Neue Szene Augsburg_2017-03
Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung
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stitutionen in den Hintern kriechen. Man kann es<br />
auch milder sagen: Man kann höflich sein. (lacht)<br />
Das ist klug, vielleicht sogar vernünftig, die Arschkriecherei<br />
beginnt ja erst dann, wenn man jemanden<br />
hofiert, den man eigentlich ablehnt. Da war ich früher<br />
nicht so klug und manchmal auch unhöflich zu<br />
den Leuten, das vergessen die natürlich nicht und<br />
rächen sich.<br />
Wenn überall Vetternwirtschaft herrscht, wieso<br />
sollen wir dann nicht selbst mitmachen?<br />
Mein riesiges Manko war immer, dass ich mich nicht<br />
institutionell verankert habe. Ich habe zum Beispiel,<br />
als ich meine Theatergruppe hatte, diese nie als festes<br />
Haus etabliert und Zuschüsse von der Stadt beantragt.<br />
Wenn ich dagegen Leute wie Richard<br />
Goerlich sehe, der als Referent zum CSU-Oberbürgermeister<br />
geht und vorher Popbeauftragter war und<br />
Wahlkampfhelfer von Kurt Gribl, dann denke ich mir:<br />
Ich kann das gar nicht ablehnen!<br />
Nein?<br />
Nein, weil Leute wie er damit doch richtig liegen!<br />
Man muss einfach an die Fleischtöpfe rankommen,<br />
das ist überhaupt keine Schande. Das war immer<br />
mein Fehler, ich hätte meine Intelligenz und Kreativität<br />
besser nutzen können, man muss sich dabei ja<br />
nicht selbst aufgeben.<br />
Warum haben Sie das nicht getan?<br />
Das ist eine lange Geschichte. Es gibt ja so Gestalten<br />
wie Arno Löb, das ist nicht abfällig gemeint, ich bin<br />
auch eine Gestalt, und wir haben in den 70ern und<br />
80ern gedacht, dass im Kulturbereich alles immer so<br />
weitergeht. Dass immer was mit den hübschen<br />
Frauen geht, von denen es in dem Bereich ja viele<br />
gibt, und dass man keine großen ökonomischen Ansprüche<br />
hat. Wir dachten auch nicht daran, dass man<br />
im Alter vielleicht mal krank wird, und haben alles,<br />
was man Establishment nannte, total abgelehnt. Ich<br />
habe Amerikanistik studiert und mein damaliger Dozent<br />
hat versucht, mich mit einem Professor zusammenzubringen,<br />
der was für meine Karriere hätte tun<br />
können. „Die Promotion kriegst du nachgeschmissen“,<br />
meinte der Dozent, „triff dich mit dem Prof, danach<br />
gibt’s erstklassigen selbstgebackenen Kuchen<br />
von seiner Frau und dann finden wir schon was für<br />
dich.“<br />
Und dann?<br />
Ich treffe mich also mit dem Professor, wir gehen im<br />
Englischen Garten spazieren und er erzählt mir, dass<br />
er in <strong>Augsburg</strong> noch ganz viele Freunde bei der Jungen<br />
Union hat. Da bin ich ausgeflippt und habe ihn<br />
gefragt, wie er zu solchen CSU-Idioten Kontakt haben<br />
kann. Das war’s dann, zu Kaffee und Kuchen ist es<br />
nicht mehr gekommen und zur Karriere auch nicht.<br />
Und heute denke ich: Was für eine Idiotie von mir!<br />
Weil...<br />
Weil man so nicht denken darf. Es war falsch und unvernünftig.<br />
Diese Einteilung, dass die CSU böse ist,<br />
und wer die Grünen wählt, ist gut, das ist eine idiotische<br />
Einteilung der Welt! Ich hätte es damals schon<br />
besser wissen müssen, damit war diese Chance vertan.<br />
Dieser Gedanke, dass man in einer Art „splendid<br />
isolation“ existieren und auf die reaktionären Säcke<br />
schimpfen kann, ist falsch. Das ist einfach die Realität<br />
und die Realität ist immer mächtiger als du selbst,<br />
das erkenne ich, wenn ich schaue, wie viel Rente ich<br />
bekomme: 437 Euro. Irgendwann sollte man anfangen,<br />
an seine Alterssicherung zu denken, das kann<br />
ich jedem armen Poeten raten, der in seiner Nische<br />
lebt und versucht den Roman zu schreiben.<br />
Sie waren naiv?<br />
Absolut, das ist auch einer der Gründe dafür, dass<br />
ich nie zu einer Frau und Familie gekommen bin, weil<br />
ich eben immer dachte, das geht so weiter. Gut, ich<br />
hatte nie große ökonomische Bedürfnisse, wollte nie<br />
ein großes Auto, das hängt vielleicht auch mit meiner<br />
kleinbürgerlichen Herkunft zusammen und es ging<br />
mir auch nie schlecht. Irgendwann denkst du dir<br />
eben doch, dass Frau und Kinder nicht so schlecht<br />
wären, aber dann ist es zu spät. Ich musste auch erst<br />
60 werden, um das zu erkennen. Ich bin von der Charakterstruktur<br />
her einfach ein extremer Feigling, deswegen<br />
habe ich als Kabarettist auch nie den Sprung<br />
von <strong>Augsburg</strong> nach München und weiter gewagt, das<br />
hätte mich auch künstlerisch gefordert. Man muss<br />
die Leute dann natürlich auch mit intellektuellen Sätzen<br />
beeindrucken, wie zum Beispiel: „Wir müssen die<br />
hermetische Ausrichtung dieser Stadt vollkommen<br />
neu justieren, das ist auch eine explizite Aufgabe des<br />
Theaters.“ Mit solchen Sätzen kommt man an!<br />
Was wollten Sie eigentlich als Jugendlicher beruflich<br />
machen?<br />
Rampensau als Sänger und Fußballtrainer.<br />
Jetzt sind Sie als Kabarettist ein bisschen Rampensau.<br />
Dabei wollte ich zuerst gar kein Kabarettist werden.<br />
Ich hatte mit Freunden eine Theatergruppe gegründet<br />
und die meinten, dass Kabarett immer populärer<br />
wird und wir es doch mal damit versuchen sollten.<br />
Da gab es nur ganz wenige Kabarettisten und man<br />
war fast schon zum Erfolg verdammt, aber ich bin<br />
eben schön bei dem geblieben, was ich hier hatte,<br />
ich habe einfach zu wenig aus meinem Leben gemacht.<br />
Das müssten, wenn man solche Maßstäbe ansetzt,<br />
die meisten Menschen sagen.<br />
Das stimmt, ich bin ja auch in keine schlechte Zeit<br />
hineingeboren worden. Ich habe als Buchdrucker angefangen,<br />
das war nix für mich, dann habe ich das<br />
Bayernkolleg gemacht, dann die Berufsaufbauschule,<br />
dann habe ich studiert. Es waren viele, viele Türen<br />
offen für mich, aber ich habe eben nie kapiert, dass<br />
man sich mit den Institutionen einlassen muss, und<br />
ich habe nie kapiert, dass die nicht nach einem rufen.<br />
Da können Sie den Pulitzerpreis und den Nobelpreis<br />
in einer Woche gewinnen – zu den Institutionen<br />
muss man trotzdem immer hingehen! Das hat auch<br />
ein bisschen was mit Prostitution zu tun und da war<br />
ich eben immer schon ganz schlecht drin. (überlegt)<br />
Das ging schon in der Schule los. Löweneckschule,<br />
Oberhausen, erster Tag, Großmutter ging mit dem<br />
kleinen, sechsjährigen Silvano zum Unterricht, der<br />
Lehrer sagt: „Ihr setzt euch jetzt alle hin und eure<br />
Eltern oder Großeltern gehen heim.“ Aber Silvano<br />
Tuiach steht auf und geht mit der Oma mit und als<br />
der Lehrer ruft, dass er stehenbleiben soll, nimmt er<br />
die Blumenvase vom Pult und wirft damit nach dem<br />
Lehrer. (versonnen) Ja, ich war schon rebellisch.<br />
Haben Sie manchmal Rachegedanken?<br />
Es gibt ein chinesisches Sprichwort: Rache ist süßer<br />
als Honig. Vor zehn Jahren hätte ich mich noch gern<br />
an einer bestimmten Person gerächt, die mir beruflich<br />
über Jahre Steine in den Weg gelegt hat, jetzt<br />
nicht mehr. Das dürfen Sie nicht mit Altersmilde verwechseln,<br />
es wäre mir heute einfach zuviel Aufwand.<br />
Das ist auch der Grund dafür, dass sich die wenigsten<br />
Menschen rächen, weil es einfach zu aufwendig ist,<br />
weil sie nicht die Mittel dazu haben. Rache ist die<br />
Sehnsucht der Ohnmächtigen.<br />
Ich spiele darauf an, dass Sie auf die Leute böse<br />
sein könnten, die nicht in Ihr Restaurant gegangen<br />
sind.<br />
Mei, das ist ganz einfach. Ich war 20 Monate in der<br />
Gastronomie und habe einfach feststellen müssen,<br />
dass es im Großraum <strong>Augsburg</strong> nicht genug Nachfrage<br />
nach gehobener Gastronomie gibt. Es kamen<br />
schlichtweg zu wenig Gäste, auch wenn das Essen<br />
sehr gut angekommen ist. Das war natürlich eine<br />
persönliche Niederlage für mich, ich war deswegen<br />
drei Monate depressiv. Es war auch enttäuschend,<br />
dass von vielen Leuten, die ich schon seit Jahren<br />
kannte und eingeladen habe, kein einziger gekommen<br />
ist. Doch das ist jetzt für mich abgeschlossen,<br />
ich bin dabei, es aus meinem Kopf rauszubringen.<br />
Die Wunde ist verheilt, aber es gibt noch eine große,<br />
sichtbare Narbe.<br />
Sind Sie ingesamt gerne Silvano Tuiach?<br />
Pauschal würde ich eher nein sagen... Nein, ich bin<br />
nicht gerne Silvano Tuiach, auf keinen Fall. Aber das<br />
heißt nicht, dass ich lieber Brad Pitt wäre, das wäre<br />
zu einfach. Nein, darum geht es nicht, das wäre auch<br />
Unsinn. Die Frage ist, ob man mit sich im Reinen ist<br />
und das kann ich nicht behaupten. Dafür sind zu<br />
viele negative Sachen passiert. Ich laufe allerdings<br />
auch nicht rum und gebe anderen Leuten die Schuld.<br />
Schuld war immer ich selbst.<br />
Tuiach is back!<br />
Ab Herbst ist es<br />
wieder so weit.<br />
Silvano Tuiach geht<br />
mit seinem neuen<br />
Programm auf Tour.<br />
Mit dabei: Herr und<br />
Frau Braun.