ADAC Urlaub März-Ausgabe 2017, Baden-Württemberg
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Ecuador Inspiration<br />
Hier ist alles wie im Zoo,<br />
nur dass die Tiere uns<br />
beobachten. Denn sie<br />
sind frei und wir gehen<br />
oder fahren immer auf<br />
vorgegebenen Routen“, sagt Daniel<br />
Sanchez, unser offizieller Nationalpark-Galápagos-Reiseführer.<br />
Ich bin<br />
auf St. Cristóbal gelandet, der östlichsten<br />
Insel des Vulkan-Archipels,<br />
und sitze auf dem Rand eines Panga,<br />
eines Schlauchboots. Wir setzen<br />
gerade zu unserem Katamaran über,<br />
als plötzlich ein schwarzer Punkt aus<br />
20 Metern Höhe senkrecht herabstürzt<br />
und neben mir ins Meer platscht.<br />
Kurz darauf taucht er wieder auf – ein<br />
Fregattvogel. Mit einem dicken Fisch<br />
im Schnabel fliegt er davon.<br />
Der Katamaran gehört zu einer<br />
der Flotten eines Tourenanbieters,<br />
mit dem sich das berühmte<br />
Pazifik-Archipel, das gut<br />
1000 Kilometer vor Ecuadors Küste<br />
liegt, von See aus erkunden lässt.<br />
Tagsüber besuchen wir eine Insel,<br />
nachts steuert das Boot die nächste<br />
an. So landen wir immer wieder<br />
in entlegenen Buchten, wo wir an<br />
Land auf ausgewiesenen Wegen<br />
der Fauna so nah wie möglich<br />
kommen – ohne sie zu stören. Denn<br />
die Regeln lauten: nie näher als<br />
zwei Meter an die Tiere heran, nie<br />
füttern und stets Rücksicht auf<br />
die Natur und ihre Bewohner nehmen.<br />
Ich bin beeindruckt von der<br />
gelebten Konsequenz.<br />
Die Galápagosinseln sind einzigartig<br />
– in ihrer Entstehung, ihrer<br />
Natur und ihrer Tierwelt. Letzterer<br />
ist es zu verdanken, dass die Inseln<br />
überhaupt so bekannt sind. Der britische<br />
Naturforscher Charles Darwin<br />
besuchte während seiner Fahrt mit<br />
der „HMS Beagle“ im Jahr 1835 die<br />
Inseln und stellte später aufgrund<br />
seiner Beobachtungen die bis heute<br />
gültige Theorie des sich anpassenden<br />
Lebens auf. Damals ein Gottesfrevel,<br />
heute Basiswissen eines Siebtklässlers.<br />
Ein Beleg für Darwins Evolutionstheorie<br />
waren die Vögel des<br />
Archipels, die sich auf den einzelnen<br />
Inseln durch Selektion offenbar unterschiedlich<br />
entwickelt hatten.<br />
Die Einzigartigkeit der kargen,<br />
zumeist unbewohnten Vulkaninseln<br />
gründet auf einem Zusammentreffen<br />
besonderer geologischer<br />
Gegebenheiten: der Plattentektonik<br />
vor Südamerika, einem Hotspot<br />
unter dem Archipel sowie den<br />
Blaufußtölpel<br />
sind entgegen ihres<br />
Namens sehr geschickte<br />
Flieger und Taucher<br />
Zeitlos<br />
geht es überall<br />
auf den<br />
Galápagosinseln<br />
zu. Hier<br />
entspannen<br />
Seelöwen<br />
am Strand in<br />
der Sonne<br />
Meeresströmungen von Norden wie<br />
von Süden.<br />
Erdkundeunterricht live<br />
Die Reisebeschreibungen des Naturforschers<br />
Alexander von Humboldt<br />
spielten eine entscheidende Rolle, dass<br />
Darwin überhaupt in diese fernen<br />
Gefilde reiste. Humboldt besuchte<br />
Ecuador bereits 1802 und entdeckte<br />
den nach ihm benannten Humboldt-<br />
Peru-Strom, der von Süden nährstoffreiches<br />
Wasser zu den Inseln schaufelt.<br />
Alles Maritime hier lebt davon.<br />
Als ich Schnorcheln gehe, staune ich<br />
über das mit vielen kleinen Elementen<br />
versetzte Meerwasser, das mit 17 Grad<br />
kälter ist als erwartet. Ich tauche ein<br />
in eine unglaublich artenreiche Fauna.<br />
Ein Seelöwe dreht vor mir Pirouetten,<br />
Pinguine sausen vorbei, majestätische<br />
Mantarochen scheinen im Ozean zu<br />
schweben. Und überall wimmelt es<br />
von bunten Korallenfischen. Höhepunkt<br />
ist aber die Begegnung mit<br />
einer Riesenschildkröte, die sich in<br />
einem Meter Tiefe treiben lässt, zum<br />
Snacken die Korallenriffe abknabbert,<br />
ab und zu an die Oberfläche aufsteigt,<br />
tief einatmet und dann wieder nach<br />
unten gleitet. Auf einmal sind es sogar<br />
drei Schildkröten. Mein Herz pocht,<br />
kein halber Meter trennt die uralten<br />
Tiere von mir. Leben wie im Zeitraffer,<br />
hier sehr entspannt.<br />
Entdeckung der Langsamkeit<br />
Gleiten ist überhaupt das Wort, das<br />
sich wie ein roter Faden durch die<br />
Inselstopps zieht, neben Faulenzen.<br />
So wie die Seelöwen es hier vorführen.<br />
Und es ist ansteckend. Allerdings<br />
muss man sich gut eincremen,<br />
die Sonne brennt am Äquator gnadenlos.<br />
Es mag bedeckt sein, aber es<br />
erwischt mich schon am ersten Tag,<br />
nicht mal Lichtschutzfaktor 50 hilft.<br />
Als die Spanier auf den Inseln landeten,<br />
fanden sie weder ihr erhofftes<br />
Gold noch sonst irgendetwas. Damit<br />
war dieser Ort für sie schon wieder<br />
wertlos. Und so waren es die Walfänger,<br />
die zwischen Esmeralda am<br />
Festland und den entlegenen Inseln<br />
fette Beute machten und ihre Schiffe<br />
hier in geschützten Buchten ankerten.<br />
Auf der Insel Floreana errichteten die<br />
Seeleute auch eine Art Poststelle. Wer<br />
das Holzfass in der Post Office Bay<br />
aufsuchte, leerte es und hinterließ<br />
selbst ein Schreiben, sollte er nicht<br />
von seiner weiten Reise zurückkehren.<br />
Falls doch, so hatte er die Aufgabe,<br />
das mitgenommene Schreiben<br />
selbst zuzustellen. Ich finde einen<br />
Brief aus der Nähe von Bielefeld und<br />
werde ihn nach meiner Rückkehr in<br />
Deutschland persönlich abliefern.<br />
Weiter geht es nach Baltra und<br />
Isabela. Insel um Insel legt unser<br />
Katamaran in der Nacht die mitunter<br />
großen Entfernungen zurück, tagsüber<br />
bewundern wir schnorchelnd<br />
die Unterwasserwelt. Einmal fährt<br />
uns dabei der Schreck in die Glieder:<br />
Keine 400 Meter vom Boot pflügt<br />
ein Hai durchs Wasser, zieht dann<br />
aber zum Glück von dannen. Einen<br />
aktiven Vulkan bestaunen wir auf<br />
Fernandina. Er meldet sich von Zeit<br />
zu Zeit. Alles ist möglich auf Galápagos.<br />
Hier regiert die Natur und<br />
wir sind faszinierte Besucher.<br />
Roadtrip ins Herz Ecuadors<br />
Zurück auf dem Festland erkunde ich<br />
die reiche Natur Ecuadors auf einem<br />
Roadtrip mit dem Auto. Von der Küstenstadt<br />
Guayaquil geht es zunächst<br />
in die Anden nach Cuenca und dann<br />
die legendäre Panamericana hoch<br />
bis in die Hauptstadt Quito. So wie<br />
Experten-Tipp<br />
Carolin Nultsch aus dem <strong>ADAC</strong> Reisebüro in Worms<br />
über sehenswerte Relikte der Inka-Kultur in Ecuador<br />
Vor den Spaniern herrschten die Inka in Südamerika. Ihr<br />
mächtiges Reich expandierte zwischen 1438 bis 1527 von<br />
Kolumbien bis nach Argentinien. Die Ausgrabungsstätte<br />
Ingapirca zeigt eine Siedlung der Inka, die auf einer Kultstätte<br />
des Kañari-Volkes erbaut wurde. Sie zählt zu den<br />
bedeutendsten Relikten der Inka-Kultur in Ecuador und<br />
liegt eineinhalb Stunden nördlich von Cuenca. Die Ausgrabungen<br />
präsentieren die über 800 Jahre alten runden<br />
Grundrisse der Kañari, daneben die eckigen Gebäude und<br />
Tempel der Inka. Auf der Sonnenuhr erkennt man das<br />
fortschrittliche Wissen der Inka: Sonnenwendetage wie<br />
der 21. Juni wurden exakt bestimmt.<br />
<strong>ADAC</strong> Reiseinfos zu Ecuador:<br />
bit.ly/2jAZDxL<br />
Video „Galápagos und die Entdecker“:<br />
bit.ly/2jODjxY<br />
Alexander<br />
von Humboldt<br />
bereiste<br />
Ecuador bereits<br />
1802 und<br />
bestieg den<br />
6310 Meter<br />
hohen Chimborazo<br />
bis<br />
auf die letzten<br />
700 Meter<br />
Vergoldetes<br />
Kolonialerbe<br />
wie in der<br />
komplett mit<br />
Blattgold ausgeschmückten<br />
Kirche Compañía<br />
de Jesús<br />
in Quito<br />
Seite<br />
scannen,<br />
mehr<br />
erfahren<br />
Alexander von Humboldt durchquere<br />
ich auf der Reise, die in Höhen von bis<br />
zu 4600 Metern führt, sämtliche Vegetationszonen.<br />
Anfangs ziehen Laubbäume<br />
vorbei, dann Nadelwälder, und<br />
hoch oben bedeckt nur noch ein endloser<br />
Teppich aus Gräsern die unwirtliche<br />
Landschaft. Unter einer grauen<br />
Wolkendecke steuere ich durch den<br />
zauberhaften Nationalpark Cajas. Die<br />
Hochlandregion ist übersät mit Seen,<br />
zahlreiche Flüsse entspringen hier,<br />
die im Westen in den Pazifik münden<br />
und im Osten in den Amazonas.<br />
Ecuador erscheint mir überhaupt wie<br />
ein einziger Nationalpark, wohin man<br />
guckt, überall faszinierende Natur.<br />
Die Straße schlängelt sich steil auf<br />
3000 Meter Höhe, als unvermittelt<br />
Lamas stoisch auf dem Asphalt stehen.<br />
Oder sind es Vicuñas, eine verwandte<br />
Art? Nach einer Weile geht es<br />
bergab nach Cuenca. Die Stadt liegt in<br />
einem sattgrünen Hochlandbecken,<br />
man wähnt sich fast in Österreich.<br />
Und sie beheimatet wundervolle Kirchen<br />
und Museen. In der kolonialen<br />
Altstadt tauche ich ein in Ecuadors<br />
Geschichte. Über zehn Ethnien leben<br />
in dem Land, das vom Meer (Costa)<br />
über das Hochland (Sierra) bis in den<br />
Dschungel (Amazonas) reicht, erklärt<br />
der Guide im Museo Pumapungo. Sie<br />
alle eint, dass sie von den Inka im<br />
15. Jahrhundert unterworfen wurden.<br />
Ihr mächtiges Reich erstreckte sich<br />
auf über 4200 Kilometer von Kolumbien<br />
im Norden bis nach Argentinien<br />
im Süden und brachte Organisation<br />
und die Anbetung der Sonnengötter.<br />
Doch selbst die Inka hatten dem<br />
Ansturm und der Gier der spanischen<br />
Konquistadoren um 1532 nichts entgegenzusetzen.<br />
Die Eroberer fanden<br />
zwar kein Gold, doch sie festigten ihre<br />
Macht und gründeten ihre Provinzen<br />
in den Städten der Inka.<br />
Im Museo de Sombrero überrascht<br />
mich, dass der berühmte Panama-<br />
Hut gar nicht aus Panama stammt,<br />
sondern aus Ecuador. Er wird aus<br />
Toquillastroh gefertigt, einer tropischen<br />
Palme, deren Blätter gekocht,<br />
getrocknet und geschnürt den bekannten<br />
Hut ergeben. Weil die Kopfbedeckungen<br />
über den Panamakanal<br />
nach Europa gelangten, wurden sie<br />
fälschlicherweise nach dem Umschlaghafen<br />
Panama benannt.<br />
Nördlich von Cuenca lohnt ein<br />
Halt an den archäologisch einzigartigen<br />
Ingapirca-Ruinen (Expertentipp<br />
auf dieser Seite). Weiter geht<br />
es gen Norden auf der berühmten<br />
Panamericana, der E 35. Humboldt<br />
war in dieser Region einst mit Pferd<br />
und Esel unterwegs und beschrieb<br />
die Vegetation in seinem berümten<br />
Reisetagebuch. Ich halte an einem<br />
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