen Alleinerziehenden<br />
etwa 1,55 Kinder pro Bedarfsgemeinschaft<br />
– deutlich weniger als bei den Ehepaaren<br />
beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />
mit Kindern im Alter von unter 18 Jahren (März<br />
2007: 1,56).<br />
Stadt Bremerhaven<br />
Von den 11.751 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
im März 2008 waren 2.004 (17,1 Prozent)<br />
Ehepaare beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />
mit Kindern im Alter von unter 18<br />
Jahren (März 2007: 2.106) und 2.146 (18,3<br />
Prozent) Alleinerziehende mit Kindern im Alter<br />
von unter 18 Jahren (März 2007: 2.207).<br />
In diesen insgesamt 4.150 Bedarfsgemeinschaften<br />
beziehungsweise 35,3 Prozent der<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften insgesamt (März<br />
2007: 35,6 Prozent) lebten etwa 7.398 Kinder<br />
im Alter von unter 18 Jahren, davon 3.399<br />
(45,9 Prozent) in Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender.<br />
47 Ein Jahr zuvor, im März 2007,<br />
lebten etwa 7.618 Kinder im Alter von unter<br />
18 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften,<br />
darunter 3.483 (45,7 Prozent) in Bedarfsgemeinschaften<br />
Alleinerziehender.<br />
Von den 2.004 auf Arbeitslosengeld II angewiesenen<br />
Ehepaaren beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />
mit Kindern unter 18 Jahre<br />
hatten 41,7 Prozent (835) ein Kind, 31,7 Prozent<br />
(636) zwei Kinder und 16,4 Prozent (328)<br />
drei Kinder im Alter von unter 18 Jahren. In 6,4<br />
Prozent (129) dieser Bedarfsgemeinschaften<br />
lebten vier Kinder und in 3,8 Prozent (76) fünf<br />
und mehr Kinder im Alter von unter 18 Jahren.<br />
Im Durchschnitt lebten mit diesen 2.004<br />
auf Arbeitslosengeld II angewiesenen Ehepaaren<br />
beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />
etwa 2,00 Kinder pro Bedarfsgemeinschaft<br />
(März 2007: 1,96).<br />
Von den 2.146 Alleinerziehenden hatten<br />
59,1 Prozent (1.269) ein Kind und 28,7 Prozent<br />
(616) zwei Kinder im Alter von unter 18<br />
Jahren. 8,4 Prozent (180) hatten drei, 2,4<br />
Prozent (52) vier und 1,4 Prozent (29) fünf und<br />
mehr Kinder im Alter von unter 18 Jahren.<br />
Im Durchschnitt lebten mit den 2.146 auf<br />
Arbeitslosengeld II angewiesenen Alleinerziehen-den<br />
etwa 1,58 Kinder pro Bedarfsgemeinschaft<br />
– deutlich weniger als bei den Ehepaaren<br />
beziehungsweise Lebensgemeinschaften<br />
mit Kindern im Alter von unter 18 Jahren<br />
(März 2007: ebenfalls 1,58).<br />
45 Neben diesen 24.039 Kindern in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
lebten noch 167 Kinder im Alter von unter 18 Jahren in SGB-XII-<br />
Bedarfsgemeinschaften (Sozialhilfe außerhalb von Einrichtungen).<br />
Im Vorjahr waren dies 279.<br />
46 Anteil der Frauen an den Alleinerziehenden im Land Bremen wie im<br />
März 2007; in der amtlichen Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit<br />
sind die geschlechtsspezifischen Daten zu den Alleinerziehenden<br />
nur bis auf die Landesebene veröffentlicht.<br />
47 Neben diesen 7.398 Kindern in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
lebten noch 32 Kinder im Alter von unter 18 Jahren in SGB-XII-<br />
Bedarfsgemeinschaften (Sozialhilfe außerhalb von Einrichtungen).<br />
131
132<br />
550<br />
500<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Abbildung 4: Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (SGB II)<br />
im Alter von unter 15 Jahren pro 1.000 Kinder im entsprechenden Alter* –<br />
Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
März 2008 (revidierte Daten)<br />
pro tausend<br />
365<br />
unter<br />
3 Jahre<br />
Stadt Bremen<br />
322<br />
3 bis unter<br />
7 Jahre<br />
7 bis unter<br />
15 Jahre<br />
* Einwohner/innen Ende 2007<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.<br />
265<br />
299<br />
unter 15 Jahre<br />
insgesamt<br />
508<br />
unter<br />
3 Jahre<br />
Stadt Bremerhaven<br />
457<br />
3 bis unter<br />
7 Jahre<br />
357<br />
7 bis unter<br />
15 Jahre<br />
411<br />
unter 15 Jahre<br />
insgesamt
Zu Abbildung 4:<br />
Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (SGB II)<br />
im Alter von unter 15 Jahren<br />
pro 1.000 Kinder im entsprechenden Alter<br />
Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
Stadt Bremen<br />
Im März 2008 lebten in der Stadt Bremen<br />
299 von 1.000 Kindern im Alter von unter 15<br />
Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (März<br />
2007: 302). Zur Erinnerung: Ende 2004, dem<br />
letzten Jahr vor Inkrafttreten des SGB II, lebten<br />
in der Stadt Bremen 206 von 1.000 Kindern im<br />
Alter unter 15 Jahren in Familien (Haushalten),<br />
die auf Sozialhilfe angewiesen waren. 48<br />
<strong>Die</strong> Quote der Kinder in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
nimmt mit zunehmendem Alter<br />
ab. Von jeweils 1.000 Kindern im Alter von<br />
unter 3 Jahren lebten 365 (März 2007: 382),<br />
von jeweils 1.000 Kindern im Alter von 3 bis<br />
unter 7 Jahren 322 (März 2007: 317) und von<br />
jeweils 1.000 Kindern im Alter von 7 bis unter<br />
15 Jahren 265 in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
(März 2007: 267).<br />
Stadt Bremerhaven<br />
In der Stadt Bremerhaven lebten im März<br />
2008 411 von 1.000 Kindern im Alter von unter<br />
15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
(März 2007: 415). Zur Erinnerung: Ende 2004,<br />
dem letzten Jahr vor Inkrafttreten des SGB II,<br />
lebten in der Stadt Bremerhaven 287 von<br />
1.000 Kindern im Alter unter 15 Jahren in Familien<br />
(Haushalten), die auf Sozialhilfe angewiesen<br />
waren. 49<br />
<strong>Die</strong> Quote der Kinder in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
nimmt mit zunehmendem Alter ab.<br />
Von jeweils 1.000 Kindern im Alter von unter<br />
3 Jahren lebten 508 (März 2007: 520), von<br />
jeweils 1.000 Kindern im Alter von 3 bis unter<br />
7 Jahren 457 (März 2007: ebenfalls 457) und<br />
von jeweils 1.000 Kindern im Alter von 7 bis<br />
unter 15 Jahren 357 in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
(März 2007: 362).<br />
Der Anteil der Kinder im Alter von unter 15<br />
Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften lag in<br />
der Stadt Bremerhaven 37,3 Prozent (nicht Prozentpunkte)<br />
über dem entsprechenden Anteil in<br />
der Stadt Bremen (März 2007: 37,7 Prozent).<br />
<strong>Die</strong> Quote der Kinder im Alter von unter 15<br />
Jahren in der Stadt Bremerhaven (41,1 Prozent)<br />
wurde im März 2008 im Vergleich von 426<br />
Kreisen (der insgesamt 429 Kreise) in der<br />
Bundesrepublik Deutschland 50 nur noch in drei<br />
ostdeutschen kreisfreien Städten übertroffen:<br />
Hoyerswerda (43,1 Prozent), Görlitz (42,9<br />
Prozent) und Schwerin (41,8 Prozent). <strong>Die</strong><br />
zweithöchste Quote aller 326 westdeutschen<br />
Kreise wurde <strong>für</strong> die kreisfreie Stadt Offenbach<br />
am Main errechnet. Im hessischen Offenbach<br />
am Main lebten im März 2008 34,9 Prozent der<br />
Kinder im Alter von unter 15 Jahren in SGB-II-<br />
Bedarfsgemeinschaften.<br />
48 Vgl. Armutsbericht 2005, Seite 117 und Tabelle 2.2/2004 (Seite<br />
96). Inwieweit Ende 2004 Arbeitslosenhilfe-Empfänger/innen mit<br />
Kindern im entsprechenden Alter einen gegebenenfalls bestehenden<br />
Anspruch auf Sozialhilfe (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt<br />
außerhalb von Einrichtungen) nicht geltend machten, ist nicht<br />
bekannt. <strong>Die</strong> Kinder von Arbeitslosenhilfeempfänger/innen, die<br />
Ende 2004 ergänzende Sozialhilfe erhielten, sind jedoch in der<br />
Zahl der Sozialhilfeempfänger/innen enthalten.<br />
49 Vgl. Armutsbericht 2005, Seite 118 und Tabelle 2.3/2004 (Seite<br />
98). Inwieweit Ende 2004 Arbeitslosenhilfe-Empfänger/innen mit<br />
Kindern im entsprechenden Alter einen gegebenenfalls bestehenden<br />
Anspruch auf Sozialhilfe (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt<br />
außerhalb von Einrichtungen) nicht geltend machten, ist nicht<br />
bekannt. <strong>Die</strong> Kinder von Arbeitslosenhilfeempfänger/innen, die<br />
Ende 2004 ergänzende Sozialhilfe erhielten, sind jedoch in der<br />
Zahl der Sozialhilfeempfänger/innen enthalten.<br />
50 Für die Landkreise Nordfriesland, Minden-Lübbecke, Uckermark<br />
lagen keine entsprechenden Daten vor. (Anmerkung: <strong>Die</strong> Gesamtzahl<br />
der Kreise hat sich gegenüber März 2007 um 10 von 439 auf<br />
429 verringert.)<br />
133
134<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 8.1: Anteil der Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen (unter 15 Jahre)<br />
an der Bevölkerung im entsprechenden Alter – Stadt- und Ortsteile Bremen<br />
März 2008<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro Sozialgeld-Empfänger/innen<br />
Einwohner/in im Alter von 15 bis unter 65 Jahren unter 15 Jahre<br />
Stadt / Stadtteil / Ortsteil ingesamt Männer Frauen pro Einwohner/in unter 15 2<br />
Stadt Bremen insgesamt<br />
darunter Stadtteile und ausgewählte Ortsteile<br />
14,8% 14,5% 15,0% 29,9%<br />
1<br />
11 Stadtteil Mitte 13,4% 15,3% 11,2% 27,1%<br />
21 Stadtteil Neustadt 13,7% 14,4% 12,9% 30,9%<br />
213 Neustadt 10,4% 10,9% 9,9% 24,9%<br />
215 Gartenstadt Süd 16,5% 14,9% 18,0% 39,1%<br />
23 Stadtteil Obervieland 12,9% 11,8% 14,0% 27,1%<br />
231 Habenhausen 2,7% 2,6% 2,9% 6,2%<br />
233 Kattenturm 24,1% 22,2% 26,0% 48,0%<br />
24 Stadtteil Huchting 19,4% 16,9% 21,8% 39,5%<br />
244 Grolland 3,6% 3,7% 3,6% 3,5%<br />
25 Stadtteil Woltmershausen 17,5% 17,0% 17,9% 33,4%<br />
251 Woltmershausen 19,3% 18,4% 20,3% 37,5%<br />
252 Rablinghausen 10,1% 11,4% 8,8% 18,6%<br />
31 Stadtteil Östliche Vorstadt 10,2% 11,4% 9,0% 18,5%<br />
32 Stadtteil Schwachhausen 4,7% 4,9% 4,6% 9,0%<br />
33 Stadtteil Vahr 22,8% 20,3% 25,1% 46,0%<br />
331 Gartenstadt Vahr 11,7% 11,0% 12,2% 22,4%<br />
332 Neue Vahr Nord 28,8% 24,9% 32,1% 58,7%<br />
34 Stadtteil Horn-Lehe 6,3% 6,0% 6,6% 13,2%<br />
351 Borgfeld3 1,7% 1,8% 1,6% 2,1%<br />
361 Oberneuland 3<br />
3,5% 3,8% 3,3% 4,2%<br />
37 Stadtteil Osterholz 20,6% 19,4% 21,8% 41,8%<br />
373 Tenever 34,9% 32,1% 37,8% 58,8%<br />
374 Osterholz 4,9% 5,0% 4,8% 8,5%<br />
38 Stadtteil Hemelingen 14,2% 14,0% 14,3% 28,2%<br />
383 Hemelingen 21,6% 20,5% 22,7% 39,1%<br />
384 Arbergen 6,6% 5,7% 7,4% 17,3%<br />
42 Stadtteil Findorff 10,7% 11,2% 10,1% 19,5%<br />
43 Stadtteil Walle 18,5% 18,4% 18,1% 34,6%<br />
44 Stadtteil Gröpelingen 26,2% 25,0% 27,3% 46,5%<br />
442 Gröpelingen 30,5% 28,5% 32,3% 54,4%<br />
445 Oslebshausen4 18,6% 17,0% 20,2% 39,4%<br />
51 Stadtteil Burglesum 14,0% 13,3% 14,7% 28,3%<br />
513 Burgdamm 20,3% 18,5% 22,2% 38,6%<br />
515 St. Magnus 6,4% 6,4% 6,4% 11,6%<br />
52 Stadtteil Vegesack 16,8% 16,3% 17,4% 31,8%<br />
523 Schönebeck 9,6% 9,4% 9,6% 18,7%<br />
525 Fähr-Lobbendorf 18,8% 19,0% 18,5% 34,2%<br />
53 Stadtteil Blumenthal 18,9% 17,7% 20,1% 34,2%<br />
533 Lüssum-Bockhorn 22,2% 20,7% 23,7% 39,7%<br />
535 Rekum 8,7% 7,4% 10,1% 19,5%<br />
Maximum (Ortsteile) 34,9% 32,1% 37,8% 58,8%<br />
Minimum (Ortsteile) 1,7% 1,8% 1,6% 2,1%<br />
1Ohne Stadtteil Häfen und ohne die Ortsteile Blockland, Seehausen und Strom.<br />
2Stadt- und Ortsteildaten auf Basis der nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt errechnet (geschätzt).<br />
Anteil der Kinder unter 15 an den nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in der Stadt Bremen: 95,85%.<br />
3Ortsteile, die keinem Stadtteil zugeordnet sind.<br />
4Inklusive Ortsteil In den Wischen.<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 8.1:<br />
Anteil der Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen<br />
(unter 15 Jahre)<br />
an der Bevölkerung im entsprechenden Alter<br />
Stadt Bremen: Stadtteile und<br />
ausgewählte Ortsteile<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
(erwerbsfähige Hilfebedürftige)<br />
Im März 2008 waren im stadtbremischen<br />
Durchschnitt 14,8 Prozent der Bevölkerung im<br />
Alter von 15 bis unter 65 Jahren (März 2007:<br />
15,3 Prozent) beziehungsweise 14,5 Prozent<br />
der Männer (März 2007: 15,2 Prozent) und<br />
15,0 Prozent der Frauen (März 2007: 15,3<br />
Prozent) im entsprechenden Alter auf Arbeitslosengeld<br />
II angewiesen (erwerbsfähige Hilfebedürftige).<br />
<strong>Die</strong> entsprechenden Anteile (Quoten) in den<br />
Stadtteilen (ohne die Ortsteile, die keinem<br />
Stadtteil zugeordnet sind) reichten bei der<br />
Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65<br />
Jahren insgesamt von 4,7 Prozent im Stadtteil<br />
Schwachhausen (März 2007: 5,1 Prozent) bis<br />
26,2 Prozent im Stadtteil Gröpelingen (März<br />
2007: 27,0 Prozent). <strong>Die</strong> drei Stadtteile mit der<br />
höchsten Arbeitslosengeld-II-Quote sind, wie im<br />
März 2007, neben dem Stadtteil Gröpelingen<br />
(26,2 Prozent) die Stadtteile Vahr (22,8 Prozent;<br />
März 2007: 23,5 Prozent) und Osterholz<br />
(20,6 Prozent; März 2007: 21,1 Prozent).<br />
<strong>Die</strong> entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />
reichten bei der Bevölkerung im Alter von 15<br />
bis unter 65 Jahren von 1,7 Prozent in Borgfeld<br />
(März 2007: 1,9 Prozent) bis 34,9 Prozent in<br />
Tenever (März 2007: 35,6 Prozent). <strong>Die</strong> drei<br />
Ortsteile mit der höchsten Arbeitslosengeld-II-<br />
Quote sind, wie ein Jahr zuvor, neben Tenever<br />
(34,9 Prozent) die Ortsteile Gröpelingen (30,5<br />
Prozent; März 2007: 31,9 Prozent) und Neue<br />
Vahr Nord (28,8 Prozent; März 2007: 30,6<br />
Prozent).<br />
<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Quoten der Frauen<br />
reichen auf Stadtteilebene von 4,6 Prozent in<br />
Schwachhausen (März 2007: 4,8 Prozent)<br />
bis 27,3 Prozent in Gröpelingen (März 2007:<br />
28,1 Prozent), die der Männer von 4,9 Prozent<br />
in Schwachhausen (März 2007: 5,4 Prozent)<br />
bis 25,0 Prozent in Gröpelingen (März 2007:<br />
26,0 Prozent).<br />
Auf Ortsteilebene reichen die Arbeitslosengeld-<br />
II-Quoten bei den Frauen von 1,6 Prozent in<br />
Borgfeld (wie im März 2007) bis 37,8 Prozent<br />
in Tenever (März 2007: 38,3 Prozent), bei den<br />
Männern von 1,8 Prozent in Borgfeld (März<br />
2007: 2,2 Prozent) bis 32,1 Prozent in Tenever<br />
(März 2007: 32,9 Prozent).<br />
In Stadt- und Ortsteilen mit einer unterdurchschnittlichen<br />
bis durchschnittlichen Arbeitslosengeld-II-Quote<br />
ist die Arbeitslosengeld-II-Quote<br />
der Männer in der Regel höher als die der<br />
Frauen. Andererseits ist die Arbeitslosengeld-II-<br />
Quote der Frauen in Stadt- und Ortsteilen mit<br />
einer deutlich überdurchschnittlichen Arbeitslosengeld-II-Quote<br />
in der Regel höher als die<br />
der Männer. Im Vergleich zum Vorjahr haben<br />
sich die Arbeitslosengeld-II-Quoten der Frauen<br />
in den meisten Stadt- und Ortsteilen weniger<br />
positiv entwickelt als die der Männer.<br />
Sozialgeld-Empfänger/innen unter 15 Jahre<br />
(nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
unter 15 Jahre)<br />
Im März 2008 lebten im stadtbremischen<br />
Durchschnitt 29,9 Prozent der Kinder im Alter<br />
von unter 15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
(März 2007: 30,2 Prozent). Das<br />
heißt, ihre Mütter und/oder Väter waren – ganz<br />
oder ergänzend – auf Arbeitslosengeld II<br />
angewiesen.<br />
<strong>Die</strong> entsprechenden Quoten reichten in den<br />
Stadtteilen (ohne die Ortsteile, die keinem<br />
Stadtteil zugeordnet sind) von 9,0 Prozent im<br />
Stadtteil Schwachhausen (März 2007: 9,4 Prozent)<br />
bis 46,5 Prozent im Stadtteil Gröpelingen<br />
(März 2007: 47,1 Prozent). <strong>Die</strong> drei Stadtteile<br />
mit der höchsten Quote von Kindern unter 15<br />
in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften sind neben<br />
dem Stadtteil Gröpelingen (46,5 Prozent) die<br />
Stadtteile Vahr (46,0 Prozent; März 2007: 45,8<br />
Prozent) und Osterholz (41,8 Prozent; März<br />
2007: 41,4 Prozent).<br />
<strong>Die</strong> entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />
reichten von 2,1 Prozent in Borgfeld (März<br />
2007: 2,0 Prozent) bis 58,8 Prozent in Tenever<br />
(März 2007: 60,0 Prozent). <strong>Die</strong> drei Ortsteile<br />
mit der höchsten Quote von Kindern unter 15 in<br />
SGB-II-Bedarfsgemeinschaften sind neben Tenever<br />
(58,8 Prozent) die Ortsteile Neue Vahr Nord<br />
(58,7 Prozent; wie im März 2007) und Gröpelingen<br />
(54,4 Prozent; März 2007: 56,3 Prozent).<br />
135
136<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 8.2: Anteil der Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen (unter 15 Jahre)<br />
an der Bevölkerung im entsprechenden Alter – Stadt- und Ortsteile Bremerhaven<br />
März 2008<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro Sozialgeld-Empfänger/innen<br />
Einwohner/in im Alter von 15 bis unter 65 Jahren unter 15 Jahre<br />
Stadt / Stadtteil / Ortsteil ingesamt Männer Frauen pro Einwohner/in unter 15 2<br />
Stadt Bremerhaven insgesamt 22,2% 21,5% 22,9% 41,1%<br />
darunter Stadtteile und ausgewählte Ortsteile<br />
11 Stadtteil Weddewarden 5,2% 6,6% 3,8% 12,2%<br />
12 Stadtteil Leherheide 21,6% 19,1% 23,9% 39,5%<br />
121 Königsheide 7,8% 8,0% 7,7% 14,2%<br />
122 Fehrmoor 4,0% 3,2% 4,9% 9,4%<br />
123 Leherheide-West 38,7% 34,2% 42,8% 62,7%<br />
13 Stadtteil Lehe 25,3% 25,4% 25,1% 43,4%<br />
131 Speckenbüttel 3,7% 3,1% 4,2% 6,3%<br />
132 Eckernfeld 10,8% 10,9% 10,7% 21,0%<br />
133 Twischkamp 30,2% 31,3% 29,0% 53,5%<br />
134 Goethestraße 42,3% 40,5% 44,0% 64,7%<br />
135 Klushof 32,2% 31,4% 32,9% 59,4%<br />
136 Schierholz 13,4% 14,0% 12,7% 27,0%<br />
137 Buschkämpen 8,4% 8,8% 8,0% 30,5%<br />
14 Stadtteil Mitte 22,9% 22,8% 23,1% 50,9%<br />
141 Mitte-Süd 21,4% 22,2% 20,5% 47,1%<br />
142 Mitte-Nord 23,9% 23,2% 24,6% 52,2%<br />
21 Geestemünde 25,7% 25,1% 26,3% 48,9%<br />
211 Geestemünde-Nord 18,2% 18,4% 18,0% 39,1%<br />
212 Geestendorf 28,1% 27,2% 28,9% 54,6%<br />
213 Geestemünde-Süd 20,8% 18,9% 22,6% 39,9%<br />
214 Bürgerpark 19,9% 19,4% 20,5% 39,8%<br />
215 Grünhöfe 36,0% 35,3% 36,6% 56,8%<br />
22 Stadtteil Schiffdorferdamm 5,9% 6,3% 5,5% 9,7%<br />
23 Stadtteil Surheide 4,0% 3,9% 4,0% 8,7%<br />
24 Stadtteil Wulsdorf 12,8% 12,8% 12,8% 24,7%<br />
241 Dreibergen 17,5% 17,1% 17,9% 29,6%<br />
242 Jedutenberg 8,3% 8,6% 8,0% 19,1%<br />
25 Stadtteil Fischereihafen 7,6% 6,9% 8,8% 24,2%<br />
Maximum (Ortsteile) 42,3% 40,5% 44,0% 64,7%<br />
Minimum (Ortsteile) 3,7% 3,1% 3,8% 6,3%<br />
1Stadt- und Ortsteildaten auf Basis der nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen insgesamt errechnet (geschätzt).<br />
Anteil der Kinder unter 15 an den nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in der Stadt Bremerhaven: 97,29%.<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; Magistrat Bremerhaven; eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 8.2.:<br />
Anteil der Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen<br />
(unter 15 Jahre)<br />
an der Bevölkerung im entsprechenden Alter<br />
Stadt Bremerhaven: Stadtteile und Ortsteile<br />
Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen<br />
(erwerbsfähige Hilfebedürftige)<br />
Im März 2008 waren in der Stadt Bremerhaven<br />
durchschnittlich 22,2 Prozent der Bevölkerung<br />
im Alter von 15 bis unter 65 Jahren<br />
(März 2007: 22,7 Prozent) beziehungsweise<br />
21,5 Prozent der Männer (März 2007: 22,3<br />
Prozent) und 22,9 Prozent der Frauen (März<br />
2007: 23,1 Prozent) im entsprechenden Alter<br />
auf Arbeits-losengeld II angewiesen (erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige).<br />
<strong>Die</strong> entsprechenden Anteile (Quoten) in den<br />
Stadtteilen reichten bei der Bevölkerung im<br />
Alter von 15 bis unter 65 Jahren insgesamt von<br />
5,2 Prozent im Stadtteil Weddewarden (März<br />
2007: 4,9 Prozent) bis 25,7 Prozent im Stadtteil<br />
Geestemünde (März 2007: 26,2 Prozent).<br />
<strong>Die</strong> drei Stadtteile mit der höchsten Arbeitslosengeld-II-Quote<br />
sind neben dem Stadtteil<br />
Geestemünde (25,7 Prozent) die Stadtteile<br />
Lehe (25,3 Prozent; März 2007: 25,8 Prozent)<br />
und Mitte (22,9 Prozent; März 2007: 23,8<br />
Prozent).<br />
<strong>Die</strong> entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />
reichten bei der Bevölkerung im Alter von<br />
15 bis unter 65 Jahren von 3,7 Prozent in<br />
Speckenbüttel (März 2007: 4,0 Prozent) bis<br />
42,3 Prozent im Ortsteil Goethestraße (März<br />
2007: 43,4 Prozent). <strong>Die</strong> drei Ortsteile mit<br />
der höchsten Arbeitslosengeld-II-Quote sind<br />
neben dem Ortsteil Goethestraße (42,3 Prozent)<br />
die Ortsteile Leherheide-West (38,7 Prozent;<br />
März 2007: 39,3 Prozent) und Grünhöfe<br />
(36,0 Prozent; März 2007: 36,5 Prozent).<br />
<strong>Die</strong> Arbeitslosengeld-II-Quoten der Frauen<br />
reichen auf Stadtteilebene von 3,8 Prozent in<br />
Weddewarden (März 2007: 3,9 Prozent) bis<br />
26,3 Prozent in Geestemünde (März 2007:<br />
ebenfalls 26,3 Prozent), die der Männer von<br />
3,9 Prozent in Surheide (März 2007: 5,3<br />
Prozent) bis 25,4 Prozent in Lehe (März 2007:<br />
26,1 Prozent).<br />
Auf Ortsteilebene reichen die Arbeitslosengeld-<br />
II-Quoten bei den Frauen von 3,8 Prozent in<br />
Weddewarden (Stadtteil und zugleich Ortsteil;<br />
März 2007: 3,9 Prozent) bis 44,0 Prozent<br />
im Ortsteil Goethestraße (März 2007: 44,4<br />
Prozent), bei den Männern von 3,1 Prozent in<br />
Speckenbüttel (März 2007: 4,1 Prozent) bis<br />
40,5 Prozent im Ortsteil Goethestraße (März<br />
2007: 42,4 Prozent).<br />
Sozialgeld-Empfänger/innen unter 15 Jahre<br />
(nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
unter 15 Jahre)<br />
Im März 2008 lebten in der Stadt Bremerhaven<br />
41,1 Prozent der Kinder im Alter von unter<br />
15 Jahren in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
(März 2007: 41,5 Prozent). Das heißt, ihre Mütter<br />
und/oder Väter waren – ganz oder ergänzend<br />
– auf Arbeitslosengeld II angewiesen.<br />
<strong>Die</strong> entsprechenden Quoten reichten in den<br />
Stadtteilen von 8,7 Prozent im Stadtteil<br />
Surheide (März 2007: 9,2 Prozent) bis 50,9<br />
Prozent im Stadtteil Mitte (März 2007: 53,6<br />
Prozent). <strong>Die</strong> drei Stadtteile mit der höchsten<br />
Quote von Kindern unter 15 in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
sind neben dem Stadtteil Mitte<br />
(50,9 Prozent) die Stadtteile Geestemünde<br />
(48,9 Prozent; März 2007: 48,6 Prozent) und<br />
Lehe (43,4 Prozent; März 2007: 43,3 Prozent).<br />
<strong>Die</strong> entsprechenden Quoten in den Ortsteilen<br />
reichten von 6,3 Prozent in Speckenbüttel<br />
(März 2007: 7,4 Prozent) bis 64,7 Prozent im<br />
Ortsteil Goethestraße (März 2007: 64,6 Prozent).<br />
<strong>Die</strong> drei Ortsteile mit der höchsten Quote<br />
von Kindern unter 15 in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften<br />
sind neben dem Ortsteil Goethestraße<br />
(64,7 Prozent) die Ortsteile Leherheide-West<br />
(62,7 Prozent; März 2007: 63,5 Prozent)<br />
und Klushof (59,4 Prozent; März 2007: 58,9<br />
Prozent).<br />
137
138<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 9.1: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (BG):<br />
Ausgaben <strong>für</strong> Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Bund und Kommunen) pro Monat – Stadt Bremen<br />
revidierte Daten nach Wartezeit von drei Monaten<br />
insgesamt (brutto) Arbeitslosengeld II Sozialgeld ohne Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft SV-Beiträge Sonstige<br />
ohne LfU (netto) LfU (netto) und Heizung (LfU) Leistungen<br />
Mio. Euro/ Euro/ Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Euro/ Mio Euro/ Mio. Euro/<br />
Euro BG LE* Alg-II-E** Euro Alg-II-E** Euro SG-E Euro BG LE* Euro Alg-II-E** Euro LE*<br />
- 1 - - 2 - - 3 - - 4 - - 5 - - 6 - - 7 - - 8 - - 9 - - 10 - - 11 - - 12 - - 13 - - 14 - -15 -<br />
2005 35,8 877 492 684 14,0 267 0,7 36 12,4 305 171 8,5 161 0,2 3<br />
2006 37,7 877 484 672 14,7 262 0,8 35 13,4 313 172 8,6 153 0,2 3<br />
2007 33,8 849 444 620 13,8 253 0,7 33 13,1 328 172 6,0 111 0,2 3<br />
1.Qua. 07 34,5 851 446 622 14,0 253 0,7 34 13,3 328 172 6,2 112 0,2 3<br />
1.Qua. 08 33,5 853 445 624 13,5 251 0,7 33 13,0 332 173 6,0 113 0,2 3<br />
Jan 2006 37,8 876 491 681 14,8 267 0,8 35 13,2 306 171 8,9 160 0,2 2<br />
Feb 2006 38,2 876 492 682 14,9 266 0,8 36 13,4 306 172 9,0 160 0,2 2<br />
Mrz 2006 38,7 879 494 684 15,1 266 0,8 35 13,5 307 172 9,1 161 0,3 3<br />
Apr 2006 38,5 871 490 678 15,1 265 0,8 35 13,6 307 173 8,8 155 0,3 3<br />
Mai 2006 38,6 872 490 679 15,1 265 0,8 35 13,6 308 173 8,8 155 0,3 4<br />
Jun 2006 38,3 867 487 675 14,9 263 0,8 35 13,6 308 173 8,8 155 0,3 3<br />
Jul 2006 37,9 865 482 667 14,8 261 0,8 34 13,6 310 173 8,5 150 0,2 3<br />
Aug 2006 37,6 870 480 665 14,7 260 0,7 34 13,5 314 173 8,4 149 0,2 2<br />
Sep 2006 37,3 878 478 664 14,5 259 0,8 35 13,4 316 172 8,4 149 0,2 3<br />
Okt 2006 36,9 887 476 663 14,3 257 0,8 35 13,4 321 173 8,3 148 0,2 2<br />
Nov 2006 36,7 892 475 662 14,2 256 0,8 34 13,3 324 172 8,2 149 0,2 2<br />
Dez 2006 36,2 897 472 659 14,0 254 0,7 34 13,2 326 171 8,2 149 0,2 2<br />
Jan 2007 34,3 850 446 622 14,0 253 0,7 34 13,2 328 172 6,2 112 0,2 3<br />
Feb 2007 34,5 850 446 621 14,1 253 0,7 34 13,3 327 172 6,2 112 0,2 3<br />
Mrz 2007 34,7 852 447 622 14,1 253 0,7 34 13,4 329 172 6,2 112 0,2 3<br />
Apr 2007 34,4 849 446 620 14,0 252 0,7 34 13,3 328 172 6,2 111 0,3 3<br />
Mai 2007 34,2 851 446 621 13,9 253 0,7 33 13,2 328 172 6,1 111 0,3 4<br />
Jun 2007 34,0 848 444 618 13,8 251 0,7 33 13,1 327 171 6,1 111 0,2 3<br />
Jul 2007 33,9 848 443 618 13,8 252 0,7 33 13,1 327 171 6,1 110 0,2 3<br />
Aug 2007 33,6 845 443 618 13,7 252 0,7 33 13,0 327 171 6,0 111 0,2 3<br />
Sep 2007 33,4 849 443 621 13,6 253 0,7 33 13,0 330 172 5,9 110 0,2 2<br />
Okt 2007 33,3 849 444 622 13,5 253 0,7 33 13,0 331 173 5,9 109 0,2 3<br />
Nov 2007 33,0 849 444 622 13,4 253 0,7 33 12,9 331 173 5,8 110 0,2 3<br />
Dez 2007 32,8 844 441 618 13,3 252 0,7 33 12,8 329 172 5,8 109 0,2 2<br />
Jan 2008 33,3 852 444 623 13,4 251 0,7 33 12,9 331 173 6,0 113 0,2 3<br />
Feb 2008 33,6 853 446 624 13,5 251 0,7 33 13,1 332 173 6,1 112 0,2 3<br />
Mrz 2008 33,5 853 446 624 13,5 250 0,7 33 13,1 333 174 6,0 112 0,3 4<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; eigene Berechnungen.<br />
* LE = Leistungsempfänger/in (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld)<br />
** E = Empfänger/in
Zu Tabelle 9.1:<br />
Ausgaben <strong>für</strong> SGB-II-Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhaltes pro Monat<br />
Stadt Bremen<br />
Im ersten Quartal 2008 wurden in der Stadt<br />
Bremen vom Bund und der Stadt Bremen<br />
durchschnittlich 33,5 Millionen Euro pro Monat<br />
(brutto) <strong>für</strong> SGB-II-Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhaltes ausgegeben. <strong>Die</strong>s waren<br />
etwa eine Million Euro pro Monat weniger als im<br />
ersten Quartal 2007.<br />
Von den durchschnittlich 33,5 Millionen Euro<br />
im ersten Quartal 2008 entfielen 13,5 Millionen<br />
Euro (40,2 Prozent) auf das Arbeitslosengeld II,<br />
0,7 Millionen Euro (2,1 Prozent) auf das Sozialgeld<br />
(jeweils ohne die Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft<br />
und Heizung), 13,0 Millionen Euro (38,9 Prozent)<br />
auf die Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft und<br />
Heizung, 6,0 Millionen Euro (18,1 Prozent) auf<br />
die Beiträge zur Sozialversicherung und 0,2<br />
Millionen Euro (0,7 Prozent) auf die sonstigen<br />
Leistungen. 51<br />
Der Vergleich der SGB-II-Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhalts pro Bedarfsge-meinschaft,<br />
pro Leistungsempfänger/in 52<br />
beziehungsweise pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in<br />
im ersten Quartal der Jahre 2008 und<br />
2007 zeigt: Sowohl die monatlichen Ausgaben<br />
pro Bedarfsgemeinschaft (853 Euro im ersten<br />
Quartal 2008, 851 Euro im ersten Quartal<br />
2007) als auch die Ausgaben pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in<br />
(624 Euro im ersten<br />
Quartal 2008, 622 Euro im ersten Quartal<br />
2007) haben sich im Vorjahresvergleich kaum<br />
verändert.<br />
<strong>Die</strong> Nettoausgaben <strong>für</strong> Arbeitslosengeld II<br />
(ohne die Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft und<br />
Heizung) pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in<br />
sanken im Vergleich des ersten Quartals 2008<br />
mit dem ersten Quartal 2007 um etwa zwei<br />
Euro auf 251 Euro pro Monat.<br />
<strong>Die</strong> monatlichen Ausgaben <strong>für</strong> Unterkunft<br />
und Heizung stiegen pro Bedarfsgemeinschaft<br />
um 4,10 Euro (1,3 Prozent) auf 332 Euro.<br />
Pro Leistungsempfänger/in stiegen diese Ausgaben<br />
jedoch lediglich um 1,37 Euro (0,8<br />
Prozent) – von 172,01 Euro auf 173,38 Euro.<br />
Von den Ausgaben im ersten Quartal 2008<br />
hatte der Bund etwa 71,5 Prozent (23,9 Millionen<br />
Euro) und die Stadt Bremen 28,5 Prozent<br />
(9,5 Millionen Euro) zu tragen. 53 Der Anteil<br />
der Stadt Bremen an den Ausgaben <strong>für</strong> SGB-II-<br />
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes<br />
ist damit weiter gestiegen – im Wesentlichen<br />
wegen des von 31,2 Prozent auf 28,6<br />
Prozent reduzierten Anteils des Bundes an den<br />
kommunalen Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft und<br />
Heizung.<br />
Hinweis: <strong>Die</strong> in dieser Tabelle dargestellte<br />
Entwicklung der Ausgaben <strong>für</strong> Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhaltes gibt keine<br />
Auskunft über die in den Antragsverfahren anerkannten<br />
Bedarfe der SGB-II-Bedarfsgemeinschaften.<br />
Im März 2008 wurden in der Stadt Bremen<br />
bei 22.660 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (57,6<br />
Prozent der Bedarfsgemeinschaften insgesamt)<br />
Einkommen in Höhe von insgesamt über 10,0<br />
Millionen Euro angerechnet, etwa 255 Euro pro<br />
Bedarfsgemeinschaft (März 2007: 242 Euro)<br />
beziehungsweise 442 Euro pro Bedarfsgemeinschaft<br />
mit anrechenbarem Einkommen (März<br />
2007: 422 Euro). 54 Unter den insgesamt 39.314<br />
Bedarfsgemeinschaften waren unter anderem<br />
15.191 (38,6 Prozent; März 2007: 37,8 Prozent)<br />
Bedarfsgemeinschaften mit anrechenbarem<br />
Einkommen aus Kindergeld und 10.372<br />
(26,4 Prozent) Bedarfsgemeinschaften mit anrechenbarem<br />
Einkommen aus Erwerbstätigkeit –<br />
deutlich mehr als ein Jahr zuvor (März 2007:<br />
22,1 Prozent). In 2.468 (6,3 Prozent; März<br />
2007: 6,0 Prozent) Bedarfsgemeinschaften<br />
wurden Sozialleistungen angerechnet, darunter<br />
in 1.063 Bedarfsgemeinschaften Arbeitslosengeld<br />
gemäß SGB III (Arbeitsförderung).<br />
51 Als sonstige Leistungen werden von der Statistik der Bundesagentur<br />
<strong>für</strong> Arbeit insbesondere die nicht von der Regelleistung umfassten<br />
kommunalen Leistungen zusammengefasst: Leistungen <strong>für</strong><br />
Erstausstattungen <strong>für</strong> die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte,<br />
<strong>für</strong> Erstausstattungen <strong>für</strong> Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft<br />
und Geburt sowie <strong>für</strong> mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen<br />
der schulrechtlichen Bestimmungen (§ 23 SGB II).<br />
52 Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen zusammen.<br />
53 <strong>Die</strong> Kommunen haben gemäß § 46 SGB II in Verbindung mit § 6<br />
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II die Aufwendungen <strong>für</strong> Unterkunft und<br />
Heizung zu tragen. Der Bund trug gemäß § 46 Abs. 6 SGB II in<br />
den Jahren 2005 und 2006 29,1 Prozent und im Jahr 2007 im<br />
Land Bremen und 13 weiteren Ländern 31,2 Prozent dieser Ausgaben<br />
(Baden-Württemberg 2007: 35,2 Prozent; Rheinland-Pfalz<br />
2007: 41,2 Prozent). Im Jahr 2008 sank dieser Anteil im Land<br />
Bremen und 13 weiteren Ländern auf 28,6 Prozent (Baden-Württemberg<br />
2008: 32,6 Prozent; Rheinland-Pfalz 2008: 38,6 Prozent).<br />
54 Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA): Statistik der Grundsicherung<br />
<strong>für</strong> Arbeitsuchende nach SGB II, Report <strong>für</strong> Kreise und<br />
kreisfreie Städte, Berichtsmonat März 2008, Nürnberg;<br />
139
140<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 9.2: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (BG): Ausgaben <strong>für</strong> Leistungen zur Sicherung<br />
des Lebensunterhaltes (Bund und Kommunen) pro Monat – Stadt Bremerhaven<br />
revidierte Daten nach Wartezeit von drei Monaten<br />
insgesamt (brutto) Arbeitslosengeld II Sozialgeld ohne Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft SV-Beiträge Sonstige<br />
ohne LfU (netto) LfU (netto) und Heizung (LfU) Leistungen<br />
Mio. Euro/ Euro/ Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Mio. Euro/ Euro/ Mio Euro/ Mio. Euro/<br />
Euro BG LE* Alg-II-E** Euro Alg-II-E** Euro SG-E Euro BG LE* Euro Alg-II-E** Euro LE*<br />
- 1 - - 2 - - 3 - - 4 - - 5 - - 6 - - 7 - - 8 - - 9 - - 10 - - 11 - - 12 - - 13 - - 14 - -15 -<br />
2005 - - - - - - - - - - - - - - -<br />
2006 11,1 865 465 645 4,4 258 0,2 31 3,8 298 160 2,6 149 0,1 3<br />
2007 10,1 847 431 600 4,2 251 0,2 30 3,8 317 161 1,8 108 0,1 3<br />
1.Qua. 07 10,2 846 430 599 4,3 250 0,2 30 3,8 317 161 1,9 109 0,1 3<br />
1.Qua. 08 10,0 853 434 604 4,2 252 0,2 31 3,7 315 160 1,9 113 0,1 3<br />
Jan 2006 11,1 861 469 651 4,5 262 0,2 31 3,7 290 158 2,6 154 0,1 2<br />
Feb 2006 11,2 862 469 651 4,5 262 0,2 32 3,8 290 158 2,7 155 0,1 3<br />
Mrz 2006 11,4 864 471 654 4,6 262 0,2 32 3,8 292 159 2,7 155 0,1 3<br />
Apr 2006 11,3 856 468 650 4,5 261 0,2 31 3,9 293 160 2,6 150 0,1 3<br />
Mai 2006 11,3 856 469 649 4,5 262 0,2 31 3,8 291 159 2,6 150 0,1 4<br />
Jun 2006 11,2 853 469 649 4,5 260 0,2 31 3,8 292 160 2,6 150 0,1 4<br />
Jul 2006 11,1 851 464 642 4,5 259 0,2 31 3,8 294 160 2,5 146 0,1 2<br />
Aug 2006 11,0 856 461 639 4,4 258 0,2 30 3,8 297 160 2,5 145 0,1 2<br />
Sep 2006 10,9 864 459 636 4,4 255 0,2 30 3,8 301 160 2,5 145 0,1 3<br />
Okt 2006 10,8 874 457 636 4,3 253 0,2 31 3,8 307 160 2,5 145 0,1 2<br />
Nov 2006 10,9 890 462 641 4,3 252 0,2 31 3,9 317 164 2,5 145 0,1 3<br />
Dez 2006 10,8 902 462 641 4,2 251 0,2 31 3,9 323 165 2,5 145 0,0 2<br />
Jan 2007 10,2 846 430 599 4,3 250 0,2 30 3,8 318 161 1,9 109 0,1 2<br />
Feb 2007 10,2 846 431 598 4,3 251 0,2 30 3,8 315 161 1,9 109 0,1 3<br />
Mrz 2007 10,3 846 431 599 4,3 251 0,2 30 3,8 317 161 1,9 109 0,1 2<br />
Apr 2007 10,2 843 429 597 4,2 249 0,2 30 3,8 316 161 1,8 108 0,1 3<br />
Mai 2007 10,1 848 431 600 4,2 250 0,2 30 3,8 319 162 1,8 108 0,1 4<br />
Jun 2007 10,1 848 429 598 4,2 249 0,2 30 3,8 319 161 1,8 108 0,1 3<br />
Jul 2007 10,1 849 430 600 4,2 251 0,2 30 3,8 319 162 1,8 108 0,1 3<br />
Aug 2007 10,0 842 428 597 4,2 249 0,2 30 3,7 316 160 1,8 108 0,1 3<br />
Sep 2007 10,0 849 431 601 4,2 253 0,2 31 3,7 317 161 1,8 108 0,1 2<br />
Okt 2007 9,9 848 431 601 4,2 253 0,2 31 3,7 317 161 1,8 108 0,1 3<br />
Nov 2007 9,9 851 433 605 4,2 254 0,2 31 3,7 319 163 1,8 109 0,0 2<br />
Dez 2007 9,9 849 433 604 4,1 253 0,2 31 3,7 318 162 1,8 109 0,0 2<br />
Jan 2008 10,0 852 433 603 4,2 252 0,2 31 3,7 315 160 1,9 113 0,1 3<br />
Feb 2008 10,1 853 434 604 4,2 253 0,2 31 3,7 315 160 1,9 113 0,1 3<br />
Mrz 2008 10,0 855 435 605 4,2 251 0,2 30 3,7 317 161 1,9 113 0,1 3<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; eigene Berechnungen.<br />
* LE = Leistungsempfänger/in (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld)<br />
** E = Empfänger/in
Zu Tabelle 9.2:<br />
Ausgaben <strong>für</strong> SGB-II-Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhaltes pro Monat<br />
Stadt Bremerhaven<br />
Im ersten Quartal 2008 wurden in der Stadt<br />
Bremerhaven vom Bund und der Stadt Bremerhaven<br />
durchschnittlich 10,0 Millionen Euro pro<br />
Monat (brutto) <strong>für</strong> SGB-II-Leistungen zur Sicherung<br />
des Lebensunterhaltes ausgegeben.<br />
<strong>Die</strong>s waren etwa 0,2 Millionen Euro pro Monat<br />
weniger als im ersten Quartal 2007.<br />
Von den durchschnittlich 10,0 Millionen Euro<br />
im ersten Quartal 2008 entfielen 41,7 Prozent<br />
(4,2 Millionen Euro) auf das Arbeitslosengeld II,<br />
2,0 Prozent (0,2 Millionen Euro) auf das Sozialgeld<br />
(jeweils ohne die Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft<br />
und Heizung), 37,0 Prozent (3,7 Millionen Euro)<br />
auf die Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft und Heizung,<br />
18,7 Prozent (1,9 Millionen Euro) auf die Beiträge<br />
zur Sozialversicherung und 0,7 Prozent (0,1<br />
Millionen Euro) auf die sonstigen Leistungen. 55<br />
Der Vergleich der SGB-II-Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhalts pro Bedarfsgemeinschaft,<br />
pro Leistungsempfänger/in 56<br />
beziehungsweise pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in<br />
im ersten Quartal der Jahre 2007<br />
und 2008 zeigt: <strong>Die</strong> monatlichen Ausgaben pro<br />
Bedarfsgemeinschaft stiegen im Vergleich zum<br />
ersten Quartal 2007 geringfügig um etwa 7<br />
Euro (0,9 Prozent) auf 853 Euro, die Ausgaben<br />
pro Leistungsempfänger/in um etwa 4 Euro<br />
(0,8 Prozent) auf 434 Euro und die Ausgaben<br />
pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in um 5 Euro<br />
(1,0 Prozent) auf 604 Euro.<br />
<strong>Die</strong> Ausgaben pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in<br />
lagen in der Stadt Bremerhaven im<br />
ersten Quartal 2008 mit 604 Euro etwa 20<br />
Euro (3,1 Prozent) unter den entsprechenden<br />
Ausgaben in der Stadt Bremen – insbesondere<br />
wegen der geringeren Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft<br />
und Heizung (niedrigere Mieten).<br />
<strong>Die</strong> Nettoausgaben <strong>für</strong> Arbeitslosengeld II<br />
(ohne die Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft und Heizung)<br />
pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger/in<br />
stiegen im Vergleich des ersten Quartals 2008<br />
mit dem ersten Quartal 2007 um 1,58 Euro<br />
(0,6 Prozent) auf 252 Euro pro Monat.<br />
<strong>Die</strong> monatlichen Ausgaben <strong>für</strong> Unterkunft<br />
und Heizung sanken geringfügig, um 1,27 Euro<br />
(0,4 Prozent) auf 315 Euro pro Bedarfsgemeinschaft<br />
beziehungsweise um 0,81 Euro (0,5 Prozent)<br />
auf 160 Euro pro Leistungsempfänger/in.<br />
Von den Ausgaben im ersten Quartal 2008<br />
hatte der Bund etwa 72,9 Prozent (7,3 Millionen<br />
Euro) und die Stadt Bremerhaven 27,1<br />
Prozent (2,7 Millionen Euro) zu tragen. 57<br />
Der Anteil der Stadt Bremerhaven an den<br />
Ausgaben <strong>für</strong> SGB-II-Leistungen zur Sicherung<br />
des Lebensunterhaltes ist damit weiter gestiegen<br />
– im Wesentlichen wegen des von 31,2<br />
Prozent auf 28,6 Prozent reduzierten Anteils<br />
des Bundes an den kommunalen Leistungen <strong>für</strong><br />
Unterkunft und Heizung.<br />
Hinweis: <strong>Die</strong> in dieser Tabelle dargestellte Entwicklung<br />
der Ausgaben <strong>für</strong> Leistungen zur Sicherung<br />
des Lebensunterhaltes gibt keine Auskunft<br />
über die in den Antragsverfahren anerkannten<br />
Bedarfe der SGB-II-Bedarfsgemeinschaften. Im<br />
März 2008 wurden in der Stadt Bremerhaven bei<br />
6.705 SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (57,1 Prozent<br />
der Bedarfsgemeinschaften insgesamt) Einkommen<br />
in Höhe von insgesamt 3,0 Millionen<br />
Euro angerechnet, etwa 253 Euro pro Bedarfsgemeinschaft<br />
(März 2007: 251 Euro) beziehungsweise<br />
443 Euro pro Bedarfs-gemeinschaft mit<br />
anrechenbarem Einkommen (März 2007: 427<br />
Euro). 58 Unter den insgesamt 11.751 Bedarfsgemeinschaften<br />
waren unter anderem 4.720<br />
Bedarfsgemeinschaften (40,2 Prozent; März<br />
2007: 40,5 Prozent) mit anrechenbarem Einkommen<br />
aus Kindergeld und 2.874 Bedarfsgemeinschaften<br />
(24,5 Prozent) mit anrechenbarem Einkommen<br />
aus Erwerbstätigkeit – mehr als ein Jahr<br />
zuvor (März 2007: 22,3 Prozent). In 855 (7,3<br />
Prozent; März 2007: 7,2 Prozent) Bedarfsgemeinschaften<br />
wurden Sozialleistungen angerechnet,<br />
darunter in 313 Bedarfsgemeinschaften<br />
Arbeitslosengeld gemäß SGB III (Arbeitsförderung).<br />
55 Als sonstige Leistungen werden von der Statistik der Bundesagentur<br />
<strong>für</strong> Arbeit insbesondere die nicht von der Regelleistung umfassten<br />
kommunalen Leistungen zusammengefasst: Leistungen <strong>für</strong><br />
Erstausstattungen <strong>für</strong> die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte,<br />
<strong>für</strong> Erstausstattungen <strong>für</strong> Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft<br />
und Geburt sowie <strong>für</strong> mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen<br />
der schulrechtlichen Bestimmungen (§ 23 SGB II).<br />
56 Arbeitslosengeld-II- und Sozialgeld-Empfänger/innen zusammen.<br />
57 <strong>Die</strong> Kommunen haben gemäß § 46 SGB II in Verbindung mit § 6<br />
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II die Aufwendungen <strong>für</strong> Unterkunft und<br />
Heizung zu tragen. Der Bund trägt gemäß § 46 Abs. 6 SGB II in<br />
den Jahren 2005 und 2006 29,1 Prozent und im Jahr 2007 im<br />
Land Bremen und 13 weiteren Ländern 31,2 Prozent dieser Ausgaben<br />
(Baden-Württemberg 2007: 35,2 Prozent; Rheinland-Pfalz<br />
2007: 41,2 Prozent). Im Jahr 2008 sank dieser Anteil im Land<br />
Bremen und 13 weiteren Ländern auf 28,6 Prozent (Baden-Württemberg<br />
2008: 32,6 Prozent; Rheinland-Pfalz 2008: 38,6 Prozent).<br />
58 Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit (BA): Statistik der Grundsicherung<br />
<strong>für</strong> Arbeitsuchende nach SGB II, Report <strong>für</strong> Kreise und<br />
kreisfreie Städte, Berichtsmonat März 2008; eigene Berechnungen.<br />
141
142<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Tabelle 10: Vergleich der zeitnah berichteten und nach einer Wartezeit<br />
von drei Monaten rierten Daten: Erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
(Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen) – Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven<br />
Stadt Bremen Stadt Bremerhaven<br />
Alg-II-E Alg-II-E Differenz Alg-II-E Alg-II-E Alg-II-E Differenz Alg-II-E<br />
vorläufig revidiert revidiert – vorläufig vorläufig revidiert revidiert – vorläufig<br />
insgesamt insgesamt absolut in v. H. insgesamt insgesamt absolut in v. H.<br />
Jan 2007 53.167 55.142 +1.975 +3,7% 16.715 17.072 +357 +2,1%<br />
Feb 2007 53.883 55.594 +1.711 +3,2% 16.755 17.106 +351 +2,1%<br />
Mrz 2007 54.071 55.701 +1.630 +3,0% 16.760 17.130 +370 +2,2%<br />
Apr 2007 54.030 55.400 +1.370 +2,5% 16.633 17.021 +388 +2,3%<br />
Mai 2007 53.796 55.086 +1.290 +2,4% 16.619 16.900 +281 +1,7%<br />
Jun 2007 53.356 54.921 +1.565 +2,9% 16.440 16.841 +401 +2,4%<br />
Jul 2007 53.549 54.794 +1.245 +2,3% 16.647 16.870 +223 +1,3%<br />
Aug 2007 52.970 54.281 +1.311 +2,5% 16.446 16.759 +313 +1,9%<br />
Sep 2007 52.047 53.870 +1.823 +3,5% 16.146 16.552 +406 +2,5%<br />
Okt 2007 51.984 53.512 +1.528 +2,9% 16.124 16.547 +423 +2,6%<br />
Nov 2007 51.697 53.098 +1.401 +2,7% 16.103 16.442 +339 +2,1%<br />
Dez 2007 51.045 53.054 +2.009 +3,9% 15.862 16.379 +517 +3,3%<br />
Jan 2008 51.748 53.515 +1.767 +3,4% 16.209 16.598 +389 +2,4%<br />
Feb 2008 52.162 53.814 +1.652 +3,2% 16.300 16.627 +327 +2,0%<br />
Mrz 2008 51.836 53.713 +1.877 +3,6% 16.170 16.602 +432 +2,7%<br />
Apr 2008 52.367 . . . 16.153 . . .<br />
Mai 2008 51.965 . . . 15.982 . . .<br />
Jun 2008 51.390 . . . 15.621 . . .<br />
Jul 2008 51.768 . . . 15.727 . . .<br />
Quellen: Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit; eigene Berechnungen.
Zu Tabelle 10:<br />
Vergleich der zeitnah berichteten und nach<br />
einer Wartezeit von drei Monaten revidierten<br />
Daten: Erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />
(Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen)<br />
<strong>Die</strong> Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit veröffentlicht<br />
die Daten zur ›Grundsicherung <strong>für</strong><br />
Arbeitsuchende‹ zunächst vorläufig. <strong>Die</strong> zeitnahe<br />
Berichterstattung – etwa zwei Wochen<br />
nach dem jeweiligen Stichtag (Monatsmitte) –<br />
wird nach einer Wartezeit von drei Monaten<br />
korrigiert. Begründung: ›Für einen Teil der Fälle<br />
können von den Trägern der Grundsicherung<br />
<strong>für</strong> Arbeitsuchende die Leistungen erst nach<br />
Beginn des Zeitraumes bewilligt werden, <strong>für</strong><br />
den die Hilfsbedürftigen einen Anspruch haben.<br />
Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn zu<br />
spät eingereichte Antragsunterlagen zu einer<br />
nachträglichen Bewilligung führen. Andersherum<br />
kann eine zeitintensive Klärung sowie<br />
Überprüfung grundlegender Sachverhalte eine<br />
nachträgliche Aufhebung notwendig machen.<br />
<strong>Die</strong>se Fälle können bei der statistischen Auswertung<br />
der Verwaltungsdaten im aktuellen<br />
Monat noch nicht berücksichtigt werden. Nach<br />
einer gewissen Wartezeit führt eine erneute<br />
statistische Auswertung dann zu einem korrigierten<br />
Bild auf einer sichereren Grundlage.‹ 59<br />
Der Vergleich der zeitnah berichteten Daten<br />
mit den nach einer Wartezeit von drei Monaten<br />
korrigierten Daten – hier am Beispiel der<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen – zeigt: <strong>Die</strong><br />
nach einer Wartezeit korrigierten Daten lagen<br />
bisher immer deutlich über den zeitnah berichteten<br />
Daten. Der absolute Korrekturbedarf<br />
schwankte in den letzten sechs Monaten des<br />
Berichtszeitraums mit revidierten Daten<br />
(Oktober 2007 bis März 2008) in der Stadt<br />
Bremen zwischen +1.401 (November 2007)<br />
und +2.009 (Dezember 2007) und in der Stadt<br />
Bremerhaven von +327 (Februar 2008) und<br />
+517 (Dezember 2007). Der relative Korrekturbedarf<br />
schwankte in den letzten sechs Monaten<br />
des Berichtszeitraums mit revidierten Daten<br />
(Oktober 2007 bis März 2008) in der Stadt<br />
Bremen zwischen +2,7 Prozent (November<br />
2007) und +3,9 Prozent (Dezember 2007) und<br />
in der Stadt Bremerhaven von +2,0 Prozent<br />
(Februar 2008) und +3,3 Prozent (Dezember<br />
2007).<br />
59 Statistik der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit, Statistik der Grundsicherung<br />
<strong>für</strong> Arbeitsuchende nach dem SGB II: Bedarfsgemeinschaften<br />
und deren Mitglieder – Juni 2006 – Daten nach einer Wartezeit<br />
von drei Monaten, Seite 4.<br />
143
<strong>Die</strong> Tatsache ist uns schon beinahe zu vertraut, als dass sie uns noch aufrütteln<br />
würde: Viele <strong>Jugendliche</strong> finden nach der <strong>Schule</strong> keinen direkten Weg ins Berufsleben.<br />
Mal gibt es mehr, mal weniger Ausbildungsplätze – je nach konjunktureller<br />
Lage – aber <strong>für</strong> alle reicht es schon lange nicht mehr. Sofern es doch einmal rechnerisch<br />
hinkommt, alle Bremer Schulabsolventen auch mit einem Ausbildungsplatz<br />
zu versorgen, werden in der Regel diejenigen vergessen, die sich ein oder mehrere<br />
Jahre in den sogenannten Übergangssystemen befinden. Von diesen <strong>Jugendliche</strong>n,<br />
die im ersten Anlauf keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, handelt der<br />
Schwerpunkt unseres diesjährigen Armutsberichts.<br />
Es gibt eine Fülle von Maßnahmen, die vonseiten des Staates ergriffen werden,<br />
um diese <strong>Jugendliche</strong>n zu fördern und ihnen den Weg ins Arbeitsleben zu bereiten.<br />
Unser Bericht wie auch überregionale Studien zeigen aber, dass es trotz eines<br />
breit angelegten Übergangssystems oft nicht gelingt, die Ausbildungswünsche <strong>für</strong> alle<br />
einzulösen. Selbst eine erfolgreiche Teilnahme an den Maßnahmen ist längst keine<br />
Garantie <strong>für</strong> den Beginn einer qualifizierenden Berufsausbildung.<br />
Eine ›Zwischenstation‹ wie das Übergangssystem kann nur erfolgreich sein, wenn<br />
die <strong>Jugendliche</strong>n am Ende <strong>für</strong> ihr Warten und ihre Bildungsanstrengungen auch<br />
belohnt werden: Da<strong>für</strong> braucht es mehr Ausbildungsplätze, insbesondere auch <strong>für</strong><br />
diejenigen mit Hauptschulabschluss beziehungsweise leistungsschwächere<br />
Absolventen, die heute allzu oft leer ausgehen.<br />
Was das Übergangssystem auf keinen Fall sein darf (<strong>für</strong> einen Teil der dort Betreuten<br />
aber faktisch schon ist!): ein Wartesaal der Armut. Schon jetzt beziehen 18 Prozent<br />
der 15- bis 25-Jährigen in Bremen Arbeitslosengeld II. Mit dieser Zahl zeigt sich<br />
deutlich, dass unter den Jüngeren massive Probleme bestehen, die Schwelle zur<br />
Arbeitswelt und in einen existenzsichernden Beruf zu nehmen.<br />
Aus Sicht der Arbeitnehmerkammer muss das gesellschaftliche Versprechen, dass<br />
jede/r <strong>Jugendliche</strong> einen Ausbildungsplatz bekommt, dringend erneuert werden. <strong>Die</strong><br />
Bremer Vereinbarung ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung. Verantwortlich sind<br />
hier alle: Wirtschaft und Staat. Keine Finanzkrise, keine Rezession darf dazu führen,<br />
dass sich die beteiligten Akteure aus dieser Verantwortung wieder herausstehlen.<br />
Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen<br />
›<strong>Jugendliche</strong> zwischen<br />
<strong>Schule</strong> und Beruf‹<br />
Armut in Bremen Bericht 2008 > Schwerpunkt: ›<strong>Jugendliche</strong> zwischen <strong>Schule</strong> und Beruf‹