Neue Szene Augsburg_2017-03
Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung
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sem Job Idealismus keine gute alleinige Voraussetzung<br />
– müssen sachlich gut begründet und politisch<br />
gut abgestimmt sein. Wir setzen in der Verwaltung<br />
um, was der Stadtrat beschließt, mit dem Bemühen,<br />
das bestmöglich hinzubekommen.<br />
Wie sehr ist deine Position an die Person Kurt<br />
Gribl geknüpft? Könntest du dir vorstellen, dasselbe<br />
unter einem anderen OB zu machen?<br />
Gemeine Frage. Der OB hat mich auf die Position geholt<br />
und die Stelle ist von einem engen Vertrauensverhältnis<br />
geprägt. Ich schätze ihn als Mensch und<br />
Politiker sehr und hoffe, dass die Zusammenarbeit<br />
noch lange andauert. Aber am Ende entscheide das<br />
ja auch nicht ich.<br />
Wie weit ist deine Stelle politisch und wie weit<br />
Verwaltung?<br />
Grundlegend bin ich nur Verwaltung, ich handle und<br />
entscheide nicht politisch. Wir haben im Referat OB<br />
als Querschnittsreferat mit allem zu tun, vom Schlagloch<br />
in der Firnhaberau bis zur Theatersanierung.<br />
Das ganze Spektrum ist bei uns abgebildet und es<br />
wäre gelogen, wenn man sagen würde, dass diese<br />
Themen nicht auch etwas mit Politik zu tun haben.<br />
Deine konkreten Tätigkeitsbereiche sind Öffentlichkeitsarbeit<br />
und Persönlicher Referent des<br />
Oberbürgermeisters?<br />
Genau. Als Letzteres bin ich die rechte Hand des OBs,<br />
mache viel vorbereitende Arbeit, Recherche und Beratung.<br />
Als Leiter der Kommunikation bin ich dafür<br />
verantwortlich, dass die Außendarstellung der Stadt<br />
und die Information der Öffentlichkeit klar, verständlich<br />
und transparent ist. Die Menschen sollen verstehen,<br />
was die Verwaltung tut. Da gibt’s durchaus<br />
noch Verbesserungspotential.<br />
Deine Bekanntheit hat mit der Evakuierung an<br />
Weihnachten einen großen Sprung gemacht, ich<br />
erinnere mich an die Spontanpressekonferenz<br />
„am Bombenkrater“, die du ziemlich resolut organisiert<br />
hast.<br />
Im Rahmen der Evakuierung war vor allem eine klare<br />
Linie gefragt. Nachdem die Stadt in der Planungsgruppe<br />
die Hoheit über die Kommunikation erhalten<br />
hat, war das meine Aufgabe. Das sind natürlich auch<br />
Dinge, die ich im Beruf gelernt habe, und zwar von<br />
der anderen Seite, als Journalist.<br />
Wie groß war der Schock, als ihr von der Bombe<br />
erfahren habt?<br />
Das Gute ist ja, dass man zunächst nicht weiß, was<br />
auf einen zukommt. Als wir zum ersten Mal die Karte<br />
mit dem riesigen Evakuierungsgebiet gesehen<br />
haben, war klar: Das wird eine Wahnsinnsaufgabe.<br />
Dann macht man sich halt an die Arbeit. Wie hochprofessionell<br />
die Räder der Verwaltung und der Behörden<br />
ineinandergegriffen haben, war echt<br />
beeindruckend. Da es gerade so en vogue ist, Politik<br />
und Verwaltung zu belächeln und gelegentlich auch<br />
zu beschimpfen, war das für die ganze Stadt ein positives<br />
Erlebnis, eine vertrauensbildende Maßnahme<br />
für alle Seiten.<br />
Wobei es bei der Verteilung der Infoschreiben<br />
durchaus Probleme gab. Es haben nicht alle Haushalte<br />
in der Evakuierungszone eines bekommen.<br />
Das hat nicht hundertprozentig hingehauen, stimmt.<br />
Aber das durchführende Unternehmen hat mir versichert,<br />
96 Prozent der Schreiben landen immer da,<br />
wo sie hinsollen, dafür sind die zertifiziert. Man hört<br />
halt nur von denen, die keinen Brief bekommen<br />
haben, die anderen melden sich ja nicht.<br />
Themenwechsel: Die Kontakte zur Landespolitik<br />
haben in den letzten Jahren stark zugenommen.<br />
Bisweilen hat man allerdings den Eindruck, wenn<br />
Seehofer oder Söder hier auftauchen, fällt die<br />
komplette Stadtgesellschaft auf die Knie, von der<br />
Intendantin bis zum Referenten. Wo ist unser<br />
Selbstbewusstsein geblieben?<br />
<strong>Augsburg</strong> muss infrastrukturelle Anstrengungen leisten,<br />
die wir ohne den Freistaat nie stemmen könnten.<br />
Seit Kurt Gribl im Amt ist, sind diese Unterstützungen<br />
immens hoch. Und diese Summen werden noch über<br />
Jahrzehnte hinaus Wirkung haben: Uniklinik, Theater,<br />
Verkehr. Der Eindruck, die Stadt würde dafür auf die<br />
Knie fallen, ist nicht richtig. Im Gegenteil: Wenn es<br />
<strong>Augsburg</strong> an Selbstbewusstsein fehlen würde, wären<br />
die Verhandlungen nicht so gut gelaufen und die Ergebnisse<br />
nicht so gut.<br />
Etwas weniger gut gestaltete sich die Sache mit<br />
der Kulturplakatierung. Für dich als ehemaliger<br />
Popkulturbeauftragter muss das doch ein Schlag<br />
ins Gesicht gewesen sein.<br />
Da muss man als Stadt auch mal sagen können: Das<br />
ist nicht besonders gut gelaufen. Doch vielleicht können<br />
wir bei der Reparatur jetzt sogar ein besseres<br />
Ergebnis erreichen als vorher.<br />
Wirst du eigentlich auf der Straße angesprochen?<br />
Und zu welchen Themen?<br />
Ich habe das Gefühl, wegen der Bombe kennen mich<br />
jetzt ein paar mehr Leute. Man kommt dann an der<br />
Supermarktkasse oder auf der Straße ins Gespräch<br />
oder wird angesprochen. Mal zum Verkehr, zu Parkplätzen,<br />
vor allem aber zu sozialen Themen, Wohnen,<br />
Mieten. Das ist das Dilemma: In einer<br />
wachsenden, prosperierenden Stadt bekommen die<br />
Leute Angst, abgehängt zu werden. Andererseits<br />
profitiert das Gemeinwohl durch wachsende Steuereinnahmen.<br />
Und wie ist die Haltung der Stadt beim Thema<br />
Verkehr?<br />
Das übergeordnete Konzept der Zukunft ist die multimobile<br />
Gesellschaft, mehr ÖPNV, siehe Königsplatzund<br />
Bahnhofsumbau. Das ist ein komplexes, unheimlich<br />
schwieriges Thema. Jede neue Straßenbahntrasse<br />
berührt Partikularinteressen. Doch genau das ist<br />
Stadtpolitik: Themen, die nicht allen gefallen, so beherzt,<br />
aber auch kompromissbereit durchzusetzen,<br />
dass so viele wie möglich profitieren.<br />
Wow, schöner Satz!<br />
Hoffen wir, er ist nicht nur schön, sondern auch<br />
wahr. Denn darum geht’s in der Kommunalpolitik<br />
doch am Ende, sowohl bei Parkplätzen als auch bei<br />
den ganz großen Themen. Mobilität ist sicher Zukunftsthema<br />
Nummer eins. Kulturthemen, die oft<br />
eine hohe Aufmerksamkeit bekommen, sind nicht<br />
immer ganz so relevant, wie man vielleicht glaubt.<br />
Gehst du selbst jetzt anders durch die Stadt?<br />
Klar. Ich muss mich manchmal schon bemühen, den<br />
Verwaltungsblick abzulegen. Ich sehe Schlaglöcher,<br />
Baulücken, denke über Nachverdichtung nach, das<br />
Wort kannte ich vor anderthalb Jahren noch gar<br />
nicht... (lacht)<br />
Abends trifft man dich allerdings nur noch selten...<br />
Ach, ich bin genug weggegangen in meinem Leben<br />
und der Job verlangt einfach höchste Konzentration.<br />
Ist gut so!<br />
Es gibt den bösen Satz: Der Goerlich ist gut für<br />
die ersten hundert Meter...<br />
Wieso böse? Ich sehe mich als Projektentwickler und<br />
Antreiber. Jede gute Mannschaft braucht nun mal<br />
einen Stürmer, genauso wie einen Verteidiger. Der<br />
Satz stimmt aber auch nicht ganz. Ich habe noch nie<br />
nach hundert Metern aufgehört. Bisher hatte ich<br />
aber das Glück, meistens selbst entscheiden zu dürfen,<br />
wie lange ich etwas mache.<br />
Welche Rolle spielt das Thema Macht?<br />
Den Begriff Macht mag ich überhaupt nicht. Mir<br />
geht’s niemals um Macht. Ich bin nur gerne an einem<br />
Punkt, an dem ich Dinge – auch wenn’s ein abgedroschenes<br />
Wort ist – gestalten darf. Wer mich wirklich<br />
kennt oder mit mir zusammengearbeitet hat, weiß,<br />
dass es mir nicht darauf ankommt, was auf meinem<br />
Türschild steht. Machen will ich schon, Macht ist mir<br />
wurscht.<br />
Gibt es Entscheidungen, die du bereust?<br />
Ich ärgere mich, dass ich mein Studium nicht fertig<br />
gemacht habe. Insofern muss ich die Sache von vorhin<br />
mit den hundert Metern vielleicht doch etwas relativieren.<br />
Lehramt, oder?<br />
Deutsch und Englisch.<br />
Eine Traumkombination!<br />
Der fehlende Abschluss hat mir in meiner Berufslaufbahn<br />
einiges erschwert, auf der anderen Seite vieles<br />
ermöglicht, was ich als Lehrer wohl nicht erlebt<br />
hätte. Auch das gehört dazu, aus Niederlagen lernt<br />
man am meisten.<br />
Dann stellt sich die Frage: Was kommt als nächstes?<br />
Den Schritt in die Politik schließt du aus?<br />
Aus heutiger Sicht: ja. Ich fühl mich wohl in der zweiten<br />
Reihe.<br />
Foto: Ruth Plössel, Stadt <strong>Augsburg</strong>