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Heimat-Rundblick 118 - Herbst 2016

Magazin für Geschichte - Kultur - Geschichte in der Region Hamme, Wuemme Weser

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<strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

Einzelpreis € 4,50<br />

3/<strong>2016</strong> · 29. Jahrgang<br />

ISSN 2191-4257 Nr. <strong>118</strong><br />

RUNDBLICK<br />

AUS DER REGION HAMME, WÜMME, WESER<br />

GESCHICHTE · KULTUR · NATUR<br />

I N H A L T<br />

unter anderem:<br />

Schwerpunkt: Fritz Mackensen<br />

Joachim Ringelnatz – Ein armseliges<br />

Künstlerleben<br />

Fort Kugelbake bei Cuxhaven<br />

Paula Modersohn-Becker-<br />

Kunstpreis <strong>2016</strong><br />

Schutzgebietsplanung des<br />

Landkreises Osterholz<br />

Schluss nach 700 Jahren?<br />

I N H A L T


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Wilbri GmbH<br />

Gutenbergstraße 11<br />

28 865 Lilienthal<br />

Tel. 04298-2706 0<br />

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Überweisung auf Kto. 1 410 007 528<br />

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• und vieles mehr...<br />

Mit freundlicher Genehmigung der Firma Carl Fiedler · www.glaserei-fiedler.de<br />

Redaktionssitzung<br />

Die nächste Redaktionssitzung findet statt am<br />

15. Oktober <strong>2016</strong>, 15.00 Uhr,<br />

im „Köksch un Qualm“,<br />

Stader Landstraße 46, 28719 Bremen<br />

Gewerbegebiet Moorhausen · Scheeren 12 · 28865 Lilienthal<br />

Lilienthal Tel.: 0 42 98 / 3 03 67 · Bremerhaven Tel.: 0471 / 4 60 53<br />

info@langenbruch.de · www.langenbruch.de<br />

Anmeldungen werden erbeten<br />

bis zum 10. Oktober <strong>2016</strong> unter<br />

Tel. 04298 / 46 99 09 oder info@druckerpresse.de


Aus dem Inhalt<br />

Aktuelles<br />

Manfred Simmering<br />

Äpfel, Äpfel, Äpfel … Seite 6<br />

Johannes Kleine-Büning<br />

Schutzgebietsplanung des<br />

Landkreises Osterholz Seite 12 – 13<br />

Jürgen Langenbruch<br />

Redaktionssitzung Seite 20<br />

Wilhelm Berger<br />

Schluss nach 700 Jahren? Seite 22 – 25<br />

Harald Kühn<br />

Gedenkfeier am Schroeter-Grab Seite 26<br />

<strong>Heimat</strong>geschichte<br />

Rudolf Matzner<br />

Ein armseliges Künstlerleben Seite 4 – 6<br />

Rudolf Matzner<br />

Die Küstenfestung<br />

Fort Kugelbake bei Cuxhaven Seite 8 – 9<br />

Kultur<br />

Ursula Villwock<br />

Paula Modersohn-Becker-<br />

Kunstpreis <strong>2016</strong> Seite 10 – 11<br />

Dr. Helmut Stelljes<br />

„Goldene Medaille I. Classe“<br />

für Fritz Mackensen Seite 14 – 15<br />

Prof. Dr. Jürgen Teumer<br />

Fritz Mackensen: Einblicke in<br />

die Familienchronik Seite 16 – 19<br />

Katja Pourshirazi<br />

Fritz Mackensen – Der umstrittene<br />

Erfinder Worpswedes Seite 19 – 20<br />

Natur<br />

Maren Arndt<br />

Vogel des Glücks Seite 7<br />

NABU<br />

Am Brunnen vor dem Tore …<br />

Die Winterlinde ist<br />

Baum des Jahres <strong>2016</strong> Seite 21<br />

Serie<br />

Peter Richter<br />

‘n beten wat op Platt Seite 11<br />

Peter Richter<br />

Die plattdeutsche<br />

Beduinensklavin Seite 11<br />

Peter Richter<br />

Bauernregeln Seite 21<br />

Jan Brünjes<br />

Lach- und Torfgeschichten Seite 27<br />

Redaktionsschluss für die nächste<br />

Ausgabe: 15. November <strong>2016</strong><br />

Liebe Leserinnen<br />

und Leser,<br />

der Sommer zeigt sich in diesen<br />

Tagen Mitte September noch einmal<br />

von der besten Seite. Ich schreibe<br />

Ihnen diese Zeilen während der alljährlichen<br />

Leserreise, die uns diesmal<br />

nach Münster führt, einer Stadt, die<br />

für die deutsche Geschichte von<br />

besonderer Bedeutung ist. Vielleicht<br />

sind Sie unter den Mitreisenden und<br />

können Ihren Freunden von einer<br />

sonnigen und interessanten Fahrt<br />

berichten. Die Redaktion bemüht<br />

sich, den Leserinnen und Lesern Artikel<br />

zu bieten, die zum einen flüssig<br />

zu lesen sind, auf der anderen Seite<br />

aber auch wissenschaftliches Niveau<br />

und neue Erkenntnisse bieten. Das<br />

schließt nicht aus, dass auch Themen<br />

zur Sprache kommen, die mit<br />

etwas Polemik gespickt sind. So z. B.<br />

die Artikel aus Heft 117 zur Erhaltung<br />

bzw. Zerstörung des Teufelsmoores.<br />

Herr Kleine-Büning, Leiter<br />

des Planungs- und Naturschutzamtes<br />

des Landkreises OHZ nahm dies<br />

zum Anlass für eine Darstellung der<br />

Schutzgebietsplanung aus Sicht des<br />

Landkreises. Ich bin der Meinung,<br />

dass eine solche kontroverse Diskussion<br />

für die Lebendigkeit unserer<br />

Zeitschrift durchaus einen Gewinn<br />

bedeutet.<br />

Kontrovers ist auch die Sicht auf Fritz<br />

Mackensen, der als Initiator für das<br />

„Weltdorf“ Worpswede gilt. Unsere<br />

Autoren Dr. Katja Poushirazi, Dr. Helmut<br />

Stelljes und Prof. Dr. Jürgen Teumer<br />

haben sich intensiv mit ihm und<br />

seiner Familie beschäftigt und sind<br />

in Archiven und bei persönlichen<br />

Kontakten mit den Nachkommen<br />

der Familie fündig geworden und<br />

können die sozialen und persönlichen<br />

Hintergründe des umstrittenen<br />

Künstlers etwas aufhellen. Nicht zu<br />

verdecken ist, dass Fritz Mackensen<br />

sich engagiert für nationalsozialistische<br />

Kulturpolitik eingesetzt hat - im<br />

Gegensatz z. B. zu Heinrich Vogeler,<br />

Titelbild:<br />

Kraniche im Flug<br />

Foto: Maren Arndt<br />

der sich von der volkstümelnden,<br />

rückwärts gewandten Kunstrichtung<br />

abgewandt hat und versuchte, seine<br />

Kunst in den Dienst einer erhofften<br />

neuen Menschheitsentwicklung zu<br />

stellen. Dieses Heft ist also etwas<br />

„mackensenlastig“; auch in der folgenden<br />

Ausgabe werden noch weitere<br />

Ergänzungen folgen.<br />

Aber - es gibt nicht nur „Worpswede“.<br />

Sie lesen über Ringelnatz in<br />

Bremen, die Kugelbake in Cuxhaven,<br />

den „Vogel des Glücks“ und<br />

den Paula Modersohn-Becker-Preis,<br />

der am 6. November <strong>2016</strong> verliehen<br />

wird, die Geschichte eines Teufelsmoorer<br />

Hofes, zum 200. Todestag<br />

von Johann Hieronymus Schroeter,<br />

dazu etwas für die Freunde der plattdeutschen<br />

Sprache.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei<br />

der Lektüre!<br />

Ihr Jürgen Langenbruch<br />

Impressum<br />

Herausgeber und Verlag: Druckerpresse-Verlag UG<br />

(haftungsbeschränkt), Scheeren 12, 28865 Lilienthal,<br />

Tel. 04298/46 99 09, Fax 04298/3 04 67, E-Mail<br />

info@heimat-rundblick.de, Geschäftsführer: Jürgen<br />

Langenbruch M.A., HRB Amtsgericht Walsrode 202140.<br />

Redaktionsteam: Wilko Jäger (Schwanewede),<br />

Rupprecht Knoop (Lilienthal), Dr. Christian Lenz (Teufelsmoor),<br />

Peter Richter (Lilienthal), Manfred Simmering<br />

(Lilienthal), Dr. Helmut Stelljes (Worps wede).<br />

Für unverlangt zugesandte Manuskripte und Bilder wird<br />

keine Haftung übernommen. Kürzungen vorbehalten. Die<br />

veröffentlichten Beiträge werden von den Autoren selbst<br />

verantwortet und geben nicht unbedingt die Meinung<br />

der Redaktion wieder. Wir behalten uns das Recht vor,<br />

Beiträge und auch Anzeigen nicht zu veröffentlichen.<br />

Leserservice: Telefon 04298/46 99 09, Telefax 04298/3 04 67.<br />

Korrektur: Helmut Strümpler.<br />

Erscheinungsweise: vierteljährlich.<br />

Bezugspreis: Einzelheft 4,50 €, Abonnement 18,– € jährlich<br />

frei Haus. Bestellungen nimmt der Verlag entgegen;<br />

bitte Abbuchungsermächtigung beifügen. Kündigung<br />

drei Monate vor Ablauf des Jahresabonnements.<br />

Bankverbindungen: Für Abonnements: Kreissparkasse<br />

Lilienthal IBAN: DE27 2915 2300 1410 0075 28,<br />

BIC: BRLADE21OHZ.<br />

Für Spenden und Fördervereins-Beiträge: Kreissparkasse<br />

Lilienthal, IBAN: DE96 2915 2300 0000 1221 50,<br />

BIC: BRLADE21OHZ, Volksbank Osterholz eG, IBAN:<br />

DE66 2916 2394 0732 7374 00, BIC: GENODEF1OHZ.<br />

Druck: Langenbruch, Lilienthal.<br />

Erfüllungsort: Lilienthal, Gerichtsstand Osterholz-Scharmbeck.<br />

Der HEIMAT-RUNDBLICK ist erhältlich:<br />

Bremen: Böttcherstraße/Ecke Andenkenladen<br />

Worpswede: Buchhandlung Netzel, Aktiv-Markt, Philine-<br />

Vogeler-Haus (Tourismus-Info), Barkenhoff.<br />

RUNDBLICK <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

3


Ein armseliges Künstlerleben<br />

Joachim Ringelnatz war auch in Bremen<br />

Als meine Frau und ich vor etlichen Jahren<br />

mit der Landsmannschaft der Sachsen<br />

an einer Studienreise nach Mitteldeutschland<br />

teilnahmen, fuhren wir auch durch das<br />

Städtchen Wurzen. Der Reiseleiter Wolfgang<br />

Günther ließ den Bus in einer unauffälligen<br />

Straße halten und wir standen vor<br />

dem Geburtshaus von Hans Gustav Bötticher,<br />

alias Joachim Ringelnatz. Kurze<br />

Erklärung zur Person; wer war er und was<br />

hat ihn bekannt gemacht? Und schon ging<br />

es weiter.<br />

Es war eine liebgewordene Tradition,<br />

dass man den Abend gemeinsam mit einem<br />

Programm ausklingen ließ. Noch vor dem<br />

Abendessen drückte mir Wolfgang Günther<br />

eine Loseblattsammlung mit Ringelnatz-<br />

Gedichten in die Hand mit der Bitte, beim<br />

geselligen Zusammensein daraus vorzulesen.<br />

Doch das war nicht alles, was mich an<br />

Ringelnatz erinnerte.<br />

Joachim Ringelnatz ist viel gereist, hat<br />

Tagebuch geführt und darin aufgeschrieben,<br />

dass er im Juli 1924 als Seemann auch<br />

in Bremen war. Dabei erwähnte er, dass er<br />

auch die Damen des ältesten Gewerbes der<br />

Welt in der Helenenstraße gegenüber dem<br />

Ziegenmarkt einen Besuch abgestattet<br />

habe. Doch bedeutender und nachhaltiger<br />

war wohl sein Aufenthalt im Bremer Ratskeller.<br />

Welch ein Kontrast! Und hier schrieb<br />

er, als hätte er im Weinkeller folgendes<br />

Gedicht zu Papier gebracht. Teils eine<br />

Lobeshymne auf Bremen, andererseits auch<br />

ringelnatztypische skurrile Satzgebilde.<br />

Hier gelt ich nix, und würde gern etwas gelten,<br />

denn diese Stadt ist echt, und echt ist selten.<br />

Reich ist die Stadt. Und schön ist ihre Haut.<br />

Sag einer mir: Welch Geist hat hier<br />

die St.Ansgarikirche aufgebaut ?<br />

Groß schien mir alles, was ich hier entdeckte.<br />

Ein Riesenhummer lag in einem Laden,<br />

wie der die Arme eisern von sich reckte,<br />

als wollte er durchs Glas in Frauenwaden,<br />

in Bremer Brüste plötzlich fassen<br />

Und wie wir’s von den Skorpionen lesen -<br />

restweg im Koitus sein Leben lassen, -<br />

war er nicht schon länger rot und tot gewesen.<br />

Als ich herauskam aus dem Keller, wo<br />

schon Heine saß, da sagte ich „Oho“<br />

denn auf mich sah Paul Wegener aus Stein,<br />

und er war groß und ich natürlich klein.<br />

Brustwarzen hatte er an beiden Knien,<br />

vielleicht wars auch der Roland von Berlin.<br />

Und als ich, wie um eine spanische Wand<br />

mich schlängelnd, eine seltsam leere<br />

doch wohlgepflegte Villengasse fand<br />

und darin viel verlorene Ehre.<br />

Stand dort ein Dacharbeiter,<br />

den fragte ich so ganz nebenbei:<br />

ob er wohl ein Senator sei?<br />

da ging er lächelnd weiter.<br />

Porträt Joachim Ringelnatz, vor 1925<br />

Quelle: Wikipedia gemeinfrei<br />

Der in dem Gedicht erwähnte Paul<br />

Wegener war zu der Zeit ein bekannter<br />

Schauspieler, der mit Joachim Ringelnatz<br />

gut befreundet war.<br />

Joachim Ringelnatz, wie er sich ab 1919<br />

nannte, wurde am 7. August 1883 als jüngstes<br />

von drei Geschwistern in Wurzen bei<br />

Leipzig geboren. Er verstarb am 17.<br />

November 1934 in Berlin. Sein Vater entstammte<br />

einer thüringischen Gelehrtenfamilie.<br />

Die Mutter war die Tochter eines<br />

Sägewerksbesitzers. Der Vater hatte in jeder<br />

Hinsicht auf den Sohn mehr Einfluss als die<br />

Mutter. Mit der Mutter hatte Joachim Ringelnatz<br />

mehr Probleme. Als Siebenundzwanzigjähriger<br />

schrieb er an seine Verlobte<br />

AIma: „Mutterliebe fehlt uns beiden“.<br />

Hänseleien in<br />

der Schulzeit<br />

Die Schulzeit war für den seltsam aussehenden<br />

Jungen recht schwer. Von den Mitschülern<br />

wurde er wegen seiner mädchenhaften<br />

Frisur, seiner ungewöhnlich langen<br />

Vogelnase, seinem vordrängenden Kinn<br />

und seiner kleinen Statur gehänselt. Der<br />

Junge flüchtete sich in Trotz und Rüpeleien.<br />

Als Quintaner leistete sich Ringelnatz<br />

einen Streich zu viel: Während der Pause<br />

verließ er das Schulgebäude des König-<br />

Albert-Gymnasiums, ging zu einem neben<br />

der Schule gelegenen Zoo und ließ sich<br />

von einer Samoanerin auf den Unterarm<br />

eine Tätowierung stechen. Gegenüber seinem<br />

Lehrer gab er mit diesem Vorfall noch<br />

an. Die Reaktion war der Verweis vom<br />

Gymnasium. Es folgten Jahre auf einer privaten<br />

Realschule, aber auch diese Zeit war<br />

nicht besonders erfolgreich. Mit der im<br />

Abgangszeugnis bescheinigten Obersekundareife<br />

des zweimaligen Sitzenbleibers<br />

vermerkte ein Lehrer, der Absolvent sei<br />

„ein Schulrüpel ersten Ranges“.<br />

Schon 1886 zog die Familie von Wurzen<br />

nach Leipzig, wo der Vater der Künstlerund<br />

Gelehrtenszene angehörte. Hier verschrieb<br />

er sich ganz der Schriftstellerei.<br />

Joachim Ringenatz hatte sich in den<br />

Kopf gesetzt, unbedingt Seemann zu werden<br />

und so heuerte er als Schiffsjunge auf<br />

einem Segelschiff an. Doch das dauerte<br />

nur sechs Monate, von April 1901 bis September<br />

gleichen Jahres, dann hatte er vorerst<br />

genug von der so geliebten Seefahrt.<br />

Er wurde wegen seiner sächsischen Aussprache<br />

gehänselt und selbst der Kapitän<br />

nannte ihn „Nasenkönig“. In Britisch-Honduras<br />

riss er aus, verirrte sich im Urwald<br />

und wurde glücklicherweise wieder gefunden.<br />

Auf der Rückreise nach Hamburg<br />

wurde er noch mehr schikaniert. Nach dieser<br />

Enttäuschung war er zunächst arbeitslos<br />

und hatte kaum das Nötigste zum<br />

Leben. Als Aushilfe bei einer Schlangenschau<br />

auf dem Hamburger Dom - das ist<br />

ein großes Volksfest - half er Riesenschlangen<br />

zu tragen. Dieses war nur eine<br />

der über dreißig Beschäftigungen, die<br />

Joachim Ringelnatz ausübte, und wieder<br />

bestimmte sein Wunsch, Seemann zu werden,<br />

seinen weiteren Lebensweg. Seine<br />

Erfahrung auf dem Segelschiff konnte ihn<br />

nicht davon abhalten, als Leichtmatrose<br />

auf einem Motorschiff anzuheuern und die<br />

Weltmeere zu bereisen.<br />

Doch das war auch nicht von Dauer,<br />

Phasen von Arbeitslosigkeit und ohne<br />

Unterkunft bestimmten sein Leben.<br />

Bevor Ringelnatz in einem Seemannsheim<br />

untergeordnete Arbeiten verrichten<br />

konnte, lebte er von Essensspenden, die er<br />

dankbar annahm. Nun geriet er in einen<br />

Freundeskreis und hier lernte und schätzte<br />

er die ausschweifenden Trinkgewohnheiten.<br />

Des Feierns überdrüssig, heuerte er<br />

erneut auf Schiffen an, bis ihm 1903 die<br />

Ausübung des Matrosenberufes wegen<br />

mangelnder Sehschärfe seiner Augen<br />

untersagt wurde. Dennoch absolvierte er<br />

die Qulifikationsfahrt für den Militärdienst<br />

bei der Marine und diente 1904 als Einjährig-Freiwilliger<br />

bei der Kaiserlichen<br />

Marine in Kiel. Auch diese Zeit war relativ<br />

kurz und so begann erneut ein unstetes<br />

Leben. Zu einem geregelten Alltag war<br />

Ringelnatz auch nicht bereit.<br />

Ein Jahr danach, 1905, bemühte er sich<br />

um einen Studienplatz an der Universität<br />

Leipzig. Sein Interesse galt dem Studienfach<br />

Handelswissenschaften, doch bevor<br />

er sich einschreiben lassen konnte, verweigerte<br />

der Vater dem Sohn die finanzielle<br />

4 RUNDBLICK <strong>Herbst</strong>s <strong>2016</strong>


Geburtshaus von Joachim Ringelnatz in Wurzen © Wikipedia CC-By-Sa 3.0 Joeb 07/Wikimedia Commons<br />

durchaus gefährlicher Einsatz. Unter großer<br />

Anstrengung schaffte Joachim Ringelnatz<br />

den Aufstieg zum Reserveoffizier, 1917 war<br />

er als Leutnant zur See Kommandant eines<br />

Minensuchbootes in Seeheim bei Cuxhaven.<br />

In seiner Freizeit interessierte er sich für<br />

das Leben von Schlangen und Eidechsen in<br />

einem Terrarium. Es gibt Hinweise, dass sein<br />

Nachname auf die Ringelnatter hinweist,<br />

weil sie sich zu Lande und im Wasser wohlfühlt.<br />

Der Vorname Joachim wird mit Ringelnatz’<br />

lebenslanger Gläubigkeit in Verbindung<br />

gebracht. Der Name bedeutet „Gott<br />

richtet auf“.<br />

Ringelnatz erlebte in den Nachkriegsjahren<br />

erneut entbehrungsreiche Jahre voller<br />

Kälte und Hunger.<br />

1920 heiratet er die fünfzehn Jahre jüngere<br />

Lehrerin Leonharda Pieper, die ihm<br />

eine unentbehrliche Hilfe bei all seinen<br />

schriftstellerischen Tätigkeiten war. Die<br />

beiden wohnten als Schwarzmieter in<br />

einer Münchener Wohnung, bis sie dann<br />

nach Berlin umzogen.<br />

Wie wenig sich die Lebensverhältnisse<br />

gebessert hatten, zeigt das folgende<br />

Gedicht:<br />

Unterstützung. Es ist doch erstaunlich,<br />

dass der Vater, der doch hätte wissen können,<br />

dass sein Sohn meistens am Rande<br />

des Existenzminimums lebte, kaum bereit<br />

war, ihm zu helfen. Joachim hatte zu<br />

schreiben und zu malen begonnen und<br />

dabei hatte der Vater vermittelt, dass er in<br />

AUERBACHS DEUTSCHEM KINDERKALEN-<br />

DER seine Werke veröffentlichen konnte.<br />

Doch das war keine ständige Unterhaltssicherung.<br />

Darüber hinaus entstanden seine<br />

ersten Ölbilder.<br />

Zur gleichen Zeit versuchte Joachim Ringelnatz<br />

als Lehrling in einer Hamburger<br />

Dachpappenfabrik eine Anstellung zu finden<br />

und danach als kaufmännischer Angestellter<br />

in Leipzig und Frankfurt/M. zu<br />

arbeiten. Und wieder war es die geregelte<br />

Arbeitszeit, die ihm nicht behagte. Jetzt<br />

begann er als fahrender Sänger und als<br />

Gelegenheitsarbeiter sein Geld zu verdienen.<br />

Vor Hunger entkräftet, vegetierte er in<br />

einer Bodenkammer und er schlief in einer<br />

Holzkiste. In Amsterdam hielt der deutsche<br />

Pfarrer ihn für einen Betrüger, zeigte ihn an<br />

und er wurde für kurze Zeit ins Gefängnis<br />

gesteckt.<br />

Danach nahm Ringelnatz eine Stellung<br />

als Buchhalter in einem Münchener Reisebüro<br />

an. Er gab bei der Einstellung an, fünf<br />

Fremdsprachen zu beherrschen, doch das<br />

konnte nicht gut gehen.<br />

Ab 1909 begann seine Laufbahn als<br />

Kabarettist mit Auftritten in der Münchener<br />

Künstlerkneipe SIMPLIZISSIMUS,<br />

jedoch sein Engagement wurde schlecht<br />

bezahlt und somit war auch das schnell<br />

wieder vorbei. Nun veröffentlichte er<br />

Gedichte und den autobiografischen Essay<br />

VIELLIEBER FREUND und das Märchen<br />

DER EHRLICHE SEEMANN.<br />

RUNDBLICK <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

Bildungslücken sollten<br />

geschlossen werden<br />

Joachim Ringelnatz spürte, dass in gehobener<br />

Gesellschaft seine Bildung Lücken<br />

hatte und so ließ er sich privat von Baron<br />

Thilo von Seebach in Literaturgeschichte<br />

und anderen Fächern unterrichten. Doch<br />

seine Einkommensverhältnisse verbesserten<br />

sich durch die folgenden Aufträge keineswegs.<br />

So bemühte er sich zum Beispiel,<br />

als verkleidete Wahrsagerin in einem Bordell<br />

den Prostituierten die Zukunft vorauszusagen.<br />

Im Jahre 1912 fand er eine Anstellung als<br />

Privatbibliothekar bei einem Grafen und<br />

danach arbeitete er mit der gleichen Aufgabe<br />

bei dem Freiherrn von Münchhausen<br />

in Hannover und schließlich war Ringelnatz<br />

Fremdenführer auf der Burg Lauenstein.<br />

Danach absolvierte er einen Kursus als<br />

Schaufensterdekorateur. Er dekorierte<br />

jedoch nur ein Schaufenster, doch sein<br />

Können reichte nicht für eine weitere<br />

Beschäftigung.<br />

Es erschien seine Gedichtsammlung DIE<br />

SCHNUPFTABAKDOSE, die einige seiner<br />

bekanntesten Verse enthält. Für ein weiteres<br />

Werk bekam er ein einmaliges Honorar<br />

von 200 Mark. Weder als Schriftsteller<br />

noch als Schauspieler verdiente er ein<br />

zufriedenstellendes Honorar, ganz im<br />

Gegenteil, Hunger und Armut begleiteten<br />

sein Leben.<br />

Mit Kriegsbeginn 1914 hoffte er als Freiwilliger<br />

bei der Marine eine gesicherte<br />

Zukunft in Aussicht zu haben. Gerne hätte<br />

er an Schlachten teilgenommen, doch er<br />

wurde einem Minenlegeschiff zugeteilt, ein<br />

Angstgebet in Wohnungsnot<br />

Ach, lieber Gott, dass sie nicht<br />

Uns aus der Wohnung jagen.<br />

Was soll ich ihr denn noch sagen -<br />

Meiner Frau - in ihr verheultes Gesicht?<br />

Ich ringe meine Hände<br />

Weil ich keinen Ausweg fände,<br />

Wenns eines Tages so wirklich wär;<br />

Bett, Kleider, Bücher, mein Sekretär, -<br />

Dass das auf der Straße stände.<br />

Sollt ichs versetzen, verkaufen?<br />

Ist all doch nötiges Gerät<br />

Wir würden, einmal, die Not versaufen,<br />

und dann; wer weiß, was ich tät.<br />

Ich hänge so an dem Bilde,<br />

das noch von meiner Großmama stammt,<br />

Gott, gieße doch etwas Milde<br />

Über das steinerne Wohnungsamt.<br />

Wie meine Frau die Nacht durchweint,<br />

das barmt durch all meine Träume.<br />

Gott, lass uns die lieben zwei Räume<br />

Mit der Sonne, die vormittags hinein scheint.<br />

Ab <strong>Herbst</strong> 1920 hatte Joachim Ringelnatz<br />

erste erfolgreiche Aufträge im Berliner<br />

Kabarett SCHALL UND RAUCH. Danach<br />

verbrachte er mehrere Monate im Jahr auf<br />

Bühnen im gesamten deutschsprachigen<br />

Raum. Er trat stets im Matrosenanzug auf<br />

und war nun gut beschäftigt. 1927<br />

erschienen seine beiden erfolgreichsten<br />

Gedichtsammlungen, Kuddeldaddeldu<br />

und Turngedichte. Für drei Wochen reiste<br />

er nach Paris und 1928 führte ihn sein Weg<br />

nach London, von wo er enttäuscht<br />

zurückkam.<br />

5


Obwohl Ringelnatz fast jedes Jahr<br />

Bücher veröffentlichte, so mussten er und<br />

seine Frau stets sparsam leben und dennoch<br />

blieben sie nie sorgenfrei.<br />

1933 erteiIten die Nationalsozialisten<br />

die ersten Auftrittsverbote in Hamburg<br />

und München und es begann die Zeit der<br />

Bücherverbrennung. Auch Ringelnatz<br />

hatte darunter zu leiden und wieder lebten<br />

sie auf der untersten Stufe des Wohlstands.<br />

An einer beginnenden Tuberkulose<br />

erkrankt, konnte er noch seinen 50.<br />

Geburtstag feiern, auf dem seine Freunde<br />

Asta Nielsen, Paul Wegener und sein Verleger<br />

Ernst Rowohlt Reden hielten. Sie waren<br />

lange Jahre miteinander befreundet.<br />

Am 17. November 1934 verstarb Joachim<br />

Ringelnatz in seiner Berliner Wohnung<br />

Am Sachsenplatz. Beerdigt wurde er<br />

auf dem Waldfriedhof in Berlin. Nur neun<br />

Personen begleiteten seinen Sarg und zum<br />

Abschied wurde das Lied LA PALOMA<br />

gespielt.<br />

Mehrere Straßen in Berliner Bezirken<br />

wurden nach Ringelnatz benannt.<br />

Zum 125. Geburtstag des Dichters am<br />

7. 8. 2008 gab die Deutsche Bundespost<br />

eine Sonderbriefmarke heraus. Die Vorstellung<br />

der Erstlingsausgabe fand durch das<br />

Bundesfinanzministerium im Joachim-Ringelnatz-Museum<br />

in Cuxhaven statt. Die<br />

Betreuung des Nachlasses übernahm 2002<br />

die Ringelnatz-Gesellschaft in Cuxhaven.<br />

Schon zuvor von 1986-1991 wurde von<br />

der Stadt Cuxhaven im zweijährigen Turnus<br />

der mit 10000 DM dotierte Joachim-<br />

Ringelnatz-Preis für Lyrik vergeben. Seit<br />

1948 gibt es in seiner Geburtsstadt Wurzen<br />

eine Ringelnatz-Ausstellung im Stadt-<br />

Museum.<br />

Ringelnatz-Museum in Cuxhaven:<br />

Südersteinstraße 44<br />

Eintrittspreis Euro 4,–<br />

Telefon 0472/1394411<br />

Öffnungszeiten:<br />

Dienstags bis sonntags 10.00 – 13.00 Uhr<br />

und 14.00 – 17.00 Uhr<br />

Abschließen möchte ich mit einem Kindergebet<br />

von Joachim Ringelnatz.<br />

Kindergebet<br />

Lieber Gott, recht gute Nacht.<br />

Ich hab noch schnell Pipi gemacht,<br />

damit ich von Dir träume.<br />

Ich stelle mir den Himmel vor<br />

Wie hinterm Brandenburger Tor<br />

Die Lindenbäume.<br />

Nimm meine Worte freundlich hin,<br />

weil ich schon sehr erwachsen bin.<br />

Rudolf Matzner<br />

Quellen:<br />

Bremen. Literarischer Spaziergang, Insel<br />

Taschenbuch<br />

Eigenes Zeitungsarchiv<br />

Hinweis der Redaktion:<br />

Im Jahre 2004 fand eine Leserreise des<br />

<strong>Heimat</strong>-<strong>Rundblick</strong> nach Cuxhaven mit<br />

Besuch des Ringelnatz-Museums statt<br />

(siehe auch <strong>Heimat</strong>-<strong>Rundblick</strong> Nr. 71,<br />

Winter 2004).<br />

Äpfel, Äpfel, Äpfel …<br />

Wo aus Früchten herrliche Säfte entstehen<br />

In Überhamm, einem Ortsteil von<br />

Worpswede, liegt ein kleiner Betrieb, der es<br />

in sich hat. Hier werden Äpfel und auch<br />

andere Früchte zu herrlichem Saft<br />

gepresst.<br />

Wenn man Alke Zimmermann zusieht,<br />

wie sie in ihrem Betrieb herumwirbelt,<br />

kann man sich nicht vorstellen, dass sie vier<br />

Kindern das Leben geschenkt hat.<br />

Ihr Mann ist IT-Mensch und muss sich<br />

seiner Arbeit widmen. Aber ihr Sohn<br />

Johannes, der Schornsteinfeger gelernt<br />

hat, unterstützt sie sehr. Auch ihm geht die<br />

Arbeit leicht von der Hand. Und natürlich<br />

sind auch noch andere fleißige Helfer<br />

dabei.<br />

Man kann von morgens 7.00 Uhr bis<br />

abends 20.00 Uhr sein Obst pressen lassen.<br />

Dabei werden z. B. die Äpfel in einer<br />

Packpresse gepresst und der erhitzte Saft<br />

bei 80 °C in Literflaschen abgefüllt. Die<br />

Früchtereste, der sogenannte Trester, findet<br />

Abnehmer. Bauern und Jäger nehmen<br />

ihn gern. Aber auch ein Schafhalter ist<br />

dabei. Der Kunde kann die Wartezeit überbrücken,<br />

indem er sich am Wagen<br />

draußen im Garten eine Bratwurst mit<br />

Pommes oder einen Kaffee gönnt. Täglich<br />

kann man auch Eier, Kartoffeln, Kuchen<br />

und Honig kaufen.<br />

In jedem Jahr am 3. Oktober ist „Tag der<br />

offenen Tür“. Es wird dann Kaffee geröstet,<br />

man kann Forellen probieren. Aber es gibt<br />

auch frisch gebackenen Butterkuchen aus<br />

dem Lehmbackofen.<br />

Auch Spezialitäten<br />

im Angebot<br />

Alke, die im Jahr ca. 120.000 Flaschen<br />

befüllt und bewegt, hat auch Spezialsäfte<br />

im Angebot: Rote Bete, Holunder, Limette,<br />

alles mit Apfel. Aber der Clou ist ihr Aroniasaft<br />

mit Apfel. Die Aroniabeeren bezieht<br />

sie vom Bio-Betrieb von Oesen.<br />

Der 25 ha große Hof ist übrigens seit<br />

1610 im Familienbesitz.<br />

Text: Manfred Simmering<br />

Fotos: Helmut Stelljes<br />

6 RUNDBLICK <strong>Herbst</strong>s <strong>2016</strong>


„Vogel des Glücks“<br />

So nennen die Chinesen den Kranich<br />

Pünktlich zum <strong>Herbst</strong>anfang beginnt ein<br />

ganz besonderes Spektakel im Teufelsmoor.<br />

Die Kraniche (Grus grus) kommen.<br />

Anfangs sind es nur wenige versprengte<br />

Trupps, aber spätestens wenn die Maisfelder<br />

abgeerntet sind, fliegen sie zu tausenden<br />

ein. Tagsüber findet man sie auf den<br />

Feldern, abends fliegen sie ins Günnemoor<br />

oder ins Huvenhoopsmoor in die renaturierten<br />

flachen Moorgewässer. Dort verbringen<br />

sie die Nächte im Wasser stehend,<br />

geschützt vor Füchsen und anderen Räubern.<br />

Das Naturschauspiel wiederholt sich<br />

in jedem Jahr im <strong>Herbst</strong> und verliert nichts<br />

von seiner Faszination. Allein schon die<br />

Geräuschkulisse der unzähligen Vögel ist<br />

atemberaubend.<br />

Beeindruckendes<br />

Schauspiel<br />

Der Einflug der Kraniche in ihre Nachtquartiere<br />

ist ein beeindruckendes Schauspiel.<br />

Mit lauten Trompetenrufen fliegen<br />

die Vögel kurz vor Sonnenuntergang zu<br />

ihren Schlafplätzen, um bei Tagesanbruch,<br />

noch bevor die Sonne sich blicken lässt,<br />

wieder mit der gleichen Lautstärke auf die<br />

Maisfelder zu fliegen. Es ist wichtig, dass<br />

sie sich für den langen Flug in ihre Winterquartiere<br />

stärken und Fettreserven bilden<br />

können. Mögen die Maisfelder auch ein<br />

Fluch sein für die Artenvielfalt in der<br />

Region, den Kranichen nützen sie.<br />

Kraniche sind am besten aus dem Auto<br />

zu beobachten. Sie sind gegenüber dem<br />

Links der Jungvogel, rechts der Altvogel<br />

Foto: Maren Arndt<br />

Menschen sehr scheu. Die Fluchtdistanz<br />

liegt bei ca. 300 Metern. Die Jungvögel<br />

kann man an ihrem braunen Kopf gut von<br />

den grauen Elterntieren unterscheiden.<br />

Unter günstigen Umständen haben Kraniche<br />

eine Lebenserwartung von 20 Jahren.<br />

Ein Kranichpaar bleibt ein Leben lang<br />

zusammen. Manchmal entdeckt man<br />

einen beringten Kranich. Die Beringung<br />

besteht aus einem Farbencode, den man<br />

auf den Webseiten des Kranichinformationszentrums<br />

nachlesen kann. Dort kann<br />

man auch beringte Kraniche melden, die<br />

man gesehen hat und bekommt Auskunft<br />

über den Vogel, wo er beringt wurde, in<br />

welchem Land, in welcher Region und wo<br />

er bereits schon gesehen und gemeldet<br />

wurde.<br />

Wie von Zauberhand<br />

verschwunden<br />

Foto: Maren Arndt<br />

Spätestens nach den ersten frostigen<br />

Nächten und wenn Wind und Thermik<br />

günstig sind, machen sich die Vögel auf<br />

den Weiterflug ins wärmere Südfrankreich,<br />

nach Spanien oder manche auch nach<br />

Nordafrika. Wie von Zauberhand können<br />

sie von einem auf den anderen Tag verschwunden<br />

sein. Manch vereinzelte Paare<br />

bleiben den Winter über hier. Einige Brutpaare<br />

gibt es mittlerweile auch an<br />

geschützten Plätzen im Teufelsmoor.<br />

Im Frühling ziehen die Vögel schnell und<br />

ohne langen Halt in Richtung Norden, wo<br />

die allermeisten Kraniche brüten. Wer<br />

zuerst dort ankommt, dem stehen die<br />

besten Brutplätze zur Verfügung.<br />

Freuen wir uns über die fliegenden<br />

Nomaden.<br />

Kranichbeobachtungstürme gibt es im<br />

Huvenhoopsmoor. Im Günnemoor kann<br />

man den Einflug der Kraniche gut in Verlüssmoor<br />

beobachten, in der Nähe vom<br />

Hofladen Lütjen.<br />

Maren Arndt<br />

RUNDBLICK <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

7


Die Küstenfestung Fort Kugelbake bei Cuxhaven<br />

Unauffällig hinterm Deich<br />

In unmittelbarer Nähe des Wahrzeichens<br />

der Stadt Cuxhaven, der Kugelbake,<br />

befindet sich hinterm Seedeich die Festungsanlage<br />

gleichen Namens. Hier am<br />

nördlichsten Zipfel von Niedersachsen hat<br />

die rd. 1140 Kilometer fließende Elbe eine<br />

Breite von 16 Kilometern und sie zählt zu<br />

den wichtigsten Wasserstraßen Europas.<br />

Das auf einer Landzunge von Elbe und<br />

Nordsee umspülte Gebiet bot den geeigneten<br />

Raum, um für einen militärischen<br />

Küstenschutz zu sorgen. Schon um 1820<br />

hatte Napoleons Oberkommandierender<br />

der französischen Armee in Deutschland,<br />

Marschall Davout, an dieser Stelle eine<br />

Zugang zum Fort Kugelbake<br />

Küstenfestung geplant. Zuvor hatte Friedrich<br />

der Große in seinem Testament mit<br />

Sorge darauf hingewiesen, dass seine Mittel<br />

keine Zersplitterung seiner Kräfte durch<br />

den Aufbau einer Flotte ermöglichten. In<br />

den folgenden Zeiten stand Deutschland<br />

als Landmacht den Seemächten Dänemark<br />

und England oft hilflos gegenüber. Das<br />

änderte sich, als die Deutsche Nationalversammlung<br />

1848 über eine Verfassung für<br />

ganz Deutschland debattierte und als Zeichen<br />

der Einheit die Schaffung einer<br />

Kriegsflotte in den Vordergrund stellte. Das<br />

war in der Zeit, als der dänische König<br />

Friedrich VII. sich bemühte, die Herzogtümer<br />

Holstein und Lauenburg, trotz<br />

Zugehörigkeit zum Deutschen Bund, stärker<br />

in sein Reich einzubinden. Die durch<br />

Admiral Rudolf Brommy (1804-1860) in<br />

Eile aufgestellte erste Kriegsflotte war im<br />

Seegefecht gegen Dänemark nicht gerade<br />

erfolgreich, was wiederum die Planung<br />

einer Küstenfestung stark beeinflusste.<br />

Doch geht man zurück in die Zeit der<br />

Planungsphase, dann muss man auch<br />

daran erinnern, dass im Juni 1868 der<br />

General Helmuth Graf von Moltke (1800-<br />

1891) mit weiteren hochrangigen Militärangehörigen<br />

den geplanten Standort bei<br />

Cuxhaven besichtigt haben. Daraus ist<br />

abzulesen, dass das Interesse für eine<br />

Küstenbefestigung wachgehalten und die<br />

Heeresleitung als Entscheidungsträger sich<br />

für zuständig hielt. Erst der marinebegeisterte<br />

deutsche Kaiser Wilhelm II.<br />

(1859-1941) – er war nach Friedrich III.<br />

(1831-1888) und Wilhelm I. (1797-1888)<br />

der letzte Regent im „Dreikaiserjahr“ 1888<br />

Kasemattenzugang vom Innenhof<br />

– änderte die Zuständigkeit von der<br />

Heeresleitung an die Marineführung. Das<br />

war der Anlass, dass für die bevorstehende<br />

Aufgabe ein Kommandant für Cuxhaven<br />

eingesetzt wurde.<br />

Am 28. Mai 1870 wurde der Grundstein<br />

für das Fort Kugelbake gelegt und 9 Jahre<br />

später konnte die Fertigstellung gemeldet<br />

werden, doch gebaut wurde an der Festungsanlage<br />

bis zum 2. Weltkrieg ständig.<br />

Die Grundform ist auf dem 6 Hektar<br />

großen Areal allerdings unverändert<br />

geblieben. Die Außenmaße dieser militärischen<br />

Einrichtung betragen im Fünfeck<br />

unregelmäßige Längen von 1, 10, 55, 57,<br />

86 und 94 Metern. Ein 12 Meter breiter<br />

und 2,50 Meter tiefer Graben umschließt<br />

das Fort.<br />

Die im Laufe der Jahre hoch gewachsenen<br />

Büsche und Bäume versperren heute<br />

den Blick auf die ehemalige Küstenbatterie.<br />

Sie liegt unauffällig hinterm Deich und<br />

ist von den vielen Spaziergängern kaum<br />

wahrzunehmen. Nur wenige mit<br />

geschichtlichem Interesse nehmen an<br />

einer Führung durch diese ehemals<br />

bedeutsame Anlage teil.<br />

Gelangt man in den großen, etwas tiefer<br />

liegenden Innenhof, erahnt man die<br />

ehemals militärstrategische Bedeutung<br />

dieser Befestigungsanlage. Zur Seeseite<br />

befinden sich die Geschützwälle und darunter<br />

die Kasematten, die bis zu 400 Soldaten<br />

Unterkunft bieten konnten. Zur Stabilisierung<br />

der Deckenschichten wurden in<br />

passender Länge geschnittene Eisenbahnschienen<br />

von insgesamt 500 Quadratmetern<br />

eingepasst. Achtzehn Millionen Ziegelsteine<br />

wurden im Fort Kugelbake ver-<br />

8 RUNDBLICK <strong>Herbst</strong>s <strong>2016</strong>


Eine der ehemaligen Geschützstellungen (kein Original, Leihgabe)<br />

baut und 1800 Arbeiter waren hier<br />

beschäftigt. Diese Küstenbefestigung<br />

wurde nicht von Truppenteilen, wie Pionieren<br />

oder dergleichen, sondern durch<br />

ansässige Privatfirmen errichtet. Natürlich<br />

brachte das gutes Geld in die Gemeindekassen<br />

und außerdem Arbeitsplätze für die<br />

Bevölkerung. Darüber hinaus wurde auch<br />

das benötigte Baumaterial durch die Privatwirtschaft<br />

besorgt. Für nicht befugte<br />

Zivilisten war das gesamte Areal als Sperrgebiet<br />

erklärt worden.<br />

Die Kasemattengänge stehen heute<br />

zum Teil unter Wasser, sodass stabile Bretter<br />

für einen trockenen Weg sorgen. Ein<br />

großes Problem war von Beginn an der<br />

Kampf gegen die Feuchtigkeit und gegen<br />

das von oben eindringende Regenwasser.<br />

Abgesehen von den oberen Dokumentationsräumen<br />

sind die unteren Gänge mit<br />

den architektonisch üblichen Tonnen- und<br />

Kreuzgewölben gebaut. Die vorhandene<br />

Waffenkammer, Küche und Schlafräume<br />

bieten noch ein anschauliches Bild vom<br />

damaligen Festungsleben. Die ersten Soldaten<br />

wurden noch bei den Einwohnern<br />

der Umgebung untergebracht, weil die<br />

Ehemalige Küchenkessel (Original)<br />

Kasematten<br />

Unterkünfte noch nicht bezugsfertig<br />

waren. Doch genau wie auf Segelschiffen<br />

wurde in den Kasematten zum Teil in Hängematten<br />

geschlafen.<br />

Eine Besonderheit im Fort Kugelbake<br />

waren die Hebebühnen, auf denen die<br />

Geschütze aus dem unteren Bereich über<br />

Rampen mit menschlicher Muskelkraft<br />

oder auch durch Pferde nach oben gehievt<br />

werden konnten. Auf gleiche Art konnte<br />

ein Scheinwerfer mit einem beachtlichen<br />

Durchmesser von 2 Metern aus dem unteren<br />

Schacht auf die Aufzugsplattform in<br />

Stellung gebracht werden. Dieses Feindsuchgerät<br />

mit der Bezeichnung G200 von<br />

der Firma Siemens und Schuckert war eine<br />

technische Meisterleistung. Gemessen an<br />

der jahrzehntelangen Aufbauarbeit hielten<br />

sich die kriegerischen Erfolge in Grenzen.<br />

Ab 1940 wurden für die anderweitig eingesetzten<br />

deutschen Soldaten russische<br />

Hilfswillige (Hiwis) und später auch Schüler<br />

ab dem Jahrgang 1926 als Marinehelfer,<br />

sogar Marinehelferinnen, im Fort Kugelbake<br />

eingesetzt.<br />

Nach Ende des 2. Weltkrieges wurde die<br />

Festungsanlage durch die Siegermächte<br />

weitgehend entmilitarisiert. Die gegenwärtig<br />

dort zu sehenden Geschütze sind<br />

größtenteils Leihgaben. In den ersten<br />

Nachkriegsjahren wurden die Räumlichkeiten<br />

für die Unterbringung von Flüchtlingen<br />

genutzt, danach bemühte man sich<br />

in den 50er Jahren, die erste Jugendherberge<br />

in Cuxhaven hier einzurichten.<br />

Geschlafen wurde in den ehemaligen<br />

Stahlbetten der Festungssoldaten. Für<br />

kurze Zeit siedelten sich kleinere Firmen<br />

hier an, bis dann 1972 darüber diskutiert<br />

wurde, ob es nicht an der Zeit sei, die<br />

Anlage vollkommen abzutragen.<br />

Nach zwanzigjährigem Schlaf gelang es<br />

der Stadt Cuxhaven, Gelder aus dem EG-<br />

Strukturfond zu beschaffen, die durch<br />

eigene und Landesmittel mit einer<br />

Gesamtsumme von 6,5 Mio. DM aufgestockt<br />

wurde, die dazu dienten, das Fort<br />

Kugelbake notdürftig zu erhalten.<br />

Für kulturelle und auch für private Veranstaltungen<br />

steht in der ehemaligen Festungsanlage<br />

sowohl im Innenhof als auch<br />

in den früheren Unterkunftsräumen ein<br />

gastronomischer Bereich zur Verfügung.<br />

Diese Führung an einem Tag im September<br />

2011 war sehr interessant. Der<br />

Festungsführer Herr Warncken wusste<br />

außerordentlich viel zu berichten, seine<br />

Informationen wurden dankbar aufgenommen<br />

und ich habe viel gelernt. Es war<br />

ein Blick in eine unbekannte Vergangenheit,<br />

die auch zur deutschen Geschichte<br />

gehört.<br />

Führungen im Fort Kugelbake:<br />

Mo. – Fr. 14.30 Uhr<br />

Di., Do., Sa., So. 10.30 Uhr<br />

Eintrittpreis: € 4,–<br />

Voranmeldung bei Gruppen empfehlenswert<br />

unter Telefon-Nr. 04721 / 40 44 44.<br />

Text und Bilder: Rudolf Matzner<br />

RUNDBLICK <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

9


Paula Modersohn-Becker – Kunstpreis <strong>2016</strong><br />

Verleihung seit 2010 im zweijährigen Turnus<br />

Der Kunstpreis hat für den Landkreis<br />

Osterholz Tradition. Nach vielen Jahren<br />

eines Kunstpreises, für dessen Vergabe sich<br />

nur im Landkreis Osterholz lebende Künstler(innen)<br />

bewerben konnten, wurde im<br />

Jahre 2010 der „neue“ Paula Modersohn-<br />

Becker-Kunstpreis ins Leben gerufen. Der<br />

Preis richtet sich nun an Künstler(innen)<br />

mit biografischen Bezügen zum Gebiet der<br />

Metropolregion Bremen-Oldenburg. Seit<br />

2010 wird der Preis im zweijährigen Turnus<br />

verliehen. Der neue PMB-Kunstpreis<br />

besteht aus drei Einzelkategorien.<br />

Der Paula Modersohn-Becker-Kunstpreis<br />

ist inzwischen ein fester Bestandteil der<br />

internationalen Kunstwelt und wird dieses<br />

Jahr zum 4. Mal vergeben.<br />

Der PMB-Kunstpreis ist ein wichtiges Signal<br />

an die junge Kunstszene Worpswedes<br />

und der Metropolregion. Denn auch die<br />

alten Worpsweder waren zu ihrer Zeit junge<br />

Künstler mit kontroversen Ansichten.<br />

Die Ausschreibung zur Bewerbung<br />

erreicht inzwischen immer weitere Kreise,<br />

was beweist, dass Künstler aus der ganzen<br />

Welt einen Bezug zur Nord/West-Metropolregion<br />

haben und diesen Preis sehr<br />

schätzen. So sind diesmal neben Deutschland<br />

die Länder Österreich und Frankreich<br />

mit Künstlern vertreten. Es haben sich wieder<br />

über 160 Künstler beworben und die<br />

Auswahl für die Jury wird immer schwieriger,<br />

da die Qualität der Einreichungen<br />

begeistert. Der „PMB-Kunstpreis“ aus drei<br />

Einzelpreisen: Hauptpreis, Nachwuchspreis<br />

(gestiftet von Karl-Heinz Marg), Sonderpreis<br />

für Künstler mit biografischen<br />

Bezügen zur Metropole Nordwest.<br />

Die vertretenen Medien der ausgewählten<br />

Künstler/Innen zeugen auch dieses Mal<br />

von einer großen Bandbreite künstlerischen<br />

Schaffens. Selten wurden die Fragen an<br />

unsere Zeit auf so experimentelle Weise<br />

gestellt. Auch machen sich Künstler zunehmend<br />

selbst zu Objekten ihrer Forschungsarbeit,<br />

wie beispielsweise der Franzose Virgile<br />

Novarina, der seit fast 20 Jahren seinen<br />

Schlaf erforscht, dazu in der Öffentlichkeit<br />

sein Bett aufstellt und während das Schlafes<br />

kleine Textskizzen entstehen, die irgendwo<br />

aus dem Unterbewusstsein kommen. Oder<br />

Max Schaffer, dem auf wundersame Weise<br />

Objekte begegnen, die sich mit ihm und<br />

seinem Leben unmittelbar zu verknüpfen<br />

scheinen, und aus denen er konzeptuelle<br />

Kunstwerke entwickelt, die örtlich bezogen<br />

sind. Aber auch Malerei und Zeichnungen<br />

bleiben aktuell wie bei Anna Bart und Ralf<br />

Ziervogel. Vertreten ist auch die Videokunst,<br />

die immer neue Wege einschlägt. So<br />

zu sehen bei Julian Öffler und Annika Kahrs.<br />

Und die Verwendung gefundener Objekte,<br />

die bei Waldemar Grazewicz zu humorvollen<br />

Kunstwerken verwandelt werden und<br />

bei Kornelia Hoffmann Eingang in kom-<br />

Anna Bart “Wand”, Öl auf Papier, 247 x 396 cm, 2012<br />

Annika Kahrs, „Playing to the Birds”, Videostill<br />

Waldemar Grazewicz, „749,-“, Mischtechnik auf<br />

Pappe / 67x70 cm, 2015<br />

Virgile Novarina, „Marie-Sol Parant”<br />

Irena Eden und Stijn Lernout, „o.T.“, Acryl und<br />

Bleistift auf HDF, 70 x 48 x 30 cm, 2014<br />

10 RUNDBLICK <strong>Herbst</strong>s <strong>2016</strong>


plexe Collagen finden. Gesellschaftlich relevante<br />

Fragen mit aktuellem Zeitbezug greift<br />

diesmal das Wiener Künstlerduo Irena Eden<br />

& Stijn Lernout auf und bringt so auch<br />

einen politischen Diskurs in den insgesamt<br />

wieder sehr spannenden Ausstellungsparcours.<br />

Dabei steht nicht nur die Betrachtung<br />

unserer heutigen Gesellschaft im<br />

Fokus der Werke, auch Rückbezüge auf Vergangenes<br />

öffnen den Blick für Zeitgenössisches.<br />

Die diesjährige regionale Jury, bestehend<br />

aus Dr. Dorothee Hansen (Kunsthalle Bremen),<br />

Ele Hermel (Galerie Mitte, Bremen)<br />

und Dr. Inken Steen (Kulturredakteurin<br />

NWR) hat folgende Künstler nominiert:<br />

Anna Bart, Irena Eden & Stijn Lernout,<br />

Waldemar Grazewicz, Kornelia Hoffmann,<br />

Annika Kahrs, Virgile Novarina, Julian<br />

Öffler, Max Schaffer, Ralf Ziervogel<br />

Eine hochkarätige überregionale Jury,<br />

bestehend aus Kathrin Becker (N.B.K. Leiterin<br />

Videoforum, Berlin), Roland Nachtigäller<br />

(Marta Herford) und Marion Scharmann<br />

(Kuratorin, Köln), wird innerhalb der Ausstellung<br />

den/die Hauptpreisträger/in<br />

bestimmen. Die Preisträger/innen werden<br />

im Rahmen der Eröffnung bekanntgegeben.<br />

Preisverleihung und<br />

Ausstellungseröffnung:<br />

Sonntag, 6. November <strong>2016</strong>, 11.30 Uhr<br />

Begleitveranstaltungen:<br />

Führung und Kaffeetrinken für Senioren:<br />

Freitag, 11. November <strong>2016</strong>, 14.30 Uhr<br />

(12,50 €, Anmeldung erforderlich)<br />

Artdating: »Kunstfreunde finden«<br />

Ein Speeddating der etwas anderen Art<br />

Samstag, 19. November <strong>2016</strong>, 18.00 Uhr<br />

(10 €, inkl. Getränke und Häppchen, Anmeldung<br />

erforderlich). Nähere Infos unter<br />

www.worpswede-museen.de/aktuelles<br />

Matinée kulinarisch:<br />

Sonntag, 4. Dezember <strong>2016</strong>, 12.00 Uhr<br />

Kuratorenführung, dazu kann ein Mittagessen<br />

im Kaffee Worpswede gebucht werden.<br />

(Gesamtpreis 30 €, Anmeldung erforderlich)<br />

Finissage mit Kuratorenführung:<br />

Sonntag, 8. Januar <strong>2016</strong>, 15.00 Uhr<br />

Was schläft….?<br />

Virgile Novarina im Gespräch mit der Kuratorin<br />

Susanne Hinrichs<br />

Seit 10 Jahren arbeiten der Künstler und die<br />

Kuratorin immer wieder in verschiedenen<br />

Zusammenhängen an gemeinsamen Projekten.<br />

Novarinas Schlafforschung und künstle-<br />

rische Auseinandersetzung mit dem Schlaf<br />

ist so vielseitig, dass die Aspekte seiner Kunst<br />

zahlreiche Belange der Gesellschaft berühren.<br />

Hinrichs und Novarina geben Einblicke<br />

in das Werk des Künstlers und ihre<br />

gemeinsame Arbeit. Im Anschluss an das<br />

Gespräch sehen Sie die deutsche Uraufführung<br />

von Novarinas neuestem Film „Virgile<br />

schläft, 6 Skizzen zu einem Film“, 22',<br />

Jean Seban, 2013 (Best Short Documentary<br />

at the Southampton International Film Festival)<br />

Ort: Große Kunstschau Worpswede,<br />

Lindenallee 5, Worpswede<br />

Tel. 04792 13 02<br />

Dienstag bis Sonntag 11 bis 16 Uhr.<br />

Darüber hinaus gibt es eine Ausstellung<br />

mit Werken des Sonderpreisträgers in der<br />

Galerie Altes Rathaus in Worpswede.<br />

Eröffnung: 4. Dezember <strong>2016</strong>, 15 Uhr.<br />

Dauer der Ausstellung bis 8. Januar 2017<br />

Ort: Galerie Altes Rathaus,<br />

Bergstr. 1, Worpswede.<br />

www.galerie-altes-rathaus-worpswede.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Dienstag bis Freitag 14 bis 17 Uhr<br />

Samstag und Sonntag 11 bis 17 Uhr<br />

Ursula Villwock<br />

www.pmb-kunstpreis.de<br />

‘n beten wat<br />

op Platt<br />

Sprichwörter und Redensarten<br />

unserer engeren <strong>Heimat</strong><br />

Wer sick för`n Pannkoken backen lett,<br />

de ward dor ok för upfreten.<br />

Wo de Steen liggt, dor bewasst he.<br />

Sebenteihn Handwark un achtteihn<br />

Unglück.<br />

Von Sporen un Woren kummt dat<br />

Hebben von her.<br />

Dor is keen Hund so slecht,<br />

he will jümmer eenen hebben,<br />

de noch slechter is.<br />

Den eenen sien Uhl<br />

is den annern sien Nachtigall.<br />

Verbeten Hunnen hebbt<br />

selten een heelet Fell.<br />

„All weer togliek“, sä de Bur,<br />

„do föhr he eenspännig.“<br />

„Kremm di (mach dich gerade)“, sä de<br />

Buersfro to de annere, „wi sünd glieks<br />

in Osterholt.“<br />

(aus: „<strong>Heimat</strong>bote“, Osterholz, Jg. 1926)<br />

Peter Richter<br />

Die plattdeutsche<br />

Beduinensklavin<br />

Der 1733 in Lüdingworth im Lande<br />

Hadeln geborene bekannte Forschungsreisende<br />

Carsten Niebuhr<br />

war auf einer Reise ins Innere von<br />

Afrika einst Gast im Nomadenzelt. Als<br />

eine Sklavin einen Auftrag nicht zur<br />

Zufriedenheit des Scheichs erledigt<br />

hatte, entfernte sich dieser mit einigen<br />

kräftigen Schimpfworten gegen<br />

die Schuldige. Kaum hatte der<br />

Häuptling den Zeltvorhang hinter<br />

sich fallen lassen, als die arabische<br />

Sklavin sich aufrichtete und im<br />

schönsten Plattdeutsch hinter ihm<br />

herrief: „Du ole Bullerballer!“ Niebuhr,<br />

der arabische Kleidung trug,<br />

verfiel sofort in seine heimische<br />

Mundart und fragte das Mädchen in<br />

höchster Verwunderung: „Min beste<br />

Deern, wo büst du her?“<br />

Die Reihe, sich zu wundern, war<br />

nun an der Sklavin: „Ut Lüdingworth<br />

in Lanne Hadeln!“ - Es stellte sich heraus,<br />

dass Niebuhr mitten in der<br />

Wüste Afrikas eine Landsfrau, dazu<br />

noch aus seinem kleinen <strong>Heimat</strong>dorfe,<br />

getroffen hatte.<br />

Die Wirkung war, wie man sich<br />

ausmalen kann, für beide Teile verblüffend.<br />

Der Bericht des Mädchens<br />

gab Aufklärung über ihre seltsame<br />

Lage: Sie hatte einen Bruder in<br />

Surinam wohnen, der sie auf seine<br />

Kosten nach drüben kommen lassen<br />

wollte. Das Mädchen schiffte sich in<br />

Hamburg ein, geriet aber auf der<br />

Reise in die Hände tunesischer Korsaren,<br />

die dem Mädchen alle Habe<br />

stahlen und es zuletzt an der afrikanischen<br />

Küste als Sklavin verkauften.<br />

Niebuhr pflegte das merkwürdige<br />

Zusammentreffen im Beduinenzelte<br />

oft zu erzählen. Jedesmal setzte er<br />

hinzu, dass ihn nichts so überwältigt,<br />

wie der unvermutete Klang heimatlichen<br />

Plattdeutsches mitten in Afrika,<br />

und nichts habe jemals seine Seele so<br />

ergriffen wie das poltrige Schimpfwort:<br />

„Du ole Bullerballer!“<br />

(gefunden in „<strong>Heimat</strong>bote“,<br />

Osterholz, Jg. 1926)<br />

Peter Richter<br />

RUNDBLICK <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

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Schutzgebietsplanung des Landkreises Osterholz<br />

Interessenausgleich auf hohem Niveau für eine nachhaltige Entwicklung<br />

Wer sich zu Fuß oder per Rad in die Hammeniederung<br />

und die nordwestlich davon<br />

gelegenen Hammehochmoore begibt, erlebt<br />

eine überaus interessante Moorkulturlandschaft<br />

mit einem vergleichsweise hohen<br />

Anteil noch naturnaher Bereiche. Auf den<br />

ersten Blick eine landschaftliche Idylle!<br />

Bei näherer Betrachtung drängen sich aber<br />

bald Fragen auf: Wo gibt es denn hier eigentlich<br />

noch das sagenumwobene Moor mit den<br />

für Hochmoore charakteristischen großräumigen<br />

baumfreien Bereichen, mit schwingenden<br />

Torfmoosrasen, Sonnentau und weiß<br />

fruchtendem Wollgras? Wo sind die früher<br />

großen Kiebitzschwärme geblieben? Warum<br />

findet man kaum noch die einst so prägenden<br />

blütenreichen Sumpfdotterblumenwiesen?<br />

Und der naturkundliche Interessierte<br />

wird sich fragen, warum Sumpfläusekraut,<br />

Fischotter, Sumpfohreule, Uferschnepfe,<br />

Grüne Mosaikjungfer und Enzianbläuling so<br />

extrem selten geworden sind. Oder erinnert<br />

sich jemand noch an das inzwischen ausgestorbene<br />

Birkwild, den Kampfläufer oder die<br />

Trauerseeschwalbe, die hier einst heimisch<br />

waren? Und das Landschaftsbild: Konnte<br />

man in der oberen Hammeniederung nicht<br />

noch vor wenigen Jahren überall die offene<br />

Weite der Landschaft genießen, wo der Blick<br />

heute vielerorts nach wenigen Metern an der<br />

hochgewachsenen Maiskultur endet? Und im<br />

Übrigen: Wie wirkt sich eigentlich der Maisanbau<br />

auf Moorböden auf das Klima aus und<br />

der Einsatz von Gülle auf den Wasserhaushalt?<br />

Kommen scheue Tierarten noch klar mit<br />

der intensiven Erholungsnutzung an Land,<br />

auf dem Wasser und in der Luft?<br />

Es ist nicht zu übersehen: Wir haben es mit<br />

einem sehr empfindlichen und gefährdeten<br />

Landschaftsraum zu tun, der einen Umgang<br />

erfordert, der wirtschaftlich, sozial und ökologisch<br />

nachhaltig ist und damit auch auf kommende<br />

Generationen Rücksicht nimmt. Ein<br />

solcher Umgang stellt nicht weniger als eine<br />

gesamtgesellschaftliche Herausforderung<br />

dar. Der Landkreis Osterholz stellt sich dieser<br />

Aufgabe auf vielfältige Weise.<br />

In diesem Kontext steht auch die aktuelle<br />

Absicht des Landkreises, im Bereich Hammeniederung<br />

/ Teufelsmoor zwei Naturschutzgebiete<br />

(NSG) und drei Landschaftsschutzgebiete<br />

(LSG) auszuweisen (s. Abb.<br />

rechts).<br />

Die geplanten Schutzgebiete sollen in<br />

Form einer sog. „Sammelverordnung“, die<br />

vom Kreistag zu beschließen ist, ausgewiesen<br />

werden. Das Gebiet der Sammelverordnung<br />

ist 97 qkm groß. Dies entspricht 9.700 ha.<br />

Ca. 50 % der Gebietskulisse nehmen die<br />

geplanten Naturschutzgebiete und 50 % die<br />

Landschaftsschutzgebiete ein.<br />

Das geplante Naturschutzgebiet Hammeniederung<br />

entspricht weitestgehend dem<br />

Gebiet des gesamtstaatlich repräsentativen<br />

Naturschutzgroßprojektes, das der Landkreis<br />

seit 1995 in der unteren Hammeniederung<br />

nach einem Förderprogramm des Bundesumweltministeriums<br />

durchführt (sog. „GR-<br />

Projekt“). Über das Projekt wurde im <strong>Heimat</strong>rundblick<br />

Nr. 111 04/2014, S. 18 – 20 umfassend<br />

berichtet. Im Projektgebiet sind signifikante<br />

Erfolge des Naturschutzes zu verzeichnen,<br />

die durch neue Wege und Aussichtsmöglichkeiten<br />

für Erholungssuchende erlebbar<br />

gemacht wurden. Mit der Annahme von<br />

über 14 Mio. € Fördermitteln des Bundes<br />

und des Landes Niedersachsen übernahm der<br />

Landkreis Osterholz auch die Pflicht, das Projektgebiet<br />

als Naturschutzgebiet auszuweisen.<br />

Darüber hinaus ist der Landkreis verpflichtet,<br />

die von der Europäischen Union festgelegten<br />

Natura 2000 - Gebiete als Naturschutz-<br />

oder Landschaftschutzgebiete auszuweisen.<br />

73 % des Gebietes der Sammelverordnung<br />

sind Natura 2000 – Gebiete. Das<br />

sog. ökologische Netz Natura 2000 ist der<br />

zentrale Beitrag der Europäischen Union zum<br />

Schutz der weltweiten biologischen Vielfalt,<br />

der auf der Umweltkonferenz in Rio de<br />

Janeiro 1992 international vereinbart wurde.<br />

Das ökologische Netz setzt sich aus den<br />

sog. EU-Vogelschutzgebieten und EU-<br />

Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH-Gebieten)<br />

zusammen.<br />

Die Sammelverordnung bezweckt auch im<br />

eigenen Interesse des Landkreises den Schutz<br />

von ökologischen und landschaftlichen Qualitäten,<br />

die nicht über Natura 2000 abgedeckt<br />

sind. Dabei geht es insbesondere um<br />

den Erhalt des außergewöhnlich schönen<br />

12 RUNDBLICK <strong>Herbst</strong>s <strong>2016</strong>


Landschaftsbildes, das heimische und auswertige<br />

Erholungssuchende anzieht und eine<br />

wichtige Grundlage für den Tourismus in der<br />

Region darstellt.<br />

Die Sammelverordnung enthält für die<br />

Naturschutzgebiete vergleichsweise strenge,<br />

für die Landschaftsschutzgebiete milde und<br />

im Falle des Landschaftsschutzgebiets „Teufelsmoor“<br />

sehr milde Nutzungsregelungen.<br />

Die Regelungen bestehen aus einer Kombination<br />

von Verboten, Ausnahmen von diesen<br />

Verboten, Zustimmungsvorbehalten und<br />

Freistellungen.<br />

Das Regelwerk ist unter Berücksichtigung<br />

zahlreicher Gespräche mit Betroffenen so<br />

abgefasst, dass ein intensiver Ausgleich unterschiedlichster<br />

Nutzungsinteressen bewirkt<br />

wird.<br />

Wohnlagen und Hofgrundstücke sind aus<br />

dem Geltungsbereich der Schutzgebiete<br />

gänzlich ausgeklammert. Somit gelten hier<br />

keine einschränkenden Regelungen der entsprechenden<br />

Verordnungen. Im Übrigen ist<br />

durch zahlreiche Freistellungen sichergestellt,<br />

dass das dörfliche Leben weitergeht.<br />

Besonders intensiv abgewogen sind die<br />

Regelungen für die landwirtschaftliche Nutzung.<br />

Denn schließlich leben die landwirtschaftlichen<br />

Familienbetriebe von ihren<br />

Flächen. Und der Landkreis Osterholz hat aus<br />

gesamtgesellschaftlichen Gründen ein hohes<br />

Interesse am Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft<br />

- übrigens auch aus Naturschutzgründen:<br />

Ohne Landwirtschaft keine Wiesen,<br />

ohne Wiesen weder Wiesenblumen noch<br />

Wiesenvögel.<br />

In den Landschaftsschutzgebieten „Hammeniederung“<br />

und „Teufelsmoor“ soll die<br />

ordnungsgemäße Landwirtschaft weiterhin<br />

weitestgehend möglich bleiben.<br />

In den geplanten Naturschutzgebieten<br />

„Hammeniederung“ und „Teufelsmoor“ sollen<br />

zukünftig dagegen strengere Regelungen<br />

gelten. Diese stehen noch nicht abschließend<br />

fest. Ihre vollständige Ausgestaltung soll erst<br />

in einem weiteren Verfahren (2. Tranche) in<br />

enger Abstimmung mit den betroffenen<br />

Landwirten erfolgen. Dabei ist Folgendes zu<br />

berücksichtigen: Große Teile der geplanten<br />

Naturschutzgebiete wurden von der öffentlichen<br />

Hand für Naturschutzzwecke erworben.<br />

Auf verbliebenen privaten Grünlandflächen<br />

werden durch Auflagen bedingte Erschwernisse<br />

vom Land finanziell ausgeglichen.<br />

Ein besonderes Thema ist die Umwandlung<br />

von Grünland in Acker, die meistens das<br />

Ziel verfolgt, Mais als wertvolle Futter- bzw.<br />

Energiepflanze anzubauen. Die Sammelverordnung<br />

verpflichtet die Landwirte, die eigenen<br />

Fachregeln der ordnungsgemäßen Landwirtschaft<br />

einzuhalten. Damit soll für die<br />

Zukunft die Umwandlung von Grünland auf<br />

Moorböden, grundwassernahen Böden und<br />

in Überschwemmungsgebieten verbindlich<br />

unterbleiben.<br />

Und auch das ist wichtig für die Landwirtschaft:<br />

Die Sammelverordnung enthält keine<br />

Regelungen zur Vernässung der Gebiete. Sie<br />

ändert weder die Steuerung der Ritterhuder<br />

Um die geplante Sammelverordnung<br />

ranken sich derzeit viele Gerüchte. Auch<br />

der Artikel im <strong>Heimat</strong>-<strong>Rundblick</strong> 3/<strong>2016</strong><br />

zur Sammelverordnung von Agnes Lenz<br />

bedarf einiger Richtigstellungen:<br />

• Nicht der Landkreis hat Vogelschutzund<br />

FFH-Gebiete an die Europäische<br />

Union gemeldet, sondern das Land<br />

Niedersachsen bzw. die Bundesrepublik<br />

Deutschland.<br />

• Die Natura 2000 – Gebiete in der Hammeniederung<br />

müssen als Natur- oder<br />

Landschaftschutzgebiete ausgewiesen<br />

werden. Der Landkreis hat insoweit<br />

keine Spielräume.<br />

• Der Landkreis hat sich bezüglich der<br />

Sicherung der Natura 2000 – Gebiete<br />

eben nicht für die „schärfste Form entschieden“.<br />

Dies wäre die vollständige<br />

Ausweisung als Naturschutzgebiet<br />

gewesen. Die Sammelverordnung<br />

sieht dagegen einen Mix aus Naturund<br />

Landschaftsschutzgebieten vor.<br />

• Der Landkreis weist keine Biotope aus.<br />

Seit 1990 werden im Bundesnaturschutzgesetz<br />

bzw. im entsprechenden<br />

Niedersächsischen Landesgesetz<br />

bestimmte gefährdete Biotope<br />

benannt, die kraft Gesetzes unter<br />

Schutz stehen. Der Landkreis hat die<br />

gesetzliche Pflicht, diese zu erfassen<br />

und in das Naturschutzverzeichnis einzutragen.<br />

• Mit der Feststellung der gesetzlich<br />

geschützten Biotope findet ausdrücklich<br />

nicht „de facto eine Enteignung“<br />

statt. Die bisherige Nutzung, die zum<br />

Entstehen des Biotops geführt hat, darf<br />

i.d.R. fortgeführt werden. Der Biotop<br />

darf aber nicht zerstört oder sonst<br />

erheblich beeinträchtigt werden.<br />

Soweit es sich um privates Grünland<br />

handelt, zahlt das Land für Erschwernisse<br />

der Bewirtschaftung Ausgleich.<br />

• Die Sammelverordnung berücksichtigt<br />

eben nicht „ausschließlich die Erhaltung<br />

und Förderung der Vogel- und<br />

Pflanzenwelt“. Die Sammelverordnung<br />

berücksichtigt auch andere<br />

Naturschutzaspekte, wie die für den<br />

Tourismus wichtige Erhaltung des<br />

Landschaftsbildes. Sie berücksichtigt<br />

aber insbesondere umfänglich die<br />

Belange unterschiedlicher Nutzungen<br />

im Gebiet.<br />

• Der Vergleich der Sammelverordnung<br />

mit der „Planwirtschaft“, die Unterstellung<br />

einer „willkürlichen Lenkung der<br />

Bevölkerung“, die Befürchtung einer<br />

„Mangelwirtschaft“, die Aussagen,<br />

dass das betreffende Gebiet „von der<br />

kulturellen Weiterentwicklung bewusst<br />

abgeschnitten wird“ und weitere<br />

Unterstellungen gegenüber dem<br />

Landkreis entbehren jeglicher Grundlage<br />

und werden von der Kreisverwaltung<br />

ausdrücklich zurückgewiesen.<br />

Schleuse noch die Entwässerung des Waakhauser<br />

und Niederender Polders. Die in den<br />

Gebieten überall erforderliche Gewässerunterhaltung<br />

bleibt erlaubt. Allerdings soll sie<br />

zukünftig ökologisch verträglicher erfolgen.<br />

Diesbezüglich enthält die Sammelverordnung<br />

einige Vorgaben, die sich aber weitestgehend<br />

auf die beiden geplanten Naturschutzgebiete<br />

beschränken.<br />

Heimische und auswärtige Erholungssuchende<br />

sind nach wie vor in den Schutzgebieten<br />

willkommen. Soweit die Gebiete zum<br />

europäischen Vogelschutzgebiet gehören<br />

sind sie allerdings an das ausgewiesene naturverträgliche<br />

Freizeitwegenetz gebunden.<br />

Dieses umfasst eine Gesamtlänge von 115<br />

km. Hinzu kommen noch 15 km Straßen<br />

begleitende Radwege. Zusammen ein Wegenetz<br />

von 130 km! Auch die Schifffahrt und<br />

der Bootssport sollen unter besserer Beachtung<br />

der Pflanzen- und Tierwelt und unter<br />

Berücksichtigung des Tourismus neu geregelt<br />

werden. Dasselbe gilt eingeschränkt auch für<br />

die Luftfahrt und den Flugsport. Die Sammelverordnung<br />

setzt damit bereits vor 10 Jahren<br />

ausgehandelte und politisch beratene kompromissorientierte<br />

Konzepte um.<br />

Die Sammelverordnung zielt auch darauf<br />

ab, den klimaschädlichen Torfabbau zu<br />

unterbinden - und das auch außerhalb der<br />

Natura 2000 – Kulisse. Dies ist ein ganz herausragender<br />

Grund für das geplante Landschaftsschutzgebiet<br />

„Teufelsmoor“. Denn<br />

hier lagern nach wie vor beachtliche Torfbestände.<br />

Ohne das Landschaftsschutzgebiet<br />

„Teufelsmoor“ würden Torfabbauanträge<br />

kaum abzulehnen sein. Das Landschaftsschutzgebiet<br />

„Teufelsmoor“ sichert damit<br />

auch die schönen Wohnlagen der Ortschaft<br />

Teufelsmoor!<br />

Einschränkungen der Fischerei beschränken<br />

sich weitestgehend auf das Naturschutzgebiet<br />

„Hammeniederung“. Aber auch hier<br />

wird die Fischerei keinesfalls verboten. Der<br />

Verordnungsentwurf sieht u.a. Fischereizonen<br />

von insgesamt 17 km Länge, davon 12<br />

km ohne zeitliche Befristung vor. Einschränkungen<br />

der Jagd beziehen sich vor allem auf<br />

die geplanten Naturschutzgebiete. Der<br />

Schwerpunkt liegt auf dem Naturschutzgebiet<br />

„Hammeniederung“ und hier vornehmlich<br />

auf den öffentlichen Flächen. Alle Regelungen<br />

sind so abgestimmt, dass die Jagd ihre<br />

wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben erfüllen<br />

kann.<br />

Die Sammelverordnung liegt derzeit als<br />

Entwurf vor. Das Beteiligungsverfahren, das<br />

u.a. eine öffentliche Auslegung umfasste, ist<br />

abgeschlossen. Aktuell wertet die Kreisverwaltung<br />

die eingegangenen Stellungnahmen<br />

aus und überarbeitet den Verordnungsentwurf.<br />

Der überarbeitete Entwurf soll im Oktober<br />

dieses Jahres dem Kreistag zur abschließenden<br />

Entscheidung und Beschlussfassung<br />

vorgelegt werden.<br />

Johannes Kleine-Büning<br />

Leiter des Planungs- und Naturschutzamtes<br />

des Landkreises Osterholz<br />

RUNDBLICK <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

13


„Goldene Medaille I. Classe“ für Fritz Mackensen<br />

Reaktionen zu der legendären Auszeichnung 1895 in München Teil 2<br />

Der Dichter Rainer Maria Rilke zitiert<br />

1903 in der „Monographie Worpswede“<br />

einen Kritiker, der über die „Münchener<br />

Jahres-Ausstellung von Künstlern aller<br />

Nationen“ im Glaspalast 1895 kommentierte:<br />

„Für den, der irgend weiß, wie ein<br />

Künstler zu solchen Ehren sonst nur durch<br />

langjähriges Streben und gute Verbindungen<br />

kommen kann, ist das eine so fabelhafte<br />

Sache, daß er sie nicht glauben<br />

würde, hätte er sie nicht selbst erlebt. Niemals<br />

ist eine Wahrheit so unwahrscheinlich<br />

gewesen“. Hier richtet sich „eine so fabelhafte<br />

Sache“ insbesondere auf die Auszeichnung<br />

des damals noch völlig unbekannten<br />

„Fritz Mackensen in Worpswede“.<br />

Ihm wurde 1895 für das Gemälde „Gottesdienst<br />

im Freien“ im Glaspalast „Die<br />

Goldene Medaille I. Classe“ verliehen.<br />

Mit dem oben genannten Zitat des Kritikers<br />

endet der Artikel „150 Jahre Fritz<br />

Mackensen“ im <strong>Heimat</strong> <strong>Rundblick</strong>, Frühjahr<br />

<strong>2016</strong> Nr. 116, Seite 24 – 26.<br />

Anhand von vorhandenen Briefen und<br />

Dokumenten soll im Folgenden untersucht<br />

werden, welche Reaktionen durch den<br />

legendären Erfolg von Mackensen 1895<br />

ausgelöst wurden.<br />

Die Korrespondenz zwischen Fritz<br />

Mackensen und seiner Mutter geschah<br />

stets in einer wechselseitigen Herzlichkeit<br />

und mit Fürsorge. (Paula Becker nannte<br />

Mackensen in ihrem Tagebuch 1897:<br />

„zärtlich weich zu seiner Mutter“; Worpsweder<br />

Almanach, Seite 66).<br />

Fritz Mackensen, Büste seiner Mutter, um 1898,<br />

Bronze, Kulturstiftung Landkreis Osterholz, © VG<br />

Bild-Kunst, Bonn <strong>2016</strong><br />

Die Mutter schrieb am 7.4.1895 aus<br />

Hannover an ihren ältesten Sohn: „Mein<br />

lieber Fritz! … Auch für die Kunst wünsche<br />

ich Dir viel Glück und besten Erfolg. ...<br />

Heute habe ich sehr viel an Dich denken<br />

müssen, ist doch heute Eure Ausstellungseröffnung“<br />

(die Ausstellung der „Künstlervereinigung<br />

Worpswede“ in der Kunsthalle<br />

Bremen ist hier gemeint).<br />

Als im Sommer 1895 die Ausstellung in<br />

München begann, teilte Mackensens Bru-<br />

der ihm am 9. Juli 1895 mit: „Mein lieber<br />

Fritz! Soeben erhalten wir von Mutter die<br />

Nachricht Deines so überaus großen Erfolges.<br />

Und nun gratuliere ich Dir von<br />

ganzem Herzen dazu. Wie sehr habe ich<br />

mich gefreut …“. (Der Vater, der Bäckermeister<br />

Julius Ludwig Ernst Mackensen,<br />

war bereits 1871 in Greene gestorben. Die<br />

Mutter musste die vier Söhne versorgen).<br />

Am 19.8.1895 fragt die Mutter ihren Sohn<br />

Fritz: „… Hast Du denn die ‚Brücke im<br />

Moor‘ verkauft? … Recht freue ich mich,<br />

daß Deine Bilder in München so gut<br />

gefragt sind ….“. In zahlreichen Briefen<br />

nimmt Mackensens Mutter immer wieder<br />

regen Anteil an den künstlerischen Erfolgen<br />

ihres Sohnes Fritz.<br />

Die breite Anerkennung des Worpsweder<br />

Künstlers Fritz Mackensen für seine<br />

legendäre Auszeichnung in München<br />

bekräftigt ein Brief aus Hamburg vom<br />

9.7.95 (Absender nicht lesbar): „Selten<br />

habe ich eine Neuigkeit aus der Zeitung<br />

mit größerer Freude begrüßt, wie heute,<br />

als ich las, daß Ihnen in München die Goldene<br />

Medaille zuteil geworden ist. Ich<br />

weiß, wie ernst ihr Streben, wie all Ihr Sinnen<br />

nur der lauteren, höchsten Kunst gilt.<br />

Darum rufe ich Ihnen aus innerstem Herzen<br />

meinen herzlichen Glückwunsch zu.<br />

Möge Ihnen die verdiente Anerkennung<br />

und Auszeichnung ein Ansporn zu immer<br />

neuem Streben sein und bleiben“.<br />

Aus Konstantinopel erhält Fritz Mackensen<br />

einen anerkennenden Brief vom 10.<br />

Oktober 1895 von seinem Onkel Ernst<br />

(Friedrich Ernst Anton Mackensen,<br />

Geheimrat, Dipl. Ing., Erbauer der Bagdad-<br />

Bahn, geb. 1840 in Gandersheim, gest.<br />

1909 in Konstantinopel, Bruder des Vaters<br />

von Fritz): Mein lieber Fritz! .. Über Deinen<br />

glänzenden Erfolg freue ich mich herzlich.<br />

Mehrere Bekannte, welche Dein Bild „Predigt“<br />

in München gesehen haben, sind<br />

voll des Lobes, und ich muß sagen, daß ich<br />

den Wunsch habe, es selbst bald einmal<br />

sehen zu können. Ich nehme an, daß Du<br />

das Bild in der nächstjährigen Ausstellung<br />

in Berlin ausstellen wirst … Deine weiteren<br />

Arbeiten werden Dir im Gefolge der Anerkennung,<br />

welche Du in so reichem Maße<br />

gefunden hast, schon leichter werden“.<br />

Welch großer, großer<br />

Künstler müssen Sie sein!<br />

Ausstellungshalle des „Glaspalast München“, um 1895 (Innenansicht), Fotografie; Sammlung Hanfstaengl<br />

, München<br />

Ein Schreiben vom 26. Oktober 1895<br />

erhält Mackensen aus Hannover (Absender<br />

lässt sich nicht entziffern): „Ich las eine Kritik<br />

über Sie und so eine glänzende, daß ich<br />

kaum meinen Augen traue. Welch großer,<br />

großer Künstler müssen Sie sein!“<br />

14 RUNDBLICK <strong>Herbst</strong>s <strong>2016</strong>


Der „Glaspalast München“ um 1895, Fotografie; Sammlung Hanfstaengl, München<br />

Nach Erfolg meldeten<br />

sich die Presse …<br />

Nach dem großen Erfolg in München<br />

meldeten sich zunehmend Verlage und<br />

Zeitungsredaktionen bei dem Worpsweder<br />

Künstler Mackensen.<br />

„Die Redaktion der Illustrierten Zeitung<br />

in Leipzig“ bittet am 1. Juli 1895 um das<br />

„Holzschnittrecht“: „Wir hegen den<br />

Wunsch Ihr jetzt in München im Glaspalast<br />

ausgestelltes Gemälde „Der Säugling“<br />

unsern Lesern in Holzschnittreproduction<br />

vorzuführen und erlauben uns die Anfrage<br />

an Sie zu richten, ob und unter welchen<br />

Bedingungen Sie uns das Buchreproductionsrecht<br />

daran im Sinne des beiliegenden<br />

Reverses abzutreten bereit wären“.<br />

Am 15. Juli 1895 teilt J.J. Weber von der<br />

„Redaction der Illustrierten Zeitung in<br />

Leipzig“ Mackensen mit, dass sie das<br />

„Gottesdienst“ betitelte Gemälde den<br />

Lesern als Reproduktion vorzuführen beabsichtigen,<br />

„wenn an diesem das Buchreproductionsrecht<br />

noch frei und eine Photographie<br />

vorhanden ist“.<br />

… und Verlage<br />

Ein Schreiben aus Dornach vom 30.<br />

Oktober 1895 („Photographischer Kunstverlag<br />

AD. Braun & Cie“) richtete sich an<br />

Mackensen in Worpswede: „Empfangen<br />

Sie unsern verbindlichsten Dank für die<br />

ehrenvolle Auszeichnung, die Sie uns<br />

RUNDBLICK <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

durch den Antrag Ihrer Bilder ‚Gottesdienst‘<br />

und ‚Der Säugling‘ durch unsern<br />

Verlag veröffentlichen zu lassen, entgegenbringen“.<br />

Auch Kontakte zu Museen<br />

entstanden<br />

In der Zwischenzeit waren auch Kontakte<br />

zu Museen in Leipzig, Berlin und<br />

Mackensens Werk „Moorbrücke“ erzielte auf der<br />

„Münchener Jahres-Ausstellung“ den Betrag von<br />

600,- Mark<br />

Dresden entstanden, und es wurden Ausstellungen<br />

geplant. In Leipzig äußerte Max<br />

Klinger sich anerkennend über Werke von<br />

Fritz Mackensen. Aus Bremen schrieb<br />

Gustav Vinnen - (mit dem Maler Carl Vinnen<br />

verwandt) - am 23. Oktober 1895:<br />

„Freue mich sehr, Ihr berühmtes Worpswede<br />

jetzt in der stimmungsvollsten Jahreszeit<br />

kennen zu lernen. Es wird ein würdiger<br />

Schlußakkord unserer Sommerzeit<br />

sein“. Außerdem bekräftigt der Bremer<br />

Rechtsanwalt Dr. R. Voigt in dem Brief vom<br />

24. Oktober 1895 an Mackensen: „Nachdem<br />

mir so allmählich klar geworden (ist),<br />

daß Sie mittlerweile ein berühmter Maler<br />

geworden sind, habe ich einige Gewissensbisse<br />

bekommen über unsern neulich<br />

verabredeten Plan, unsere kleinen Schwägerinnen<br />

durch Sie malen zu lassen. Ich<br />

denke mir, bei Ihren Erfolgen (können<br />

Sie) Ihre Zeit sehr nutzbringend anwenden“.<br />

Fritz Mackensen sandte seiner Mutter<br />

am 18.10.1895 die seinerzeit sehr einflussreiche<br />

Kunstzeitschrift „Die Kunst für Alle“.<br />

Diese bekannte Publikation erschien ab<br />

1885 im Münchener Bruckmann Verlag<br />

und wurde von dem Maler und Kunstschriftsteller<br />

Friedrich Precht herausgegeben.<br />

Der Worpsweder Künstler Fritz Overbeck<br />

veröffentlichte am 15. Oktober 1895<br />

in dem Heft 2, Seite 20 bis 24 den Artikel<br />

„Ein Brief aus Worpswede“. Aufgrund der<br />

Münchener Ausstellung im Glaspalast<br />

hatte ein „Redakteur“ den Wunsch an<br />

Overbeck gerichtet, „etwas von Worpswede<br />

zu hören“.<br />

Der Artikel „Ein Brief aus Worpswede“<br />

war mit Abbildungen von Worpsweder<br />

Künstlern illustriert. Dazu zählten auch<br />

Werke von Mackensen. Seine Mutter kommentierte<br />

am 18.10.95: „Mein lieber lieber<br />

Fritz! Gestern Morgen erhielten wir<br />

(die Zeitschrift) … es machte mir ungeheuren<br />

Spaß, Mittags Wilhelm (Bruder von<br />

Fritz), den Aufsatz vorzulesen. Weißt Du,<br />

mein lieber bester Fritz, daß in dem Heft<br />

Dein „Säugling“ das Beste von allem ist,<br />

das ist nach meinem Gefühl ganz wunderbar.<br />

Dein ‚Gottesdienst‘ ist doch längst<br />

nicht so klar und schön“.<br />

Die legendäre Auszeichnung 1895 in<br />

München für Fritz Mackensen hat unzählige<br />

Reaktionen und Erklärungen ausgelöst.<br />

Mit Hilfe von verfügbarem Quellenmaterial<br />

aus diesem Jahr konnten einzelne<br />

Facetten beschrieben werden. Die<br />

Darstellung ist möglicherweise eine Anregung<br />

zu weiteren Untersuchungen und<br />

Betrachtungen.<br />

Dr. Helmut Stelljes<br />

Quellenmaterial:<br />

Archiv der Barkenhoff-Stiftung Worpswede<br />

15


Fritz Mackensen: Einblicke in die Familienchronik<br />

Teil 1<br />

Anlass für diesen Beitrag<br />

Der in diesem Jahr begangene 150.<br />

Geburtstag des Gründungsvaters der<br />

Malerkolonie Worpswede, Fritz Mackensen,<br />

böte sicher genügend Anlass, seiner<br />

zu gedenken. Indes, es herrscht ziemliche<br />

Zurückhaltung, nicht zuletzt im Künstlerort<br />

selbst, dessen spezielle Geschichte nun<br />

einmal mit Mackensen in besonderer<br />

Weise zu tun hat. Lediglich im Museum am<br />

Modersohn-Haus in Worpswede und im<br />

Overbeck-Museum in Bremen-Vegesack<br />

kann man sich einen breiteren Einblick in<br />

sein Werk verschaffen, zum Teil mit Bildern,<br />

die bisher kaum oder gar nicht<br />

öffentlich gezeigt worden sind. In den Einführungsvorträgen<br />

bei den Ausstellungseröffnungen<br />

wurde durch Katja Pourshirazi<br />

und Bernd Küster in Vegesack sowie Friederike<br />

Schmidt-Möbus in Worpswede<br />

natürlich in erster Linie sein künstlerisches<br />

Werk kritisch gewürdigt. Andererseits blieb<br />

aber auch seine politische Verankerung,<br />

vor allem seine Nähe zum Nationalsozialismus,<br />

in den Betrachtungen nicht ausgespart.<br />

Und auch bei einer Podiumsdiskussion<br />

Anfang September im Worpsweder<br />

Rathaus wurden nicht nur kunstkritische<br />

Reflexionen angestellt. Immerhin kam es<br />

hier zu einer vergleichsweise differenzierten<br />

Betrachtung seines Lebens und Wirkens.<br />

Aber dennoch: Fritz Mackensen<br />

macht es uns allen offensichtlich schwer,<br />

mit seiner Vita zurechtzukommen.<br />

Aber anders als an den erwähnten Orten<br />

und auch anders als in den in dieser Zeitschrift<br />

veröffentlichten Beiträgen von Helmut<br />

Stelljes (<strong>2016</strong>) sollen im Folgenden<br />

ausnahmsweise weder sein künstlerisches<br />

Werk noch seine Vita im Vordergrund stehen.<br />

In den Mittelpunkt gerückt werden<br />

sollen vielmehr die Familie, vor allem die<br />

drei Brüder sowie deren Werdegang und<br />

Wirken. Meine Absicht ist damit nicht, Fritz<br />

Mackensen etwa völlig aus dem Blick nehmen<br />

zu wollen, um seine Handlungen<br />

oder Verfehlungen kleiner zu schreiben,<br />

gar zu entschuldigen. Nein, mein Beitrag<br />

soll vielmehr den Blick auf ihn erweitern<br />

helfen, indem ich sein soziales Umfeld<br />

betrachte.<br />

Der Auslöser<br />

Auslöser für diesen speziellen Ansatz in<br />

der Darstellung ist im Grunde genommen<br />

eine Nebensächlichkeit. Bei der Beschäftigung<br />

mit dem Künstler musste ich nämlich<br />

feststellen, dass in der einschlägigen Literatur<br />

wiederholt ärgerliche Verwechslungen<br />

seiner Brüder auftreten. Im Mittelpunkt<br />

dieses irritierenden „Wechselspiels“<br />

stehen ausschließlich die beiden jüngeren<br />

Brüder von Fritz, nämlich Wilhelm und<br />

Albert. Otto, der jüngste, bleibt in dieser<br />

Hinsicht (bislang) noch unbehelligt.<br />

Dabei hatte eigentlich alles einmal korrekt<br />

begonnen, heißt es doch in der Monographie<br />

von Ulrike Hamm/Bernd Küster<br />

(1990, S. 25): „Albert wurde Kaufmann in<br />

Bremen, Wilhelm Architekt und Hofbaurat<br />

in Hannover ...“. Leider kommt es dann<br />

aber im selben Werk auf Seite 74 erstmals<br />

zu der oben kritisierten Verwechslung. Bei<br />

der Beschreibung von Fritz Mackensens<br />

Wohnhaus am Weyerberg in Worpswede,<br />

dem sogenannten Haus Susenbarg, heißt<br />

es dann falsch: „Das Haus wurde nach Entwürfen<br />

des Bruders und Architekten Albert<br />

Mackensen gebaut.“ Dass dieser Fehler Folgen<br />

zeitigte, wird denjenigen Lesern deutlich,<br />

die zu dem außerordentlich lesenswerten<br />

Buch von Gudrun Scabell (2012) greifen<br />

und dort im Text über die Villa Mackensen<br />

denselben (falschen) Hinweis finden,<br />

dass „die Entwürfe … von Albert Mackensen,<br />

dem Architekten und Bruder Fritz<br />

Mackensens“ (S. 80) stammten. Und ein<br />

aktuelles (und hoffentlich auf Dauer letztes)<br />

Beispiel ist in dem Buch zu finden, das<br />

Sigrun und Bernhard Dieter Kaufmann<br />

<strong>2016</strong> aus Anlass der von ihnen im Museum<br />

am Modersohn-Haus in Worpswede initiierten<br />

und so sehenswerten Ausstellung von<br />

Kunstwerken Fritz Mackensens herausgegeben<br />

haben. Darin schreibt die eingangs<br />

erwähnte Kunsthistorikerin Friederike<br />

Schmidt-Möbus über die wiederum<br />

miteinander vertauschten Söhne (S. 9):<br />

„Sohn Wilhelm wurde erfolgreicher Kaufmann<br />

in Bremen, Albert wurde Architekt<br />

und Baurat in Hannover ...“.<br />

Ich will es damit bewenden lassen und<br />

mich im Weiteren der höchst interessanten<br />

Familienchronik der Mackensen-Familie<br />

zuwenden – und dabei ausführlich über<br />

die Söhne Albert, Wilhelm und Otto und<br />

ihre wahren beruflichen Funktionen und<br />

Leistungen berichten. Die dabei gesammelten<br />

Daten und Informationen sind vielleicht<br />

zugleich dazu geeignet, aus den vielfältigen<br />

Familienbeziehungen ein neues<br />

und differenzierteres Bild von und über<br />

Fritz Mackensen zu gewinnen.<br />

Die meisten Ausgangsdaten konnte ich<br />

einem genealogischen Forschungsbericht<br />

von Hans Bülow (1989) entnehmen.<br />

(Inzwischen weiß ich allerdings, dass eine<br />

ganze Reihe von Angaben darin unzutreffend<br />

sind.) Einige Informationen zum<br />

Abgleich bzw. als Ergänzungen fand ich<br />

verstreut in den entsprechenden Wikipedia-Seiten<br />

bzw. in weiteren Einträgen im<br />

Internet. Wichtige Hilfestellungen leisteten<br />

auch der <strong>Heimat</strong>verein in Greene in der<br />

Person seines 1. Vorsitzenden Jürgen Sander<br />

sowie viele andere hilfsbereite Menschen,<br />

z.B. in Orts-, Stadt-, Staats- und Kirchenarchiven,<br />

bei Handelskammern und<br />

in Unternehmensarchiven. Ihnen sei an<br />

dieser Stelle ebenso herzlich gedankt wie<br />

den mehr als zwei Dutzend ungenannt<br />

bleibenden Personen aus der Nachkommenschaft<br />

der Mackensens, die in ihren<br />

Erinnerungen, Datensammlungen und<br />

Fotoalben auf Spurensuche gegangen<br />

waren und mir sehr behilflich zur Seite<br />

standen.<br />

Der Vater,<br />

seine Geschwister<br />

und die Mutter<br />

Meine Einblicknahme in die Familienchronik<br />

möchte ich mit den Eltern beginnen.<br />

Der Vater Ludwig Mackensen (* 1836<br />

in Gandersheim; † 1871 in Greene) war<br />

Bäckermeister in der gepachteten Gemeindebäckerei<br />

in Greene, einer Gemeinde im<br />

südlichen Niedersachsen, die heute zur<br />

Stadt Einbeck gehört. Ludwig Mackensen<br />

setzte mit seiner Tätigkeit eine gewisse<br />

Familientradition fort, denn auch sein<br />

Vater war Bäckermeister, allerdings im<br />

nahen Gandersheim. Überhaupt dominierten<br />

in der Linie des Vaters, d.h. seiner<br />

Vorfahren, handwerkliche Berufe. So werden<br />

seit dem späten 17. Jahrhundert, vorwiegend<br />

in Gandersheim, neben den<br />

Bäckermeistern u.a. auch Ratszimmer-,<br />

Nagelschmiede- und Schuhmachermeister<br />

als Vorfahren mit dem Namen<br />

Mackensen genannt. Diese Tradition wird<br />

aber erstmals in der Familie des Vaters<br />

nicht mehr durchgängig aufrechterhalten.<br />

Während die Schwester Georgine noch<br />

einen Sattlermeister und die Schwester<br />

Antonie einen Bäckermeister heirateten,<br />

verließen die beiden Brüder diese Familientradition,<br />

indem sie sich technischen<br />

Berufen zuwandten, und zwar über eine<br />

akademische Ausbildung.<br />

Der eine Bruder, nämlich Ernst Mackensen<br />

(* 1840 in Gandersheim; † 1909 in<br />

Konstantinopel-Pera), brachte es als Dipl.<br />

Ing., versehen mit der Ehrendoktorwürde<br />

der TH Dresden, zum preußischen Titel<br />

eines Geheimen Baurats. Besondere Auszeichnungen,<br />

d.h. mehrere Orden des<br />

Osmanischen Reiches, erwarb er sich aber<br />

im Zusammenhang mit Eisenbahnprojekten<br />

in der heutigen Türkei. Als Leiter der<br />

Anatolischen Eisenbahngesellschaft, vor<br />

allem aber bei der Planung und beim Bau<br />

der berühmten Bagdadbahn, einer ingenieurtechnischen<br />

Meisterleistung, die ab<br />

16 RUNDBLICK <strong>Herbst</strong>s <strong>2016</strong>


1903 realisiert wurde, spielte er eine wichtige<br />

Rolle.<br />

Der zweite Bruder, nämlich Wilhelm (*<br />

1847 in Gandersheim; † ? in Braunschweig),<br />

wurde ebenfalls Dipl. Ing. und<br />

mit dem Titel Geheimrat ausgestattet.<br />

Auch sein Tätigkeitsschwerpunkt hatte mit<br />

der Bahn zu tun, dem damals noch<br />

zukunftsträchtigen Unternehmen. In der<br />

Bremer Region z.B. zeichnete er verantwortlich<br />

für den Bau der sogenannten<br />

Dreyerbrücke, einer Eisenbahnbrücke, die<br />

die Weser zwischen Bremen-Hemelingen<br />

und Dreye, einem Ortsteil der Gemeinde<br />

Weyhe überspannt. Sie entstand 1873 als<br />

Teil der Hamburg-Venloer Bahn in der<br />

Zuständigkeit der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft,<br />

für die zu jener Zeit<br />

auch der eben erwähnte Bruder Ernst tätig<br />

war. Der Gedanke, dass der ältere Bruder<br />

dem jüngeren den Zugang zum Unternehmen<br />

erleichterte, dürfte nicht ganz abwegig<br />

sein. Wir werden an anderen Stellen<br />

noch auf weitere Unterstützungsleistungen<br />

innerhalb der Familie Mackensen<br />

stoßen, sicher ein gutes Prinzip des familiären<br />

Zusammenhalts.<br />

Die mit der Vatergeneration in der Familie<br />

aufbrechende veränderte berufliche<br />

Orientierung ist insofern erwähnenswert,<br />

weil sie sich ja, wie darzustellen sein wird,<br />

in der Generation der Söhne, angefangen<br />

bei Fritz Mackensen, durchgängig in nichthandwerkliche<br />

Richtungen entwickelt und<br />

verfestigt. Es spricht viel dafür, dass sie sich<br />

aus den neuen Möglichkeiten sowie Ausbildungsgängen<br />

in der sogenannten Gründerzeit,<br />

einem Zeitalter zunehmender<br />

Industrialisierung und des technischen<br />

Fortschritts erklären lässt.<br />

Unerwähnt blieb bisher die Ehefrau des<br />

Bäckermeisters bzw. die Mutter der hier im<br />

Mittelpunkt stehenden vier Jungen. Ludwig<br />

Mackensen hatte 1865 die Lehrerstochter<br />

Luise Meyer aus Bodenwerder an<br />

der Weser geheiratet. Sie war dort 1839<br />

geboren worden. Ihre Mutter war 37-jährig<br />

kurz nach der Geburt der Tochter im<br />

Wochenbett verstorben. Ob der Vater<br />

erneut eine Ehe eingegangen war, konnte<br />

nicht ermittelt werden. Indes, es ist wohl<br />

davon auszugehen, zumal er zeitweise seinen<br />

Enkel Fritz bei sich aufnahm (s.u.).<br />

Luise Mackensen soll nach allem, was zu<br />

erfahren ist, eine recht harte, strenge,<br />

streit- und herrschsüchtige Frau gewesen<br />

sein, gefürchtet zumindest von allen Enkeln<br />

und Schwiegertöchtern. Fritz Mackensen<br />

soll zu ihr trotz allem ein inniges Verhältnis<br />

gehabt haben. Er nahm sie des Öfteren für<br />

längere Zeit bei sich in seiner Wohnung,<br />

zunächst in der Alten Schule und später in<br />

seinem Hause in Worpswede auf. Dabei fertigte<br />

er eine Reihe von Zeichnungen,<br />

Gemälden und Plastiken von ihr an. Im<br />

Jahre 1919 starb sie in Hannover, wo zu<br />

dieser Zeit der drittälteste Sohn Wilhelm<br />

wohnte. Sie wurde dort auf dem Stadtfriedhof<br />

Engesohde beigesetzt.<br />

Die Söhne<br />

und ihre Familien<br />

In der Ehe von Ludwig und Luise<br />

Mackensen, die durch den frühen und<br />

plötzlichen Tod des 35-jährigen Ehemannes<br />

bereits im Jahre 1871 endete, wurden<br />

die drei Söhne Fritz, Albert und Wilhelm<br />

geboren. Der vierte Sohn, nämlich Otto,<br />

stammt aus einer anderen, wenn man so<br />

will „nach-ehelichen“ Beziehung der Mutter.<br />

Dazu später mehr.<br />

Nun zu den ehelich geborenen Söhnen<br />

und ihren Familien mit den (so weit wie<br />

möglich ermittelten) Lebensdaten:<br />

(1) Heinrich Friedrich Karl (genannt<br />

Fritz) Mackensen (* 8.4.1866 in Greene; †<br />

12.5.1953 in Bremen); verheiratet mit seiner<br />

ehemaligen, fast 18 Jahre jüngeren<br />

Malschülerin Hertha, geb. Stahlschmidt (*<br />

13.3.1884 in Bonn; † 11.12.1949 in Bremen),<br />

Tochter eines Bonner Kaufmanns.<br />

Das Ehepaar Fritz und Hertha Mackensen (entnommen<br />

aus Hamm/Küster 1990, S. 14)<br />

Porträt der Tochter Alexandra, 1938 (Foto: Teumer,<br />

aufgenommen im Overbeck-Museum)<br />

Aus der Ehe stammt die (behinderte)<br />

Tochter Alexandra (* 7.1.1908 in<br />

Worpswede; † 21.3.1961 in Lüneburg),<br />

die über Jahre in Pflegeeinrichtungen<br />

lebte. Durch ihr Lebensschicksal, im Dritten<br />

Reich zwangssterilisiert und der Euthanasie<br />

ausgesetzt, mag man vielleicht<br />

ein wenig mehr Einsicht und Verständnis<br />

entwickeln in manche Handlungen des<br />

Vaters. Das bedeutet nicht, sein Tun zu verharmlosen.<br />

Es hilft aber möglicherweise<br />

dazu, sein Handeln aus den Zeitumständen<br />

und seiner persönlichen Lage heraus<br />

differenzierter als es gemeinhin geschieht<br />

zu bewerten.<br />

(2) Albert Konrad Johann Mackensen (*<br />

11.11.1867 in Greene; † 2.7.1936 in Düsseldorf);<br />

verheiratet mit der Tochter eines Bremer<br />

Silberwarenfabrikanten, Luise Charlotte<br />

Marie, geb. Wilkens (* 3.8.1880 in Hemelingen<br />

b. Bremen; † 4.10.1947 in Lehesterdeich<br />

b. Bremen).<br />

Dieser Ehe entstammen zwei Töchter,<br />

und zwar Gertrud Bertha Luise (*<br />

20.9.1902 in Düsseldorf; † 18.7.1997 in<br />

München) sowie Mirjam Frida Elisabeth (*<br />

14.1.1908 in Düsseldorf; † 30.9.1984 in<br />

München). Gertrud, verheiratet mit dem<br />

Kaufmann und Direktor der Focke-Wulf-<br />

Flugzeugwerke in Bremen Dr. Werner Naumann,<br />

betrieb nach dem altersbedingten<br />

Ausscheiden ihrer Mutter die von dieser<br />

auf dem Charlottenhof in Bremen-Horn<br />

aufgebaute stadtbekannte Baum- und<br />

Rosenschule weiter (s. Teil 2). Mirjam war<br />

in erster Ehe mit (dem frühverstorbenen)<br />

Otto Liederley, Generaldirektor der Rhein.<br />

Bahngesellschaft und komm. Oberbürgermeister<br />

in Düsseldorf, in zweiter Ehe mit<br />

dem Richter Dr. Ernst Freiherr v. Dörnberg<br />

verheiratet.<br />

Porträt der Tochter Alexandra, 1938 (Foto: Teumer,<br />

aufgenommen im Overbeck-Museum)<br />

(3) Wilhelm Adolf Albert Ernst Mackensen<br />

(* 21.8.1869 in Greene; † 8.3.1955 in<br />

Hannover);<br />

verheiratet mit Helene, geb. Justorff (*<br />

12.11.1868 in Hameln; † 14.10.1938 in<br />

Hannover), Tochter eines Buchbindermeisters<br />

aus Hameln.<br />

In dieser Ehe wurden vier Kinder gebo-<br />

RUNDBLICK <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

17


en, und zwar (der frühverstorbene) Hans-<br />

Heinrich (* 21.2.1903 in Hannover; †<br />

27.6.1903 in Hannover), Walter<br />

(11.11.1905 in Hannover; † ? in ?); Hertha<br />

(* 4.1.1907 in Hannover; † 2.1.1990 in<br />

Hannover) und Margarete (* 25.6.1908 in<br />

Hannover; † 20.4.1974 in Hannover). Walter<br />

wurde Reg.Baurat in Münster, und er<br />

war u.a. bei der Wiedereinweihung der (an<br />

den Lilienthaler Unternehmer Naber verkauften)<br />

Mackensen-Villa nach ihrer Renovierung<br />

1962 in Worpswede anwesend.<br />

Hertha war mit dem Stadtoberbaurat Karl-<br />

Ernst Rohmer, Margarete mit dem (in Russland<br />

vermissten) Dr. Ing. Hanskarl Voigt<br />

verheiratet.<br />

Das Leben der Mutter<br />

Nach dem plötzlichen Tod des Ehemannes<br />

und Vaters der drei Söhne stand die<br />

Witwe vor der Aufgabe, den Betrieb der<br />

Bäckerei aufrechtzuerhalten, um damit<br />

die Lebensgrundlage für sich und die Kinder<br />

zu sichern. Dies gelang zunächst mit<br />

Hilfe des in der Bäckerei tätigen Gesellen.<br />

Ob es sich dabei um Johann Georg Caspar<br />

Sürig (oder auch: Syrig) gehandelt hat,<br />

wird aus den mir zur Verfügung gestellten<br />

Unterlagen aus dem <strong>Heimat</strong>verein Greene<br />

e.V. nicht zweifelsfrei ersichtlich. Unbestritten<br />

aber ist, dass Luise Mackensen einen<br />

um fast sechs Jahre jüngeren Bäcker<br />

namens Sürig (* 2.2.1845 in Hildesheim,<br />

kath. Glaubens) am 14. Juli 1872 geheiratet<br />

hat. Allerdings endete diese Verbindung<br />

– Fritz Mackensen macht dafür die<br />

Trunksucht und Rohheit des Mannes verantwortlich<br />

(vgl. Hamm/Küster 1990, S.<br />

24) – nach sehr kurzer Dauer mit der Scheidung,<br />

die am 1. September 1874 vom<br />

Kreisgericht in Gandersheim ausgesprochen<br />

wurde. Der Bäckereibetrieb war<br />

bereits seit 1873, als Sürig die neue Familie<br />

plötzlich verlassen hatte, von der o.a.<br />

Schwägerin Antonie zusammen mit ihrem<br />

Mann, dem Bäckermeister Heinrich Christian<br />

Willgeroth, weitergeführt worden.<br />

Dass dieses Schicksal und Scheitern für die<br />

Mutter mit ihren drei Söhnen eine existentielle<br />

Bedrohung darstellte, liegt auf der<br />

Hand. Fritz war bereits 1871 nach dem<br />

Tode des Vaters vorübergehend zum<br />

Großvater nach Bodenwerder gegeben<br />

worden, Albert und Wilhelm waren mit der<br />

Mutter in das Haus eines Tierarztes in Greene<br />

umgezogen.<br />

Im Jahre 1877 entschloss sich die Mutter<br />

dazu, mit ihren drei Söhnen (nicht mit vier,<br />

wie mehrfach zu lesen ist, weil der vierte<br />

ja noch nicht geboren war!) in das 40 km<br />

entfernte Holzminden an der Weser zu ziehen.<br />

Die Begründung für diesen Umzug in<br />

die Kleinstadt liegt wohl ausschließlich<br />

darin, für die Söhne eine höhere Schulbildung<br />

zu ermöglichen. Doch in Holzminden<br />

trat ein Ereignis ein, was das Familiengefüge<br />

zweifellos noch einmal veränderte:<br />

Die drei Jungen, Fritz inzwischen 13 Jahre,<br />

Mutter Mackensen mit den vier Söhnen (Foto: privat)<br />

Albert 11 Jahre und Wilhelm 9 Jahre alt,<br />

bekamen 1879 einen weiteren Bruder,<br />

nämlich Otto. Er war unehelich, und seine<br />

genaue Herkunft zu erkunden, ist trotz der<br />

Recherchen in den Kirchenbüchern sowie<br />

im Stadtarchiv in Holzminden nur verdachtsweise<br />

gelungen, also nicht restlos<br />

abgesichert. Die entsprechenden Einträge<br />

fehlen nämlich, d.h. bei der Beurkundung<br />

der Geburt wurde kein Nachname des Kindes<br />

notiert, wohl aber die Tatsache, dass<br />

der Ehemann der Witwe Mackensen<br />

„bereits vor acht Jahren verstorben“ war.<br />

Dadurch war offenbar klar, dass das Kind<br />

den Mädchennamen der Mutter zu erhalten<br />

habe, also Otto Meyer. Und so blieb<br />

die Namensgebung, wahrscheinlich mit<br />

dem Zusatz: genannt Mackensen,<br />

zunächst auch über Jahre. (Über die<br />

Gründe, dass dieser vierte Sohn schließlich<br />

doch den Nachnamen Mackensen erhielt,<br />

wird in Teil 2 berichtet.)<br />

Interessant sind in diesem Zusammenhang<br />

aber noch zwei weitere Sachverhalte:<br />

Einerseits verwundert, dass in allen Dokumenten<br />

die Mutter als Witwe Mackensen,<br />

nicht aber als geschiedene Sürig bezeichnet<br />

wird, da doch wohl davon auszugehen ist,<br />

dass sie bei der zweiten Eheschließung den<br />

Namen Sürig angenommen hat. Erwähnenswert<br />

(und ziemlich überraschend) ist<br />

andererseits, dass bei Ottos Taufe eine Frau<br />

Dorette Syrig aus Hildesheim als Patin fungiert,<br />

also eine Verwandte des zweiten Ehemanns.<br />

War die Beziehung zur Familie also<br />

intakt geblieben, obwohl die Ehe so schnell<br />

geendet hatte?<br />

Luise wohnte, nunmehr mit ihren vier<br />

Söhnen, zunächst bis ins Jahr 1886 in Holzminden<br />

im Hause des jüdischen Kaufmanns<br />

Hirsch Stern, der ein Bekleidungsgeschäft<br />

besaß. Danach war sie noch in<br />

eine andere Unterkunft in der Stadt umgezogen.<br />

Den Lebensunterhalt für sich und<br />

die Kinder beschaffte sie sich, indem sie<br />

sich zu niederen Dienstleistungen verdingte<br />

und putzen, waschen und nähen<br />

ging. Zweifellos war dies ein sozialer<br />

Abstieg, und es wird berichtet, dass er<br />

besonders Fritz belastete (vgl.<br />

Hamm/Küster 1990, S. 25). In seinem<br />

1947 herausgebrachten Roman „Gerd<br />

Klindworth, Betas Sohn“, eine verschlüsselte<br />

Autobiografie, hat er dieses familiäre<br />

Problem noch in späten Jahren zu verarbeiten<br />

versucht. Ob dieses Schicksal für die<br />

Kinder vielleicht aber sogar ein Ansporn<br />

war, der in ihnen Kräfte für einen beispielhaften<br />

sozialen Aufstieg freisetzte, muss<br />

hier spekulativ bleiben. Auf jeden Fall aber<br />

wird auch die Mutter eine bewundernswerte<br />

Stärke oder auch Härte besessen<br />

haben. Hans Wohltmann, der als enger<br />

Freund Fritz Mackensens wohl viel Privates<br />

wusste, berichtete sogar recht drastisch<br />

davon, dass „aufopfernde Mutterliebe …<br />

die vier begabten Söhne 'hochgequält'“<br />

habe (1963, S. 23). Von Belang ist auch,<br />

dass es seitens der von mir danach befragten<br />

Nachkommenschaft mehrere Hinweise<br />

gibt, dass sich die beiden oben bereits<br />

erwähnten Onkel, nämlich Ernst und Wilhelm,<br />

sich der Familie und ihrer beengten<br />

finanziellen Lage angenommen haben.<br />

Beide waren kinderlos, Ernst zudem sehr<br />

wohlhabend.<br />

1889 verließ Luise, die weiterhin (oder<br />

wieder?) den Nachnamen Mackensen<br />

führte, Holzminden. Sie zog nach Hannover,<br />

wo sich einer der Söhne, nämlich Wilhelm,<br />

aufhielt. Er hatte, genauso wie<br />

Albert, seine Schulausbildung bereits<br />

beendet. Fritz, der Älteste, hatte zu dieser<br />

Zeit, wie bekannt, sein Studium an der<br />

Düsseldorfer sowie an der Münchner<br />

Kunstakademie gerade abgeschlossen und<br />

sich inzwischen mit einigen Malerfreunden<br />

zum Verbleib in dem am Rande des<br />

Teufelsmoores gelegenen Dorf Worpswede<br />

entschlossen. Deshalb hatte sich die<br />

Mutter hauptsächlich noch um den Jüngsten,<br />

nämlich den inzwischen 10-jährigen<br />

Otto und sein schulisches Fortkommen zu<br />

kümmern. Zwischenzeitlich hat sie sich<br />

aber wiederholt für längere Zeit bei ihrem<br />

ältesten Sohn Fritz in Worpswede aufgehalten,<br />

der sich ja vor dem Bau des eigenen<br />

Hauses für längere Zeit in der Alten<br />

Schule unterhalb des Friedhofs eingemietet<br />

hatte.<br />

Der vierte Sohn<br />

Ottos Lebensdaten und die seiner Familie<br />

sind die folgenden:<br />

(4) Luis Otto Theodor Meyer (später<br />

Mackensen, s. Teil 2) (* 14.5.1879 in Holzminden;<br />

† 10.2.1940 in Jena); verheiratet<br />

mit Hedwig Margarethe, geb. Sprung (*<br />

27.8.1883 in Halberstadt; † 14.1.1977 in<br />

München). Hedwigs Vater hatte den<br />

(heute seltenen) Beruf eines Gelbgießers,<br />

d.h. er goss und bearbeitete Messing und<br />

nahm die Funktion eines Werkmeisters<br />

wahr.<br />

18 RUNDBLICK <strong>Herbst</strong>s <strong>2016</strong>


In dieser Ehe wurden zwei Kinder geboren,<br />

und zwar Konrad (* ...1918 in Jena; †<br />

? in ?) sowie Dorothea (* 13.6.1919 in<br />

Jena; † 4.1.2010; in USA). Beide wurden<br />

Mediziner, Konrad Orthopäde in München,<br />

seine Schwester Zahnärztin in den<br />

USA.<br />

Prof. Dr. Jürgen Teumer<br />

Hinweis:<br />

Dieser Beitrag wird im nächsten Heft des <strong>Heimat</strong>-<strong>Rundblick</strong>s<br />

mit der ausführlichen Schilderung<br />

des persönlichen bzw. beruflichen<br />

Werdegangs von Otto, Wilhelm und Albert<br />

Mackensen fortgesetzt.. Auch die vielfältigen<br />

Auswirkungen auf das Leben und Wirken von<br />

Fritz Mackensen werden dargestellt.<br />

Literaturangaben<br />

- Bülow, Hans: Die Familien Mackensen aus<br />

Niedersachsen. Forschungsbericht. Neue<br />

Folge, Bd. 7. Hannover 1989<br />

- Hamm, Ulrike und Küster, Bernd: Fritz<br />

Mackensen 1866-1953. Lilienthal 1990<br />

- Mackensen, Fritz: Gerd Klindworth, Betas<br />

Sohn. Schloss Bleckede a. d. Elbe 1947<br />

- Scabell, Gudrun: Worpsweder Künstlerhäuser.<br />

Leben am Weyerberg. Bremen 2012<br />

- Schmidt-Möbus, Friederike: „Es brennt<br />

solch ein Feuer in ihm für seine Kunst“. Zum<br />

150. Geburtstag von Fritz Mackensen. In:<br />

Kaufmann, Sigrun und Kaufmann, Bernhard<br />

Dieter (Hrsg.): Fritz Mackensen und<br />

die Sammlung Bernhard Kaufmann.<br />

Worpswede <strong>2016</strong><br />

- Stelljes, Helmut: 150 Jahre Fritz Mackensen,<br />

Teil 1. In: <strong>Heimat</strong>-<strong>Rundblick</strong> Nr. 116.<br />

Lilienthal Heft 1/<strong>2016</strong>, S. 24-26; Teil 2. In:<br />

<strong>Heimat</strong>-<strong>Rundblick</strong> Nr. <strong>118</strong>. Lilienthal Heft<br />

3/<strong>2016</strong>, S. …...<br />

- Wohltmann, Hans: Worpswede. Worpswede<br />

1963, 6. Aufl.<br />

Quellen<br />

- Mitteilungen und Unterlagen aus dem <strong>Heimat</strong>verein<br />

Greene e.V.<br />

- Unterlagen aus Kirchenbüchern, Orts-,<br />

Stadt- und Staatsarchiven sowie aus dem<br />

Archiv der Zeiss AG Jena<br />

- Wikipedia<br />

Fritz Mackensen<br />

Der umstrittene Erfinder Worpswedes<br />

Ohne ihn hätte es die Künstlerkolonie<br />

Worpswede nie gegeben: Fritz Mackensen,<br />

geboren 1866 in Greene im südlichen<br />

Niedersachsen, war der erste aus dem<br />

Kreis der später so genannten „Worpsweder<br />

Maler“, der in das Dorf am Weyerberg<br />

reiste und dort zu malen begann. Im Alter<br />

von nur 18 Jahren – er hatte sein Studium<br />

an der Düsseldorfer Kunstakademie<br />

gerade erst aufgenommen – folgte er der<br />

Einladung der Kaufmannstochter Mimi<br />

Stolte und verbrachte den Sommer in<br />

Worpswede. Erst auf seine begeisterten<br />

Schilderungen hin folgten ihm in den darauffolgenden<br />

Jahren seine Malerkollegen<br />

Otto Modersohn und Hans am Ende nach.<br />

Während heute meist von fünf Gründervätern<br />

der Künstlerkolonie gesprochen wird<br />

– neben den genannten zählen auch Fritz<br />

Overbeck und Heinrich Vogeler dazu -, war<br />

Fritz Mackensen gerade zu Anfang die treibende<br />

Kraft der Gruppe und der eigentliche<br />

„Erfinder“ Worpswedes als Künstlerort.<br />

Er galt als der vielversprechendste der<br />

Worpsweder Maler: Die Preise und Medaillen,<br />

mit denen er gerade in den Anfangsjahren<br />

überhäuft wurde, haben entscheidend<br />

zum Ruhm der Künstlerkolonie beigetragen.<br />

Fritz Mackensen: Die einsame Heimfahrt, 1903<br />

(Sammlung Dörnberg)<br />

Fritz Mackensen (Quelle: Worpsweder Archiv der<br />

Barkenhoff-Stiftung Worpswede)<br />

Sein Leben und Werk<br />

sind untrennbar mit<br />

Worpswede verknüpft<br />

Mackensen war nicht nur der erste, sondern<br />

in gewisser Weise auch der letzte<br />

unter den Worpsweder Malern: Da Overbeck<br />

bereits 1905 wegzog und Modersohn<br />

1908, Hans am Ende 1918 im Ersten<br />

Weltkrieg fiel und Vogeler 1931 in die<br />

Sowjetunion emigrierte, blieb allein<br />

Mackensen bis zu seinem Tod im Jahr 1953<br />

in Worpswede. Sein Leben und Werk sind<br />

über fast 70 Jahre hinweg untrennbar mit<br />

dem Ort verknüpft.<br />

Dennoch ist Fritz Mackensen in Worpswede<br />

heute kein eigenes Museum gewidmet,<br />

Ausstellungen und Publikationen über<br />

den Künstler sind rar, und eine differenzierte<br />

Erforschung seines Werkes steht noch<br />

aus. Diese Lücke in Forschung und öffentlicher<br />

Wahrnehmung erklärt sich vor allem<br />

durch seine Haltung im Nationalsozialismus,<br />

mit dem er nicht nur sympathisierte,<br />

sondern den er zum Teil offen unterstützte.<br />

Seine Rolle als Gründer der ‚Nordischen<br />

Kunsthochschule‘ in Bremen, in deren Satzung<br />

er schrieb, sie solle „mitwirken am<br />

Aufbau arteigener Kunst im Sinne Adolf Hitlers“,<br />

seine Einflussnahme als nationalsozialistischer<br />

Kulturfunktionär, als der er diffamierend<br />

gegen Kollegen wie Heinrich<br />

Vogeler vorging, und einige seiner Arbeiten<br />

aus den 1930er und 1940er Jahren, die im<br />

Auftrag von NS-Militärs oder der Reichskulturkammer<br />

entstanden, machten Mackensen<br />

rückblickend zur persona non grata.<br />

Unversöhnlich stehen sich bis heute<br />

zwei Sichtweisen gegenüber: Für die einen<br />

ist Fritz Mackensen der „Nazi-Maler“, dessen<br />

ideologische Verblendung sein gesamtes<br />

Werk diskreditiert und dessen Arbeiten<br />

deshalb heute am besten gar nicht mehr<br />

gezeigt werden sollten. Für die anderen ist<br />

er der Schöpfer einfühlsamer Bauern- und<br />

Landschaftsporträts, der erst im Alter von<br />

71 Jahren in die NSDAP eintrat und dessen<br />

umfangreiches künstlerisches Werk deshalb<br />

zumindest zum Teil losgelöst von den<br />

Zeitläufen der 1930er und 1940er Jahre<br />

betrachtet werden müsse.<br />

Fritz Mackensen: Landschaft im <strong>Herbst</strong>, o.J.<br />

RUNDBLICK <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

19


In der Unvereinbarkeit dieser beiden<br />

Positionen, die beide einen Teil der Wahrheit<br />

auf ihrer Seite haben, wird die ganze<br />

Ambivalenz der Figur Fritz Mackensen<br />

deutlich. Für den geltungsbedürftigen<br />

sozialen Aufsteiger, der aus einfachen Verhältnissen<br />

kam und es bis zum bedeutenden<br />

Künstler, Kunstprofessor und sogar<br />

Hochschuldirektor brachte, waren Erfolg<br />

und Anerkennung von überragender<br />

Bedeutung. Umstandslos diente er sich<br />

dem Regime an, um Einfluss zu gewinnen.<br />

Seine konservative Einstellung und die<br />

Liebe zur norddeutschen Landschaft und<br />

<strong>Heimat</strong>kunst gingen allzu leicht in militanten<br />

Nationalismus über und schließlich im<br />

Nationalsozialismus auf. Zugleich suchte er<br />

seine geistig behinderte Tochter dem<br />

Zugriff der Euthanasie-Gesetze zu entziehen.<br />

In seinen Gemälden heroisiert er das<br />

entbehrungsreiche Leben der Bauern und<br />

vor allem der Bäuerinnen, die er in großformatigen<br />

Porträts zu madonnenhaften Müttern<br />

stilisiert, lange bevor der Nationalsozialismus<br />

die Verehrung der „deutschen<br />

Mutter“ zum Programm erhebt. In vielen<br />

Redaktionssitzung<br />

anderen, kleineren Studien, wie den Porträts<br />

seiner Tochter Alexandra oder einigen<br />

seiner unbekannteren Landschaftsdarstellungen,<br />

zeigt er sich von einer ganz anderen<br />

Seite: freier, experimentierfreudig, aufgeschlossen<br />

gegenüber zeitgenössischen<br />

Kunstströmungen wie impressionistischen<br />

und expressionistischen Tendenzen. Hier<br />

scheint der Künstler Mackensen auf einmal<br />

anderen Werten zu folgen als der Ideologe<br />

Mackensen sie vertritt.<br />

Durchsetzen tut sich diese experimentierfreudige<br />

Seite in Mackensens Werk<br />

nicht. Zu sehr steht seine nationalkonservative<br />

Haltung seiner künstlerischen Weiterentwicklung<br />

im Wege. Es bleibt ein<br />

umfangreiches Werk, das um einiges vielfältiger<br />

ist als viele ahnen, dem aber vielleicht<br />

gerade deshalb die zukunftsweisende Linie<br />

fehlt: Neben den bekannten großformatigen<br />

Ölgemälden, für die Fritz Mackensen<br />

zu Lebzeiten überragende Anerkennung<br />

erhielt und die heute leicht als „zu pathetisch“<br />

abgetan werden, existieren zahllose<br />

kleinere, unbekanntere Studien, die in<br />

Motivwahl und Malduktus jeweils so unterschiedlich<br />

sind, als seien hier verschiedene<br />

Maler am Werk gewesen.<br />

Unermüdlicher und<br />

vielseitiger Künstler<br />

Hinzu kommen unzählige sehr gekonnte<br />

Radierungen und Zeichnungen und sogar<br />

einige wenige, aber durchaus überzeugende<br />

Skulpturen. Fritz Mackensen zeigt<br />

sich als unermüdlicher und vielseitiger<br />

Künstler. Viele seiner Arbeiten befinden<br />

sich vermutlich noch in Privatbesitz und<br />

sind bis heute gar nicht wissenschaftlich<br />

erfasst. Ein aktuelles Werkverzeichnis existiert<br />

nicht, ein ihm gewidmetes Museum<br />

ist nicht in Planung.<br />

Immerhin: Das Overbeck-Museum in<br />

Bremen-Vegesack widmet dem umstrittenen<br />

Maler anlässlich seines 150. Geburtstages<br />

in diesem Jahr eine Ausstellung, die<br />

als kritische Würdigung und erste Annäherung<br />

an den Künstler verstanden werden<br />

will und noch bis zum 16. Oktober zu<br />

sehen ist.<br />

Dr. Katja Pourshirazi<br />

Am 16. Juli <strong>2016</strong> hatte die Redaktion des<br />

<strong>Heimat</strong>-<strong>Rundblick</strong>s das Vergnügen, bei Herrn<br />

Dr. Zaft in Garlstedt in den Räumlichkeiten des<br />

ehemaligen Studios von Mike Leckebusch zu<br />

tagen. Dort wurden vielen Folgen von „Musikladen<br />

extra“ produziert. Mike Leckebusch,<br />

1937 in Leipzig geboren und 2000 in OHZ<br />

verstorben, konzipierte in den 60er-Jahren die<br />

legendäre Sendung „Beat-Club“. Viele Informationen<br />

dazu sind leicht im Internet zu finden.<br />

Siegfried Zaft, beruflich tätig im Bereich<br />

Flugsicherheit (www.adk6.com), ist seine<br />

fröhliche Begeisterung für das mit Technik voll<br />

gepropfte Studio anzumerken. Mit viel Enthusiasmus<br />

und mindestens genau soviel finanziellen<br />

Mittel hat er Haus und Studio auf Vordermann<br />

gebracht und nebenbei noch ein<br />

kleines Flugzeug in den Garten gestellt - Spass<br />

muss sein!<br />

Nach einer Führung mit vielen „Ahs“ und<br />

„Ohs“ begrüßte Jürgen Langenbruch die<br />

Anwesenden zur Redaktionssitzung. Alle<br />

gedachten des verstorbenen langjährigen<br />

Redakteurs und Freund des <strong>Heimat</strong>-<strong>Rundblick</strong>,<br />

Jürgen Lodemann, der uns viele Jahre<br />

mit viel Sachkenntnis begleitet hat.<br />

Zwischenzeitlich ist ein Werbeständer<br />

gestaltet worden, der für Veranstaltungen<br />

zwecks Werbung für den <strong>Heimat</strong>-<strong>Rundblick</strong><br />

zur Verfügung steht. Freundlicherweise hat<br />

der Förderverein die Finanzierung übernommen<br />

- dafür vielen Dank! Ein schon lange<br />

gärendes Thema ist das Findbuch - das digitale<br />

Suchwortarchiv. Vorgeschlagen wird eine<br />

Datenbanklösung z. B. Access von Microsoft,<br />

die als Grundlage für weitere Bearbeitung dienen<br />

kann. Weiteres beim nächsten Treffen.<br />

Weiter ging es mit dem Rückblick auf das<br />

aktuelle Heft und der Vorstellung der neuen<br />

Themen für die Ausgabe <strong>118</strong>. Die Leserreise<br />

nach Münster im September steht auf dem<br />

Plan (zwischenzeitlich erfolgreich bei bestem<br />

Wetter durchgeführt). Im nächsten Jahr wird<br />

der <strong>Heimat</strong>-<strong>Rundblick</strong> 30 Jahre jung, zu diesem<br />

Anlaß sollten frühzeitig Planungen für<br />

Veranstaltungen und Veröffentlichungen<br />

stattfinden.<br />

Das nächste Treffen findet am 15. Oktober<br />

<strong>2016</strong> im „Köksch und Qualm“, Stader Landstraße<br />

46 in Bremen.<br />

Nach lebhafter Plauderei und letztem<br />

Rundgang durch das einmalige Gebäude ging<br />

auch diese Redaktionssitzung zu Ende. Jürgen<br />

Langenbruch bedankte sich bei dem Gastgeber<br />

und seiner Frau für diesen schönen Abend<br />

und bei den Redaktionsmitgliedern für die<br />

gute Zusammenarbeit und die vielen Mühen,<br />

die Grundlagen unserer beliebten Publikation<br />

sind.<br />

Jürgen Langenbruch<br />

20 RUNDBLICK <strong>Herbst</strong>s <strong>2016</strong>


Am Brunnen vor dem Tore …<br />

Die Winterlinde ist Baum des Jahres <strong>2016</strong><br />

Sie ist Muse für Dichter und Musiker,<br />

sozialer Treffpunkt, Apotheke und Nahrungsquelle<br />

für zahlreiche Tiere: die Winterlinde,<br />

botanisch Tilia cordata. Wegen<br />

ihrer Vielfältigkeit wurde sie zum Baum des<br />

Jahres <strong>2016</strong> gewählt.<br />

Gekürt wird der Baum des Jahres von der<br />

gleichnamigen Stiftung, in dessen Kuratorium<br />

auch der NABU vertreten ist. Stiftungspräsident<br />

Dr. Silvius Wodarz hofft, mit<br />

dem Baum des Jahres den Blick der Men-<br />

Sommer- und Winterlinde auch Kreuzungen<br />

aus Sommer- und Winterlinde<br />

gepflanzt.<br />

Kann 1000 Jahre<br />

alt werden<br />

Die Winterlinde, die bis zu 25 Meter<br />

hoch wird und ein Alter von 1000 Jahren<br />

erreichen kann, blüht etwas später als ihre<br />

„Schwester“, die Sommerlinde, die bereits<br />

wird deshalb vor allem im Innenbereich<br />

verwendet und auch Bildhauer und Holzschnitzer<br />

arbeiten gerne mit dem Lindenholz.<br />

Viele berühmte Meisterwerke in der<br />

Sakralkunst, zum Beispiel von Tilman Riemenschneider<br />

und Veit Stoß, wurden aus<br />

Lindenholz gefertigt.<br />

Seit Jahrhunderten dient die Winterlinde<br />

dem Menschen als Apotheke: Lindenblüten<br />

werden als Tee und Arzneimittel zum<br />

Beispiel bei Erkältungskrankheiten verwen-<br />

Winterlindenzweig kurz nach dem Laubaustrieb im Frühjahr Foto: Helge May<br />

Winterlindenstämme - Foto: Helge May<br />

schen auf Pflanzen schärfen zu können. Der<br />

Titel wird seit 1989 an einheimische Bäume<br />

vergeben. Ziel ist es, das Wissen über<br />

Bäume zu vertiefen und auf seltene oder<br />

bedrohte Baumarten hinzuweisen.<br />

Kaum ein Baum ist in deutschen Straßen<br />

und Parks so oft anzutreffen wie die Linde.<br />

Kein Wunder, ist sie doch nicht nur sehr<br />

schön anzuschauen, sondern auch relativ<br />

anspruchslos, was ihren Lebensraum<br />

betrifft. Dabei ist Linde aber nicht gleich<br />

Linde. Als Straßen- und Stadtbäume werden<br />

neben den beiden heimischen Arten<br />

1991 zum Baum des Jahres gekürt wurde.<br />

Zur Unterscheidung lohnt sich ein Blick auf<br />

die Blattunterseiten. Diese sind bei der<br />

Winterlinde kahl und mit einigen rotbraunen<br />

Härchenbüscheln versehen. Bei der<br />

Sommerlinde sind diese „Bärte“ dagegen<br />

weiß. Die Blüten der Winterlinde erscheinen<br />

erst ab Ende Juni – fast zwei Wochen<br />

später als die der Sommerlinde. Sie blüht<br />

damit am spätesten von allen heimischen<br />

Baumarten.<br />

Lindenholz ist meist weißlich bis gelblich<br />

und gehört zu den weichen Hölzern. Es<br />

det. Außerdem sind die Blüten wichtige<br />

Nahrungsquelle für Bienen. Entsprechend<br />

beliebt ist der süße Lindenblütenhonig.<br />

Der kulinarische Einfluss geht noch weiter.<br />

„Zur Linde“ sei der häufigste Gasthausname<br />

in Deutschland, bilanziert die Stiftung.<br />

Dorflinden, Gerichtslinden, Kirchlinden,<br />

Tanzlinden und Hoflinden ebenso wie<br />

Sagen und Ortsnamen zeugen von einer<br />

„jahrhundertelangen vielseitigen Bedeutung“.<br />

Text: NABU<br />

Bauernregeln<br />

Oktober – November – Dezember<br />

Oktober<br />

Am Sankt Gallustag (16.10.)<br />

den Nachsommer man erwarten mag.<br />

Bringt der Oktober viel Frost und Wind,<br />

sind Januar und Februar wohl gelind.<br />

November<br />

Ein heller, kalter, trockener November<br />

gibt Regen und milde Luft im Januar.<br />

Ist's um Martinitag nass,<br />

kommt spät erst Klee und Gras.<br />

Dezember<br />

Fließt Nikolaus noch der Birkensaft,<br />

dann kriegt der Winter keine Kraft.<br />

Haben's die unschuldigen Kindlein (28.12.) kalt,<br />

so weicht der Frost noch nicht so bald.<br />

RUNDBLICK <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

21


Schluss nach 700 Jahren?<br />

Geschichte und Zukunftsaussichten eines Teufelsmoor-Hofes Teil 2<br />

Es ist ein Glücksfall, wenn Zeugnisse<br />

vorhanden sind, die es ermöglichen, in die<br />

Vergangenheit einer Familie einzutauchen.<br />

Bei der hier vorgelegten Untersuchung<br />

konnte zudem nicht nur auf schriftliche<br />

Überlieferungen zurückgegriffen werden;<br />

erst die detaillierten Schilderungen einer<br />

Zeitzeugin haben die Schriftstücke „zum<br />

Leben erweckt“ und für einen Außenstehenden<br />

begreifbar gemacht.<br />

Beschäftigt man sich mit der Entwicklung<br />

der Dorfschaft Teufelsmoor, so ist<br />

diese eng mit den 19 Höfen verknüpft, die<br />

sich als konstante und dominante Größe<br />

durch mehrere Jahrhunderte als prägend<br />

erwiesen haben. Die Höfe entlang des<br />

Querdamms, die heute die Große Reihe<br />

bilden, sind es, die von Anbeginn an, d. h.<br />

seit dem späten 13. oder frühen 14. Jahrhundert,<br />

den Charakter der Siedlung<br />

bestimmt, die wirtschaftliche Entwicklung<br />

gestaltet, die Landschaft geformt und das<br />

soziale Leben geprägt haben.<br />

Kann also anhand eines Hofes dargestellt<br />

werden, was das Besondere am Dorf<br />

ist, worin es sich von anderen Orten unterscheidet?<br />

Ist es vielleicht sogar eine der<br />

letzten Möglichkeiten, Traditionen im Ort<br />

aufzuspüren in einer Zeit, in der der Strukturwandel<br />

längst auch die althergebrachten<br />

Strukturen im Dorf erfasst, wo vieles<br />

Neue das Alte abgelöst und verdrängt hat?<br />

Der alte Hof Nr. 4 unter<br />

wechselnden Herrschaften<br />

Wenn auch die Menschen der damaligen<br />

Zeit das evtl. anders empfunden<br />

haben mögen, so kann man aus heutiger<br />

Sicht wohl doch sagen, dass die Zeit bis<br />

zum Dreißigjährigen Krieg unter der Herrschaft<br />

des Erzbischofs relativ gleichmäßig<br />

und ohne große Umwälzungen verlief.<br />

Durch die Reformation hatte sich das<br />

Bekenntnis gewandelt; der durch den<br />

Glaubensstreit ausgelöste große Krieg tangierte<br />

das abgeschiedene Dorf aber nur.<br />

Erst mit der Eroberung durch die Schweden<br />

und die Verleihung des Klosters Osterholz<br />

an Landgraf Friedrich von Hessen-<br />

Eschwege im Jahre 1647 änderten sich die<br />

Verhältnisse. Das Kloster wurde 1650 endgültig<br />

aufgelöst, die bis dahin dort zu entrichtenden<br />

Abgaben waren an Friedrich<br />

und ab 1655 an seine Witwe Eleonora<br />

Catharina zu begleichen.<br />

Die Schwedenzeit endete 1712; nach<br />

einem kurzen dänischen Intermezzo kam<br />

das Dorf mit den nach dem Dreißigjährigen<br />

Krieg geschaffenen Herzogtümern<br />

Bremen und Verden 1715 an das Kurfürstentum<br />

Hannover. In Osterholz war<br />

bereits 1692 ein staatliches Amt eingerichtet<br />

worden, an dem nun die Abgaben<br />

abzuliefern waren, daran änderte sich<br />

nach 1715 nichts.<br />

Seit 1714 war der Kurfürst Georg Ludwig<br />

in Personalunion als Georg I. englischer<br />

König. Unter seinem Sohn und<br />

Nachfolger Georg August (Georg II.) rückten<br />

die Moorgebiete stärker in das Blickfeld<br />

des Staates. Bevor dieser jedoch durch Jürgen<br />

Christian Findorff die ungenutzten<br />

Moore an Hamme, Wümme und Oste kultivieren<br />

ließ, sehen wir Findorff 1755 in<br />

amtlicher Mission im Dorf Teufelsmoor,<br />

um Vermessungen durchzuführen und<br />

seine Ergebnisse in mehreren Karten darzustellen.<br />

Ein Ausschnitt aus einer Karte in<br />

kleinerem Maßstab zeigt sehr schön, wie<br />

das Land, das zum Hof Nr. 4 gehörte,<br />

genutzt wurde und wie ähnlich dies auch<br />

bei den Nachbarhöfen gehandhabt<br />

wurde. (vgl. HRB Nr. 117, S. 25) Möglicherweise<br />

hat Findorff bei seiner Tätigkeit<br />

Ausschnitt Special Carte…Teufelsmoor von 1755. LArch. Stade Karten Neu Nr. 2982<br />

22 RUNDBLICK <strong>Herbst</strong>s <strong>2016</strong>


im Ort wichtige Erkenntnisse über die<br />

Landbewirtschaftung auf Moorböden<br />

gewonnen, die er bei seiner Tätigkeit im<br />

Rahmen der staatlichen Moorkolonisation<br />

sinnvoll umsetzen konnte. Hierbei hatte er<br />

es ab 1760 mit Georg III. zu tun, der seine<br />

Anweisungen vom fernen London aus gab,<br />

ohne dass er Hannover während seiner 60-<br />

jährigen Regierungszeit jemals besucht<br />

und Findorffs Werk in Augenschein<br />

genommen hat.<br />

Auch wie Findorff die Siedlungen angelegt<br />

hat, lässt gewisse Ähnlichkeiten erkennen.<br />

Wie bei Teufelsmoor handelt es sich<br />

um Reihensiedlungen entlang einer Leitlinie;<br />

die Flurstücke stellen parallel verlaufende<br />

Streifen dar, auf denen die Hofgebäude<br />

stehen.<br />

Ob Findorff Teufelsmoor später noch<br />

einmal besucht hat, ist nicht bekannt. Die<br />

Personalunion hatte noch bis 1837<br />

Bestand, Hannover – ab 1814 Königreich –<br />

existierte bis 1866.<br />

Anfang der Ablösungsurkunde vom 14. Dez. 1870<br />

Vom Meierhof zur<br />

Unabhängigkeit<br />

Bereits in den 1830er Jahren schuf der<br />

hannoversche Staat die Möglichkeit, dass<br />

sich die abhängigen Meier gegen Zahlung<br />

eines Betrages, der den 25-fachen Wert<br />

der Meierabgaben ausmachte, freikaufen<br />

konnten. Doch diese finanzielle Belastung<br />

war selbst für wirtschaftlich erfolgreiche<br />

Teufelsmoor-Höfe nicht ohne weiteres aufzubringen,<br />

so dass von dieser Möglichkeit<br />

zunächst kein Gebrauch gemacht wurde.<br />

Jedoch wurde schon bald ein erster<br />

Schritt vollzogen, indem man sich von<br />

Dienstpflichten freikaufte. Dies waren 18<br />

(ehem. Kloster-) Meierleute aus Teufelsmoor,<br />

Worpswede und Waakhausen, die<br />

Pflichten in den Klosterweiden bei Osterholz<br />

zu erfüllen hatten; darunter war Borchert<br />

Wellbrock. Im Ablösungs-Contract<br />

der Königlich-Großbritannisch-Hannoverschen<br />

Domainen-Cammer von 1831 heißt<br />

es u. a.: „Gegenstand der Ablösung sind<br />

nur diejenigen Spann- und Handdienste,<br />

Ausschnitt aus der Urkarte Blatt 10, hrsg. vom Katasteramt Osterholz-Scharmbeck<br />

Anfang des Meierbriefs für den Vollhöfner Gevert Wellbrock vom 1. März 1864<br />

welche die vorbenannten Meierleute nach<br />

dem Dienstregister der Rentey des Amts<br />

Osterholz der allergnädigsten Landesherrschafft<br />

in den s. g. Klosterweiden überall<br />

insbesondere behuf der Dämme, Gräben,<br />

Bäche und Teiche zu leisten haben.<br />

Königliche Domainen-Cammer verzichtet<br />

Namens der allergnädigsten Landesherrschaft<br />

vom 1. Januar 1837 an auf<br />

ewige Zeiten zu Gunsten der benannten<br />

Meierleute und deren Nachfolger auf jene<br />

Dienstleistungen in ihrem ganzen<br />

Umfange.“ 14 ) Jeder Meier hatte hierfür 31<br />

Tl. 6 ggr. zu entrichten. Das hat Borchert<br />

Wellbrock geleistet, mehr aber nicht.<br />

Es war sogar so, dass nach der Hofübernahme<br />

durch Gevert Wellbrock 1864 für<br />

ihn als Vollhöfner vom Königlich Hannoverschen<br />

Amt in Osterholz noch ein neuer<br />

Meierbrief ausgestellt wurde. In diesem<br />

werden außerdem noch die Aftermeierstellen<br />

aufgeführt, die von Hermann Heissenbüttel<br />

(Häusling), Johann Ficken (Häusling)<br />

sowie Hermann Grotheer (Häuerling)<br />

besetzt waren. Im Vergleich zu 1755 sind 2<br />

Namen gleich geblieben, aber eine Stelle<br />

ist weggefallen.<br />

RUNDBLICK <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

23


Ausschnitt aus der Urkarte Blatt 13, hrsg. vom Katasteramt Osterholz-Scharmbeck. Die Stelle Nr. 50 liegt<br />

da, wo in der Karte die Ziffer 61 eingetragen ist.<br />

Die Flächen sind beim Vollhöfner<br />

geringfügig, bei den Aftermeiern deutlich<br />

geringer geworden.<br />

Erst 1870 konnte dann die notwendige<br />

Summe an Ablösungs-Kapital aufgebracht<br />

werden, so dass der Staat, vertreten durch<br />

die Königliche Finanz-Direction, vom 1.<br />

Nov. 1870 an auf seine Rechte am Hof verzichtete<br />

und dieser somit in das Eigentum<br />

des Vollhöfners Gevert Wellbrock überging.<br />

Aus dieser Zeit stammen auch die ersten<br />

Katasteramtskarten, die in Preußen bzw.<br />

im neu gegründeten 2. Deutschen Reich<br />

im Maßstab 1 : 2000 erstellt wurden.<br />

Die Ausschnitte zeigen die Hofstelle des<br />

Vollhofs Nr. 4 südlich der Teufelsmoorstraße<br />

sowie die Brinkköthnerstelle Nr. 50<br />

und die Anbauerstelle Nr. 51 nördlich der<br />

Straße, die gemeinsam auf Antrag von<br />

Gevert Wellbrock am 20. Feb. 1875 in die<br />

Höferolle der Gemeinde Teufelsmoor eingetragen<br />

worden sind.<br />

Einschneidende Änderungen<br />

im 20. Jahrhundert<br />

Gevert Wellbrock hatte spät geheiratet.<br />

Als er 1903 starb, war sein Sohn Johann<br />

noch zu jung, um den Hof zu übernehmen.<br />

Im Endeffekt für 21 Jahre wurde dieser<br />

verpachtet. Johann hatte zunächst<br />

Militärdienst zu leisten und wurde dann<br />

zum Kriegsdienst einberufen. Nach Rückkehr<br />

aus dem Weltkrieg wurde er Gemeindevorsteher<br />

der Gemeinde Teufelsmoor<br />

und blieb dies bis 1945.<br />

Von 1907 bis 1970 wurde ein damals<br />

neu gebautes Haus auf der gegenüber liegenden<br />

Straßenseite (Nr. 60) bewohnt,<br />

bevor 1970 der Umzug auf die alte Hofstelle<br />

in das neu erbaute Wohnhaus<br />

erfolgte.<br />

Im 2. Weltkrieg fiel der erbberechtigte<br />

Sohn Johann-Georg, so dass Tochter Wilhelmine<br />

– ab 1950 Lühr – den Hof erbte.<br />

Einflussnahme durch<br />

das GR-Gebiet<br />

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft<br />

brachte auch in Teufelsmoor einschneidende<br />

Änderungen mit sich.<br />

Mechanisierung ging einher mit Spezialisierung<br />

auf reine Rindviehhaltung, dem<br />

Abbau von Arbeitskräften bei Aufgabe<br />

unrentabler Betriebe und Expansion der<br />

verbliebenen.<br />

So gehört der Betrieb zu den wenigen<br />

verbliebenen, die die Landwirtschaft noch<br />

Teilräume des GR-Gebiets (Ausschnitt) aus dem<br />

Abschlussbericht zw. S. 7 und 8<br />

im Vollerwerb betreiben. Es wird heute<br />

aber kein Ackerbau mehr betrieben; die<br />

reinen Grünlandflächen werden gemäht<br />

bzw. weidewirtschaftlich genutzt. Der<br />

betriebswirtschaftliche Schwerpunkt liegt<br />

auf der Milcherzeugung. Die lange Zeit<br />

betriebene Schafhaltung ist in den 1960er<br />

Jahren aufgegeben worden.<br />

Die im Nieder- und Hochmoor gelegenen<br />

Flächen sind historisch überliefertes<br />

Eigenland, aber von minderer Ertragskraft.<br />

Eine charakteristische Bodenmesszahl lautet:<br />

Mo III a3-30. 15 ) Bedeutet: Moorboden<br />

der III. Qualitätsstufe im gemäßigten Klima<br />

bei recht hoher Bodenfeuchtigkeit und<br />

einem Grünland-Bodenwert an der Grenze<br />

von mittelgut zu gering.<br />

Für die Bewirtschaftung bedeutet dies,<br />

dass eine Bodenverbesserung durch<br />

erhöhte Nährstoffzufuhr erreicht werden<br />

kann oder dass den Naturgegebenheiten<br />

Rechnung getragen wird und die Wirtschaftsweise<br />

eher extensiv ausgerichtet ist.<br />

Für die zweite Alternative hat sich die<br />

Politik in Gestalt des Kreistages des Landkreis<br />

Osterholz entschieden, indem Bereiche<br />

der unteren Hammeniederung in der<br />

Größe von 2780 ha zu einem Naturschutzgroßprojekt<br />

von nationaler Bedeutung<br />

(GR-Gebiet) ausgewiesen worden<br />

sind. Zu den Maßnahmen, um eine standortgerechte<br />

Tier- und Pflanzenwelt zu<br />

sichern und zu fördern, gehören demzufolge<br />

Nutzungsauflagen für die Landwirtschaft,<br />

die die Extensivierung der Grünlandwirtschaft<br />

zum Ziel haben. 16 )<br />

Unumstritten war das Projekt nicht.<br />

Verlockend und seitens der Politik immer<br />

wieder hervorgehoben war der Umstand,<br />

dass zur Umsetzung der Ziele beträchtliche<br />

Mittel des Bundes und des Landes in den<br />

Landkreis fließen würden und dieser selbst<br />

nur 11% der 16 Mio. € teuren Maßnahmen<br />

aufbringen müsste. Demgegenüber<br />

äußerten die Landwirte – u. a. W. Lühr –<br />

die Sorge, dass die Existenz ihrer Höfe<br />

durch das GR-Gebiet gefährdet sei. 17 ) D.<br />

Krause-Behrens schreibt dazu in ihrem<br />

Kommentar: „Die Teufelsmoorer Bauern,<br />

die sich als Opfer fürs GR-Gebiet sehen,<br />

das man in Kauf nimmt, fühlen sich allein<br />

gelassen: von den Landwirten im Landkreis,<br />

von der Politik, von den Planern.“<br />

Reizthema<br />

Sammelverordnung<br />

Seitdem seit Anfang 2015 Pläne bekannt<br />

sind, dass der Landkreis Osterholz in einer<br />

Sammelverordnung großflächige Schutzgebiete<br />

ausweisen will, wird dieses Vorhaben<br />

in der Ortschaft und darüber hinaus<br />

höchst kontrovers diskutiert, wobei in der<br />

Tagespresse den Informationen seitens des<br />

Landkreises sowie den Stellungnahmen<br />

der Kritiker breiter Raum gewährt wird. Im<br />

Ort hat sich eine Schutzgemeinschaft<br />

gebildet, die seit Anfang Mai <strong>2016</strong> mit<br />

24 RUNDBLICK <strong>Herbst</strong>s <strong>2016</strong>


Raumkategorien der Sammelverordnung (Ausschnitt)<br />

Kreuzen und Spruchbändern auf ihre<br />

Anliegen aufmerksam macht.<br />

Vergleicht man die Flächen, so fällt<br />

zunächst einmal auf, dass die insgesamt 5<br />

auszuweisenden Gebiete mit einer<br />

Gesamtgröße von 9700 ha 3 ½ mal so<br />

groß sind wie das GR-Gebiet. Dieses<br />

nimmt nur einen Teil innerhalb des<br />

Ganzen ein und ist in etwa deckungsgleich<br />

mit dem geplanten NSG Hammeniederung.<br />

Darüber hinaus sind ein weiteres<br />

NSG (Teufelsmoor), zwei größere LSG mit<br />

den vorgenannten Namen sowie ein kleines<br />

LSG (Beekniederung) vorgesehen.<br />

Für die Nutzflächen in Teufelsmoor<br />

bedeutsam ist, dass im Gegensatz zum GR-<br />

Gebiet auch die Flächen jenseits der Teufelsmoorstraße<br />

als Schutzgebiete ausgewiesen<br />

werden sollen. Ausgespart sollen<br />

die Hoflagen bleiben; dies ist auf der veröffentlichten<br />

Karte (s. HRB Nr. 117, S. 22)<br />

so nicht zu erkennen. Erst eine Darstellung<br />

in größerem Maßstab macht dies deutlich.<br />

Einerseits steht der Landkreis bei der Planung<br />

der Schutzgebiete unter Zugzwang.<br />

Mit dem Zuwendungsbescheid für das GR-<br />

Gebiet vom Nov. 1995 war die Verpflichtung<br />

verbunden, das Projektgebiet als<br />

NSG auszuweisen. Dies ist bislang nicht<br />

geschehen. Andererseits stellen das weitere<br />

NSG und die LSG kreiseigene Planungen<br />

dar, um bestehende Natura 2000-<br />

Gebiete abzurunden und zu sichern.<br />

RUNDBLICK <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

Gibt es eine Zukunft?<br />

Im Moment sind die Fronten verhärtet,<br />

wobei es nicht nur Forderungen nach<br />

weniger Naturschutz gibt, sondern auch<br />

etliche Stimmen, die dem Schutz der<br />

Natur noch mehr Vorrang einräumen und<br />

noch strengere Auflagen durchsetzen<br />

möchten. 18 ) Im Oktober <strong>2016</strong> soll nun die<br />

endgültige Entscheidung fallen.<br />

Es ist davon auszugehen, dass es bei den<br />

vorgesehenen Schutzgebieten bleibt. In<br />

einigen Details werden sich noch Änderungen<br />

ergeben; so hat die Stadt Osterholz-Scharmbeck<br />

gefordert, die „weißen“,<br />

nicht betroffenen Hoflagen innerhalb der<br />

Ortschaft auszuweiten. Inwieweit Ausnahmeregelungen<br />

mit Betroffenen vereinbart<br />

werden, wird vom Verhandlungsgeschick<br />

der Beteiligten abhängen.<br />

Für die Landwirte wird die Verordnung<br />

veränderte Rahmenbedingungen mit sich<br />

bringen. Sie sollten mit Augenmaß festgelegt<br />

werden, um deren Existenz nicht<br />

leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Eine<br />

Bestandsgarantie für die noch verbliebenen<br />

Höfe wird der Landkreis nicht aussprechen<br />

können. Dazu gibt es zu viele weitere<br />

Einflussgrößen, die nicht in der Macht der<br />

örtlichen Politik liegen. Einem Milch erzeugenden<br />

Betrieb macht es ohnehin der verfallene<br />

Milchpreis schwer, seine Kosten zu<br />

decken und Gewinne zu erwirtschaften.<br />

Gewinne, die auch nötig sind, um Investitionen<br />

zu tätigen für den Erhalt und die<br />

Anpassung des Betriebes an neue Erfordernisse.<br />

Um ihn zukunftsfähig zu machen,<br />

damit der Hof eines Tages vielleicht an<br />

einen der beiden Söhne übergeben werden<br />

kann. Doch dies ist – nicht nur bei diesem<br />

Betrieb – die weitere existenzielle<br />

Frage. War früher die Hofnachfolge innerhalb<br />

der Familie selbstverständlich, gilt<br />

dieses heute nicht mehr, und mancher der<br />

als Hoferben in Frage kommenden jungen<br />

Leute fasst in anderen Berufen Fuß und will<br />

sich nicht der Arbeit und den Risiken in der<br />

Landwirtschaft aussetzen.<br />

Was bedeutet dies für die Kulturlandschaft?<br />

Die Struktur des immer noch so<br />

ländlich erscheinenden Ortes Teufelsmoor<br />

hat sich längst gewandelt. Der Großteil der<br />

Bewohner geht Tätigkeiten außerhalb der<br />

Ortschaft nach, Infrastruktur und Freizeitangebote<br />

sind nur eingeschränkt vorhanden,<br />

die Lebensbedingungen dort nicht<br />

unbedingt für jeden attraktiv. Für etliche<br />

ehemalige Landwirte war bereits Schluss.<br />

Noch lebt der dörfliche Stadtteil – und<br />

wie! Die Bewohner kämpfen für ihren Ort,<br />

dessen Reiz auf der Natur und der aus<br />

einem Wechsel von offenem Grünland,<br />

einzelnen Gehölzgruppen, zahlreichen<br />

Gewässern und traditionellen bäuerlichen<br />

Gehöften bestehenden Kulturlandschaft<br />

basiert. Wer diese auch in der Zukunft erleben<br />

möchte, muss sich für deren Erhalt<br />

einsetzen!<br />

Wilhelm Berger<br />

Anmerkungen<br />

14) Anm. 1 – 13 s. HRB Nr. 117, S. 25. Ablösungs-Contract<br />

im Kreisarchiv Osterholz,<br />

Dep. 29 Bd. 107<br />

15) Bodenmesszahlen angegeben in der<br />

Inselkarte, einer Fortführung der Urkarte<br />

etwa Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie<br />

basieren auf Bodenschätzungen, die in<br />

Teufelsmoor 1935 flächendeckend<br />

durchgeführt worden sind.<br />

16) LK Osterholz, Naturschutzgroßprojekt<br />

gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung<br />

„Hammeniederung“. Abschlussbericht;<br />

Osterholz-Scharmbeck 2012. Eine<br />

abschließende Bewertung findet sich<br />

auch im HRB: Johannes Kleine-Büning,<br />

Neue Wege des Naturschutzes in der<br />

Hammeniederung; in: HRB 4/2014, S.<br />

18 – 20.<br />

17) Daniela Krause-Behrens, GR-Gebiet:<br />

Landwirte im Teufelsmoor fordern Konzept<br />

für ihre Zukunft; in: Osterholzer<br />

Anzeiger vom 14. II. 1999<br />

18) als letzte noch vor Redaktionsschluss<br />

erschienenen Artikel seien genannt:<br />

Michael Schön, Naturschützer wollen<br />

fairen Ausgleich; in: OK vom 20. VIII. 16<br />

sowie ts, Die richtige Maßnahme; in:<br />

Osterholzer Anzeiger vom 24. VIII. 16.<br />

25


Gedenkfeier am Schroeter-Grab<br />

Auch Goethe und Kant würdigten Johann Hieronymus Schroeter<br />

Johann Hieronymus Schroeter war ein<br />

außerordentlich umsichtiger und<br />

geschätzter Oberamtmann und Justizrat in<br />

Lilienthal. Doch seine internationale Anerkennung<br />

und Würdigung erlangte er als<br />

leidenschaftlicher und erfolgreicher Astronom.<br />

Mit einer Feierstunde anlässlich seines<br />

200. Todestages am 29. August <strong>2016</strong><br />

wurde an das Wirken Schroeters erinnert.<br />

Schroeter-Grab bildete<br />

würdigen Rahmen<br />

Das neu vom <strong>Heimat</strong>verein gestaltete<br />

Schroeter-Grab neben dem Westeingang<br />

der Klosterkirche bildete einen würdigen<br />

Rahmen.<br />

Über das gezeigte große Interesse an<br />

der Gedenkfeier freute sich der Vorsitzende<br />

des <strong>Heimat</strong>vereins Lilienthal, Hilmar Kohlmann.<br />

Fröhlich und schwungvoll stimmen<br />

mehr als 40 Grundschüler der Schroeter-<br />

Schule ein Sommerlied an. „Ihr vertreibt<br />

bestimmt die Regenwolken mit Eurem<br />

schönen Lied“, hoffte Hilmar Kohlmann.<br />

Schroeter hat den<br />

Namen Lilienthals in<br />

die Welt getragen<br />

Schon wenige Minuten später, als Bürgermeister<br />

Willy Hollatz in seiner Ansprache<br />

die Bedeutung seines „Vorgängers“ für<br />

Lilienthal hervorhob, konnte die eindrucksvolle<br />

Gedenkfeier regenfrei fortgesetzt<br />

werden. „Schroeter hat den Namen<br />

Lilienthals mit seinen knapp 700 Einwohnern<br />

in die Welt getragen“, stellte Lilienthals<br />

Bürgermeister fest.<br />

Johann Hieronymus Schroeter trat seinen<br />

Dienst als Oberamtmann am 1. Mai<br />

1782 an.<br />

Der ehemalige Vorsitzende des <strong>Heimat</strong>vereins,<br />

Harald Kühn, beleuchtete in seinem<br />

Vortrag wichtige Stationen aus dem<br />

Leben Schroeters.<br />

Sonne, Mond, Planeten und Fixsterne<br />

faszinierten ihn gleichermaßen. Zur internationalen<br />

Bedeutung ist Schroeter vor<br />

allem durch die Herausgabe seines großen<br />

Mondwerkes, der „Selenotopographischen<br />

Fragmente“, gelangt. Mit diesem<br />

Standardwerk begann eine neue Epoche in<br />

der Mondforschung und brachten Schroeter<br />

den Ruf eines der bedeutendsten<br />

Mondforscher seiner Zeit. Ebenso fand das<br />

von ihm 1793 erbaute 27-füßige Teleskop,<br />

welches das größte „Fernrohr“ des<br />

europäischen Festlandes war, weltweites<br />

Aufsehen und Beachtung. Internationale<br />

Von links: Werner Pfingsten, Jens Erdmann, Kristian Tangermann, Hilmar Kohlmann, Willy Hollatz und<br />

Antke Bornemann. Am Mikrofon Harald Kühn.<br />

Wissenschaftler und Astronomen, wie Wilhelm<br />

Olbers, Karl Friedrich Gauß, Friedrich<br />

Wilhelm Bessel und Karl Ludwig Harding,<br />

waren oft längere Zeit in Lilienthal, um auf<br />

der berühmten Sternwarte zu beobachten<br />

und zu forschen.<br />

Schroeter-Grab<br />

Auch in Texten der Weltliteratur fanden<br />

die Erkenntnisse und Forschungsergebnisse<br />

Schroeters ihr Echo. So lobte der<br />

Königsberger Philosoph Immanuel Kant<br />

den „Lilienthaler Schroeter“ in seinen Werken.<br />

Johann Wolfgang von Goethe wiederum<br />

weist in seinem umfangreichen<br />

Briefwechsel mit Friedrich von Schiller „auf<br />

die bemerkenswerten astronomischen Forschungsergebnisse<br />

des Schroeters aus Lilienthal“<br />

hin.<br />

Grußbotschaften der<br />

direkten Nachfahren<br />

Besonders freuten sich die Besucher der<br />

Gedenkfeier über die von Harald Kühn verlesenen<br />

Grußbotschaften der direkten<br />

Nachfahren des großen Astronomen.<br />

Erfreut zeigten sich Dr. Heide Bittner aus<br />

Sanitz bei Rostock, Herbert F. Schroeter aus<br />

Birmingham, Alabama sowie Carol Page<br />

aus San Francisco, Kalifornien, über die<br />

große Anerkennung, die ihrem Vorfahren<br />

in Lilienthal bis heute entgegengebracht<br />

wird.<br />

Das von den Schülern der Schroeter-<br />

Schule stimmungsvoll vorgetragene<br />

„Weltraum-Lied“ begeisterte die Anwesenden.<br />

Text: Harald Kühn<br />

Fotos: Karl-Peter Geittner<br />

26 RUNDBLICK <strong>Herbst</strong>s <strong>2016</strong>


Lach- und Torfgeschichten<br />

„Jan von Moor“ un de Düwel<br />

Dat weer eenmol, so fangt de Määrken<br />

un Sagen jo meistendeels an. Dat weer<br />

eenmol so eenige hunnert Johr’n torüch,<br />

vor us Tied, in dat unwirtliche un gruselige<br />

Moorland, dat hüütdoog’s Düwelsmoor<br />

nöömt word. Dor weer bloot’s Woter,<br />

wubbeligen Dobben un smerigen Torfbodden,<br />

keen Padd, keen Wege un keen<br />

Groben, bloot de Beek un de Hamm<br />

schlängeln sick dor dör. Noch keen Menschenskind<br />

harr sick dor hentroot, es sei<br />

den, mit Gewalt, Mord- un Doodslag.<br />

Eenige, wie veel weet man nich, sind in dat<br />

garstige Moor umkomen un for jümmer<br />

vorswunnen. Bit de erste „Jan von Moor“<br />

mit sien Fro un dree Kinner von den Geestpuckel<br />

in’t Moor töög un sick up een<br />

högere Steer een lüttje armselige Koten<br />

henstell. Dat Daak ut Schelp un Stroh reck<br />

bit up’n Torf, de Spoor’n un Wan’n weern<br />

ut Eekensprickelholt, mit Torf upsett. Een<br />

Füersteer weer dorbin un’n Leeger ut<br />

Busch un Stroh. Dor husen se al tohoop<br />

bin, mit een Zeeg. Dat weer al düchtig<br />

wat, so harrn se een beten Zeegenmelk for<br />

de Kinner. Jan de steek Torf, mook Gröben<br />

open un een beten Land toschick for Bookweten<br />

un Gras for de Zeeg. So kööm he<br />

mit sien Fomilie, mehr slecht as recht, ober<br />

de Runnen.<br />

Schaurig schön ist es in Teufelsmoor<br />

An een Sommerobend, dat weer een hitten<br />

un dämpigen Dag ween, dor is Jan<br />

noch bie’n Torfpott togang, he will gliek<br />

Fieroben moken. Een gräsigt Donnerweer<br />

un swatte Grummelschurn mit gleunige<br />

Blitze bruust ober’t Moor, dadt is spökendüster.<br />

Jan is Angst in de Knoken föhrt.<br />

Jegen emm qalmt un stinkt dat. „So mutt<br />

dat wol in’ne Höll wesen“, denkt he bie<br />

sick un schuutert de kolen Gräsen ober sien<br />

Puckel.<br />

Jegen emm steiht de Düwel, de Leibhaftige<br />

in Person mit gleunige Ogen, den<br />

Peerfoot, ruuget Fell un sien langen Steert<br />

mit den Quest doran. An den Quest glimm<br />

noch so’n beten Höllenfüer. De Düwel will<br />

Jan in Angst un Bangen moken un bolkt<br />

emm an: „Wat wullt du hier, du elende<br />

Moormensch, dit hier dat is mien Land,<br />

RUNDBLICK <strong>Herbst</strong> <strong>2016</strong><br />

hier heff bloot ick wat to seggen un to<br />

doon. Se to dat du mit dien Wief un de Blagen<br />

ober de Hamm kummst!“ „Jan von<br />

Moor“ is vordattert, emm is gruselig un he<br />

hett Angst, ober he behaupt sick un steiht<br />

sien Mann: „Ick blief hier un mook Torf, ick<br />

kann mit mien Fro un de Kinnder narn’s<br />

woanners henn, dor jogdt se us uck oberall<br />

we“ Jen keek den Düwel vorgrellt an: „Ick<br />

blief hier, mook Land drög un eben, sei’e<br />

Bookweten un Hobern in, dormit wie al<br />

wat to Eten hebbt un leven köönt. Gröben,<br />

Wege un Dämme willt wie boen, dor<br />

kommt no veel mehr Menschen in’t Moor.<br />

Us Weiden un Felder ward grön, wie hebbt<br />

veel Gras un Korn, Keu’e un Beester, Swien<br />

un Höhner un een Gorden in den alles wassen<br />

deit, wat de leeve Herrgott us tokomen<br />

lett. Een groten Damm boot wie no us Karken,<br />

dormit wie an’n Sunndag god forhen<br />

kommt un den Herrgott löven köönt.“ De<br />

Düwel weer kort vor’n Platzen, dat Füer<br />

sprung emm ut de Ogen: „Du Wicht, du<br />

Erdskrüüpel, wat glöv’s du, wat du al<br />

kannst, du kannst gor nichts. Ick kann alles<br />

wat du die utdenken kannst, mark die dat<br />

„Jan von Moor“.“<br />

Jan hölt emm dat scharpe Torfmesser<br />

vor den smerigen Buuk um den Düwel sick<br />

von’n Liev to holen. „Ick glöv, du kannst<br />

nich alles“, meen he to emm. De Düwel<br />

harr’n groten Snuten. „Wetten, ick will mit<br />

die wetten, dat ick alles kann, wat du von<br />

mie wullt. Wenn ick dat nich kann, denn<br />

kann’s mit dien Blagen hierblieben.“ Jan<br />

keek emm plietsch in de gleunigen Ogen:<br />

„Dat is mol een Wort, dor go ick up in. Ick<br />

geef die hier een Stück knokendrögen Torf<br />

von unnen ut’n Pott, hart un drög! Dit<br />

Torfstück muss du woller natt moken.“<br />

De Düwel kunn sick vor Lachen utschütten:<br />

„Wenn’t wieter nix is, her mit dien<br />

Torfbülten.“ Een Torfpott weer full Woter,<br />

dor smeet he den Torf mit aller Gewalt rin.<br />

De Torfbülten duuk ünner un schööt woller<br />

ut’n Woter hoch, he swumm boben up.<br />

De Düwel pedd emm mit sien Peerhuf woller<br />

no unnen. Schwupp, swumm dat Torfstück<br />

woller boben up, dat Woter lööp<br />

andol. „Jan von Moor“ grien: „Drögen Torf<br />

kannst du nee woller natt moken, glöv mie<br />

dat.“<br />

De Düwel schaff dat uck nee, he kunn<br />

nich mehr an sick holen un sprung in’n<br />

Moor hen un her, dorbi spee he Füer un<br />

Flammen. In een grote Moorbussen, een<br />

Spalten un swartet Lock, is he mit veel<br />

Damp rinzischt, dat hett qualmt un stunken.<br />

Jan stünd mit zitterige Been an sien<br />

Torfpott, den Düwel harr he in de Schranken<br />

wiest, he kunn blieben. He sett sick up<br />

de holten Schuufkorr, hol deep Luft un vorpuust<br />

sick, dorbi dach he: „Ja, wat hest du<br />

Teufelsskulptur in Teufelsmoor<br />

woller for Dusel hart, Gott sei Dank!“ De<br />

Düwel weer in een Brass liek hendol in sien<br />

Höll suust, dor tööf Grotmudder, sien<br />

Oma, al up emm. Se kicher un laach oh’n<br />

Tähnen in’n Snuut: „Na mien Düwelskerl,<br />

de lüttje „Jan von Moor“ hett die wol ornlich<br />

kranzheistert un too’n Narr’n mokt,<br />

dat harr ick die furn’s seggen kunnt. Ober<br />

een betern Mann harr’n wie gornich finnen<br />

kunnt for dit gruselige Moor, loot<br />

emm un al sien Macker’s man in Ruh, de<br />

mokt dat all.“ De Düwel weer an’n Keuchen<br />

un Snuben: „Dat paast mie jo nee,<br />

ober wenn du dat meenst Oma, denn loot<br />

ick den Donnerslag gewähr’n. Un at een<br />

ewig Teeken schall dit Moor un dat este<br />

Dorp mienen Nomen dregen.“ Siet den<br />

Dag heet dat hier Düwelsmoor.<br />

Um eer’n Düwel in Ruh un to Besinnung<br />

to kriegen, harr Oma emm sien „Höllenelexier“<br />

mischt. „Höllenelexier“ is ut 3 Sluck<br />

Stroh-Rum, 3 Sluck „Ratzeputz“, Tabaso,<br />

twee Bullenklöten un word upfüllt mit<br />

Höhnerblood. Nich schüddeln, bloot<br />

umröhr’n, dat brennt goot un is „echt<br />

lecker!“ Dor schütt de Düwel nu allerhand<br />

von in sien Schlund un muss sick gräsig<br />

schuutern. He slöp uck bald in un snorch<br />

luut. Af de Tiet hett he „Jan von Moor“ un<br />

sien Lü’e in Free’r loten. Düwelsmoor un<br />

de Düwelsmoorer giff dat jümmer noch.<br />

Am besten nich argern un nich mit anleggen,<br />

de weet sick jümmer to helpen un<br />

holt tohoop – uck wenn se gegen den<br />

Düwel anmööt!<br />

Johann (Jan) Brünjes<br />

27

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