Heimat-Rundblick 118 - Herbst 2016
Magazin für Geschichte - Kultur - Geschichte in der Region Hamme, Wuemme Weser
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Herbst 2016
Einzelpreis € 4,50
3/2016 · 29. Jahrgang
ISSN 2191-4257 Nr. 118
RUNDBLICK
AUS DER REGION HAMME, WÜMME, WESER
GESCHICHTE · KULTUR · NATUR
I N H A L T
unter anderem:
Schwerpunkt: Fritz Mackensen
Joachim Ringelnatz – Ein armseliges
Künstlerleben
Fort Kugelbake bei Cuxhaven
Paula Modersohn-Becker-
Kunstpreis 2016
Schutzgebietsplanung des
Landkreises Osterholz
Schluss nach 700 Jahren?
I N H A L T
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Redaktionssitzung
Die nächste Redaktionssitzung findet statt am
15. Oktober 2016, 15.00 Uhr,
im „Köksch un Qualm“,
Stader Landstraße 46, 28719 Bremen
Gewerbegebiet Moorhausen · Scheeren 12 · 28865 Lilienthal
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bis zum 10. Oktober 2016 unter
Tel. 04298 / 46 99 09 oder info@druckerpresse.de
Aus dem Inhalt
Aktuelles
Manfred Simmering
Äpfel, Äpfel, Äpfel … Seite 6
Johannes Kleine-Büning
Schutzgebietsplanung des
Landkreises Osterholz Seite 12 – 13
Jürgen Langenbruch
Redaktionssitzung Seite 20
Wilhelm Berger
Schluss nach 700 Jahren? Seite 22 – 25
Harald Kühn
Gedenkfeier am Schroeter-Grab Seite 26
Heimatgeschichte
Rudolf Matzner
Ein armseliges Künstlerleben Seite 4 – 6
Rudolf Matzner
Die Küstenfestung
Fort Kugelbake bei Cuxhaven Seite 8 – 9
Kultur
Ursula Villwock
Paula Modersohn-Becker-
Kunstpreis 2016 Seite 10 – 11
Dr. Helmut Stelljes
„Goldene Medaille I. Classe“
für Fritz Mackensen Seite 14 – 15
Prof. Dr. Jürgen Teumer
Fritz Mackensen: Einblicke in
die Familienchronik Seite 16 – 19
Katja Pourshirazi
Fritz Mackensen – Der umstrittene
Erfinder Worpswedes Seite 19 – 20
Natur
Maren Arndt
Vogel des Glücks Seite 7
NABU
Am Brunnen vor dem Tore …
Die Winterlinde ist
Baum des Jahres 2016 Seite 21
Serie
Peter Richter
‘n beten wat op Platt Seite 11
Peter Richter
Die plattdeutsche
Beduinensklavin Seite 11
Peter Richter
Bauernregeln Seite 21
Jan Brünjes
Lach- und Torfgeschichten Seite 27
Redaktionsschluss für die nächste
Ausgabe: 15. November 2016
Liebe Leserinnen
und Leser,
der Sommer zeigt sich in diesen
Tagen Mitte September noch einmal
von der besten Seite. Ich schreibe
Ihnen diese Zeilen während der alljährlichen
Leserreise, die uns diesmal
nach Münster führt, einer Stadt, die
für die deutsche Geschichte von
besonderer Bedeutung ist. Vielleicht
sind Sie unter den Mitreisenden und
können Ihren Freunden von einer
sonnigen und interessanten Fahrt
berichten. Die Redaktion bemüht
sich, den Leserinnen und Lesern Artikel
zu bieten, die zum einen flüssig
zu lesen sind, auf der anderen Seite
aber auch wissenschaftliches Niveau
und neue Erkenntnisse bieten. Das
schließt nicht aus, dass auch Themen
zur Sprache kommen, die mit
etwas Polemik gespickt sind. So z. B.
die Artikel aus Heft 117 zur Erhaltung
bzw. Zerstörung des Teufelsmoores.
Herr Kleine-Büning, Leiter
des Planungs- und Naturschutzamtes
des Landkreises OHZ nahm dies
zum Anlass für eine Darstellung der
Schutzgebietsplanung aus Sicht des
Landkreises. Ich bin der Meinung,
dass eine solche kontroverse Diskussion
für die Lebendigkeit unserer
Zeitschrift durchaus einen Gewinn
bedeutet.
Kontrovers ist auch die Sicht auf Fritz
Mackensen, der als Initiator für das
„Weltdorf“ Worpswede gilt. Unsere
Autoren Dr. Katja Poushirazi, Dr. Helmut
Stelljes und Prof. Dr. Jürgen Teumer
haben sich intensiv mit ihm und
seiner Familie beschäftigt und sind
in Archiven und bei persönlichen
Kontakten mit den Nachkommen
der Familie fündig geworden und
können die sozialen und persönlichen
Hintergründe des umstrittenen
Künstlers etwas aufhellen. Nicht zu
verdecken ist, dass Fritz Mackensen
sich engagiert für nationalsozialistische
Kulturpolitik eingesetzt hat - im
Gegensatz z. B. zu Heinrich Vogeler,
Titelbild:
Kraniche im Flug
Foto: Maren Arndt
der sich von der volkstümelnden,
rückwärts gewandten Kunstrichtung
abgewandt hat und versuchte, seine
Kunst in den Dienst einer erhofften
neuen Menschheitsentwicklung zu
stellen. Dieses Heft ist also etwas
„mackensenlastig“; auch in der folgenden
Ausgabe werden noch weitere
Ergänzungen folgen.
Aber - es gibt nicht nur „Worpswede“.
Sie lesen über Ringelnatz in
Bremen, die Kugelbake in Cuxhaven,
den „Vogel des Glücks“ und
den Paula Modersohn-Becker-Preis,
der am 6. November 2016 verliehen
wird, die Geschichte eines Teufelsmoorer
Hofes, zum 200. Todestag
von Johann Hieronymus Schroeter,
dazu etwas für die Freunde der plattdeutschen
Sprache.
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei
der Lektüre!
Ihr Jürgen Langenbruch
Impressum
Herausgeber und Verlag: Druckerpresse-Verlag UG
(haftungsbeschränkt), Scheeren 12, 28865 Lilienthal,
Tel. 04298/46 99 09, Fax 04298/3 04 67, E-Mail
info@heimat-rundblick.de, Geschäftsführer: Jürgen
Langenbruch M.A., HRB Amtsgericht Walsrode 202140.
Redaktionsteam: Wilko Jäger (Schwanewede),
Rupprecht Knoop (Lilienthal), Dr. Christian Lenz (Teufelsmoor),
Peter Richter (Lilienthal), Manfred Simmering
(Lilienthal), Dr. Helmut Stelljes (Worps wede).
Für unverlangt zugesandte Manuskripte und Bilder wird
keine Haftung übernommen. Kürzungen vorbehalten. Die
veröffentlichten Beiträge werden von den Autoren selbst
verantwortet und geben nicht unbedingt die Meinung
der Redaktion wieder. Wir behalten uns das Recht vor,
Beiträge und auch Anzeigen nicht zu veröffentlichen.
Leserservice: Telefon 04298/46 99 09, Telefax 04298/3 04 67.
Korrektur: Helmut Strümpler.
Erscheinungsweise: vierteljährlich.
Bezugspreis: Einzelheft 4,50 €, Abonnement 18,– € jährlich
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Bremen: Böttcherstraße/Ecke Andenkenladen
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RUNDBLICK Herbst 2016
3
Ein armseliges Künstlerleben
Joachim Ringelnatz war auch in Bremen
Als meine Frau und ich vor etlichen Jahren
mit der Landsmannschaft der Sachsen
an einer Studienreise nach Mitteldeutschland
teilnahmen, fuhren wir auch durch das
Städtchen Wurzen. Der Reiseleiter Wolfgang
Günther ließ den Bus in einer unauffälligen
Straße halten und wir standen vor
dem Geburtshaus von Hans Gustav Bötticher,
alias Joachim Ringelnatz. Kurze
Erklärung zur Person; wer war er und was
hat ihn bekannt gemacht? Und schon ging
es weiter.
Es war eine liebgewordene Tradition,
dass man den Abend gemeinsam mit einem
Programm ausklingen ließ. Noch vor dem
Abendessen drückte mir Wolfgang Günther
eine Loseblattsammlung mit Ringelnatz-
Gedichten in die Hand mit der Bitte, beim
geselligen Zusammensein daraus vorzulesen.
Doch das war nicht alles, was mich an
Ringelnatz erinnerte.
Joachim Ringelnatz ist viel gereist, hat
Tagebuch geführt und darin aufgeschrieben,
dass er im Juli 1924 als Seemann auch
in Bremen war. Dabei erwähnte er, dass er
auch die Damen des ältesten Gewerbes der
Welt in der Helenenstraße gegenüber dem
Ziegenmarkt einen Besuch abgestattet
habe. Doch bedeutender und nachhaltiger
war wohl sein Aufenthalt im Bremer Ratskeller.
Welch ein Kontrast! Und hier schrieb
er, als hätte er im Weinkeller folgendes
Gedicht zu Papier gebracht. Teils eine
Lobeshymne auf Bremen, andererseits auch
ringelnatztypische skurrile Satzgebilde.
Hier gelt ich nix, und würde gern etwas gelten,
denn diese Stadt ist echt, und echt ist selten.
Reich ist die Stadt. Und schön ist ihre Haut.
Sag einer mir: Welch Geist hat hier
die St.Ansgarikirche aufgebaut ?
Groß schien mir alles, was ich hier entdeckte.
Ein Riesenhummer lag in einem Laden,
wie der die Arme eisern von sich reckte,
als wollte er durchs Glas in Frauenwaden,
in Bremer Brüste plötzlich fassen
Und wie wir’s von den Skorpionen lesen -
restweg im Koitus sein Leben lassen, -
war er nicht schon länger rot und tot gewesen.
Als ich herauskam aus dem Keller, wo
schon Heine saß, da sagte ich „Oho“
denn auf mich sah Paul Wegener aus Stein,
und er war groß und ich natürlich klein.
Brustwarzen hatte er an beiden Knien,
vielleicht wars auch der Roland von Berlin.
Und als ich, wie um eine spanische Wand
mich schlängelnd, eine seltsam leere
doch wohlgepflegte Villengasse fand
und darin viel verlorene Ehre.
Stand dort ein Dacharbeiter,
den fragte ich so ganz nebenbei:
ob er wohl ein Senator sei?
da ging er lächelnd weiter.
Porträt Joachim Ringelnatz, vor 1925
Quelle: Wikipedia gemeinfrei
Der in dem Gedicht erwähnte Paul
Wegener war zu der Zeit ein bekannter
Schauspieler, der mit Joachim Ringelnatz
gut befreundet war.
Joachim Ringelnatz, wie er sich ab 1919
nannte, wurde am 7. August 1883 als jüngstes
von drei Geschwistern in Wurzen bei
Leipzig geboren. Er verstarb am 17.
November 1934 in Berlin. Sein Vater entstammte
einer thüringischen Gelehrtenfamilie.
Die Mutter war die Tochter eines
Sägewerksbesitzers. Der Vater hatte in jeder
Hinsicht auf den Sohn mehr Einfluss als die
Mutter. Mit der Mutter hatte Joachim Ringelnatz
mehr Probleme. Als Siebenundzwanzigjähriger
schrieb er an seine Verlobte
AIma: „Mutterliebe fehlt uns beiden“.
Hänseleien in
der Schulzeit
Die Schulzeit war für den seltsam aussehenden
Jungen recht schwer. Von den Mitschülern
wurde er wegen seiner mädchenhaften
Frisur, seiner ungewöhnlich langen
Vogelnase, seinem vordrängenden Kinn
und seiner kleinen Statur gehänselt. Der
Junge flüchtete sich in Trotz und Rüpeleien.
Als Quintaner leistete sich Ringelnatz
einen Streich zu viel: Während der Pause
verließ er das Schulgebäude des König-
Albert-Gymnasiums, ging zu einem neben
der Schule gelegenen Zoo und ließ sich
von einer Samoanerin auf den Unterarm
eine Tätowierung stechen. Gegenüber seinem
Lehrer gab er mit diesem Vorfall noch
an. Die Reaktion war der Verweis vom
Gymnasium. Es folgten Jahre auf einer privaten
Realschule, aber auch diese Zeit war
nicht besonders erfolgreich. Mit der im
Abgangszeugnis bescheinigten Obersekundareife
des zweimaligen Sitzenbleibers
vermerkte ein Lehrer, der Absolvent sei
„ein Schulrüpel ersten Ranges“.
Schon 1886 zog die Familie von Wurzen
nach Leipzig, wo der Vater der Künstlerund
Gelehrtenszene angehörte. Hier verschrieb
er sich ganz der Schriftstellerei.
Joachim Ringenatz hatte sich in den
Kopf gesetzt, unbedingt Seemann zu werden
und so heuerte er als Schiffsjunge auf
einem Segelschiff an. Doch das dauerte
nur sechs Monate, von April 1901 bis September
gleichen Jahres, dann hatte er vorerst
genug von der so geliebten Seefahrt.
Er wurde wegen seiner sächsischen Aussprache
gehänselt und selbst der Kapitän
nannte ihn „Nasenkönig“. In Britisch-Honduras
riss er aus, verirrte sich im Urwald
und wurde glücklicherweise wieder gefunden.
Auf der Rückreise nach Hamburg
wurde er noch mehr schikaniert. Nach dieser
Enttäuschung war er zunächst arbeitslos
und hatte kaum das Nötigste zum
Leben. Als Aushilfe bei einer Schlangenschau
auf dem Hamburger Dom - das ist
ein großes Volksfest - half er Riesenschlangen
zu tragen. Dieses war nur eine
der über dreißig Beschäftigungen, die
Joachim Ringelnatz ausübte, und wieder
bestimmte sein Wunsch, Seemann zu werden,
seinen weiteren Lebensweg. Seine
Erfahrung auf dem Segelschiff konnte ihn
nicht davon abhalten, als Leichtmatrose
auf einem Motorschiff anzuheuern und die
Weltmeere zu bereisen.
Doch das war auch nicht von Dauer,
Phasen von Arbeitslosigkeit und ohne
Unterkunft bestimmten sein Leben.
Bevor Ringelnatz in einem Seemannsheim
untergeordnete Arbeiten verrichten
konnte, lebte er von Essensspenden, die er
dankbar annahm. Nun geriet er in einen
Freundeskreis und hier lernte und schätzte
er die ausschweifenden Trinkgewohnheiten.
Des Feierns überdrüssig, heuerte er
erneut auf Schiffen an, bis ihm 1903 die
Ausübung des Matrosenberufes wegen
mangelnder Sehschärfe seiner Augen
untersagt wurde. Dennoch absolvierte er
die Qulifikationsfahrt für den Militärdienst
bei der Marine und diente 1904 als Einjährig-Freiwilliger
bei der Kaiserlichen
Marine in Kiel. Auch diese Zeit war relativ
kurz und so begann erneut ein unstetes
Leben. Zu einem geregelten Alltag war
Ringelnatz auch nicht bereit.
Ein Jahr danach, 1905, bemühte er sich
um einen Studienplatz an der Universität
Leipzig. Sein Interesse galt dem Studienfach
Handelswissenschaften, doch bevor
er sich einschreiben lassen konnte, verweigerte
der Vater dem Sohn die finanzielle
4 RUNDBLICK Herbsts 2016
Geburtshaus von Joachim Ringelnatz in Wurzen © Wikipedia CC-By-Sa 3.0 Joeb 07/Wikimedia Commons
durchaus gefährlicher Einsatz. Unter großer
Anstrengung schaffte Joachim Ringelnatz
den Aufstieg zum Reserveoffizier, 1917 war
er als Leutnant zur See Kommandant eines
Minensuchbootes in Seeheim bei Cuxhaven.
In seiner Freizeit interessierte er sich für
das Leben von Schlangen und Eidechsen in
einem Terrarium. Es gibt Hinweise, dass sein
Nachname auf die Ringelnatter hinweist,
weil sie sich zu Lande und im Wasser wohlfühlt.
Der Vorname Joachim wird mit Ringelnatz’
lebenslanger Gläubigkeit in Verbindung
gebracht. Der Name bedeutet „Gott
richtet auf“.
Ringelnatz erlebte in den Nachkriegsjahren
erneut entbehrungsreiche Jahre voller
Kälte und Hunger.
1920 heiratet er die fünfzehn Jahre jüngere
Lehrerin Leonharda Pieper, die ihm
eine unentbehrliche Hilfe bei all seinen
schriftstellerischen Tätigkeiten war. Die
beiden wohnten als Schwarzmieter in
einer Münchener Wohnung, bis sie dann
nach Berlin umzogen.
Wie wenig sich die Lebensverhältnisse
gebessert hatten, zeigt das folgende
Gedicht:
Unterstützung. Es ist doch erstaunlich,
dass der Vater, der doch hätte wissen können,
dass sein Sohn meistens am Rande
des Existenzminimums lebte, kaum bereit
war, ihm zu helfen. Joachim hatte zu
schreiben und zu malen begonnen und
dabei hatte der Vater vermittelt, dass er in
AUERBACHS DEUTSCHEM KINDERKALEN-
DER seine Werke veröffentlichen konnte.
Doch das war keine ständige Unterhaltssicherung.
Darüber hinaus entstanden seine
ersten Ölbilder.
Zur gleichen Zeit versuchte Joachim Ringelnatz
als Lehrling in einer Hamburger
Dachpappenfabrik eine Anstellung zu finden
und danach als kaufmännischer Angestellter
in Leipzig und Frankfurt/M. zu
arbeiten. Und wieder war es die geregelte
Arbeitszeit, die ihm nicht behagte. Jetzt
begann er als fahrender Sänger und als
Gelegenheitsarbeiter sein Geld zu verdienen.
Vor Hunger entkräftet, vegetierte er in
einer Bodenkammer und er schlief in einer
Holzkiste. In Amsterdam hielt der deutsche
Pfarrer ihn für einen Betrüger, zeigte ihn an
und er wurde für kurze Zeit ins Gefängnis
gesteckt.
Danach nahm Ringelnatz eine Stellung
als Buchhalter in einem Münchener Reisebüro
an. Er gab bei der Einstellung an, fünf
Fremdsprachen zu beherrschen, doch das
konnte nicht gut gehen.
Ab 1909 begann seine Laufbahn als
Kabarettist mit Auftritten in der Münchener
Künstlerkneipe SIMPLIZISSIMUS,
jedoch sein Engagement wurde schlecht
bezahlt und somit war auch das schnell
wieder vorbei. Nun veröffentlichte er
Gedichte und den autobiografischen Essay
VIELLIEBER FREUND und das Märchen
DER EHRLICHE SEEMANN.
RUNDBLICK Herbst 2016
Bildungslücken sollten
geschlossen werden
Joachim Ringelnatz spürte, dass in gehobener
Gesellschaft seine Bildung Lücken
hatte und so ließ er sich privat von Baron
Thilo von Seebach in Literaturgeschichte
und anderen Fächern unterrichten. Doch
seine Einkommensverhältnisse verbesserten
sich durch die folgenden Aufträge keineswegs.
So bemühte er sich zum Beispiel,
als verkleidete Wahrsagerin in einem Bordell
den Prostituierten die Zukunft vorauszusagen.
Im Jahre 1912 fand er eine Anstellung als
Privatbibliothekar bei einem Grafen und
danach arbeitete er mit der gleichen Aufgabe
bei dem Freiherrn von Münchhausen
in Hannover und schließlich war Ringelnatz
Fremdenführer auf der Burg Lauenstein.
Danach absolvierte er einen Kursus als
Schaufensterdekorateur. Er dekorierte
jedoch nur ein Schaufenster, doch sein
Können reichte nicht für eine weitere
Beschäftigung.
Es erschien seine Gedichtsammlung DIE
SCHNUPFTABAKDOSE, die einige seiner
bekanntesten Verse enthält. Für ein weiteres
Werk bekam er ein einmaliges Honorar
von 200 Mark. Weder als Schriftsteller
noch als Schauspieler verdiente er ein
zufriedenstellendes Honorar, ganz im
Gegenteil, Hunger und Armut begleiteten
sein Leben.
Mit Kriegsbeginn 1914 hoffte er als Freiwilliger
bei der Marine eine gesicherte
Zukunft in Aussicht zu haben. Gerne hätte
er an Schlachten teilgenommen, doch er
wurde einem Minenlegeschiff zugeteilt, ein
Angstgebet in Wohnungsnot
Ach, lieber Gott, dass sie nicht
Uns aus der Wohnung jagen.
Was soll ich ihr denn noch sagen -
Meiner Frau - in ihr verheultes Gesicht?
Ich ringe meine Hände
Weil ich keinen Ausweg fände,
Wenns eines Tages so wirklich wär;
Bett, Kleider, Bücher, mein Sekretär, -
Dass das auf der Straße stände.
Sollt ichs versetzen, verkaufen?
Ist all doch nötiges Gerät
Wir würden, einmal, die Not versaufen,
und dann; wer weiß, was ich tät.
Ich hänge so an dem Bilde,
das noch von meiner Großmama stammt,
Gott, gieße doch etwas Milde
Über das steinerne Wohnungsamt.
Wie meine Frau die Nacht durchweint,
das barmt durch all meine Träume.
Gott, lass uns die lieben zwei Räume
Mit der Sonne, die vormittags hinein scheint.
Ab Herbst 1920 hatte Joachim Ringelnatz
erste erfolgreiche Aufträge im Berliner
Kabarett SCHALL UND RAUCH. Danach
verbrachte er mehrere Monate im Jahr auf
Bühnen im gesamten deutschsprachigen
Raum. Er trat stets im Matrosenanzug auf
und war nun gut beschäftigt. 1927
erschienen seine beiden erfolgreichsten
Gedichtsammlungen, Kuddeldaddeldu
und Turngedichte. Für drei Wochen reiste
er nach Paris und 1928 führte ihn sein Weg
nach London, von wo er enttäuscht
zurückkam.
5
Obwohl Ringelnatz fast jedes Jahr
Bücher veröffentlichte, so mussten er und
seine Frau stets sparsam leben und dennoch
blieben sie nie sorgenfrei.
1933 erteiIten die Nationalsozialisten
die ersten Auftrittsverbote in Hamburg
und München und es begann die Zeit der
Bücherverbrennung. Auch Ringelnatz
hatte darunter zu leiden und wieder lebten
sie auf der untersten Stufe des Wohlstands.
An einer beginnenden Tuberkulose
erkrankt, konnte er noch seinen 50.
Geburtstag feiern, auf dem seine Freunde
Asta Nielsen, Paul Wegener und sein Verleger
Ernst Rowohlt Reden hielten. Sie waren
lange Jahre miteinander befreundet.
Am 17. November 1934 verstarb Joachim
Ringelnatz in seiner Berliner Wohnung
Am Sachsenplatz. Beerdigt wurde er
auf dem Waldfriedhof in Berlin. Nur neun
Personen begleiteten seinen Sarg und zum
Abschied wurde das Lied LA PALOMA
gespielt.
Mehrere Straßen in Berliner Bezirken
wurden nach Ringelnatz benannt.
Zum 125. Geburtstag des Dichters am
7. 8. 2008 gab die Deutsche Bundespost
eine Sonderbriefmarke heraus. Die Vorstellung
der Erstlingsausgabe fand durch das
Bundesfinanzministerium im Joachim-Ringelnatz-Museum
in Cuxhaven statt. Die
Betreuung des Nachlasses übernahm 2002
die Ringelnatz-Gesellschaft in Cuxhaven.
Schon zuvor von 1986-1991 wurde von
der Stadt Cuxhaven im zweijährigen Turnus
der mit 10000 DM dotierte Joachim-
Ringelnatz-Preis für Lyrik vergeben. Seit
1948 gibt es in seiner Geburtsstadt Wurzen
eine Ringelnatz-Ausstellung im Stadt-
Museum.
Ringelnatz-Museum in Cuxhaven:
Südersteinstraße 44
Eintrittspreis Euro 4,–
Telefon 0472/1394411
Öffnungszeiten:
Dienstags bis sonntags 10.00 – 13.00 Uhr
und 14.00 – 17.00 Uhr
Abschließen möchte ich mit einem Kindergebet
von Joachim Ringelnatz.
Kindergebet
Lieber Gott, recht gute Nacht.
Ich hab noch schnell Pipi gemacht,
damit ich von Dir träume.
Ich stelle mir den Himmel vor
Wie hinterm Brandenburger Tor
Die Lindenbäume.
Nimm meine Worte freundlich hin,
weil ich schon sehr erwachsen bin.
Rudolf Matzner
Quellen:
Bremen. Literarischer Spaziergang, Insel
Taschenbuch
Eigenes Zeitungsarchiv
Hinweis der Redaktion:
Im Jahre 2004 fand eine Leserreise des
Heimat-Rundblick nach Cuxhaven mit
Besuch des Ringelnatz-Museums statt
(siehe auch Heimat-Rundblick Nr. 71,
Winter 2004).
Äpfel, Äpfel, Äpfel …
Wo aus Früchten herrliche Säfte entstehen
In Überhamm, einem Ortsteil von
Worpswede, liegt ein kleiner Betrieb, der es
in sich hat. Hier werden Äpfel und auch
andere Früchte zu herrlichem Saft
gepresst.
Wenn man Alke Zimmermann zusieht,
wie sie in ihrem Betrieb herumwirbelt,
kann man sich nicht vorstellen, dass sie vier
Kindern das Leben geschenkt hat.
Ihr Mann ist IT-Mensch und muss sich
seiner Arbeit widmen. Aber ihr Sohn
Johannes, der Schornsteinfeger gelernt
hat, unterstützt sie sehr. Auch ihm geht die
Arbeit leicht von der Hand. Und natürlich
sind auch noch andere fleißige Helfer
dabei.
Man kann von morgens 7.00 Uhr bis
abends 20.00 Uhr sein Obst pressen lassen.
Dabei werden z. B. die Äpfel in einer
Packpresse gepresst und der erhitzte Saft
bei 80 °C in Literflaschen abgefüllt. Die
Früchtereste, der sogenannte Trester, findet
Abnehmer. Bauern und Jäger nehmen
ihn gern. Aber auch ein Schafhalter ist
dabei. Der Kunde kann die Wartezeit überbrücken,
indem er sich am Wagen
draußen im Garten eine Bratwurst mit
Pommes oder einen Kaffee gönnt. Täglich
kann man auch Eier, Kartoffeln, Kuchen
und Honig kaufen.
In jedem Jahr am 3. Oktober ist „Tag der
offenen Tür“. Es wird dann Kaffee geröstet,
man kann Forellen probieren. Aber es gibt
auch frisch gebackenen Butterkuchen aus
dem Lehmbackofen.
Auch Spezialitäten
im Angebot
Alke, die im Jahr ca. 120.000 Flaschen
befüllt und bewegt, hat auch Spezialsäfte
im Angebot: Rote Bete, Holunder, Limette,
alles mit Apfel. Aber der Clou ist ihr Aroniasaft
mit Apfel. Die Aroniabeeren bezieht
sie vom Bio-Betrieb von Oesen.
Der 25 ha große Hof ist übrigens seit
1610 im Familienbesitz.
Text: Manfred Simmering
Fotos: Helmut Stelljes
6 RUNDBLICK Herbsts 2016
„Vogel des Glücks“
So nennen die Chinesen den Kranich
Pünktlich zum Herbstanfang beginnt ein
ganz besonderes Spektakel im Teufelsmoor.
Die Kraniche (Grus grus) kommen.
Anfangs sind es nur wenige versprengte
Trupps, aber spätestens wenn die Maisfelder
abgeerntet sind, fliegen sie zu tausenden
ein. Tagsüber findet man sie auf den
Feldern, abends fliegen sie ins Günnemoor
oder ins Huvenhoopsmoor in die renaturierten
flachen Moorgewässer. Dort verbringen
sie die Nächte im Wasser stehend,
geschützt vor Füchsen und anderen Räubern.
Das Naturschauspiel wiederholt sich
in jedem Jahr im Herbst und verliert nichts
von seiner Faszination. Allein schon die
Geräuschkulisse der unzähligen Vögel ist
atemberaubend.
Beeindruckendes
Schauspiel
Der Einflug der Kraniche in ihre Nachtquartiere
ist ein beeindruckendes Schauspiel.
Mit lauten Trompetenrufen fliegen
die Vögel kurz vor Sonnenuntergang zu
ihren Schlafplätzen, um bei Tagesanbruch,
noch bevor die Sonne sich blicken lässt,
wieder mit der gleichen Lautstärke auf die
Maisfelder zu fliegen. Es ist wichtig, dass
sie sich für den langen Flug in ihre Winterquartiere
stärken und Fettreserven bilden
können. Mögen die Maisfelder auch ein
Fluch sein für die Artenvielfalt in der
Region, den Kranichen nützen sie.
Kraniche sind am besten aus dem Auto
zu beobachten. Sie sind gegenüber dem
Links der Jungvogel, rechts der Altvogel
Foto: Maren Arndt
Menschen sehr scheu. Die Fluchtdistanz
liegt bei ca. 300 Metern. Die Jungvögel
kann man an ihrem braunen Kopf gut von
den grauen Elterntieren unterscheiden.
Unter günstigen Umständen haben Kraniche
eine Lebenserwartung von 20 Jahren.
Ein Kranichpaar bleibt ein Leben lang
zusammen. Manchmal entdeckt man
einen beringten Kranich. Die Beringung
besteht aus einem Farbencode, den man
auf den Webseiten des Kranichinformationszentrums
nachlesen kann. Dort kann
man auch beringte Kraniche melden, die
man gesehen hat und bekommt Auskunft
über den Vogel, wo er beringt wurde, in
welchem Land, in welcher Region und wo
er bereits schon gesehen und gemeldet
wurde.
Wie von Zauberhand
verschwunden
Foto: Maren Arndt
Spätestens nach den ersten frostigen
Nächten und wenn Wind und Thermik
günstig sind, machen sich die Vögel auf
den Weiterflug ins wärmere Südfrankreich,
nach Spanien oder manche auch nach
Nordafrika. Wie von Zauberhand können
sie von einem auf den anderen Tag verschwunden
sein. Manch vereinzelte Paare
bleiben den Winter über hier. Einige Brutpaare
gibt es mittlerweile auch an
geschützten Plätzen im Teufelsmoor.
Im Frühling ziehen die Vögel schnell und
ohne langen Halt in Richtung Norden, wo
die allermeisten Kraniche brüten. Wer
zuerst dort ankommt, dem stehen die
besten Brutplätze zur Verfügung.
Freuen wir uns über die fliegenden
Nomaden.
Kranichbeobachtungstürme gibt es im
Huvenhoopsmoor. Im Günnemoor kann
man den Einflug der Kraniche gut in Verlüssmoor
beobachten, in der Nähe vom
Hofladen Lütjen.
Maren Arndt
RUNDBLICK Herbst 2016
7
Die Küstenfestung Fort Kugelbake bei Cuxhaven
Unauffällig hinterm Deich
In unmittelbarer Nähe des Wahrzeichens
der Stadt Cuxhaven, der Kugelbake,
befindet sich hinterm Seedeich die Festungsanlage
gleichen Namens. Hier am
nördlichsten Zipfel von Niedersachsen hat
die rd. 1140 Kilometer fließende Elbe eine
Breite von 16 Kilometern und sie zählt zu
den wichtigsten Wasserstraßen Europas.
Das auf einer Landzunge von Elbe und
Nordsee umspülte Gebiet bot den geeigneten
Raum, um für einen militärischen
Küstenschutz zu sorgen. Schon um 1820
hatte Napoleons Oberkommandierender
der französischen Armee in Deutschland,
Marschall Davout, an dieser Stelle eine
Zugang zum Fort Kugelbake
Küstenfestung geplant. Zuvor hatte Friedrich
der Große in seinem Testament mit
Sorge darauf hingewiesen, dass seine Mittel
keine Zersplitterung seiner Kräfte durch
den Aufbau einer Flotte ermöglichten. In
den folgenden Zeiten stand Deutschland
als Landmacht den Seemächten Dänemark
und England oft hilflos gegenüber. Das
änderte sich, als die Deutsche Nationalversammlung
1848 über eine Verfassung für
ganz Deutschland debattierte und als Zeichen
der Einheit die Schaffung einer
Kriegsflotte in den Vordergrund stellte. Das
war in der Zeit, als der dänische König
Friedrich VII. sich bemühte, die Herzogtümer
Holstein und Lauenburg, trotz
Zugehörigkeit zum Deutschen Bund, stärker
in sein Reich einzubinden. Die durch
Admiral Rudolf Brommy (1804-1860) in
Eile aufgestellte erste Kriegsflotte war im
Seegefecht gegen Dänemark nicht gerade
erfolgreich, was wiederum die Planung
einer Küstenfestung stark beeinflusste.
Doch geht man zurück in die Zeit der
Planungsphase, dann muss man auch
daran erinnern, dass im Juni 1868 der
General Helmuth Graf von Moltke (1800-
1891) mit weiteren hochrangigen Militärangehörigen
den geplanten Standort bei
Cuxhaven besichtigt haben. Daraus ist
abzulesen, dass das Interesse für eine
Küstenbefestigung wachgehalten und die
Heeresleitung als Entscheidungsträger sich
für zuständig hielt. Erst der marinebegeisterte
deutsche Kaiser Wilhelm II.
(1859-1941) – er war nach Friedrich III.
(1831-1888) und Wilhelm I. (1797-1888)
der letzte Regent im „Dreikaiserjahr“ 1888
Kasemattenzugang vom Innenhof
– änderte die Zuständigkeit von der
Heeresleitung an die Marineführung. Das
war der Anlass, dass für die bevorstehende
Aufgabe ein Kommandant für Cuxhaven
eingesetzt wurde.
Am 28. Mai 1870 wurde der Grundstein
für das Fort Kugelbake gelegt und 9 Jahre
später konnte die Fertigstellung gemeldet
werden, doch gebaut wurde an der Festungsanlage
bis zum 2. Weltkrieg ständig.
Die Grundform ist auf dem 6 Hektar
großen Areal allerdings unverändert
geblieben. Die Außenmaße dieser militärischen
Einrichtung betragen im Fünfeck
unregelmäßige Längen von 1, 10, 55, 57,
86 und 94 Metern. Ein 12 Meter breiter
und 2,50 Meter tiefer Graben umschließt
das Fort.
Die im Laufe der Jahre hoch gewachsenen
Büsche und Bäume versperren heute
den Blick auf die ehemalige Küstenbatterie.
Sie liegt unauffällig hinterm Deich und
ist von den vielen Spaziergängern kaum
wahrzunehmen. Nur wenige mit
geschichtlichem Interesse nehmen an
einer Führung durch diese ehemals
bedeutsame Anlage teil.
Gelangt man in den großen, etwas tiefer
liegenden Innenhof, erahnt man die
ehemals militärstrategische Bedeutung
dieser Befestigungsanlage. Zur Seeseite
befinden sich die Geschützwälle und darunter
die Kasematten, die bis zu 400 Soldaten
Unterkunft bieten konnten. Zur Stabilisierung
der Deckenschichten wurden in
passender Länge geschnittene Eisenbahnschienen
von insgesamt 500 Quadratmetern
eingepasst. Achtzehn Millionen Ziegelsteine
wurden im Fort Kugelbake ver-
8 RUNDBLICK Herbsts 2016
Eine der ehemaligen Geschützstellungen (kein Original, Leihgabe)
baut und 1800 Arbeiter waren hier
beschäftigt. Diese Küstenbefestigung
wurde nicht von Truppenteilen, wie Pionieren
oder dergleichen, sondern durch
ansässige Privatfirmen errichtet. Natürlich
brachte das gutes Geld in die Gemeindekassen
und außerdem Arbeitsplätze für die
Bevölkerung. Darüber hinaus wurde auch
das benötigte Baumaterial durch die Privatwirtschaft
besorgt. Für nicht befugte
Zivilisten war das gesamte Areal als Sperrgebiet
erklärt worden.
Die Kasemattengänge stehen heute
zum Teil unter Wasser, sodass stabile Bretter
für einen trockenen Weg sorgen. Ein
großes Problem war von Beginn an der
Kampf gegen die Feuchtigkeit und gegen
das von oben eindringende Regenwasser.
Abgesehen von den oberen Dokumentationsräumen
sind die unteren Gänge mit
den architektonisch üblichen Tonnen- und
Kreuzgewölben gebaut. Die vorhandene
Waffenkammer, Küche und Schlafräume
bieten noch ein anschauliches Bild vom
damaligen Festungsleben. Die ersten Soldaten
wurden noch bei den Einwohnern
der Umgebung untergebracht, weil die
Ehemalige Küchenkessel (Original)
Kasematten
Unterkünfte noch nicht bezugsfertig
waren. Doch genau wie auf Segelschiffen
wurde in den Kasematten zum Teil in Hängematten
geschlafen.
Eine Besonderheit im Fort Kugelbake
waren die Hebebühnen, auf denen die
Geschütze aus dem unteren Bereich über
Rampen mit menschlicher Muskelkraft
oder auch durch Pferde nach oben gehievt
werden konnten. Auf gleiche Art konnte
ein Scheinwerfer mit einem beachtlichen
Durchmesser von 2 Metern aus dem unteren
Schacht auf die Aufzugsplattform in
Stellung gebracht werden. Dieses Feindsuchgerät
mit der Bezeichnung G200 von
der Firma Siemens und Schuckert war eine
technische Meisterleistung. Gemessen an
der jahrzehntelangen Aufbauarbeit hielten
sich die kriegerischen Erfolge in Grenzen.
Ab 1940 wurden für die anderweitig eingesetzten
deutschen Soldaten russische
Hilfswillige (Hiwis) und später auch Schüler
ab dem Jahrgang 1926 als Marinehelfer,
sogar Marinehelferinnen, im Fort Kugelbake
eingesetzt.
Nach Ende des 2. Weltkrieges wurde die
Festungsanlage durch die Siegermächte
weitgehend entmilitarisiert. Die gegenwärtig
dort zu sehenden Geschütze sind
größtenteils Leihgaben. In den ersten
Nachkriegsjahren wurden die Räumlichkeiten
für die Unterbringung von Flüchtlingen
genutzt, danach bemühte man sich
in den 50er Jahren, die erste Jugendherberge
in Cuxhaven hier einzurichten.
Geschlafen wurde in den ehemaligen
Stahlbetten der Festungssoldaten. Für
kurze Zeit siedelten sich kleinere Firmen
hier an, bis dann 1972 darüber diskutiert
wurde, ob es nicht an der Zeit sei, die
Anlage vollkommen abzutragen.
Nach zwanzigjährigem Schlaf gelang es
der Stadt Cuxhaven, Gelder aus dem EG-
Strukturfond zu beschaffen, die durch
eigene und Landesmittel mit einer
Gesamtsumme von 6,5 Mio. DM aufgestockt
wurde, die dazu dienten, das Fort
Kugelbake notdürftig zu erhalten.
Für kulturelle und auch für private Veranstaltungen
steht in der ehemaligen Festungsanlage
sowohl im Innenhof als auch
in den früheren Unterkunftsräumen ein
gastronomischer Bereich zur Verfügung.
Diese Führung an einem Tag im September
2011 war sehr interessant. Der
Festungsführer Herr Warncken wusste
außerordentlich viel zu berichten, seine
Informationen wurden dankbar aufgenommen
und ich habe viel gelernt. Es war
ein Blick in eine unbekannte Vergangenheit,
die auch zur deutschen Geschichte
gehört.
Führungen im Fort Kugelbake:
Mo. – Fr. 14.30 Uhr
Di., Do., Sa., So. 10.30 Uhr
Eintrittpreis: € 4,–
Voranmeldung bei Gruppen empfehlenswert
unter Telefon-Nr. 04721 / 40 44 44.
Text und Bilder: Rudolf Matzner
RUNDBLICK Herbst 2016
9
Paula Modersohn-Becker – Kunstpreis 2016
Verleihung seit 2010 im zweijährigen Turnus
Der Kunstpreis hat für den Landkreis
Osterholz Tradition. Nach vielen Jahren
eines Kunstpreises, für dessen Vergabe sich
nur im Landkreis Osterholz lebende Künstler(innen)
bewerben konnten, wurde im
Jahre 2010 der „neue“ Paula Modersohn-
Becker-Kunstpreis ins Leben gerufen. Der
Preis richtet sich nun an Künstler(innen)
mit biografischen Bezügen zum Gebiet der
Metropolregion Bremen-Oldenburg. Seit
2010 wird der Preis im zweijährigen Turnus
verliehen. Der neue PMB-Kunstpreis
besteht aus drei Einzelkategorien.
Der Paula Modersohn-Becker-Kunstpreis
ist inzwischen ein fester Bestandteil der
internationalen Kunstwelt und wird dieses
Jahr zum 4. Mal vergeben.
Der PMB-Kunstpreis ist ein wichtiges Signal
an die junge Kunstszene Worpswedes
und der Metropolregion. Denn auch die
alten Worpsweder waren zu ihrer Zeit junge
Künstler mit kontroversen Ansichten.
Die Ausschreibung zur Bewerbung
erreicht inzwischen immer weitere Kreise,
was beweist, dass Künstler aus der ganzen
Welt einen Bezug zur Nord/West-Metropolregion
haben und diesen Preis sehr
schätzen. So sind diesmal neben Deutschland
die Länder Österreich und Frankreich
mit Künstlern vertreten. Es haben sich wieder
über 160 Künstler beworben und die
Auswahl für die Jury wird immer schwieriger,
da die Qualität der Einreichungen
begeistert. Der „PMB-Kunstpreis“ aus drei
Einzelpreisen: Hauptpreis, Nachwuchspreis
(gestiftet von Karl-Heinz Marg), Sonderpreis
für Künstler mit biografischen
Bezügen zur Metropole Nordwest.
Die vertretenen Medien der ausgewählten
Künstler/Innen zeugen auch dieses Mal
von einer großen Bandbreite künstlerischen
Schaffens. Selten wurden die Fragen an
unsere Zeit auf so experimentelle Weise
gestellt. Auch machen sich Künstler zunehmend
selbst zu Objekten ihrer Forschungsarbeit,
wie beispielsweise der Franzose Virgile
Novarina, der seit fast 20 Jahren seinen
Schlaf erforscht, dazu in der Öffentlichkeit
sein Bett aufstellt und während das Schlafes
kleine Textskizzen entstehen, die irgendwo
aus dem Unterbewusstsein kommen. Oder
Max Schaffer, dem auf wundersame Weise
Objekte begegnen, die sich mit ihm und
seinem Leben unmittelbar zu verknüpfen
scheinen, und aus denen er konzeptuelle
Kunstwerke entwickelt, die örtlich bezogen
sind. Aber auch Malerei und Zeichnungen
bleiben aktuell wie bei Anna Bart und Ralf
Ziervogel. Vertreten ist auch die Videokunst,
die immer neue Wege einschlägt. So
zu sehen bei Julian Öffler und Annika Kahrs.
Und die Verwendung gefundener Objekte,
die bei Waldemar Grazewicz zu humorvollen
Kunstwerken verwandelt werden und
bei Kornelia Hoffmann Eingang in kom-
Anna Bart “Wand”, Öl auf Papier, 247 x 396 cm, 2012
Annika Kahrs, „Playing to the Birds”, Videostill
Waldemar Grazewicz, „749,-“, Mischtechnik auf
Pappe / 67x70 cm, 2015
Virgile Novarina, „Marie-Sol Parant”
Irena Eden und Stijn Lernout, „o.T.“, Acryl und
Bleistift auf HDF, 70 x 48 x 30 cm, 2014
10 RUNDBLICK Herbsts 2016
plexe Collagen finden. Gesellschaftlich relevante
Fragen mit aktuellem Zeitbezug greift
diesmal das Wiener Künstlerduo Irena Eden
& Stijn Lernout auf und bringt so auch
einen politischen Diskurs in den insgesamt
wieder sehr spannenden Ausstellungsparcours.
Dabei steht nicht nur die Betrachtung
unserer heutigen Gesellschaft im
Fokus der Werke, auch Rückbezüge auf Vergangenes
öffnen den Blick für Zeitgenössisches.
Die diesjährige regionale Jury, bestehend
aus Dr. Dorothee Hansen (Kunsthalle Bremen),
Ele Hermel (Galerie Mitte, Bremen)
und Dr. Inken Steen (Kulturredakteurin
NWR) hat folgende Künstler nominiert:
Anna Bart, Irena Eden & Stijn Lernout,
Waldemar Grazewicz, Kornelia Hoffmann,
Annika Kahrs, Virgile Novarina, Julian
Öffler, Max Schaffer, Ralf Ziervogel
Eine hochkarätige überregionale Jury,
bestehend aus Kathrin Becker (N.B.K. Leiterin
Videoforum, Berlin), Roland Nachtigäller
(Marta Herford) und Marion Scharmann
(Kuratorin, Köln), wird innerhalb der Ausstellung
den/die Hauptpreisträger/in
bestimmen. Die Preisträger/innen werden
im Rahmen der Eröffnung bekanntgegeben.
Preisverleihung und
Ausstellungseröffnung:
Sonntag, 6. November 2016, 11.30 Uhr
Begleitveranstaltungen:
Führung und Kaffeetrinken für Senioren:
Freitag, 11. November 2016, 14.30 Uhr
(12,50 €, Anmeldung erforderlich)
Artdating: »Kunstfreunde finden«
Ein Speeddating der etwas anderen Art
Samstag, 19. November 2016, 18.00 Uhr
(10 €, inkl. Getränke und Häppchen, Anmeldung
erforderlich). Nähere Infos unter
www.worpswede-museen.de/aktuelles
Matinée kulinarisch:
Sonntag, 4. Dezember 2016, 12.00 Uhr
Kuratorenführung, dazu kann ein Mittagessen
im Kaffee Worpswede gebucht werden.
(Gesamtpreis 30 €, Anmeldung erforderlich)
Finissage mit Kuratorenführung:
Sonntag, 8. Januar 2016, 15.00 Uhr
Was schläft….?
Virgile Novarina im Gespräch mit der Kuratorin
Susanne Hinrichs
Seit 10 Jahren arbeiten der Künstler und die
Kuratorin immer wieder in verschiedenen
Zusammenhängen an gemeinsamen Projekten.
Novarinas Schlafforschung und künstle-
rische Auseinandersetzung mit dem Schlaf
ist so vielseitig, dass die Aspekte seiner Kunst
zahlreiche Belange der Gesellschaft berühren.
Hinrichs und Novarina geben Einblicke
in das Werk des Künstlers und ihre
gemeinsame Arbeit. Im Anschluss an das
Gespräch sehen Sie die deutsche Uraufführung
von Novarinas neuestem Film „Virgile
schläft, 6 Skizzen zu einem Film“, 22',
Jean Seban, 2013 (Best Short Documentary
at the Southampton International Film Festival)
Ort: Große Kunstschau Worpswede,
Lindenallee 5, Worpswede
Tel. 04792 13 02
Dienstag bis Sonntag 11 bis 16 Uhr.
Darüber hinaus gibt es eine Ausstellung
mit Werken des Sonderpreisträgers in der
Galerie Altes Rathaus in Worpswede.
Eröffnung: 4. Dezember 2016, 15 Uhr.
Dauer der Ausstellung bis 8. Januar 2017
Ort: Galerie Altes Rathaus,
Bergstr. 1, Worpswede.
www.galerie-altes-rathaus-worpswede.de
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 14 bis 17 Uhr
Samstag und Sonntag 11 bis 17 Uhr
Ursula Villwock
www.pmb-kunstpreis.de
‘n beten wat
op Platt
Sprichwörter und Redensarten
unserer engeren Heimat
Wer sick för`n Pannkoken backen lett,
de ward dor ok för upfreten.
Wo de Steen liggt, dor bewasst he.
Sebenteihn Handwark un achtteihn
Unglück.
Von Sporen un Woren kummt dat
Hebben von her.
Dor is keen Hund so slecht,
he will jümmer eenen hebben,
de noch slechter is.
Den eenen sien Uhl
is den annern sien Nachtigall.
Verbeten Hunnen hebbt
selten een heelet Fell.
„All weer togliek“, sä de Bur,
„do föhr he eenspännig.“
„Kremm di (mach dich gerade)“, sä de
Buersfro to de annere, „wi sünd glieks
in Osterholt.“
(aus: „Heimatbote“, Osterholz, Jg. 1926)
Peter Richter
Die plattdeutsche
Beduinensklavin
Der 1733 in Lüdingworth im Lande
Hadeln geborene bekannte Forschungsreisende
Carsten Niebuhr
war auf einer Reise ins Innere von
Afrika einst Gast im Nomadenzelt. Als
eine Sklavin einen Auftrag nicht zur
Zufriedenheit des Scheichs erledigt
hatte, entfernte sich dieser mit einigen
kräftigen Schimpfworten gegen
die Schuldige. Kaum hatte der
Häuptling den Zeltvorhang hinter
sich fallen lassen, als die arabische
Sklavin sich aufrichtete und im
schönsten Plattdeutsch hinter ihm
herrief: „Du ole Bullerballer!“ Niebuhr,
der arabische Kleidung trug,
verfiel sofort in seine heimische
Mundart und fragte das Mädchen in
höchster Verwunderung: „Min beste
Deern, wo büst du her?“
Die Reihe, sich zu wundern, war
nun an der Sklavin: „Ut Lüdingworth
in Lanne Hadeln!“ - Es stellte sich heraus,
dass Niebuhr mitten in der
Wüste Afrikas eine Landsfrau, dazu
noch aus seinem kleinen Heimatdorfe,
getroffen hatte.
Die Wirkung war, wie man sich
ausmalen kann, für beide Teile verblüffend.
Der Bericht des Mädchens
gab Aufklärung über ihre seltsame
Lage: Sie hatte einen Bruder in
Surinam wohnen, der sie auf seine
Kosten nach drüben kommen lassen
wollte. Das Mädchen schiffte sich in
Hamburg ein, geriet aber auf der
Reise in die Hände tunesischer Korsaren,
die dem Mädchen alle Habe
stahlen und es zuletzt an der afrikanischen
Küste als Sklavin verkauften.
Niebuhr pflegte das merkwürdige
Zusammentreffen im Beduinenzelte
oft zu erzählen. Jedesmal setzte er
hinzu, dass ihn nichts so überwältigt,
wie der unvermutete Klang heimatlichen
Plattdeutsches mitten in Afrika,
und nichts habe jemals seine Seele so
ergriffen wie das poltrige Schimpfwort:
„Du ole Bullerballer!“
(gefunden in „Heimatbote“,
Osterholz, Jg. 1926)
Peter Richter
RUNDBLICK Herbst 2016
11
Schutzgebietsplanung des Landkreises Osterholz
Interessenausgleich auf hohem Niveau für eine nachhaltige Entwicklung
Wer sich zu Fuß oder per Rad in die Hammeniederung
und die nordwestlich davon
gelegenen Hammehochmoore begibt, erlebt
eine überaus interessante Moorkulturlandschaft
mit einem vergleichsweise hohen
Anteil noch naturnaher Bereiche. Auf den
ersten Blick eine landschaftliche Idylle!
Bei näherer Betrachtung drängen sich aber
bald Fragen auf: Wo gibt es denn hier eigentlich
noch das sagenumwobene Moor mit den
für Hochmoore charakteristischen großräumigen
baumfreien Bereichen, mit schwingenden
Torfmoosrasen, Sonnentau und weiß
fruchtendem Wollgras? Wo sind die früher
großen Kiebitzschwärme geblieben? Warum
findet man kaum noch die einst so prägenden
blütenreichen Sumpfdotterblumenwiesen?
Und der naturkundliche Interessierte
wird sich fragen, warum Sumpfläusekraut,
Fischotter, Sumpfohreule, Uferschnepfe,
Grüne Mosaikjungfer und Enzianbläuling so
extrem selten geworden sind. Oder erinnert
sich jemand noch an das inzwischen ausgestorbene
Birkwild, den Kampfläufer oder die
Trauerseeschwalbe, die hier einst heimisch
waren? Und das Landschaftsbild: Konnte
man in der oberen Hammeniederung nicht
noch vor wenigen Jahren überall die offene
Weite der Landschaft genießen, wo der Blick
heute vielerorts nach wenigen Metern an der
hochgewachsenen Maiskultur endet? Und im
Übrigen: Wie wirkt sich eigentlich der Maisanbau
auf Moorböden auf das Klima aus und
der Einsatz von Gülle auf den Wasserhaushalt?
Kommen scheue Tierarten noch klar mit
der intensiven Erholungsnutzung an Land,
auf dem Wasser und in der Luft?
Es ist nicht zu übersehen: Wir haben es mit
einem sehr empfindlichen und gefährdeten
Landschaftsraum zu tun, der einen Umgang
erfordert, der wirtschaftlich, sozial und ökologisch
nachhaltig ist und damit auch auf kommende
Generationen Rücksicht nimmt. Ein
solcher Umgang stellt nicht weniger als eine
gesamtgesellschaftliche Herausforderung
dar. Der Landkreis Osterholz stellt sich dieser
Aufgabe auf vielfältige Weise.
In diesem Kontext steht auch die aktuelle
Absicht des Landkreises, im Bereich Hammeniederung
/ Teufelsmoor zwei Naturschutzgebiete
(NSG) und drei Landschaftsschutzgebiete
(LSG) auszuweisen (s. Abb.
rechts).
Die geplanten Schutzgebiete sollen in
Form einer sog. „Sammelverordnung“, die
vom Kreistag zu beschließen ist, ausgewiesen
werden. Das Gebiet der Sammelverordnung
ist 97 qkm groß. Dies entspricht 9.700 ha.
Ca. 50 % der Gebietskulisse nehmen die
geplanten Naturschutzgebiete und 50 % die
Landschaftsschutzgebiete ein.
Das geplante Naturschutzgebiet Hammeniederung
entspricht weitestgehend dem
Gebiet des gesamtstaatlich repräsentativen
Naturschutzgroßprojektes, das der Landkreis
seit 1995 in der unteren Hammeniederung
nach einem Förderprogramm des Bundesumweltministeriums
durchführt (sog. „GR-
Projekt“). Über das Projekt wurde im Heimatrundblick
Nr. 111 04/2014, S. 18 – 20 umfassend
berichtet. Im Projektgebiet sind signifikante
Erfolge des Naturschutzes zu verzeichnen,
die durch neue Wege und Aussichtsmöglichkeiten
für Erholungssuchende erlebbar
gemacht wurden. Mit der Annahme von
über 14 Mio. € Fördermitteln des Bundes
und des Landes Niedersachsen übernahm der
Landkreis Osterholz auch die Pflicht, das Projektgebiet
als Naturschutzgebiet auszuweisen.
Darüber hinaus ist der Landkreis verpflichtet,
die von der Europäischen Union festgelegten
Natura 2000 - Gebiete als Naturschutz-
oder Landschaftschutzgebiete auszuweisen.
73 % des Gebietes der Sammelverordnung
sind Natura 2000 – Gebiete. Das
sog. ökologische Netz Natura 2000 ist der
zentrale Beitrag der Europäischen Union zum
Schutz der weltweiten biologischen Vielfalt,
der auf der Umweltkonferenz in Rio de
Janeiro 1992 international vereinbart wurde.
Das ökologische Netz setzt sich aus den
sog. EU-Vogelschutzgebieten und EU-
Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH-Gebieten)
zusammen.
Die Sammelverordnung bezweckt auch im
eigenen Interesse des Landkreises den Schutz
von ökologischen und landschaftlichen Qualitäten,
die nicht über Natura 2000 abgedeckt
sind. Dabei geht es insbesondere um
den Erhalt des außergewöhnlich schönen
12 RUNDBLICK Herbsts 2016
Landschaftsbildes, das heimische und auswertige
Erholungssuchende anzieht und eine
wichtige Grundlage für den Tourismus in der
Region darstellt.
Die Sammelverordnung enthält für die
Naturschutzgebiete vergleichsweise strenge,
für die Landschaftsschutzgebiete milde und
im Falle des Landschaftsschutzgebiets „Teufelsmoor“
sehr milde Nutzungsregelungen.
Die Regelungen bestehen aus einer Kombination
von Verboten, Ausnahmen von diesen
Verboten, Zustimmungsvorbehalten und
Freistellungen.
Das Regelwerk ist unter Berücksichtigung
zahlreicher Gespräche mit Betroffenen so
abgefasst, dass ein intensiver Ausgleich unterschiedlichster
Nutzungsinteressen bewirkt
wird.
Wohnlagen und Hofgrundstücke sind aus
dem Geltungsbereich der Schutzgebiete
gänzlich ausgeklammert. Somit gelten hier
keine einschränkenden Regelungen der entsprechenden
Verordnungen. Im Übrigen ist
durch zahlreiche Freistellungen sichergestellt,
dass das dörfliche Leben weitergeht.
Besonders intensiv abgewogen sind die
Regelungen für die landwirtschaftliche Nutzung.
Denn schließlich leben die landwirtschaftlichen
Familienbetriebe von ihren
Flächen. Und der Landkreis Osterholz hat aus
gesamtgesellschaftlichen Gründen ein hohes
Interesse am Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft
- übrigens auch aus Naturschutzgründen:
Ohne Landwirtschaft keine Wiesen,
ohne Wiesen weder Wiesenblumen noch
Wiesenvögel.
In den Landschaftsschutzgebieten „Hammeniederung“
und „Teufelsmoor“ soll die
ordnungsgemäße Landwirtschaft weiterhin
weitestgehend möglich bleiben.
In den geplanten Naturschutzgebieten
„Hammeniederung“ und „Teufelsmoor“ sollen
zukünftig dagegen strengere Regelungen
gelten. Diese stehen noch nicht abschließend
fest. Ihre vollständige Ausgestaltung soll erst
in einem weiteren Verfahren (2. Tranche) in
enger Abstimmung mit den betroffenen
Landwirten erfolgen. Dabei ist Folgendes zu
berücksichtigen: Große Teile der geplanten
Naturschutzgebiete wurden von der öffentlichen
Hand für Naturschutzzwecke erworben.
Auf verbliebenen privaten Grünlandflächen
werden durch Auflagen bedingte Erschwernisse
vom Land finanziell ausgeglichen.
Ein besonderes Thema ist die Umwandlung
von Grünland in Acker, die meistens das
Ziel verfolgt, Mais als wertvolle Futter- bzw.
Energiepflanze anzubauen. Die Sammelverordnung
verpflichtet die Landwirte, die eigenen
Fachregeln der ordnungsgemäßen Landwirtschaft
einzuhalten. Damit soll für die
Zukunft die Umwandlung von Grünland auf
Moorböden, grundwassernahen Böden und
in Überschwemmungsgebieten verbindlich
unterbleiben.
Und auch das ist wichtig für die Landwirtschaft:
Die Sammelverordnung enthält keine
Regelungen zur Vernässung der Gebiete. Sie
ändert weder die Steuerung der Ritterhuder
Um die geplante Sammelverordnung
ranken sich derzeit viele Gerüchte. Auch
der Artikel im Heimat-Rundblick 3/2016
zur Sammelverordnung von Agnes Lenz
bedarf einiger Richtigstellungen:
• Nicht der Landkreis hat Vogelschutzund
FFH-Gebiete an die Europäische
Union gemeldet, sondern das Land
Niedersachsen bzw. die Bundesrepublik
Deutschland.
• Die Natura 2000 – Gebiete in der Hammeniederung
müssen als Natur- oder
Landschaftschutzgebiete ausgewiesen
werden. Der Landkreis hat insoweit
keine Spielräume.
• Der Landkreis hat sich bezüglich der
Sicherung der Natura 2000 – Gebiete
eben nicht für die „schärfste Form entschieden“.
Dies wäre die vollständige
Ausweisung als Naturschutzgebiet
gewesen. Die Sammelverordnung
sieht dagegen einen Mix aus Naturund
Landschaftsschutzgebieten vor.
• Der Landkreis weist keine Biotope aus.
Seit 1990 werden im Bundesnaturschutzgesetz
bzw. im entsprechenden
Niedersächsischen Landesgesetz
bestimmte gefährdete Biotope
benannt, die kraft Gesetzes unter
Schutz stehen. Der Landkreis hat die
gesetzliche Pflicht, diese zu erfassen
und in das Naturschutzverzeichnis einzutragen.
• Mit der Feststellung der gesetzlich
geschützten Biotope findet ausdrücklich
nicht „de facto eine Enteignung“
statt. Die bisherige Nutzung, die zum
Entstehen des Biotops geführt hat, darf
i.d.R. fortgeführt werden. Der Biotop
darf aber nicht zerstört oder sonst
erheblich beeinträchtigt werden.
Soweit es sich um privates Grünland
handelt, zahlt das Land für Erschwernisse
der Bewirtschaftung Ausgleich.
• Die Sammelverordnung berücksichtigt
eben nicht „ausschließlich die Erhaltung
und Förderung der Vogel- und
Pflanzenwelt“. Die Sammelverordnung
berücksichtigt auch andere
Naturschutzaspekte, wie die für den
Tourismus wichtige Erhaltung des
Landschaftsbildes. Sie berücksichtigt
aber insbesondere umfänglich die
Belange unterschiedlicher Nutzungen
im Gebiet.
• Der Vergleich der Sammelverordnung
mit der „Planwirtschaft“, die Unterstellung
einer „willkürlichen Lenkung der
Bevölkerung“, die Befürchtung einer
„Mangelwirtschaft“, die Aussagen,
dass das betreffende Gebiet „von der
kulturellen Weiterentwicklung bewusst
abgeschnitten wird“ und weitere
Unterstellungen gegenüber dem
Landkreis entbehren jeglicher Grundlage
und werden von der Kreisverwaltung
ausdrücklich zurückgewiesen.
Schleuse noch die Entwässerung des Waakhauser
und Niederender Polders. Die in den
Gebieten überall erforderliche Gewässerunterhaltung
bleibt erlaubt. Allerdings soll sie
zukünftig ökologisch verträglicher erfolgen.
Diesbezüglich enthält die Sammelverordnung
einige Vorgaben, die sich aber weitestgehend
auf die beiden geplanten Naturschutzgebiete
beschränken.
Heimische und auswärtige Erholungssuchende
sind nach wie vor in den Schutzgebieten
willkommen. Soweit die Gebiete zum
europäischen Vogelschutzgebiet gehören
sind sie allerdings an das ausgewiesene naturverträgliche
Freizeitwegenetz gebunden.
Dieses umfasst eine Gesamtlänge von 115
km. Hinzu kommen noch 15 km Straßen
begleitende Radwege. Zusammen ein Wegenetz
von 130 km! Auch die Schifffahrt und
der Bootssport sollen unter besserer Beachtung
der Pflanzen- und Tierwelt und unter
Berücksichtigung des Tourismus neu geregelt
werden. Dasselbe gilt eingeschränkt auch für
die Luftfahrt und den Flugsport. Die Sammelverordnung
setzt damit bereits vor 10 Jahren
ausgehandelte und politisch beratene kompromissorientierte
Konzepte um.
Die Sammelverordnung zielt auch darauf
ab, den klimaschädlichen Torfabbau zu
unterbinden - und das auch außerhalb der
Natura 2000 – Kulisse. Dies ist ein ganz herausragender
Grund für das geplante Landschaftsschutzgebiet
„Teufelsmoor“. Denn
hier lagern nach wie vor beachtliche Torfbestände.
Ohne das Landschaftsschutzgebiet
„Teufelsmoor“ würden Torfabbauanträge
kaum abzulehnen sein. Das Landschaftsschutzgebiet
„Teufelsmoor“ sichert damit
auch die schönen Wohnlagen der Ortschaft
Teufelsmoor!
Einschränkungen der Fischerei beschränken
sich weitestgehend auf das Naturschutzgebiet
„Hammeniederung“. Aber auch hier
wird die Fischerei keinesfalls verboten. Der
Verordnungsentwurf sieht u.a. Fischereizonen
von insgesamt 17 km Länge, davon 12
km ohne zeitliche Befristung vor. Einschränkungen
der Jagd beziehen sich vor allem auf
die geplanten Naturschutzgebiete. Der
Schwerpunkt liegt auf dem Naturschutzgebiet
„Hammeniederung“ und hier vornehmlich
auf den öffentlichen Flächen. Alle Regelungen
sind so abgestimmt, dass die Jagd ihre
wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben erfüllen
kann.
Die Sammelverordnung liegt derzeit als
Entwurf vor. Das Beteiligungsverfahren, das
u.a. eine öffentliche Auslegung umfasste, ist
abgeschlossen. Aktuell wertet die Kreisverwaltung
die eingegangenen Stellungnahmen
aus und überarbeitet den Verordnungsentwurf.
Der überarbeitete Entwurf soll im Oktober
dieses Jahres dem Kreistag zur abschließenden
Entscheidung und Beschlussfassung
vorgelegt werden.
Johannes Kleine-Büning
Leiter des Planungs- und Naturschutzamtes
des Landkreises Osterholz
RUNDBLICK Herbst 2016
13
„Goldene Medaille I. Classe“ für Fritz Mackensen
Reaktionen zu der legendären Auszeichnung 1895 in München Teil 2
Der Dichter Rainer Maria Rilke zitiert
1903 in der „Monographie Worpswede“
einen Kritiker, der über die „Münchener
Jahres-Ausstellung von Künstlern aller
Nationen“ im Glaspalast 1895 kommentierte:
„Für den, der irgend weiß, wie ein
Künstler zu solchen Ehren sonst nur durch
langjähriges Streben und gute Verbindungen
kommen kann, ist das eine so fabelhafte
Sache, daß er sie nicht glauben
würde, hätte er sie nicht selbst erlebt. Niemals
ist eine Wahrheit so unwahrscheinlich
gewesen“. Hier richtet sich „eine so fabelhafte
Sache“ insbesondere auf die Auszeichnung
des damals noch völlig unbekannten
„Fritz Mackensen in Worpswede“.
Ihm wurde 1895 für das Gemälde „Gottesdienst
im Freien“ im Glaspalast „Die
Goldene Medaille I. Classe“ verliehen.
Mit dem oben genannten Zitat des Kritikers
endet der Artikel „150 Jahre Fritz
Mackensen“ im Heimat Rundblick, Frühjahr
2016 Nr. 116, Seite 24 – 26.
Anhand von vorhandenen Briefen und
Dokumenten soll im Folgenden untersucht
werden, welche Reaktionen durch den
legendären Erfolg von Mackensen 1895
ausgelöst wurden.
Die Korrespondenz zwischen Fritz
Mackensen und seiner Mutter geschah
stets in einer wechselseitigen Herzlichkeit
und mit Fürsorge. (Paula Becker nannte
Mackensen in ihrem Tagebuch 1897:
„zärtlich weich zu seiner Mutter“; Worpsweder
Almanach, Seite 66).
Fritz Mackensen, Büste seiner Mutter, um 1898,
Bronze, Kulturstiftung Landkreis Osterholz, © VG
Bild-Kunst, Bonn 2016
Die Mutter schrieb am 7.4.1895 aus
Hannover an ihren ältesten Sohn: „Mein
lieber Fritz! … Auch für die Kunst wünsche
ich Dir viel Glück und besten Erfolg. ...
Heute habe ich sehr viel an Dich denken
müssen, ist doch heute Eure Ausstellungseröffnung“
(die Ausstellung der „Künstlervereinigung
Worpswede“ in der Kunsthalle
Bremen ist hier gemeint).
Als im Sommer 1895 die Ausstellung in
München begann, teilte Mackensens Bru-
der ihm am 9. Juli 1895 mit: „Mein lieber
Fritz! Soeben erhalten wir von Mutter die
Nachricht Deines so überaus großen Erfolges.
Und nun gratuliere ich Dir von
ganzem Herzen dazu. Wie sehr habe ich
mich gefreut …“. (Der Vater, der Bäckermeister
Julius Ludwig Ernst Mackensen,
war bereits 1871 in Greene gestorben. Die
Mutter musste die vier Söhne versorgen).
Am 19.8.1895 fragt die Mutter ihren Sohn
Fritz: „… Hast Du denn die ‚Brücke im
Moor‘ verkauft? … Recht freue ich mich,
daß Deine Bilder in München so gut
gefragt sind ….“. In zahlreichen Briefen
nimmt Mackensens Mutter immer wieder
regen Anteil an den künstlerischen Erfolgen
ihres Sohnes Fritz.
Die breite Anerkennung des Worpsweder
Künstlers Fritz Mackensen für seine
legendäre Auszeichnung in München
bekräftigt ein Brief aus Hamburg vom
9.7.95 (Absender nicht lesbar): „Selten
habe ich eine Neuigkeit aus der Zeitung
mit größerer Freude begrüßt, wie heute,
als ich las, daß Ihnen in München die Goldene
Medaille zuteil geworden ist. Ich
weiß, wie ernst ihr Streben, wie all Ihr Sinnen
nur der lauteren, höchsten Kunst gilt.
Darum rufe ich Ihnen aus innerstem Herzen
meinen herzlichen Glückwunsch zu.
Möge Ihnen die verdiente Anerkennung
und Auszeichnung ein Ansporn zu immer
neuem Streben sein und bleiben“.
Aus Konstantinopel erhält Fritz Mackensen
einen anerkennenden Brief vom 10.
Oktober 1895 von seinem Onkel Ernst
(Friedrich Ernst Anton Mackensen,
Geheimrat, Dipl. Ing., Erbauer der Bagdad-
Bahn, geb. 1840 in Gandersheim, gest.
1909 in Konstantinopel, Bruder des Vaters
von Fritz): Mein lieber Fritz! .. Über Deinen
glänzenden Erfolg freue ich mich herzlich.
Mehrere Bekannte, welche Dein Bild „Predigt“
in München gesehen haben, sind
voll des Lobes, und ich muß sagen, daß ich
den Wunsch habe, es selbst bald einmal
sehen zu können. Ich nehme an, daß Du
das Bild in der nächstjährigen Ausstellung
in Berlin ausstellen wirst … Deine weiteren
Arbeiten werden Dir im Gefolge der Anerkennung,
welche Du in so reichem Maße
gefunden hast, schon leichter werden“.
Welch großer, großer
Künstler müssen Sie sein!
Ausstellungshalle des „Glaspalast München“, um 1895 (Innenansicht), Fotografie; Sammlung Hanfstaengl
, München
Ein Schreiben vom 26. Oktober 1895
erhält Mackensen aus Hannover (Absender
lässt sich nicht entziffern): „Ich las eine Kritik
über Sie und so eine glänzende, daß ich
kaum meinen Augen traue. Welch großer,
großer Künstler müssen Sie sein!“
14 RUNDBLICK Herbsts 2016
Der „Glaspalast München“ um 1895, Fotografie; Sammlung Hanfstaengl, München
Nach Erfolg meldeten
sich die Presse …
Nach dem großen Erfolg in München
meldeten sich zunehmend Verlage und
Zeitungsredaktionen bei dem Worpsweder
Künstler Mackensen.
„Die Redaktion der Illustrierten Zeitung
in Leipzig“ bittet am 1. Juli 1895 um das
„Holzschnittrecht“: „Wir hegen den
Wunsch Ihr jetzt in München im Glaspalast
ausgestelltes Gemälde „Der Säugling“
unsern Lesern in Holzschnittreproduction
vorzuführen und erlauben uns die Anfrage
an Sie zu richten, ob und unter welchen
Bedingungen Sie uns das Buchreproductionsrecht
daran im Sinne des beiliegenden
Reverses abzutreten bereit wären“.
Am 15. Juli 1895 teilt J.J. Weber von der
„Redaction der Illustrierten Zeitung in
Leipzig“ Mackensen mit, dass sie das
„Gottesdienst“ betitelte Gemälde den
Lesern als Reproduktion vorzuführen beabsichtigen,
„wenn an diesem das Buchreproductionsrecht
noch frei und eine Photographie
vorhanden ist“.
… und Verlage
Ein Schreiben aus Dornach vom 30.
Oktober 1895 („Photographischer Kunstverlag
AD. Braun & Cie“) richtete sich an
Mackensen in Worpswede: „Empfangen
Sie unsern verbindlichsten Dank für die
ehrenvolle Auszeichnung, die Sie uns
RUNDBLICK Herbst 2016
durch den Antrag Ihrer Bilder ‚Gottesdienst‘
und ‚Der Säugling‘ durch unsern
Verlag veröffentlichen zu lassen, entgegenbringen“.
Auch Kontakte zu Museen
entstanden
In der Zwischenzeit waren auch Kontakte
zu Museen in Leipzig, Berlin und
Mackensens Werk „Moorbrücke“ erzielte auf der
„Münchener Jahres-Ausstellung“ den Betrag von
600,- Mark
Dresden entstanden, und es wurden Ausstellungen
geplant. In Leipzig äußerte Max
Klinger sich anerkennend über Werke von
Fritz Mackensen. Aus Bremen schrieb
Gustav Vinnen - (mit dem Maler Carl Vinnen
verwandt) - am 23. Oktober 1895:
„Freue mich sehr, Ihr berühmtes Worpswede
jetzt in der stimmungsvollsten Jahreszeit
kennen zu lernen. Es wird ein würdiger
Schlußakkord unserer Sommerzeit
sein“. Außerdem bekräftigt der Bremer
Rechtsanwalt Dr. R. Voigt in dem Brief vom
24. Oktober 1895 an Mackensen: „Nachdem
mir so allmählich klar geworden (ist),
daß Sie mittlerweile ein berühmter Maler
geworden sind, habe ich einige Gewissensbisse
bekommen über unsern neulich
verabredeten Plan, unsere kleinen Schwägerinnen
durch Sie malen zu lassen. Ich
denke mir, bei Ihren Erfolgen (können
Sie) Ihre Zeit sehr nutzbringend anwenden“.
Fritz Mackensen sandte seiner Mutter
am 18.10.1895 die seinerzeit sehr einflussreiche
Kunstzeitschrift „Die Kunst für Alle“.
Diese bekannte Publikation erschien ab
1885 im Münchener Bruckmann Verlag
und wurde von dem Maler und Kunstschriftsteller
Friedrich Precht herausgegeben.
Der Worpsweder Künstler Fritz Overbeck
veröffentlichte am 15. Oktober 1895
in dem Heft 2, Seite 20 bis 24 den Artikel
„Ein Brief aus Worpswede“. Aufgrund der
Münchener Ausstellung im Glaspalast
hatte ein „Redakteur“ den Wunsch an
Overbeck gerichtet, „etwas von Worpswede
zu hören“.
Der Artikel „Ein Brief aus Worpswede“
war mit Abbildungen von Worpsweder
Künstlern illustriert. Dazu zählten auch
Werke von Mackensen. Seine Mutter kommentierte
am 18.10.95: „Mein lieber lieber
Fritz! Gestern Morgen erhielten wir
(die Zeitschrift) … es machte mir ungeheuren
Spaß, Mittags Wilhelm (Bruder von
Fritz), den Aufsatz vorzulesen. Weißt Du,
mein lieber bester Fritz, daß in dem Heft
Dein „Säugling“ das Beste von allem ist,
das ist nach meinem Gefühl ganz wunderbar.
Dein ‚Gottesdienst‘ ist doch längst
nicht so klar und schön“.
Die legendäre Auszeichnung 1895 in
München für Fritz Mackensen hat unzählige
Reaktionen und Erklärungen ausgelöst.
Mit Hilfe von verfügbarem Quellenmaterial
aus diesem Jahr konnten einzelne
Facetten beschrieben werden. Die
Darstellung ist möglicherweise eine Anregung
zu weiteren Untersuchungen und
Betrachtungen.
Dr. Helmut Stelljes
Quellenmaterial:
Archiv der Barkenhoff-Stiftung Worpswede
15
Fritz Mackensen: Einblicke in die Familienchronik
Teil 1
Anlass für diesen Beitrag
Der in diesem Jahr begangene 150.
Geburtstag des Gründungsvaters der
Malerkolonie Worpswede, Fritz Mackensen,
böte sicher genügend Anlass, seiner
zu gedenken. Indes, es herrscht ziemliche
Zurückhaltung, nicht zuletzt im Künstlerort
selbst, dessen spezielle Geschichte nun
einmal mit Mackensen in besonderer
Weise zu tun hat. Lediglich im Museum am
Modersohn-Haus in Worpswede und im
Overbeck-Museum in Bremen-Vegesack
kann man sich einen breiteren Einblick in
sein Werk verschaffen, zum Teil mit Bildern,
die bisher kaum oder gar nicht
öffentlich gezeigt worden sind. In den Einführungsvorträgen
bei den Ausstellungseröffnungen
wurde durch Katja Pourshirazi
und Bernd Küster in Vegesack sowie Friederike
Schmidt-Möbus in Worpswede
natürlich in erster Linie sein künstlerisches
Werk kritisch gewürdigt. Andererseits blieb
aber auch seine politische Verankerung,
vor allem seine Nähe zum Nationalsozialismus,
in den Betrachtungen nicht ausgespart.
Und auch bei einer Podiumsdiskussion
Anfang September im Worpsweder
Rathaus wurden nicht nur kunstkritische
Reflexionen angestellt. Immerhin kam es
hier zu einer vergleichsweise differenzierten
Betrachtung seines Lebens und Wirkens.
Aber dennoch: Fritz Mackensen
macht es uns allen offensichtlich schwer,
mit seiner Vita zurechtzukommen.
Aber anders als an den erwähnten Orten
und auch anders als in den in dieser Zeitschrift
veröffentlichten Beiträgen von Helmut
Stelljes (2016) sollen im Folgenden
ausnahmsweise weder sein künstlerisches
Werk noch seine Vita im Vordergrund stehen.
In den Mittelpunkt gerückt werden
sollen vielmehr die Familie, vor allem die
drei Brüder sowie deren Werdegang und
Wirken. Meine Absicht ist damit nicht, Fritz
Mackensen etwa völlig aus dem Blick nehmen
zu wollen, um seine Handlungen
oder Verfehlungen kleiner zu schreiben,
gar zu entschuldigen. Nein, mein Beitrag
soll vielmehr den Blick auf ihn erweitern
helfen, indem ich sein soziales Umfeld
betrachte.
Der Auslöser
Auslöser für diesen speziellen Ansatz in
der Darstellung ist im Grunde genommen
eine Nebensächlichkeit. Bei der Beschäftigung
mit dem Künstler musste ich nämlich
feststellen, dass in der einschlägigen Literatur
wiederholt ärgerliche Verwechslungen
seiner Brüder auftreten. Im Mittelpunkt
dieses irritierenden „Wechselspiels“
stehen ausschließlich die beiden jüngeren
Brüder von Fritz, nämlich Wilhelm und
Albert. Otto, der jüngste, bleibt in dieser
Hinsicht (bislang) noch unbehelligt.
Dabei hatte eigentlich alles einmal korrekt
begonnen, heißt es doch in der Monographie
von Ulrike Hamm/Bernd Küster
(1990, S. 25): „Albert wurde Kaufmann in
Bremen, Wilhelm Architekt und Hofbaurat
in Hannover ...“. Leider kommt es dann
aber im selben Werk auf Seite 74 erstmals
zu der oben kritisierten Verwechslung. Bei
der Beschreibung von Fritz Mackensens
Wohnhaus am Weyerberg in Worpswede,
dem sogenannten Haus Susenbarg, heißt
es dann falsch: „Das Haus wurde nach Entwürfen
des Bruders und Architekten Albert
Mackensen gebaut.“ Dass dieser Fehler Folgen
zeitigte, wird denjenigen Lesern deutlich,
die zu dem außerordentlich lesenswerten
Buch von Gudrun Scabell (2012) greifen
und dort im Text über die Villa Mackensen
denselben (falschen) Hinweis finden,
dass „die Entwürfe … von Albert Mackensen,
dem Architekten und Bruder Fritz
Mackensens“ (S. 80) stammten. Und ein
aktuelles (und hoffentlich auf Dauer letztes)
Beispiel ist in dem Buch zu finden, das
Sigrun und Bernhard Dieter Kaufmann
2016 aus Anlass der von ihnen im Museum
am Modersohn-Haus in Worpswede initiierten
und so sehenswerten Ausstellung von
Kunstwerken Fritz Mackensens herausgegeben
haben. Darin schreibt die eingangs
erwähnte Kunsthistorikerin Friederike
Schmidt-Möbus über die wiederum
miteinander vertauschten Söhne (S. 9):
„Sohn Wilhelm wurde erfolgreicher Kaufmann
in Bremen, Albert wurde Architekt
und Baurat in Hannover ...“.
Ich will es damit bewenden lassen und
mich im Weiteren der höchst interessanten
Familienchronik der Mackensen-Familie
zuwenden – und dabei ausführlich über
die Söhne Albert, Wilhelm und Otto und
ihre wahren beruflichen Funktionen und
Leistungen berichten. Die dabei gesammelten
Daten und Informationen sind vielleicht
zugleich dazu geeignet, aus den vielfältigen
Familienbeziehungen ein neues
und differenzierteres Bild von und über
Fritz Mackensen zu gewinnen.
Die meisten Ausgangsdaten konnte ich
einem genealogischen Forschungsbericht
von Hans Bülow (1989) entnehmen.
(Inzwischen weiß ich allerdings, dass eine
ganze Reihe von Angaben darin unzutreffend
sind.) Einige Informationen zum
Abgleich bzw. als Ergänzungen fand ich
verstreut in den entsprechenden Wikipedia-Seiten
bzw. in weiteren Einträgen im
Internet. Wichtige Hilfestellungen leisteten
auch der Heimatverein in Greene in der
Person seines 1. Vorsitzenden Jürgen Sander
sowie viele andere hilfsbereite Menschen,
z.B. in Orts-, Stadt-, Staats- und Kirchenarchiven,
bei Handelskammern und
in Unternehmensarchiven. Ihnen sei an
dieser Stelle ebenso herzlich gedankt wie
den mehr als zwei Dutzend ungenannt
bleibenden Personen aus der Nachkommenschaft
der Mackensens, die in ihren
Erinnerungen, Datensammlungen und
Fotoalben auf Spurensuche gegangen
waren und mir sehr behilflich zur Seite
standen.
Der Vater,
seine Geschwister
und die Mutter
Meine Einblicknahme in die Familienchronik
möchte ich mit den Eltern beginnen.
Der Vater Ludwig Mackensen (* 1836
in Gandersheim; † 1871 in Greene) war
Bäckermeister in der gepachteten Gemeindebäckerei
in Greene, einer Gemeinde im
südlichen Niedersachsen, die heute zur
Stadt Einbeck gehört. Ludwig Mackensen
setzte mit seiner Tätigkeit eine gewisse
Familientradition fort, denn auch sein
Vater war Bäckermeister, allerdings im
nahen Gandersheim. Überhaupt dominierten
in der Linie des Vaters, d.h. seiner
Vorfahren, handwerkliche Berufe. So werden
seit dem späten 17. Jahrhundert, vorwiegend
in Gandersheim, neben den
Bäckermeistern u.a. auch Ratszimmer-,
Nagelschmiede- und Schuhmachermeister
als Vorfahren mit dem Namen
Mackensen genannt. Diese Tradition wird
aber erstmals in der Familie des Vaters
nicht mehr durchgängig aufrechterhalten.
Während die Schwester Georgine noch
einen Sattlermeister und die Schwester
Antonie einen Bäckermeister heirateten,
verließen die beiden Brüder diese Familientradition,
indem sie sich technischen
Berufen zuwandten, und zwar über eine
akademische Ausbildung.
Der eine Bruder, nämlich Ernst Mackensen
(* 1840 in Gandersheim; † 1909 in
Konstantinopel-Pera), brachte es als Dipl.
Ing., versehen mit der Ehrendoktorwürde
der TH Dresden, zum preußischen Titel
eines Geheimen Baurats. Besondere Auszeichnungen,
d.h. mehrere Orden des
Osmanischen Reiches, erwarb er sich aber
im Zusammenhang mit Eisenbahnprojekten
in der heutigen Türkei. Als Leiter der
Anatolischen Eisenbahngesellschaft, vor
allem aber bei der Planung und beim Bau
der berühmten Bagdadbahn, einer ingenieurtechnischen
Meisterleistung, die ab
16 RUNDBLICK Herbsts 2016
1903 realisiert wurde, spielte er eine wichtige
Rolle.
Der zweite Bruder, nämlich Wilhelm (*
1847 in Gandersheim; † ? in Braunschweig),
wurde ebenfalls Dipl. Ing. und
mit dem Titel Geheimrat ausgestattet.
Auch sein Tätigkeitsschwerpunkt hatte mit
der Bahn zu tun, dem damals noch
zukunftsträchtigen Unternehmen. In der
Bremer Region z.B. zeichnete er verantwortlich
für den Bau der sogenannten
Dreyerbrücke, einer Eisenbahnbrücke, die
die Weser zwischen Bremen-Hemelingen
und Dreye, einem Ortsteil der Gemeinde
Weyhe überspannt. Sie entstand 1873 als
Teil der Hamburg-Venloer Bahn in der
Zuständigkeit der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft,
für die zu jener Zeit
auch der eben erwähnte Bruder Ernst tätig
war. Der Gedanke, dass der ältere Bruder
dem jüngeren den Zugang zum Unternehmen
erleichterte, dürfte nicht ganz abwegig
sein. Wir werden an anderen Stellen
noch auf weitere Unterstützungsleistungen
innerhalb der Familie Mackensen
stoßen, sicher ein gutes Prinzip des familiären
Zusammenhalts.
Die mit der Vatergeneration in der Familie
aufbrechende veränderte berufliche
Orientierung ist insofern erwähnenswert,
weil sie sich ja, wie darzustellen sein wird,
in der Generation der Söhne, angefangen
bei Fritz Mackensen, durchgängig in nichthandwerkliche
Richtungen entwickelt und
verfestigt. Es spricht viel dafür, dass sie sich
aus den neuen Möglichkeiten sowie Ausbildungsgängen
in der sogenannten Gründerzeit,
einem Zeitalter zunehmender
Industrialisierung und des technischen
Fortschritts erklären lässt.
Unerwähnt blieb bisher die Ehefrau des
Bäckermeisters bzw. die Mutter der hier im
Mittelpunkt stehenden vier Jungen. Ludwig
Mackensen hatte 1865 die Lehrerstochter
Luise Meyer aus Bodenwerder an
der Weser geheiratet. Sie war dort 1839
geboren worden. Ihre Mutter war 37-jährig
kurz nach der Geburt der Tochter im
Wochenbett verstorben. Ob der Vater
erneut eine Ehe eingegangen war, konnte
nicht ermittelt werden. Indes, es ist wohl
davon auszugehen, zumal er zeitweise seinen
Enkel Fritz bei sich aufnahm (s.u.).
Luise Mackensen soll nach allem, was zu
erfahren ist, eine recht harte, strenge,
streit- und herrschsüchtige Frau gewesen
sein, gefürchtet zumindest von allen Enkeln
und Schwiegertöchtern. Fritz Mackensen
soll zu ihr trotz allem ein inniges Verhältnis
gehabt haben. Er nahm sie des Öfteren für
längere Zeit bei sich in seiner Wohnung,
zunächst in der Alten Schule und später in
seinem Hause in Worpswede auf. Dabei fertigte
er eine Reihe von Zeichnungen,
Gemälden und Plastiken von ihr an. Im
Jahre 1919 starb sie in Hannover, wo zu
dieser Zeit der drittälteste Sohn Wilhelm
wohnte. Sie wurde dort auf dem Stadtfriedhof
Engesohde beigesetzt.
Die Söhne
und ihre Familien
In der Ehe von Ludwig und Luise
Mackensen, die durch den frühen und
plötzlichen Tod des 35-jährigen Ehemannes
bereits im Jahre 1871 endete, wurden
die drei Söhne Fritz, Albert und Wilhelm
geboren. Der vierte Sohn, nämlich Otto,
stammt aus einer anderen, wenn man so
will „nach-ehelichen“ Beziehung der Mutter.
Dazu später mehr.
Nun zu den ehelich geborenen Söhnen
und ihren Familien mit den (so weit wie
möglich ermittelten) Lebensdaten:
(1) Heinrich Friedrich Karl (genannt
Fritz) Mackensen (* 8.4.1866 in Greene; †
12.5.1953 in Bremen); verheiratet mit seiner
ehemaligen, fast 18 Jahre jüngeren
Malschülerin Hertha, geb. Stahlschmidt (*
13.3.1884 in Bonn; † 11.12.1949 in Bremen),
Tochter eines Bonner Kaufmanns.
Das Ehepaar Fritz und Hertha Mackensen (entnommen
aus Hamm/Küster 1990, S. 14)
Porträt der Tochter Alexandra, 1938 (Foto: Teumer,
aufgenommen im Overbeck-Museum)
Aus der Ehe stammt die (behinderte)
Tochter Alexandra (* 7.1.1908 in
Worpswede; † 21.3.1961 in Lüneburg),
die über Jahre in Pflegeeinrichtungen
lebte. Durch ihr Lebensschicksal, im Dritten
Reich zwangssterilisiert und der Euthanasie
ausgesetzt, mag man vielleicht
ein wenig mehr Einsicht und Verständnis
entwickeln in manche Handlungen des
Vaters. Das bedeutet nicht, sein Tun zu verharmlosen.
Es hilft aber möglicherweise
dazu, sein Handeln aus den Zeitumständen
und seiner persönlichen Lage heraus
differenzierter als es gemeinhin geschieht
zu bewerten.
(2) Albert Konrad Johann Mackensen (*
11.11.1867 in Greene; † 2.7.1936 in Düsseldorf);
verheiratet mit der Tochter eines Bremer
Silberwarenfabrikanten, Luise Charlotte
Marie, geb. Wilkens (* 3.8.1880 in Hemelingen
b. Bremen; † 4.10.1947 in Lehesterdeich
b. Bremen).
Dieser Ehe entstammen zwei Töchter,
und zwar Gertrud Bertha Luise (*
20.9.1902 in Düsseldorf; † 18.7.1997 in
München) sowie Mirjam Frida Elisabeth (*
14.1.1908 in Düsseldorf; † 30.9.1984 in
München). Gertrud, verheiratet mit dem
Kaufmann und Direktor der Focke-Wulf-
Flugzeugwerke in Bremen Dr. Werner Naumann,
betrieb nach dem altersbedingten
Ausscheiden ihrer Mutter die von dieser
auf dem Charlottenhof in Bremen-Horn
aufgebaute stadtbekannte Baum- und
Rosenschule weiter (s. Teil 2). Mirjam war
in erster Ehe mit (dem frühverstorbenen)
Otto Liederley, Generaldirektor der Rhein.
Bahngesellschaft und komm. Oberbürgermeister
in Düsseldorf, in zweiter Ehe mit
dem Richter Dr. Ernst Freiherr v. Dörnberg
verheiratet.
Porträt der Tochter Alexandra, 1938 (Foto: Teumer,
aufgenommen im Overbeck-Museum)
(3) Wilhelm Adolf Albert Ernst Mackensen
(* 21.8.1869 in Greene; † 8.3.1955 in
Hannover);
verheiratet mit Helene, geb. Justorff (*
12.11.1868 in Hameln; † 14.10.1938 in
Hannover), Tochter eines Buchbindermeisters
aus Hameln.
In dieser Ehe wurden vier Kinder gebo-
RUNDBLICK Herbst 2016
17
en, und zwar (der frühverstorbene) Hans-
Heinrich (* 21.2.1903 in Hannover; †
27.6.1903 in Hannover), Walter
(11.11.1905 in Hannover; † ? in ?); Hertha
(* 4.1.1907 in Hannover; † 2.1.1990 in
Hannover) und Margarete (* 25.6.1908 in
Hannover; † 20.4.1974 in Hannover). Walter
wurde Reg.Baurat in Münster, und er
war u.a. bei der Wiedereinweihung der (an
den Lilienthaler Unternehmer Naber verkauften)
Mackensen-Villa nach ihrer Renovierung
1962 in Worpswede anwesend.
Hertha war mit dem Stadtoberbaurat Karl-
Ernst Rohmer, Margarete mit dem (in Russland
vermissten) Dr. Ing. Hanskarl Voigt
verheiratet.
Das Leben der Mutter
Nach dem plötzlichen Tod des Ehemannes
und Vaters der drei Söhne stand die
Witwe vor der Aufgabe, den Betrieb der
Bäckerei aufrechtzuerhalten, um damit
die Lebensgrundlage für sich und die Kinder
zu sichern. Dies gelang zunächst mit
Hilfe des in der Bäckerei tätigen Gesellen.
Ob es sich dabei um Johann Georg Caspar
Sürig (oder auch: Syrig) gehandelt hat,
wird aus den mir zur Verfügung gestellten
Unterlagen aus dem Heimatverein Greene
e.V. nicht zweifelsfrei ersichtlich. Unbestritten
aber ist, dass Luise Mackensen einen
um fast sechs Jahre jüngeren Bäcker
namens Sürig (* 2.2.1845 in Hildesheim,
kath. Glaubens) am 14. Juli 1872 geheiratet
hat. Allerdings endete diese Verbindung
– Fritz Mackensen macht dafür die
Trunksucht und Rohheit des Mannes verantwortlich
(vgl. Hamm/Küster 1990, S.
24) – nach sehr kurzer Dauer mit der Scheidung,
die am 1. September 1874 vom
Kreisgericht in Gandersheim ausgesprochen
wurde. Der Bäckereibetrieb war
bereits seit 1873, als Sürig die neue Familie
plötzlich verlassen hatte, von der o.a.
Schwägerin Antonie zusammen mit ihrem
Mann, dem Bäckermeister Heinrich Christian
Willgeroth, weitergeführt worden.
Dass dieses Schicksal und Scheitern für die
Mutter mit ihren drei Söhnen eine existentielle
Bedrohung darstellte, liegt auf der
Hand. Fritz war bereits 1871 nach dem
Tode des Vaters vorübergehend zum
Großvater nach Bodenwerder gegeben
worden, Albert und Wilhelm waren mit der
Mutter in das Haus eines Tierarztes in Greene
umgezogen.
Im Jahre 1877 entschloss sich die Mutter
dazu, mit ihren drei Söhnen (nicht mit vier,
wie mehrfach zu lesen ist, weil der vierte
ja noch nicht geboren war!) in das 40 km
entfernte Holzminden an der Weser zu ziehen.
Die Begründung für diesen Umzug in
die Kleinstadt liegt wohl ausschließlich
darin, für die Söhne eine höhere Schulbildung
zu ermöglichen. Doch in Holzminden
trat ein Ereignis ein, was das Familiengefüge
zweifellos noch einmal veränderte:
Die drei Jungen, Fritz inzwischen 13 Jahre,
Mutter Mackensen mit den vier Söhnen (Foto: privat)
Albert 11 Jahre und Wilhelm 9 Jahre alt,
bekamen 1879 einen weiteren Bruder,
nämlich Otto. Er war unehelich, und seine
genaue Herkunft zu erkunden, ist trotz der
Recherchen in den Kirchenbüchern sowie
im Stadtarchiv in Holzminden nur verdachtsweise
gelungen, also nicht restlos
abgesichert. Die entsprechenden Einträge
fehlen nämlich, d.h. bei der Beurkundung
der Geburt wurde kein Nachname des Kindes
notiert, wohl aber die Tatsache, dass
der Ehemann der Witwe Mackensen
„bereits vor acht Jahren verstorben“ war.
Dadurch war offenbar klar, dass das Kind
den Mädchennamen der Mutter zu erhalten
habe, also Otto Meyer. Und so blieb
die Namensgebung, wahrscheinlich mit
dem Zusatz: genannt Mackensen,
zunächst auch über Jahre. (Über die
Gründe, dass dieser vierte Sohn schließlich
doch den Nachnamen Mackensen erhielt,
wird in Teil 2 berichtet.)
Interessant sind in diesem Zusammenhang
aber noch zwei weitere Sachverhalte:
Einerseits verwundert, dass in allen Dokumenten
die Mutter als Witwe Mackensen,
nicht aber als geschiedene Sürig bezeichnet
wird, da doch wohl davon auszugehen ist,
dass sie bei der zweiten Eheschließung den
Namen Sürig angenommen hat. Erwähnenswert
(und ziemlich überraschend) ist
andererseits, dass bei Ottos Taufe eine Frau
Dorette Syrig aus Hildesheim als Patin fungiert,
also eine Verwandte des zweiten Ehemanns.
War die Beziehung zur Familie also
intakt geblieben, obwohl die Ehe so schnell
geendet hatte?
Luise wohnte, nunmehr mit ihren vier
Söhnen, zunächst bis ins Jahr 1886 in Holzminden
im Hause des jüdischen Kaufmanns
Hirsch Stern, der ein Bekleidungsgeschäft
besaß. Danach war sie noch in
eine andere Unterkunft in der Stadt umgezogen.
Den Lebensunterhalt für sich und
die Kinder beschaffte sie sich, indem sie
sich zu niederen Dienstleistungen verdingte
und putzen, waschen und nähen
ging. Zweifellos war dies ein sozialer
Abstieg, und es wird berichtet, dass er
besonders Fritz belastete (vgl.
Hamm/Küster 1990, S. 25). In seinem
1947 herausgebrachten Roman „Gerd
Klindworth, Betas Sohn“, eine verschlüsselte
Autobiografie, hat er dieses familiäre
Problem noch in späten Jahren zu verarbeiten
versucht. Ob dieses Schicksal für die
Kinder vielleicht aber sogar ein Ansporn
war, der in ihnen Kräfte für einen beispielhaften
sozialen Aufstieg freisetzte, muss
hier spekulativ bleiben. Auf jeden Fall aber
wird auch die Mutter eine bewundernswerte
Stärke oder auch Härte besessen
haben. Hans Wohltmann, der als enger
Freund Fritz Mackensens wohl viel Privates
wusste, berichtete sogar recht drastisch
davon, dass „aufopfernde Mutterliebe …
die vier begabten Söhne 'hochgequält'“
habe (1963, S. 23). Von Belang ist auch,
dass es seitens der von mir danach befragten
Nachkommenschaft mehrere Hinweise
gibt, dass sich die beiden oben bereits
erwähnten Onkel, nämlich Ernst und Wilhelm,
sich der Familie und ihrer beengten
finanziellen Lage angenommen haben.
Beide waren kinderlos, Ernst zudem sehr
wohlhabend.
1889 verließ Luise, die weiterhin (oder
wieder?) den Nachnamen Mackensen
führte, Holzminden. Sie zog nach Hannover,
wo sich einer der Söhne, nämlich Wilhelm,
aufhielt. Er hatte, genauso wie
Albert, seine Schulausbildung bereits
beendet. Fritz, der Älteste, hatte zu dieser
Zeit, wie bekannt, sein Studium an der
Düsseldorfer sowie an der Münchner
Kunstakademie gerade abgeschlossen und
sich inzwischen mit einigen Malerfreunden
zum Verbleib in dem am Rande des
Teufelsmoores gelegenen Dorf Worpswede
entschlossen. Deshalb hatte sich die
Mutter hauptsächlich noch um den Jüngsten,
nämlich den inzwischen 10-jährigen
Otto und sein schulisches Fortkommen zu
kümmern. Zwischenzeitlich hat sie sich
aber wiederholt für längere Zeit bei ihrem
ältesten Sohn Fritz in Worpswede aufgehalten,
der sich ja vor dem Bau des eigenen
Hauses für längere Zeit in der Alten
Schule unterhalb des Friedhofs eingemietet
hatte.
Der vierte Sohn
Ottos Lebensdaten und die seiner Familie
sind die folgenden:
(4) Luis Otto Theodor Meyer (später
Mackensen, s. Teil 2) (* 14.5.1879 in Holzminden;
† 10.2.1940 in Jena); verheiratet
mit Hedwig Margarethe, geb. Sprung (*
27.8.1883 in Halberstadt; † 14.1.1977 in
München). Hedwigs Vater hatte den
(heute seltenen) Beruf eines Gelbgießers,
d.h. er goss und bearbeitete Messing und
nahm die Funktion eines Werkmeisters
wahr.
18 RUNDBLICK Herbsts 2016
In dieser Ehe wurden zwei Kinder geboren,
und zwar Konrad (* ...1918 in Jena; †
? in ?) sowie Dorothea (* 13.6.1919 in
Jena; † 4.1.2010; in USA). Beide wurden
Mediziner, Konrad Orthopäde in München,
seine Schwester Zahnärztin in den
USA.
Prof. Dr. Jürgen Teumer
Hinweis:
Dieser Beitrag wird im nächsten Heft des Heimat-Rundblicks
mit der ausführlichen Schilderung
des persönlichen bzw. beruflichen
Werdegangs von Otto, Wilhelm und Albert
Mackensen fortgesetzt.. Auch die vielfältigen
Auswirkungen auf das Leben und Wirken von
Fritz Mackensen werden dargestellt.
Literaturangaben
- Bülow, Hans: Die Familien Mackensen aus
Niedersachsen. Forschungsbericht. Neue
Folge, Bd. 7. Hannover 1989
- Hamm, Ulrike und Küster, Bernd: Fritz
Mackensen 1866-1953. Lilienthal 1990
- Mackensen, Fritz: Gerd Klindworth, Betas
Sohn. Schloss Bleckede a. d. Elbe 1947
- Scabell, Gudrun: Worpsweder Künstlerhäuser.
Leben am Weyerberg. Bremen 2012
- Schmidt-Möbus, Friederike: „Es brennt
solch ein Feuer in ihm für seine Kunst“. Zum
150. Geburtstag von Fritz Mackensen. In:
Kaufmann, Sigrun und Kaufmann, Bernhard
Dieter (Hrsg.): Fritz Mackensen und
die Sammlung Bernhard Kaufmann.
Worpswede 2016
- Stelljes, Helmut: 150 Jahre Fritz Mackensen,
Teil 1. In: Heimat-Rundblick Nr. 116.
Lilienthal Heft 1/2016, S. 24-26; Teil 2. In:
Heimat-Rundblick Nr. 118. Lilienthal Heft
3/2016, S. …...
- Wohltmann, Hans: Worpswede. Worpswede
1963, 6. Aufl.
Quellen
- Mitteilungen und Unterlagen aus dem Heimatverein
Greene e.V.
- Unterlagen aus Kirchenbüchern, Orts-,
Stadt- und Staatsarchiven sowie aus dem
Archiv der Zeiss AG Jena
- Wikipedia
Fritz Mackensen
Der umstrittene Erfinder Worpswedes
Ohne ihn hätte es die Künstlerkolonie
Worpswede nie gegeben: Fritz Mackensen,
geboren 1866 in Greene im südlichen
Niedersachsen, war der erste aus dem
Kreis der später so genannten „Worpsweder
Maler“, der in das Dorf am Weyerberg
reiste und dort zu malen begann. Im Alter
von nur 18 Jahren – er hatte sein Studium
an der Düsseldorfer Kunstakademie
gerade erst aufgenommen – folgte er der
Einladung der Kaufmannstochter Mimi
Stolte und verbrachte den Sommer in
Worpswede. Erst auf seine begeisterten
Schilderungen hin folgten ihm in den darauffolgenden
Jahren seine Malerkollegen
Otto Modersohn und Hans am Ende nach.
Während heute meist von fünf Gründervätern
der Künstlerkolonie gesprochen wird
– neben den genannten zählen auch Fritz
Overbeck und Heinrich Vogeler dazu -, war
Fritz Mackensen gerade zu Anfang die treibende
Kraft der Gruppe und der eigentliche
„Erfinder“ Worpswedes als Künstlerort.
Er galt als der vielversprechendste der
Worpsweder Maler: Die Preise und Medaillen,
mit denen er gerade in den Anfangsjahren
überhäuft wurde, haben entscheidend
zum Ruhm der Künstlerkolonie beigetragen.
Fritz Mackensen: Die einsame Heimfahrt, 1903
(Sammlung Dörnberg)
Fritz Mackensen (Quelle: Worpsweder Archiv der
Barkenhoff-Stiftung Worpswede)
Sein Leben und Werk
sind untrennbar mit
Worpswede verknüpft
Mackensen war nicht nur der erste, sondern
in gewisser Weise auch der letzte
unter den Worpsweder Malern: Da Overbeck
bereits 1905 wegzog und Modersohn
1908, Hans am Ende 1918 im Ersten
Weltkrieg fiel und Vogeler 1931 in die
Sowjetunion emigrierte, blieb allein
Mackensen bis zu seinem Tod im Jahr 1953
in Worpswede. Sein Leben und Werk sind
über fast 70 Jahre hinweg untrennbar mit
dem Ort verknüpft.
Dennoch ist Fritz Mackensen in Worpswede
heute kein eigenes Museum gewidmet,
Ausstellungen und Publikationen über
den Künstler sind rar, und eine differenzierte
Erforschung seines Werkes steht noch
aus. Diese Lücke in Forschung und öffentlicher
Wahrnehmung erklärt sich vor allem
durch seine Haltung im Nationalsozialismus,
mit dem er nicht nur sympathisierte,
sondern den er zum Teil offen unterstützte.
Seine Rolle als Gründer der ‚Nordischen
Kunsthochschule‘ in Bremen, in deren Satzung
er schrieb, sie solle „mitwirken am
Aufbau arteigener Kunst im Sinne Adolf Hitlers“,
seine Einflussnahme als nationalsozialistischer
Kulturfunktionär, als der er diffamierend
gegen Kollegen wie Heinrich
Vogeler vorging, und einige seiner Arbeiten
aus den 1930er und 1940er Jahren, die im
Auftrag von NS-Militärs oder der Reichskulturkammer
entstanden, machten Mackensen
rückblickend zur persona non grata.
Unversöhnlich stehen sich bis heute
zwei Sichtweisen gegenüber: Für die einen
ist Fritz Mackensen der „Nazi-Maler“, dessen
ideologische Verblendung sein gesamtes
Werk diskreditiert und dessen Arbeiten
deshalb heute am besten gar nicht mehr
gezeigt werden sollten. Für die anderen ist
er der Schöpfer einfühlsamer Bauern- und
Landschaftsporträts, der erst im Alter von
71 Jahren in die NSDAP eintrat und dessen
umfangreiches künstlerisches Werk deshalb
zumindest zum Teil losgelöst von den
Zeitläufen der 1930er und 1940er Jahre
betrachtet werden müsse.
Fritz Mackensen: Landschaft im Herbst, o.J.
RUNDBLICK Herbst 2016
19
In der Unvereinbarkeit dieser beiden
Positionen, die beide einen Teil der Wahrheit
auf ihrer Seite haben, wird die ganze
Ambivalenz der Figur Fritz Mackensen
deutlich. Für den geltungsbedürftigen
sozialen Aufsteiger, der aus einfachen Verhältnissen
kam und es bis zum bedeutenden
Künstler, Kunstprofessor und sogar
Hochschuldirektor brachte, waren Erfolg
und Anerkennung von überragender
Bedeutung. Umstandslos diente er sich
dem Regime an, um Einfluss zu gewinnen.
Seine konservative Einstellung und die
Liebe zur norddeutschen Landschaft und
Heimatkunst gingen allzu leicht in militanten
Nationalismus über und schließlich im
Nationalsozialismus auf. Zugleich suchte er
seine geistig behinderte Tochter dem
Zugriff der Euthanasie-Gesetze zu entziehen.
In seinen Gemälden heroisiert er das
entbehrungsreiche Leben der Bauern und
vor allem der Bäuerinnen, die er in großformatigen
Porträts zu madonnenhaften Müttern
stilisiert, lange bevor der Nationalsozialismus
die Verehrung der „deutschen
Mutter“ zum Programm erhebt. In vielen
Redaktionssitzung
anderen, kleineren Studien, wie den Porträts
seiner Tochter Alexandra oder einigen
seiner unbekannteren Landschaftsdarstellungen,
zeigt er sich von einer ganz anderen
Seite: freier, experimentierfreudig, aufgeschlossen
gegenüber zeitgenössischen
Kunstströmungen wie impressionistischen
und expressionistischen Tendenzen. Hier
scheint der Künstler Mackensen auf einmal
anderen Werten zu folgen als der Ideologe
Mackensen sie vertritt.
Durchsetzen tut sich diese experimentierfreudige
Seite in Mackensens Werk
nicht. Zu sehr steht seine nationalkonservative
Haltung seiner künstlerischen Weiterentwicklung
im Wege. Es bleibt ein
umfangreiches Werk, das um einiges vielfältiger
ist als viele ahnen, dem aber vielleicht
gerade deshalb die zukunftsweisende Linie
fehlt: Neben den bekannten großformatigen
Ölgemälden, für die Fritz Mackensen
zu Lebzeiten überragende Anerkennung
erhielt und die heute leicht als „zu pathetisch“
abgetan werden, existieren zahllose
kleinere, unbekanntere Studien, die in
Motivwahl und Malduktus jeweils so unterschiedlich
sind, als seien hier verschiedene
Maler am Werk gewesen.
Unermüdlicher und
vielseitiger Künstler
Hinzu kommen unzählige sehr gekonnte
Radierungen und Zeichnungen und sogar
einige wenige, aber durchaus überzeugende
Skulpturen. Fritz Mackensen zeigt
sich als unermüdlicher und vielseitiger
Künstler. Viele seiner Arbeiten befinden
sich vermutlich noch in Privatbesitz und
sind bis heute gar nicht wissenschaftlich
erfasst. Ein aktuelles Werkverzeichnis existiert
nicht, ein ihm gewidmetes Museum
ist nicht in Planung.
Immerhin: Das Overbeck-Museum in
Bremen-Vegesack widmet dem umstrittenen
Maler anlässlich seines 150. Geburtstages
in diesem Jahr eine Ausstellung, die
als kritische Würdigung und erste Annäherung
an den Künstler verstanden werden
will und noch bis zum 16. Oktober zu
sehen ist.
Dr. Katja Pourshirazi
Am 16. Juli 2016 hatte die Redaktion des
Heimat-Rundblicks das Vergnügen, bei Herrn
Dr. Zaft in Garlstedt in den Räumlichkeiten des
ehemaligen Studios von Mike Leckebusch zu
tagen. Dort wurden vielen Folgen von „Musikladen
extra“ produziert. Mike Leckebusch,
1937 in Leipzig geboren und 2000 in OHZ
verstorben, konzipierte in den 60er-Jahren die
legendäre Sendung „Beat-Club“. Viele Informationen
dazu sind leicht im Internet zu finden.
Siegfried Zaft, beruflich tätig im Bereich
Flugsicherheit (www.adk6.com), ist seine
fröhliche Begeisterung für das mit Technik voll
gepropfte Studio anzumerken. Mit viel Enthusiasmus
und mindestens genau soviel finanziellen
Mittel hat er Haus und Studio auf Vordermann
gebracht und nebenbei noch ein
kleines Flugzeug in den Garten gestellt - Spass
muss sein!
Nach einer Führung mit vielen „Ahs“ und
„Ohs“ begrüßte Jürgen Langenbruch die
Anwesenden zur Redaktionssitzung. Alle
gedachten des verstorbenen langjährigen
Redakteurs und Freund des Heimat-Rundblick,
Jürgen Lodemann, der uns viele Jahre
mit viel Sachkenntnis begleitet hat.
Zwischenzeitlich ist ein Werbeständer
gestaltet worden, der für Veranstaltungen
zwecks Werbung für den Heimat-Rundblick
zur Verfügung steht. Freundlicherweise hat
der Förderverein die Finanzierung übernommen
- dafür vielen Dank! Ein schon lange
gärendes Thema ist das Findbuch - das digitale
Suchwortarchiv. Vorgeschlagen wird eine
Datenbanklösung z. B. Access von Microsoft,
die als Grundlage für weitere Bearbeitung dienen
kann. Weiteres beim nächsten Treffen.
Weiter ging es mit dem Rückblick auf das
aktuelle Heft und der Vorstellung der neuen
Themen für die Ausgabe 118. Die Leserreise
nach Münster im September steht auf dem
Plan (zwischenzeitlich erfolgreich bei bestem
Wetter durchgeführt). Im nächsten Jahr wird
der Heimat-Rundblick 30 Jahre jung, zu diesem
Anlaß sollten frühzeitig Planungen für
Veranstaltungen und Veröffentlichungen
stattfinden.
Das nächste Treffen findet am 15. Oktober
2016 im „Köksch und Qualm“, Stader Landstraße
46 in Bremen.
Nach lebhafter Plauderei und letztem
Rundgang durch das einmalige Gebäude ging
auch diese Redaktionssitzung zu Ende. Jürgen
Langenbruch bedankte sich bei dem Gastgeber
und seiner Frau für diesen schönen Abend
und bei den Redaktionsmitgliedern für die
gute Zusammenarbeit und die vielen Mühen,
die Grundlagen unserer beliebten Publikation
sind.
Jürgen Langenbruch
20 RUNDBLICK Herbsts 2016
Am Brunnen vor dem Tore …
Die Winterlinde ist Baum des Jahres 2016
Sie ist Muse für Dichter und Musiker,
sozialer Treffpunkt, Apotheke und Nahrungsquelle
für zahlreiche Tiere: die Winterlinde,
botanisch Tilia cordata. Wegen
ihrer Vielfältigkeit wurde sie zum Baum des
Jahres 2016 gewählt.
Gekürt wird der Baum des Jahres von der
gleichnamigen Stiftung, in dessen Kuratorium
auch der NABU vertreten ist. Stiftungspräsident
Dr. Silvius Wodarz hofft, mit
dem Baum des Jahres den Blick der Men-
Sommer- und Winterlinde auch Kreuzungen
aus Sommer- und Winterlinde
gepflanzt.
Kann 1000 Jahre
alt werden
Die Winterlinde, die bis zu 25 Meter
hoch wird und ein Alter von 1000 Jahren
erreichen kann, blüht etwas später als ihre
„Schwester“, die Sommerlinde, die bereits
wird deshalb vor allem im Innenbereich
verwendet und auch Bildhauer und Holzschnitzer
arbeiten gerne mit dem Lindenholz.
Viele berühmte Meisterwerke in der
Sakralkunst, zum Beispiel von Tilman Riemenschneider
und Veit Stoß, wurden aus
Lindenholz gefertigt.
Seit Jahrhunderten dient die Winterlinde
dem Menschen als Apotheke: Lindenblüten
werden als Tee und Arzneimittel zum
Beispiel bei Erkältungskrankheiten verwen-
Winterlindenzweig kurz nach dem Laubaustrieb im Frühjahr Foto: Helge May
Winterlindenstämme - Foto: Helge May
schen auf Pflanzen schärfen zu können. Der
Titel wird seit 1989 an einheimische Bäume
vergeben. Ziel ist es, das Wissen über
Bäume zu vertiefen und auf seltene oder
bedrohte Baumarten hinzuweisen.
Kaum ein Baum ist in deutschen Straßen
und Parks so oft anzutreffen wie die Linde.
Kein Wunder, ist sie doch nicht nur sehr
schön anzuschauen, sondern auch relativ
anspruchslos, was ihren Lebensraum
betrifft. Dabei ist Linde aber nicht gleich
Linde. Als Straßen- und Stadtbäume werden
neben den beiden heimischen Arten
1991 zum Baum des Jahres gekürt wurde.
Zur Unterscheidung lohnt sich ein Blick auf
die Blattunterseiten. Diese sind bei der
Winterlinde kahl und mit einigen rotbraunen
Härchenbüscheln versehen. Bei der
Sommerlinde sind diese „Bärte“ dagegen
weiß. Die Blüten der Winterlinde erscheinen
erst ab Ende Juni – fast zwei Wochen
später als die der Sommerlinde. Sie blüht
damit am spätesten von allen heimischen
Baumarten.
Lindenholz ist meist weißlich bis gelblich
und gehört zu den weichen Hölzern. Es
det. Außerdem sind die Blüten wichtige
Nahrungsquelle für Bienen. Entsprechend
beliebt ist der süße Lindenblütenhonig.
Der kulinarische Einfluss geht noch weiter.
„Zur Linde“ sei der häufigste Gasthausname
in Deutschland, bilanziert die Stiftung.
Dorflinden, Gerichtslinden, Kirchlinden,
Tanzlinden und Hoflinden ebenso wie
Sagen und Ortsnamen zeugen von einer
„jahrhundertelangen vielseitigen Bedeutung“.
Text: NABU
Bauernregeln
Oktober – November – Dezember
Oktober
Am Sankt Gallustag (16.10.)
den Nachsommer man erwarten mag.
Bringt der Oktober viel Frost und Wind,
sind Januar und Februar wohl gelind.
November
Ein heller, kalter, trockener November
gibt Regen und milde Luft im Januar.
Ist's um Martinitag nass,
kommt spät erst Klee und Gras.
Dezember
Fließt Nikolaus noch der Birkensaft,
dann kriegt der Winter keine Kraft.
Haben's die unschuldigen Kindlein (28.12.) kalt,
so weicht der Frost noch nicht so bald.
RUNDBLICK Herbst 2016
21
Schluss nach 700 Jahren?
Geschichte und Zukunftsaussichten eines Teufelsmoor-Hofes Teil 2
Es ist ein Glücksfall, wenn Zeugnisse
vorhanden sind, die es ermöglichen, in die
Vergangenheit einer Familie einzutauchen.
Bei der hier vorgelegten Untersuchung
konnte zudem nicht nur auf schriftliche
Überlieferungen zurückgegriffen werden;
erst die detaillierten Schilderungen einer
Zeitzeugin haben die Schriftstücke „zum
Leben erweckt“ und für einen Außenstehenden
begreifbar gemacht.
Beschäftigt man sich mit der Entwicklung
der Dorfschaft Teufelsmoor, so ist
diese eng mit den 19 Höfen verknüpft, die
sich als konstante und dominante Größe
durch mehrere Jahrhunderte als prägend
erwiesen haben. Die Höfe entlang des
Querdamms, die heute die Große Reihe
bilden, sind es, die von Anbeginn an, d. h.
seit dem späten 13. oder frühen 14. Jahrhundert,
den Charakter der Siedlung
bestimmt, die wirtschaftliche Entwicklung
gestaltet, die Landschaft geformt und das
soziale Leben geprägt haben.
Kann also anhand eines Hofes dargestellt
werden, was das Besondere am Dorf
ist, worin es sich von anderen Orten unterscheidet?
Ist es vielleicht sogar eine der
letzten Möglichkeiten, Traditionen im Ort
aufzuspüren in einer Zeit, in der der Strukturwandel
längst auch die althergebrachten
Strukturen im Dorf erfasst, wo vieles
Neue das Alte abgelöst und verdrängt hat?
Der alte Hof Nr. 4 unter
wechselnden Herrschaften
Wenn auch die Menschen der damaligen
Zeit das evtl. anders empfunden
haben mögen, so kann man aus heutiger
Sicht wohl doch sagen, dass die Zeit bis
zum Dreißigjährigen Krieg unter der Herrschaft
des Erzbischofs relativ gleichmäßig
und ohne große Umwälzungen verlief.
Durch die Reformation hatte sich das
Bekenntnis gewandelt; der durch den
Glaubensstreit ausgelöste große Krieg tangierte
das abgeschiedene Dorf aber nur.
Erst mit der Eroberung durch die Schweden
und die Verleihung des Klosters Osterholz
an Landgraf Friedrich von Hessen-
Eschwege im Jahre 1647 änderten sich die
Verhältnisse. Das Kloster wurde 1650 endgültig
aufgelöst, die bis dahin dort zu entrichtenden
Abgaben waren an Friedrich
und ab 1655 an seine Witwe Eleonora
Catharina zu begleichen.
Die Schwedenzeit endete 1712; nach
einem kurzen dänischen Intermezzo kam
das Dorf mit den nach dem Dreißigjährigen
Krieg geschaffenen Herzogtümern
Bremen und Verden 1715 an das Kurfürstentum
Hannover. In Osterholz war
bereits 1692 ein staatliches Amt eingerichtet
worden, an dem nun die Abgaben
abzuliefern waren, daran änderte sich
nach 1715 nichts.
Seit 1714 war der Kurfürst Georg Ludwig
in Personalunion als Georg I. englischer
König. Unter seinem Sohn und
Nachfolger Georg August (Georg II.) rückten
die Moorgebiete stärker in das Blickfeld
des Staates. Bevor dieser jedoch durch Jürgen
Christian Findorff die ungenutzten
Moore an Hamme, Wümme und Oste kultivieren
ließ, sehen wir Findorff 1755 in
amtlicher Mission im Dorf Teufelsmoor,
um Vermessungen durchzuführen und
seine Ergebnisse in mehreren Karten darzustellen.
Ein Ausschnitt aus einer Karte in
kleinerem Maßstab zeigt sehr schön, wie
das Land, das zum Hof Nr. 4 gehörte,
genutzt wurde und wie ähnlich dies auch
bei den Nachbarhöfen gehandhabt
wurde. (vgl. HRB Nr. 117, S. 25) Möglicherweise
hat Findorff bei seiner Tätigkeit
Ausschnitt Special Carte…Teufelsmoor von 1755. LArch. Stade Karten Neu Nr. 2982
22 RUNDBLICK Herbsts 2016
im Ort wichtige Erkenntnisse über die
Landbewirtschaftung auf Moorböden
gewonnen, die er bei seiner Tätigkeit im
Rahmen der staatlichen Moorkolonisation
sinnvoll umsetzen konnte. Hierbei hatte er
es ab 1760 mit Georg III. zu tun, der seine
Anweisungen vom fernen London aus gab,
ohne dass er Hannover während seiner 60-
jährigen Regierungszeit jemals besucht
und Findorffs Werk in Augenschein
genommen hat.
Auch wie Findorff die Siedlungen angelegt
hat, lässt gewisse Ähnlichkeiten erkennen.
Wie bei Teufelsmoor handelt es sich
um Reihensiedlungen entlang einer Leitlinie;
die Flurstücke stellen parallel verlaufende
Streifen dar, auf denen die Hofgebäude
stehen.
Ob Findorff Teufelsmoor später noch
einmal besucht hat, ist nicht bekannt. Die
Personalunion hatte noch bis 1837
Bestand, Hannover – ab 1814 Königreich –
existierte bis 1866.
Anfang der Ablösungsurkunde vom 14. Dez. 1870
Vom Meierhof zur
Unabhängigkeit
Bereits in den 1830er Jahren schuf der
hannoversche Staat die Möglichkeit, dass
sich die abhängigen Meier gegen Zahlung
eines Betrages, der den 25-fachen Wert
der Meierabgaben ausmachte, freikaufen
konnten. Doch diese finanzielle Belastung
war selbst für wirtschaftlich erfolgreiche
Teufelsmoor-Höfe nicht ohne weiteres aufzubringen,
so dass von dieser Möglichkeit
zunächst kein Gebrauch gemacht wurde.
Jedoch wurde schon bald ein erster
Schritt vollzogen, indem man sich von
Dienstpflichten freikaufte. Dies waren 18
(ehem. Kloster-) Meierleute aus Teufelsmoor,
Worpswede und Waakhausen, die
Pflichten in den Klosterweiden bei Osterholz
zu erfüllen hatten; darunter war Borchert
Wellbrock. Im Ablösungs-Contract
der Königlich-Großbritannisch-Hannoverschen
Domainen-Cammer von 1831 heißt
es u. a.: „Gegenstand der Ablösung sind
nur diejenigen Spann- und Handdienste,
Ausschnitt aus der Urkarte Blatt 10, hrsg. vom Katasteramt Osterholz-Scharmbeck
Anfang des Meierbriefs für den Vollhöfner Gevert Wellbrock vom 1. März 1864
welche die vorbenannten Meierleute nach
dem Dienstregister der Rentey des Amts
Osterholz der allergnädigsten Landesherrschafft
in den s. g. Klosterweiden überall
insbesondere behuf der Dämme, Gräben,
Bäche und Teiche zu leisten haben.
Königliche Domainen-Cammer verzichtet
Namens der allergnädigsten Landesherrschaft
vom 1. Januar 1837 an auf
ewige Zeiten zu Gunsten der benannten
Meierleute und deren Nachfolger auf jene
Dienstleistungen in ihrem ganzen
Umfange.“ 14 ) Jeder Meier hatte hierfür 31
Tl. 6 ggr. zu entrichten. Das hat Borchert
Wellbrock geleistet, mehr aber nicht.
Es war sogar so, dass nach der Hofübernahme
durch Gevert Wellbrock 1864 für
ihn als Vollhöfner vom Königlich Hannoverschen
Amt in Osterholz noch ein neuer
Meierbrief ausgestellt wurde. In diesem
werden außerdem noch die Aftermeierstellen
aufgeführt, die von Hermann Heissenbüttel
(Häusling), Johann Ficken (Häusling)
sowie Hermann Grotheer (Häuerling)
besetzt waren. Im Vergleich zu 1755 sind 2
Namen gleich geblieben, aber eine Stelle
ist weggefallen.
RUNDBLICK Herbst 2016
23
Ausschnitt aus der Urkarte Blatt 13, hrsg. vom Katasteramt Osterholz-Scharmbeck. Die Stelle Nr. 50 liegt
da, wo in der Karte die Ziffer 61 eingetragen ist.
Die Flächen sind beim Vollhöfner
geringfügig, bei den Aftermeiern deutlich
geringer geworden.
Erst 1870 konnte dann die notwendige
Summe an Ablösungs-Kapital aufgebracht
werden, so dass der Staat, vertreten durch
die Königliche Finanz-Direction, vom 1.
Nov. 1870 an auf seine Rechte am Hof verzichtete
und dieser somit in das Eigentum
des Vollhöfners Gevert Wellbrock überging.
Aus dieser Zeit stammen auch die ersten
Katasteramtskarten, die in Preußen bzw.
im neu gegründeten 2. Deutschen Reich
im Maßstab 1 : 2000 erstellt wurden.
Die Ausschnitte zeigen die Hofstelle des
Vollhofs Nr. 4 südlich der Teufelsmoorstraße
sowie die Brinkköthnerstelle Nr. 50
und die Anbauerstelle Nr. 51 nördlich der
Straße, die gemeinsam auf Antrag von
Gevert Wellbrock am 20. Feb. 1875 in die
Höferolle der Gemeinde Teufelsmoor eingetragen
worden sind.
Einschneidende Änderungen
im 20. Jahrhundert
Gevert Wellbrock hatte spät geheiratet.
Als er 1903 starb, war sein Sohn Johann
noch zu jung, um den Hof zu übernehmen.
Im Endeffekt für 21 Jahre wurde dieser
verpachtet. Johann hatte zunächst
Militärdienst zu leisten und wurde dann
zum Kriegsdienst einberufen. Nach Rückkehr
aus dem Weltkrieg wurde er Gemeindevorsteher
der Gemeinde Teufelsmoor
und blieb dies bis 1945.
Von 1907 bis 1970 wurde ein damals
neu gebautes Haus auf der gegenüber liegenden
Straßenseite (Nr. 60) bewohnt,
bevor 1970 der Umzug auf die alte Hofstelle
in das neu erbaute Wohnhaus
erfolgte.
Im 2. Weltkrieg fiel der erbberechtigte
Sohn Johann-Georg, so dass Tochter Wilhelmine
– ab 1950 Lühr – den Hof erbte.
Einflussnahme durch
das GR-Gebiet
Der Strukturwandel in der Landwirtschaft
brachte auch in Teufelsmoor einschneidende
Änderungen mit sich.
Mechanisierung ging einher mit Spezialisierung
auf reine Rindviehhaltung, dem
Abbau von Arbeitskräften bei Aufgabe
unrentabler Betriebe und Expansion der
verbliebenen.
So gehört der Betrieb zu den wenigen
verbliebenen, die die Landwirtschaft noch
Teilräume des GR-Gebiets (Ausschnitt) aus dem
Abschlussbericht zw. S. 7 und 8
im Vollerwerb betreiben. Es wird heute
aber kein Ackerbau mehr betrieben; die
reinen Grünlandflächen werden gemäht
bzw. weidewirtschaftlich genutzt. Der
betriebswirtschaftliche Schwerpunkt liegt
auf der Milcherzeugung. Die lange Zeit
betriebene Schafhaltung ist in den 1960er
Jahren aufgegeben worden.
Die im Nieder- und Hochmoor gelegenen
Flächen sind historisch überliefertes
Eigenland, aber von minderer Ertragskraft.
Eine charakteristische Bodenmesszahl lautet:
Mo III a3-30. 15 ) Bedeutet: Moorboden
der III. Qualitätsstufe im gemäßigten Klima
bei recht hoher Bodenfeuchtigkeit und
einem Grünland-Bodenwert an der Grenze
von mittelgut zu gering.
Für die Bewirtschaftung bedeutet dies,
dass eine Bodenverbesserung durch
erhöhte Nährstoffzufuhr erreicht werden
kann oder dass den Naturgegebenheiten
Rechnung getragen wird und die Wirtschaftsweise
eher extensiv ausgerichtet ist.
Für die zweite Alternative hat sich die
Politik in Gestalt des Kreistages des Landkreis
Osterholz entschieden, indem Bereiche
der unteren Hammeniederung in der
Größe von 2780 ha zu einem Naturschutzgroßprojekt
von nationaler Bedeutung
(GR-Gebiet) ausgewiesen worden
sind. Zu den Maßnahmen, um eine standortgerechte
Tier- und Pflanzenwelt zu
sichern und zu fördern, gehören demzufolge
Nutzungsauflagen für die Landwirtschaft,
die die Extensivierung der Grünlandwirtschaft
zum Ziel haben. 16 )
Unumstritten war das Projekt nicht.
Verlockend und seitens der Politik immer
wieder hervorgehoben war der Umstand,
dass zur Umsetzung der Ziele beträchtliche
Mittel des Bundes und des Landes in den
Landkreis fließen würden und dieser selbst
nur 11% der 16 Mio. € teuren Maßnahmen
aufbringen müsste. Demgegenüber
äußerten die Landwirte – u. a. W. Lühr –
die Sorge, dass die Existenz ihrer Höfe
durch das GR-Gebiet gefährdet sei. 17 ) D.
Krause-Behrens schreibt dazu in ihrem
Kommentar: „Die Teufelsmoorer Bauern,
die sich als Opfer fürs GR-Gebiet sehen,
das man in Kauf nimmt, fühlen sich allein
gelassen: von den Landwirten im Landkreis,
von der Politik, von den Planern.“
Reizthema
Sammelverordnung
Seitdem seit Anfang 2015 Pläne bekannt
sind, dass der Landkreis Osterholz in einer
Sammelverordnung großflächige Schutzgebiete
ausweisen will, wird dieses Vorhaben
in der Ortschaft und darüber hinaus
höchst kontrovers diskutiert, wobei in der
Tagespresse den Informationen seitens des
Landkreises sowie den Stellungnahmen
der Kritiker breiter Raum gewährt wird. Im
Ort hat sich eine Schutzgemeinschaft
gebildet, die seit Anfang Mai 2016 mit
24 RUNDBLICK Herbsts 2016
Raumkategorien der Sammelverordnung (Ausschnitt)
Kreuzen und Spruchbändern auf ihre
Anliegen aufmerksam macht.
Vergleicht man die Flächen, so fällt
zunächst einmal auf, dass die insgesamt 5
auszuweisenden Gebiete mit einer
Gesamtgröße von 9700 ha 3 ½ mal so
groß sind wie das GR-Gebiet. Dieses
nimmt nur einen Teil innerhalb des
Ganzen ein und ist in etwa deckungsgleich
mit dem geplanten NSG Hammeniederung.
Darüber hinaus sind ein weiteres
NSG (Teufelsmoor), zwei größere LSG mit
den vorgenannten Namen sowie ein kleines
LSG (Beekniederung) vorgesehen.
Für die Nutzflächen in Teufelsmoor
bedeutsam ist, dass im Gegensatz zum GR-
Gebiet auch die Flächen jenseits der Teufelsmoorstraße
als Schutzgebiete ausgewiesen
werden sollen. Ausgespart sollen
die Hoflagen bleiben; dies ist auf der veröffentlichten
Karte (s. HRB Nr. 117, S. 22)
so nicht zu erkennen. Erst eine Darstellung
in größerem Maßstab macht dies deutlich.
Einerseits steht der Landkreis bei der Planung
der Schutzgebiete unter Zugzwang.
Mit dem Zuwendungsbescheid für das GR-
Gebiet vom Nov. 1995 war die Verpflichtung
verbunden, das Projektgebiet als
NSG auszuweisen. Dies ist bislang nicht
geschehen. Andererseits stellen das weitere
NSG und die LSG kreiseigene Planungen
dar, um bestehende Natura 2000-
Gebiete abzurunden und zu sichern.
RUNDBLICK Herbst 2016
Gibt es eine Zukunft?
Im Moment sind die Fronten verhärtet,
wobei es nicht nur Forderungen nach
weniger Naturschutz gibt, sondern auch
etliche Stimmen, die dem Schutz der
Natur noch mehr Vorrang einräumen und
noch strengere Auflagen durchsetzen
möchten. 18 ) Im Oktober 2016 soll nun die
endgültige Entscheidung fallen.
Es ist davon auszugehen, dass es bei den
vorgesehenen Schutzgebieten bleibt. In
einigen Details werden sich noch Änderungen
ergeben; so hat die Stadt Osterholz-Scharmbeck
gefordert, die „weißen“,
nicht betroffenen Hoflagen innerhalb der
Ortschaft auszuweiten. Inwieweit Ausnahmeregelungen
mit Betroffenen vereinbart
werden, wird vom Verhandlungsgeschick
der Beteiligten abhängen.
Für die Landwirte wird die Verordnung
veränderte Rahmenbedingungen mit sich
bringen. Sie sollten mit Augenmaß festgelegt
werden, um deren Existenz nicht
leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Eine
Bestandsgarantie für die noch verbliebenen
Höfe wird der Landkreis nicht aussprechen
können. Dazu gibt es zu viele weitere
Einflussgrößen, die nicht in der Macht der
örtlichen Politik liegen. Einem Milch erzeugenden
Betrieb macht es ohnehin der verfallene
Milchpreis schwer, seine Kosten zu
decken und Gewinne zu erwirtschaften.
Gewinne, die auch nötig sind, um Investitionen
zu tätigen für den Erhalt und die
Anpassung des Betriebes an neue Erfordernisse.
Um ihn zukunftsfähig zu machen,
damit der Hof eines Tages vielleicht an
einen der beiden Söhne übergeben werden
kann. Doch dies ist – nicht nur bei diesem
Betrieb – die weitere existenzielle
Frage. War früher die Hofnachfolge innerhalb
der Familie selbstverständlich, gilt
dieses heute nicht mehr, und mancher der
als Hoferben in Frage kommenden jungen
Leute fasst in anderen Berufen Fuß und will
sich nicht der Arbeit und den Risiken in der
Landwirtschaft aussetzen.
Was bedeutet dies für die Kulturlandschaft?
Die Struktur des immer noch so
ländlich erscheinenden Ortes Teufelsmoor
hat sich längst gewandelt. Der Großteil der
Bewohner geht Tätigkeiten außerhalb der
Ortschaft nach, Infrastruktur und Freizeitangebote
sind nur eingeschränkt vorhanden,
die Lebensbedingungen dort nicht
unbedingt für jeden attraktiv. Für etliche
ehemalige Landwirte war bereits Schluss.
Noch lebt der dörfliche Stadtteil – und
wie! Die Bewohner kämpfen für ihren Ort,
dessen Reiz auf der Natur und der aus
einem Wechsel von offenem Grünland,
einzelnen Gehölzgruppen, zahlreichen
Gewässern und traditionellen bäuerlichen
Gehöften bestehenden Kulturlandschaft
basiert. Wer diese auch in der Zukunft erleben
möchte, muss sich für deren Erhalt
einsetzen!
Wilhelm Berger
Anmerkungen
14) Anm. 1 – 13 s. HRB Nr. 117, S. 25. Ablösungs-Contract
im Kreisarchiv Osterholz,
Dep. 29 Bd. 107
15) Bodenmesszahlen angegeben in der
Inselkarte, einer Fortführung der Urkarte
etwa Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie
basieren auf Bodenschätzungen, die in
Teufelsmoor 1935 flächendeckend
durchgeführt worden sind.
16) LK Osterholz, Naturschutzgroßprojekt
gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung
„Hammeniederung“. Abschlussbericht;
Osterholz-Scharmbeck 2012. Eine
abschließende Bewertung findet sich
auch im HRB: Johannes Kleine-Büning,
Neue Wege des Naturschutzes in der
Hammeniederung; in: HRB 4/2014, S.
18 – 20.
17) Daniela Krause-Behrens, GR-Gebiet:
Landwirte im Teufelsmoor fordern Konzept
für ihre Zukunft; in: Osterholzer
Anzeiger vom 14. II. 1999
18) als letzte noch vor Redaktionsschluss
erschienenen Artikel seien genannt:
Michael Schön, Naturschützer wollen
fairen Ausgleich; in: OK vom 20. VIII. 16
sowie ts, Die richtige Maßnahme; in:
Osterholzer Anzeiger vom 24. VIII. 16.
25
Gedenkfeier am Schroeter-Grab
Auch Goethe und Kant würdigten Johann Hieronymus Schroeter
Johann Hieronymus Schroeter war ein
außerordentlich umsichtiger und
geschätzter Oberamtmann und Justizrat in
Lilienthal. Doch seine internationale Anerkennung
und Würdigung erlangte er als
leidenschaftlicher und erfolgreicher Astronom.
Mit einer Feierstunde anlässlich seines
200. Todestages am 29. August 2016
wurde an das Wirken Schroeters erinnert.
Schroeter-Grab bildete
würdigen Rahmen
Das neu vom Heimatverein gestaltete
Schroeter-Grab neben dem Westeingang
der Klosterkirche bildete einen würdigen
Rahmen.
Über das gezeigte große Interesse an
der Gedenkfeier freute sich der Vorsitzende
des Heimatvereins Lilienthal, Hilmar Kohlmann.
Fröhlich und schwungvoll stimmen
mehr als 40 Grundschüler der Schroeter-
Schule ein Sommerlied an. „Ihr vertreibt
bestimmt die Regenwolken mit Eurem
schönen Lied“, hoffte Hilmar Kohlmann.
Schroeter hat den
Namen Lilienthals in
die Welt getragen
Schon wenige Minuten später, als Bürgermeister
Willy Hollatz in seiner Ansprache
die Bedeutung seines „Vorgängers“ für
Lilienthal hervorhob, konnte die eindrucksvolle
Gedenkfeier regenfrei fortgesetzt
werden. „Schroeter hat den Namen
Lilienthals mit seinen knapp 700 Einwohnern
in die Welt getragen“, stellte Lilienthals
Bürgermeister fest.
Johann Hieronymus Schroeter trat seinen
Dienst als Oberamtmann am 1. Mai
1782 an.
Der ehemalige Vorsitzende des Heimatvereins,
Harald Kühn, beleuchtete in seinem
Vortrag wichtige Stationen aus dem
Leben Schroeters.
Sonne, Mond, Planeten und Fixsterne
faszinierten ihn gleichermaßen. Zur internationalen
Bedeutung ist Schroeter vor
allem durch die Herausgabe seines großen
Mondwerkes, der „Selenotopographischen
Fragmente“, gelangt. Mit diesem
Standardwerk begann eine neue Epoche in
der Mondforschung und brachten Schroeter
den Ruf eines der bedeutendsten
Mondforscher seiner Zeit. Ebenso fand das
von ihm 1793 erbaute 27-füßige Teleskop,
welches das größte „Fernrohr“ des
europäischen Festlandes war, weltweites
Aufsehen und Beachtung. Internationale
Von links: Werner Pfingsten, Jens Erdmann, Kristian Tangermann, Hilmar Kohlmann, Willy Hollatz und
Antke Bornemann. Am Mikrofon Harald Kühn.
Wissenschaftler und Astronomen, wie Wilhelm
Olbers, Karl Friedrich Gauß, Friedrich
Wilhelm Bessel und Karl Ludwig Harding,
waren oft längere Zeit in Lilienthal, um auf
der berühmten Sternwarte zu beobachten
und zu forschen.
Schroeter-Grab
Auch in Texten der Weltliteratur fanden
die Erkenntnisse und Forschungsergebnisse
Schroeters ihr Echo. So lobte der
Königsberger Philosoph Immanuel Kant
den „Lilienthaler Schroeter“ in seinen Werken.
Johann Wolfgang von Goethe wiederum
weist in seinem umfangreichen
Briefwechsel mit Friedrich von Schiller „auf
die bemerkenswerten astronomischen Forschungsergebnisse
des Schroeters aus Lilienthal“
hin.
Grußbotschaften der
direkten Nachfahren
Besonders freuten sich die Besucher der
Gedenkfeier über die von Harald Kühn verlesenen
Grußbotschaften der direkten
Nachfahren des großen Astronomen.
Erfreut zeigten sich Dr. Heide Bittner aus
Sanitz bei Rostock, Herbert F. Schroeter aus
Birmingham, Alabama sowie Carol Page
aus San Francisco, Kalifornien, über die
große Anerkennung, die ihrem Vorfahren
in Lilienthal bis heute entgegengebracht
wird.
Das von den Schülern der Schroeter-
Schule stimmungsvoll vorgetragene
„Weltraum-Lied“ begeisterte die Anwesenden.
Text: Harald Kühn
Fotos: Karl-Peter Geittner
26 RUNDBLICK Herbsts 2016
Lach- und Torfgeschichten
„Jan von Moor“ un de Düwel
Dat weer eenmol, so fangt de Määrken
un Sagen jo meistendeels an. Dat weer
eenmol so eenige hunnert Johr’n torüch,
vor us Tied, in dat unwirtliche un gruselige
Moorland, dat hüütdoog’s Düwelsmoor
nöömt word. Dor weer bloot’s Woter,
wubbeligen Dobben un smerigen Torfbodden,
keen Padd, keen Wege un keen
Groben, bloot de Beek un de Hamm
schlängeln sick dor dör. Noch keen Menschenskind
harr sick dor hentroot, es sei
den, mit Gewalt, Mord- un Doodslag.
Eenige, wie veel weet man nich, sind in dat
garstige Moor umkomen un for jümmer
vorswunnen. Bit de erste „Jan von Moor“
mit sien Fro un dree Kinner von den Geestpuckel
in’t Moor töög un sick up een
högere Steer een lüttje armselige Koten
henstell. Dat Daak ut Schelp un Stroh reck
bit up’n Torf, de Spoor’n un Wan’n weern
ut Eekensprickelholt, mit Torf upsett. Een
Füersteer weer dorbin un’n Leeger ut
Busch un Stroh. Dor husen se al tohoop
bin, mit een Zeeg. Dat weer al düchtig
wat, so harrn se een beten Zeegenmelk for
de Kinner. Jan de steek Torf, mook Gröben
open un een beten Land toschick for Bookweten
un Gras for de Zeeg. So kööm he
mit sien Fomilie, mehr slecht as recht, ober
de Runnen.
Schaurig schön ist es in Teufelsmoor
An een Sommerobend, dat weer een hitten
un dämpigen Dag ween, dor is Jan
noch bie’n Torfpott togang, he will gliek
Fieroben moken. Een gräsigt Donnerweer
un swatte Grummelschurn mit gleunige
Blitze bruust ober’t Moor, dadt is spökendüster.
Jan is Angst in de Knoken föhrt.
Jegen emm qalmt un stinkt dat. „So mutt
dat wol in’ne Höll wesen“, denkt he bie
sick un schuutert de kolen Gräsen ober sien
Puckel.
Jegen emm steiht de Düwel, de Leibhaftige
in Person mit gleunige Ogen, den
Peerfoot, ruuget Fell un sien langen Steert
mit den Quest doran. An den Quest glimm
noch so’n beten Höllenfüer. De Düwel will
Jan in Angst un Bangen moken un bolkt
emm an: „Wat wullt du hier, du elende
Moormensch, dit hier dat is mien Land,
RUNDBLICK Herbst 2016
hier heff bloot ick wat to seggen un to
doon. Se to dat du mit dien Wief un de Blagen
ober de Hamm kummst!“ „Jan von
Moor“ is vordattert, emm is gruselig un he
hett Angst, ober he behaupt sick un steiht
sien Mann: „Ick blief hier un mook Torf, ick
kann mit mien Fro un de Kinnder narn’s
woanners henn, dor jogdt se us uck oberall
we“ Jen keek den Düwel vorgrellt an: „Ick
blief hier, mook Land drög un eben, sei’e
Bookweten un Hobern in, dormit wie al
wat to Eten hebbt un leven köönt. Gröben,
Wege un Dämme willt wie boen, dor
kommt no veel mehr Menschen in’t Moor.
Us Weiden un Felder ward grön, wie hebbt
veel Gras un Korn, Keu’e un Beester, Swien
un Höhner un een Gorden in den alles wassen
deit, wat de leeve Herrgott us tokomen
lett. Een groten Damm boot wie no us Karken,
dormit wie an’n Sunndag god forhen
kommt un den Herrgott löven köönt.“ De
Düwel weer kort vor’n Platzen, dat Füer
sprung emm ut de Ogen: „Du Wicht, du
Erdskrüüpel, wat glöv’s du, wat du al
kannst, du kannst gor nichts. Ick kann alles
wat du die utdenken kannst, mark die dat
„Jan von Moor“.“
Jan hölt emm dat scharpe Torfmesser
vor den smerigen Buuk um den Düwel sick
von’n Liev to holen. „Ick glöv, du kannst
nich alles“, meen he to emm. De Düwel
harr’n groten Snuten. „Wetten, ick will mit
die wetten, dat ick alles kann, wat du von
mie wullt. Wenn ick dat nich kann, denn
kann’s mit dien Blagen hierblieben.“ Jan
keek emm plietsch in de gleunigen Ogen:
„Dat is mol een Wort, dor go ick up in. Ick
geef die hier een Stück knokendrögen Torf
von unnen ut’n Pott, hart un drög! Dit
Torfstück muss du woller natt moken.“
De Düwel kunn sick vor Lachen utschütten:
„Wenn’t wieter nix is, her mit dien
Torfbülten.“ Een Torfpott weer full Woter,
dor smeet he den Torf mit aller Gewalt rin.
De Torfbülten duuk ünner un schööt woller
ut’n Woter hoch, he swumm boben up.
De Düwel pedd emm mit sien Peerhuf woller
no unnen. Schwupp, swumm dat Torfstück
woller boben up, dat Woter lööp
andol. „Jan von Moor“ grien: „Drögen Torf
kannst du nee woller natt moken, glöv mie
dat.“
De Düwel schaff dat uck nee, he kunn
nich mehr an sick holen un sprung in’n
Moor hen un her, dorbi spee he Füer un
Flammen. In een grote Moorbussen, een
Spalten un swartet Lock, is he mit veel
Damp rinzischt, dat hett qualmt un stunken.
Jan stünd mit zitterige Been an sien
Torfpott, den Düwel harr he in de Schranken
wiest, he kunn blieben. He sett sick up
de holten Schuufkorr, hol deep Luft un vorpuust
sick, dorbi dach he: „Ja, wat hest du
Teufelsskulptur in Teufelsmoor
woller for Dusel hart, Gott sei Dank!“ De
Düwel weer in een Brass liek hendol in sien
Höll suust, dor tööf Grotmudder, sien
Oma, al up emm. Se kicher un laach oh’n
Tähnen in’n Snuut: „Na mien Düwelskerl,
de lüttje „Jan von Moor“ hett die wol ornlich
kranzheistert un too’n Narr’n mokt,
dat harr ick die furn’s seggen kunnt. Ober
een betern Mann harr’n wie gornich finnen
kunnt for dit gruselige Moor, loot
emm un al sien Macker’s man in Ruh, de
mokt dat all.“ De Düwel weer an’n Keuchen
un Snuben: „Dat paast mie jo nee,
ober wenn du dat meenst Oma, denn loot
ick den Donnerslag gewähr’n. Un at een
ewig Teeken schall dit Moor un dat este
Dorp mienen Nomen dregen.“ Siet den
Dag heet dat hier Düwelsmoor.
Um eer’n Düwel in Ruh un to Besinnung
to kriegen, harr Oma emm sien „Höllenelexier“
mischt. „Höllenelexier“ is ut 3 Sluck
Stroh-Rum, 3 Sluck „Ratzeputz“, Tabaso,
twee Bullenklöten un word upfüllt mit
Höhnerblood. Nich schüddeln, bloot
umröhr’n, dat brennt goot un is „echt
lecker!“ Dor schütt de Düwel nu allerhand
von in sien Schlund un muss sick gräsig
schuutern. He slöp uck bald in un snorch
luut. Af de Tiet hett he „Jan von Moor“ un
sien Lü’e in Free’r loten. Düwelsmoor un
de Düwelsmoorer giff dat jümmer noch.
Am besten nich argern un nich mit anleggen,
de weet sick jümmer to helpen un
holt tohoop – uck wenn se gegen den
Düwel anmööt!
Johann (Jan) Brünjes
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