11.12.2012 Aufrufe

blick - OPUS - Universität Würzburg

blick - OPUS - Universität Würzburg

blick - OPUS - Universität Würzburg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

menschen<br />

BLICK 03 - 007<br />

Zu Gast an der Uni<br />

In Teheran lebt er – in <strong>Würzburg</strong> hat Kazem Seyed-Emami eine zweite Heimat gefunden<br />

Ein Pendler zwischen dem Iran und<br />

Deutschland: der Geologe Kazem Seyed-<br />

Emami. (Foto Gunnar Bartsch)<br />

Zur Person<br />

Kazem Seyed-Emami ist seit fast<br />

40 Jahren Professor für Geologie<br />

an der <strong>Universität</strong> von Teheran.<br />

Seine Forschungsschwerpunkte<br />

sind die Geologie, Paläontologie<br />

und Stratigraphie – der Schichtenaufbau<br />

– im Mesozoikum im<br />

Iran. Der gebürtige Iraner hat in<br />

Deutschland das Gymnasium besucht<br />

und in Mainz und München<br />

Geowissenschaften studiert.<br />

Da könnte manch deutscher Professor<br />

neidisch werden: Kazem Seyed-Emami<br />

ist 68 Jahre alt und lehrt und<br />

forscht noch immer. „Wer wissenschaftlich<br />

aktiv ist, darf an der Teheraner Uni<br />

so lange arbeiten, wie er möchte“, sagt<br />

Seyed-Emami. Und aktiv ist der Professor<br />

aus Teheran in der Tat: Jedes Jahr reist<br />

der Geologe unter anderem für mehrere<br />

Wochen nach Deutschland, nachdem er<br />

zuvor mit deutschen Kollegen im Iran<br />

neues Untersuchungsmaterial gesammelt<br />

hat; die Funde werden in <strong>Würzburg</strong> und<br />

München ausgewertet, die Ergebnisse in<br />

einer gemeinsamen Publikation veröffentlicht.<br />

Thema ist der erdgeschichtliche<br />

Aufbau einer bestimmten Region im Osten<br />

und Nordosten des Iran.<br />

Hier, an einer Stelle, an der drei Platten<br />

aneinanderstoßen, wo zwei Ozeane kamen<br />

und wieder gingen, arbeiten sich<br />

die Geologen durch das Albusgebirge<br />

und untersuchen die unterschiedlichen<br />

Schichten. Anhand der Gesteine und der<br />

Fossilien können sie über das Leben und<br />

seine Bedingungen und den geologischen<br />

Werdegang vor vielen Millionen Jahren<br />

Rückschlüsse ziehen. Um die Funde richtig<br />

einzuordnen, ist viel Literaturstudium<br />

notwendig. „Diese detaillierte Fachliteratur<br />

ist bei uns im Iran nicht immer<br />

vorhanden“, sagt Seyed-Emami. Deshalb<br />

verbringt er im Sommer immer wieder<br />

ein paar Wochen in Labors und Bibliotheken<br />

in <strong>Würzburg</strong> und München.<br />

In seinem Leben hat Seyed-Emami<br />

ziemlich viel erlebt: Als er geboren<br />

wurde, herrschte im damaligen Persien<br />

noch der Schah – nicht der Mann, den<br />

in Deutschland jeder kennt, sondern<br />

dessen Vater – und in Deutschland waren<br />

die Nationalsozialisten an der Macht.<br />

Nach der Grundschule schickte ihn sein<br />

Vater gemeinsam mit dem Bruder nach<br />

Deutschland; die beiden sollten hier das<br />

Gymnasium besuchen und das deutsche<br />

Abitur ablegen. Kaum vorstellbar, dass<br />

das funktionieren konnte, schließlich kamen<br />

die beiden Brüder an den Bodensee<br />

ohne ein Wort Deutsch zu beherrschen.<br />

„In Deutschland waren damals die Spuren<br />

des Kriegs noch überall vorhanden“,<br />

erinnert sich Seyed-Emami. Dafür habe<br />

er aber unter den Menschen einen Wil-<br />

len zum Wiederaufbau, eine Bereitschaft<br />

sich anzustrengen erlebt, wie es sie heute<br />

nicht mehr gebe. Gleichzeitig sei die<br />

Stimmung sehr locker gewesen. 1958<br />

erhält Seyed-Emami das Abiturzeugnis,<br />

sofort nimmt er in Mainz das Geologiestudium<br />

auf, wechselt aber schon nach<br />

einem Semester nach München. „Wir<br />

saßen damals von 7 Uhr früh bis spät in<br />

die Nacht im Institut und haben gelernt“,<br />

sagt er. 1963 besteht er die Diplomprüfung,<br />

1967 folgt die Promotion. Dann<br />

geht er zurück an die Teheraner Uni.<br />

Der gewaltsame Sturz des Schahs, die islamische<br />

Revolution, das alles erlebt Seyed-Emami<br />

hautnah mit. Den Gedanken,<br />

nach Deutschland auszuwandern, hat er<br />

in dieser Zeit nicht. „Ich hätte zwar die<br />

Möglichkeit gehabt zu gehen“, sagt er.<br />

Davon abgehalten habe ihn jedoch ein<br />

Verantwortungsgefühl gegenüber seinem<br />

Land: „Es dürfen nicht alle rausgehen“,<br />

findet er. Die ersten Jahre der Revolution<br />

empfand der Geologe als „wirre Zeit“.<br />

Seine Forschungstätigkeit sei davon jedoch<br />

nie berührt worden: „Ich war immer<br />

frei in meiner Arbeit und konnte ins<br />

Ausland reisen und wieder zurückkommen,<br />

wie ich es wollte“, sagt er.<br />

Rund 40.000 Studierende hat die <strong>Universität</strong><br />

von Teheran heute – mehr als 60<br />

Prozent davon sind Frauen. „Die Studierenden<br />

bei uns sind sehr motiviert“, sagt<br />

Seyed-Emami. Jeder wolle auf die Uni,<br />

jeder suche nach Aufstiegsmöglichkeiten.<br />

Allerdings sorgt ein strikter Numerus<br />

Clausus dafür, dass nicht jeder sein<br />

Wunschfach studieren kann. „Zu uns<br />

Geologen kommen viele, die ursprünglich<br />

nicht dorthin wollten“, sagt Seyed-<br />

Emami. Trotzdem seien auch sie in der<br />

Regel hoch motiviert.<br />

In <strong>Würzburg</strong> und am Institut von Professor<br />

Franz Fürsich fühlt sich Kazem<br />

Seyed-Emami wohl. „Man wird hier so<br />

freundlich und familiär aufgenommen,<br />

als sei man tatsächlich ein Familienmitglied“,<br />

sagt er. Dieses Gefühl bestehe<br />

auch bei den anderen derzeit dort weilenden<br />

iranischen Studenten, was ein wichtiger<br />

Beitrag zum kulturellen Austausch<br />

sei. Auch deshalb tue es ihm außerordentlich<br />

leid, dass das Institut an diesem<br />

Standort geschlossen werde. bar

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!