Forschungs- und Laborbauten 2016
Jährliches Fachmagazin für Planung, Bau und Ausstattung von Forschungs- und Laborbauten.
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Projektvorstellungen<br />
Bild 4. Spanngliedführung in der Abfangdecke über den Seminarräumen<br />
Bild 5. Spannseilfassade zu den Innenhöfen<br />
bestand der Wunsch nach einer optimierten Ausnutzung<br />
des umbauten Raumes <strong>und</strong> einer Minimierung der tragenden<br />
Bauteile mit dem Ziel, ein Maximum an Nutzwert, Flexibilität<br />
<strong>und</strong> repräsentative Architektur sowie größtmögliche<br />
Transparenz in Einklang zu bringen.<br />
Bedingt durch die unterschiedlichen Nutzungen des<br />
Biologicums <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen stark abweichenden<br />
Anforderungen an das Tragwerk, war es trotz der minimierten<br />
Anzahl tragender Bauteile <strong>und</strong> der großen Regelspannweiten<br />
nicht möglich, ein über das gesamte Gebäude<br />
einheitliches <strong>und</strong> durch alle Ebenen streng durchlaufendes<br />
Tragsystem auszubilden. So ergab sich aus der nutzungsbedingten<br />
Anordnung von stützenfreien Seminarräumen mit<br />
ca. 15 m × 15 m Gr<strong>und</strong>fläche im 1. Untergeschoss des nördlichen<br />
Flügels A die Anforderung, die Mittelstützen der vier<br />
darüber liegenden Geschosse über den Seminarräumen<br />
abzufangen.<br />
Da über den gesamten Gebäudekomplex geschossweise<br />
einheitliche Deckenoberkanten ohne Deckensprünge<br />
erforderlich waren <strong>und</strong> eine Vergrößerung der Geschosshöhe<br />
des gesamten 1. Untergeschosses aufgr<strong>und</strong> von einzelnen<br />
Seminarräumen sowohl wirtschaftlich als auch gestalterisch<br />
nicht vertretbar war, kam eine Abfangung der<br />
Stützen mittels Trägerrost beziehungsweise Unterzugssystemen<br />
nicht in Betracht. Zur Anwendung kam eine nur<br />
60 cm dicke Stahlbetonabfangdecke, welche die Seminarräume<br />
als Mehrfeldsystem überspannt. Besonderes Augenmerk<br />
bei jeglicher Art von Stützenabfangungen ist auf die<br />
Einhaltung minimaler Verformungen zu legen, da sich<br />
diese als Stützensenkungen über alle darüber liegenden<br />
Geschosse fortsetzen <strong>und</strong> sich die Gesamtverformungen<br />
im Zusammenspiel mit den hinzukommenden Deckenverformungen<br />
um ein Vielfaches erhöhen <strong>und</strong> so für den Ausbau<br />
<strong>und</strong> die spätere Nutzung negative Einflüsse haben<br />
können.<br />
Beim Biologicum wurde von der Ingenieurgesellschaft<br />
Mayer-Vorfelder <strong>und</strong> Dinkelacker eine Vorspannung der<br />
Abfangdecke mittels Monolitzen konzipiert, mit der es<br />
zum einen möglich wurde, die Verformungen unter den<br />
abzufangenden Stützen auf wenige Millimeter zu begrenzen<br />
<strong>und</strong> zum anderen durch die über die Vorspannung<br />
aufgebrachten Betondruckkräfte die Tragfähigkeit der Decke<br />
soweit zu erhöhen, dass die Einleitung der hohen Stützenlasten<br />
in die vergleichsweise dünne Decke statisch<br />
möglich wurde.<br />
Die Vorspannung der Decke erfolgt über insgesamt<br />
50 Spannglieder mit jeweils vier Monolitzen, welche in einem<br />
Abstand von 20 cm angeordnet sind. Teilweise wurde<br />
es erforderlich, diesen Regelabstand an die Durchführungen<br />
von Haus- <strong>und</strong> Labortechnik anzupassen. Um die Untersprießungszeiten<br />
der Abfangdecke zu reduzieren <strong>und</strong><br />
somit eine wirtschaftliche Vorhaltungsdauer der Rüstung<br />
zu ermöglichen, wurde die Vorspannung schrittweise in<br />
Abhängigkeit von der Erstellung der darüber liegenden Decken<br />
<strong>und</strong> der dementsprechend erhöhten Beanspruchungen<br />
aus Eigengewicht aufgebracht. Durch diese Wahl der<br />
Spannreihenfolge war es zudem möglich, bereits während<br />
der Rohbauerstellung der oberen Ebenen mit dem Innenausbau<br />
<strong>und</strong> den Installationsarbeiten in den Untergeschossen<br />
zu beginnen, da diese nicht durch störende Absprießungen<br />
beeinträchtigt wurden, was eine schnelle Inbetriebnahme<br />
des Gebäudes förderte.<br />
Für die Konzeption <strong>und</strong> Bemessung der vorgespannten<br />
Abfangdecke sowie der Taktung der Spannvorgänge<br />
war eine komplexe dreidimensionale Finite-Elemente-Modellierung<br />
erforderlich, mittels welcher sowohl der Baufortschritt<br />
als auch die sukzessiv erhöhten Vorspanngrade sowie<br />
die zeitlichen Einflüsse des Kriechens <strong>und</strong> Schwindens<br />
simuliert werden konnten.<br />
22 Ernst & Sohn Special <strong>2016</strong> · <strong>Forschungs</strong>- <strong>und</strong> <strong>Laborbauten</strong>